1874 / 240 p. 8 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 13 Oct 1874 18:00:01 GMT) scan diff

mit Zugrundelegung der Thalerrechnung errihtet oder. bestätigt sind, so hat die Auseinandersezungsbehörde vor der Uebersen- dung solher Rezesse an die Rentenbank, beziehentlich an die Domänenverwaltungsbehörde, die Umrechnung der in dem ta- bellarishen Theile der Rezesse nachgewiesenen - Geldbeträge in Reichsmark und Markpfennigen bewirken und die Resultate die- ser Umrehnung in die Rezesse in geeigneter Weise nachtragen zu lassen. Einer nochmaligen Vollziehung - derartiger Rezesse oder einer nahträglihen ausdrücklihen Genehmigung der bewirk- ten Umrechnung und Nachtrag durch die Betheiligten bedarf es nit, da materielle Aenderungen der rezeßmäßigen Festsezungen dadur nicht herbeigeführt werden.

Nath einer Entscheidung des Ober-Tribunals vom 283. September cr. kann aus der Stellung eines Strafantra- ges an sich eine persönlihe Betheiligung des Antrag- stellers bei der Sache (wie die §8. 57 der Kriminal-Ordnung und 143 Th. I. Tit. 2 A. G. O. fie voraussezen) und eine fih daraus ergebende Unfähigkeit des Antragstellers, bei Aburtheilung der Sache als Richter mitzuwirken, niht hergeleitet werden.

Der Art. 27 des von dem internationalen Postkongreß festgestellten Reglements für die Ausführung des Unionsper- trages bestimmt über das internationale Postbureau Folgendes :

1) Die bte di eige gle der s{chweizerishen Eidgenossenschaft ist für die Organisation des durch Art. 15 des Unionsvertrags ein- geseßten internationalen Bureaus bezeichnet. Dieses Bureau tritt in Bun tion, sobald die Ratifikationen des Vertrages ausgetauscht fein werden.

2) Die gemeinscchaftlichßen Kosten des internationalen Bureaus sollen jährlich die Summe von 75,000 Frs. nicht Übersteigen, nicht inbegriffen die Spezialkosten, zu welchen die periodishen Einberu- fungen des Postkongresses Anlaß geben werden. Mit Zustimmung sämmtlicher kontrahirenden Verwaltungen kann diese Summe später vermehrt werden.

3) Die im §. 1 bezeichnete Verwaltung überwacht die Ausgaben des internationalen Bureaus, macht die nothwendigen Vorschüsse und stellt die jährlihe Rechnung auf, welche sämmtlichen anderen Ver- waltungen mitgetheilt wird. : ;

4) Für die Vertheilung der Kosten werden die kontrahirenden Länder und diejenigen, welche später zum Beitritt zur Postunion zu- gelassen werden, in sechs Klassen getheilt, welche nah Verhältniß einer gewissen Anzahl Einheiten beizusteuern haben, als:

1. Klasse 25 Einheiten, 2. Klasse 20, 3. Klasse 15, 4. Klasse 10, 5, Klasse 5, 6. Klasse 3.

5) Diese Koeffizienten werden mit der Zahl der Länder jeder Klasse multiplizirt, und die Summe des so erhaltenen Ertrages giebt die Zahl der Einheiten, aus welcher die Totalausgabe zu theilen ift. Der OQuotient giebt den Betrag der Einheit der Ausgabe.

6) Die kontrahirenden Länder sind für die Vertheilung der Kosten wie folgt klassifizirt :

1, Klasse: Deutschland, Oesterreich - Ungarn, Vereinigte Staaten von Amerika, Frankreih, Großbritannien, Italien, Rußland, Türkei; 2. Klasse: Spanien; 3. Klasse: Belgien, Aegypten, Niederlande, Ru- mänien, Schweden; 4. Klasse: Dänemark, Norwegen, Portugal, Schweiz; 5. Klasse: Griechenland, Serbien; 6. Klasse: Luxemburg.

7) Das internationale Bureau dient für die regelmäßigen und allgemeinen Mittheilungen, welche den- internationalen Verkehr inter- essiren, als Vermittler. Es empfängt gleiher Weise von jeder Ver- waltung die über den innern Dienst veröffentlichten Dokumente.

8) Jede Verwaltung stellt dem internationalen Bureau im 1. Se- mester jedes Jahres eine vollständige Serie statistisher Aufnahmen, welche fich auf das vorhergegangene Jahr beziehen und nach der An- weisung des internationalen Bureaus, das zu diesem Zwecke vollstän- dig vorbereitete Shemas vertheilen wird, unter der Form von Ta- bellen entworfen find. Diese Aufnahmen vereinigt es zu einer allge- meinen Statistik, welche an sämmtliche Verwaltungen vertheilt wird.

9) Mit Hülfe der ihm zur Disposition gestellten Dokumente redigirt das internationale Bureau ein besonderes Journal in deut- scher, englischer und französischer Sprache.

10) Die Nummern dieses Journals, sowie alle vom internationa- len Bureau veröffentlichten Dokumente werden unter die Verwaltungen der Union nach der in §. 4 erwähnten Zahl der beisteuernden Einhei- ten vertheilt. Exemplare und Dokumente, welche nacverlangt wer- den, sind nah Kostenpreis zu bezahlen. Verlangen dieser Art müssen zu günstiger Zeit gestellt werden.

11) Das internationale Bureau muß zu jeder Zeit den Unions- mitgliedern zu Gebote stehen, um ihnen auf Anfragen, betreffend den per S ei Dienst, die ihnen nothwendigen besonderen Aufschlüsse zu ertheilen.

12) Wenn es den Verwaltungen die Lösung einer Frage, welche die Beistimmung sämmtlicher Unionsmitglieder verlangt, vorgelegt hat, werden diejenigen, welche ihre Antwort nicht innerhalb vier Monaten eingeschickt haben, als zustimmend betrachtet.

2 Die Verwaltung des Landes, in welchem der nähste Post- Kongreß zusammenkommt, bereitet mit Hülfe des internationalen Bu- reaus die Arbeiten des Kongresses vor.

