1874 / 259 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 04 Nov 1874 18:00:01 GMT) scan diff

taftvellem Geschick das erfreulice Gedeihen des Vereins zu danken ist. Der dritte Toast, gespro@en vom Hanptmann von Lin- stow, galt den Damen, welche im „Herold“ durch sieben Mitglieder vertreten sind. Das frühzeitige Ableben eines früheren Vorsißen- den, des Freiherrn C. Chl. von Reigzenstein in Straßburg i. E., wurde publizirt und sein Andenken durch Erheben von den Sitßen geebrt. Der zeitige Redacteur vertheilte den ersten Katalog der Ver- einsbibliothef, die jeßt 600, zum Theil sehr werthvolle, Werke zählt, und trug aus der Einleitung zum neuen Mitgliederverzeichniß, das 303 Fachgenofsen umfaßt, allgemein interessirende, statistisGe Daten Über Staud, Beruf und Wohnort der Mitglieder vor.

Am 31. Oktober Abends starb hier plöuli i: Un 75. Lebensjahre der frühere Regisseur der Königlichen T Abe W agner, der Vater der bekannten Sängeriu und Schauspielerin Johanna Jachmann-Waguexr, der ältere Bruder Richard Wagners. Derselbe wurde im Jahre 1857 bei der Königlichen Oper als Re- gissenr angestellt und war namentlih bei der Inscenefeßung des «Lanubäuser“ und des „Lohengrin® von Richard Wagner thätig. Nach dem Abgange seiner Tochter von der Hofbühne, zog auch er fich ins Privatleben zurüdck.

_— Der 2. Jahrgang 1875 des im Verlage von L. Schneider u. Co. hierselbst ersbeinenden Taschenkalenders für Offiziere mit militärstatistischen Notizen, von H. Reinhard und A. Frhrn. v. Fircks, ist soeben ausgegeben worden. (2 Theile, Pr. 1 Thlr. 5 Gr.) Der erste Theil hat den Zweck, Offizieren von je Stellung und Waffengattung es zu ermöglichen, über die ver-

chiedenen Dienstgegenftände stets handbereite Notizen zu haben und fih für den täglihen Dienst Aufzeichnungen zu machen. Augs für Notizen über Pcivat-Angelegenheiten, über die Schon- und Schieß- zeiten des Wildes u. \. w. finden fich Schemata und Tabellen. Dieser Theil des Kalenders ist mit Rücksicht auf seine Bestimmung und die im ersten Jahre gemachten Erfahrungen nach man(her Richtung hin gegen den vorigen Jahrgang verbessert und praktischer eingerichtet worden. Der zweite Theil des Kalenders, welcher u. A. auch die neueste Eintheilung und Dislokation der gesammten deutschen Armee enthält, hat hauptsächlich den Zwedck, ein Organ der Militär-Statistik u sein. An Stelle des bisherigen Mitarbeiters, Major v. Maréez, ist der Hauptmann a. D. und Decernent im Königlich preußischen statistischen Bureau, Frhr. v. Fircks, getreten, welcher das zuverlässige militär-statistische Material für den Kalender geliefert hat. Unter den 63 Tabellen sind diejenigen von allgemeinem Interesse, welche die Angaben über Länge der Eisenbahnen und Pferdebestand im Deutschen Reihe, Anwadtsen der Einwohnerzahl in den deutschen Städten über 20,000 Einwohner, Resultate des Ersaßzgeshäftes im Deutschen Reiche, Sculbkildung der Ersaßmannschaften der einzelnen europäischen Heere, den relativen Betrag der Ausgaben für Armee und Marine bei den europäischen Staaten und die Notizen über Gefechtsverluste enthalten. Hat der Kalender in seinem ersten Jahrgange schon eine ret große Verbreitung gefunden, so werden ihm die neuen Verbesserungen und das hinzugekommene neue Material gewiß auch manchen neuen Freund ringen. ; Von Ritters Geographish-StatistisGem Le ikon über die Erdtheile, Länder, Meere, Buhten, Dts Sn: Slüsse Inseln, Gebirge, Staaten, Städte, Flecken, Dörfer, Weiler, Bäder, Bergwerke, Kanäle A., mit Angabe sämmtlicher Post-, Eisfenbahnen- und Telegraphen-Stationen der wichtigeren Länder, für Pest-Bureaus, Compioirs, Kaufleute, Fabrikanten, Zeitungsleser, Reisence, Real-, Industrie- und Handels\chulen. (Sechste, gänzli umgearbeitete, ftark vermehrte und verbesserte Auflage unter Redaktion von Dr, Otto Henne am Rhyn. Leipzig, Verlag von Otto Wigand) sind soeben die 7. und 8. Lieferung Il. Bandes, enthaltend die Artikel: Selkentrop-Szasz-Tyukos, Deutsh-Tekas und Szasz-Ujfalu, Nendorf- Ußmannsbach ausgegeben worden.

Nachdem der Magistrat der Stadt Erfurt und der „Verein

für Geschichte und Alterthumékunde Erfurts*, jeder in seiner Art, dem verstorbenen Stadtrath Herrmann einen ehrenden Nachruf ge- widmet, bringt auch die „Thüringer Zeitung“ einen ausführlichen Nekrolog, in welchem die vielen Verdienste des Verstorbenen Wür- digung finden. _ Am 28. Oktober, als am Jahrestage der Uebergabe von Meß, fand in dem Festsaale der Aula in Göttingen die feierliche Ent- Hüllung einer Gedächtnißtafel für die im französischen Kriege ge- fallenen 25 Studirenden der Universität statt unter zahlreicher Be: theiligung des Corpus academicum, des Offiziercorps wie des Publi- kums der Stadt. Die Weiherede hielt der zeitige Protektor Hofrath Griesebach; sie gab eine weitere Ausführung der auf der Tafel Jelbst angebrachten Inschriften, des homerischen Verses : e? otwvòg äptoros âpuúóveaÎa: zepè rárpns, und der Shlufworte: „Den Ent- {chlafenen zum Gedächtniß, den Lebenden zur Nahrung !“

