1874 / 243 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 16 Oct 1874 18:00:01 GMT) scan diff

Barmen, 15. Oktober. Zur feierlihen Weihe des Den k- mals für die in den Jahren 1870/71 gefallenen Barmer Krieger läuteten heute früh von allen Kirhthürmen der Stadt die Glocken und alsbald legte beim sonnenklaren Herbstwetter die große, ausgedehnte Stätte des Gewerbfleißes Und der In- dustrie von der Haspelerbrücke bis nah Lengerfeld, also bis zur Grenze Westfalens hin, ihr Festgewand an. Sämmtliche Staats- und ftädtishe Gebäude prangten im Shmuck deutsher und preu- Fischer Fahnen und Flaggen. Ein großartiger Festzug bewegte fich vom Rathhausplaz, durch die Wertherstraße, über das Werther Bollwerk, die Berlinerstraße, die Schillerstraße und die Lichtenplager- straße in die Anlagen des Vershönerungsvereins gegen 103 Uhr nah dem Denkmal. Das letztere ist, wie die „Elbf. Ztg.“ mittheilt, auf der Höhe der sehr romantisch gelegenen, heute äußerst reih mit farbigen Wimpeln und Kränzen geschmüdckten Anlagen des Verschönerungsvereins aus hübsch gemeißelten, im Fischerthal gewonnenen Bruhsteinen stattlich in der Gestalt eines Thurmes gebaut und von unten bis zur Spige zugänglih und ersteigbar. Hoch oben bietet sich dem Beschauer die schönste AUsficht auf das Wupperthal. Eine Anzahl Pfeiler finden ihren Abshluß in Thürmen, sie find theils mit aus fran- zösishem Sandstein gehauenen Adlern, theils mit Bomben geziert, fie umgeben gleihsam den Thurm, an dessen Haupteingang, unterhalb angebrahte, aus Tuffsteinen gefer- tigte Kriegsembleme und Trophäen die Worte verzeichnet stehen: „Den für Deutshlands Einheit 1870/71 gefallenen tapfern Barmer Kriegern die dankbare Vaterstadt.“ Zu Füßen des Denkmals find zwei Geschütze aufgepflanzt, die im denkwürdigen Feldzuge von deutshen Kriegern erobert und später von Sr. Majestät dem Kaiser und König der Stadt Barmen als Ge- schenk überwiesen wurden. Zum Beginn der Einweihungsfeier- lichkeit spielten die Musik-Kapellen den Trauermarsh von L. v. Beethoven, dann folgte die erhebende Weiherede des Pastors der evangelish-reformirten Gemeinde zu Gemarke, Hrn. H. Bolhuis. Nah dem Vortrag einer Hauptmannshen Motette unter Leitung des Musikdirektors Anton Krause durch die Orts- Gesangpvereine hielt sodann der Geheime Regierungs-Rath, Ober- Bürgermeister Bredt, eine Ansprache, die mit dem Hoh auf Se. Majestät den Kaiser {loß. Der Gesang die „Wacht am Rhein“ bildete den würdigen Schluß der erhebenden Feier, nah welcher fich der Zug zum Rathhausplaÿ zurückbegab.

Als Gäste der Stadt Barmen waren geladen und wohnten dem Feste bei: der - General-Lieutenant v. Oberniß, Comman- deur der 14. Division und General-Adjutant Sr. Majestät des Kaisers, der Ober-Präsident v. Bardeleben, der Regierungs- Präsident Frhr. v. Ende, der General-Major v. Barby, Com- mandeur der 27. Infanterie-Brigade.

Von Elberfeld waren eingeladen: Landgerichts-Präsident Geh. Justiz-Rath Dr. Philippi, Ober-Prokurator Ebermaier, Prä- fident Geh. Regierungs-Rath Danco, Ober-Bürgermeister Jaeger und Beigeordneter Diege.

Ferner hatten 15 Regimenter und Truppentheile, bei denen die Gefallenen gestanden, Deputationen gesandt.

Bayern. München, 13. Oktober. Die „Alg. Ztg.“ schreibt: „HFeute, am Sterbetage des Höchstseligen Königs Maximilian Joseph 1., des Stifters des hohen militärischen Max-Iofeph-Ordens, wurde die solenne Gedächtnißfeier des ReEN Stifters sowie der verstorbenen Mitglieder des genannten

rdens in der Hofkirhe zu St. Michael Vormittags 10 Uhr gefeiert. Die hiesige Garnison war in großer Parade hierzu aus- gerückt. In der Kirche selbst wurde das feierlihe Requiem ab- gehalten, Im Chor der Kirche war ein großartiger Katafalk errichtet, auf welchem die Insignien des Königthums und des Ordens lagen; vom Hauptaltar bis zu den beiden erften-Seitenaltären war das Schiff der Kirche shwarz verhangen, und die Wände entlang zeigten fih die Wappenschilder mit den Namen und Todesjahren der seit Stiftung des Ordens (1. Januar 1806) verstorbenen Ordens- mitglieder, 152 an der Zahl. Die Betheiligung von Seite der Generalität und des Offiziercorps-und der lebenden Max-Joseph- Ritter war eine sehr große. Der Orden zählt gegenwärtig 54 Mitglieder aus der bayerischen Armee, von welhen 2 noh in den Kriegen 1813/14 mitgekämpft hatten. Außer der firhlichen Feier wurde der Tag auch ñoch dadurch gefeiert, daß von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang jede Viertelstunde ein Kanonenshuß gelöst ward.“

14. Oktober. Von den Offizieren, welhe sih in großer Anzahl zum Eintritte in die Kriegsakademie gemeldet hatten, wurden 17 zu der heute begonnenen Aufnahmsprüfung ein- berufen; die Prüfung wird einige Tage in Anspruch nebmen. Durch Verordnung des Ministerius des Innern werden der Gensd'armerie-Compagnie der Hauptstadt wiederholt erhöhte örtlihe Zulagen bewilligt, und es erhalten sämmtliche Unteroffiziere und Gensd'armen eine Diensteszulage von täglich 12 Kreuzern = 72 Guldrn jährlih; die Pferdegratifikations- a bh für die berittenen Gensd'armen werden auf 100 Gulden erhöht.

