1899 / 61 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 11 Mar 1899 18:00:01 GMT) scan diff

L E

f Ar. 3d fn

na naa“

G D R G É D R E N

A E I I E E E S I r A D eRs A _ rE : D “3 i

E E O D g ch L f: L s o igt, » aan) pi E: Bde R E R R

E S eris f ewi u L P (H E R L OR A4 4 u Ä é

mas.

L

Abg. von Kardorff: Nicht die Oftafrikanishe Gesell at die Eisenbahnen gebaut, sondern eine besondere Ge clit ree r ein Darlehen gegeben hat; die Ausgaben für die Kolonien find werbendes Kapital und müssen auf die Anleihen angewiesen werden. Abg. Richter: Die Ostafrikanishe Gefekllshaft bat ein Dar- lehen gegeben und ift außerdem zu F an dein Aktienkapital betheiligt.

Staatssekretär des Reihs-Schaßamts Dr. Freiherr von Thielmann:

Es ift mir unbegreiflich, weßhalb die Worte, die H:rr von Kardorff soeben gesprohen hat, gerade gegen mib gerihtet werden. Ich glaube, es ift Pflicht eines güten Schatzsekcetärs, in der Haus- haltéübersiht dem Bundesrath und Reichstage klar zu mahen, was jeder einzelne Posten der Verwaltung kostet. Ein Schaßsekcetär, der darin einige Millionen würde zu unterdrücken versuhen, würde zunächst mit dem Rehnungshofe, dann aber mit der öffentlichen Meinung und dem Reichstage sehr in Konflikt kommen. (Sehr richtig! links.)

Abg. von Kardorff: Eisenbahnbaukosten als werbendes Kapit müssen aus Anleihen bestritten werden. l rbendes Kapital

Staatssekretär des Reichs-Schaßamts Dr. Freiherr von Thielmann:

Ich muß um die Nahweisung bitten, wann ich in dieser Sache das Wort ergriffen habe. Mir ist davon nichts erinnerlih.

Abg. Richter: In Preußen werden die Eisenbahnen auf Grund

besonderer Kreditgeseze gebaut. Das ift eine fehr s{chlechte Praxis, die das Reich von Anfang an vermieden hat, NEYE IUENNE BERE

: Gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, der freisinnigen Gruppen und eines Theils des Zentrums wird die Regierungs- forderung angenommen.

Es folgen die Ausgaben für Kamerun.

Der Berichterstatter Prinz von Arenberg theilt mit, daß die Kommission eine Resolution abgelehnt babe, «an welcher a ländishe Unternehmungen von den deutschen Schußgebieten ferngehalten oder erft nach Genehmigung seitens des Kolonialraths zugelassen PELEE E, br (nl) spridt R@

g. Dr. Lehr (nl.) spri für scine Person im Sinne diefer abgelehnten Resolution aus; die Gründe, weshalb man den Rie rath nit jedesmal hören wolle, seien durhaus niht ausshlaggebend. Die Deutsche Kolonialgesell haft, deren Verhältnifse in der Kommission erörtert seien, habe ihren Siß in Brüfsel, und ihre Genußscheine würden niht einmal an einer deutschen Börse gehandelt. Man be- dürfe der Kolonien im nationalen Interesse; da müsse man auch der Niederlaffung von Deutschen in den Kolonien Vorschub leisten und e S (rgen: die F

g. Möller (n Trt die Form der ausländischen Gesell- \{aften, welche in den deutshea Kolonien vertreten S Ta erfreulih, daß es den Deutschen gelungen sei, fich mit dea Belgiern und Franzosen, die cinmal in Kamerun eingenistet seien, zu ver-

__ einbaren.

Direktor der Kolonial-Abtheilung im Auswärtigen Amt Dr. von Buchka: Meine Herren! Die Ausführungen des Herrn Dr. Lehr, auf die ih mit einigen Worten zurückkommen muß, waren mir nicht neu; ih habe siz gestern oder ehegeftern {on in der „Deutschen Zeitung" gelesen. Ih bedauere außerordentli, daß der Standpunkt, den ih in der Kommission eingenommen habe, nit die Billigun des Herrn Dr. Lehr und feiner Kolonialfreunde gefunden hat. J mich damit trösten, daß die überwiegende Mehrzahl der Mitglieder des Reichstages auf meiner Seite fteht, und daß ih au vielfa in folonialen Kreisen außerhalb dieses Hauses auf Zu- \timmung getroffen bin. Meine Herren, ih weiß eigentlih nicht ret, was die Herren wollen. Ich habe erklärt, ich habe nichts dagegen, den Kolonialrath zu fragen, wenn es sich um Konzessionierung von neuen Gefellshaften handelt, niht bloß von fremden Gesellshaften und solchen, die mit fremdem Kapital arbeiten. Wenn es meine Ge- \chäftslage und die Geschäftslage des Kolonialraths erlaubt, fo will ih iha gern fragen, aber ich habe mir in der Kommission aus8- zuführen erlaubt und wiederbole es: es ift thatsählich unmögli, den Kolonialrath in all-n Fällen zu Rathe zu ziehen. Es ist be- mängelt worden, daß ih angeführt habe, der Kolonialrath trete nur einmal im Jahre zusammen. Es ift ganz richtig: der Herr Reichskanzler hat die Befugniß, den Kolonialrath so oft zusammen- zuberufen, wie er will; aber der Zusammentritt einer derartigen Körperschaft kostet doch auH Geld, und man wird auch die gro ime Lage der Herren, die dem Kolonialrath angebören, berüdcksihtigen müssen und wird si! nicht beliebig oft im Jahre zu- fammenberufen können. Es sind also thatsählide Unmöglichkeiten, die dem entgegenstehen, den Kolonialrath allemal zu fragen, wenn es sich um die Konzefsionieruvg neuer Gefellshaften handelt. Alfo, in prinzipiellem Gegensaß stebe ih zu der in der Kommission eingebrachten Resolution des Herrn Grafen Arnim, der si ja Herr Dr. Lehr beute wieder angenommen bat, absolut nit. Nun hat Herr Dr. Lebr gemeint, man follte kein fremdes Kapital in die Kolonien zichen; es sollten die deutschen Gesellshaiten vor Fremden bevorzugt werden; und er ist mit der Konzession an die Gesellschaft Süd-Kamerun fehr unzufrieden gewesen. Ih möchte zunäht einen Irrthum berihtigen. Der Sitz der Gesellschaft is nicht in Brüfsel, er kann dies geseßlih garniht sein, fondern in Hamburg. Mitglieder der Direktion sind allerdings zwei Brüsseler Herren: der bekannte Oberftleutnant Theiß und Herr Del- commune. Die beiden Herren wohnen in Brüffel, baben si aber verpflichtet, zur Theilnahme an den Geschäften der Direktion, so oft es erforderli ift, nah Hamburg herüber zureisen. Also der Siß der Gesellschaft ist aub thatsählich nicht in Brüffel, sondern in Hamburg. Nunhates das Mißfallen des Herrn Dr. Lehr erregt, daß die Gesellschaft sich mit den belgishen Firmen geeinigt hat, welchz in der Südostecke von Kamerun bereits seit längerer Zeit saßen. Ich kann hinzufügen, daß eine fernere Einigung mit einer dort bestehenden holländishen Firma in naher Zukunft bevorsteht. Meine Herren, wenn wir dzs nicht gethan hâtten, also eine rein deutsche Geselishaft nur mit deutsbem Kapital gegzündet und jene fremden holländischen und belgischen Firmen nicht berüdsiYtigt bätten, wa3 wäre dann das Refultat gewesen? Wir wären zunächst unzweifelhaft von der Kongoregierung, auf die wir doch angewiesen find für den Export der Gefellshafts- erzeugnifse, mit schzlen Augen anzesehen worten aus dem ganz natürlihen Grunde, weil wir dann eben Konkurrenten der belgishen Firmen in der Sanga-Ngoko-Ecke geworden wären, und wenn auch internationale Vertcäge bestehen, auf Grund deren uns die freie Schiffahrt auf dem Kongo zusteht, so hatte es de die D in der Hand, wenn sie uns mit unfreundlihen Augen ansah, uns thatsählihe Schwierigkeiten nah allen Richtungen hin zu maden, Ferner wären wir nicht in der Lage gewesen, in welher wir je6t sind, die von den belgishen Gesellshaften gemahten Erfabrungen Túüc uns zu verwerthen, und wir hätten drittens ¿ine sharfe Konkurrenz mit diesen belgishen Gesellshaften zu bestehen gehabt. Also, meine rren, alle Momente wiesen darauf hin, uns mit den bereits in der üdostede von Kamerun bestehenden fremden Gesellshaften zu einigen, und ih meine daher, daraus kann man uns aus nationalen Gründen keinen Vorwurf machen. Ih wiederhole ferner, was ih bereits in der Kommission gesagt h2be, ich fkonzefsioniere in den deutshen Schußgebieten nur deutsche Gesellshaften. Wenn die Verhältnifse aber fo liegen, daß sich mir fremdes Kapital anbietet, wenn ich fremdes Kapital bekommen kann, deutshes Kapital aber nicht in derfelben W.ise und zu denselben Bedingung?zn, \o sehe ih nicht ein, warum ih Lu au fremdes Kapital bereinnehmen soll, zumal die Aktien unserer Kolonialgesellshaften auf den Inhaber gestellt werden müssen, und infolge dessen jeder Fremde in der Lage ist, ih so viel Aktien zu kaufen, als er will; alfo felbst beut\che G-sellschaften, die mit deutshem Kapital gegründet siand, können in dieier Weise im Umschen zu fremden Getellshafien im Sinne des Herrn Dr. Lekr und seiner Freunde wetden.