14) Der Direktor des] internationalen Bureaus wohnt den Sitzungen des Kongresses bei und nimmt Theil an seinen Verhand- lungen, jedoch ohne berathende Stimme.

15) Er erstattet über seine Geschäftsführung einen Bericht, wel- her allen Unionsmitgliedern mitgetheilt wird.

16) Die offizielle Sprache des internationalen Bureaus ist die französische.

Der Geheime Ober-Justizrath Deneke, vortragender Rath im Justiz-Ministerium, is am 9. d. M. in Göttingen gestorben.

Der Legations-Rath Graf zu Limburg-Styrum ist von seinem mehrwöchentlihen Urlaub von Groß-Peterwiß hier eingetroffen.

Der Oberst und Chef des Generalstabes VII. Arinee-Corps B F Schlichting is mit Urlaub von Münster hier einge- offen.

S, M. S. „Ariadne“ ift am 10. Oktober cr. von Plymouth aus in See gegangen.

Bayern. München, 11. Oktober. Der von Sr. Majestät dem Kaiser zum Mitgliede des obersten inter- nationalen Gerichtshofes zu Alexandria ernannte bisherige Kammerpräsfident am Kaiserlihen Landgerichte zu Mülhausen, Graf v. Marogna (früher Staatsanwalt am Bezirks- geriht in München), is, der „AUg. Ztg.“ zufolge, nah mehr- wöchigem Aufenthalt bei seinen Verwandten hierselbst am 10. d. M. nah Aegypten abgereist. Graf v. Marogna war im Laufe voriger Woche in Baden-Baden von Sr. Majestät dem Deutschen Kaiser zur Abschiedsaudienz empfangen worden.

13. Oktober. (W. T. B.) Das freisprehende Erkennt- niß des Nürnberger Appellationsgerichts in der Anllagesache ge- gen die Mitglieder der Nürnberger \ozialdemokratishen Partei wegen Kontravention gegen das Vereinsgesez ist vom hiefigen Ober-Appellationsgeriht in dessen heutiger öffentlicher Sizung kassirt worden.

Sachsen. Dresden, 10. Oktober. Der Erbprinz von Sachsen-Meiningen iff|ff gestern Abend von Berlin hier eingetroffen und im Victoria-Hotel abgetreten. Der

Geracs von Nassau is gestern früh nah Schloß Biberih abgereift.

Wegen erfolgten Ablebens Ihrer Königlichen Hoheit der Gräfin Maria Immaculata Louise von Bardi, Prin- zessin beider Sizilien, wird am Königlichen Hofe eine Trauer auf eine Woche, vom 12. bis mit 18. d. M., angelegt.

In der Schlußsizung der Ersten Kammer am 9. d. M. erstattete zunähst Kammerherr v. Erdmannsdorf Bericht über die Resultate des Vereinigungsverfahrens bezüglih der Steuer- vorlagen. Sämmtlihe Differenzen, die sich auf die Geseße beziehen, find beglihen worden, und zwar was die wichtigste Differenz, den Abzug des Fünftheils bei der Beßeuerung der Kaufleute, Fabrikanten, Händler, Bäder, Fleisher und Aktien- gesellschaften, anlangt, durch Nachgeben der Deputation der Ersten Kammer, wogegen die jenseitige Deputation in den Abzug der direkten Staatsfteuer beider Berehnung des fteuerpflihtigen Ein- fommens gewilligt und “die Hand dazu geboten hat, den Be- figern selbständiger Güter bei der Wahl der Einschäßungs- fommissionen einen hervorragenden Einfluß zu gewähren. Sämmtliche Vereinigungsvorshläge fanden die einstimmige Ge- nehmigung der Kammer. , Nahdem sodann mitgetheilt worden war, daß das Vereinigungsverfahren über die beiderseitigen Be- \chlü}se über die Chemniger Gürtelbahn ein Resultat niht gehabt habe, und die Kammer den Verkauf des Kammerguts Wiesen- burg gut geheißen hatte, erstattete Präsident v. Criegern einen ausführlihen Bericht über die Verordnung, die Einführung der Organisationsgeseße in den Shönburgischen Rezeß- herrshaften betreffend. Der Referent legte dar, daß ein interimistishes Vorgejgen der Staatsregierung den Rezeßherr- \haftsbesizern gegenüber geboten und gerechtfertigt, daß die ge- troffflene Anordnung ihrem Inhalte nad als fachentsprehend an-

zusehen, und endlich, daß die Staatsregierung insoweit, als sie zu der

beshlofsenen Anordnung der ständischen Genehmigung bedurfte, ge- nöthigt gewesen fei, eine unter den §. 88 der Verfassungsurkunde fallende Verordnung - zu erlassen. Die Deputation trug daher darauf an, der gedahten Verordnung die nachträgliche Genehmi- gung zu ertheilen. Die Kammer sprach diese Genehmigung ohne Debatte gegen eine Stimme (v. Schüß) aus. Eine diesen Gegen- stand betreffende Eingabe des Fürsten v. Schönburg ließ man auf fich beruhen. Auf Vortrag der 3. Deputation beschloß hier- auf die Kammer, die Staatsregierung zu ersuchen, im Wege der Verhandlung auf Gleichstellung dex Gehalte der Schönburgischen Gerihtsbeamten mit denen der Königlihen hinzuwirken. Nach- dem noch zum Mitgliede des Staatsgerichtshofs an Stelle des Geheimen Hofraths Dr. Albrecht in Leipzig, der die auf ihn ge- fallene Wahl abgelehnt hatte, Ober-Appellationsgerihts-Vize- Präsident a. D., Dr. Shumann, gewählt worden war, wurde die Sizung mit einem Hoh auf den König geschlossen.

In der Abendsizung der Zweiten Kammer am 9. be- antwortete der Staats-Minister v. Nostiz-Wallwiy eine Inter- pellation des Abg. Schreck über den Stand der. Arbeiten für den Entwurf eines Gesehes über die Wasserbenuzung. Hierauf erklärte die Kammer den Beitritt zu den Ergebnissen des Vereinigungsverfahrens wegen des Königlihen Defretes, die Steuerreform betreffend. Die Kammer erledigte hierauf mehrere Petitionen, worauf der Präsident Dr. Schaffrath die Sizung mit einem Hoh auf Se. Majestät den König, die Ver- fassung und das Vaterland \{loß.

