1874 / 209 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 07 Sep 1874 18:00:01 GMT) scan diff

Aus Kaiserslautern liegen vom heutigen Morgen folgende telegraphische Meldungen vor: Der Kronprinz hat \ich gestern von Stuttgart über Neustadt und Kaiserslautern nah Homburg begeben. Auf allen Stationen war eine zahlreihe Volksmenge versammelt, welhe Se. Kaiserlißze und Königlihe Hoheit mit lauten Zurufen begrüßte; in Neustadt und Kai- serslautrn wurde Höchstderselbe von den Behörden und von den Kriegervereinen empfangen. Die Ankunft in Homburg erfolgte Abends um 8 Uhr. Die Stadt war zu Ehren der Anwesenheit des Kronprinzen festlich illuminirt, Abends \pât wurde Ihm ein glänzender Fackelzug gebraht. Nach dem heute stattfindenden Brigade-Manöver wird Se. Kaiserlihe und Königliche Hoheit am Nachmittage die Burg Sickingen bei Land- \tuhl besuchen; morgen wird Höchstderselbe Sih nah Zweibrücken begeben. Uebermorgen werden die Divisions-Manöver bei Hom- burg beginnen. |

Ihre Königlihen Hoheiten die Prinzen Friedrich Wilhelm und Heinrich von Preußen, Söhne Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen, trafen am 4. d. M. in Blankenburg ein und stiegen im Hotel „Zur Krone“ ab.

Ueber die nationale Feier des 2. September liegen heute so zahlreihe Festbeshreibungen aus allen Gegenden des Reiches vor, daß wir uns auf Angabe der Namen der be- treffenden Ortschaften beshränken müssen. Es sind die fol-

genden:

Schippenbeil, Züllihau, Anclam, Bergen, Bublig, Colberg, Callies, Demmin, Gary a. O., Gollnow, Grimmen, Löckniz, Lauenburg, Massow, Neumwarp, Neustettin, Rügenwalde, Stolp, Schlawe und Wangerin. Borek, Jutxoschin, Radojeivo, Samter, Schroda, Tirschtiegel, La Lia, Neustadt bei Pirna, Obersißko, Rawitsch, Deutsch- isa, Münsterberg, Winzig, Goshüß, Wiersbel, Creuzburg, Poppelau, Carlsruhe O.-S., Leobshüß, Lubliniz, Zborowsfi, Rybnik, Pleß, Friedland OD.-S., Leschniß , Groß-Glaesen, Kreuzenort, Schweidniß, Sagan, Petersdorf, Poln. Neudorf, Schalkowiß, Ratibor, Mojawola, Leuthen, Neumarkt, Auras, Leubus, Trachenberg, Gr.-Tinz, Haynau, Neusalz a. D., Löwenberg, Goldberg, Gotiesberg, Grünberg, Schoem- berg, Sprottau, Stroppen, Koeben , Frankenstein, Nimptshch, Karschau, Strehlen, Namslau, Poln. Wartenberg, Halberstadt, Springe, Rethen, Duderstadt, Lüneburg, Emden, Esens, Wittmund, Gr. Schneen, Uchte, Hoya, Alfeld, Burgdorf, Bramsche, Melle, Georgs-Marien-Hütte, Wildemann, Falling- bostel, Bockenem, Papenburg, Wallau, Flörsheim, Geisenheim, Naffau, Dauborn, Runkel, Villmar, Herborn , Schlangen- bad,“ Heddernheim, Usingen, Lahr, Battenberg, Essen, Bochum, Hörde, Hagen, Unna, Hamm, Bielefeld 2c.; ferner Erlangen, Fürth, Kissingen, Muggendorf; Zwickau, Chem- nig, Crimmitschau, Meißen; Rottweil, Winnenden, Rottenburg a. N., Nürtingen, Künzelsau, Laupheim, Gmünd, Ravensburg, Weilheim, Freudenstadt, Passau, Ansbach, Shweinfurt, Weißenburg, Speyer; Lörrah, Baden, Badenweiler, Stockah, Dürrheim, Constanz, Heidelberg; Offenba, Bingen, Würrstadt, Castel, Bermersheim, Heppenheim a. d. W., Pfungstadt, Hungen, Die- burg, Seckmauern i. O. Langen-Brombach; Groß-Umstadt, Groß- Zimmern, Schaafheim, Gießen, Lauterbach, Alsfeld, Iena, Ober- Weimar, Eisenah, Auma, Großrudestedt, Pillingsdorf, Zwäzen ; Bützow; Ießniß; Seesen, Harzburg, Königslutter, Stadt- oldendorf, Volkersheim, Lutter a. B., Wolfenbüttel; Detmold, Coburg, Gotha, Uelleben, Boilstädt, Sundhausen, Emleben, Gospiteroda, Leina, Mülhauzen 2c.

Die von dem Reihs-Eisenbahn-Amt veranlaßten, am 4. d. M. unter dem Vorfiße des Präsidenten Mayba ch be- gonnenen Berathungen mit Delegirten deutscher Eisen- bahn-Verwaltungen über den nähsten Winterfahr- plan find am folgenden Tage geshlossen worden. Das Ergeb- niß derselben darf im Allgemeinen als ein befriedigendes bezeih- net werden, indem, f\oweit es der beshränkte Rahmen eines Winterfahrplans gestattet, manche Verbesserungen gesichert, an- dere angebahnt und für verschiedene wihtige Einrichtungen ge- meinsame Gesichtspunkte gewonnen sind, welche für die Zukunft von den besten Folgen für den öffentlihen Verkehr sein werden.

Der Minifter des Innern hat unterm 22. August cr. im Anschluß an die Cirkular-Verfügung vom 8. Juni cr., be- treffend die Ausführung des Gesehes vom 9. März cr. über die Beurkundung des Personenstandes und die Form der Ehe- ichließung, den Ober-Präsidenten folgende Formulare 1) für Aufgebote (88. 27 ff. des Gesehes), 2) für standesamt- lihe Ermächtigungen (8. 26 des Gesetzes) übersandt:

Aufgebot. Es wird zur allgemein Kenntniß gebracht, daß

1) der wohnhaft zu Sohn de

2) und die wohnhaft zu die Ebe mit einander eingehen wollen.

Dem unterzeihneien Standesbeamten if ein Hinderniß dieser Ehe nicht bekannt. Etwaige auf Ehehindernisse sich stüßende Ein- sprachen sind bei dem unterzeichneten Standesbeamten anzubringen.