Nun, meine Herren, hat der Herr Dr. Lehr zu meinem großen Be- dauern \chließlib noch den Dr. Sarlah angegriffen. Herr Dr. Sarlah if einer der weitsihtigften und einsihtigsten Kolonial- politiker, die in Deutshland vorhanden sind. Ich habe mit Herrn Dr. Scharlah zusammen die Gesellshaft Südkamerun g ih sehe nicht ein, warum aus dieser Gründung, die thatfählich einen großen durds{lagenden Erfolg gehabt bat, dem Herrn Dr. Sharlaß ein Vorwurf zu mathen ist. Es ift rihtio, daß Herr Dr. Scharlach ch verdient gemaht hat um die Gründung der South - West- frica Company in dem südwestafrikanishen Schußzebiet. Aber, meine Herren, wie lagen die Verhältnisse damals? Die Verhältnisse lagen damals so, daß deutsches Kapital nicht in die Schußzgebiete bineingeben wollte; die Verhältnisse lagen so, daß die Aufgabe jenes Schuggebietes, falls dort nichts geschehen würde in absehbarer Zeit, diskutiert werden konnte, und in diefer kritishen Zeit hat mein Herr Amtsvorgänger, der verftorbene Direktor Kayser, mit Herrn Dr. Scharlah zusammen die South-West-Africa Company gegründet, allerdings eine englishe Gefellshaft mit dem Siß in London und mit englishem Gelde. Also diese Gründung hat uns mögliHerweise das südweftafrikanishe Schußzgebiet geradezu erhalten und darum follte man dem Herrn Dr. Sharlah daraus, daß er ih um die Gründung der South-Wefst-Africz Company verdient gemacht hatte, keinen Vorwurf machen. Alfo, meine Herren, ih bedaure, daß ih die Zufriedenheit des Herrn Dr. Lehr und seiner Freunde niht babe erringen können. Ih muß es darauf ankommen laff:n, daß die Resultate, welche die bisher von mir eingeshlagene Politik zeitigen Pie boffentlich dazu beitragen werden, die Hzrren eines Besseren zu elehren.

Abga. Graf von Arnim (Rv.) verwahrt sih dagegen, das er von dem Boden der in der Kommission von ihm gestellten Resolution zurücktrete. Wenn _ Konzessionen ertheilt würden über Länderstrecken so groß wie Württemberg und Bay?rn, dann müßte man doŸ wenigstens den Kolonialrath hören. Ein Mißtrauensvotum aegen die Kolonialverwaltung sollte darin nicht liegen. Die für Südwest- Afrika ab- geschlofsenen Verträge wären in der jeßt vorhandenen Form nicht ab- ges{lofsen worden, wenn der Kolonialrath feine Meinung hätte auê- sprechen können. Es sei zu befürchten, daß die abgesdblofsenen Verträge das Muster sein würden für später ab;uschließende Verträge von größerer Bedeutung, z. B. mit der englishen Nigerkompagnie. Die Aus- gestaltung der Deutschen Kolonialgesellshaft liege in der Hand des Kolonial-Direktors und des Bundesraths. Die beiden Direktoren dieser Gesellschaft wohnten in Brüfsel, obwohl der Siß in Hamburg sei. Die Genußscheine der Gesellschast würden nur in Brüssel ge- handelt. Der Kolonialrath sei früber mehrfa zweimal oder dreimal im Jahre zusammengetreten; er könne alfo sehr wobl au die Kon- zessionen ertheilen. So eilig würden dieselben wohl nit sein, daß sie niht ein paar Monate warten könnten.