Sefsen. Darmstadt, 1]. Oktober. die Prinzessin Ludwig mit ihren Kindern find vorgestern vom Iagdscloß Kranichstein wieder in die Stadt in das Neue Palais gezogen. Der Prinz Christian von Schleswig- Holstein und dessen Gemahlin Prinzessin Helene von Groß- britannien und Irland mit den beiden Prinzen Christian und Albert sind heute auf der Rückreise von Schlesien nah England zu einem fünftägigen Besuh bei ihren Geshwiftern im Neuen Palais angekommen.

Die zweite Lesung der in der Zweiten Kammer durh- berathenen fünf Kirchengesehße wird voraussihtlih am 18. d. stattfinden. Die Zusammenstellung der von der Regierungs- vorlage abweichenden Beschlüsse is bereits gedruckt, und gestern Nachmittag hielt der für die Berathung der Kirchengesetze beson- ders ernannte Aus\huß mit den Vertretern der Regierung eine hierauf zielende Sißung. Im Al- gemeinen hat \ch das Plenum mit den von seinem Aus\huß vorgeshlagenen Beschlüssen überall einverstanden erklärt, und nur in vereinzelten Punkten hiervon abweichend votirt. Morgen Nachmittag tritt der Geseygebungs-Aus\chuß zu- sammen, um über das neu vorgelegte Geseg, die polizeiliche Aufzüge über Zuzüge und Wegzüge betr., ferner über den Ge- setentwurf über die unfreiwillige Verseßung von Kollegial- Richtern in den Ruhestand, weiter über den Dumontschen An- trag auf einen entsprehenden Zusaß zur Städte- und Land- gemeinde-Ordnung wegen Aus\chlusses der Mitgliedschaft des höchstbesteuerten Grundbesißzers im Gemeinderath, endlich über den Geseßentwurf wegen Aufhebung der vom römischen Recht überkommenen fog. „Einrede des niht gezahlten Geldes“ gegen- über Schuldscheinen und Quittungen zu berathen. Alle diese Gegenstände kommen voraussihtlich {hon in den nächsten Tagen zur Erledigung.

Anhalt. Ballenstedt, 9. Oktober. heute hier eingetroffen.

Breme, 8. Oktober. Die Bürgerschaft hat sih gestern Abend lediglih mit dem Geseh über die Rehtsverhält- nisse der Staatsbeamten beschäftigt. Als Senats-Kom- missar war Senator Dr. Pauli zugegen. Die erste Verhandlung erhob fich über die Frage, ob Beamte, denen richterliche Geschäfte obliegen, also auch z. B. der Amtmann in Vegesack, der Amt- mann und der Amtsassessor in Bremerhaven, zur Erhaltung ihrer Unabhängigkeit auf Lebenszeit angestellt seien. Zwei Mit- glieder wollten kein Gewicht auf diese Bürgschaft legen, während der Senats-Kommissar und mehrere Richter sie vertheidigten. Die Mehrheit war der Ansicht der Leßteren. Ganz verworfen wurde nah längerer Erörterung der §. 15, welcher eine drei- malige Alterszulage von fünf zu fünf Jahren anordnet und dem Senat das Recht einräumt, einen Beamten in eine höhere Alters- klasse, als die ihm eigentlih zukommende, zu seßen. Zu dem Dienstwohnungs - Paragraphen hatte die juristishe Kommis- fion der Bürgerschaft den Zusay beantragt, daß der Senat ermächtigt sein solle, einen Beamten von der Benußung der ihm zustehenden Dienstwohnung loszusprehen. Der Antrag wurde abgelehnt. Die längste Verhandlung rief \{ließlich die Bestimmung über Nebenbeschäftigungen der Staatsbeamten hervor. Der Beschluß wurde auf die nächste Sißung vertagt.

Der Herzog ist

__Desterreich-Ungarn. Wien, 13. Oktober. (W. T. B.) Die „Wiener Zeitung“ veröffentlicht in ihrem amtlichen Theil eine

Der Prinz und-

‘dem Papste gegenüber gehegt würden.

Kaiserlihe Verordnung, welhe die Verordnung vom 13. Mai 1873 außer Kraft seßt, vermöge deren die National- bank ermächtigt wurde, ftatutenmäßig Wechsel zu eskomptiren oder Effekten zu beleihen, ohne an den durch die Statuten der Bank festgeseßten Betrag gebunden zu sein.

Níizderlande. Haag, 12. Oktober. W. T. B.) M der Sizung der Zweiten Kammer wurde heute von den Deputirten van Eck und Bredius ein Antrag, betreffend die Errichtung eines allgemeinen internationalen Shieds- gerichts, eingebraht, dessen Berathung bei Gelegenheit der Diskussion des Budgets des Ministeriums der auswärtigen An- gelegenheiten erledigt werden soll.

Großbritannien und Frland. London, 10. Oktober, Der Prinz und die Prinzessin von Wales werden am 3. November der Stadt Birmingham einen Besuch abstatten.

Die Königin hat Herrn Edward Smallwood, bisherigen Konsul auf den Azoren, zum britishen Konsul in Venedig ernannt.

Der franzöfishe Botschafter am hiesigen Hofe, Graf Jarnac, hatte vorgestern eine Unterredung mit dem Earl von Derby im Auswärtigen Amt. ù

Der Herzog von Leinster, der {hon vor 14 Tagen “oe gesagt wurde, if heute nach längerem Krankenlager ge-

orben,

Der Contre-Admiral Stewart, Controleur der britishen Marine, und Hr. Barnaby, der Ober-Marine-Ar- iteft, werden demnächst eine Inspektion sämmtlicher Marine- hâfen des Kontinents vornehmen. Cherbourg wird der erste Ha- fen sein, den sie besuchen werden. Von Frankreich werden sie fich nah Italien begeben.

Der Kirchen-Kongreß in Brighton hat gestern seinen Abschluß gefunden. Der nächstjährige Kongreß wird in Stoke-upon-Trent abgehalten werden.