Die Bekanntmachung dcs Aufgebots hat in de

zu geschehen. am ten 0E

‘Der Standesbeamte. - Die Bekanntmachung des Aufgebots ift erfolgt dur 1: a c T A

Standesamtliche Ermächtigung.

Der unterzeichnete Standesbeamte des Königlih Preußischen Standesamtes zu ; Kreis ertheilt hierdurch die Ermächtigung, daß die Ehe zwischen

1) dem wohnhaft zu

2) und der wohnhaft zu vor dem Standesbeamten zu i geschlossen werde.

_Zugleich bescheinigt der unterzeihnete Standesbeamte, daß das vorshriftêmäßige Aufgebot i / : ; erfolgt ift und daß Ehehindernisse nicht zu seiner Kenntniß gekom-

n. E O Der Standesbeamte.

Der Minister bemerkt dazu: Schreibt auch das Geseg den Gebrau solcher Formulare nit ausdrücklich vor, so wird doch auf denselben thunlichft hinzuwirken sein, um so die Beobachtung der geseßlichen Bestimmungen möglichst ficher zu ftellen.

Euer ersuche ich daher, im Einverständnisse mit dem Herrn Iustiz-Minifter, ganz ergebenst, den Gemeinden zu em- pfehlen, die in Rede stehenden Formulare in ausreichender An- zahl anfertigen zu laffen und dieselben demnächst den Standes- beamten zu liefern.

In Nr. 203 der „Berliner Vürger-Zeitung“ is die Mit- theilung enthalten, daß der Bau der Brücke über den Schiffahrtskanal am Halleschen Thor niht fortschreite, weil der Finanz-Minister versäumt habe, den entsprechenden Bau- kostenbedarf auf den diesjährigen Etat zu bringen; für das nächste Jahr werde, um die Unterlassung wieder gut zu machen, die doppelte Rate gefordert werden. Diese Angabe ist un- rihtig. Der diesjährige Staatshaushalts-Etat seßt für den frag- lihen Brückenbau die Summe von 40,000 Thlr. aus ; dem Ver- kehrsbedürfnisse ift einstweilen durch die Errichtung einer In- terimsbrücke genügt, und wenn der Bau der definitiven Brücke noch niht begonnen hat, so ist der Grund darin zu suchen, daß die in der Aufstellung des Bauplanes liegenden technischen Schwierigkeiten noch niht überwunden sind.

Am 3. September verstarb zu Rudolstadt Prinz Adolf Bentheim-Tecklenburg-Rheda (geboren 7. Mai 1804), Königlich preußischer General-Lieutenant à la suite, nah kurzem Krankenlager.

Der General-Inspecteur des Militär-Erziehungs- und Bildungswesens, General der Kavallerie Baron von Rhein- baben, ist von seinen Dienstreisen hierher zurückgekehrt, des- gleichen der General-Lieutenant, Staats-Minister und Chef der Admiralität von Sto\ch von seiner in Begleitung des Ka- pitäns zur See und Chefs des Stabes der Admiralität Bat#\ch, sowie des Obersten und Decernenten in der Admiralität Galster unternommenen Dienstreise behufs Inspizirung des Geschwaders in der Danziger Bucht und der Werft Danzig.

Der Königlich. s{hwedishe General-Postdirektor Roos ist auf der Durchreise nah Bern gestern hier eingetroffen. Jn den nähsten Tagen wird fich auch der General-Postdirektor Dr. Stephan in Begleitung des Geheimen Ober-Postraths n- ther zu dem europäischen Postkongresse nah Bern begeben. j

Bayern. München, 5. September. Prinz Luitpold hat fih vorgestern Mittags über Ingolstadt nah Neuburg begeben, um als General-Inspektor der Armee den Detachementsübungen und den Divisionsmanövern der 2. Division anzuwohnen. Erstere währen in der Gegend von Biberbach seitens der 3. Infanterie- Brigade und bei Neuburg seitens der 4. Infanterie-Brigade vom 4. bis 7. d. Mts. Die Divïsionsübungen werden bei Harburg mit zwei Bivouaks der ganzen Division und zwei weiteren der Vorposten vom 9. bis 14. September stattfinden.

Der Staats-Minister der Justiz, Dr. v. Fäustle, erhielt von Sr, Majestät dem König einen vierzehntägigen Geschäftsur- laub. Während der Dauer der Abwesenheit des M*aisters wird a Dr. v. Fischer die Geschäfte des Justiz- Ninisteriums versehen.

Die Sedanfeier im Colosseum, der laut Kassen- aus1wveis 2742 Personen beiwohnten, hat einen Reinertrag von 1000 Fl. ergeben, welcher dem Comité für Errihtung des Na- tionaldenkmals auf dem Niederwald übergeben wird.

Die „Alg. Ztg.“ vernimmt, daß die Staatsregierung die Angelegenheit wegen Erweiterung der Räume des Land- tagsgebäudes wieder aufgenomwen hat, und daß in Folge dessen zur Zeit neue Baupläne und Kostenvoranshläge ange- fertigt werden, “und di&Höffnung besteht, es werden den Kammern nah deren Wiederberufung entsprehende Vorlagen gemacht werden können. -

Die Königliche Verordnung vom 31. August über die Ehrengerichte der Offiziere im bayerischen Heere is in dem am 4. September ausgegebenen Militär-Verordnungs- blatt Nr. 37 mit der Bestimmung publizirt worden, daß fie mit dem Tag ihrer Verkündung in Kraft zu treten hat. Alle ein- O bisherigen Bestimmungen werden als aufgehoben erflärt.

Sachsen. Dresden, 5. September. Der König hat fih gestern früh, die Königin heute Morgen zu den Manövern bei Großenhain begeben, und werden beide Majestäten Nach- mittags von dort nach Pillniß zurückkehren. Morgen Mittag werden dieselben wiederum einem bei Großenhain stattfindenden Wettrennen beiwohnen. Der König gedenkt \sich nächsten ae (7. September) zu den Manövern bei Chemniz zu egeben.

Das „Dr. I.* berichtigt die Mittheilung über die Sedan-

feier dahin, daß das in der fkatholishen Hoffkirhe am 2. Sep- tember gehaltene feierlihe Hochamt nicht vom Bischof Forwerk, a Tel vom Superior und Pfarrer der Hofkirche celebrirt wor- en sei.