Direktor der Kolonial-Abtheilung im Auswärtigen Amt Dr. von Buchka: Die Ausführungen des Herrn Grafen Arnim veranlafsen mi, ihm auf einige Punkte zu antworten. Er hat uns für den Fall, daß die von mir einges{lagene Kolonialpolitik weiter verfolgt werde, ziemlih düstere Zukunftsbilder vorgemalt. So s{chlimm wird es aber am Ende doch noh nit werden; bange machen gilt nit. Ich gebe ibm zu, daß das Schema, welhes die Kolonial-Abtheilung für die Gesellichaft „Süd-Kamerun“ ausgearbeitet hat, niht den An- spruch matt, für alle Verbältnifse als unfeblbar zu gelten. J bin durchaus belehrbar; wenn sich Mißstände berautstellen, will ih ibnen gern abhelfen und das Schema verbessern. Ebenso gete i bereitwilligft zu, daß das Kolonialgesellshaftsrecht des Ausbaues fäbig ift. Die Kolonial- gesellihaften stehen ja niht unter dem Handelsgefeßbuh; geseßliche Bestimmungen, welhe die Grundlage für das Rechtéleben un'erer Kolonialgesells haften bilden, giebt es nur wenige, und diese müfsen selbstverständlih im weiteren Laufe der Entwickelung der Dinge mehr und mehr ausgebaut werden. Aber in dem geäenständlih niht be- schränkten Aufisichtsreht des Herrn Reichskanzl:rs liegt doch eine außerordentlich große Garantie dafür, daß die Gesellihasten nicht Bahnen wandeln, welche mit der deutshen Kolonialpolitik nicht ver- einbar sind. So lange nur eine starke Regierung da ift, welche dieses Aufsichtsreht des Reichskanzlers in der gecigneten Weise bandktabt, wird auch diese Befürhtung tbatsählich niht vorhanden fein. Dann nahm Herr Graf Arnim Bezug auf die Genußscheine. Jch gebe zu: die Genußscheine sind Wertbpapiere, die in der deutschen Gesetzgebung bisher unbekannt waren. Aber andererseits enthalten sie nihte, was mit den deutshen Geseßen unvereinbar wäre. Wenn wir die Kolo- nien in die Höbe bringen wollen, so müffen wir das Großfapital în die Kolonien ziehen : fonft erreien wir nidts. Wollen wir aber das Großfapital zur Betheiligung an den kolonialen Bestrebungen ver- anlafsen, dann müssen wir ihm die Wege nachgehen, auf denen es vorangegangen ist. Die Genußscheine find nun gerade eine Art der Kapitalanlage, welche im Auslande entstanden ift und von dem Kapital bevorzugt wird. Deshalb bin ih dem Kapital auf diesem Wege ge- folgt. Die Konstruktion der Genußscheine ift au eine derartige, daß wenn ich mi fo ausdrüdcken darf sie die anständigfte Art des Gründergewinnes bilden: fie kommen erft zu allerleßt zur Hebung. Nach den Statuten der Geselischaft „Süd-Kamerun“ ift von dem vorkandenen Reingewinn zunächst ein Reservefonds zu speisen, dann bekonimt das Aktienkapital 5 9/0, dann die Regierung 10%/o, und erst der Rest wird zu glei§en Theilen unter die Aktien und unter die Genußicheine vertbeilt. Also ih meine, eine Bevorzugung diefer Ge- nußsheine liegt doech niht vor, fondern im Gegentheil eine Benahtbeiligung derselben gegenüber dem Aktienkapital, und deshalb glaube ih, es ift ri@tig, wenn man sagt, es ist die anständigste Form des Gründergewinnes, Genußscheine zu geben. Nun bat der Herr Graf Arnim der Befürchtung Ausdru gegeben, die Zwecke der Ge- selshaft wären fehr weit ausgedehnte und infolgedefsen läge die Ge- fabr nabe, daß Unteraründungen gemaht würden, durch welche all- wäblih die Gesellshaft veranglisiert werden würde. Auf der einen Seite, meine Herren, wird von mir verlangt, ich soll die Schußgebiete aufshließen und weiter entwickeln, und wenn ih Geseli]chaften mit einem großen Umfang von Aufgaben konzessioniere, dann wicd mir wieder der Vorwurf gema@t, diese Konzessionen gingen zu weit; es bestünde die Gefahr, daß die Ausländer ins Land kämen und uns um die Früchte unserer Arbeit brächten. Ift diese Gefahr nun wirkli vorhanden? Jch gebe zu, daß kleine Staaten, wenn \iz von großen und ftarfen Staaten wirths{chaftlich ia Anfpruh genommen werden, der Gefahr ausgeseßt sind, unterzugehen, von den großen aufgefogen zu werden. Aber ein Ver leich zwischen dem mächtigen Deutschen Reich und zum Beispiel Portugal oder Transvaal iit do rah meiner Auffafsurg nit angebraht. Wir brauhzx uns davor niht zu fürchten, daß, wenn wir englishes Geld arbeiten lassen in den deutschen Schußtzgebicten, uns die Englänter über den Korf wachsen. Ich meine, so lange eine starke Regierung das Heft in starkec Hand bält, ist fie in der Lage, allen derartigen Befürchtungen von vocnherein die Spitze atzubrehen. Swlicßlih möchte ih noh sagen, es ift von dem Stück Fleisch în der Suppe die Rede gewesen, weiches man den Leuten, die dieses Stüdckchen Fleish bekommen haben, gönnen möge; auf der anderea Seite aber mag sich au keiner gerne in die Suppe fpucken lassen.

Abg. Dr. Hasse: Wenn man in der bisherigen Weise an tie Gesellschaften Landkonzessionen ectheilt, so wird bald von dem ver- fügbaren Lznde nicht mebr viel übrig bleiben. Besonders bedenklih ift es, daß die Missionen ihren Bedarf an Land von den Grwerbsgesell- schaften kaufen müfsen.

Direktor der Kolonial- Abtheilung im Auswärtigen Amt Dr. von Bug&ka: Ein paar Worte will ih nur ncch auf die Ausführungen des rn Abz. Dr. Hafse erwidern. Jch meine, der Herr Abe. Der. Hasse sollte fich mit mir freuen, daß die Nachfrage nah Plan- tagenland in Kamerun eine so rege ift. Diese Nachfrage müssen wir aber doch auch befriedigen, und wiez;anders sollen wir sie befriedigen, als indem wir das Land auftbeilen, und wenn wir das Land auf- theilen, wird {ließlich der Moment kommen, daß nichts mebr da ist, das ‘ist eben die natürlihe Gn1widelung der Dinge. Der Herr Abg. Dr. Hasse hat von Monopolrechten gesprohen. Ih möhte darauf hinweisen, daß, wenn den Ge-fell- \haften die Befugniß eingeräumt ift, herrenloses Kronland in Befiy

ündet, und

zu nehmen, es- eine iy des Reichskanzlers vom 17. Oktober 1896 giebt, durch welche für die Schaffung von Kronland ganz be« stimmte Normen festgefegt sind, und unter ckiesen Normen befindet Kch unter anderen au die Bestimmung, daß die Eigenthums- oder Nutungsansprähe auf Grund und Boden seitens Einzelner auf Grund vrivater Rechtstitel besonders zu prüfen und zu behandeln find und daß solhe Ansprüche namentlih dann anzuerkennen sind, wenn entweder Urkunden vorgelegt werden, welhe nah den zur Zeit iher Abfassung geltenden Rechtsnormen und Rechtsanschauungen verbindli6 waren, oder wenn das Grundftück bebaut, bepflanzt oder eingefriedigt ift und der Besiger \sih seit wenigstens zwei Jahren vor A des Er- mittelungsverfabrens in ungestörtem Besiß desselben befunden hat.