Canada. Einem Telegramm aus Toronto zufolge hat S e General-Gouverneur zu einem Besuhe nach New-York

egeben.

Frankreich. Paris,— 11. Oktober. Der Kriegs- Minister hat folgendes Cirkularschreiben an die Corps- Kommandanten gerichtet: i

Herr General! ehrere Berichte unsexer Mislitär-Attachés und der von uns nah Deutschland zu den dortigen Manövern gesandten Offiziere haben besonders die Ruhe und Mäßigkeit im Kommando betont; Hand- und Kopfbewegungen treten zuweilen im Kommando an die Stelle der lauten Stimme. Diese heute bei unseren Nachbarn gewöhnliche Handlungsweise bietet den werthvollen Vortheil, die Auf- merksamkeit der Truppen fortwährend wach zu erhalten und ihnen zu- gleih von dem Augenblicke an, wo sie unter den Waffen sind, eine vollständig disziplinirte Haltung zu geben. Jch lenke ganz besonders JFhre Aufmerksamkeit auf die so befriedigenden Ergebnisse und ih wünsche, uach und nach einen so‘chen Fortschritt in unserer Armee ein- geführt zu scheo. Man kann in der That, ohne der Klarheit und dem Nachdruck des Kommandos zu schaden, eine Tendenz verbessern, die uns eigenthümlich ist, welche nur unserem nationalen Charakter ent- springt und die fich in Ausrufungen kundgiebt, die so lärmend als nur irgend mögli sind. Jch beschäftige mich übrigens in diesem Augen- blicke mit den Mitteln, um auf das Nothwendigste die durch unsere Ordonnanzen gegenwärtig in Kraft sich befindenden Kommanddwieder- holungen zu verringern, welche die Ausübungen des Ober-Komman- dos, besonders bei der Vereinigung von bedeutenden Truppenkörpern, noch verwickelter machen. Jch bitte Sie, mir Jhr persönliches Urtheil einzusenden 2c. Gereral de Cissey.

192. Oktober. (W. T. B.) Es if nunmehr das Resultat von 80 Stihwahlen bei den Generalrathswahlen be- kannt, es wurden 40 Konservative und 40 Republikaner von den verschiedenen Schattirungen gewählt.

Der „Moniteur“ bespriht die Zurückberufung des „Orénocque“ von Civitavecchia und betont, daß diese Maß- regel bei der dermaligen Lage der internationalen Beziehungen Frankreichs ganz unerläßlih gewesen sei. Die Erwägungen, die die Regierung zu dieser Maßregel genöthigt hätten, seien dem Papste mitgetheilt, und das Gewicht derselben sei von dem leh- teren nicht verkannt worden. Ein französisches, aber in fran- zösishen Gewässern ftationirtes Schiff werde fortfahren, zur Dis- position des Papstes zu stehen. Alle diejenigen, die die Erhal- tung des europäishen Friedens gewünscht und die ein Gefühl hätten für die Pflichten und für die Ansprüche, die die Inter- essen Frankreihs gebieterish bedingten, würden die Entschließung der französishen Regierung nur billigen können.

183. Oktober. (W. T. B.) Das „Journal officiel“ ent- hält die amtlihe Mittheilung, daß der „Orénocque“ nat Toulon zurückbeordert worden sei. Das gedahte Schiff, das seit 1870 in Civitavecchia stationirt gewesen, habe die Bestim- mung gehabt, zur Verfügung des Papstes für den Fall bereit zu ftehen, daß derselbe, Frankreihs Wünschen zuwider, den Entschluß fassen sollte, Italien zu verlassen. Die Abberufung des „Orénocque“ Hedeute keinen Wechsel in den Gefühlen der Ergebenheit und Fürsorge, die von Seiten Frankreichs Ein anderes Schiff sei dem Papste zur Verfügung gestellt worden, dasselbe sei in einem französishen Hafen des Mittelmeeres bereit gestellt und halte \sich jederzeit des Rufs gewärtig, der ihm in Folge eines Befehls des Papstes zugehen könnte. Die gedachten Maßnahmen, deren freie ungehinderte Ausführung keinerlei Hindernissen begegnen dürfte, seien dem Papste angezeigt worden, derselbe habe mit Vertrauen von den- selben Kenntniß genommen. Das „Iournal officiel“ fügt noh hinzu, der „Kleber“ sei mit der gedahten Mission beauftragt E Befehl erhalten, sich von Toulon nah Korsika zu

egeben. Í

Spanien. Madrid, 12. Oktober. (W. T. B.) Der Oberst Trujillo {lug gestern bei Fortuno in Verbindung mit Freiwilligen und Civilisten aus Murcia den Carlistenführer Lozano, wobei 8 Munitionswagen nebst Bespannung erbeutet wurden. Die geschlagenen Carlisten sind dieselben, welche kürz- ba die vielfachen Zerstörungen an den Eisenbahnen vorgenommen

atten. :

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Türkei. Aus Konstantinopel wird der „Times“ tele- graphirt, daß die Pforte beschlossen hat, unverzüglih 260,000 Scheffel Getreide zur Linderung der Hungers noth in Klein- asien abzusenden und 11,000 Paar Ochsen zu beschaffen, um die Dorfbewohner in den Stand zu seyen, ihre Felder zu be- stellen. Auch is die Schaf- und Ziegensteuer in Angora für einen Zeitraum von 6 Jahren herabgeseßt werden.

Die „Times“ meldet aus Konstantinopel vom 10. d., die Pforte habe offiziell jedwede Verfolgung von Muselmän- nern, die zur chrisilihen Religion übergetreten seien, in Abrede gestellt und dem englischen Botschafter gegenüber er- klärt, daß die durch den Firman von 1856 den Acteebörigen der sämmtlichen verschiedenen religiösen Bekenntnisse zugestandenen Schuzprivilegien auf das Strengste respektirt werden würden.

Die Pforte könne niht gestatten, daß der Uebertritt zu einem anderen Glaubensbekenntniß von der Ableistung der Militärdienft- pflicht befreie, sie werde in solhem Falle aber die Ausübung der Dienstpfliht durch Stellvertreter gestatten.