Baden. Zu Freiburg i. Br. ist am 6. September der IV. Altfkatholifkenktongreß zusammengetreten. „W. T. B.“ meldet über die Verhandlung von dort Folgendes:

6. September, Vormittags. Zum Altkatholikenkongrefse find bisher über 130 Delegirte aus allen Gegenden Deutschlands und viele hervorragende Gäste eingetroffen. Unter denselben be- finden sich Bischof Reinkens, Reusch, Professor Friedrih und der Reichstagsabgeordnete Voelk, die Professoren Schulte, Knoodt, Reush und Langen aus Bonn, die Münchener Professoren Huber, Cornelius. und Zirngibl, ferner Dr. Munzinger aus Olten, Pastor Dr. Brader aus Ried in Oesterreih, Professor Michelis aus Braunsberg, Staatsanwalt Fischer aus Konstanz, Dr. Petri aus Wiesbaden, Pfarrer Feig aus Baden-Baden, Rev. Dr. William Chancy Langdon aus Nordamerika, Tat\chelloff, Propst der russishen Kirhe in Wiesbaden, Professor Major aus Cambridge, Marchese Guenziere di Gonzaga aus Mantua, Prof. Talbot aus Oxford, Abbé Michaud aus Paris. In der gestern Abend im Saale der Harmonie stattgehabten Vor- versammlung wurden die Delegirten und Gäste durch den Vor- fißenden dés Freiburger Comités, Rehtsanwalt Fohrenbach, be- grüßt. Darauf hielt Bischof Reinkens im Namen der Altkatho- lifen Deutschlands eine mit Begeisterung aufgenommene Rede, in der er der großen Fortschritte der altfatholishen Bewegung gedachte, von denen er fich während seiner dreimonatlihen Reise vom Süden bis zum Norden Deutshlands überzeugt habe. Er sprach dcn Wunsch und die Zuversicht aus, daß eine Einigung der getrennten christlicen Konfessionen durch das Streben und Forshen nah der Wahrheit zu Stande kommen werde, nicht eine Einigung durch ein âußeres Glaubensbekenntniß, sondern eine Einigung durch Erweckung des christlihen Geistes in Allen. Professor v. Holzendorff gab darauf den Sympathien Ausdruck, mit denen die Protestanten die altkatholishe Bewegung und ihre Ziele be- gleiten. Jn gleihem Sinne sprach der amerikanische Geistliche Langdon zugleih im Namen des in der Versammlung nicht an- wesenden Bischofs von Pepurg und des gleihfalls abwesenden Bischofs von Maryland. Ebenso bekundeten Professor Major aus Cambridge und der russishe Propst Tatschelloff ihre wärm- fien Sympathien. Leßterer betonte insbesondere, daß der Alt- katholiziómus auch im Innern Rußlands immer größere Würdi-

gung finde. Es sprachen darauf. Prof. Huber, Amtsrihter Beck und Prof. Schulte, deren Reden ebenfalls mit großem Beifall aufgenommen wurden.

6. September. Erste Sizung des Altkatholiken- kongresses. Nahdem Schulte, Petri und Huber durch Akkla- mation zu Präsidenten gewählt waren, theilte der Vorfißende mit, daß in Gemäßheit früherer Beshlüsse zwei Kommissionen gebildet seien und zwar für die anglikanische Kirche, bestehend aus den Professoren Döllinger, Friedrih und Meßmer, sowie für die Beziehungen zur griehishen Kirche, bestehend aus Langen, Knoodt und Reusch. Auf Döllingers Wunsch sei eine Konferenz von Vertretern der christlihen Konfessionen zusammenberufen, um zu- nächst über die dogmatishen Differenzen klar zu werden. Zu dieser Konferenz, welhe am 14. September. in Bonn stattfinden solle, habe Döllinger persönlich Einladungen an hervorragende Mitglieder der evangelischen, griehischen, anglikanishen und alt- katholishen Konfession erlassen. Schulte berichtete alsdann über die durch neue Erhebung konstatirte bedeutende numerishe Aus- dehnung des Altkatholizismus, namentlih in Preußen und Baden. Der Vorsizende machte \{ließlich Mittheilung von ein- gegangenen Briefen der Bischöfe von Haarlem und Lincoln, Ce bedauern, an der Theilnahme am Kongresse verhindert zu sein.

6. September, Nachmittags. In der heutigen erften Delegirtenfizung, welhe Vormittags 10 Uhr im Kaufhaussaale stattfand, wurden Professor Schulte zum Präsidenten, Dr. Petri und Professor Huber zu Vize-Präsidenten des Kongresses ge- wählt. Nachdem hierauf der Vorsißzende über die Verhandlungen Und Beschlüsse der im Mai d. I. zu Bonn stattgehabten ersten altkatholishen Synode Bericht erstattet, gelangten vier Resolu- tionen über die Ansprüche der altkatholishen Gemeinde auf das Kirchenvermögen zur Debatte. Dieselben wurden mit den von Dr. Petri und Professor Michelis eingebrahten Amendements E, An der Debatte betheiligte sich u. A. auch Bischof

einkens.

6. September. Die in der heutigen ersten Sizung des Altkatholiken-Kongresses angenommenen Resolutionen, welhe an Stelle des auf der Tagesordnung {schenden Entwurfs zu einem e i Preußen zu erlassenden Kirchengeseze beantragt wurden,

auten:

_ Die Altkatholiken halten, wie sie bereits auf den früheren Kon-

gressen erklärt haben, fest an ihren Ansprüchen auf das Kirchen- v ermögen und verlangen von dem Staate Schuß in ihren Rechten. Sie erklären, ohne über juristisGe Fragen entscheiden zu wollen, daß das Kirchenvermögen unbeschadet der bestehenden wohlerworbenen Rechte der Gemeinde gehöre, sie verwerfen, daß dasselbe der Kirche, in abstracto nah rômischer Auffassung dem Papste, gehöre. Sie beab- fihtigen niht, Andere an der Feier des Gottesdienstes zu hin- dern und verlangen deshalb nur die Theilung in der Benußung der Kirchen, des Kirchengeräths, der Pfründen und Benefizien unter billiger Berücksichtigung der Seelenzahl der beiden Parteien. Das durch den römischen Nuntius zu München den römisch-katholiichen deutschen Bischöfen aufgedrängte Vorgeben, der Simultangebrauch der Kirchen mit den Altkatholiken sei für sie kanonish unerlaubt, ist nichts als ein Agitationsmittel zur Einshüchterung der Staatsregie- rung, wie der Menge der nichtunterrihteten römischen Katholiken. Die Stärke der neukatholischen Partei kann nur durch das Re- sultat einer Abstimmung der in den einzelnen Gemeinden wahl- berechtigten Katholiken über die Frage, ob fie die in der Konstitution om 18. Juli 1870 ausgesprochenen Sätze über die Unfehlbarkeit und Allgewalt des Papstes anerkennen, festgestellt werden, weil eine kirs liche Partei in einem dogmatischen Streite durch Abstimmung über eine Negative überhaupt nicht festgestellt werden kann. Der Staat, welcher die Verpflichtung hat, die Altkatholiken in ihren Rechten zu {üßen und denjelhen einen entsprehenden Antheil an dem Kirchen- vermögen zuzusichern, hat daher auch die Pflicht, eine solche Ab- stimmung auf Antrag überall dort anzuordnen, wo die Rechte der Alt- katholifen verleßt werden.

_ 6. September, Abends. Heute um 3 Uhr fand die erste öffentlihe Versammlung des Altkatholiken-Kongresses statt, in der ungefähr 3000 Personen anwesend waren. Professor Schulte eröffnete dieselbe mit einer Rede über den Ursprung, Zweck und Exfolg der altkatholishen Bewegung. Professor Huber behan- delte dasselbe Thema; er bekämpfte“ mit besonderem Nachdruck den religiösen Indifferentismus. Landamman Keller aus Aarau versicherte, daß die Schweizer den Deutschen im Kampfe gegen Rom zur Seite stehen würden, worauf Herr Schulte den Schwei- zern dieselbe Verficherung im Namen der deutschen liberalen Katholiken gab. Alsdann sprahen noch Oberamtmann Bet, Professor Knoodt und der Abg. Voelk unter großem Beifall der Versammlung.

DSefsen. Darmstadt, 6. September. Das am 1. d. M. ausgegebene Großherzoglihe Regierungsblatt Nr. 42 enthält die Verordnung, betreffend die Organisation der obersten Staats- behörden, deren 3 erste Paragraphen lauten :

8. 1. An der Spitze der Verwaltung des Großherzogthums steht Unser Gesammt-Ministerium. §. 2. Innerhalb des Gesammt- Ministeriums bleiben das Ministerium des Innern, das Mini- sterium der Justiz und das Ministerium der Finanzen mit threm bisherigen besonderen Wirkungskreise bestehen, soweit die gegen- wärtige Verordnung nicht anders bestimmt. §. 3. Das Gesammt- Ministerium besteht aus: 1) cinem Präsidenten, welcher zugleich Mi- nister des Großherzoglichen Hauses und des Aeußern ist, 2) aus den or E verantwortlichen Vorständen der in §. 2 erwähnten Mini- terien, 3) aus den in diesen Ministerien r Hf bai wár Ministerialräthen, 4) aus einem für das Gesammt-Ministerium besonders angestellten Rathe. Dec Präsident des Gesammt-Ministeriums und Minister des Großher- zoglichen Hauses und des Aeußern kann zugleich Vorstand eines der in §. 2 genannten Ministerien sein. .Auch dem Vorstande eines der in §. 2 genannten Ministerien kann gleichzeitig die- Vorstandschaft eines andern, dort genannten Departements übertragen werden. Jedem Departements-Chef steht es frei, einen vortragenden Rath seines De- es zur Erstattung eines Vortrags und zum Beiwohnen bei der

erathung des von ihm vorgetragenen Gegenstandes in die Sißung des Gesammt-Ministeriums einzuführen. Jn besonderen Fällen können auch andere Beamte oder Sachverständige zu den Berathungen des Gesammt- Ministeriums mit Genehmigung des Präsidenten zugezogen werden.

Während bislang die Vorstände der einzelnen Ministerial- Abtheilungen in ihren bezüglihen Departements im Wesentlichen elbständig zu beschließen hatten, wird durch diese Verordnung er Schwerpunkt der Beschlußfassung in einer ganzen Reihe von wichtigen Angelegenheiten in das aus dem Minister-Präsidenten, den Vorständen der drei Ministerial-Abthei- [lungen (Inneres, Justiz, Finanzen), den in den Ministerien an- gestellten Räthen und aus einem besonders angestellten Rath be- stehende Gesammt-Ministerium verlegt. Die einshlägigen Angelegen- heiten unterliegen der follegialishen Berathung, ein entscheidendes Votum bei der Beschlußfassung steht indessen nur dem Minister- Präsidenten und den drei Vorständen der Ministerial-Abtheilun- gen zu. Im Falle der Stimmengleihheit giebt die Stimme des Minister-Präfidenten den Ausschlag, es bleibt jedoch jedem Mit- glied der Minderheit freigestellt, auf die Entscheidung des Regenten zu provoziren.

Wie die „Darmst. Ztg.“ vernimmt, is die Vorlage der Kirchengeseze an die Stände am Freitag erfolgt. Sie

Feien, weil die Flammen stellenweise wieder viel mächtiger em-

allen in 5 Geseßentwürfe und betreffen: 1) die retlihe

Mllung der Kirchen und Religionsgemeinschaften im Staate; den Mißbrauch der geistlihen Amtsgewalt ; 3) die Vorbildung d Anstellung der Geistlihen; 4) die religiösen Orden und ensähnlihen Kongregationen; 5) das Besteuerungsrecht der chen und Religionsgemeinschaften. Jedem Entwurf sind be- dere Motive beigegeben. Der erstere Entwurf hat s, der ite 25, der dritte 14, der vierte 5, der leßte 7 Artikel. Die twürfe werden zunächst in dem für die Kirchengeseßze besonders ählten Aus\husse der Zweiten Kammer berathen. Dieser \huß besteht aus den Abgg. Küchler, Landmann, Schröder,

zeinzerling, Dehsner, Stüber, v. Wedekind (Darmstadt), und ar is Lehterer mit dem Vorsige betraut.

”Mecklenburg. Schwerin, 5. September. Der Gro ß- zog und die Großherzogin werden von Moskau über igsberg am 7. Abends in Berlin eintreffen. Von dort be- t sich der Großherzog am 8. nach Dortmund, während Großherzogin an | demselben Tage in Steinfeld eintrifft.

mo E “- NCMZSA E C A MET C E wr O ERIO C E Sachsen-Weimar-Eisenah. Weimar, 6. September.

