1899 / 62 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 13 Mar 1899 18:00:01 GMT) scan diff

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Eisenbahnen nur gebaut werden, wenn die Unternehmer Deutsche find und wenn der Betrieb in deutsckWen Händen bleibt.

Direktor der Kolonial-Abtheilung im Auétwärtigen Amt Dr. von Buchka: Ih habe dem Herrn Abg. Grafen zu Stolberg-Wernige- rode zu erwidern, daß allerdings Herr Cecil Rhodes gegenwärtig in Berl!n anwesend ist, und daß Verhandlungen mit ihm ftattfinden bebufs Geftattung der Weiterführung der tranéafrikanischen Babn dur deuts-oftafrikanishes Gebiet. Zu welhem Resultat diese Ver- handlungen führen werden, darüber kann ih zur Zeit keine Auskunft geben, da die Verbandlungen noch nicht abgeschloffen sind. Sicher aber ist, und ih hoffe, daß der hohe Reichêtag das Vertrauen ncch dieser Richtung bin zur Kaiserlichen Regierung haben wird, daß der Bau einer folhen Bahn dur deutshes Gebiet nur geschehen wird, wenn die deutshen Interessen in Afrika im weitesten Sinne und nah jeder Richtung bin dabei garantiert sind.

Abg. Dr. Hasse: Meine Freunde {ließen sih den Erklärunaen des Grafen Stolberg an. Ich kann nicht verhehlen, daß die An- wesenheit diefes Mannes in Deutschland gewisse peinliche Erinnerungen erweckt. Aber darunter darf die Sache selbs niht leiden. Hoffentlich wird nichts versäumt werden, die in Frage stehenden deutshen Intereffen auf das ftrikteste zu wahren.

Abg. Richter: Ich kann der Erklärung der Kolonial. Direktors nicht beipflihten; in ibrer Allgemeinheit deckt sie fich nicht mit dem, was die Vorredner aemeint haben. Zur Sache selb will ih nit Stellung nehmen. Wenn in Deutschland eine auëeländishe Gesfell- haft mit einer Bahn eine Strecke deuishen Gebiets berührt, fo hat man daraus feinen Anlaß bergenommen, den Bau der Eisen- babn zu hindern; um etwas Anderes {eint es sih in Oft-Afrika au nicht zu handeln.

Abg. Dr. Lieber (Zentr.): Jch kann mich nur befriedigt über das klare, promvte Eho, das auf die Kundgebung des Herrn Grafen Stolberg erfolgt is, aus\sprehen. Es beißt in den Zeitungen, daß Cecil Rhodes rom Zertrum mit offenen Armen empfangen werde. Uns sind ja Geschichtélügen begreiflih, aber selten ift cin solches Beispiel der Legendenbildung zu erfafsen gewesen in demselben Augenblick, wo die E BIE begann. ir sind weit entfernt, Herrn Cecil Rhodes irgendwie zu kennen und mit ihm in Beziehung zu stehen. Die Persönlichkeit dieses Herrn wäre die allerleßte, für die wir irgend etwas übernehmen könnten. |

Die Ausgaben für die Kolonial - Abtheilung werden be- willigt, ebenso die Besoldungen des Auswärtigen

Amtes. - | f Bei den Ausgaben für die Gesandtschaft in Madrid ragt Iba, Nichter, ob etwas Wabres an dem Gerücht fei, daß der Ankauf der Karolineninseln durch Deutshland beabsidhtigt sei. _ Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Staats-Minister

von Bülow:

Ueker den von dem Herrn Abg. Richter zur Sprahe gebrahten Punkt bin ich nit in der Lage, etwas Tkatsächlihes mitzutheilen, I glaube aber, daß mit einer akademishen Erörterurg der Frage, ob die Erwerbung dieser cder jener Südsee-Inseln in der Zukunft in unserem Interesse liegt, wenig gedient sein würde. (Sehr richtig! reis.) Die Situation wird sih überhaupt erst übersehen lassen, wenn der zwishen Spanien und Amerika abges{lofsene Fried?n8- vertrag ven den Cortes ratifiziert sein wird. Die Cortes sind auf- gelöst, die Neuwahlen finden im nähsten Monat statt, und der Wiederzusammentritt der Cortes wird kaum vor Ende April zu er- warten sein. Weiteres bin ih niht im ftande zu sagen. (Sehr

rihtig! rechts.)

Abg. Richter: Ih kann nur davor warnen, daß zu den werth- losen Kolonien, die wir hon baben, noch neue hinzuerworben werden.

Abg. von Kardorff: Herr Richter follte doch eigentlich auf- böôren, von „den werthlosen deutshen Kolonien“ zu reden. Nach dem Urtheile Sachverständiger enthalten unsere Kolonien einen großen Schatz an frutbaren Ländereien und an Produkten, die wir sonst von anderen Kolonien beziehen müßten.

Abg. Ri hter: Ih werde von wertblosen Kolonien fo lange sprechen, bis mir der Beweis erbracht wird, daß sie einen Werth baben. Auf die Urtheile ron sogenannten Sachverständigen gebe ih nichts, wenn ih auf der anderen Seite wahrnehme, daß die Reihê- zuschüsse von Jahr zu“Jahr erhöht werden müssen.

bg. Graf von Arnim: Ih will doch dem Auslande ein- mal kiar machen, wie es um den Einfluß des Herrn Richter, be- treffend die Kolonien, bestellt ist. Seit Jahren stimmt er gegen jede Bewilligung für dieselben, und troßdem gebt unsere Kolonialpolitik ibren \tetigen, rubigen, sicheren, aber freilih langsamen Gang weiter. Wenn die Presse der Freisinnigen niht die Abneigung des Kapitals gegen die folonialen Unternehmungen beftärken würde, dann würde das Tempo nicht so langsam gehen. Herrn Richter's Partei ftellt nur einen kleinen Bru@theil der Nation dar.

Abg. Richter: Graf Arnim behauptet, daß ih allein im stande sei, das deutsche Kapital von den Kolonien abzuhalten. Solchen Ein- fluß habe ih mir garniht zugetraut, und wenn ih ihn bätte, dann follte man mir etwas glimpfliher entgegentreten.