Die Nr. 3 der Fllustrirten Jagdzeitung, Organ für Jagd, Fischerei und Naturkunde, herausgegeben von W. H. Nißsche, Kgl. Oberföfster (Leipzig, Verlag von Heinrich S{midt), Preis 1 Thlr. halbjährlih in allen Buchhandlungen und Postan- stalten, enthält: Eine einfahe Geschichte vom Fuchsfang. Die Vogelschußfrage und die Jagd vou E. v. Wolffersdorff. Die Antilopenjagd mit Falken in Afrika nach M. T. v. Heuglin. Zur Naturgeschichte des Fuchses von v. Schaper. Statt einer Fisch- otter ein Priester im Eisen von Ba1on Nolde. Die Jagd in Schleswig. Glücks3fall auf der Hirschjagd von Berth. Graf Bernstorff u. f. w. u. \. w. Illuftration: Die Antilopenjagd mit ‘Falken und Windhunden in Afrika. Originalzeihnung von H. Leute- mann. Der neue Jahrgang hat am 1. Oftober angefangen.

Seit dem 1. November d. J. find im Kaiserlichen Hof- Operntheater zu Wien die längst als nothwendig anerkannten Theatergeseßze in Kraft getreten. Jn denselben findet sich u. A. folgende Bestimmung: „Um die Gesammtwirkung eines Kunstwerkes nicht zu beeinträchtigen und dessen Zusammenhang nicht zu stören, ist es den Opernmitgliedern untersagt, auf Verlangen des Publikums irgend ein Musikstück zu wiederholen, bei offener Scene sich zu ver- beugen, Kränze oder Blumen aufzunehmen u. |. w. Es foll über- haupt jede Uttion unterlafsen werden, welche unpassend oder störend, nicht durch die Handlung. geboten ist. Nachdem diese Anordnungen im Interesse der Vorstellung selbst begründet find, haben auch fremde, hier als Gast auftretende Künstler sih denselben zu fügen. Nur

E

Königliches Schauspielhaus.

Die Königlihe Bühne feierte gestern das 100jährige Jubiläum der ersten Aufführung des „Clavigo“ von Goethe, welhe am 3. November 1774, wie der in der Samm- lung des bekannten Herrn Barth enthaltene Theaterzettel besagt, der im genauen Abdruck des Originals an die Besucher ver- theilt wurde, „mit Seiner Königl. Maj. in Preufsen aller- gnädigstem Privilegio von der Kochishen Gesellshaft Deutscher Schauspieler“ in Berlin stattfand. Den Beschluß machte damals wegen der Kürze des Trauerspiels „das pantomimishe Ballet: Der Vogelfang.“ Der Schauplaz war „in dem gewöhnlichen Komödienhause in der Behrenstraße, der Anfang präcise um 5 Uhr.

Den Clavigo gab in der ersten Aufführung Hr. Brückner, die Marie von Beaumarchais Mad. Henischin, den Catlos- Hr. Witthöft, den Beaumarchais Hr. Müller, die Sophie Gilbert Mad. Henckin, ihren Mann Hr. Hencke. Das dem Iubel-Zettel beigegebene Verzeihniß der Künstler, welche innerhalb der ver- flossenen hundert Jahre in dem Trauerspiel auf der Königlichen Bühne mitwirkien, weist die bédeutendsten Namen der deutschen Theatergeschihte auf; so im Clavigo: Beschort, Lemm, L. De- vrient, Hendrihs und Liedtke; in. der Rolle des Carlos: L. Devrient, Marr, Porth, Ed. Devrient, Seidelmann, Döring,

wem der Vorhang gefallen, ist es erlaubt, dem Hervorrufe Folge zu geben.“

Ueber einen werthvollen literarishen Fund theilt „Aftonbladet“ Folgendes mit: „Bei einem Besuche auf dem gräflich Piperschen Fideikommis eEngës“ in Vestmanland, welcher gemacht wurde, um daselbst einiges Material jtt Stilderung dieses historisch, merkwürdigen Ortes in der „Beschreibung über shwedishe Schlösser im Mittelalter“, wovon die erste Abtheilung „das Schloß Vik* zu Weihnachten erscheinen wird, zu sammeln, haben die Herren C. A. Klingspor und B. Sÿlegel u. A. ca. 200 bisher unbekannte Perga- mentbriefe, die ältesten vom Jahre 1300, fowie auch viele wichtige Dokumente aus dem Mittelalker gefunden.“

Land- und Forstwirthschaft.

4 O Regierungsbezirk Potsdam hat die Ernte einen nicht ganz fo ungünstigen Ectrag gegeben, wie vor einigen Wochen befürchtet wurde. Zwar haben die Wiesen und Kleefelder nur bst dürftig Futter gegeben, dagegen hat die Mißernte der Sommerung nur einzelne Gegenden betroffen, während in anderen Gerste und Hafer niht ungünstige Erträge geliefert haben. Au das Wintergetreide hat in einigen Gegenden recht günstige, im Allgemeinen aber befriedigendere Resultate geliefert, als zu hoffen war. Die Kartoffeln versprehen im Ganzen keinen reichen Ertrag, sind aber shmadckhaft und gesund. Die Tabaksernte ist sehr ungünstig.

Im Regierungsbezirk Frankfurt ist die Ernte auf

leibtem Boden sehr gering ausgefallen, auf besseren Bodenarten über- trifft sie eine gute Mittelernte erheblih, im Oderbruch ist fie über Erwarten gut gewesen. Die Oelsfaaten haben einen guten Ertrag gewährt; minder befriedigend ift aber der Klee geblieben. Der Tabak erreicht den Durschnittsertrag. Die Es geben auf leichtem Boden einen geringen, auf gutem ein reihlihen Gewinn. Die Rüben find Flein geblieben, find aber zuckerreich. Mit der Obsternte, namentlich in Betreff der Pflaumen und des Weins ist man zufrieden.