__ Sachsen. Dresden, 15. Oktober. Dem Staats- und Mi- nister des Kultus und öffentlihen Unterrichts Dr. von Gerber und dem Staats- und Minister der Justiz Abeken is das Groß- kreuz des Verdienst-Ordens verliehen worden.

__ Heute Vormittag fand im Ministerium des Kultus und öffentlichen Lnterrichts durch den Staats-Minister Dr. von Ger- ber die feierliche Verpflihtung des Wirklichen Geh. Rathes, Kreis- direktors Frhrn. von Könnerig als Präsidenten des evangelisch- lutherishen Landeskonsistoriums ftatt. Der Leßtere ver- fügte sih hierauf in die Geschäftslokalitäten dieser Behörde, um A die Mitglieder und Beamten des Konfistoriums in flicht zu nehmen. Mittags 12 Uhr begab fich sodann der Staats- Minister von Gerber mit dem Geh. Rath Dr. Feller in das evan- gelish-lutherische Landeskonsistorium, woselbft fich im Sißungssaale der Präsident und die Mitglieder dieser Behörde versammelt hatten. Der Staats-Minister Dr. von Gerber ergrif} nun zunächst das Wort und entwickelte in einem längeren Vortrage den Verlauf der sähfishen evangelishen Kirhengesezgebung und die Bedeu- tung, welche das neue Landeskonsistorium im Organismus unserer evangelischen Kirchenverfassung einzunehmen bestimmt sei. Er \{chloß hieran die feierlihe Einweisung des Präsidenten und der Mitglieder des Konsistoriums in ihr neues Amt an und erklärte namens der in Evangelicis beauftragten Staats-Minister die offizielle Wirksamkeit der neuen Behörde für eröffnet. Hier- auf erwiderte der Präfident Freiherr von Könneriß in kurzer Rede, um die neue Kirchenbehörde der E der Staats- und Schulbehörden zu empfehlen. Zum Schluß \sprach der Vize-Präfident Dr. Kohlshütter ein feierlihes Gebet,

__ Baden. Kar1sruhe, 14. Oktober. Am 21. d. M. wird hier eine Versammlung derjenigen evangelishen Geistlichen stattfinden, welche fich zur Herausgabe der „Studien der evan- gelishen Geisilihen Badens? pereinigt haben. Nahdem das

Unternehmen gefichert if, wird es fh nun zunächst um die Fest- fielung der Statuten und die Bestellung der Redaktion handeln. An demselben Tage, Nachmittags, wird in Durlach die statuten- gemäße Iahresversammlung des Ortsvereins - Abgeordneten des badischen Protestantenvereins in der Karlsburg zusam- mentreten, zu welcher man eine zahlreihe Vertretung der Orts- vereine erwartet.

Hessen. Darmstadt, 14. Oktober, Die Zweite Kammer der Stände erledigte in ihrer heutigen (80.) Sißung die zweite Lesung der Kirchengeseße. Zu erwähnen if das heute beschlossene Verbot der Demeritenanstalten und die An- nahme eines Antrags Dernburg, wonach die Mitglieder des kirhlihen Gerichtshofs, soweit dieselben aus Collegialrihtern be- ftehen (also 4 Mitgliedern), auf Vorschlag des Plenums des obersten Landesgerichts, und soweit dieselben aus sonstigen Per- sonen bestehen (also 3 Mitgliedern), auf Vorshlag des Gesammt- Ministeriums ernannt werden; ein Antrag Dumont, das oberste Landesgericht den kirhlihen Gerichtshof bilden zu lassen, fand nicht die Zustimmung der Kammer. Morgen wird die Be- rathung des Berggesetßes fortgeseßt werden.

Mainzer Blätter veröffentlichen folgenden Aufruf:

An die Bewohner von Mainz! Während des ruhmvollen Krieges, dessen Palme die Neuauferstehung des Deutschen Reiches gewesen ist, find auch in den Mauern von Mainz eine Anzahl tapferer Krieger aus allen Theilen des Vaterlandes ihren auf dem Felde der Ehre erlittenen Wunden und Anstrengungen erlegen. Das Denkmal, welches Bürgerschaft und Garnison in einmüthigem opferwilligem Zu- sammenwirken beschlossen haben, diefen Tapferen zu errichten, ist nun, Dank einer sehr beträchtlichen Beisteuer Seitens Se. Majestät unseres erhabenen Kaisers, in reichster Ausführung vollendet. Am kom- menden18. O kto bex, einem in doppelter Weise für unser Vaterland hohbe- deutsamen Erinnerungstage, soll jenes Denkmal feierlich enthüllt werden. Wir laden hiermit die Bürgerschaft und ihre Korporationen freund- lichst ein, fich zu bêtheiligen. Wir laden ganz besonders -auch alle Diejenigen ein, welche sich während des Krieges bei der Verpflegung der Verwundeten betheiligt haben, ferner alle Diejenigen, welche zur Stiftung des Denkmals beitrugen, Die Zusammenkunft der Theil- nehmenden findet auf dem Friedhofe am oben genannten Tage + vor 11 Uhr Vormittags statt. Mainz, den 10, Oktober 1874. Frhr. v. Medem, General-Major und Kommandant. Deninger, Geheimer Kommerzien-Rath. Dr. Sch{mitt, Prälat. Clausius, Garnifons- Pfarrer. Labes, Major und Plat-Ingenieur. Dr. Jung, Gerichts-Rath.

Sachsen-Weimar-Eisenach. Weimar, 15. Oktober. Aus Bellaggio vom 10. Oktober eingegangene Nachrichten melden, daß nach der Ankunft des Großherzogs in Meran, woselbst die Großherzogin mit den Prinzesfinnen weilte, täg- lih Partien in die Umgegend gemaht wurden. Am 5. Oktober unternahm der Großherzog mit den beiden Prinzessinnen die viertägige Tour über den höchsten fahrbaren Paß Europas, das Stilfser Ioh, mit Stationen in Trafoi, Bormio und Sandrio und vereinigte sih mit der Großherzogin, welche unterdessen von Meran nach Trient, Riva über den Gardasee nah Mailand ge- gangen war, am 8. Oktober in Belaggio am Comersee. Die Herrschaften sind vollkoëämen wohl und genießen die herrliche Umgegend des Sees, indem fie theils zu Wasser, theils zu Land täglih Ausflüge unternehmen.