Großherzog, welcher vorgestern Abend auf der Rück- e von Berlin einige Stunden in Weimar verweilte, traf ern Nacht mit dem Schnellzuge in Eisenach ein und kehrte h Schloß Wilhelmsthal zurü.

Sachsen-Meiningen-HildburgHhausen. Weiningen, September. (W. T. B.) Ein gestern Nachmittag in einem derhause hier ausgebrochenes Feuer griff mit solcher tigkeit um fih, daß bis 11 Uhr über 250 Wohn- user niedergebrannt waren. Mehr als 3000 Personen sind dahlos, von denen die Hälfte der ärmeren Klasse angehört. èr angerichtete Schaden ist noch nicht zu übersehen und \chnelle [fe dringend geboten.

7. September, Morgens. Das vorgestern Nahmittag

ausgebrochene Feuer konnte gestern Morgen gegen 2 Uhr ar auf seinen Heerd beschränkt werden; indeß brannten die ümmer bei der außerordentlihen Ausdehnung der Feuers- Uns noch während des ganzen gestrigen Tages, und gestern hend verließen viele Bewohner des voin Feuer verschont ge- ebenen Theiles der Stadt ihre Wohnungen und kampirten im

rschlugen. Die Nacht ist jedoch gut vorübergegangen. Der erth der durch das Feuer zerstörten Baulichkeiten wird auf Millionen Gulden geschäßt, der Verlust an Mobiliarvermögen | noch nicht zu übersehen. Die 3000 Obdahlosen haben bei

Schnelligkeit, mit welcher das Feuer um sich griff, fast alle e Habseligkeiten verloren. Es fehlt an Wäsche, Kleidungs- cken und selbst an Nahrungsmitteln. Alle Gaben zur Lin- rung der Noth sind an den Over-Bürgermeister der Stadt zu ressiren. ¿4 s 58 i

Anhalt. Dessau, 5. September. Dem Anh. St.-A.“ folge hat der Landtagsabgeordnete Pfarrer Urfin seinen Ent- urf einer kirchlichen Gemeinde- und Synodal-Ver- \\ung für Anhalt beendet und wird ihn demnächst an die effentlichkeit treten lassen. :

Oesterreich-Ungarn. Wien, 5. September. Der Kaiser t gestern, gleih nachdem Se. Majestät die Nahriht von der dfe Der öfterreihischen Nordpol-Expedition erhalten hatte, dén Schiffs-Lieutenant Weypreht und den Ober-Lieutenant ayer nah Vardò ein Telegramm absenden lassen, in welhem x Kaiser der österreichishen Nordpol-Expedition, ihrem Führer

Münd Leiter, die Allerhöchsten Glückwünsche zu deren glülicher

ettung, sowie seine Befriedigung und lebhafte Freude über

re Rückehr ausdrücken läßt.

Der Kaiserlihe und Königliche Gesandte Graf Chotek

is von Brüssel hier angekommen.

Erzherzog Albrecht besichtigte am 1, d. M. Abends i Hermannstadt die nächst dem Orte Westen bivouakirenden ruppen. Am 2. Abends verließ Se. Kaiserlihe Hoheit Her- annsftadt und if gestern Morgen in Wien eingetroffen.

Prag, 5. September. (W. T. B.) Die „Bohemia“ meldet s zuverlässiger Quelle, daß Graf Andrassy, ohne Prag

berühren, sih am Dienstag gleichzeitig mit den fremden Offi-

Keren direkt nah Brandeis begeben wird, um den Manövern

izuwohnen.

Schweiz. Genf, 5. September. (W. T. B.) Die hie- ge Regierung hat 19 katholische Geistliche, welche die Ab- istung des verfassungsmäßigen Eides verweigerten, ihres Amtes

t\ezt und den Kirchenrath beauftragt, für die Verwaltung er vakanten Stellen Sorge zu tragen.

Niederlande. Haag, 5. September. (W. T. B.) Nah ner hier eingetroffenen Depesche aus Atchin vom 3. d. M. ätten sih die Ortschaften Patti und Kloewang (Nordwestküste) en Niederländern bereits unterworfen; auch an der Nordostküste verde wegen der Unterwerfung unterhandelt.

Belgien. Brüssel, 6. September. (W. T. B.) Der

Mönig hat den neu ernannten spanischen Gesandten Her-

og von Tetuan heute Nachmittag 21/7 Uhr in feierlicher ludienz empfangen u1d dessen Kreditive entgegengenommen.

Frankreich. Paris, 6. September. (W. T. B.) Groß- ürst Konstantin von Rußland machte gestern dem Mar- chall-Präsidenten einen Besuch, den dieser kurz darauf er- Widerte. Au- Herrn Thiers stattete der Großfürst in Begleitung es Grafen Orloff einen halbstündigen Besuh ab. Der Groß- ürst begiebt fich morgen mit der Herzogin von Leuchtenberg ah Biarriß. i

Der Mar schchall-Präsident will den bei dem Corps es Generals Clinchant stattfindenden Manövern beiwohnen

nd geht zu dem Ende am 183. d. M. nah Bethune.

Gerüchtweise verlautet, der Vicomte de Gabriac sei um Nachfolger des Grafen Chaudordy auf dem Berner Ge-

fandtshaftsposten bestimmt.

Ïn Mèze, unweit Montpellier, haben am Jahrestage es 4, September Unruhen stattgefunden, so daß die Gens- d'armerie genöthigt war, einzuschreiten und von ihren Waffen Bebrauh zu machen. Neunzehn Personen sind verwundet ind eine getödtet - worden. vorden. Auch in Lyon find am 4. d.

Vorgenommen. 7, September. (W. T. B.)

einige Verhaftungen

: Der Empfang des \pa- ishen Gesandten Marquis de la Vega y Armijo vird am Freitage stattfinden. Noch an demselben Tage wird der Marschall fich nah Lille begeben, um den Manövern bei Bethune beizuwohnen, und am nächsten Dienstag von dort hierher urückehren.| .

Nach Mèze find Truppen abgesandt

Spanien. Madrid, - 5. September. (W. T. B.) Die amtlihe „Gaceta“ meld-t, daß mehrere von den Carlifien unternommene Sturmangriffe auf Castro d'Urdiales zurückgewiesen sind.

