1899 / 54 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 03 Mar 1899 18:00:01 GMT) scan diff

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E 2 L L E wier amis Q M R L É ntt mel S L T

ift Aa während der französisGen Herrschaft auh nit ewesen. g Abg. Prinz zu Shönaih-Carolat h: Der Unter-Staatssekretär von Schraut hat wmih namens des Comitss gebeten, der Dolmetscher der Wünsche desselben zu sein. Ich hätte das früher erwähnen Eônnen. Die Gründe, die die Stadt Straßburg hindern, ihrerseits einzutreten, hat Herr Riff in der Kommission ausführlich dargelegt. Abg. Fritzen- Düsseldorf weist darauf hin, daß in Rees urg eine der s{önsten Straßen von Goethe ihren Namen erhalten habe. Die Abstimmung bleibt zweifelhaft. Es stimmen für den Antrag der Kommission die Sozialdemokraten, die Deutsche und die Freisinnige Volkspartei, die Freisinnige Vereinigung, die Nationalliberalen, mit Ausnahme des Abg. Schulze-Steinen, die Mehrheit der Reichspartei und der Reformpartei und vom Zentrum der Abg. Dr. Freiherr von Hertling. Dagegen stimmen die Deutschkonservativen, die Minderheit der Reichspartei und der Reformpartei, das Zentrum und die m Es stimmen mit „ja“ 91, mit „nein“ 84 Mitglieder. Bei Anwesenheit von

175 Mitgliedern ist der Reichstag nicht beschlußfähig, da hierzu 199 Mitglieder erforderli sind. E Präsident Graf von Ballestrem seßt daher die nächste Sizung auf 31/2 Uhr an. Schluß 3 Uhr.

47. Sißung vom 2. März 1899. 31/2 Uhr.

Auf der Tagesordnung steht die Fortseßung der zweiten Berathung des Reichs8haushalts-Etats für 1899, und r des Etats für die Verwaltung des Neichsheeres

ei dem Titel „Gehalt des Kriegs-Ministers“. Bericht-

erstatter ist der Abg. Graf von Roon (d: kons.), der über die Verhandlungen der Kommission berichtet und einige allgemeine Mittheilungen über den Jnhalt des Etats macht.

Abg. Schmidt- Elberfeld (fr. Volksp.) führt Beshwerde über die Scharfschießübungen und die dadurch nothwendig gewordene Terrainabsperrung im Großherzogthum Hessen, und zwar in der Gegend von Mainz. Die Absperrung fei ohne irgend welche vorherige Ver- einbarung mit den Verwaltungsbehörden erfolgt, und man sei über das Maß des Nothwerdigen hinausgegangen, indem sh nachher eine geringere Zeit als ausreihend erwiesen habe. Die Landwirthe seten dadurch in der Einbringung ihrer Ernte gehindert worden.

Kriegs-Minister, Generalleutnant von Goßler:

Die Truppen in Mainz sind in einer sehr \{wierigen Lage: die ganze Umgebung ift hoch kultiviert, die Schießübungen müssen ab- gehalten werden, und natürlich kollidieren da oft die Interessen der Truppen und die der Bevölkerung. Die Klagen aus der Umgegend von Mainz sind dem Kriegs-Ministerium niht unbekannt; wir haben die Sache eingehend geprüft und sind mit dem hessishen Ministerium in Verhandlung eingetreten, um Abhilfe zu hafen.

Wenn der Herr Vorredner sagt, es habe keine Vereinbarung ftattgefunden, so wundert mich das infofern, als bestimmungsgemäß eine bezüglihe Mittheilung vor Benutzung kultivierter Grundstücke zu Truppenübungen erfolgen muß. Wenn dies hier nicht geschehen sein sollte, so hat das General - Kommando sicher bereits Nemedur eintretèn lassen.

Die Uebelstände beruhen wesenilich darauf, daß das XI. Armee- Korp3 keinen Schießplay hat, denn der Griesheimer Uebungsplaß bei Darmstadt darf nach den mit der Gemeinde Griesheim getroffenen Abmachungen zu Schießübungen der Infanterie niht benußt werden, Wir sind jeßt bestrebt, durch Vermittelung der befsischen Regierung diese Abmachungen zu ändern, sodaß zu erhoffen ift, daß künftig auf diesem Play auch Infanterie schießen darf. Es wird dann ein Theil der in dieser Beziehung in der Nähe von Mainz hervorgetretenen Uebelstände verschwinden und darf ih versichern, daß, fo weit möglich, alles gesehen foll, um den Wünschen der Bevölkerung in der Um- gegend von Mainz gerecht zu werden.

Aba. Dr. Lingens (Zentr.) bringt ähnlide Klagen über das scharfe Schießen aus seinem Wahlkreise vor und fährt dann fort: Als der Hochselige Kaiser Wilhelm 1. im Jahre 1878 auf seinem Schmerzenslager lag, da \sprach er das Wort: Dem Volke muß die Religion erhalten werden. Hat das Ministerium diese Mahnung befolgt? Die Uebersicht über die Bestrafungen der Militärpflichtigen erreat doch große Bedenken, denn die Zahl derselben wächst von Jahr zu Jahr. Man hat in der Heeresverwaltung und auch in der Marine auf die Seelsorge viel zu wenig Gewicht gelegt, wenn auch manches in leßter Zeit besser geworden ist. Redner beshwert sich \chießlich darüber, daß die Soldaten anftößige Lieder sängen.