Abg. Dr. Arendt (Rp.): Der Einfluß des Abg. Richter auf die Kapitalistenkreise ift niemals von uns in Zweifel gezogen worden; einen anderen Ginfluß bat ihm auch Graf Arnim nicht zugestanden. Wenn mañ sieht, wie Herr Richter der Ausbreitung des Deutschen Reiches widerstrebt, da ift es eigentlih shate, daß er nicht dem französishen oder eng- lishen Parlament angehört. Wenn er dort autländische Interessen vertreten würdz, so würde er eine an:ere Behandlung erfabren als hier bei unserer langmüthigen deutshen Geduld. Das ift die Empfin- dung weiter Kreise der Nation, deren Umfang ftändig im Wachsen ift, die auh dabin gewirkt bat, daß die Partei des Hercn Richter bei den Wahlen kein einziges Mandat erhielt. Ih möŸhte die Regierung und den Staatssekretär bitten, sih durch Herrn Richter nicht von der Wahr- nehmung der deutschen Interessen abhalten zu lassen. y

Abg. Richter: Die Vertretung der Interessen des Sroßkapitals überlasse ih anderen Lzutes. Meine Partei ift bei den lezten Wablen stärker geworden, die des Vorredners hat sich vermindert. Ich ver- trete niht ausländishe Interessen, sondern die Interessen der deutschen Steuerzahler. N j |

Bei den Ausgaben für die Botschaft in Paris be- \hwert sih der

Abg. Frese über Zollshwierigkeiten, unter welhen in Saigon die deutschen Handelsschiffe zu leiden bätten. Für den Schr der deutsckWen Interessen auf Portorico spricht Redner namens der Bremer Handels- kammer dem Auswärtigen Amt seinen Dank aus.

Direktor im Auswärtigen Amt Reichardt: Meine Herren! Die Angelegenheit, betreffend das Opium, ift von dem früberen Herrn Abg. Jebsen in der Budgetkommission alijäbhrlich zur Sprade ge- braht worden,“ und ih bin daber auch nur in der Lage, im wesent- lichen das zu wiederholen, was ih in früheren Jabren darüber geantwortet habe. DieRegierung ist seit Jahren bemüht, denUnzuträglichkeiten entgegen- zu wirken, die Me da geltend gemaht haben. Es ift anzuerkennen, daß die französische Geseßzg-bung in den Kolonien, betreffend den Opiumschmuggel, drakonischer Natur is. Unsere Bemühungen, darin eine Milderung zu erzielen, sind nur insofern von Erfolg gewejen, als die Angeberbelohnung von F auf È des erthe herabgeseßt worden ist. Im übrigen hat die französische Regierung wiederholt und \o noch ganz neuerdings erklärt, daß sie nicht in der Lage fei, die Prinzipien ihrer Gefeggebung zu ändern. Sis hat dabei hingewiesen darauf, daß auch in den bena- barten englishen Kolonien ähnliche strenge Bestimmungen bestehen; sie hat aber die Zusage gemat, und sie hat diese Zusage auch in wicderholten Fällen e: füllt, im Einzelfalle nah Möglichkeit Milde walten zu lassen. Wenn run der chemalige Herr Abg. Jebsen früher persönlich und heute durch den Mund des Herrn Vorredners den Wunsch ge: äußert hat, für diese Zwecké in Saigon einen Berufs-Konful eîn- zuseßen, so hat diese Sache doch ibre Bedenken. Wirthschafstliche

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deutsche rein würden eine \solhe

Einen Berufs-Konsul nur für die Opiumshwmuggelfälle useten, würde erbebliden Mißdeutungen im - Auslande begegnen können und würde feinea Zweck haben, denn der S{hwerpunlt der Abhilfe, die wir in den einzelnen Fällen gefudt und auch gefunden baben, liegt in Paris und nit in Saigon. Ih bin aber in der Lage, durch die Vermittelung des Herra Vorredners dem Herrn Jebsen, wenn ich mi fo auédrüdcken darf, ein kleines Hauëmittel zu empfehlen gegen die Ungelegenheiten, über die sich die deutshe Rhederei beklagt hat. Es i| uns nämli auffällig gewesen, daß în den etwa 12 Fällen, die seit einer Reibe von Jahren zur Sprache gekommen sind, es sich fast aus\{ließlich um deutshe Schiffe gehandelt hat, während mir nur ein einziger Fall einer anderen Flagge erinnerlich is, und auf die Frage, wie das zusammenhänge, bat uns der jeßige kaufmännishe Konsul in Saigon gesagt, das liege daran, daß die deutshen Schiffe in Ost-Asien ih in überwiegendem Maße mit Chinesen und Malaienmann- schaft versehen, während die Engländer und Franzosen euro- pâäishe Mannschaft haben. Nun liegt es in der Natur der Sade, daß eine Kontrole über Chinesen, wenn es sich um ein Objekt wie das Ovium handelt, klein von Volumen, sehr bedeutend an Werth, nicht mit Erfolg durhzuführen ist. Schon die Kleidung der Chinesen ist ein geeignetes Mittel, um dem Opiumsbmuggel Vorshub zu leisten. Wenn also die deutshen Rbeder und es sind nur wenige den Versu machen wollten, fih an Stelle der Chinesen deutsher Schiffs- mannschaft zu bedienen, so vermuthet man, daß die Fälle, über die sih der frübere Abg. Jebsen beklagte, an Zabl erheblih abnehmen werden. Die deutse Regierung wird jedenfalis, wie bisher so au künftig, nichts unterlafsen, was geeigret ift, um erforderlihenfalls auf Milde- rung der etwaigen Härten hinzuwirken,

Abga. Frese: Der Kommissar hat niht bervorgeboben , daß der begründete Verdacht entstanden ift, das fraglihe Opium fei obne Wissen der Rbeder und der Mannschaft auf die Schiffe aebracht und nahker von solchen Personen „entdecki“ worden, deren großes Interesse an der Entdeckung durch die Höbe der ausgeseßten Prämien ver- anlaßt war. h s

Der Titel wird bewilligt.

_ Bei der Ausgabe für die Gesandtschaft in Chile bittet der

_ Abg. Freiherr Hevl zu Herrnsbeim (nl.) um Auekunft über die handelspolitishen Beziehungen zu Chile.

Direktor im Auswärtigen Amt Reichardt: Mit Chile, mit weldem wir, wie der Herr Vorredner richtig bemerkte, zur Zeit in einem provisforishen Meistbegünstigunasverbältniß ftehen, sind Ver- bandlungen über der Abs{hluß eines neuen Vertrags im Gange. Die Verhandlungen {weben noch. Ich bin daher niht in der, Lage, darüber näbere Auskunft zu geben. Was aber Uruguay betrifft, so liegt der Fall gerade umgefebrt, als der Herr Vorredner ihn schon in der Budgetkommission angedeutet und heute expressis verbis dargelegt hat. Wir find augenbliÆcklich auf den Wunsch von Uruguay mit diesem in Verhandlung über die Wiederherstellung des früber in Geltung gewesenen Hantelsvertrags. Von sonstigen Kündigungen ift, wie ih wiederholen muß, dem Auêwärtigen Amt nichts bekannt.