Dem „Reutershen Bureau“ geht aus Santander unter dem 6. September die Nachricht zu, daß die deutschen

Kanonenboote „Albatros“ und „Nautilus“ von den Car-

listen aus Guetaria (bei Tolosa) be\schossen worden seien und in Erwiderung des Angriffes 24 Bomben in die Stadt geworfen hätten. Die Schiffe sollen gestern bereits nah San- tander zurückgekeh-t fein.

Weitere Meldungen über Paris, 7. September, bestäti- gen, daß die carl iftishen Batterien beiGuetaria, welche die Stadt beschießen, auch auf die deutshen Kriegs\chiffe geshossen haben. Leßtere erwiderten das Feuer. gegen die carlistishen Batterien und seßten darauf die Fahrt nah Santander fort.

Nah einer aus Bayonne über Paris eingetroffenen Mel- dung blofkiren die Carlisten die Stadi Pamplona.

Nußland und Polen. St. Petersburg, 3. Sep- tember. Se. Majestät der Kaiser von Rußland hat folgendes Manifest, betreffend die Vermählung des Groß- fürsten Wladimir, unter dem 28. d. M. erlassen; dasselbe if am 29. in dem „Messager officiel“ publizirt worden und lautet:

„Von Gottes Gnaden Wir, Alexander der Zweite, Kaiser und Selbstherrscher aller Reußen 2c. 2c. thun allen Unseren getreuen Unter- thanen kund und zu wissen: | L

Nach dem Willen Gottes und mit Unserem und Unserer gelieb- ten Gemahiin, der Kaiserin, elterlihem Segen hat Unser geliebter Sohn, der Großfürst Wladimir Alexandrowitsch, mit der Tochter des regierenden Großherzogs von Mecklenburg-Schwerin, dex Herzogin Maria, ein Ehebündniß geschlossen, und am 16. August dieses Jahres ist ihre Vermählung in der Großen Kapelle des Winterpalais nah dem Ritus ‘unserer rechtgläubigen Kirche in Unserem Beisein feierlich vollzogen worden.

Indem Wir von diesem für Unfer väterlihes Herz freudigen Er-

eignifse Kunde geben und zuglei befehlen, Unserer geliebten Schwieger-

tochter, der Gemahlin des Großfürsten Wladimir Alexandrowitsch,

den Namen „Großfürstin Maria Pawlowna“ und den Titel „Kaiser-

liche Hoheit* zu geben, haben Wir die vollkommene Ueberzeugung, daß alle Unsere getreuen Unterthanen ihre Gebete zu dem allmächtigen und allgütigen Gott um dauerndes, unwandelbares Wohlergehen für die Ae Herzen theuren Neuvermählten mit den Unsrigen vereinigen werden.

Gegeben zu St. Petersburg am 16. (28.) August im Jahre des Herxn eintausend acht hundert vier und siebzig, Unserer Regierung im zwanzigsten.

Amerika. Rio de Ianeiro, 5. September. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer hat in der gestrigen Sizung den Antrag des Deputirten Roma, mehrere Mitglieder des Ministeriums wegen Hochverraths und Vershwörung gegen den Staat und die Religion in Anklagezustand zu verseßen, ein- stimmig abgelehnt.

Asien. Shangai, 6. September. Nach hier eingegan- genen, jedoch noch nit verbürgten Nachrichten sind die zwischen der cinesishen und der japanishen Regierung wegen der Insel Formosa entstandenen Schwierigkeiten beigelegt.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Ritters geographisch-statistishes Lexikon über die Erdtheile, Linder, Meere, Buchten, Häfen, Seen, Flüsse, Jnseln, Gebirge, Staaten, Städte, Flecken, Dörfer, Weiler, Bäder, Berg- werke, Kanäle 2c. mit Angabe sämmtlicher Post-, Eisenbahnen- und Telegraphenstationen der wichtigeren Länder, erscheint gegenwärtig unter Redaktion von Dr. Otto Henne-Am-Rhyn (bei Otto Wigand in Leipzig) in sechster durchaus umgearbeiteter, vermehrter und ver- besserter Auflage und ist bereits bis zum Namen „Ronda“ gelangt. Das Fortschreiten der Wissenschaft und die erleichterte Zugänglichkeit der statisti- {hen Arbeiten aller Länder haben dem Lexikon bei jeder neuen Be- arbeitung eine veränderte Gestalt gegeben; bei der gegenwärtigen be- steht die wesenilichste Umgestaltung in der Berückfichtigung der dur die leßten drei größeren Kriege herbeigeführten politishen Veränderun- gen. Hierzu kommen noch die zahlreichen neuen Entdeckungen der leßten aht Jahre ünd in denselben stattgehabte neue Kolonisationen und Gründungen von Staaten und Territorien. Der Reichthum des in dieser Zeit zugeströmten Malerials machte es nöthig, durch die fnappste Form die größte Vollständigkeit zu erzielen, und so sind denn geographische und ethnographishe Beschreibungen und Schilderungen, physikalishe Erörterungen und größere historische Notizen auf das Nothwendigste beschränkt worden. Dadurch ift die Artikelzahl wesent- lich vermehrt worden, ohne daß der Umfang des Werkes in gleichem Verhältniß gesteigert worden wäre. Die Länder und Staaten find \fizzirt nah ihrer Lage, politishen Eintheilung, Areal und Bevöl- ferung, Gestaltung der Oberfläche, Naturerzeugnissen, Handel und Industrie, Kulturzuständen, Staatshaushalt, Vertheidigungsmitteln, Münzen, Maßen 2c.; ähnlich, nur gedrängter, die Provinzen, Bezirke, Grafscchaften, Departements, Kantone 2c.; ferner die Städte, ihre Lage und Einwohnerzahl nach dem leßten Census, nebst ihren Merk- würdigfeiten, kleinere Orte noch mit Angabe der nächsten Post oder Pfarrei, endlich alle Post-, Eisenbahn- ur.d Telegraphen-Stationen der wichtigeren Länder. Wie in der fünften Auflage, sind die Orte Deutschlands, Deutsch - Oesterreihs und der Schweiz s{chon von 100 Einwohnern an aufgenommen. Bei anderen europäischen Ländern wird mit Orten von 2—500, bei außereuropäischen mit solchen von 500—1000 Einwohnern angefangen. Gleiche Regel- mäßigkeit ist eingeführt in der Schreibweise der Ortsnamen, sowie in der Einreihunzg derselben nah Alt, Neu, Obex, Nieder, Groß, Klein, Heilig 2c. und deren Ueberseßung in den verschiedenen Sprachen.