Sachsen-Meiningen-Hildburghausen. Meiningen, 13. Oktober. (Eisenacher Ztg.) Mit dem 1. November nimmt das Hoftheater seine Vorstellungen wieder auf; jede dritte Vor- stellung kommt den Abgebrannten zu Gute. Die Kommis- sion von Aerzten und Bautecnikern, welche dieser Tage hier vereinigt war, hat sich gegen die Verwendung des Bauschuttes zum Wiederaufbaz ausgesprohen; es muß der Schutt deshalb

abgefahren werdet;

Sachsen-Coburg-Gotha. Coburg, 14. Oktober. Die auf dem Protestantentag zu Wiesbaden über die geistlichen Stellen im Herzogthum Coburg gegebenen Mittheilungen, daß nämlich von 45 Stellen aus Mangel an Kandidaten 4 un- beseßt seien und daß 38 Geistlihe einen Gehalt von weniger als 800 Thlr. bezögen, werden in der heutigen Nummer der „Co- burger Zeitung“ dahin berihtigt, daß von 49 Pfarrstellen 2 ein- gezogen, 9 aus Mangel an Kandidaten unbeseßt sind und 2 weitere Stellen nächstens durch Wegzug der Geistlihen erledigt werden. Von sämmtlichen Stellen tragen nur 2 über 800 Thlr., 28 Stellen haben ein Einkommen von 600 bis 900 Fl., im Durchschnitt 768 Fl. oder 439 Thlr.

__ Anhalt. Dessau, 14. Oktober. Der Herzog, der vor einigen Tagen von seinew Iagdrevier in Tirol wieder in Ballen- stedt eingetroffen ist, wird bereits am 16. d. Mts. mit dem Hofe nach Dessau übersiedeln, um am 18. an der Enthüllungsfeier des Kriegerdenkmals theilzunehmen. Dem Vernehmen nach ift ein Besuch Sr. Majestät des Deutschen Kaisers am hiesigen Hofe im Laufe des nächsten Monats zu erwarten.

Neuf j. L. Gera, 14. Oktober. Bei der General - Versammlung der Frauenvereine zu Frankfurt a. M. war das Fürstenthum d den Hofmarschall Freiherrn v. Gramm hier vertreten, wodurch fich andere Mittheilungen berichtigen.

Elsaß-Lothringen. Straßburg, 14. Oktober. Am 18. d. M., dem Geburtstage Sr. Kaiserlihen und. Königlichen Hoheit des Kronprinzen wird, der „Straßb. Ztg.“ zufolge, das in der Citadelle errihtete, von den Offizieren des preußi- hen Ingenieur-Corps seinen im lezten Kriege gebliebenen Kameraden gewidmete Denkmal enthüllt und eingeweiht werden.

Desterreich-Ungarn. Wien, 13. Oktober. Die Kaiserin von Rußland hat geftern Abends die öfterreihishe Grenze pasfirt und sich über Lemberg und Krakau nah Breslau be- geben. Ein Separatzug der Karl-Ludwigs-Bahn erwartete Ihre Majestät an der österreichish-russishen Grenze.

- Graz, 14. Oktober. Der Landtag genehmigte den Schlußbericht über den Voranschlag, \prach die Erwartung aus, daß die Centralkommission für die Grundfteuerregulirung sofort aktivirt werde, und beschloß, die Regierung aufzufordern, Gesetze zum Schutze des Naturweins und zur Ueberwachung der Kunst- weinfabrikation zu erlassen. Der Entwurf einer neuen Ge- Folas bee wurde dem Landesaus\chusse zugewiesen. Hierauf \chloß der Landeshauptmann von Kaiserfeld die Session mit einer Rede, zu deren Ende die Abgeordneten ein dreimaliges Hoch auf Se. Majestät den Kaiser ausbrachten.

Salzburg, 14. Oktober. Die beantragte Abänderung der una wurde vom Landtage nach einer erreg- ten Debatte abgelehnt.

Prag, 14. Oktober. Der Landtag beschloß, die Petition des Budweiser Bezirksaus\shusses wegen angemessener Vertre-

dafür sorgen, daß Böhmen eine seiner Bedeutung und Steuer leistung entsprehende Be in der Kommission finde. Auf Antrag des Dr. Herbst wurde das Gesetz betreffs Regelung der Rechtsverhältnisse des Lehrerstandes von der Tagesordnung ab- geseßt und der Landesaus\huß beauftragt, den betreffenden Komumissionsberiht in der nächsten Session vorzulegen. Auf Antrag Iahnels wurde der Geseßentwurf, betreffend die Kinder- gärten, von der Tagesordnung abgeseßt und eine Refolution angenommen, welche die Regierung auffordert, mit der Errich-

tung der Kindergärten auf Landeskoften bis zur geseßlichen

Regelung der Konkurrenzpflicht innezuhalten.

Brünn, 14. Oktober. In der gestrigen Abendfißzung des Landtags wurde der Antrag Prazaks auf Unterbreitung einer Adresse an den Kaiser nah erfolgter Antragsbegründung dur den Antragsteller abgelehnt.

Pest, 14. Oktober. Der Gesezentwurf über die Reform des Oberhauses wird demnächst die definitive Redaktion er- halten und jedenfalls noch in dieser Se ssion dem Reichstage vor- gelegt werden. i

Agram, 14. Oktober. Der Gesezent wurf über die Orga- nisation der Gesundheitspflege wurde vom Landtage in drit- ter Lesung, der Gesehentwurf über das Strafverfahren in Preß- sachen in der General- und Spezialdebatte angenommen.