NRufsland und Polen. St. Petersburg, 11. Oktober. Durch das Gesch i bestimmt, daß bei den Land\schaftsver- sammlungen ein Drittheil der Mitglieder zur Stimmfähig- feit erforderlih ift. „Bei der Gleichgültigkeit \chreibt' die „St. Pet. Ztg.“ die in vielen Gegenden unseres Reichs hin- fichtlih der Allgemeininteressen herrsht, erschien diese billige An- forderung bisweilen als eine {were Last, so daß sih, wie die „R. W.“ erfährt, einige Landschaftsversammlungen mit dem Gesuch an das Ministercomité gewandt hatten, statt eines Drit- tels nur ein Fünftel der Stimmberechtigten zur Stimmfähigkeit der Versammlung zu verlangen. Das Gesuch is, wie wir der- selben Quelle entnehmen, rund abgeschlagen, und zwar, weil die zu entscheidenden Angelegenheiten zu wichtig find, um von einem geringeren Bruchtheil der Versammlung als einem Drittheil ent- schieden werden zu können, weil es ferner überhaupt wünschens- werth ist, daß eine möglihst große Anzahl der Stimmberechtigten zum Vortheil der Sache zur Anwendung ihres Stimmrechts ge- zwungen werden, und weil das Ministercomité niht glaubt, daß das jezt vom Gese erforderte Minimum wirklihe praktische Schwierigkeiten nah fih gezogen hätte.“

Die „M. 3.“ erhält die Mittheilung, daß das Ministe- rium des Innern, in Anbetracht der Angaben über eine unge- heure Zahl von in den Revisionslisten ausgelassenen Juden und um eine mögliche Regelmäßigkeit in der Einberufung der Juden zur Dien stpficht zu erreichen, bei der im Reihsrath nieder- gesezten besonderen Wehrpflichts - Kommission ein Gutachten darüber eingereiht habe, daß die Rekrutenbehörden denjenigen Juden, welche einberufen find, und ihr Alter durh kein Doku- ment belegen können, ohne Ausnahme das Alter nach ihrem äußeren Aussehen bestimmen sollen. Außerdem proponirt das Ministerium, weil auch die Familienverhältnisse der Juden \ich als falsh herausftellea, bei der nähsten Rekrutenaushebung für die erst kürzlih in die Revisionslisten eingetragenen Juden, welche ihre Dienstpfliht abzukeisten haben, gar keine Privilegien hin- si ktlih der Familienverhältnisse zuzulassen.

Schweden und Norwegen. Christiania, 6. Okto- ber. Der Entwurf eines Gesetzes Uber die eherecht- lihen Vermögensverhältnisse ist jezt von der dazu ernannten Kommission dem Druck übergeben. Er if nicht mit Motiven versehen, enthält aber einzelne Minoritätsmeinungen, namentli Seitens des Storthingsmannes Richter und des Professors Ashehoug.

Die Stadt Christiania soll demnächst einen weiteren Bezirk umfassen, und sollen die benahbarten Ortschaften zum Theil in das -Weichbild der Stadt hineingezogen werden, so daß die Einwohnerzahl um circa 10- bis 12,000 Menschen ver- mehrt wird.

Der hiesige Kaufmann C. Christophersen is zum General-Konsul für die Republik Urugu ay ernannt.

Dänemark. Kopenhagen, 8. Oktober. General R a as- 1óff ist, dem „Nyt Aftenbl.*“ zufolge, vom Marshall Mac Mahon empfangen worden. Von Paris wollte sih der General über Marseille nah Ostasien begeben, um seine Mission als Gesandter der dänischen Regierung zu erfüllen.

Der Reservefonds betrug am 1. März 1874 die Summe von 55,464,771 Kronen 37 Oere. Nach dem Finanz- geseße für 1874—75 sollte der Fonds 1) 2,327,519 Kronen als Guthaben im Auslande in Veranlassung der Ablösung des Sund- und Beltzolles, 2) 200,000 Kronen durh Rückkauf von Fondsvorräthen und 3) 11-Millionen durhch Verkauf von Ef- fekten in Anlaß der Kündigung der Londoner Anleihe vom Ja- nuar 1864, zuschießen. Der Reservefonds wird somit am 1. April 1875 die Summe von 40,237,251 Kronen 92 Dere repräsentiren.

Der vom Minister des Innern dem Landsthing vor- gelegte Gesehentwurf über Patente geht darauf aus, daß Jeder, Inländer oder Ausländer, auf eine industrielle Erfin- dung cin für 15 Jahre gültiges Patent gegen Erlegung von 20 Kronen für jede der beiden ersten, 40 für jede der nächsten und 60 für jede der leßten 5 Jahre erhalten kann; das Patent und das dadurch erworbene Recht kann übertragen werden und auf Erben übergehen. Das Patent muß neue industrielle Pro- dukte, neue Geräthschaften, neues Verfahren oder Wiederholungen älterer Erfindungen betreffen, welche nicht mehr ausführbar sind; dagegen kann man aber sein Patent für Erfindungen lösen, welche nur in der Veränderung von Form und Maß bestehen. Das Patent wird ohne vorherige Untersuhung unter Verant- wortlihkeit des Antragstellers ertheilt, und if die Erfindung im Auslande patentirt, kann der Erfinder oder dessen Bevollmäh- tigter das Patent nur für die entsprechende Dauer der auslän- dischen Patente erhalten. Besondere Nebenpatente können \o- wohl dem Besißer des E als auch Anderen ertheilt werden ; sh zux Hauptpatenis oder umgekehrt. Die Beschreibung, welhe der Antragsteller an das Ministerium des Innern einzusenden hat, wird in 6 Monaten geheimgehalten, kann nach dieser Zeit in Abschrift aus- gehändigt und nach Verlauf von 2 Jahren. vom Ministerium veröffentliht werden. Binnen 2 Monate vom Ausstellungs- datum des Patentes muß der Patentinhaber 3 Mal in der „Berl. Tid.“ angekündigt haben, daß ihm ein Patent auf die betreffende Erfindung, so wie diese im Patent bezeichnet, mit- getheilt worden ist; ein Pateritinhaber, welcher Ausländer ift, soll einen dänischen Bevollmächtigten für die im Patente ge- nannten Sachen, besonders rücksihtlich der gerichtlichen Ent- {eidung in ftreitigen Fällen, anstellen. Wenn eine streitige Sache bei Gericht anhängig gemacht werden soll, so muß es dem Ministerium des Innern gemeldet werden, wenn es Absicht des Klägers ist, das Patent als ungültig erklären zu lassen. Eingriffe in die Rechte des Patentinhabers werden Gegenstand des Civilprozesses. Die jegt geltenden Patente behalten ihre Gültigkeit und werden in jeder Weise nah den bisherigen Regeln beurtheilt; aber ein Patentinhaber kann ein nah den neuen Regeln ansgestelltes Patent lösen, dessen Gültigkeitsdauer indeß damit nicht zunimmt. Der Geseyvorshlag ist nach dem Muster des französishen Patentgesezes ausgearbeitet.