Bei den Ausgaben für die Botschaft in Wien werden, entsprehend dem Antrage der Budgetkommission, 2300 H von den Gehältern für die Kanzleibeamten abgeseßt.

Dem Antrage der Kommission gemäß wird ferner beschlossen:

_ „den Reichskanzler zu ersuchen, die Berichte der land- und forst- wirthchaftlihen Sacverftändigen im Auslande den Reichstags- abgeordneten in möglihft ausführlicher Pola zugeben zu laffen.“

Füh E den Ausgaben für das Konsulat in Alexandrien ühr

Abg. Megtger- Hamburg (Soz.) aus, daß dzs Lob der See- mannschaft der „Bulgaria“ auf die deutsche Seemannschaft überhaupt ausgedehnt werden könnte. Man follte das Lob au in Thaten um- seßen und für die Seeleute die nothwendigen Schußmaßregeln treffen. (Präsident Graf von Ballestrem vermißt den usammenbang der Bemerkungen mit dem zur Berathung stehenden Titel; der Redner briht seine Ausführungen ab.)

Abg. Richter: Im Oktober vorigen Jahres wurde die Nachricht von einem beabsichtigten Bomben- Attentat verbreitet. Die Nachrichten maten damals ein großes Aufsehen. Ih nahm die erfte Gelegen- beit wahr, den preußishen Minister des Innern zu fragen, ob an der Sache etwas Wahres sei. Dieser erwiderte, taß leider der Angelegenheit ein fehr ernstes Faktum zu Grunde liege: die Angelegenbeit sollte dem Schwurgericht in Ancona überwiesen fein. Inzwischen bat die „Reform“, die in Alexandrien ersh:int, die Mittbeilung gemackt, daß jeder An- {lag gegen den Deutschen Kaiser ausgeschlossen sei, daß ledigli eine Vorspiegelung eines Verbrechens vorliege und daß der Bombenansclag von der politishen Polizei veranftaltet worden sei. Die Angeklagten sind freigesprohen worden. Bei der Bedeutung der Frage, da es sih um ein angebliches Verbrichen gegen einen deutshen Monarchen handelt, ist der Staattsekretär vielleiht in der Lage festzustellen, ob an der Sache etwas Wahres ist, oder ob es sh wirkli nur um einen Schwindel bandelt.

Direktor im Auswärtigen Amt Hellwig: Meine Herren! Die Vorgänge, die \ih im vorigen Herbst in Alexandrien abgespielt baben, werden Ibnen im allgemeinen aus den Zeitungen erinnerlih fein. Um Ibnen aber die Thatsachen in ihrem Zusammenhange noh einmal vor Augen zu fübren, mölhte ih Ihnen drei Berichte unseres Konsuls in Alexandrien vorlesen, was mir der Herr Präsident wohl gestatten wird. Der erfte Bericht is vom 17, September 1898 und lautet: „Das italienishe Konsulat hier bat durch einen Zufall in Wnem bei einem Straßenbabnunfall verurglückten Jtaliener einen bekannten Anarchisten entdeckt. Dur Papiere, die er bei sih führte, ift die Konsularbebörde zur Kenntniß von einer in Egypten bestebenten anarhistisden Verbindung gelangt, von der lebhafte Beziehungen zu ten beimishen gleihgesinnten Vereinen unterhalten werden. In den legten beiden Wochen sind 28 mit Namen bekannte Anarchisten aus Italien zugereist, die ibren Aufenthalt theils in Kairo, tbeils in Port Said, hauptsächlich aber bier in Alexandrien genommen haben. Andere Anarchisten sind nah Päläftina abgereist. Ferner bat eine fürzlih abgebaltene Versammlung beshlofsen, aus eigenen Mitteln den aus Spanien auëgewiesenen, aus den Bombeaattentaten in Barcelona be- kannten Anarchisten Vasio bierber kommen zu laffen.“ Ein fernerer Bericht ist vom 14. Oktober 1898 und lautet: „Als ih vorigen Mon- tag dem Chef ter biesigen Gebeimpolijei daron Nachricht gab, daß die Kaiserlichen Majeftäten niht nach Egypten kommen würden, theilte mir dieser Beamte mit, daß er einer größeren Unternehmung der Anarchisten auf der Spur sei. Wie ih jegt erfahre, hatten fich eine Reibe von Anarchisten einige Tage vorher in Kairo versammelt und beschloffen, éin Bombenattentat in Kairo auf dem Mehbemed Ali-Play oder vor dem Abdin-Palais bei Ankunft der Kaiserlichen Majestäten auf diese zur Ausführung zu bringen. Die dazu nöthigen Bomben sollten bier in Alexandrien angefertigt werden. Nach Abänderung des Kaiserlichen Reiseplans haben ditselben Anarchisten geftern Morgen bier in einer bei Hugo Parini abgehaltenen Versammlung beshlofsen, daß die Bomben nah Paläftina gebracht und dort von einigen von ibnen auf die Kaiserlichen Mojestäten gerichtet werden sollten. Hierzu waren

ompeo und Sarturelli auterseben. Diese hatten fi bereits nah

ort Said begeben, um nah Jaffa zu fabren; es ift aber gelungen, ie noch in Port Said zu verhaften. Gleichzeikig wurde hier bekannt, daß ein als Steward auf dem nah Palästina bestimmten Dampfer angencmmener, aus Triest gebürtiger Italiener Luigi Samson die Bomben geftern Abend an Bord nehmen follte. Leßtere sollten sich in einer Kiste verpackt in einem kleinen MWeinschoppen befinden, den Hugo Parini im Viertel Mobarrem Bey seit etwa zwei Jahren ofen hált. Als geftern Abend um 7 Uhr der italienische Vize-Konsul Burtese mit zwei Kawassen, denen ih der Polizei-Kommantdant Harrington Bey und der Poltzei-Inspvektor Treves mit einigen Poli- zisten angeshloffen batten, in das Magazin €indrangen, fanden fie Parini anwesend. Ueber den Inhalt der bald aufgefundenen Kiste befragt, leugnete derselbe, deren Inhalt zu kennen und gab vor, daß