_ Schweiz. Bern, 13. Oktober. In seiner gestrigen Sizung beendigte der Nationalrath das Bundesgesegz über die politishe Stimmberechtigung, dessen zwei leßte Artikel in folgender Faffung zum Beschluß erhoben wurden:

Art. 4. Ein Aus\s{luß vom politischen Stimmrecht darf nur stattfinden: 1) dur gerihtliches Strafurtheil ; 2) in Folge von Be- vogtigung, die auf einem andern Grunde, als dem der Minderjährig- feit beruht. i ;

Ari. 5. Dieses Gesetz tritt mit Ablauf der für die Volksabstim- mung vorgesehen Fristen in Kraft.

Der Stän derath beschäftigte fih mit der Fortsezung seiner Berathung über das Bundesgeseß über den Frachtverkehr auf den Eisenbahnen.

In feiner heutigen Sißung hat der Nationalrath die Berathung der neuen Militär-Organisation begonnen, und die ersten fünf Artikel des vom Bundesrath Welti verfaß- ten Gesezes unwesentlih verändert angenommen. Dieselben lauten:

__ Art. 1. Jeder Schweizer wird zu Anfang des Jahres wehr- pflichtig, in welchem er das zwanzigste Altersjahr zurückgelegt. Die Wehrpflicht dauert bis zum Schlusse des Jahres, in dem er das vier- undvierzigste Altersjahr vollendet.

Art. 2. Von der Wehrpflicht sind während der Dauer ihres Alters oder ihrer Anstellung enthoben :

a, Die Mitglieder des Bundesrathes und der Kanzler. b. Die Be- amten und Angestellten der Post- und Telegraphenverwaltung, der Pulververwaltung, der eidgenössischen Militärwerkstätten, sowie der eid- genössishen und kantonalen Zeughäuser. c. Die unentbehrlichen Vor- steher und Krankenwärter der üoffentlihen Spitäler, die Direktoren

die Offiziere und Soldaten der Polizeicorps, fowie die Zoll- und Grenzwächter. d. Die Geistlichen, welche nicht zu Feldgeistlichen be- stellt find. e. Die Lehrer dec öffentlihen Schulen find nur insoweit befreit, als sie von den Uebungen und Schulen dispensirt werden dür- fen, die mit der Erfüllung ihrer Berufspflichten collidiren. f. Die Angestellten der Eisenbahn - Unternehmungen, denen der Unterhalt und die Bewachung der Bahn obliegt, die Angestellten des Bahnbetriebs, das Bahnhof- und Stations- personal, endlich die Angestellten der konzessionirten Dampfschiffunter- nehmungen, denen der Fahrdienst obliegt. Wenn der Kriegsbetrieb der Eisenbahñen und Dampfschiffe angeordnet wird (Art. 205), fo leisten die genannten Eisenbahn- und Dampfschiffangestellten ihren Dienst als solche und sind auch für die Petrolende Zeit von jeder Ca befreit. In Bezug auf die Eisenbahnangestellten bleiben die Bestimmungen dex Art. 28, 70 und 207 ‘vorbehalten.

Art. 3. Die diensttauglichen Schweizerbürger, welche zwar der Wehrpflicht enthoben (Art. 2), aber noch nit eingetheilt find, haben gleichwohl den Rekrutenkurs in einer Waffengattung mitzumachen und werden einem Truppenkörper zugetheilt.

Art. 4. Von der Ausübung der Wehrpflicht sind diejenigen aus- geichlofsen, welche in Folge strafgerichtlichen Urtheils nicht im Besiße der bürgerlichen Rechte und Ehren sind.

Art. 5. Die Mitglieder der Bundesversammlung sind während der Dauer der Sißungen von den militärischen Uebungen befreit.

__— 15. Oftober. (W. T. B.) Der Nationalrath hat bei Fortberathung des Militärorganisations-Geseßes die Dienstpflicht bei dem Auszug auf die Zeit vom 20. bis 832. Lebensjahre, die Dienstpfliht bei der Landwehr auf die Zeit vom 32. bis 44. Lebensjahre festgeseßt.

Sroßbritannien und Frlan®. London, 15. Oktober. (W. T. B.) Die Kaiserin von Rußland und der Groß - fürft-Thronfolger trafen heute früh 3 Uhr in Dover ein, wo dieselben vom rusfishen Botschafter Graf Shuwaloff und dem Viscount Sydney empfangen wurden. Die Ehrenwache war vom 90. Regiment gestellt. Die Ankunft auf dem

Herzog von Edinburgh die hohen Gäste erwartete und nach Buckingham-Palace geleitete.

. _— 16. Oktober. (W. T. B.) Der „Standard“ bringt die Mittheilung, daß ein \spanishes Kriegs\chiff in der Socoa- Bay einen Dampfer, der Waffen für die Karlisten landete, auf- gebracht hat und denselben als gute Prise reklamirt. Die Frage wird zur gerihtlihen Entscheidung kommen. Der Kapitän des Dampfers ift entkommen. j

Frankreich. Paris, 15. Oktober.

; ; (W. T. B.) Nachricht, es sei über das Departement der Nieder- pyrenäen der Belagerungszustand verhängt und. der dortige Präfekt Nadaillac seines Postens enthóben worden, entbehrt der „Agence Havas“ zufolge- jeder Begründung.

Die für den 8. k. M. ausgeshhriebene Deputirten - wahl betrifft die Departements Drôme, Dise und Nord, nicht

Die

Drôme, Oise und Seine.