Bei dieser Sawlage kann man, glaube ih, niht von „Ertbeilung

von Monopolen“ sprehen. Was sodann die Missionen anbetrifft, so bin ich vollständig mit dem Herrn Vorredner darin einverstanden, daß für die Missionen in ausgiebigfter Weise gesorat werden muß. Wenn in der Konzession für Süd-Kamerun die Missionen niht ausdrücklih erwähnt find, so hebe ih hervor, daß in einer besonderen Abmachung die Gesellschaft Südkamerun si bereit erklärt hat, das für die Missionen erforderlihe Land unentzeltlich abzutreten. Ferner gebe ih zu, taß die Interessen der Missionen in früheren Jahren in Kamerun nicht in genügender Weise berücsihtigt- worden sind.

bin infolge dessen mit den Plantagen-Gesellshaften in Verbindurxg getreten und habe angeregt, ob nicht noch nahträglich jeßt, den Be- dürfnissen der Mission entsprecheud, von den Gesellschaften Land ab- getreten werden köante. Von der großen Mek1zabl der Plantagen» GesellsGaften ist mir in der entgegenkommendften Weise geantwortet worden, fodaß die Interessen der Misßonen in dem Kamerungebiet vollständig gewahrt worden find.

Abg. Dr. Müller- Sagan (fr. Volksp.) führt aus, daß die Hoffnung, die man auf einen neuen Kauts{ukbaum (Kickxia Africana) geseßt habe, \ich nicht erfüllen werde, da das von diesem Baum ges wonnene Material sich nach verschiedenen Versuchen niht bewährt habe. Die in den Kolcnien angelegten Gelder würden jedenfalls nicht wieder in die Taschen zurückfließen, aus denen fe zuerst hergekommen seien. Das ausländische Kapital kö:-nte man von den Kolonien nicht aus\{ließen; das Kapital fei international. Den Kolonialratb, in weldem do viele Intercfsenten an Kolonialunternehmungen säßen, könne man bei solchen Dingen nitt erft fragen.

Direktor der Kolonial-Abtheilung im Auëwärtigen Amt Dr. von Buchka: Ih möhte dem Herrn Vorredner nur ein Wort über die Kickria Africana erwidern Ich habe eigentlich niht Botanik ftudiert, bin aber do in der Lage, den Herra Vorredner über diesen Punkt aufzuklären. Es giebt nämwlih verschiedene Arten von Kickria, und es hat unter den Gelehrten eine Kontroverse bestanden, welches die rihtige Kickrxia ift, die den besten Gummi bringt. Nun hat sih Dr. Preuß schon seit Jahren bemüht, die wahre Kickxia, die in Lagos ganz außer- ordentlih zur Hebung der Gummiauéfuhr beigetragen hat, in Kamerun aufzutreiben. Die Kickria, die Dr. Sadebeck im Auge hat, ift aber nit die rihtige Kickxia. Die richtige Kickxia hat erst, nahdem die Schrift von Dr. Sadebeck erschienen if, Dr. Preuß aufgefunden, und diese Entd:ckung is in Viktoria von den Interessenten mit großer Freude begrüßt worden.

Damit schließt die Debatte. Persönlich bemerkt der

Abg. Dr Lebr, taß ähnliche Ausführungen, wie die seinigen, auch in der „Deutschen Zeitung“ gestanden haben mögen; aber er habe au nichtis Neues fazen wollen.

__ Die ordentlihen Ausgaben werden bewilligt. Bei den einmaligen Auegaben wünsht

__ Abg. Dr. Stockmann (Np.) den für Sffentlige Bauten be- stimmten Titel von 140 000 Æ in Zukunft in zwei Theile zerlegt, von denen der eine für Wegebauten, der andere für andere Bauten be- stimmt sein solle.

Direktor der Kclonial-Abtbeilung irn Auswärtigen Amt Dr. von Buchka: Ich antworte dem Herrn Vorredner, daß ich gern bereit bin, feine Wünsche für den nächsten Etat zu erfüllen.

Der Rest dcs Etats für Kamerun wird angenommen.

Nach 6 Uhr wird die weitere Berathung bis Sonn- abend 1 Uhr vertagt.

Preußischer Laudtag.