Amerika. (A. A. C.) Aus Mexiko trafen via Havanna folgende Nachrichten vom 15. v. Mts. ein: Im Staate Guerrero haben zwanzig Soldaten revoltirt und mit einem Civilrichter an der Spiße den Kommandanten der föderirten Truppen ange- griffen. Die Aufrührer wurden zurückgeshlagen und zerstreut, mit einem Verlust von \echs Todten, zwei Verwundeten und einem Gefangenen. Die Truppen hatten zwei Todte und \echs Verwundete. Der Minister Mejia erhielt ferner ein Telegramm

Benußung des

aber das Nebenpatent berechtigt nicht an und für-

von ‘dem Gouverneur von Guerrero, meldend, daß die föderirten Truppen in Arroyos mehrere Mordthaten begangen haben. Unter ihren Opfern befinden fich zwei Kommissäre. Der Minister Mejia hat den Kommandanten in Chilpancingo angewiesen, sich mit allen verfügbaren Truppen nach Dos Arroyos zu begeben.

Montevideo, 12. Oktober. (W. T. B.) Nach hier ein- gegangenen Nachrichten aus Buenos-Ayres hat General Mitre den Oberbefehl über die Aufständischen übernommen und ein Manifest erlassen, in welchem er erklärt, daß er nicht nah der Regierungsgewalt strebe und sich nach glücklich beendetem Kriege ins Privatleben zurückziehen werde. Von den hiesigen Anhängern Mitre's werden Waffen angekauft und Truppen ge- worben; auÿ haben dieselben drei Dampfer für Mitre gekauft. In der Nähe von Buenos - Ayres haben einige unbedeutende Scharmügzel stattgefunden; im Norden soll es ebenfalls zu einem Zusammenstoß gekommen sein, der Ausgang des Gefechtes ist niht bekannt. Zum Präsidenten von Paraguay ift Baptista Gill gewählt worden.

Asien. Ein: Telegramm aus Singapore vom 9. d. M. meldet, daß die britishen Schiffe „Charybdis*“, „Hart“, „Avon“ und „Pluto“ von einer Expedition nach der Ostküste dahin zurückgekehrt find. Sir Andrew Clarke, der Gouverneur, hat die drohenden Schwierigkeiten zwishen Banda und Pahanz und dem Maharadscha von Johore geschlihtet. /

Der „Times“ wird aus Calcutta, 9. ds., gemeldet: Der Maharain von Deypur ift gestorben. Jung Bahadur is in Calcutta eingetroffen.

Aus Bombay wird gemeldet, daß die auf Kosten des Nizam nah Hyderabad erbaute Eifenbahn am 8. d. M. förm- lih eröffnet wurde.

Aus Hongkong wird unterm 3. d. M. telegraphisch gemeldet, daß in Folge des verhängnißvollen Drkans das Im- portgeshäft stockt.

Zur Begründung des Entwurfs der Civilprozeß- Ordnung.

(Vgl. Nr. 239 d. Bl.) VII.

§. 12. Die Berufung stimmt dem Grundcharakter nach mit der rômischrechtlichen Appellation überein. Das Berufungsrecht ift nit, wie die gemeinrechtliche Befugniß der Appellation, ein Recht auf Kritik des Verfahrens erster Instanz oder auf Nachprüfung und Berichtigung des unterrichterlichen Urtheils vom Gesichtspunkte der Frage aus, ob gerecht geurtheilt, d. h. das dem Unterrichter vorgelegte Material richtig gewürdigt sei, vielmehr das Recht auf Gewährung eines neuen Judizium, auf Erneuerung und Wiederholung des Rechtsftreits vor einem anderen Richter. Daß das neue Verfahren mit dem voraufgegangenen Verfahren, insbesondere mit dem in diesem erlassenen Urtheil, welches an- gefohten wird, im nächsten Zusammenhange fteht, ist selbst- verständlich, und das Fortwirken gewisser in erster Jnstanz be- reits eingetretener Rehtsnachtheile nicht ausgeschlossen.

Wenn man die Berufung als ein Rechtsmittel, welches die rechtliche und die thatsächliche Seite eines Rechtsstreits zum Ge- genstande hat, zuläßt, so ist die erwähnte Konstruktion desselben durch das das Versahren beherrshende Mündlichkeitsprinzip fo bestimmt geboten, daß es sehr erklärlih ersheint, wenn in diesem Punkte die auf mündlicher Prozedur beruhenden Prozeßordnungen im Wesentlihen übereinstimmen. Eine andere Frage is es jedoch, ob es sich für ein auf dem Mündlichkeitsprinzip beruhendes Verfahren legislativ reht- fertigt, die thatsähliche Seite eines Rechisstreits einer wieder- hollen Würdigung durch einen höheren Richter zu unterwerfen, folgeweise die Berufung in der Gestalt eines neuen Judiziun zu gestatten. Diese Frage ist seit einer Reihe von Jahren für das Strafverfahren lebhaft und eingehend erörtert worden. Der Gedanke, daß die Berufung in dieser Gestalt mit einem münd- lichen Strafverfahren unvereinbar sei, hat sich niht allein in der Theorie, sondern auch in der Gesetzgebung immer weitere Bahn gebrochen und is für die deutsche Strafprozeßordnung adoptirt.