Die Ernte in den Regierungsbezirken Trier, Aachen und Düsseldorf ist im Ganzen recht günstig, im leßtgenannten RegierungsLezirk schr gut, in manchen Kreisen fogar au8sgezeichnet ausgefallen. Insbesondere ist die Winterung überall vortrefflich ge- rathen. Die Sommerung is im Reg.-Bez. Trier unter dem Ein- fluß der Dürre weniger günstig ausgefallen. Der Futtergewinn ist nur ein fehr geringer gewesen. Die Kartoffelernte ist vorzüglich. Die Obfternte war im Reg. Bez. Düsseldorf, namentlich in Birnen und Pflaumen reichlich, in dem Reg. Bez. Aachen und Trier nur strichweise gerathen. Die Weinstöce bei Trier, an der oberen Mosel und Saar liefern kaum #{ eines vollen Herbstes, während die Wein- ssttôcke in einzelnen Feldmarken an der Mosel, wie Zeltingen, Graach, Merzig, mit Weinen überladen find.

Bür die hohenzollernscchen Lande kann die Ernte durch- weg als gut bezeihnet werden. Die Kartoffeln befriedigen im Ganzen, zeigen jedoch hier und da Spuren von Fäulniß. Steinobst ist total mißrathen, von Kernobst fehlen Berichte.

D in den Jahren 1872 und 1873 eingedeichte domänens- fiskalishe „Kaiser Wilhelm-Koog“ im Kreise Süderdith- marfscen „ist, obwohl die Uebergabe der verkauften Parzellen erst im Novembex v. F. stattfinden konnte, bei Weitem zum größten Theil jener Parzellen bereits als Acker benußt worden. Die Erträge an Hafer dies ift für jeßt die Hauptfruchßt sind sehr bedeutend. Vielfach ist das 26 bis 30. Korn gewonnen. Auch Gerste hat im Allgemeinen eine gute Ernte geliefert. ein reges Leben. Neue Anbauten find in bedeutender Zahl vorhan- den, und ces wird hiermit ununterbrochen fortgefahren. Die im Herbste v. J. etablirten interimistishen, meistens aus Holz und Stroh zusammengefügten Wirthschaftsgebäude machen mehr und mehr massiven Bauten Plat, und es wird der neue Koog in seiner ganzen äußern Erscheinung \sich in kurzer Zeit niht mehr von den um und neben ihm liegenden alten Koogen unterscheiden. Zwischen 40 und 50 Gebäude befinden fih jeßt {on dort, ihre Zahl wächst immer na, und es wird der Koog im nächsten Jahre schon eine nicht unerhebliche Seekeuzahl dort Angesessener haben.

Gewerbe und Handel.

Der Auffichtsrath der Berliner Weißbier - Brauerei vorm. Carl Landré seßte in seiner Sißung am 2. November ua höchst zulässigen ftatutenmäßzigen Abschreibungen die Divideude pro 1874 auf 6 % fest. Die pekuniäre Lage der Gesellschaft is im Uebrigen cine günstige. Die Bilanz weist cinen baaren Kassenbestand von 125,000 Thalern auf.

Wie die „Magdeburgische Zeitung“ hört, sind die 300,000 Thlr. Aktien der Sudenburger Maschinenfabrik, welche von dem Vorbcsißer und den Gründern als Aequivalent für die von der Generalversammlung ertheilte Decharge gratis einzuliefern waren, endlich nah langen Verhandlungen an die Gesellschaft übergeben.

Die Hannoversche Bank wird, wie aus dem Juseraten- theil unserer gestrigen Nummer zu ersehen, nunmehr mit der Ausgabe ihrer neuen 100-Banknoten beginnen.

Die Generalversammlung des Bergischen Gruben- und Hüttenvereins „Hochdahl* beschloß, den Verlust von 60,226 Thlrn. auê dem Refervefonds zu decken. Letterer behält einen Be- stand von 49,798 Thlru. Die ausscheidenden Mitglieder des Ver- waltungsrathes wurden wiedergewählt.

In der am 2. November abgehaltenen Generalversammlung der „Märkischen Maschinenbau-Anftalt (vorm. Kamy. u. Co.)“ zu Wetter in Westfalen waren 20 Aktionäre anwesend, welche ein Aktienkapital von 800,000 Thlr. vertraten. Die Vertheilung einer Dividende von 7 pCt. (84,000 Thlr.) wurde einstimmig beschlofsen und der Rest von 13,000 Thlr. für besoudere Abschreibungen zur Verfügung gestellt, Die Auszahlung der Dividende erfolgt vom 15, November ab bei J. L. Elßbacher u. Ce. in Cöln und W. v. Vorn in Dortmund. Die nah dem Turnus ausscheidenden Mit- glieder des Aufsichtsraths wurden einstimmig wiedergewählt.

Verkehrs:Anstalten.

Berlin - Anhaltische - Eiseubahn. Der Bahnhof zu Berlin, Ascanischer Plaß Nr. 6, wird zum Zweck des Umbaues Montag, den 9. November cr., für den Personenverkehr unmittelbar

nach dem 12 Uhr 15 Minuten früh hier eintreffenden Courierzuge

Hoppé, Dawison. Die Marie wurde dargestellt von Mlle. R Charloite von Hagn, Frl. Stich, spätere Fr. Hoppó U; #4.

Im Jahre der ersien hiesigen Darstellung des Clavigo er- lebte das Stück 6 Aufführungen, seitdem is dasselbe, die gestrige Vorstellung mit eingerehnet, 71 Mal gegeben worden. Der um das deutshe Schauspiel und die Pflege der Klassiker hohverdiente Heinrih Gottfried Koh, der Stifter des ersten deutschen Theaters in Berlin, überlebte die epohemachenden Auf- führungen des „Göß“ und des „Clavigo“ nur kurze Zeit, er starb bereits im Jahre 1775.