Haus der Abgeordneten. 40. Sigzung vom 10. März 1899. Eingegangen ist der Geseßentwurf, betreffend die Er- weiterung der Stadtgemeinde uno des Stadtkreises Cassel. Das Haus seßt die zweite Berathung des Staats- haushalts-Etats für 1899 bei den dauernden Ausgaben des Etats des Ministeriums der geistlihen, Unter- rihts- und Medizinal-Angelegenheiten, und zwar bei dem Titel „Gehalt des Minifters“, fort. Ueber den Beginn der Debatte ist schon berichtet worden. Abg. Hackenberg (nl.): Wenn die Anträge des Zentrums nicht gegen das Staat3wohl verftießen, würden wir fie gern annehmen, denn wir siad durhaus nit gegen alles, was fkatbolish ist. Auf dem Boden der Kirche ist der Begriff der Parität erwachsen, das beweist der Syllabus und das kanonishe Ret. „Wo die Katholiken in der Minderheit, sind“, heißt es in einer franzöfishen Zeitung, „verlangen wir die Parität, welde die katholishe Mebrheit ander- wärts genießt; wo wir die Majorität haben, gewähren wir sie auf Grund der Lehren der alleiaseliamahenden Kirche.“ Die Parität ist zuerst im Staate des Gcoßen Kurfürsten geübt worden und wird es bis auf diefen Tag, und es foll erft nahgewiefen werden, wo die Parität nit geübt wird. Viel mehr als die katholische hat die evangelische Kirche Ucsache, sih über Mangel an Parität zu beklagen. Dies gilt namentlih von dem ftrafrehtlihen ußze der einzelnen Konfessionen. Was Herr Porsh voa der Parität des Staates verlangt, wäre religiöser Indifferentièmus. Bei gerehter Parität muß der Staat die einzelne Kirhe ansehen auf ivre Verfaffung und auf die Stellung, die sie dem Staate gegenükter einnimmt. Ueber den großen Untershied der fkatyo- lihnn und der evangelishen Kirhe wollea wir vnicht eist streiten. Der evangelishen Kirhe gegenüber \{lägt diz Parität des Staats in Imparität um. Denken Sie dohÿ an die Staats- zuwe«dung an die evangelishe Kirhe im Verkbältniß zur Kopfzahl. Fürst Bismarck sagte vor Jahren, das liege daran, daß die Gvan- celijhen niht genug s{hrieen. Der Staat hat s{chon während des Kulturkampfes vergessen, daß beide Kirchen versdiedene Wesen sind. Ec hat die katholische Kirche nah dem Kulturkampf be- handelt wie einen ungerathenen, zu ihm zurückzekehrten Sohn; ter andere, woblgerathene Sohn ging dabei leer cus. Den Kirben gegenüber follte niht der Grund)eß gelten: idem cuique, ftondern der alte preußishe Grunèsaß: suum cuique. Wenn das Zentrum eine freie Kirche im freien Staate wünscht, so wird die evangelishe Kirhe mit dem Staate immer nur in Gemeinschaft sein. Die katholische Abtheilung gehört der Geschichtz an, und ein Geschichteshreiber hat gesagt, die Bischöfe haben dieje Abtkeilung für ihre Zwecke benußt. elb]t der Kultus - Minister von Mühter hat sie aufgegeben, und 1836 hat der damalige Kultus- Pinister gefagt: Heute noh fehlen zablreihe Aktecftückte im Kvltus- Ministerium. Sowohl Fürst Biétma:ck wie der Abg. Windt- horst hat die Gesege der 1880er Jahre als Frieders\hluß bezeihnet. Die fkatholishen Oud-n und die g ie pee Nieterlafsungen beruhen auf ganz verschiedenen Verfafsungen, si2 müssen deshalb auch anders behandelt werden. Daß die Aufsicht des Staates als Damokleéshwert empfunden wird, liegt an den Ordensniederlafsungen felt. Herr Dauzerberg verlangte ein Volks|chulgescß auf criftliher Grundlage. Darin liegt der furchtbare Borwurf, daß wir keine christlive Schule bäiten. Man hält alles für un(riftlih, was nicht unter dem Gir fluß icgend einer Hierarchie ficht.

(S&luß in der Zweiten Beilage.)

M Gf.

(Séhluß aus der Ersten Beilage.)

Wo die katholis®e Kirche die Herrschaft auf dem Gebiete der Schule gewonnen hat, ¿. B. in Frankrei und Belgien, ift die Zahl der Analpha-

eten gestiegen. Am s{limmsten war es im Königreich beider Sizilien

und im Kirchenstaate. Noch kurz vor der Annexion war unter hundert nur einer, der lesen konnte. Diese ganze Verhandlung wurde mit einer Klage über die staatlide Fessel begonnen, unter der die Fatholische Kirche feufze. Sie (zum Zentrum) thäten gut, wenn Sie dafür sorgten, daß die katholishe Kirche niht unter anderen geistigen Fesseln seufzte. Ich verweise auf die Ausführungen des Professors Knópfler in der leßten Nummer der „Literaturzeitung“. Er führt darin aus, daß manhes vom Zentrum geschehe, was den wahren Interefsen dér Kirche nicht entspreche. Nur wenn der germanishe Katholizismus gegenüber dem Katholizisnius der romanishen Länder die ODber- hand gewinnt, können wir zum konfessionellen Frieden kommen. Dann fönnen beide Konfessionen nebeneinander wirken in weselseitigem Aus- tausch der vershiedenen Gedankenkräfte zum Woble des Vaterlandes und zur religiös-sittlihen Erziehung des Volkes.

Abg. Dr. Lot (b. k. Fr.) gebt unter großer Unruhe des Hauses, bei der feine Ausführungen fast unverständlih bleiben, avf einzelne Theile der Schulvetwaltung ein und wünscht eine bessere Vorbildung der Studierenden im Verwaltungsre(cht.

Minister der geistlichen, - Unterrihts- und Medizinal- Angelegenheiten D. Dr. Bosse:

Die Anregung des Herrn Abg. Dr. Loß ift gewiß sehr dankens- werth. Wenn unsere Beamten richtig im Lande wirken follen, fo müssen sie zweifellos au richtig vorgebildet werden. Ich bin wohl einer der Ersten gewesen, der in Preußen längst, ehe ih daran denken konnte, Kultus-Minister zu werden diese Frage öffentlich in Fluß gebraht hat. Nah dem Saß: „On revient toujours à ses

premiers amours“ Tann ic nur jagen: wenn diese Frage mir jeßt in meiñem Amte begegnet, so erregt sie mein volles Interefse. Ich werde im Staats-Ministerium mih mit allem Eifer an der Berathung des Regulativs betheiligen,

Was die Universitätsvorbildung auf dem Gebiet des Verwaltung8- rechts anlangt, so möchte ih glauben, daß der Herr Abg. Dr. Löß unsere verwaltungsrechtlihen Vorlesungen einigermaßen unters{chäßzt. Ich kann ihn nur bitten, hier eines der Kollegien über Verwaltungs- recht zu besuchen, und er wird \sih überzeugen, daß da doch den jungen Leuten viel mehr gegeben wird als eine blcße Aufzählung des Be- böôrdenorganismus.

Sn einem Punkt muß ih feine ftätigen. Es ift auch mir aufgefallen ,

Beobachtungen be- daß eine früher

auf den Universitäten außerortentlih beliebte Vorlesung, die Vor- *

lesung über Politif, im Besuh merlwürdigerweise abgenommen hat. Woran das liegt, will ih dahingestellt sein lassen. Ich habe nicht nur niGts dagegen, daß über Politik gelesen wird, sondern glaube, daß ein solches Kolleg, wenn es nur mit einigem Geschick und einiger Weisheit gelesen wird, einem jungen Studenten sehr reie und frucht- bare Anregungen, wenn auch nicht mehr, geben kann.

Im übrigen kann ih dem Herrn Abgeordneten erklären, daß wir nit erft von heute ab darauf bedacht sind, baß den verwaltungs- rechtlihen Fächern, und überhaupt den Fächern des öffentlichen Rechts, an unseren Universitäten die volle Vertretung gewährt wird, die ibnen gebührt; denn sie sind für unser ftaatliches Leben und unsere Administration unentbebrli%, und je bessere Verwaltungs- beamten wir ausbilden, desto besser wird es mit unserer Adminifstra- tion und mit der Wirkeng unerer Behörden stehen. In dieser Beurtheilung bin ich mit Herrn Dr. Lög durchaus einverstanden. (Bravo! rechts.)