"Die Frage, ob nicht dieser Gedanke wie seine Begründung für das Civilprozeßverfahren eine völlig gleiche Berechtigung habe, wie für das Strafverfahren, hat der preußische Justiz- Ministerialentwurf von 1871 einer eingehenden Prüfung unter- zogen. Er gelangt zu dem Ergebnisse, daß die Frage in Be- tre} der Endurtheile der mit Einzelrichtern beseßten Amts- gerichte zu verneinen, dagegen rücksichtlih der in erster Jnstanz erlassenen Endurtheile der Landgerichte, sowie der Endurtheile der Handelsgerichte zu bejahen sei. Der Entwurf der Reichs- civilprozeßkommission von 1872 ist diesem Vorgange gefolgt. Beide Entwürfe schließen gegen die erstinstanzlichen CEndurtheile der Landgerichte und der Handelsgerichte die Berufung aus; sie gewähren statt derselben ein (regelmäßig) auf die rechtliche Beurtheilung des Rechtsstreits beshränktes Rechtsmittel, eine freigestaltete revisio in jure. Die Garantien gegen eine m0g- liche Gefährdung der Parteiinterefsen durch die Abschneidung der Berufung suchen beide Entwürfe theils in der Konstruktion des Verfahrens der ersten Justanz —- sie beseitigen nicht nur die Eventualmaxime, sondern verwerfen auch jede Präklusion mit nahträglihem Vorbringen theils in etner verstärkten Beseßung der Erstinstanzgerihte sie fordern die Mitwirkung von fünf Richtern bei der Verhandlung und Entscheidung des Rechtsftreits in erster Jnstanz. Diese Vorschläge haben Zu- stimmung und Widerspruch gefunden. Der Widerspruch war überwiegend. Die Gründe, auf welche si derselbe stüßt, er- scheinen von folhem Gewichte, daß es geboten ist, die Be- rufung als Rie gegen die Endurtheile aller Erstinstanz- erihte festzuhalten. : N ie A welche man an den Staat in Betreff der Rechtspflege stellen kann, haben eine durch die Zwecke und Bedürfnisse des Staats gegebene Grenze. Vor den realen Ver- hältnissen des Lebens sinken Jdeale und Theorien, welche in ihrer Konsequenz zu einer unbegrenzten Zahl der Instanzen führen. Die Masse der Sachen, deren Erledigung den Gerichten anheimfällt, steigt und die Zahl derjenigen, welche sih dem Dienste der Rechtspflege widmen, sinkt. Die Ansprüche der Justizbeamten an den Staat wachsen und müssen, wei fie wohlbegründete sind, befriedigt werden, wenn nicht die Rechtspflege selbst \shweren Schaden leiden soll. —Alles drängt zu einer starken, aber einfachen Gerichtsverfassung, in welcher mit einer thun- lis geringen Zahl von Personen zu operiren E

Diese Rücksichten haben schon seit langer Zeit in deutschen und außerdeutshen Ländern sich wirksam erwiesen. Die Beru- fung wurde für diejenigen Sachen beseitigt, welche dem Streit- egenstande oder der Beschwerdejumme nah einen bestimmten

erthbetrag niht erreihen. Eine wirklih b:deutende Wirkung

äußerten jeze Rücksichten abcr nur in den Ländern, welche unter der Herrschaft des Code de procédure civile ftehen, bis in neuester Zeit die bayerishe und felbst die württembergische Gesetzgebung sich den in dem gedahten Ländergebiete herrschen- den- Grundsätzen anschlossen.

Nach der Gerichtsverfassung Frankreichs erkannten die Friedensrihter in Sachen bis 50 Franken, die Erstinstanz- gerihte und die Handelsgerichte in Sachen bis zu 1000 Franken in erster und leßter Instanz. Jm Jahre 1838 wurde die erstere Summe auf 100 Franken, die leßtere Summe hinsicht- lih der Erstinstanzgerichte auf 1500 Franken erhöht. Jn dem neuesten projet de révision foll die erstere Summe 200 Franken betragen. Jn Belgien find die Summen bereits jeßt höhere; nah dem neuesten projet de révision follen die Friedensgerichte in Sachen bis zu 300 Franken, die Erstinstanzgerichte und die Handelsgerihte in Sachen bis zu 2500 Franken in erster und letzter Instanz entscheiden. Nach der bayerishen Civilprozeß- ordnung ift die Berufung gegen die Urtheile der Einzelgerichte durch eine Beschwerdesumme von 25 Gulden, gegen die Urtheile der Bezirk3- und Handelsgerichte durch eine Beshwerdesumme von 300 Gulden bedingt. Nach der württembergischen Civil- prozeßordnung beträgt die Berufungssumme 100 oder 400 Gulden, je nachdem es sich um Endurtheile der Ober-Amts- gerichte oder der Kreisgerichte handelt.

Derartige Vorschristen sind vom Standpunkte einer höhe- heren Ansprüchen entsprechenden Rechtspflege nur als rein will- fürlihe zu bezeichnen, weil fie jeder inneren Rechtfertigung entbehren. Die Gründe, welche für und gegen die Nothwen- digkeit ciner zweiten Jnstanz sprechen, haben mit dem Werthe des Streit- oder Beschwerdegegenstandes nichts zu thun. Auch wird die Prinzipwidrigkeit der Vorschristen niht dadurch ge- mindert, daß für die von der Berufung ausgeschlofsenen Recht3- streitigkeiten ganz oder theilweise ein laxeres Erftinstanzverfah- ren stattfindet, vielmehr spricht dieser Umstand gerade umge- fehrt für die Zulassung der Berufung, weil damit die Möglich- keit gegeben wird, die Sache von Neuem in einem Verfahren zu verhandeln, welches seiner ganzen Anlage nach eine größere Gewähr für eine gründliche Rechtsprechung darbietet. Die Er- wägung, daß die Kosten des Rechtsstreites im Verhältniß zu dem Werthe des Streitgegenstandes stehen müßten, würde auf einer nicht gerehtfertigten staatlichen Bevormundung der Par- teien beruhen, wenn der Betrag des Streitgegenstandes aber nach Hunderten bestimmt werden soll, selbstverständlich garnicht Plat greifen.