Nach dem Quellenverzeihniß sind der Redaktion des Werks die vollständigsten und genauesten Angaben über die gegenwärtigen Ver- hältnisse der Länder und Orte aus Deutschland, der Schweiz, den Niederlanden, Oesterreih, Frankrei, Jtalien, Portugal, Serbien, Rumänien und Griechenland, und in allen wichtigen Beziehungen aus England, Nordamerika, Dänemark, Schweden und Rußland, also im Ganzen gerade aus den zivilisirtesten, für die neuesten Territorial- veränderungen und für Handel und Gewerbe wichtigsten Ländern und Staaten zugegangen. Diese neue Auflage des Lexikons ift daher für Post-Bureaus, Comptoirs, Kaufleute, Fabrikanten, Zeitungs- leser, Reisende, Real-, Industrie- und Handelsschulen, ein ganz un- entbehrlihes Hülfsmittel. Sie erscheint in 2 Bänden und in ca. 18—20 Lieferungen zum Preise von je 15 Ngr. oder 15 Mark, von denen bereits die 5. Lieferung 2. Bandes ausgegeben worden ist. ;

Das am 2. September in München feierlih enthüllte Kriegerdenkmal vom Stadtbaurathe Zenetti entworfen und von den Bildhauern Oehlmann und L, Eibl im Vereine mit . dem Zink- gußfabrikanten Hörner ausgeführt, erhebt fih inmitten der Gräber von fast 300 deutschen Kriegern, meist Preußen und Bayern, än welche ih nebenan die Gräber von 245 franzöfischen Soldaten anreihen.

uf einfahem Sockel ruht ein Sarkophag, mit dem Eisernen Kreuz, dem bayerischen Verdienstkreuz und Lorbeerkränzen geshmüdckt, an dessen vier Ecken Löwen in sißender Stellung Wacht halten und zugleich einen in konischemVierecke gehaltenen Aufbau von Sandstein tragen. Die Vorder- und die Rückseite dieses Aufbaues sind mit kunstvoll gegossenen und sinnig geordneten Emblemen des bayerischen und des preußischen Hee- res geshmüdckt, während an den Flankenseiten je ein großer Reichsadler aus Bronze horstet. Ueber diesem Aufbau schwebt in feiner Grazie, in Bronze ausgeführt, die lebensgroße Figur einer Victoria, die mit der Rechten einen Lorbeerkranz übec die Gräber herniederbreitet, wäh-

rend fie in der Linken die Friedenspalme s{wingt. Der Genius des Sieges, in einfachem, edlem Stil gehalten, ift eine in künstlerischer Hinsicht vorzüglich gelungene Schöpfung.

Nach dem Katalog der öffentlichen Vorlesungen an der Uni- versität zu Wien für das am 1. Oktober d. J. beginnende Winter- semester 1874/75 werden 370 Kollegien gelesen und acht sogenannte Fertigkeiten gelehrt werden. Von den Kollegien entfallen 19 auf die theologische, 53 auf die rechts- und staatswissenschaftliche, 161 auf die medizinisch-chirurgische und 137 auf die pbllojopbite Fakultät. Die Kollegien an der rechts- und staatswissenschaftlihen Fakultät zer- fallen in 38 rechts- und 12 staatswissenschaftlihe, 3 betreffen Hülfswissenschafien. An der medizinisch - chirurgischen Fa- kultät werden gelesen Kollegien: 15 über Anatomie, 11 über Physiologie, 12 über Therapie, 26 über Medizin, 30 über Chirurgie, 15 über Augenheilkunde, 28 über . Gynäkologie und Pä- diatrik, 11 über Hautkrankheiten und Syphilis, 4 über Psychiatrie, 6 über Staatsarzneikunde und Hygiene, 1 über Veterinärkunde und 2 über angewandte medizinische Chemie. An der philosophischen Fakultät endlih werden gehalten Kollegien: 8 über Philosophie, 12 Über Geschichte, Geographie und deren Hüifswissenschaften, 64 über Mathematik und Naturwissenschaften, 7 über Kunstgeschichte, 39 über Philologie und Linguistik, 7 über neuere Sprachen. Dem Lefktions - Katalog ist eine Uebersiht der im Sommersemester 1874 an der Wiener Universität inskribirt gewesenen Hörer angehängt, dem wir Folgendes entnehmen: Es waren inffribirt 184 Theologen (darunter 28 als außerordentliche Hörer), 1581 Ju- risten (darunter 161 a. H.), 1036 Mediziner (darunter 73 a. H.) und 814 Philosophen (darunter 141 a. H.) Darunter befanden si 12 Sehweizer, 11 Preußen, 8 Bayern, 3 Sachsen, 9 Russen, 16 Serben, 30 Rumänen, 4 Syrmier, 11 Griechen, 3 Türken, 15 Jta- liener, 2 Franzosen und 9 Amerikaner. Aus der östlichen Reichs- hälfte waren 900 (genaue, nicht abgerundete Ziffer) Hörer an der Wiener Universität infskribirt.

Am 5. d. M. fand im Hotel zum „goldenen Kreuz“ in Wien der Empfang der zum IL[, Taubstummen-Kongresse erschienenen auswärtigen Delegirten und Gäste statt. Vorläufig sind deren 86 an- gemeldet, und sind von nichtdeutschen Ländern Frankrei, Jtalien, Rußland, Schweden, Norwegen, dann Ungarn vertreten. Von Nota- bilitäten sind zu nenn°-n: Prof. Berthier, Prof. Lenoir, Chevalier Lou- stone, sämmtlich vom Taubstummeninstitute zu Paris, Hr. Edoardo de Weil-Weiß aus Turin, der Präsident des Taubftummenvereines zu Stockholm, Albert Berg, der Präsident des Taubstummenrereines zu Moskau, Hofphotograph Paul Müller aus ODreêden sammt Fra (beide taubstumm), Finanz-Minifterial-Sekretär Fürstenberg, zugleich Präsident des Berliner Taubstummenvereines, und Hr. Wilhelm Kaglo, Telegraphenfabrikant aus Berlin.