Kriegs-Minister, Generalleutnant von Goßler:

Ich kann das Bestreben des Herrn Vorredners, auf kirhlichem Gebiete Besserung zu schaffen, von meinem Standpunkt aus nur an- erkennen. In dieser Beziehung hat wiederholt ein Meinungsaustaush zwischen uns stattgefunden, und ih erkenne gern den reinen redlichen Sinn an, der den Herrn Vorredner bestimmt, au bei der Besserung der religiösen Verhältnisse in der Armee mitzuwirken. Aus seinen heutigen Darlegungen habe ih aber den Eindruck gewonnen, daß er in mancher Hinsicht zu s{hwarz sieht; denn die Behauptung, daß nicht gleiches Recht für Alle besteht, kann ih nicht unterschreiben. Es besteht that- fächlich in der Armee für Jeden gleihes Neht, und beschämende oder oder niederdrückende Bestimmungen, auf die der Herr Abgeordnete hingewiesen hat, find mir nicht bekannt. Ih bin bestrebt, auch auf diefem Gebiete mit den Organen zu-arbeiten, die- mir- dienstlih hierfür zugewiesen sind. Jun erster Linie sind das die Feldpröpste der Armee, und es gereiht mir zur besonderen Befriedigung, es hier aus- \sprechen zu können, daß zwishen mir und diesen hohen kirhlihen Stellen volle Uebereinstimmung besteht. Daß im übrigen die katholishen Angehörigen der Armee nicht benachtheiligt sind, ergiebt sih aus einem Vergleih der Kosten, welhe für die kirhlihe Ver- sorgung der evangelishen und katholishen Mannschaften im Etat vorgesehen find. Die Aufwendungen für die katholishen Mannschaften überschreiten die für die evangelishen ganz wesentlich. (Hört, hört! rechts und bei den Nationalliberalen.) Aus diesen Verhältnissen dürfte sih das volle Verständniß für die Bedürfnisse der katholischen Mannschaften ergeben. Wir find aber auch bestrebt, außerhalb der Kirhe den Einfluß der Geistlien möglichs| zu fördern. Hierzu dienen Kasernenandahßten und Kasfernenabendstunden, in denen den Militärgeistlihen Gelegenheit gegeben wird, auf die Mannschaften in zweckentsprehender Weise einzuwirken. Auch i} bekannt, daß jedem Soldaten, welcher Konfession er auch angehöre, der freiwillige Kirhenbesuh an Sonn- und Feiertagen freisteht und daß ihm dienstlih in Erfüllung diefes Wunsches nichts in den Weg gelegt werden darf. Nun sind aber von katholischen Geistlichen Klagen darüber laut geworden, daß diése Mannschaften vielfach durch Störungen u. f. w. nicht gerade zur Erbauung der

fonstigen Gemeinde beigetragen haben (Heiterkeit), und fo ift denn der Wunsch ausgesprochen worden, auch diese freiwilligen Kirhgänger ge-

{lossen zur Kirche führen zu lassen. Die dieserhalb angestellten Erhebungen sind noch nicht zum Abshluß gekommen, doch is soweit Aeußerungen bereits vorliegen von verschiedenen Seiten davor gewarnt worden, den freiwilligen Kirhenbesuch obligatorisch zu machen. G

Wenn mich der Herr Vorredner, sei es in der Kommission, sei es im Plenum, über Einzelfälle orientiert hat, in denen er glaubte Klage führen zu sollen, so bin ih stets bereit gewesen, denselben näher zu treten. J glaube, er wird mir selbs bezeugen, daß ih stets bestrebt war, in dieser Hinsicht seinen’ berechtigten Wünschen zu entsprechen. f

Ich würde es deshalb au bezüglih seiner Klagen über. das Singen unpassender Lieder seitens einzelner Truppentheile lieber ge- sehen baben, wenn er mir anstatt der allgemeinen Angaben die einzelnen Vorgänge selb näher mitgetheilt hätte. Wir haben in der Armee ein dienstlich eingeführtes Liederbuch, was eine forgfältig ausgesuhte Sammlung geeigneter Lieder für die Truppen enthält und was gerade deshalb eingeführt worden ist, um nit geeignete Lieder, die hier und da früher zuweilen gesungen wurden, auszuscheiden. Jch kann mir deshalb kaum deyken, daß von geschlofsenen Truppentheilen noch derartige Lieder gesungen werden, und bin überzeugt, daß die Kommandobehörden, wenn ihnen dieses bekannt wäre, ohne weiteres hiergegen einshreiten würden. Auf all- gemeine Angaben kann ih jedoch nicht eingehen.

Wenn: der Herr Vorredner hervorhebt, daß die Soldaten nicht so gut aus dem militärishen Dienste wieder nah Hause zurückehren, wie sie von da weggegangen seien, so bitte ih, do zu bedenken, was er selbs im Eingange seiner Rede ausführte, nämlih, daß die Zahl der Vorbesirafungen in so ershreckendem Maße zugenommen hat. Jch kann daher nichi zugeben, daß unsere Leute wie die unshuldigen Lämmer in den Dienst eintreten. Im Gegentheil, es ergiebt fih aus den vorgeführten Zahlen der Vorbestrafungen ohne weiteres die Schwierigkeit der militärishen Erziehung.

Auch dieser Frage ist sehr eingehend näher getreten worden, und es hat fich gezeigt, daß troy der wahsenden Zunahme der Vor- bestrafungen die gerihtlihen Bestrafungen in der Armee im allge- meinen abnehmen, und daß wir, namentlih roas die {weren Strafen anbelangt, eine dauernde Besserung zu verzeihnen haben. Es dürfte sich hieraus ergeben, welhe gute Schule die Disziplin in ter Armee auch für einen minderwerthigen Ersaß ift, und daß man auf die Art der Handhabung der Disziplin in der Armee und auf unser Straf- system ftolz sein kann. (Bravo! rets.)

Ich hoffe somit, daß der Herr Vorredner au in dieser Hinsicht beruhigt sein wird.

Wenn er dann noch die Frage der Militär - Kirhenordnung ge- streift hat, so ist auch hierüber in der Kommission wiederholt ge- \sprohen worden. Es ift rihtig, die Militär - Kirhenorduung ift zum theil veraltet und entspriht der heutigen Zeit niht mehr. Aber für die katholische Kir(he ist dies insofern irrelevant, als die Einrichtungen der katholishen Militärkirhe auf päpstlihen Breves und auf Verein- barungen mit der Kurie beruhen. Die Militär-Kirhenordnung ist also in dieser Beziehung niht maßgebend und könnte auch nicht um- gearbeitet werden ohne neue Vereinbarung mit der Kurie.