Versailles, 15. Oktober. (W. T. B) Sizung der Permanenzkommission. Der Minister des Auswär- tigen, Herzog von Decazes, erklärt betreffs der spanischen, der französishen Regierung neuerlihs zugegangenen Note, die fran- zösische Regierung habe auf eine frühere Reklamation der \pani- \hen Regierung mit einer auf die Einzelnheiten eingehenden Antwort erwidert gehabt, die fh, wie es geschienen, auch der allgemeinen Billigung der übrigen auswärtigen Mächte zu er- freuen gehabt habe. Neuerdings sei nun von dem spanischen Gesandten eine Reihe von Beschwerden wiederholt worden, die von langer Zeit her datirten und jeßt wieder zusammengestellt worden seien. Er könne nur verfichern, daß er Spanien gegenüber seine Schuldigkeit gethan habe, wie dies auch Seitens seines Amtsvor- gängers geschehen sei. Es sei deshalb nothwendig, die Wirkung, welche die spanische Note habe hervorrufen können, auf ein bil- e Maß zurückzuführen. Das s\panische Memorandum habe keineswegs die {wer wiegende Bedeutung, die man ihm bei-

tung Böhmens in der Centralkommission für Grundsteuerreguli-

rung der Regierung mit dem Ersuchen abzutreten, dieselbe möge

lege. Die Äntwort der franzöfishen Regierung werde aufs Neue die Loyalität Frankreihs und die Verbesserung (correction)

und Gefangenwätter der Strafanstalten und Untersuchungsgefängnisse, '

Bahnhofe von Charing-Croß erfolgte um 81/, Uhr, wo der -

der Stellung hervortreten lassen, welche Frankreih in seinen Be- ziehungen zu Spanien eingenommen habe.! Was den „Ore- nocque* und dessen Abberufung anbelange, so habe er hierbei den wae Interessen und der wahren Würde Frankreihs ge- mäß gehandelt und der Papst selbs habe niht gefunden, daß

es Frankreich ihm gegenüber an Achtung und Ergebenheit habe

fehlen lassen. Der Minister des Innern, General Chabaud la Tour, erklärte auf eine bezügliche Anfrage der Mitglieder der Linken, daß die Regierung bei dem in Nizza stattfindenden Wahlkampfe fich durchaus neutral verhalten werde.

Spanien. Der „Indépendance“ wird aus Santander vom 15. d. M. gemeldet, daß die im Vormarsch auf Cafiilien begriffene carlistishe Abtheilung unter Mongroves\ i durch die Regierungsgenerale Blanco und Villegas geschlagen und zurückgeworfen ist.

Durch Depeschen, die von carlistisher Seite über Paris, 15. Oktober, eingegangen find, wird die Nachriht vom Tode Tristany's, des carlistishen Ober-Befehlshabers in Catalonien, ebenso, wie die Nachricht, daß carlistishe Abtheilungen der Madrider Regierungsgewalt sich unterworfen hätten, als durchaus unbegründet bezeihnet.

Portugai. Wie die „Times“ erfährt, is die portu- giesishe Regierung im Begriff, ihre Flotte wesentlih zu ver- stärken. Vor einigen Monaten votirten die Cortes eine Summe von 370,000 Lstr. für den Bau neuer Kriegsschiffe, und Kapitän Testa, ein Offizier der portugiesischen Marine, wurde instruirt, direkt fh nach England zu begeben und die vollständigste In- formation über die verschiedenen Typen von Schiffen, die nur für die englishe Admiralität gebaut werden, sich zu vershaffen. Die Regierung hat endgültig beschlossen, die folgenden Schiffe zu bauen: zwei mächtige Korvetten, mit einer Armatur von je 6 Geschüßen; drei Kanonenboote; ein eisernes Transport\chif und eine große Panzerfregatte.Ï

Ftalien. (Uebersicht über die Zeit vom 15. August bis Ende September.) Wir hatten in unserer lebten Uebersicht der Zustände in Sicilien zu gedenken, und haben auch heute damit zu beginnen, da dieselben noch immer eine stehende Rubrik in allen Zeitungen bilden. Glücklicherweise ist diesmal die berechtigte Hoffnung kund zu geben, daß dur eine zugleich energische und die geseßlichen Jnstitutionen shonende Jnitiative der Regierung in kurzer Frist der von allen Feinden des jun- gen Einheitsstaates mit heimliher Freude betrachteten wixflichen Gefahr Einhalt gethan werde. War es doch dahin gekommen, daß in Palermo in einer Prozeßsahe wider eine Bande ver- wegener Spißbuben, welche sich zum Leihhause einen unterirdi- hen Gang gearbeitet hatten, die zum dritten Male zusammen- berufenen Geschworenen zum dritten Male ausblieben, aus Furht vor dem Dolche der zur „Mafia“ gehörenden Rächer. Man wußte sich nun nicht anders zu helfen , als dadurch, daß man sämmtliche Verbrecher auf das Festland transportiren ließ, um fie von oberitalienishen Geshworenen richten zu lá}sen. Diese Prozedur, wiewohl für das Inftitut der Geschworenen in Sicilien, ja für das Selbstbewußtsein der Sicherheitêbehörde auf der {hnen Jnsel nicht eben shmeichelhaft, soll gleihwohl tiefen Eindruck gemacht haben. i: S

Der von einem Ministerconseil gefaßte Beschluß der Kammerauflösung, seit lange allgemein erwartet, ist doch erst ganz fkürzlih durch den Präsidenten des Conseils, Hrn. Minghetti, dem Könige zur Unterschrift vorgelegt worden, man weiß auch, daß die Genehmigung ertheilt ist, doch steht die amtliche Veröffentlihung nochaus. Jnzwischen rüstet man sich über- all auf die neuen Wahlen. Hierbei bemerkt man Seitens der Klerifalen, ungeachtet der päpstlihea Abmahnung, etne starke Neigung zur Betheiligung. E

Der Radikalizmus, doktrinär republikanisches Mazzinithum und die von diesem desavouirten Bestrebungen der Internatio- nalen haben genug von sih reden gemacht. Am 25. August las man, daß der Präfekt von Pisa alle internationalen, mazzinistischen und demokratis&en Vereine verboten habe und gleichzeitig kam die Nachricht von massenhaften Arrestationen in Massa, Carrara, Fivizzano und aus Bologna hörte man von starken Patrouillen in der Umgegend. Die Republik San Marino hat \sich der inzwischen sehr übermüthig gewordenen verbrecherischen Flüchtlinge von Remini dur Ausweisung ent- ledigt. ® Auch in Calabrien wurde in der leßten Auguftwoche ein angeblicher Aufstandsversuch durch zahlreihe Verhaftungen ver- eitelt. |

Die Anerkennung der Regierung des Marschalls Serrano dur die italienische Regierung hat ihren feierlihen Ausdruck dur den Empfang des Hrn. Rancès in Turin (am 26. Sep- tember) gefunden. Am 20. September hatte Fürst Milan von Serbien Audienz bei dem Könige. Am 19. September starb plôblich in Rom der General Sirtori, am 29. August wurde der Graf Antonio Aldini in Cesena ermordet.