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meinte er, es sei wobl E darin,

nur mit Gewalt an der Ausführung feiner offenbaren Absicht, fich und alle Anwesenden zu vernichten, verbindert. Dann festgenommen, erflärte er offen und unter heftigen Drobunger, Anarchift zu sein. Während der Nacht von gestern auf heute fand dann ncch die Verhaftung von acht Theilnehmern der anarciftishen Versammlungen statt. Sämmtliche Verhafteten haben vorläufig ihre verbrecherischen Absichten geleugnet. Es hat aber noch festgestellt werden können, daß Luigi Samson feinen Dienst an Bord des Dampfers in Jaffa ver- lassen sollte und eine Stelle als Kellner im Hotel Bristol in Jaffa MNLIR E hatte. Auf diese Weise hätte er am besten Gelegenheit ehabt, die Kiste mit seinen Sachen an Land zu bringen und dort für seine Genossen bereit zu halten. Bei Untersubung der Kiste, weler ih selbst beute Morgen anwohnte, fanden ih ¿wei ganz gleiche Bomben in Sägespänen verpackt vor. Dieselben sind etwa 25 cm bobe, in der Mitte ausgebauchte Zylinder von 7 cw Durchmesser am Boden und 10 ecm in der Mitte. Sie fiad bergestellt aus galvani- siertem Eisen und zunächst mit Zinkdraht L umsponnen, dann mit Papier und Bindfaden umwickelt. Der eine Boden hat in der Mitte eine Oeffnung, aus der eine starke Zündschnur beraussieht, die durch ein Stück \{warzen Poppdeckel am Hineinrutschen gehindert wird. Die einzelne Bombe wiegt 2 kg 130 S: Ihr Inhalt besteht aus einer gelblihen Masse, die als Knallquecksi festgestellt ift, im Gewichte von 1 kg 50 g und 26 Stück fertigen Revolverpatronen ftarken Kalibers. Danach konnten die Bomben durch Entzündung und dur Slag zur Explosion gebracht werden. Jede einzelne Explofion würde wahrsheinlih die Vernichtung oder Verwundung aller in einem Um- kreise von etwa 50 m befindlichen Personen zur Kolge gehabt haben.“ Endlich ein Bericht vom 24. Oktober 1898: „Der bereits mebrfach erwähnte Anarcist Pietro Vasai ist gestern auf dem von Malta dier anlangendben englishen Dampfer „Laconia" aufgefunden und von Beamten des italienischen Konsulats festaenommen worden. Derselbe haite außer seinem ridtigen Passe noh einen zweiten, auf Camporelli fautenden Paß bei fich, wie er aud mit leßterem Namen seinen Koffer bezeichnet hatte. Bei seiner Verbaftung suhte er anfänglih seine Identität mit Vasai zu leugnen. Unter seinem Gepäck wurde ein Verzeichniß derjenigen Personen gefunden, die zu seinen Reise- kosten beigetragen hatten, ibn also hatten kommen lassen. Es be- fanden sich darunter in erfter Linie die bereits bier verhafteten, an dem beabsichtigten Bombenattentat betheiligten Pertonen, und es scheint danach keinem Zweifel zu unterliegen. daß er dazu ausersehen und ge- willt war, die hier oder in Palästina von seinen Genoffen beréit- gehaltenen Bomben zu werfen. Vorgestern wurde hier von den zur Beurtheilung der entdeckten Bemben ernannten Sachverständigen eine Prüfung der Gefährlihfeit derselben vorgenommen. Es war dazu eine genaue Nachbildung der gefundenen Bomben im Maßstabe von 1:10 hergeftelt und in einer ftarfen Kiste « auf einem freien Playe innerhalb der alten estungêwerke nieder» gelegt worden. Durch eine Zündschnur zur Explosion gebracht, geshab diese mit einer außerordentlich ftarten Detonation. ie Sprengstücke s{lugen nah allen Seiten in die fehr dien Wände der Kiste ein, dieselben durchbohrend, sodaß sie nicht wieder entfernt werden konnten. Die A batten sämmtli die Richtung nah unten genommen, da fie offenbar auf dem Boden der Bombe ge- legen batten. Die Probe ergiebt, daß, wenn beim Werfen der Bombe nach Anzündung der Zündschnur die Explosion in der Luft erfolgte, die Patronenladung verheerend auf die unter ibr befindlichen Personen gewirkt bätte, während bei Explosion der Bomben erst nach Aufschlag auf den Boden oder obne vorherigen Wurf die Sprengtheile der Wände das ihrige thaten“. Meine Herren, tas waren \hwerwiegende, positive Verdacht2gründe. Das italienishe Konsulat hat unter Mit- wirkung der english-egyptishen Polizei eine eingehende Untersuhung gegen die Verbafteten geführt. Selbftverständlich baben wir Einblick in den Gang dieses Verfahrens nicht gehabt, und wir sind deshalb auch nit in der Lage, das MELE ter Beweisaufnahme im Ein- zelnen zu würdigen. Ih kann Ihnen nur das abschließende Re- sultat der Voruntersuhung mittheilen. Danach habe ih zunächst festzustellen, daß es vollkommen unzutreffend is , wenn behauptet worden ift, die Verhafteten seien sämmtlih freigesprohen oder frei- gelassen worden, weil sih der Verdacht als gänzlih unbegründet er- wiesen, sich vielmehr herausgestellt habe, daß die ganze Sache Schwindel sei. Meine Herren, ein Urtheil in der Sache ift über- haupt noŸ nicht gesprochen, bis jeßt liegt nur ein Beschluß der Arklagekammer des italienishen Konsulats in Alexandrien vor. Die Anklagekammer hat die Verhafteten, 14 an der Zahl, unter Aufreht- erhaltung der Haft, vor das Schwurgeriht in Ancona verwiesen. Dort wird demnähst die Sache verhandelt und das Urtheil gefällt werden. Der Antrag des Untersuhungsrichters an die Ankiagekammer war dabin gegangen, die Angeshuldizten wegen Vershwörung gegen das Leben des Oberhauptes einer befreundeten Macht vor das Shwur- geriht zu verweisen. Die Anklagekammer hat sih niht davon überzeugen fôönnen, daß die Beweise auêreidend seien, um die Angeschuldigten zu belasten, daß der verbreerishe Plan gegen das Leben Seiner Majestät des Deutschen Kaisers gerihtet gewesen fei; dagegen sind 9 Angeklagte wegen Verbindung zur Verübung von Verbrewen und diefelben An- geklagten sowie 5 fernere Angeklagtz wegen Anpreisung von Ver- brechen, Betrieb einer heimlihen Druckerei und Verbreitung anarhi- tischer Schriften vor das Schwurgericht verwiesen worden. Dieser Anklagebeshluß gründet sh auf die Artikel 248 und 247 des italienishen Strafgeseßbuhes: „Art. 248. Wetnn fünf oder mehr Personen \ih verbinden, um Verbreen gegen die Juftiz-Verwaltung oder die ôffentlihe Treue oder die öffentliche Sicherheit oder die gute Sitte und die Familienorduung oder gegen Perfonen oder gegen das Eigenthum zu begeben, so wird jede derselben für die bloße Ver- bindung mit Einschließung bis zu fünf Jahren bestraft. Art. 247. Wer öffentlich eine geseglih als Verbrechen angesebene Handlung an- preist, wird mit Gefängniß von drei Monaten bis zu einem Sahre und wit Geldftrafen von fünfzig bis zu eintausend Lire bestraft.“ Nun ist allerdings noch ein Angeklagter vor das Schwurgericht vzr- wiesen worden zur Aburtbeilung wegen Vorspiegelung eines Ver- brehens. Meine Herren, die bisherigen Berichte lassen niht erkennen, welher nähere Thatbestand diesec Änschuldigung_zu Grunde liegt; jedenfalls würde dieser Theil des Anklagebeschlusses nicht beweisen, daß irgend eine amtlihe Person oder Behörde fich wissentlih einer Täuschung schuldig gemacht hätte, sondern höchstens, daß einer der Angeklagten geflunkert hat. Meine Herren, wir werden nun ab- zuwarten baben, welches Bild die bevorstehenden Verhandlungen vor dem Shwurgeriht in Ancona aufcollen werden, und zu welhem Urtheil dieser Gerichtshof gelangen wird.