Abg. Bassermann (nl.): Mit den Vorbestrafungen der Mann- chaften ist es doch eine zweifelhafte Sache, die eine besondere Er- örterung verdient. In den Kreisen des Handwerks besteht ein großes Interesse für die Ausdehnung der Berechtigung zum einjährig - frei- willigen Dienst. Die wissenschaftlie Vorbildung kann ersetzt werden durch den Nachweis einer großen Kunstfertigkeit; aber davon wird wenig Gebrauh gemacht. Das Handwerk wird dadur geschädigt, daß die Söhne der Handwerker sich wegen Erlangung des Einjährigen- zeugnisses den höheren Schulen zuwenden und niht wieder in das

mpt end zurückehren. Man follte den Fahshulen eine gewisse Berechtigung geben.

Kriegs-Minister, Generalleutnant von Goßler:

Ih bin selbstverständlih gar nicht in der Lage, zu diesem An- trage Stellung zu nehmen; das ist Sache des Reichs und nicht eines Bundesstaates; in Bezug hierauf find zuständig die Reihs-Schul- kommission und in leßter Instanz der Herr Reichskanzler. Die Frage der Berechtigung zum einjährigen Dienst i} aber auch an und für ih niht so ecinfach zu lösen; denn nah dem Reich2-Militärgesetz welhes wörtlich festseßt:

„Ein Geseß wird die Vorbedingungen regeln, welGe zum Ein-

jährig-Freiwilligen-Dienst berechtigen“,

soll sie geseßlich geregelt werden. Dieses Geseh ift bisher noch niht erlassen und konnte auch nit erlaffen werden, weil die Unterrichts- verhältnisse in ihren Grundzügen im Deutschen Reiche so verschieden sind, daß zunächst garnicht daran gedahht werden konnte, eine allgemeine Grundlage für das gesammte Reich zu shaffen. Erst wenn diese Verhältnisse sich im Neide gleihmäßiger gestaltet haben werden, wird der Augenblick gekommen sein, das vorgesehene Gesetz zu erlassen. Jett {hon vorzeitig einzelne Fächer herauszugreifen und zu begünstigen, halte ich für bedenklich, um so mehr, als es geboten ersheint, auh zunächst abzuwarten, wie sih bei der verkürzten Dienstzeit das Ver- hältniß des Einjährig-Freiwilligen und des zweijährig dienenden Mannes allmählich gestaltet. Ih glaube daher nit, daß der Zeit- punkt jeßt {hon gekommen is, um eine prinzipielle Entscheidung zu treffen. Daß die Anagelegenheit aber dauernd im Auge behalten werden wird, das wird durch die im Militärgeseß ausdrücklih vor- behaltene geseßlihe Regelung dieser Frage garantiert. Mit dem Herrn Vorredner stimme ih aber darin durchaus überein, daß die Ausbildung an Fahschulen viel mehr werth sein kann, als die auf einer Presse.

Abg. Bebel (Soz.) stellt den einjährigen Dienst als ein Privi- legium der besißenden T hin, das- die Sozialdemokraten als solhes auf das entschiedenste bekämpfen würden. Die Militärver- waltung ftelle einerseits den Landwirthen Mannschaften zur Erntezeit zur Verfügung, andererseits hindere sie aber die Landwirthe an der Ernte durch die Scharfschießübungen. Obwohl man über die ungenügende Zeit zur Ausbildung der Soldaten klage und die dreijährige Dienstzeit verlange, babe man die Soldaten vielfa anderweitig beschäftigt, theilweise zum Schaden der brotlosen Arbeiter. Mit der Religion habe es nichts zu thun, wenn so viele Rekruten vorbestraft seien, sondern vielmehr damit, daß viele junge Leute beiter Geschlechter über- haupt keine Familienbeziehungen mehr hätten, weil sie von jungen Jahren an in die Fabrik gingen und weil die verheiratheten Frauen auch in der Fabrik thätig sein müßten. Das mangelhafte Schulwesen ‘auf dem Lande trage au das Seinige dazu bei. Der Abg. Lingens habe den Sozial- demokraten gesagt, daß sie das nicht glaubten, was sie den Leuten predigten. Er (Nedner) müsse eine solhe Verdächtigung zurückweisen. (Vize-Präsident Dr. von Frege ruft den Redner wegen dieses Aus-

drucks, den er gegen einen Abgeordneten gebraucht habe, zur Ordnung.) Ein folher Vorwurf, daß die Sozialdemokraten das selbst nicht

glaubten, was fie sagten, fei der sGwerste, der einer Partei gema@t

werden könne. Die freie Religionsübung wollten sie au), aber man

sollte niemand zum Kirhgang gegen seinen Willen ¿wingen. Die Armeeverwaltung sollte mit diesem Zwange nicht über- greifen auf Personen, die niht zur Armee gehören. Es solle z. B. angefragt sein, ob {ich in Spandau an der Bewegung, die den Aus- tritt aus der Landeskirche anregte, au Arbeiter der Den betheiligt bätten. Von der Armee sei in einem Vortrgge in den Sittlichkeitsvereinen gesagt worden, sie sei die Hochschule der Unzucht. Redner kommt fodann auf die Spielerprozefse der lezten Zeit zu \prechen, bei denen Gardeoffiziere und Beamte betheiligt gewesen seien. Zum Schlüß verlangt derselbe über eine Reihe von Vorgängen in der Armee, welhe zumeist Bestrafungen wegen Mißhandlungen betreffen und die er namentli anführt, Auskunft.

Präsident Graf von Ballestrem: Aus der Mitte des Hauses ist mir mitgetheilt worden, daß \ih die evangelishen Mitglieder des Hauses dur einen Passus der Rede des Abg. Dr Lingens grabiert fühlen. Wegen des \{chwachen Organs des Abg. Dr. Lingens ift diese Aeußerung von meinem Vertreter hier auf dieser Stelle nicht vernommen worden. Nach dem stenographischen Bericht lautet die Stelle: „Unsere Evangelishen in Deutsh- land können nit tolerant sein." Jch muß zu meinem Bedauern dem Herrn Redner bemerken, daß diese Aeußerung allerdings in dieser AlUgemeinheit geeignet war, die evangelishen Mitglieder des Hauses zu verleßen, und deshalb gegen die Ordnung verstoßen hat.