Der „Clavigo“ hat den Vorzug vor dem anderen drama- tischen JIugendwerke Gocthe's, dem „Göß von Berlichingen“, daß er bühnengerecht ift, weil er für die Bühne geschrieben war. Es scheint, als habe Goethe zeigen wollen, wie leiht es ißm sein würde, dem großen Publikum zu gefalleir, Diese Absicht hat er selbt in „Wahrheit und Dichtung“ eingestanden. Er {rieb das Stük in 8 Tagen nach einer Denkschrift des be- kannten Dichters des „Figaro“, in welcher dieser die französische Rechtspflege seiner Zeit an den Pranger zu stellen suchte. Die französishe Manier fand au bei dem Publikum Beifall, während die Freunde des Dichters ihn deshalb tadelten und beson- ders Merck sein Mißfallen mit Recht in die derbsten AusdrüXe fleidete; denn Goethe erhebt sh im Clavigo keineswegs über das

Im ganzen Kooge herrs{cht j

geslossen. _ Die Abfertigung sämmilicher Persotienzüge, der Billet- erkauf, die Gepäck-Annahme und -Ausgabe, die Beförderung tele- graphischer Depeschen 2. erfolgt demnächst auf dem am Ausgauge der Trebbinerstraße neu erbauten provisorischen Personenbahnhofe und beginnt mit dem Montag, den 9. November, früh 6 Uhr von hier nus Halle und Côthen abgehenden Personenzuge.

Auf der JIndo - Europäischen Telegra en - Linie wurden im Monat Oktober d. J. an gebübtenpflibtieen Depeschen befördert: a. aus London, dem übrigen England und Amerika nach Persien und Indien 1154 Stück, b. aus Persien und Indien na

ondon, dem übrigen England und Amerika 1007 Stüd, c. vom Europäischen Kontinent erclusive Nußland nach Persien und Indien 78 Stück, d. aus Persien und Indien nah dem Europäischen Kontinent exclusive Rußland 110 Stück; Summa 2349 Stü.

: _ Znusammenstellun der im Deutschen Reichs- und Königlich Beoltilben Staats-Anzeiger bis ult. Oktober 1874 bekannt Feuaien anstehenden Subhastations- ermine.

Die zur Subhastation stehenden Immobilien.

Reichs- A

Gericht, bei welhem die ! Subhast. {webt |

Kr.-Ger. Berlin

Verkaufs- Termin.

Grundstücke nebst Zubehör Hyp. Nr. 297 zu Tempel- hof und Hyp. Nr. 109 zu

G die L bst Zubel, rundftück ne ubehör Hyp. Nr.315 zu Tempelhof

Grundstück nebst Zubehör Hyp. Nr. 164 zu Steglit|

Grundstück nebst Zubehör Hyp. Nr. 166 zu Rei- nickendorf

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Zubehör Hyp. Nr. 274 zu

Steglitz Ackerparzelle 87 des Pohl-

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Rittergut Zwippendorf

Gut Hyp. Nr. 21 zu Earo-

linenhöhe

Rittergut Krüffow B.

adeliges Gut Brelewo

(Brylewo)

13./11. 74. 18./11. 74 23./11. 74

21./11. 74

30./11. 74 2./12. 74 14./12. 74

16./12. 74

18./12. 74

4./1. 75 19./12. 74

28./11. 74 14./12. 74

4./11. 74 18./12. 74.

LEZL;:75 3/2 7T5- 28./11. 74

9./11, 74

Kr.-Ger. Sorau Kr.-Ger. Spandau

Kr.-Ger. Stargard Kr.-Ger. Lissa -

isfa Kr.-Ger. Oppeln Rittergut Dombrowka v./D. Kr.-Ger. Glogau [Rittergut Gufißz E Kr.-Gec. Pleß [Rittergüter Kopciowiß und | Sciern

Kr.-Ger.-Kom. Rei- |Arsenikwerk eReicher Trost * chenstein | und Arsenik - Hüttenwerk

| 6 Nr. 258 bei Reichen- ein Kr.-Ger. Sagan [Vauernahrung Hyp. Nx. 7

: | zu Reichenbach

Kr.-Ger. Wittenberg Rittergut Nudersdorf nebft Zubehör, und Wohnhaut | nebst Zubehör Hyp. Nr. 23 j zu Dorf Nudersdorf

19./1. 75 2./12. 74

15./2. T5 20./11. 74

Amts-Ger.Wennigsen Vollmeierhof Haus Nr. 5

in Ronnenberg

Königliche Schauspiele.

Donnerstag, den 5. November. Opernhaus. (214. Vor= stellung.) Fra Diavolo, oder: Das Gasthaus zu Terracina. Oper in 3 Abtheilungen. Musik von Auber. Pamella : Frl. Horina. BZerline: Fr. Mallinger. Fra Diavolo: Hx, Niemann. Lord Cookburn: Hr. Salomon. Lorenzo: Hr. Sthleih. Anfang 7 Uhr. Hohe Preife.

Schauspielhaus. (222. Vorstellung.) Die Fräulein von St. Lustspiel in 5 Aufzügen nach A. Dumas von H. Bôrxn= Anfang halb 7 Uhr. Mittel-Preise.

Freitag, den 6. November. Opernhaus. (215. Vorstel=

Große Oper in 5 Abtheilungen nach

uug.) MunE ei cribe. ufik von Auber. Margarethe: Frl. Horina. Zeila: Fr. Kupfer - Berger. Graf Rudolph: Hr. Sat Albert : Hr. Link. Anfang halb 7 Uhx. Mittel-Preise.

__ Schauspielhaus. (223. Borstelluyg.) Alte Schweden. Schau-=- spiel in 5 Akten von A. E. Brachvogel. Anfang 7 Uhr.

Cyr. stein.

Mittel-Preise.