Die Position wird bewilligt.

ei Bei den Ausgaben für das Konsulat in Jerusalem ri

__ Abg. Dr. Hieber (nl.) für die schwäbischen Kolonien in Palästina ein, denen bei ihrem gemeinsamen Besig, der auf einzelne Personen eingetragen fei, manterlei Schwierigkeiten entftänden. Redner bittet, daß durch Ferman des Suitans dieser gemeinschaftlide Besiy der Koloniften gestellt werde.

Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Staats-Minister von Bülow:

Auf die Ausführungen des Herrn Vorredners erwidere ih, daß wir den Bestrebungen der Templer, deren Kolonien ih ja felbst erft vor einigen Monaten besuht habe, immer ein besonderes Interesse entgegengebraht haben. Wir werden die Interessen dieser Kolonien auch in Zukunft nah Möglichkeit fördern und die von dem Herrn Vorredner zur Sprache gebrahten speziellen Wünsche einer forgsamen und woblwollenden Prüfung unterwerfen. (Bravo!)

Die Ausgaben für die Konsulate werden bewilligt.

Segen 6 Uhr wird die weitere Berathung bis 1 Uhr vertagt. (Außerdem Anträge aus dem Hause.)

ontag

einen Hammer und wurde

- Tirhenpolitischer

N G62.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

41. Sigung vom 11. März 1899.

Das Haus seßt die zweite Berathung des Staats- haushalts-Etats für 1899 bei den dauernden Ausgaben des Etats des Ministeriums der geistlihen, Unter - rihts- und Medizinal-Angelegenheiten fort.

Ueber den Beginn der Debatte ist schon berichtet worden.

Bei den Ausgaben für die Bisthümer kommt

Abg. Freiherr von Eynatten (Zentr.) aub in diesem Jabre auf die Frage der konfessionellen Friedbôfe in den NRheinlanden zurü. Es fei erfreulih, daß die Regierung \ih dur einen Ministerialerlaß in dieser Angelegenheit niht festgelegt babe. Nachdem die Regierung sich über die Sache binreihend informiert habe, sei es Zeit, einen Antrag oder einen Gesetzentwurf einzubringen. Zu diesem Zwee soile der Minister das ibm zugegangene Material zur Verfügung stellen. Durch die Errichtung konfessioneller Frizedhôfe würde der fonfessionelle Friede nit geftört werden.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten D. Dr. Bosse:

Meine Herren! Auf die Anfrage des Herrn Abs. v. Eynatten, ob die Regierung wohl bereit sein würde, in der Frage der rheinishen konfessionellen Kirhhöfe ihr Material den Herren zur Verfügung zu tellen, kann ich mit einem runden Ja antworten. Wir haben in dieser Sache absolut nichts zu verbergen ; im Gegentheil ift es mir ganz erwünscht, wenn die Herren vom Zentrum diese Frage selbst noch einmal in Erwägung nehmen, selbst versuchen, eine praktische Löfung herbeizuführen, und daß Sie si überzeugen, wie wir uns Mühe und Arbeit nit haben verdrießen lassen, um Jbren Wünschen entgegenzu- kommen. Wir find aber auf Hindernisse gestoßen, die mi \{chlilich genöthigt baben, im vorigen Jahre bier zu erklären , daß ih das be- dingte Versprechen, das ih in der Kommission abgegeben habe, nit erfüflen könne, und daß auch das Staats - Ministerium mir darin bei- getreten sei, daß ein gedeibliher Weg, der zum Frieden und zu einer geschlichen Regelung führe, niht angegeben werden könne. So lag die Sathe im vorigen Jahre. Wenn also die Herren das Material von uns baben wollen ih habe meinen katbolishen Herrn Referenten bereits ermächtigt, das Material den Herren zur Disposition zu stellen. Ich würde mi freuen, wenn es gelingen follte, auf diefem Gebiete zum Frieden zu kommen, selbstverständlih müßte ih mir eine Prüfung der Vorschläge vorbehalten. :

Aba. von Eynern (nl.) erklärt sih gegen den Vorschlag des Zentroms, der nur geeignet sei, am Rhein große Beunruhigung her- vorzurufer.

Aba. Pleß (Zentr.) bemerkt, daß die Regierung bei gutem Willen diefe leidige Angelegenheit aus dzr Welt {hafen könne.

Für altkatholishe Geistlihe und Kirchen find 54 000 6 in den Etat eingestellt. Die Kommission beantragt, davon 6000 A abzufeßen.

Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Da die 6000 von der Regierung in den Etat eingestellt worden find, fo bin ih es wohl dem hohen Hause \{uldig, in aller Kürze zu sagea, wie wir dazu gekommen sind, diese Forderung zu stellen. Meine Herren, darüber kann ja gar fein Zweifel fein, daß die alikatbolishe Kirhengemeinschaft die Hoffnungen, die bei der Ent- \tebung dieser Bewegung auf dieselbe von ibr felbft und von Anderen geseßt worden sind, nit erfüllt hat. (Sehr richtig! in der Mitte.) Aber die Gemeinschaft besteht doch, und daß sie existiert, ist wesent- lih ermögliht dur die Hilfe des Staates, (Sehr richtig! in der Mitte), dur die 48 000 Æ, die in dem Giat ftehen, und die das bohe Vaus seit der Zeit, wo sie zum ersten Male eingestellt sind, jedes Jahr bewilligt hat.

Nun baben \ih die Verhältnisse insofern geändert nit durch eine erbeblihe Ausdehnung der Gemeinschaft selbs, wiewokl sie doch immerhin 15 000 Seelen mif*38 organisierten Gemeinshaften, darunter 15 Parochien, umfaßt aber die Verhältnisse bhabea fi in sofern

geändert, als für diese Kirhengemeinschaft die Möglichkeit, nun auch Geistliche auszubilden, und zwar theoretisch auszubilden, wenn auch nicht ganz weggefallen, fo doch so gut wie weggefallen ist. Von den 3 altkatholishen Professoren, welche früher in Bonn lasen, ist einer geitorben, ein zweiter LTieft nicht mehr wegen vorgerückten Alters. Es ift also nur noch ein altkatholisher Profefsor übrig geblieben, und zwar ein Profeffor der Kirchengeshihte, fo daß die Gemeinschaft der Altkatholiken in der That andere W-ge gehen muß, um junge Theologen für das geistlihe Amt tüchtig ¿u maden. Hierzu sollen die 6000 A dienen. Was wir bier fordern, ist also eigentlich feine Erböhung der Dotation für die altkatholische Kirchengemeinschaft. Wir haben vielmehr nur geglaubt, daß wir unmögli eine kirhliche Gemeinschaft durch Aufnahme in den Etat als existierend und eristenz» fähig bezeihnen und gleichzeitig ihr die Miltel abshneiden können, die do6 in einem sehr besheidenen Umfange gefordert werden, (fehr richtig! links) 6000 #- jährlich damit sie nun in der Lage ift, für die Ausbildung von Geistlichen zu forgen.

Das sind die Gründe gewesen, die uns bestimmt haben, es für billig und für eine Pflicht des Staates zu halten, diefe für die fernere Existenz der altfkatholishen Gemeinschaft dringend erforderlihen Mittel bier einzustellen. Ih, meine Herren, muß auch jeßt noch sagen: ich halte es für durhaus billig und von seiten des Staates für eine Ehrenpfliht, der altk2tholishen Gemeinschaft ihre Existenz nit zu unterbinden.

Ein Mehr für die altkatholische Gemeinschaft haben wir über- haupt nit im Auge gehabt, sondern nur einen-Erfay für einen Auéfall. Wir sind auch gar nicht darauf gefaßt gewesen, daß wir bei dieser Position besonderem Widerspruche begegnen würden, und das umsoweniger, meine Herren, als Sie ja selbst erklärt haben, daß mit der kürzlih beschlossenen Aenterung der Ueberschrift über diesem Kapitel ein wesentliher Stein des Anfstoßes für die Bewilligung des Kapitels überhaupt aus dem Wege geräumt sei. (Bravo! links.) Fh kann daher nur bitten, die Position zu bewilligen.

Abg. Graf zu Limburg-Stirum (kons.): Meine Freunde

Tegea der ganzen Frege niht mehr die Bedeutung bei, die ihr f. Z. in eziehung beigemessen worden ist. Die Zeit der kirh-

Zweite Beilage

Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeig

Berlin, Montag, den 13. März

li Wirren if glückliherweise vorüber. Wir haben mit derm Stra dabin gestrebt, es im Gtat klarzustellen, daß die Altkatholiken tine von der rômis-tatholishen Kirhe getrennte Kirchergemeins(aft bilden. Nachdem dies geschehen, ist für uns die Fcage nicht mehr von der kirhenpolitishen Bedeutung wie früher. Wollen die anderen Herren si darüber noch aufregen, so können wir nichts daran ändern ; wir werden uns aber nit ¡u einer großen kirhenpolitischen Dis- fussion fortreißen lassen. Ein großer Theil meiner Freunte wird geaen die Bewilligung stimmen. Die altfatholishe Beweaung hat diejenize Bedeutung niht gewonnen, welWe man von einer Bewegung erwarten mußte, die mit solWer Energie izauguriert worden ift. Wäre die Bewegung wirklih so tiefgehend, so könnten die Altkatholiken ihre Geistlihen und Lebrer selbst besold:n. Bewilligen wir die Position, so würden andere Relig‘onsaenossenschaften denselbea Anspru auf Unter- stükung machen können. Ein kleinerer Theil meiner Freunde wird für die 6000 M timmen, weil der Staat einmal die altfatholishe Bewegung anerfannt, den Alikatholiken Mittel im Gtat ausgeworfen und damit eine gewisse Verpflichtung hat, sie in den Stand zu feßen, au Geistliche auszubilden. Wollen sich die Herren dur eine namentliche Abstimmung eine kleine Aufregung verschaffen, so haben wir nichts dagegen. 4

q ba. Dr. Friedberg (nl.): Es ift eine etwas optimiftische An- s{auuna, daß die fkirhlihen Wirren abgeschlehjen jeien. Der Vor- redner vergißt dabei die Herren Dauzenberg und Genoffen. Es ift aleihgültig für unsere Stellung, welchen Umfang die altkathboliche Bewegung gewonnen bat. Wollten wir den Altkatholiken die Möglichkeit nehmen, ihre Geistlichen auszubilden, so wäre dies ein Aft außerordentliwer Intoleranz. Die Altkatholiken baben auf diese staa!liche Unterstüßung ein Recht und wir eine moralische Pflicht, ibnen zu helfen. Das erfordert auch die Billiakeit. i

Abg. Traeger (fr. Volksp.) erklärt, daß seine nicht gespaltzne Partei gegzn die Forderung stimmen werde, weil sie programmatifsch der Ansi®t sei, daß die Kirhengemeinschaften ihre Bedücfaisje aus eigenen Mitteln decken müßten, und weil in der Forderung eine Verleßung der Parität liege. Die Regierung lege den Dissidenten die größten Schwierigkeiten in den Weg, während fie die Alt- fatholiken von vornherein immer in den Schuß gezommen und ge- fördert habe. Sauk gi) a i