Kriegs-Minister, Generalleutnant von Goßler:

Der Herr Vorredner is zunächst auf Reden anderer Mitglieder des Haufes eingegangen. Jch sehe mih daher veranlaßt, dazu die Zu- sätze zu machen, welche ih für nothwendig halte, um diese Angelegen- heiten zu klären. Herr Bebel bedauert, daß wir genöthigt sind, Schieß- übungen im Terrain abzuhalten, und macht uns gewissermaßen daraus einen Vorwurf. Jch kann ihn infolge dessen nur dringend darum bitten, mit seiner ganzen Autorität dafür einzutreten, daß bald aus- reichende Uebungspläße für jedes Korps einer errichtet werden, damit die Schießübungen im Terrain möglichst aufhören. Das würde auch dem Interesse der Armee entsprechen.

Neuekre Befehle, betreffend Ernteurlaub der Mannschaften, sind mir nicht bekannt. Richtig ist, daß eine alte Ordre, welche diese Verhält- niffse regelt, besteht. Jh weiß somit niht, worauf sih die Angabe, daß für das Garde-Korps ein neuer Befehl ergangen sei, ütt.

Ueber die Einrichtung eines Lawn - Tennis- Platzes in Wesel kann ih keine Auskunft geben. Ich habe hierüber nihts gelesen und nehme an, daß hier ein Irrthum vorliegt.

Die Betheiligung von Mannschaften als Treiber bei Jagden ift, wenn es überhaupt geschieht, eine freiwillige Dienstleistung, für die sie bezahlt werden und aus der bei Verleßungen ein Anspruch auf Invalidenbenefizien niht hergeleitet werden kann. Mir ift übrigens auch nur ein Fall bekannt, bei welhem eine leihte Verleßung eines Treibers dur ein Schrolkorn vorgekommen ist, die aber keine weiteren Folgen hatte. Derartige in der Presse besprochene Fälle find sämmt- li übertrieben wiedergegeben.

Die Angabe, das 1. Pionier-Bataillon sei zur Vernichtung der Nonnenraupe nah: Rominten ausgerüdckt, ift unzutreffend. Es hat {ih vielmehr um größere Waldarbeiten, die in den dortigen Forsten vor- zunehmen waren, gehandelt, die dem Bataillon die seltene, höchst er- wünschte Gelegeaheit boten, si in diesem für Pioniere besonders wih- tigen Dienfstzweige auszubilden, eine Gelegenheit, wie sie sih besser faum wieder finden dürfte. Das Bataillon hat daher im Vorjahre bezügli seiner Ausbildung einen besonders guten Eindruck gemacht.

Auch die Angabe des Herrn Bebel, in Halberstadt hätten Soldaten Erdarbeiten zu privaten Zwecken ausgeführt und dadur freie Arbeiter geschädigt, ist unrichtig. Es ist kein Soldat dort als Arbeiter verwandt (hört! hört! rechts), im Gegentheil, die Genehmigung hierzu vom General-Kommando versagt worden. (Zwischenrufe bei den Soztal- demokraten.)

Dann hat Herr Bebel Massenaustriite aus der Landeskirche in Spandau berührt. Es \oll sih hierbei um die Erhebung einer Kirchensteuer handeln. Jh kann nur versichern, daß die Militär- verwaltung mit diefer Sache absolut nihts zu thun hat und daß in dieser Beziehung kein Erlaß ergangen ist, der die Arbeiter der dortigen militärishen Anstalten in irgend einer Weise in Bezug auf diese Angelegenheit beschweren könnte.

Ih komme nun zu den einzelnen Punkten, welche Herr Bebek nicht in Verbindung mit den Ausführungen seines Herrn Vorredners erwähnt hat. Zunächst das Hazardspiel in Berlin, worüber er nähere Angaben verlangt. Ich bedauere, diesem Wunsche nit entsprechen zu können, do das kann ih fagen, daß die Untersuhung im Gange ist und daß seitens der Militärkommandos alles geschieht, um sie zu erleichtern. Es wird sih ja zeigen, was dabei herauskommt; soweit unsere Kenntniß reiht, sind aktive Offiziere hierbei überhaupt nicht betheiligt. Es is aber der bestimmte Wille Seiner Majestät des Kaisers und Königs, volle Klarheit in der Sache zu schaffen, und man kann Seiner Majestät nur dankbar sein, daß mit aller Energie durchgegriffen werden wird. Jh habe in - der Kommission bereits ausgeführt, daß die Versuchung, die an die Offiziere sih heran- drängt, so unerhörter Natur is, daß dagegen eingeschritten werden muß. Die Unezrfahrenheit der jungen Offiziere wird zuweilen in der \hamlosesten Weise ausgenußt. (Sehr richtig! rechts.) Jh kann aber auch bestätigen, daß das Spiel in der Armee sehr abgenommen hat ; in den Offizierkasinos wird fast garnicht mehr gespielt. Fälle, von denen hier die Rede ist, stellen aber Versuchungen dar, denen chwache Naturen leider unterliegen.

Daß der Name Brüsewiß heute wieder vorkommen würde, war an sih niht überrashend. Man hat sich ja in den fozialdemokratischen Blättern mit diesem Namen immer sehr eingehend beschäftigt. Die Schlußfolgerungen aber, die der Abgeordnete Bebel daran geknüpft hat, sind unzutreffend. Er ist zunähst von der Vorausseßung aus- gegangen, Leutnant a. D. von Brüsewiß sei zu 4 Jahren Gefängniß verurtheilt worden. Es waren jedoch nur 3 Jahre, und damit fällt auch die Annahme, v. Brüsewiß habe nicht einmal die Hälfte der Strafe im Gefängniß zugebracht; der Genannte hat beinahe 2 Jahre seiner Strafe, und zwar im Landesgefängniß zu Freiburg in Baden, verbüßt. 4