Wie die „Zürch, Ztg.“ meldet, sind beim Bau der Bahn- hofanlage auf dem Uetliberg wieder allerlei interessante Reste aus feltischer (helvetischer) Zeit zum Vorschein gekommen , z. B. ein eiser- nes Schwert, 2 vorzüglich erhaltene eiserne Lanzenspißen (tragulae) und eine {ne Broche von Bronze. Ferner stieß man bei Aulage des Weges vom Bahnhofe nach der Aegerten, am westlichen End- des dort befindlichen feltischen Walles auf eine 8—10*' die Mauer, welche den Kern dieses Walles bildete und aus flachen Bruchfteinen ohne Mörtelverbindung bestand. Im Fundament dieser Mauer wurde ein wohlgeformtes Beil aus Knochen oder einem riesigen Geweihfstück ge- funden, das nah Art der Steinbeile aus den Pfahlbauten mit einem runden Loche zur Aufnahme des Stieles versehen 1. Alle bis jeßt vorgefundenen Geräthe und Shmucksachen sind von der Direktion der Uetlibergbahngesellshaft der Antiquarischen Gesellshaft übergeben worden, deren Sammlungen dies Jahr von den Fremden jehr frequen-

tirt werden. Landwirthschaft.

In Mecklenburg herrsht über das Resultat der dies- jährigen Ernte allgemeine Freude. Den ganzen Sommer war man wohl gewiß darüber, daß hinsihtlich des Strohs eine gute Ernte erwartet werdea dürfte; darüber aber, ob der Ertrag von Körnern diesem auch entfprechend ausfallen werde, waren Manche vielfach im Zweifel, welche die Blüthezeit nicht günftig gefunden haben wollten. Desto größer ist nun die Ueberrashung, da es sih beim Dreschen herausstellt, daß der Kornertrag der Strohernte nicht nahsteht. Hafer und Gerste liefern gleich dem Wintergetreide sowohl an Korn als an Stroh eine volle Ernte. Auch Bohnen, Erbsen und Witcken, die sämmtlich seiner Zeit gut liefen und lange einen höchst prächtigen Stand bewahrten, später aber doch etwas durch Dürre gelitten hatten, sind in Folge des dann zu öfteren Malen gefallenen befruchtenden Regens im Stroh nicht kurz geblieben. Der Schoten- ansaßz ist zahlreich und die Schotenbildung eine vollkommene geworden. Der Kornertrag dieser Fruchtarten, wie der der Bohnen, ist ein sehr lohnender. Soweit der Weizen die Hanptfrucht ist, wird dieser Ernte- segen fast eine Last, da es an Raum für seine Bergung fehlt. Die Löhnung des Kornertrages muß als eine volle gelten. Gleichwohl geht der Strohertrag über voll hinaus. Die Nachmaht der Kleefelder und der Wiesen wird dagegen der trockenen Witterung wegen nit genügend ausfallen. Manche lassen deshalb die Nahmaht des Klees vom Vieh abweiden. Kohl und Rüben gedeihen ebenfalls gut und versprechen guten und reichlichen Ertrag. Die Kartoffelernte wird recht gut ausfallen. Seit Jahren dürfte diese Frucht an Qualität nicht so \{chön gewesen sein, als in diesem Jaßre, und auch die Quan- tität ist weit über mittel. Dazu ist von Krankheit keine Spur da, und noch grünen die Kartoffeln auf manchen Feldern, da der in leßterer Zeit eingetretene Regen sehr fördernd auf das Wachsthum der Knollen wirkte. Sicheren Nachrichten zufolge stellen selbst manche Sandgegenden, wo die Kartoffelfeldec erfroren waren, eine gute Ernte in Aussicht. Die Dreschmaschinen arbeiten viel und anhaltend, und die kleineren Landwirthe werden bald neuen Roggen massenhaft an den Markt bringen, weil sie mit Recht billige Preise fürchten.

Gewerbe und Handel.

In der Nacht vom 3. zum 4. September starb auf seiner Be- sißung in Charlottenburg der Geh. Kommerzien-Rath Johaun Sriedrich Gelpke, eines der hervorragendsten Mitglieder der Ber- liner Kaufmannschaft. Am 14. Juni d. J., an welchem a ie Fahre 1824 die Firma Breest, Gelpke & Kuckerling, aus der später das bekannte Bankhaus Breest & Gelpke hervorging, gegründet wor- den, feierte. er jein fünfzigjähriges Jubiläum als Mitglied ‘der Kauf- mannschaft. Lange Zeit Chef leßterer Firma, war er auch Mitinhaber der Berliner Handelsgesell]chaft und gehörte dem Centralaus\{huß der Meistbetheiligten der Preußischen Bank, dem Vorstande des Berliner Kassenvereins und dem Aufsichtsrath der Berlin-Anhalter und der S Ua Eisenbahn an. Am 1. Juli d. J. zog si der Verstorbene in das Privatleben zurück.

Wie den „Hamb. N.“ geschrieben wird, gedenkt“ ein Englän- der die Shwefelindustrie auf Jsland zu erneuern Die Schwefelquellen befinden sh im nordöstlichen Theile der Insel, in nicht weiter Entfernung vom Vulkan Krabba und dem Binnensee Myvatu; sie werden navmar (illidanàämar) genannt und liegen auf einem nackten, nur mit einex losen Sandschiht bedeckten Felsrücken. Die eigentlichen - Schwefelquellen (s0olfataren) sind Ausftrömnungen heißer Gasarten aus der Erde, welhe Schwefel abfeßen; ferner sind „Gyßequellen“ (Gyßze ist eine Art Seeschleim, welcher als Heilmittel bei Bädern benußt wird) vorhanden. Diese liegen am

uße der Felsen. Das sch{wefelhaftige Gas dringt mitunter obweise mit Krachen nid ODröhnen hervor. Wenn man den losen Sand entfernt, so #ößt* man bei diesen Quellen auf eine Schicht gelben, fast reinen Schwefel, einige Zoll dick, ‘ziemlich porôs und zerbröcklih. Als der Schwefel seiner Zeit bearbeitet wurde, qab- er nur einige hundert Centner im Jahre, wogegen man auf Sicilien gegen eine Million Centner gewinnen kann. Der Dozent Payküll, welcher die Quellen vor 8 Jahren untersuchte, behauptet, daß jeßt ein * bedeutender Schwefelvorrath vorhanden sein muß, aber daß der Vor- “rath bei regelmäßigem Verbrauch sehr bald {winden würde, da er

nur langsam wieder erseßt wird.