Abg. Dr. Por \ch (Zzntr.) wäre mit seinen Freunden gern bereit, die Forderung ganz zu bewilligen, wenn das Altkatholikengeses nach der Richtung revidiert würde, daß die Altkatholiken als sel bitändige Religionsgefellshaft betrachtet und bebandelt würden. Die_ Alt- fatholiken ftänden auf einem ganz vershiedenen dogmatischen Stand- punkt, und fie hätien sch unabhängig von der römisWen Kirche selbst- ftändia organisiert und forstituiert unter einem eigenen Bischof. Das Ober: Verwaltung2geriht habe die Altlutheraner tros ibrer Gleich- beit des Glaubens mit der Union als selbständige Kirchengemein- saft behandelt. Daéselbe gelte auh von den Altkatholiken. Solange das Altkatholikengeseß niht geändert werde, müßten seine Freunde zu ihrem Bedauern gegen die Position timmen. Auffallend sei es, daß man den Altkatholiken Ansprüche erfüllen wolle, die man den Katholiken abgelehnt habe. Seine Freunde würden ih künftig bei ibren Wünschen auf die Nationalliberalen berufen, wenn sie ín namentlicer Abstimmung für die Regierungsforderung ftimmten.

Abg. Dr. Barth (fr. Vag-) meint, daß man die 6000 e nitt prinzipiell ablehnen dürfe, wenn man die 48 0v0 A bewillige. Das wäre ein logishzr Febler. i ; : dr

Jn namentlicher Abstimmung wird die Bewilligung der von der Kommission gestrichenen 6000 4 mit 135 gegen 128 Stimmen abgelehnt. 3 Abgeordnete haben sih der Äb- stimmung enthalten. Für die Pofition stimmen die National- liberalen, Freikonservativen, etwa 30 Konservative und die Freisinnige Vereinigung. : A i

Bei den Ausgaben für die Universitäten referiert

Abg. Dr. Dittrich (Zentr.) über die Durführurg der neuen Besoldungsordnung für die Universitäts-Profefsoren auf Grund der Uebersiht des Kultus- und des Finanz-Ministers. (

Aba. Dr. Friedberg spricht seine Befriedigung darüber aus, daß nmch der Erklärung der Regierung jn der Kommission die Remuneration für vrivate Thätigkeit der Professoren nur für die Alterszulace, niht für das Grundgehbalt aufaerechnet werden foll, und äußert noch einige weitere Wünsche, deren Berücksichtigung ein Re- gierungskommissar in Auésicht stellt.

Der Bericht über die Durhführung der neuen Besoldungs- ordnung für die Universitäts-Professoron wird dur Kennitni}z- nahme erledigt. E I A : 08

In der allgemeinen Diskussion über die Universitäten befürwortet : ; Sp

Abg. Dr. Böttinger (nl.) die Ecrihtung von Ordinariaten für anorganisde Chemie an allen preußisden Universitäten, wie sie die Technishzn Hochschulen größtentheils {on besäßen. Diese Maß- regel sei nothwendig im Interesse der Wahrung des Ansehens der deutschen Wissenschaft. Der Unterricht solle niht von Dozenten im Nebenamt, sondern von Professoren mit fester Remuneration ertheilt werden. Die Anwendung der Chemie für die Technik sei von der größten Bedeutung und müsse in gut auégestatteten Laboratorien ge- zeigt werden. Wenn die Techniker nicht besser vorgebildet würden, fo werde nur das wissenshaftlihe Proletariat vermehrt.

Ministerial - Direktor Dr. Althoff: Wir sind dem Vorredner für seine Anregung sehr dankbar. Diese Sache ist für die Industrie von der größten Bedeutung. Ob wir in der Schaffung von Ordina- riaten so weit gehen werden, wie es der Vorredner vorgeschlagen hat, das muß weiterer Erwägung überlassen bleiben. ® ; .

Bei den Ausgaben für die Universität Berlin schlägt die Kommission vor, die neue Forderung von 4150 J an Gehalt und Wohnungsgeldzushuß zur Errichtung eines Extra- ordinariats für Staatswissenschaften nicht zu bewilligen.

Ministerial-Direktor Dr. Althoff bittet, die Forderung zu be- willigen; die Universität Berlin sei mit Professuren für Staats- wissenshaften außerordentlich knapv bedacht, namentlich im Hinblick auf die große Zahl der Juristen, Historiker und Philosophen, die sich alle mit Staatîswissenshaften beshäftigen müßten, Es beständen für diesen Zweck nur vier etatsmäßige- Professuren, und darum sei cine Ergänzung nothwendig für Handel und Verkehr, auch für das gesammte Seewesen, den Weltverkehr und den Seehandel, wenn au auf diese leßtere Seite nicht der Schwerpunkt zu legen sei,

Aba. Dr. Paasche (nl.) empfiehlt gleichfalls die Bewilligung der Position. Die beiden Ordinarien für Staatswissenschaft könnten sih mit den Disziplinen nit beshä\tigen, die hier in Frage kämen. Unsere Marine habe nit nur die heimische Küste zu (De, sondern uns im Auslande zu vertreten. Schon darum sei die Err chtung einer Prefear in Berlin zur Förderung der Kenntnisse des Seerehts nothwendig. /

Abg. Frabérr von Zedliy und Neukirch (fr. kons.) ist eben- falls für die Bewilligung der Position, die eine Lücke im Studienplan der Berliner Universität auszufüllen geeignet fei, im Interesse der dba ibe der Suristen und Verwaltungsbeamten in den

taatswissenshaften.