Es find äußere Gründe, die finanziellen Juteressen des Staats, welche zu \olchen Vorschriften geführt haben. Diesen wird auch Rechnung getragen werden können, aber durch Vor- schriften, denen jede Willkür fremd ist. Wenn die Endurtheile der Amtsgerichte auch ohne Antrag für verläufig vollstreckbar zu erklären sind, wenn ferner die Erklärung der vorläusigen Vollstreckbarkeit bestimmter Endurtheile der Kollegialgerichte von Rechtswegen einzutreten hat, wenn endlih der Gläubiger, sei es gegen, sei es ohne Sicherstellung, verlangen kann, daß die vorläufige Volstrecktbatkeit der Endurtheile der KolUlegial- gerihte ausgesprochen werde, fo ist dadurch ein ungemein wirk- sames Korrektiv gegen den übermäßigen Gebrauh des Rechts- mittels der Berufung gegeben und der Geseßgeber dadurch der Nothwendigkeit iberboben, die zweite Instanz sür die Mehrzahl aller Rechtsstreitigkeit abzuschneiden oder doch zu shmälern, indem er der Berufung eine mehr oder weniger beschränkte Nichtig- feitsbesihwerde oder einen diesem leßten Rechtsmittel nachge- bildeten Rekurs \ubstituirt.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Das 5. und 6. Heft (Juli September) de „Alt preußi- \chen Monatsschrift“, herausgegeben von Rudolf Reicke nnd Ernst Wich :rt, haben folgenden Inhalt: T. Abhandlungen: Preußische Regesten bis zum Auégang des dreizehnten Jahrhunderts, herausgege- ben von Dr. M. Perlbach (Fortseßung). Ueber Torfmoore, Vorlesung von Hugo v. Klinggräff. Andreas Aurifaber und seine Schola Dan- tiscana, ein Beitrag zur Geschichte der Schulen in Danzig, von Dr, E. D. Schnaase (Fortsetzung und Schluß). Il. Kritiken und R-- ferate: Topographische Karte vom preußischen Staate, östlicher Theil, von F. Hoppe. Dr. M. Töppen, Aften der Ständetage Oít- und Westpreußens, von M. P. Karl Herquet, Kristan von Mülhausen, Bischof von Samland, von M. P. Dr. Fr. I. Neumann, Die deutsche Fabrikgeseßgebung 2c. und Zur Reform deutscher Fabrikgeseß- gebung. Sißung des anthropologishen Vereins zu Danzig. ITT. Mittheilungen und Anhang: Unsere Provinz und Cannabichs Lehrbuch der Geographie, von O. Urkundenfunde (26. 27), mitgetheilt von Dr. M. Perlbach. Universitäts-Chronik 1874. Lyceum Hosianum in Braunsberg 1874. Schulschriften 1872/74. Altpreußishe Biblio- graphie 1873 (Nachtrag und Fortseßung) Nachrichten. An die Freunde Herders, Nachricht und Bitte von Dr. B. Suphan. Anzeige.

Am 18. Oktober d. J. werden es 100 Jahre, daß zu Langen- dorf bei Weißenfels Amadeus Gottfried Adolf Müllner, der Dichter der „Schuld“, geboren wurde. In Weißenfels, wo er am 11. Juni 1829 starb, zeigt man noch das Haus, welches Müllner be- wohnte; ebenso ist noch das Herrenhaus in Langendorf vorhanden, in welchein der Dichter geboren wurde.-

Nachdem die Albrecht Dürer-Hausstiftung in Nürn- berg sih bis jeßt nicht erklärt hat, ob sie das Dürer-Haus unter den von den stadtischen Kollegien gestellten Bedingungen übernehmen will, so wurde in der Magistcatsfißung vom 9. Oktober beschlossen, diese Angelegenheit bis auf Weiteres beruhen zu lassen.

Die Nrn. 38, 39 u. 40 der Zeitschrift „Kunst und Gewerbe“, Wochenschrift zur Förderung deutscher Kunst-Jadustrie (8. Jahrgang), herausgegeben vom bayerischen Gewerbemuseum zu Nürnberg, redigirt von Dr, Otto von Schorn, Verlag der Friedr. Korn schen Buchhandlung in Nürnberg, haben folgenden Inhalt: Das Bayerische Gewerbemuseum und die Nürnberger Jndustrie. Von Jakob Falke. (Séhluß.) München: Kunstgewerblicher Unterricht an der K. polit. Schule. Hamburg: Das Museum für Kunst und Gewerbe. Mettlach: ie Fabriken der Firma Villeroy und Bo. Riesa: Kongreß der sächsishen Gewerbevereine. Brüssel: Kunstgewerbliche Ausstellung. Für die Werkstatt : Celluloid. Versilberungspulver. —. Kleine Nachrichten: Versammlung der deutschen JIagenieure. Bäterei- Ausstellung. Ausstellung in Altenburg. Gewerbeausstellung in Riesa. Gewerbeausstellung in Dahlen. Erklärung zur Beilage: Toilette- spiegel von Rave»é und Sußmann in Berlin. (Holzsh..itt.) Nr. 39; Eine Versuchsftation für Keramik und Bronze-JIndustrie. Berlin: Ausstellung des Berliner Architektenvereins. Hanau: Jahresbericht des Kunstindustrievereins für das Vereinsjahr 1873/74. Moékau; Spibßen-Ausnäherinnen-Géfsellshaft. Für die Werkstatt: Vergoldungen zu reinigen. Bereitung einer guten Stempelfarbe. Kleine Nachrichten: Stipendien. Das Monument für König Maxi- milian I. in München. Das Reichskanzler-Amt. Die Korkfabrikation im Eisenacher Oberlande. Die Anilinfarben-Produktion Europas. Erkiärung zur Beilage: Silberner, theilweise vergoldeter, mit gravirten Verzierungen versehener Becher. (16. JERENEO. Nr. 40: Zur A tat ieg dba Nürnberg: Statistische Erhebungen. Berlin : Auéstellung des Berliner Architektenvereins. (Schluß.) Carlsruhe: Die Landes Gewerbehalle. Hanau: Jahresbericht des Kunstindustrie- vereins für das Vereinsjahr 1873/74. (Schluß.) Für die Werk-