Was den Fall selb anlangt, so ift in militärischen Kreisen da- rüber sehr hart geurtheilt worden, während andere Kreise, die den Leutnant a. D. von Brüsewiß näher kannten, zu einer wesentli milderen Auffassung gekommen sind. Aus diesen Kreisen sind mehr- fach Gnadengesuche eingereiht worden. Die Gründe, welche in dieser Hinsicht in hohem Maße für eine Milderung sprechen, find folgende: Herr von Brüsewiß hat sich in der Gefangenenanstalt niht nur in jeder Beztehung musterhaft geführt und alle ihm übertragenen Arbeiten zu vollster Zufriedenheit ausgeführt, sondern auch die Angehörigen des

von ihm getödteten Siepmann durch Zahlung einer namhaften Summe zu ents{hädigen versuht. Zudem hatte seine Gesundheit \o gelitten und war er so ernst erkrankt, daß seine Entlaffung aus dem Gefängniß nur noch eine Frage kurzer Zeit war. Jedenfalls hatte aber dieses Leiden mit dazu beigetragen, die bisher verbüßte Strafzeit zu einer besonders qualvollen für den Verurtheilten zu gestalten. Fch meine, das sind abgesehen von der Strafvershärfung, welhe darin liegt, daß nach vierzehnjähriger vorwurfsfreier Dienstzeit zuglei auf Dienstentlassung erkannt worden war do Gründe, die die Beurtheilung dieses Mannes, welche ihm wieder zu theil gworden ist, in keiner Weise rechtfertigen, wenn Seine Majestät von seinem Begnadigungsrehte Gebrauch mate. Fch kann nur hinzufügen denn dur meine Hand gehen ja diese Begnadigungsordres —, daß mir kein Herrscher. bekannt ist, der von diesem Rechte in dieser gütigen Weise einen so umfassenden Gebrauch machté.

Der Herr Abgeordnete Bebel hat dann noch einige Fälle erörtert, die er mir heute Morgen durch einen Brief genannt hatte. erkenne das zwar dankbar an, wenn ih aber ers um 10 Uhr Vor- mittags derartige Mittheilungen erhalte, so ift mir die Zeit sehr kurz, das Material rechtzeitig zu beschaffen und dasselbe dann noch dur(- zusehen. Jch bin aber bereit, über die Fälle Auskunft zu geben, so- weit ih das Material zur Stelle habe.

Zunächst ist der Fall des Rittmeisters Grafen zu Stolberg- Wernigerode, betreffend die Tödtung des Sergeanten Scheinhardt, zur Ditkussion gestellt worden. Die Charakteristik, die der Abgeordnete Bebel dem Rittmeister Grafen zu Stolberg hat zu theil werden lassen, widerspriht durhaus den Thatsachen. So ist zunächst über die Qualifikation des Grafen zu Stolberg, die in den Akten enthalten ist, Folgendes mitzutheilen:

„Graf Stolberg, überaus lebhaften Tempeiaments, ist ein sehr „tüchtiger, gewissenhafter, pflihttreuer Eskadronchef, der, \treng „gegen sih und seine Untergebenen, stets unermüdliÞh und mit „seltener Gnergie für deren Wohl besorgt ift.

„Im Offizierskorps is er wegen seiner vornehmen Gesinnung, „setner vortrefflißen Formen und guten Kameradschaft sehr beliebt.“

Auch die Angabe, des Herrn Bebel, Graf zu Stolberg hätte früher seinen Burschen erstochen, is unrihtig. Daß diese Legende fortdauernd weiter verbreitet wird, ist ganz eigenartig. (Sehr richtig! rechts). Es ist gar keine Rede davon, daß dem Grafen zu Stolberg ein der- artiges Vergehen jemals zur Last gelegt worden sei. Die einzige Vorstrafe, welhe der Genannte erlitten hat, beruht auf einem Vor- gang aus seiner früheren Eskadronchefzeit bei einem Husaren-Ne- giment. Zu seiner damaligen Shwadron war nämlich ein früherer NRegiments-Schuhmachermeister infolee Eingehens dieser Stelle ver- fett worden, der bis zu seiner Entlaffung bei der Shwadron Dienst thun follte. Dieser Mann weigerte sich beharrli, zum Dienst zu Fommen, zog si nicht an, widerseßte sich thätlich dem Wachtmeister und als er endlich unter Anwendung von Gewalt zum Dienst ge- bracht wurde, benahm er sich so herausfordernd, daß der Rittmeister Graf zu Stolberg, einem thätlihen Angriff zuvorkommend, ihn zurückstieß. Aus formellen Gründen wurde Graf Stolberg mit 8 Tagen Arrest bestraft, also eine Strafe, die ¡hier überhaupt gar nicht in Frage kommen kann.