Mittelmaaß und ift als Dichter: des Göt darin kaum wiederzu= erkennen. Uebrigens if das Geständniß Goethe's interessant, welches fich in einem Briefe an Iakobi findet: in diesem äußert er, daß. ih „Clavigo's Charakter und Clavigo's That bätt E Charakter und Thaten in ihm selbst amalgamirt

Am gestrigen Jubelabend gab Hr. Gorig den Clavigo, den der Künstler hon feit einigen Jahren entra hat, Ti zu seinen besten Rollen zählt. Neu war Frl. Meyer als Marie, die in dieser Parthie wiederum Gelegenheit fand, ihre vielseitige künstlerisWe Begabung zu bekunden. Die vortrefflihen Leistun= gen der HH. Kahle und Berndal als Carlos und Beau- marchais find {hon früher an dieser Stelle besprochen worden. Die Aufführung war eine der Festlichkeit des Ereignisses wür- nas fand Seitevs des Publikums entsprehende An=

Redacteur: F. Prehm. Verlog der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner.

Vier Beilagen (eins{ließlich Börsen- und Handelsregister-Beilage),

Berlin:

s

F erinnern, besonders auf Bemerkungen über Pfaffen und Sozialdemo- fraten? Zeuge: Er hat blos über Sozialdemokraten gesprochen. Präs. :

28

demokraten gelesen, und er hat gesagt:

zum Deutschen Reichs-Auz

Berlin, Mittwoch, den 4. November

259,

Prozeß Kullmann

Würzburg, 29. Oktober. (S. Nr. 255, 256, 257, 258 d. Bl.) (Fortseßung des Verhörs des Zeugen Daseler.) Präf.: Jhr Vater soll einmal aus Zeitungen gelesen haben über Geistliche, und darüber soll er Bemerkungen gemacht haben ; können Sie sih nicht mehr darauf

Also cs wurde etwas darüber gelefen aus Zeitungen? Nun, was hat

F er darüber gesagt? Zeuge: Ja, és wurde aus Zeitungen über Sözial-

„Die Pfaffen waren mitunter selbst schlechter, als die Sozialdemokraten.“ Präs. ; Hat er niht auch die Bemerkung gemahl, wie es mit der Gesundheit des Fürsten Bismarck stehe? Zeuge: Jawohl, das war zufällig in der Werfstäite. Er sagte ruhig vor sich hin: „Wenn man so eiwas li-st,* Präs. : Haben Sie die Wahrnehmung gemacht, daß er, so lange er

M vei Ihnen war, in die Kirche gegangen ist? Zeuge: Nein, so viel ih

Ÿ weiß, ist er nicht in die Kicche gegangen. Pr Kullmann, haben Sie

7 etwas zu erinnern ? Angekl. ; Nein. Sie eine Frage? Staaisanwali : F Vertheidiger: N:in.

: Hr. Staatsanwalt haben

Prä : 9 Prâf.: Hr. Vertheidiger ?

Rein.

Der fünfundzwarzigste Zeuge Johann Baptist Schnaus, Gast-

Y wirth in Nüdlingen, wird vorgerufen, nah Maßgabe des Gesehes ver- Æ eidigt und erklärt :

Ich heiße Iohann Baptist Schnaus, bin katho-

E lischer Religion, 33 Jahre alt, geboren zu Reckendorf und wohnhaft

À zu Nüdlingen; verheirathet, Gastwirth und Oekonom. Präs.: Jst der

Angeklagte in Jhrer Wirthschaft gewesen? Zeuge: Ja, am 11. Juli d. J. Präs. : Ist derselbe im Fremdenbuche eingetragen ? Zeuge: Ja. Präs. : Hat ér bei Jhuen übernahtet ? Zeuge: Ja. Präj.: Wann ist er aus Ihrem Hause fortgegangen? Zeuge: Am Sonutag, den 12. Juli, früh 6 Uhr. Präs. : Hat derselbe nihts besonderes gefragt? Zeuge: Er fragte, wie weit es nach Kisfingen sei. Präs. : Und was haben Sie geantwortet? Zeuge: Er bekam darauf die Antwort, daß es höchstens eine Stunde sci. Präs.: Hat er Sie nichts weiter gefragt ? Zeuge: Ja, er hat auch gefragt, ob Bismarck da sei. Präs, : Haben Sie ibm Aufschluß darüber gegeben? Zeuge: Ja, ih habe gesagt, daß Fürst BismarckX son seit einigen Tagen da sei. Präs.: Hat er sonst noch Auskunft verlangt, oder ist Fhnen sonst noch, etwas aufgefallen? Zeuge: Ja, er hat _si{ch allein ge]eßt und hat gar feine Theilnahme an der Gesellschaft bewiesen.

e Präs. : Jst er bald zu Bette gegangen? Zeuge: Ja. Präs. : Und früh

6 Uhr abgereist? Zeuge : Ja. Präf.: Hat er jeine Rechnung bezahlt ? Zeuge: Ja. Präs. : Haben Sie sonst keine Wahrnehmung über iln

4 gemacht? Zeuge: Nein. Staatsanwalt: Es wurde gesagt, daß er sehr

geeilt habe, um fortzukommen. Präf.: Haben Sie das bemerkt ? Zeuge:

4 Ja. Prâs. : Woraus schließen Sie dieje Eile? Zeuge: Weil er öfter

nach dem Kaffee verlangte. Präf.: Hat er solhen au noch ge-

E trunken? Zeuge: Ja. Pr:âf.: Und hat er auch gesagt, daß es pressire ?

Zeuge: Ja. Präs. : Hr. Staatsanwalt, haben Sie noch eine Frage?