Abg. Dr. Hirs (fr. Volkép.) betont, daß die Zabl der jüdischen Lehrkräfte in Berlin im Verhältniß zur Kopfzabl eine geringere fei als die der chriftlihen. Die Berliner S{ulverwaltung sei über den Rahmen des früheren Ministerialerlasses niht hinauegegangen. Einige christlice Eltern hätten zwar in ibren Beschwerden die jüdishen Lehrkräfte angefeindet, aber sämmilihe Schulinspektoren und die Schuldeputation hätten zugeben müssen, daß die jüdischen Lebrer und Æhrerinnen ihre Pflicht treu erfüllt hätten. Das jeßige ambulante Ordinariat, wie es der Minister angeordnet babe, sei ein ganz ungangbarer Weg. Er sprehe immer von jüdishem Geist. Die deutsben Juden feien aber aus deutshen S@ulen hervorgegangen und hätten einen deutschen, niht einen jüdischen Geift, troß ihrer Abstammung.

Abg. Goerde ler (fr.konf.): Ih achte den Lehrerstand wie jeden anderen Stand. Die freisinnige Prefse hat es aber von Arfang an verstanden, einen Gegensaß zwishen dem Landwirthschaftz-Minister und dem Kultus-Minister zu konftruieren und den Kampf zwischen Lehrern und Verwaltung ¿u \{üren. Bei der Verhandlung über die Arkeiternoth handelte es sich um eine ernste und wichtige Frage, für die die Freisinnigen kein Verständniß haben. Dabei wurde auch die Swule besprohen und gesagt, daß si? auf dem Lande zum theil niht das thue, was fie zu thun verpflichtet sei.

Abg. Dr. Dittrich (Zentr.): Wir wollen nichts, was dem Staatswohl zuwider ist, sondern nur Gerechtigkeit. Unter dem Großen Kurfürsten hatten die Katholiken allerdings voile Glerhetr gung, In der Praxis aber hat bis ins 18. Jahrhundert niemals ein Kathol ein höheres Staatcamt bekleivbet. Der Theorie nah sind alle Kon- fessionen intolerant, in der Praxis hat die katholische Kirhe immer Toleranz geübt. Auch die evangelishe Kirhe hat sih für die allein- feligmachende erklärt. (Zuruf links: Niemals!) Cin Theologe hat 1638 gefagt, er bekenne ih zu der alleinseligmahenden reformierten Kirche. Wir verlangen nicht für alle das Gleiche, sondern für jeden das Seine. Auf die Entwendung von Aktenftäcken aus dem Kultus- Minifterium brauche ich niht weiter einzugehen. Wie aber die Orden den konfessionellen Frieden stôren sollen, verstehe ih niht. Kommen wirklich Störungen vor, wozu haben wir denn die Auffiht des über den Konfessionen stehenden paritätischen Staates? Er hat doch darüber zu wachen, daß folde Stö- ieten nicht vorkommen. Wir kämpfen nicht um die Herr- schaft über die Schule, sondern nur um den Religionsunterricht. Man täuscht \ih überhaupt über die Macht der Kirche. Zwischen Kaiserthum und Papstthbum muß Harmonie herrshen; es be- steht niht die Gefahr, daß die eine Sonne die andere aus-

lat und das qi auch von der Schule. Der Unterschied zwischen cristlih und fkirhlich bat keinen Sinn, so lange das Christenthum in Bekenntnissen vereinigt ist. Gin freier Geift ist au in der katholischen rhe mögli. Die Kirche darf sih aber das Recht. nicht nehmen laffen, an das Resultat der wissenschaftlichen Forshungen der Theologie den Mafßftab des Dogmas zu legen. Danach hat der betr. Forscher seine ten zu revidieren. Redner geht dann zur Besprehung der Schul-

über, meint, daß die geistlihen Schulinspektoren beider

| Zweite Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, Sonnabend, den 11. März

Konfessionen nur die Schulen ihrer Konfessionen beauffihtigen dürften, und fragt, ob es eine Es des Amtsgeheimnifses sei, wenn ein Lehrer einem fatholishen Priester die Zahl der Schüler jeder Konfession mittbeile.

Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Die lette Frage des Herrn Abg. Dr. Dittrih muß ih natürlich beantworten. Die Frage lautet, ob es als eine Verlegung des Amts- geheimnifses von mir betrachtet würde, wenn ein kfatholisher Geist- licher, ein Erzpriester, dem Leitung des Religioneunterrihts zusteht, sih dana erkundigt, wieviel Kinder in der Schule sind und wieviel der katholischen und wieviel der evangelishen Konfeffion angehören. Darauf erwidere ih: Wenn ein Lehrer dem Geistlihen über diese Fragen, die seinen amtlichen Funktionen sehr nabe stehen, Auskunft ertheilt, so begeht er keine Verleßung des Amtsgeheimnifses. Das ist gar kein Amtsgebeimniß, wieviel Kinder in der Schule find. (Sehr richtig !)

Nun kann ih aber über den konkreten Fall niht urtheilen. Da muß ich toch alle Nebenumftände, die die Regierung bestimmt haben und von denen die bier getroffene Entsheidung abhängig ift, prüfen, um mi mit wirklicher Verantwortung äußern zu können; dazu bin ich in diesem Moment außer stande.

Nur auf eine Ausführung des Herrn Abg. Dittrih möte ih noch eingehen.

Herr Dr. Dittrich hat gesagt : an dem Fall’s{hen Erlaß vom 18. Februar 1876 bätte ih wahrs{einlich auch keine sehr große Freude. Wenn man die Frage so formuliert, so kann ih sie bejahen. Ih habe an diesem Erlaß keine Freude gehabt, sondern Verdruß in Hülle und Fülle. Jh habe mich auh hier wiederholt darüber ausgesprochen, daß mir die Form des Erlasses nicht sehr behagt. Die Form des Grlafses trägt den Stempel des Kampfes, und das ist unerwünsht. Venn man die Sache objektiv, ruhig, gerecht und in Frieden regeln will, kann man mit decartigen Formen nur s{chwer operieren, und das wirkt nah bis in die beutige Zeit hinein. Also nach dieser Seite hin gefällt mir der Erlaß nicht. Aber auf der anderen Seite muß ih sagen: seinen materiellen Inhalt anders zu for mulieren ift eine überaus s{chwierige Sache; ich weiß bis jeßt keinen wesentlih anderen Weg. Man kann hier und da etwas mildern; aber einen wesentli anderen Inhalt dafür zu finden, ift mir bis jeßt niht gelungen.