Was nun den Thatbestand der Tödtung des Sergeanten Schein- hart anbelangt, so kann ich den Rittmeister Grafen zu Stolberg- Wernigerode zwar nicht entschuldigen, das kann niht meine Aufgabe fein, aber ich kann wohl die That erklären. Das Ulanen-Regiment Nr. 15 hatte eine \{chwere Typhusepidemie durchzumachen, die einzige Schwadron, welche hiervon verschont blieb, war die des Rittmeisters Grafen zu Stolberg - Wernigerode, deren vorzüglihe innere Ordnung allgemein bekannt war. Sie rückte deshalb auch als die einzige des Regiments zum Manöver aus, und wurde es dem Rittmeister zur dringenden Pfliht gemaht, für die Gesundheit der Mann- chaften und namentlich für eine regelmäßige und gute Ver- pflegung derselben besonders zu forgen. Er schaffte daher einen Kohapparat an, der an den Bagagewagen angehängt, oder auch auf demselben mitgenommen wurde. Er wollte es so er- möglichen, daß die Schwadron im Bivyouac sofort warmes, gutes Essen vorfand, um auf diese Weise Störungen der Gesundheit zu vermeiden. Sergeant Scheinhart| war mit der Führung des Wagens und der Aufsicht über den Kochapparat beauftragt. Als nun die Schwadron am 14. September vorigen Jahres Nachmittags ins Bivouac einrückte und Sergeant Scheinhart mit dem Wagen ein- getroffen war, s{chickte Graf Stolberg den Genannten mit dem in- zwischen entladenen Wagen nah einem 400 Meter entfernten Dorfe, um dort Wasser zu holen und, wenn mögli, auf seine Kosten für die Schwadron 100 Liter Bier zu kaufen. Nach der Abfahrt des Sergeant Scheinhart wurde wahrgenommen, daß das in der Nacht unter seiner Aufsicht zubereitete Essen, welhes nunmehr an die Leute zur Verausgabung gelangen sollte, infolge fehr {lechter und vernahh- lässigter Handhabung des Kochapparats verdorben war, sodaß der Rittmeister vor der Frage stand, was nun aus der hungrigen Schwadron werden solle? Graf zu Stolberg gerieth hierüber natürlih in große Erregung und sandte sofort den Wachtmeister nah demselben Dorfe, um für die Schwadron auf seine Kosten Lebensmittel zu kaufen. Dieser kehrte nah einer halben Stunde mit dem Gewünschten zurück, während Sergeant Scheinhart mit dem Wasser immer noch niht da war. Die Erregung des Grafen zu Stolberg steigerte sich beim Warten auf ihn begreifliherweise in dem Maße, wie durch das Ausbleiben des Wassers die Möglichkeit {chwand, das verdorbene Essen zu ersezen, was auch dadur zum Ausdruck kam, daß, als ein Offizier der Schwadron, ein Reserve-Offizier, ihn aufforderte, etwas zu essen, Graf zu Stolberg in heftigem Tone antwortete: „Wie Eönnen Sie von mir verlangen, daß ih einen Bissen esse, ehe meine S{hwadron nicht satt ist!“ Sergeant Scheinhart ließ etwa 2 Stunden auf sich warten, und es if nachgewiesen, daß er in verschiedenen Wirthschaften des Dorfes, die er kesuht hat, Bier getrunken hat und daß. er, wenn auch nicht betrunken, vom Biergenuß do fehr erregt war. Als er endlich mit dem Wagen ohne Bier und nur mit einem Faß Wasser zur Shwadron zurückkam, stellte ihn Graf zu Stolberg in erregter Weise zur Rede. Hierbei hat der Nittmeister den Sergeanien Scheinhart allerdings in der heftigsten Weise angefahren und den Genannten, der, statt seine Schuld ein- zugestehen, ih troßig vor ihn hinstellte und bei jedem Satze, den sein Rittmeister zu ihm spra, mit ironishem Gesichtsausdruck sagte: «Zu Befehl, Herr Graf !“, nun völlig in Wuth gerathend, mit Schimpf- worten überhäuft und dann \{chließlich arretieren laffen. Das Unglück

hat es dann gewollt, daß die Beiden noH einmal im Bivouac nah kurzer Zeit zusammentrafen und daß Graf zu Stolberg-Wernigerode, als der Sergeant sein unbotmäßiges, herausforderndes Betragen fortsezte, nun seinen Säbel zog und ihm einen leiten Hieb auf die linke Seite des Kopfes versetzte. Der Säbel war stumpf, der Hieb wurde ohne besondere Kraftanstrengung und jedenfalls niht in der Absicht, den Sheinhart zu tödten, geführt. Nach dem ärztlichen Befunde hat der Hieb nur eine unbedeutende Wunde verursacht. Sie war zum theil eine reine Quetshwunde, der Tod t ist infolge Gehirnerschütterung eingetreten. Es läßt ih niht leugnen, der Tod is durch diesen Säbelhieb herbeigeführt worden ; aber nah ärztlihem Urtheil liegt unzweifelhaft ein seltener Fall vor, und einer der begutahtenden Äerzte nimmt an, daß die hohgradige Erregung des Verstorbenen bei dem Vorfall einen wesentlihen Einfluß auf den tôdtlihen Verlauf gehabt hat. Das Kriegsgeriht hat sich natürlich niht davon entbinden können, den Grafen zu Stolberg zu verurtheilen. Das Erkenntniß lautete auf „Dienstentlassung und 3 Jahre 4 Monate Festungshaft wegen Beleidigung und vorschriftswidriger Behandlung eines Untergebenen, sowie Mißhandlung eines solhen mit tödtlihem Ausgang verübt mittels rechtswidrigen Waffengebrauhs“. Ich brauche die Gründe, die dem Urtheil zu Grunde gelegen haben, nicht weiter anzuführen; denn aus meiner Darstellung ergeben sich die Milderungsgründe ganz von selbst. Es ist meiner Ansicht nah ganz den Geseßen entsprewend erkannt, und ih glaube, die That läßt si erklären, ents{huldigen läßt fi: sich n fe#

Die aus Würzburg vom Herrn Abgeordneten Bebel vorgetragene Einzelheiten sind mir nicht bekannt, ebenso wenig die shweren Strafen, die in Darmstadt verhängt sein sollen. Und da mir der Herr Abgeordnete die Vorbringung dieses niht mitgetheilt hat, bin ich auch nit im stande hierüber Auskunft geben zu können. “— Ec hat dann noch einen Vorfall aus Wandsbek bei Hamburg, in welhem sh ein Sergeant gegen ein Mädchen vergangen hatte, gestreift und ausgesprochen, daß derselbe sehr gering bestraft worden wäre. Jh will auf die Details niht näher eingehen, die an sih nit so gefährliher Natur gewesen sind, wie man annehmen follte. Der Mann ist mit 2 Jahren Gefängniß und Degradation bestraft worden. Jch halte das für eine recht erheblihe Strafe.

Was den Hauptmann Licht anbelangt, der auhch in den Kreis der Betrachtungen gezogen worden is, so ift allerdings in verschiedenen Zeitungen, in \{chlesishen und auch in pommerschen, cin Artikel er- schienen, welcher ausführte,5 daß Hauptmann Licht die Landwehrleute beshimpft, überhaupt sie nit vorschriftsmäßig behandelt habe. Der Abgeordnete Bebel fragt mich, was seitens der Kommandobehörden

eschehen sei. Ich darf ihm darauf erwidern: es ist sofort “i Fcieg8ueritlîhe Untersuchung eingeleitet und der Genannte

wegen Beleidigung Untergebener und wegen vorschriftswidriger Be- handlung mit mehreren Monaten Festungshaft bestraft worden. (Hört! Hört! rechts).