7 Staatsanwalt: Nein. Präf.: Hr. Vertheidiger ? Vertheidiger: Nein.

Der se{sundzwanzigste Zeuge Andreas Debon, Königlicher Land- rihter in Kissingen, wurde gerufen, und nachdem er nach Aufforderung des Hrn. Präsidenten die vorgeschriebene Eidesformel selbst ablegte, erklärt derselbe Folgendes: Ich heiße Andreas Debon, bin fatholisher Religion, 52 Jahre alt, ¿u Würzburg geboren und zur Zeit Königlicher Landrichter in Kissingen, verheirathet. Die übri- gen Fragen verneint“ er. Präs.: Kennen Sie den Angeklagten ? Zeuge: Jch kennne ihn seit seiner ersten Vernehmung in Kissingen. Präs. : Welche Wahrnehmung haben Sie über denselben gemacht ?

euge: Die erste Vernehmung Kullmanns fand nach dem vom Herrn Fürsten geäußerten Wunsche in seiner Gegenwart statt. Nachdem er seine persönlichen Verhältnisse azgegeben hatte und die Frage des Herrn Fürsten, ob er ihn früher gekannt habe, verneinte, sagte Kull- mann aus, daß er auf den Fürsten geschossen habe. Und als er nah dem Grunde gefragt habe, warum ? äußerte er, wegen der Maigefetze. Weitere Fragen fanden bei dieser Gelegenheit nit statt. Der Herr Sürst beschränkte sich lediglich auf Gefühlsäußerungen, welche sich in den Worten kundgaben, daß es nicht s{ön sei, wenn Landsleute auf- einander schießen. Mit Bezugnahme auf die Aeußerung Kullmanns, daß er dieses wegen der Maigesetze gethan habe, bemerkte der Herr Fürst, daß Kullmann jedenfalls von fkirlicher oder geistlicher Seite aus Anderes gehört haben werde, nämli, daß er gewiß stets gehört habe, daß man vor der Obrigkeit Achtung haben müsse, und daß er fih dessen bewußt sei, welhe Pflichten er in diejer Beziehung zu erfüllen habe. Auf diese Gefühlsäußerung, die im milden Tone gesprohen war, erwiderte Kullmann Nichts. Sein Benehmen war gleichgültig. Nachdem der Hr. Fürst sih entfernt hatte, und nahdem ih mit ihn gesprcechen, zu welcher Zeit es ihm gefällig sei, wurde das erste Verhör mit Kullmann vorgenommen. Nachdem derselbe mir alle bekannten Fragen beantwortet und gesagt hatte, wie er dazu gekommen sei, nach Kissingen zu reisen, wo, wann und wie er den Entschluß zur That gefaßt habe, erzählte er Alles vom Anfange an: wie er in seiner Heimath den Entschluß gefaßt habe, Bi?marck zu tôdten, wie er sih zuerst nach Berlin begeben, da Bismarck nicht ge- troffen habe, und wie er dann nach Kissingen gereist sei. Er er- zählte seine Reise dorthin ins Detail, bemerkte, daß er sie theils per Eisenbahn, theils zu Fuß gemaht habe, bis zu dem Augenblicke, wo er in Kissingen ankam. Ih kann mich ledigliÞ darauf beschränken, Jhnen zu sagen, was weiter geschah. Kullmann erzählte Alles vollständig, wie es auch im Verhöre zu Protokoll konstatirt ist. Er benahm sich dabei vollstän- dig kalt und gleihgültig, Nah Beendigung des Verhörs mußte ih auch zu Fürst Bismarck, um zu konstatiren, daß eine Wunde vorhan- den ist. Das war aber ein negatives Resultat. Präs.: Um welche Tageszeit haben Sie die erste Vernehmung mit dem Angeklagten vorgenommen? Zeuge: Um 33 Uhr. Um 2 Uhr, also kurz nah der Zeit, in der das Attentat geschehen war, hatte ih einen Gang zu besorgen und hörte hierbei, es sei soeben auf den Fürsten Bismarck geschossen worden. Jh begab mi hierauf sofort mit dem Bezirksarzte in die Wohnung des Hrn. Fürsten Bismarck, also kurz darnach. Präf.: Sie haben ih darüber auszu}prechen, wie Sie den geistigen Zustand des Angeklagten nah der That gefunden haben. O Sie irgend eine Störung wahrgenommen? Zeuge: Nicht das indeste; er war kalt und gleichgültig dabei und erzählte Alles, was ex gethan hatte, in der Weise, wie irgend ein Anderer mit einem Manne spricht, der eine Geschäftsreise macht. Olzne Stockung, mit der größten Gleichgültigkeit, erzählte er den ganzen Vorgang. Präs. ; Vertheidiger, haben Sie keine Frage? Verth.: Nein! Präs. zum Zeugen : Seßen Sie fi, e

Siebenundzwanzig|ter Zeuge: Heinri von Fabrice, Bezirks- geriht8arzt zu Schweinfurt. Derselbe wurde vom Präsidenten nah Maßgabe des Geseßes als Zeuge und Sachverständiger vereidigt und er erflärt:

Ich heiße Heinrich von Fabrice, bin protestantish, 65 Jahre alt, ver- beirathet, geboren in Altdorf, jeßt Bezirksgerichtsarzt in Shweinfurt. Die übrigen Generalien wurden verneint. Präf. : Sie haben in der Frohn- veste den Kullmann öfter gesprohen und ihn auch öfter untersucht. Wollen Sie uns das Resultat dieser Wahrnehmung mittheilen ? Zeuge: Der erste Theil meines schriftlihen Gutachteus ift jeßt na- türlih ganz überflüjsig geworden, da Sie die genaueste Auskunft von den beiden vernommenen Sachverständigen erhalten haben. Jch kann Ihnen einfach sagen, daß ich vollkom- men auch ihre Ansicht habe, und daß ih diese bei- den Wunden, wie fie, ebenfalls für cine Brandwunde und für eine Projefktilwunde erachten muß. Die weiteren Folgen, die die Sache