Nun habe ih den guten Willen gehabt, diese höchst verdrießliche Streitfrage, so viel an mir ift, aus der Welt zu schaffen. Ih habe deshalb zwei meiner fkatholishen Räthe als Kommissarien zu einem der Herren Bischöfe gesandt und gebeten, doch die Sache einmal zu vrüfen und mir formulierte Vorschläge ¿u machen, wie man dortfeits die Vorschriften über die Leitung des Religionsunterrihts \sich dächte. Die Antwort darauf steht no aus. Das liegt daran, wie der Abg. Dr. Dittrih ganz richtig gesagt hat, daß die Sache überaus s{chwierig ist. Waßhrscheinlih stoßen die Herren Bischöfe bei dem Versuh, eine richtige Formulierung zu finden, bei der nun wieder die Rehte des Staats zu ihrer Geltung kommen, auf dieselben Schwierigkeiten, auf die ich stoße, wenn ih eine Formulierung suche, welhe die Rechte des Staates aufrecht erhält, aber andererseits der Kirche giebt, was der Kirche gebührt. Darin liegt die große Schwierigkeit der Sache. Deshalb habe ih mir bis jeßt nicht anders zu helfen gewußt und das halte ih für rihtig —, daß ih in der Anwendung des Erlasses so milde und ent- gegenkommend wie möglih verfahre, unter Vermeidung der \{hrofen Formen, die aus dem Erlasse selbst fi ergeben.

F glaube, ih konnte garniht und kann nah Lage der Sache garnicht anders handeln, als ich gehandelt habe. Ich kann, ih will und ih darf die Rechte des Staates niht preisgeben; aber ih will das Ret der Kirhe auf die Leitung des Religionsunterrihts gern anerkennen. Dakei wird sich bei gutem Willen {ließli auch ein modus vivendi finden lafsen, um die Sache in Frieden zu regeln.

Abg. von Eynern (nl.): Die Mitglieder der evangelischen Kirche macben ihre Seligkeit nicht abhängig von der Zugehörigkeit zu etner Kirche, sondern von Gott und dem Herrn Chriftus. Der allein seliamachenden Kirche steht gegenüber, daß diejenigen, die nicht in ibr sind, verdammt werden. Die Rede des Herrn Dauzenberg war eine Kulturkampfrede von ftärkstem Kaliber. Das freut mi. denn in der leßten Zeit war es dem Zentrum gelungen, eins{läfernd über seine leßten Ziele zu wirken. Der Kulturkampf besteht nicht - erst seit dem Vatikanischen Konzil, sondern seitdem die Rheinlande zu Preußen gehören, namentlih feit den Kölner Wirren. Denken Sie an die Bewegung der katholischen Be- völkerung für Oesterreih und gegen Preußen. Der Minister ift kein Freund des Kulturkampfes. Dieser ist aber Preußen aufgezwungen worten, troßdem die allergünstigsten Verbältnifse für die Katholiken herrschten, Die Fraktion der beiden Reichensperger führte {on lange vor 1871 cinen Kampf gegen den evangelischen Staat, wie Fürst Bisma:ck in seinen „Gedanken und Erinnerungen“ hervorgehoben hat. Später hat sich diese Fraltion konsolidiert. Nicht mit Liebe und Freude ift die damalige Regierung zum Kulturkampf gekommen, sondern zu ibrem größten Schmerze. Er is au nicht beendigt worden durch einen Sieg des Zentrums, sondern dur Einflüsse, welhe Sie in des Fürsten Bismarck „Erinnerungen“ erwähnt finden. Was der Kultus- Minister gesagt hat, ist nicht ganz in Einklang zu bringen mit den früberen Zielen der Regierung. Wir befürchten, daß wir nah und nach die Staatsshule der Kirche überliefern, wie es der Zedlitz’ sche Entwurf wellte. Das Zentrum ist so klug, jeßt die Wieder- berstelung der EXatholishen Abtheilung niht zu verlangen. Die Kirche sucht den Streit nah allen Richtungen, denn sie stellt Forderungen, von denen sie weh daß sie unerfüllbar sind. Von Toleranz kann bei der Dauzenberg'’shen Rede gar nicht gesprochen werden. Gott sei Dank, entziehen sih die Katholiken von unten auf imwer mehr dem Einflusse der Geistlichkeit, wie die leyten Wahlen gezeigt haben, Auh wir glauben, daß die Gemeinden auf die Schulen einen größeren Einfluß haben müssen. Wenn aber der Minister gesagt hat, er werde sich bemüßen, die Härten der Maigeseße zu beseitigen, so that er es wohl, weil das Zentrum in der Form seiner Angriffe milder geworden ist. Der Staat wird zu unliebsamen Maßregeln geradezu R durch die Art, wie das fkatbolishe Kirchenregiment geführt wird. Vie Ordensnieder- laffungen sind weit über das Bedürfniß hinaus vermehrt worden. Lafsen wir Sie (das Zentrum) am Rhein s{halten und walten, dann

kämen dort bald mehr als 50 katholishe Geiftlihe auf 1000 EGin-

1899.

wohner. Das Zentrum will keine wirkliche Parität, sondern hôhstens eine mehanishe Parität zu unseren Ungunsten. Das Zentrum beruft ch auf fein gutes Verhalten im Reichstage. Hat das Zentrum etwa das Privileg, in einem Kriege von den Franzosen ungeschoren zu bleiben? Wenn nicht, dann bat es auc dasselbe Interesse an der Vertheidigung des Deutschen Reihes wie wir. _ Ueber den Werth des Bürgerlichen Geseßbuhs kann man verschiedener Meinung sein (der Präsident von Kröcher bittet den Redner, etwas lauter zu sprehen). Daß die Herren Dauzenberg und Dasbach feine do ut des- Pelitik treiben, glaube ih wohl; so etwas wird von Anderen shlauer gemaht. J spreche darüber richt nah dem, was ih weiß, sondern nah der im Lande allgemein verbreiteten Meinung, daß die Militär- vorlage vem Zentrum bewilligt werden würde, wenn das Jefuiten- gese zum theil aufgehoben würde. Es ift von der beseligenden Kraft der kTatholishen Kirche gesprochen worden. Darüber mag man denken, wie man will. Jedenfalls glaubt die Kirde unbeschränkte Herrscherin der Schule zu sein. Zeigen Sie uns do cinmal, in welcher Weise Sie die Verrobung der Jugend wirksam bekämpft haben! Die Leit- artifel des Herrn Dasbach, die Wahlreden des Zentrums sind geradezu geeignet, die Jugend zu verrohen. Ihre Agitation entspricht durh- aus der sozialdemokratishen, das beweisen die Dasbach’schzn und Fuchs’ schen Reden. Katholish is nur fo lange Trumpf, fo lange wir dem Zentrum einen Einfluß einräumen, der ihm nicht gebührt. Das Deutshe Reich is entstanden gegen den Willen des Ultra- montanismus, nach einem Kampfe mit Frankreich, der von den Ultramontanen angeshürt worden iff. Wir beugen uns vor dem Ultramontanismus nicht. : i :