Ein pädagogischer Kongreß tagte “in der Mitte des leßten Monats zu Bologna.

Die klerikale Welt wurde durch den Tod des Paters Theiner in Civita-Vecchia (29. August) und die bald darauf erfolgende Publikation seiner Briefe an den Professor Friederich, die von der italienishen Presse außerordentlih beachtet wurden, in Aufregung geseßzt. War ja der gelehrte, dem Herzen des Papstes ehedem nahestehende Mann einer der besten Kenner des Jesuitismus. Andererseits rechnete sich der Jesuitismus den Üebertritt des englishen Lord Ripon als Triumph an.

Als der Bischof von Angers in feiner Anrede an Mac Mahon die Junitiative! Frankreihs zu Gunsten der jesuitischen Restitutionspolitik anrief (29. August), spra die römische „JFtalie“ geradezu aus, daß solhe Anweisungen an den fran- zöfishen Episcopat direkt aus dem Vatikan hervorgingen. Man behauptet, daß die Ende September hier eingetroffenen legimistishen Deputirten Chesnelong, de Cofta und Ernoul eine Audienz beim heiligen Vater-nur unter der ausdrücklichen Bedingung völliger politischer Enthaltsamkeit gewährt worden sei. Ebenso bemerkt wurde die reservirte Antwort des apstes auf die hestige Sprache der Adresse der kotholishen Vereine, welche ihm am 20. September, dem von den Römern in an- ständiger Festesfreude begangenen Tage der Einnahme Roms, war vorgetragen worden.

Die Jesuiten laden die Jugend des Auslandes zum Stu- dium in Rom ein unter der ausdrücklichen Versicherung, daß fie hier in vollständiger Sicherheit unter dem Schuße des Papstes ihre theologische Ausbildung genießen können. Am 4. September starb der Bischof Metti von Livorno. Am 19. defselben Monats trat der Bischof Rota von Mantua eine durch einen Kanzelexceß veranlaßte sechstägige Kerkerhaft an. An demselben Tage hatte der vom Urlaube zurückgekehrte fran- zösische Botschafter Courcelles wieder Empfang beim Papste.

_und Berlin profitirt davon.

Dem im Vatikan abermals anwesenden Kardinal Beonnechose lieh man eine politishe_ Mission. Es mag dahin - gestellt sein, ob er die, wie es scheint, von Frankreih beabsichtigte Zurück- ziehung des „Orenoque“ aus den Gewässern von Civita-Vecchia zu motiviren hatte.

Die mit der Convertirung der Klostergüter in Rom und der römischen Provinz betraute Regierungs-Kommission hatte am 9. September an einem vollen Hundert ihre Arbeit ge- than. Die Kongregation de Propaganda Fide hat wegen des bereits im vorigen Berichte erwähnten Verkaufes der Villa Montalto bei Frascati einen Prozeß angestrengt. Auch ist nachträglich noch ein Protest der englischen Bischöfe bekannt geworden.

Jn San Rocco Castagneto fand am 6. September aber- mals eine Pfarrwahl durch Volksabstimmung ftatt.

Erwähnenswerth ift, daß am -20. September in Neapel das Blut des heiligen Januarius, von dem „das Volk,“ wie flerifale Blätter sagen, „Heil und Befreiung“ erwarten, rihtig wieder flüssig geworden ift. /

Das Land fieht einer ungewöhnlich günstigen Weinerte entgegen. Auch sonst is der Ausfall der Ernte, einige Schä- digungen durch Wolkenbrühe und Hagelwetter abgerehnet, ein erfreuliher und die Belebung der Geschäfte wird bereits empfunden. Ein Naturereigniß von besondereni Juteresse war die Eruption des Aetna am Abend des 29. August, die ohne Schädigung der benachbarten Ortschaften verlief.

Der Eisenbahnverkehr hat durch die am 3. September stattgehabte Eröffnung der Linien Mantua - Tremona und Mantua-Modena, sowie durch die am 27. festlich begangene Probefahrt auf der Linie Acqui-Savona wesentliche Erleich- terungen erfahren. Auch der direkte Verkehr zwischen Rom Bald wird auch durch Fertig- stellung der Strecke Sestri - La Spezzia die völlige Verbindung Genuas mit Rom hergestellt sein.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 12. Oktober. Der König hat in Folge einer ihm von der legztabgehaltenen Kirchenversammlung gemachten Vorstellung in diesen Tagen einen Beshluß über die Ordnung einer von der \{chwedishen Staatskirhe ausgehenden Thätigkeit für die Verbreitung des Evangeliums unter dem nihtristlihen Volke gefaßt. Der Antrag der Kirchenversammlung ging darauf aus, ein Ge- seg u. A. mit der Bestimmung ausarbeiten zu lassen, daß die Missionsthätigkeit durch eine von der Kirchenversamm- lung erwählte Oberleitung ausgeübt werden sollte. Da nach Meinung des Königs eine solche Thätigkeit sofort ins Leben treten müßte, \o hat er für die Zeit bis zur Abhaltung der nächsten Kirchenversammlung eine Oberleitung unter Vorsiz des Erzbischofs niedergesezt. _ Betreffend die Thä- tigkeit der Misfionsverwaltung ist ferner bestimmt worden, daß fie ihren Sig in Stockholm haben soll und daß fie die Misfions3- vereine, deren Zweck und Thätigkeit von derselben für gut be- funden werden, foll unterstüßen können ; daß sie Misfionäre zu den nit christlihen Völkern aus\senden und dieselben unterhalten soll, so wie daß fie die hristlihen Gemeinden, welhe durch die Thätigkeit dieser Missionäre gebildet werden, unterstüßen, Missio- näre in eigenen Misfions\hulen ausbilden, Missions\chriften herausgeben soll u. #. w. Die Verwaltung soll dem Könige über ihre Thätigkeit Bericht erstatten.