U O. von Heydebrand und der Lasa (kons.) erklärt, daß seine Freunde nach ten Erläuterungen des Negierungskommifsars für

die Forderung stimmen werden.

cl. 1899. Nachdem auch Abg. Dr. Dittrich (Zentr.) sich für die Bewilligung ausgesprochen hat, wird die Forderung der Regierung fast einstimm1g angenommen. _ Bei den Ausgaben für die Universität Breslau geht

Abg. von Pappenheim (konf.) auf die von der „Münchener Freien Presse“ und der biefigen „Tageszeitung“ gemachte Mittheilung ein, daß ein Breslauer Profeffor act urschuldigen, gefuaden Kindern Syypbilisserum unter die Haut geieint habe. Vier dieser Kinder seien

gesund geblieben, vier aber an Syphi isersheinungen erkrankt. Sollte

h diese Mittheilung bewahrbeiten, fo würde er für ein solhes Ver- balten feinen parlamentarisden Ausdruck finden, um seine Entrüftung darüber zu äußern. Er hoffe und erwaite von der Regierung, daß sie mit Ernst und Strenge die Sache untersuchen, ohne Rücksicht auf die Person einshreiten und die Ehre der deutshen Wissenschaft und Forihung wahren werde.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Die Angelegenheit, die der Herr Abg. von Pappenheim soeben bier zur Sprache gebracht hat, if allerdings eine Sache von tiefftem Ernst. Als ih die Zeitungsnachricht las, habe ich sofort Bericht er- fordert und die Frage der wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen vorgelegt, welche für mich in so wihtigen Sachen die zunächst und autoritativ berathende Behörde bildet. Das aber kann ih dem Herrn Abg. von Pappenheim und dem boben Hause verfichern: wenn sich die Zeitungsnachrihten bewahrheiten, so werden wir einschreiten ohne jede Rücksicht auf die Person. Wir werden die Ehre der deutshen Wissenschaft und Forschung wahrnehmen und dafür sorgen, daß man nicht Kinder und überbaupt Menschen zum Versuchsmaterial mat in einer Weise, wodurch Gesundheit und Leben gefährdet werden kann. (Bravo!) Ich verurtheile das auf das allerentschiedenfte. (Lebhaftes Bravo !)

Abga. Dr. von Iazdzewski (Pole) beshwert sih über die Auf- hebung zweier polnisher Studentenverbindungen an der Universität Breslau.

Minister der geistlichen 2c. Angelegeaheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Es liegt nihts vor, was mich verbindern könnte, dem Herrn Abg. von Jazdzewski über die Gründe Auskunft zu geben, welhe mich veranlaßt baben, die Auflösung dieser beiden polnischen Studentenvereine anzuordnen.

Die Anordnung beruht zunähst auf einem Erlaß vom 1. Juni 1886, durch welchen polnishe Studentenverbindungen überhaupt ver- boten sind; und die Grundlage für diesen Erlaß bietet wieder der § 3 des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der Studierenden und die Disziplin auf den Landesuniversitäten, vom 29. Mai 1879. Durch diesen Paragraphen wird der Unterrihts-Minister ermächtigt, Anordnungen über die akademishe Disziplin und deren Handhabung zu treffen. Auch im § 41 der Bors&riften für die Studierenden vom 1. Oktober 1879 ift vorgeschen, daß die akademishe Disziplinar- bebôörde Vereine, deren Bestehen die akademische Disziplin .gefährdet, vorübergehend oder dauernd verbieten kann. Das ist die Rechts- grundlage der Sache.

Nun lagen uns Berichte der Provinzialbehörde vor, auf Grund deren es mir ganz außer Zweifel gestellt ist, daß diese Vereine ihre Freibeit gemißbraucht haben.

Ih wiederhole, was ich hier s{on öfter gesagt babe, daß die Regierung keinen Anlaß hat, unseren Mitbürgern von polnischer Her- kunft zu verbieten, sih der pelnischen Muttersprache zu bedienen. Es ist aber festgestellt, daß die beiden Vereine, um deren Verbot es ih handelt, und deren Statuten als Zweck: „Förderung wissenschaftlicher Bildung und Pflege der Gefelligkeit unter den Mitgliedern“ angeben, ih niht auf diesen Zweck beschränkt, sondern zweifellos in einem nationalpolnishen agitatorishen Sinne gewirkt haben. Sie nahmen vermöge geheimer Abstimmung nur polnise Mitglieder auf; die Mitglieder durften h untereinander nicht bloß etwa neben der deutshen Sprache auch der polnis{hen bedienen, sondern sie mußten statutenmäßig im Vortrage wie in der Unterhaltung ausschließlich die polnishe Sprache gebrauchen.

Dazu wurde festgestellt, daß der Verein Konkordia in seinen Ver- sammlungen ein Liederbuch benußte, dessen Lieder zu einem großen Theil ohne jeden Zweifel geradezu revelutionärer, antideutscher, antipreußisher Tendenz und Gesinnung sind. Dies Liederbuch enthält Lieder voller Klagen über den Untergang des Königreichs Polen, und es enthält die in voetishe Form gekleidete Aufforderung an die Polen zu that- kräftiger Hilfs bei Wiederherstellung des Königreichs. (Hört, hört! rets.) Der Verein obershlesisher Studenten und seine Mitglieder unterbielten überdies, wie wir festgestelt haben, enge Wechsel- beziehungen zu uns bekannten polnischen Agitatoren.

Ich sche davon ab, daß die in dem Verein gehaltenen Vorträge nah einer Veröffentlihung in der polnishen Presse aus\{ließlich polnische Geschichte und polnishes Wesen zum Gegenstand hatten ; das will ih bei einem Verein von Studenten polnisher Herkunft und polnischer Muttersprache nit besonders hervorheben. Aber nah dem, was ih Ihnen mitgetheilt habe, werden Sie mir zugeben, daß mein Einschreiten doch wohl berehtigt war. Selbst polnishe Blätter, unter anderen die „Nova reforma“, haben anerkennen müssen, daß die Vereine sich nicht streng wissenshaftlich an ihre statutenmäßige Aufgabe gehalten haben.

Es heißt in dem Artikel der genannten Zeitung:

Natürlich konnte die polnische Jugend, die sich bewußt ift, ihrer Nation gegenüber einen größeren Pflichtenkreis zu haben als die Jugend eines andern Volksstammes, ihre Thätigkeit nicht aus\chließ- li auf die in den Satzungen gezogenen Grenzen gegenseitiger Be- lebrung und Pflege des kollegialischen Zusammenlebens beschränken, sondern fie hat, da sie in Breslau sowie ia den übrigen deutschen Städten gleichzeitig den Kern der Intelligenz bildet,

das ift etwas anspruchsvoll für die Polen außerhalb des Rahmens der Vereine eine nüßlihe, durhaus legale Thätigkeit in materiellem Sinne entfaltet.

Ob es richtig ist, wenn in dem Artikel steht „außerhalb der Vereine“, will ich nah dem, was ih vorhin gesagt habe, dem Er- messen dieses hohen Haufes überlassen. Das aber steht fest, daß diese Vereine eine in polnishem Sinne nationale Thätigkeit nah dem Zu-