Die Affäre Rupp hat \sih in Mülhausen i. E. zugetragen. Ein Musketier Rupp, ein Rekrut, hat dort einen Musketier mit einem Shuhmawermesser getödtet. Der Thatbestand is im allgemeinen richtig wiedergegeben. Nah dem Bericht des General-Kommandos ist Rupp von älteren Leuten mehrfah geschlagen und zu Dienst- [eistungen, wie Heruntertragen des Eimers, Stiefelpußen u. st. w., verwandt worden, Dienstleistungen, zu denen er nicht verpflichtet war, sodaß er erklärte, er würde si, wenn man ihn wieder f{lagen sollte, mit dem Messer wehren. In dem Bericht heißt es wörtlich :

Am 13. November vorigen Jahres, 9 Uhr 30 Minuten Abends, begab sih der Unteroffizier vora Dienst der Kompagnie auf mehr- malige Hilferufe nach der Stube 11, von der aus Lärm hörbar war. In der Stube sah der Unteroffizier den Musketier Nupp angezogen, mit einem großen Messer in der Hand, am Spinde stehen, umgeben von mehreren Mannschaften. Zu dem Unteroffizier äußerte 2c. Rupp sofort: „Jh habe mih nur gewehrt!“ Musketier Vollstädt lag in der. Nähe des Ofens auf dem Boden in einer Blutlache, unter ihm eine Klopfpeitshe. Bald darauf wurde dessen Tod und zwar infolge mehrerer beigebrachter Messerstiche festgestellt. Nach den vom Regiment gepflogenen Ermittelungen ist Rupp von Seiten des älteren Jahrgangs {chlecht behandelt, zu Dienstleistungen, wie Eimertragen, Stiefelwichsen, gemißbraucht und au ges{lagen worden.

Das General-Kommando berichtet weiter, daß sofort die kriegsgerict- liche Untersuchung eingeleitet worden sei, um festzustellen, inwieweit eine systematische Mißhandlung der Rekruten durch Mannschaften des älteren Jahrgangs stattgefunden habe und in wie weit die unge- nügende Beaufsichtigung der Mannschaften daran {uld sei, daß der- artige Zustände in der Stube herrshten, auch wären Anordnungen getroffen, durch welhe der Wiederholung derartiger Behandlungen in Zukunft vorgebeugt werde.

Die kriegsgerihtlihen Akten find nicht hier; sie befinden sih beim General. Kommando. Jh habe nur aus einem Gnadengesuch ent- nommen, daß Rupp wegen Körperverlezung mit nachfolgendem Tode bestraft worden ist. Dieses Gnadengesu*}h wird zur Entscheidung Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog von Baden unterbreitet werden, da es \sich um cin Ver- brehen handelt, das nit militärischer Natur ist. Jch kann bei der Kürze der Zeit niht näher auf den Fall eingehen; ich glaube aber, die Herren werden hieraus entnehmen, daß in der Sache sehr energish eingeschritten worden is und daß derartige Rohheiten unter keinen Umständen gebilligt und geduldet werden. Jch habe bereits bei der ersten Lesung des Etats davon gesprochen, daß diese Er- scheinung sehr auffallend ist, und daß ih früher als milderndes Element die Autorität des dritien Jahrgangs in besserer Weise fühlbar mahte. Die beiden Jahrgänge stehen sich jeßt gegeaüber : ein älterer JIahrzang, der den jüngeren in g?wissem Grade mißbraucht. Daß dagegen eingeschritten wird, ist selbstverständlich, und daß man dieser Erscheinung eine ernste Aufmerksamkeit widmen muß, liegt auf der Hand.

Der Herr Abg. Bebel hat hierbei auch Veranlassung genommen, zu fragen, wie groß die Zahl der Selktstmorde infolge Miß- handlung, und wie groß dieselbe im allgemeinen sei. Das vorige Jahr hat die niedrigste Zahl von Selbstmorden seit dem Jahre 1887 zu wverzeihnen; es sind 37 Selbstmorde weniger als im Jahre 1827 vorgekommen. Ich glaube, daraus ergiebt si, daß die Behandlung in der Armee eine rihtige und sahgemäße ist.

Sqließlich is auch noch der Fall des Sozialdemokraten Kriese zur Sprache gebracht worden. Der Reservist Kriese ist in Uniform als Zeuge von dem Landgericht in Marienburg vernommen

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worden. Die Angelegenheit wäre der Militärbehörde überhaupt- nicht bekannt geworden, wir s\pionieren garniht, wenn nicht die sozialdemokratishe Presse, und zwar die „Volkstribüne“ in Königs- berg in Nr. 110, den Mann in besonderer Weise hervorgehoben und damit dargethan hätte, daß dieser Vorfall ausgenußt werden follte, wenn ih das Wort gebrauchen darf, zu einer gewissen Reklame. Es steht in diesem Artikel wörtlich:

Beæerkenêwerih aus der Verbandlung war noŸ folgendec Zwischenfall. Einer der als Zeugen geladenen Genossen if gegen- wärtig als Unteroffizier zu einer Uebung eingezogen und war, zum Termin beurlaubt, in Uniform erschienen. Der Vorsißende fragte ihn, bevor er ihn vernahm, ob er Sozialdemokrat sei, worauf er die prompte Antwort erhielt: „in Zivil ja“. Das s\oll ihn, wie uns berichtet wird, zu der fonderbaren Bemerkung „machen Sie sih doch niht zum Narren“ veranlaßt haben.