Abg. Motty (Pole) wendet sich gegen die Meinung, daß in Posen eine polnishe Agitation bestehe. Viel eher könnte man von einer cauvinistishen deutschzn Agitation sprechen. Ein Distriks- kommifsar habe einen Erlaß veröffentli®t, der fich in unzulässiger Meise in die innersten Angelegenheiten der Lehrer eingemischt habe. Fn den polnischen Landestbeilen werde ein ganz neuer Kulturkampf in Scene geseßzt. Mit Genebmigung des Fürstbischofs Kopp habe der obers{chlesishe Klerus eine Petition um Einführung des polnischen Reliatonsunterrihts an den Minister gerihtet. Es sei zu wünschen, daß dieser Eingabe Folge gegeben werde.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Ich will nur ganz kurz eine Anfrage des Herrn Abg. Motty beantworten. Er hat mich gefcagt, ob ich von der Verfügung der Danziger Regierung vom 5. Oktober an die Lehrer Kenntniß erhalten bätte. Ih habe Kenntniß von dieser Verfügung erhalten.

Ich bemerke dazu: die Verfügung if ohne diesseitige Mit- wirkung erlassen, und wenn ich auch nit in der Lage bin, jedes Wort und jeden Ausdruck dieser Verfügung zu vertreten und zu billigen, fo bin ich do allerdings der Meinung, daß die Danziger Regierung

im Recht war, wenn sie in denjenigen Landeétheilen, wo das Deutsche

thum dur die polnisch - nationale Agitation gefährdet ift (oh, oh! im Zentrum und bei den Polen), die Lehrer darauf aufmerksam macht, daß sie die Pflicht haben, in ihrer ganzen Haltung, in ibrem amtlichen und außeramtlichen Leben si als Deutsche zu fühlen und als Deutsche zu denken. (Lebhaftes Bravo! rechts und bei den Nationalliberalen.)

Abg. Dr. Porfcch (Zentr.): Jch bin erstaunt, wie gerade Herr von Eynern dem Abg. Dauzenberg hat vorwerfen können, daß er zum Kulturkampf aufgefordert habe. Herr von Eynern hat von katholischen Dingen feine Ahnung, er wird auch nir zu belehren fein. Die Kölner Wicren sind niht von katholisher Seite angezettelt worden. Bis zu dem Moment der Krönung des Königs Wilhelm I. war alles wohl geordnet. Die Bismarck’shen „Gedanken und Erinnerungen“ ent- halten viel Unrichtiges, um nicht einen shärferen Ausdruck zu ge- brauchen, über die fkatholishen Verhältnisse, speziell über die beiden Reichensverger. Diese haben während der Konsfliktszeit dem Ministerium Bismarck gar keine Opposition gemaht in Bezug auf die Militär- organisation. Der Zufammenschluß der fatholischen Fraktion war veranlaßt durch den Vèoabiter Klostersturm. Redner geht dann auf die Ordensthätigkeit näher ein und behauptet, daß die Zahl der Orden zur Linderung des Elends noch lange nit ausreihe, z. B. nicht in Breslau für die Krankenpflege. Die Orden sollten es sih gefallen laffen, jeden Augenblick wieder aufgelöt zu werden; würden fich die Handelskammern fo etwas gefallen lassen? Daß der Ultramontanismus den französishen Krieg geschürt habe, brauche er nit ers zu wider- legen; er weise diese Behauptung einfa zurü.

Abg. Dr. Sattler (nl.): Das Zentrum beklagt sich immer über Mangel an Parität. Herr Bachem bat darüber eine Schrift er- scheinen laffen, die von Unrichtigkeiten stroßt, namentlich in Bezug auf die Theilnahme der Katholiken am höheren Verwaltungsdienst. Heute sind diese Beshwerden niht wiederholt worden. Das Zentrum fieht auch ein, daß die katholishe Abtheilung nur aus Männern zu- sammengeseßt werden köante, welhe die Re@te des Staats vertreten müssen. Ebenso hat man die Aufhebung des Falk’shen Erlafses von 1876 erst in zweiter Linie verlangt, weil die Bischöfe sich darüber noch nit erklärt haben, Die Katholiken haben im Grunde gar keinen Grund mehr zur Klage. Untec dem Großen Kur- fürsten ist ein Katholik Minister gewesen. Mit Herrn Dittrich ließe sich ja leben, aber seine Milde wird vor den Herren Dashach und Porsch jo wenig Gnade finden, wie die Aeußerungen des Professors Schell; seine Rede könnte auch auf den Index geseßt werden. 1866 war am Rhein eine ftarke Sympatbie für Oesterrei vorhanden, das läßt \ih nit leugnen. Vor Einführung der Verfassung hatte der absolute Monar einen großen Einfluß auf die Kirchen. Die Verfassung legte die Grenzlinie zwishen Staat und Kirche fest. Jahrzehntelang war Frieden. Dann fam das Vatikanische Konzil zur Begründung der Uni- versalherrshaft auf dem märkishen Sande. Zwei so große Mächte, wie das neue Deutsche Reih und die nach der Weltherrschaft \trebende fatholishe Kirhe, mußten naturgemäß bei der Grenzregulierung in Konflikt kommen. Daß in Posen keine polnishe Agitation herrscht, muß ih bestreiten. Wir befinden uns in Posen im Zustande der Abwehr. Die Deutschen sind von den Polen boykottiert worden.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Ich habe noch eine kurze Bemerkung nachzuholen. Der Herr Abg. Dr. Sattler hat auf die heutigen Ausführungen des Herrn Abg. Dasbach in Bezug auf die Parität bei der Behandlung von Volks\hulsahen Bezug genommen. Der Herr Abg. Dasbach hat sich zwar bemüht, so laut wie möglih zu sprechen, aber nihtsdestoweniger ist es uns hier niht mögli gewesen, seinen Ausführungen zu folgen. Ih möchte mir hier nur gestatten, ausdrücklih zu betonen, daß aus meinem heutigen Schweigen niht der S(hluß gezogen werden darf, als wenn ich nun alle Ausführungen des Abg. Dasbach als rihtig zugestanden hätte. Ich behalte mir vielmehr vor, im Laufe der weiteren Etatsberathung auf diese Ausführungen zurückzukommen und sie, soweit es erforderli erscheint, rihtigzustellen.

Die Diskussion wird geschlossen und das Gehalt des Ministers bewilligt.

Nach 4 Uhr schlägt der Präsident von Kröcher vor, die

L R