Dänemark. Kopenhagen, 14. Oktober. Im „Mor- genblad“ erklärt Berg, daß er die ihm ertheilte ministerielle Zurechtweisung niht angenommen, dagegen sein Shulamt nie- derlege, um - ganz seinen Pflichten als Volkskrepräsentant zu leben.

Amerika. Die „Times“ meldet aus Philadelpia vom 15. d. M., daß nah den vorliegenden definitiven Wahlergeb- nissen aus 63 pennsylvanishen Bezirken, 39 repu- blifanishe und 28 demokratische Kandidaten gewählt find. Die Republikaner haben 9 Sigze verloren. e

(A. A.C.) Der argentinische Finanz-Minister hat dem Kongreß seinen Jahresbericht überreicht, aus dem erhellt, daß die ordentlihen Ausgaben im vorigen Jahre 22,000,000 Dollars, die Einkünfte 20,000,000 Dollars betrugen. Es ver- bleibt sona ein Defizit von 2,000,000 Dollars, wodur dié \{chwebende Schuld, hauptsächlich erzeugt durch die Kosten der Rebellion von Entre Rios, auf 17,000,000 Dollars erhöht wird. Das Budget für 1875 veranschlagt die Ausgaben auf 21,000,000 Dgllars, die Einkünfte auf 24,000,000 Dollars, was einen Uebershuß von 3,000,000 Dollars ergiebt. :

Aus Panama wird die Begrüßung der englishen Flagge Seitens der Regierung von Guatemala als Genugthuung für den von dem Tyrannen Gonzales an dem englischen Vize-Konsul Magee verübten Exceß gemeldet. Die Ceremonie, die am 4. September stattfand, wurde am Gestade von 300 Mann mit vier Geshüßen aus der Hauptstadt und einer gleichen Anzahl Matrosen von den Schiffen ausgeführt. Präsident Borries war dur einen seiner Minister vertreten. Die Ent- \chädigungs\summe von 10,000 Lstr. wurde Herrn Magee aus- gezahlt und Alles verlief in der freundlihsten Weise. Das britische Geschwader segelte alsdann ab.

Aus Callao wird unterm 14. September gemeldet, daß der Präsident noch immer warme Kundgebungen der Sympathie aus allen Theilen des Landes und von allen Klassen der Vevölke- rung anläßlih seines glücklichen Entrinnens aus der Gefahr, ermordet zu werden, erhalte. General Prado, der vor Kurzem von Valparaiso in Lima ankam, wird, wie man erwartet, nah Chili zurückehren. i :

Aus Port Royal werden die Gerüchte von der angeb- lihen Unpopularität des neuen Präsidenten von Hayti, Do- mingue, dementirt. Der allgemeine Aspekt der öffentlichen Mei- nung in der Republik wird als ruhig und befriedigend be-

eichnet. e Aus Valparaiso wird der „A. A. C.* unterm Das Kosmos-Dampf\chif „Denderah“ strandete während der Durchfahrt bur die Magellanstraße auf einer Klippe und wurde beträhtlih beschädigt. Die chilenishe Regierung beabsiht in verschiedenen Theilen der Straße Bojen als Wegweiser für Schiffe zu placiren. Der Leuchtthurm an der Küste- von Punta Galera, auf der Höhe von Daldewia, wird in vier Monaten fertig sein. Die cubanishen Insurgenten- führer Quesada und Dr. Nambrano, die hier ankamen, um Munition anzukaufen, fanden einen enthusiastishen Willkommen. - Buenos-Ayres, 14. Oktober. (W. T. B.) Der Prä- es Avellaneda is am 12. d. in sein Amt eingeführt wor- en und hat ein Manif eft erlassen, in welhem er seinen Ent- \{chluß kundgiebt, seine ihm durch die Wahl des Volkes verliche- nen Rechte zu N und erklärt, die Politik seiner Vor= gänger befolgen zu wollen. In das Ministerium find Alsina als Kriegsminister, Frias für das Auswärtige, _Coustines für die Finanzen und Leguigawea als Unterrichts-Minister eingetreten.

2. September gemeldet:

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Wie verlautet, hat der Jnsurgentenhef Jordan die Provinz Entrerios besezt. General Mitre soll sich mit einer Streitmacht von 10,000 Mann unweit der Stadt Buenos-Ayres befinden. Hier herrsht die Besorgniß, daß die Truppen ih er- heben und Mitre anschließen werden.

Asien. Der Mörder Haber's ist in Hakodade am 26, v. Mts. hingerichtet worden.

Australien. Nach einer heute in London eingegangenen Meldung aus Melbourne hat die englische Regierung jegt formell von den Fidji-Inseln Besiß ergriffen.

Zur Begründung des Entwurfs der Civilprozeß- Ordnung. (Vgl. Nr. 241 d. Bl.) j (Sc{hluß.) / i Der rechtfertigende Grund für die Eröffnung einer dritten Instanz vor einem obersten Gerichtshofe wurde in dem Be- dürfnisse nah Einheit des Rechts und der Rechtspflege gefun- den. Dieser Gedanke kann gar nicht zur Geltung fommen, wenn es sich um Rechtsnormen handelt, deren Geltungsbereih entweder mit den Bezirksgrenzen des Ober-Landesgerichts zu-