Lediglih durch diesen Artikel ist dem Generalkommando die Thatsache bekannt geworden und ist festgestellt worden, wie sich die Sache verhalte. Der Mann hat ohne weiteres zugegeben: ja, es hat sich so zugetragen, und ist dementsprehend mit 14 Tagen Arrest bestraft worden (hört! hört! bei den Sozialdemokraten), di3ziplinarisch mit 14 Tagen Arrest bestraft worden, meines Erachtens mit vollem Neht. (Widerspruch bei den Sozial- demokraten.) Der Mann war \ich dessen völlig bewußt, daß sh ein Soldat jeder s\ozialdemokratishen Bethätigung gegen Dritte zu enthalten hat. Da ihm der bezüglihe Befehl bekannt war, so war er auch verpflichtet, wenn ihm eine derartige Frage vor Gericht vor seiner eigentlißhen Vernehmung vorgelegt wäre, seine Aussage zu verweigern und darauf hinzuweisen, es sei ihm als Soldat verboten, darüber eine Angabe zu machen. Daß dann die Frage nicht aufreht erhalten werden wäre, bedarf feiner weiteren Ausführung. Wäre der Mann unter dem Eide vernommen worden, so hätte selbst- verständlih eine Bestrafung niht erfolgen können. (Zurufe bei den Sozialdemokraten, Glocke des Präsidenten.)

Fch wüßte auch nicht, wie man vom militärishen Standpunkte aus anders verfahren sollte. Der Wortlaut des Befehls ist klar und vollständig bekannt. Ebensogut wie der Mann hier sagte, „in Zivil ja“, konnte er auch sagen : auf Urlaub bin ich auch Sozialdemo- krat, oder wenn ich Sonntags Nachmittag ausgehe, dann bin ih nicht im Dienst, dann bin ich auch Sozialdemokrat. Auf derartige Spißtfindigkeiten können wir uns nicht einlassen. (Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Der Befehl ist ganz klar gegeben, wer den aber nicht befolgt, wird eingesperrt. (Sehr gut! rechts.) Auf die lezten Ausführungen des Herrn Abgeordneten Bebel, auf feine prinzipielle Stellung zur Armee und die Stellung der Sozialdemo- fraten zur Armee, versage ich mir, näher einzugehen. Denn eine Einigung zwischen uns in dieser Beziehung is absolut ausges{lofsen. Ich kann nur wiederholen, was ih \chon so oft gesagt habe, daß von meiner Stelle alles gesehen soll, um jeden Einfluß der Sozialdemo- fratie auf die Armee fernzubalten. (Bravo ! rechts.)

Um 61/4 Uhr wird die weitere Berathung auf Freitag 1 Uhr vertagt.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

33. Sißung vom 2. März 1899.

Das Haus seßt die zweite Berathung des Staats- haushalts-Etats für 1899 beim Etat der Eisen- bahnverwaltung, und zwar bei den Einnahmen aus dem Personen- und Gepäcoerkehr, fort.

Abg. von Arnim (kons.): Die Einnahmen aus dem Personen- verkehr haben \ich fehr vortheilhaft entwickelt. Ih möchte meine besondere Befriedigung aussprehen darüber, daß der Eisenbahn- Minifter nur eine Vereinfahung, nit eine Ermäßigung der Personen- tarife einführen will. Durch die fast unnatürliche Herabsetzung der Fahrkartenpreise in den großen Städten und deren Vororten hat eine ebenso unnatürlihe Vershiebung der Bevölkerung in den großen Städten stattgefunden. Die hohen Einnahmen aus den Eisenbahnen follten in der Hauptsache nicht zur Deckung allgemeiner Staats- ausgaben, fondern zu Tarifermäßigungen benußt werden, Wir müssen deshalb dafür sorgen, daß \sch die Eisenbahneinnahmen auf der jeßigen Höhe erhalten, und es is erfreulih, daß der Eisenbahn:-Minister der Steigerung des Güterverkehrs zu folgen sich bemüht hat. Die Cp von Wagen hat fich glatt und befriedigend vollzogen. Die Verkehrsentwickelung wird sich steigern. Darum halten wir es für nothwendig, daß von Oberschlesien nah Berlin, dem Westen und den Seestädten stärkere Schienen und Schwellen gelegt werden, auf denen s{werere Güterwagen fahren können. Es wäre uns lieb, wenn uns die Regierung mittheilen wollte, D sie die Absicht hat, nah den genannten Pläßen Schleppbahnen zu auen.

Vize-Präsident des Staats-Ministeriums, Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Ich konnte zu meinem Bedauern gestern der Verhandlung nicht beiwohnen und möchte daher auf einige Redner von gestern noch mit einigen Worten zurückommen, nachdem mein Herr Kommissar hon die nöthigen thatsählichen Berichtigungen in vershiedenen Punkten gegeben hat.

Meine Herren, den Inhalt der Reden der Herren Abgg. van der Borght und Macco werden die älteren Mitglieder dieses Hauses seit längeren Jahren {on gehört haben. Wenn auch in anderen Worten, sind auch dieselben Gedanken hier faft jedes Jahr ausgesprochen. (Sehr rihtig!)) Sie beziehen sich hauptsählich auf die Beschwerden über die Verwendung von Uebershüfsen der Eisen- bahnverwaltung in zu großem Maße für die allgemeinen Staats- ausgaben, und zweitens beklagen die betreffenden Redner sih über eine zu starke Beengung der Eisenbahnverwaltung durch die Finanz- verwaltung. Ih werde auf beide Punkte nun noch etwas näher eins gehen, obwohl für die älteren Mitglieder dieses Hauses das nicht nôthig wäre Sie haben auch die Widerlegungen folher Reden gehört.

Meine Herren, wir sollen zuviel Uebershüsse für Staatszwecke verwenden! Wir haben, und zwar größtentheils auf Verlangen und Drängen diefes Hauses, jedenfalls auf Grund vorhandener dringender Bedürfnisse, seit dem Jahre 1890 unfere Staatsverwaltungsausgaben um fast 200 Millionen erhöht. Dabei is immer behauptet worden : wir verwalten sparsam, ja zu sparsam. Die Finanzverwaltung ift an diesen Erhöhungen nicht in erster Linie \{chuld, fondern sie find wenigstens in voller Uebereinstimmung mit dem hohen Hause gemacht worden. (Sehr rihtig! rechts.) Wenn nun diese Uebershüsse von jeßt, will i sagen, rechnungsmäßig ih komme darauf noch gleich

zurück von 177 Miklionen nit dagewesen wären und wir unsere.