sfammenfällt oder innerhalb diejer Grenzen liegt. Die Einheit

dieser Rechtsnormen kann ‘das Ober-Landesgericht ebenso gut und besser wahren als ein oberster Gerichtshof. Daß eine solche Rechtsnorm auch der Kognition eines anderen Ober-Landes- gerihts unterliegen fann, is rihtig, wird jedoch als etwas rein - Zufälliges außer Betracht bleiben müssen. Wenn man aber den obigen, die Zulaffung einer dritten Justanz rehtferti- genden Grund unberücksichtigt lassen oder denselben sogar ver- werfen wollte, so würde doch die Zulassung eines weiteren, lediglich die richterlihe Würdigung bezielenden Rechtsmittels dadurch bedingt sein, daß die Mitglieder des höheren Gerichts präsumtiv qualifizirter sind als die Richter der Vorderinstanz, das Recht zu weisen. Für diese Annahme fehlt es nun aber an jedem Grunde, wenn es sich um Provinzialgeseße und Lokal- statuten, insbesondere um provinziellés oder lokales Gewohnheits- recht, sowie ferner um die Rechtsübung in Betreff dieser Rehts- normen handelt. Es wird vielmehr gerade die umgekehrte An- nahme Plaß greifen, weil die hier fraglihen Rechtsnormen meist mit Eigenthümlichkeiten, mit den Rechtsanschauungen, Sitten und Gebräuchen, mit den Lebens- und Verkehrsverhält- nissen der Geltungsbereiche jener Rehtsnormen im engeren Zu- sammenhange stehen, diese Eigenthümlichkeiten aber von dem ihnen näher stehenden Ober-Landesgerichte präsumtiv richtiger gewürdigt werden, außerdem aber Rechisnormen präsumtiv sicherer und besser angewandt werden, wenn sie häufiger, als wenn fie selten den Gegenstand der richterlihen Kognition bil- den. Je allgemeiner die Rehtsnormen sind, welche ein oberster Gerichtshof anzuwenden hat, umsomehr is die Vorausseßung begründet, daß er dieselben richtiger würdigen und auf ein ge- gebencs Faktum anwenden werde, als ein ihm nachgeordnete®s Gericht. Je beschränkter dagegen der Geltungsbereih einer Rechtsnorm is, um fo begründeter ist die Befürchtung, daß einzelne Mitglieder, ja selbs ein einzelnes Mitglied des obersten Gerichtshofes einen ganz überwiegenden, dur die Verhältnisse niht gerechtfertigten Einfluß auf die Entscheidung ausüben werde.

Die große organisatorishe und politische Bedeutung der beleuhteten Vorschrift tritt hervor, wenn man daneben erwägt, daß es ungeachtet der Zulassung der Berufung gegen die in erster Jnstanz erlassenen Endurtheile der Landgerichte und ge- gen die Endurtheile der Handelsgerichte ausführbar ist, sehr große Bezirke der Ober - Landesgerichte zu bilden. Erstrecken doch die beiden preußischen Appellationsgerichte zu Cöln und Celle, für welhe ebenso wie für die ihnen nachgeordneten Ge- rihte mündliches Verfahren gilt, sich Über ein weites Gebiet mit drei und zwei Millionen Seelen, obwohl sie Appellations- gerichte sind und die Appellation au die thatsächliche Seite des Rechtsftreits ergreift. L /

Werden Ober-Landesgerichtsbezirke von einer Größe gebildet, welche das Prozeßverfahren zuläßt, so wird hon von vorn- herein das Reichsgericht grundsäßlih als ein Gerichtshof für das Recht des Deutschen Reichs angesehen werden können. Freilih wird daneben einstweilen das gemeine Civilreht, das Civilreht des preußischen Allgemeinen Landrechts und des rhei- nischen Gesetzbuchs den Gegenstand der Kognition des obersten Gerichtshofs bilden; allein diejer Rehtsstoff wird si allmählich mindern und \{ließlich dur ein allgemeines Deutsches Civil- geseßbuch erseßt werden. Dann wird _der obeiste Gerichtshof nit allein grundsäßlich, sondern auch faktisch ein Gerichtshof für das Deutsche Reichsrecht sein.

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§. 16. Die Civilprozeßordnung ist als ein Theil eines größe- ren Ganzen gedacht, welches die Gerichtsverfassung, das Civil- verfahren und das Strafverfahren umfaßt. | S

Mit Rücksicht auf diesen Zusammenhang if es erklärlich, daß Verschriften, welche dem Civilverfahren und dem Strafver- fahren ihrem wesentlichen Gehalte nah gemeinsam sind, aus dem Entwurf der Civilprozeßordnung ausgeschieden und dem Entwurf der Gerichtsverfafsung überwiesen find. Hierher ge- hören besonders die Vorschristen über Rechtshülfe, Deffentlich- keit der Sitzungen und Sißtzungspolizei sowie über Gerichts- sprache; Berathung und Abstimmung (vergl. Gerichtsverfassungs- gese §8. 127 })_ : : i: -

Selbstverständlih finden auch die Vorschriften über die Gerichte und deren sachliche Zuständigkeit in dem Gesetze über die. Gerichtsverfassung ihren rihtigen Plag. Es ist jedoch von Interesse, hier hervorzuheben, daß man bei der Bearbeitung und Feststellung des Entwurfs der Civilprozeßordnung davon ausgeganaen ist, daß der Entwurf der Gerichtsverfasjung die nachfolgenden Fundamentalsäße anerkennt.

Für das Reichsgebiet bestehen zur Auëübung der ordent- lichen streitigen Civilgerichtsbarfeit erster Jnstanz und mit ôrt- lich abgegrenzten Gerichtssprengeln Landgerichte, Handelêgerithte und Amtsgerichte. Die Verfassung der Landgerichte und der Haudelsgerichte ift eine kollegialische, während die Amtsrichter als Einzelrichter verhandeln und entscheiden. i

Vor die nah Maßgabe des Verkehrsbedürfnisses zu errih- tenden Handelsgerichte ehören handelsrechtliche Streitigkeiten ohne Rüsicht auf den Werthbetrag. Den Amtsgerich:en wer- den alle Rechts\treitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswerth die Summe von dreihundert Mark nicht übersteigt, sowie gewisse einfahe oder \hleunige Erledigung erheishende, oder regelmäßig auf Grund

enauer örtliher Kenntniß zu entsheidende Rechtsf\treitigkeiten

Überwiesen Für alle nicht den B Ster oder den Amtsgerichten zugetheilten Rechtsftreitigkeiten ind die Landgerichte