Erste Beilage

hatte, kann ich Jhnen natüclich nicht mittheilen, Es wurde mir glei, nachdem Kullmann in- die Frohnveste eingeliefert worden war, der Auftrag zu Theil, ihn zu untersuchen bezüglih seiner physischen Ge- sundheit, und’ ih habe ihn deshalb sehr viel besucht und sehr genaue Beobachtungen angestellt. Mir war vor Allem au darum zu thun, von der Familie die gehörigen Aufschlüsse zu bekommen, und ih habe den Untersuchungsrichter in Preußen gebeten, die nöthigen Er- kundigungen einzuziehen. Ih hörte über die Kullmannfche Familie Folgendes: Zohann Kullmann, der Vater desselten, giebt uns an, daß in der ganzen Familie Geistesfrankheiten etwas Unbe- kanntes sei. Von der Müllerschen Familie erhielten wir besonders durch die noch lebende mütterliche Großmutter, eine Frau Mende, au genaue Auskunft; sie versichert, daß in der Familie, wo fie selbst lebte, dann in der ihres Mannes Geisteskrankheiten etwas Un- befanntes seien. Auch ihre Descendenten und wieder die ibrer Kinder sind vollkommen gesund geblieben mit einer Ausnahme, das ist die Mutter des Kullmann. Darüber haben Sie vorhin gehört, die Frau ist irrsinnig gestorben. Wir haben nun von der Frau Mende selbst erfahren, daß diese Erkrankung fi

dadurch erklärt, daß die Frau in sehr traurigen Familienverhältnissen |

gelebt: ihr Mann bekümmerte fih nichts um die Familie, sie selbst hat 9 Kindbetten durhniachen müssen, und der Bedarf der Familie war ein schr bedeutender und die Last ruhte¿ganz auf ihr, und ih glaube, daß traurige Familienverhältnifse allerdings ein Grund sind, wo man leiht in Jrrfinx verfallen kann. Ganz dem, was die ein- fache Frau angiebt, entsprechend, berihtet auch Hr. Dr... . von ihrem Arzt in Halle, dem die Mutter bald nach ihrer Erkran- fung übergeben wurde, daß auch er bei der Erkrankung eine Anlage zu Geisteskrankheiten an ihr nicht vorfand und speziell auch keine erhebliche Anlage bei ihr annehmen konnte und schreibt die Entstehung der Quelle der Erkrankung blos der häuélichen Noth der Frau Kullmann zu. Unter diesen traurigen Ver-

hältnissen aufgewachsen, hat sih denno der junge Mensch körperlich

gut entwickelt. Sie sehen, der Angeklagte ist von kleinem Wuchse. Ich habe die sorgfältigsten Messungen wiederholt bei ihm -vorgenom- men. Sie finden, wenn wir diese beahten, daß der Körper ein ganz proportionirter ist, daß namentlich auch das Sinnesorgan gut ist; daß die Dimensionen des Kopfes ganz entsprehend find, kurz, auch die Bruftorgane sind gesund, und au an allen Unterleibsorganen ift nihts zu bemerken. Daß er den Beischlaf ausgeübt hat, hat er mir versichert, und onanirt hat er, wie er sagt, nie. Diese Dinge alle zeigen, er ift ein gesunder und gut gebauter Mensch und hat auhch wirkli während seines Lebens, wie ich erfuhr, nur cine einzige Krank- heit durchgemacht. Jn seinen Kinderjahren hat er an den Masern gelitten. Bezüglich seiner geistigen Anlage habe ih bemerkt, daß, wenn er auch in der Schule dur sein, Betragen Anlage zur Klage gehabt, daß er sich wirklihe Kenntnisse erworben hat. Er hat jetzt noch von diesen ziemlich viel aufgespeihert. Er ist dabei sehr wißbezierig, und wenn man fich mit ihm unterhält und dabei auf verschiedene Gegenstände kommt, die in seine Bildungsphäre fallen, so kann er in der That ganz gut darüber sprechen, er geht auf ers{chöpfende Gespräche gerne ein, er unterhält fich auch gern: über Politik, und er hat sich mir gegenüber sehr empfänglich gezeigt gegen meine freundliche Behandlung. Ich habe ihn nie anders gefunden, als zuvorkommend gegen meine Wünsche, und niemals hatte ih eine Klage gegen sein Benehmen, troßdem ih ihn mit meinen körperlichen Untersuchungen beschäftigte und ihn häufig in meinen Unterhaltungen examinirte. Er war dabei immer sehr anständig. Nun, meine Herren, ih sage Ihnen, ih konnte nichts Anderes finden, als daz 2c. Kullmann ein gut organisir- ter Mensch bezüglih feines Körpers, und daß er cbenso auch ganz gut organisirt bezüglih seiner geistigen Anlage sei. Jch habe nirgends eine Spur physischer Belastung an ihm wahrgenommen. Sragen wir nun uns, ob überhaupt in der Natur des Verbrechens, welches Kullmann zugesteht, begangen zu haben, ob in der Natur des Verbrechens irgend etwas liegt, daß man daraus sollte entnehmen fönnen, es müsse die That eines Wahnsinnigen sein. Die Geschichte giebt uns die Antwort darauf. Die großen Männer aller Zeiten haben viele Anhänger, viele warme Anhänger, aber auch viele Feinde. Sie haben .mörderishe Attentate auf große Männer nur zu häufig in den Annalen der Geschichte verzeich- net, und vom Fürsten Bismarck wissen wir selbst, daß sein Leben im Jahre 1866 durch ein mörderisches Attentat {on gefährdet worden war. Fragen wir uns nun nach der Persönlichkeit des geständigen Attentäters. Sie haben den ganzen Gang der Verhandlung in der allerschönsten Weise durch die aufmerksame Beobachtung der Zeugen nacheinander verfolgt. Sie sehen, daß er als Knabe einen wider- spenstigen Charakter hatte, woran ganz entschieden {on die fehlende Zucht im väterlichen Hanse s{uld war. Die Mutter nimmt den Knaben in Schuß, wenn der Sohn wegen seiner Unart in der Schule gestraft wird, der Vater thut nichts für den Sohn, es ist der Troß bei ihm ungebeugt geblieben, und das hat fih weiter fortgepflanzt. Er ist widerspenstig auch gegen seine Meister gewesen, er hat namenilih bei einem etwas heftigeren Temperament gleih zu Gewaltthätigkeiten feine Zuflucht genommen, wenn er sich irgendwie beleidigt geglaubt hat. Sie haben eine ganze Neihe von Gewaltthätigk:iten erfahren, die er versucht oder ausgeführt hat, mit einem Wort, daß er immer zu gewaltsamer Hülfe aufgelegt war, und mithin nun, wenn wic das von ihm heute abgelegte Bekenntniß gehört Vabene daß er das große Verbrechen einfieht, welhes er damit vegangen hat, daß er in unseren Gesprächen die Sache so oft ge- \hild-rt hat, und daß er mir gegenüber auch sich mehr mals darüber geäußert hat, ich weiß recht wohl, daß ih unrecht dabei gethan habe, doch hat Fürst Bismarck| auch unrecht gethan, wie er die Geseße gemacht hat; ich bitte, das wohl zu berücksichtigen. Bedenken Sie, daß er das Unrecht seiner That eingesehen hat; fragen Sie jeden Psychologeu, jeder muß Ihnen die Antwort geben, ein Wahnfinniger, der eine Gewaltthat begeht, wird nie dahin gebracht werden Éönnen, daß er einfieht, etwas Unrechtes begangen zu haben. Dadurch kennzeichnet sich die That des Kullmann als eine keineswegs von einem Wahnsinnigen verübte. Wir kommen nun dazu, wenn Kullmann eine andere geringfügige That begangen hätte, so _wäre es gewiß Niemandem eingefallen, ihn na seinem physischen Zustande zu fragen. Man hätte ihn genommen, wie er ist, und er ist ein zu Ge- waltthätigkeiten geneigter Mensch. Das ist auch bereits, wie Sie heute selbst gehört haben, in Preußen der Fall gewësen, Sie wissen Alle, daß die preußischen Gerichtshöfe wegen der Trefflichkeit ihrer Rechtspflege berühmt find. Sie haben heute gehört, daß vor einem preußischen Gerichtshofe im vorigen Jahre der Angeklagte gestanden hat, und daß er von diesem ohne allen Anstand zu einer Gefängnißstrafe ver- urtheilt wurde. Wir haben nur noch ein einziges Moment etwas näher zu betrachten. Es ist das der Umstand, daß bei ihm die Mutter geisteskrank gewesen. Wir haben die Sache son einmal besprochen. Jh mache Sie nochmals auf das Zeu niß der Frau Mende und auf das des Irrenarztes aufmerksam. Sie sehen daraus einen hinreihenden Grund, daß die Frau im vorigen Jahre erst geisteskrank wurde, daß die Frau durch Mere Veranlassung frank wurde. Nun wissen wir wohl, daß diese Anlage bei vielen Menschen vorhanden ist, und i erlaube mir Jhnen etwas mitzutheilen, was uns den deutlichen Beweis giebt, wie ungefähr die Verhältnisse sind. Ein agg a 20A Arzt hatte im Jahre 1865 eine statistische Zusammen- stellung herausgegeben, worin er die hôöchst interefsante Mit- theilung macht, daß unter etwas über 28,000 Jrren 4000 und einige darüber noch waren, bei welchen sich eine körperliche Anlage nach- weisen ließ, bei den 24,000 anderen hat sich keine körperliche Anlage

eiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

187A,

gefunden. Dann ferner giebt er uns noch das höchst interessante Da- tum, daß er von 4000 Personen zeige, deren beide Eltern geisteskrank gewesen, und die dennoch bei der vollkommensten Gesundheit sind. Sie haben Alle wohl, meine Herren, gewiß in ihrer Bekanntschaft ebenfalls Fälle der Art geuug gesehen, daß wir bei geisteskranfen Eltern ganz gesunde Kinder erhalten haben. Da war niemals eine Anlage zur Geifteserkrankung. Nicht überall, wo die Mutter geistesfrank war, ist bei dem Kinde eine geistige Belastung anzunehmen. Es hat hierüber der als Autorität geltende vortreffliche Doktor Gugge in München in feinem Werke für gerichtliche Medizin eine ganz schöne Stelle. Er sagt, er müsse vor Allem vor falschen Scchlüssen warnen, 19 wenig man aus einem zu großen oder zu kleinem Kopfe auf eine geminderte Inteltigenz {ließen dürfte, ebenso is es nicht gestattet, aus dem Vorkommen von einzelnen physischen Krankheiten in einer Familie auf eine psychishe Belastung zu schließen. Wir haben den Angeschuldigten heute wiederum gesehen, wir haben Alles gehört, was er gesagt, er hat verständig alle seine Angaben gemacht. Von einem solchen Verhöre, wie es der Ungeklagte heute durchgemaht hat, werden Sie doch von vornherein überzeugt sein, daß; ein Mensch, der solche Antworten giebt, kein chwac{sinniger sein kann, und ebenso wenig haben Sie nur ein Zeichen eines Grades einer psychishen Affektion wahrnehmen können. Jch habe das bei den vielen Untersuchungen, die ich mit dem Angeklagten vorgenommen habe, auch nit gefunden, ich habe überhaupt von einer geistigen Be- lastung nicht die geringste Spur wahrg-nommen. Es fommt nun die Frage, die dem Gerichtsarzt zur Behandlung vorgelegt wird, ob der Art. 51 des deutschen Reichs-Str.-G.-B. eine Anwendung auf den Angeklag- ten findet. Es ist nämli davon die Rede, daß dann Strafausshluß stattfindet, wenn der andere Schuldner zur Zeit der That in einen Zustande der psychischen Erkrankung war, wenn seine Willensbestim- mung dadur ausges{lofsen war. Wir werden diese Frage ganz gewiß verneinen. Seine Willensbestimmung war durch seinen geistigen Zu- stand nicht altekirt; er war zurechnungsfähig, ‘während er die Tyat verübt hat, er war zurechnungsfähig vor der That und war zurechnungsfähig bis am beutigen Tage. Wenn wir bei solchen Verbrehen blos aus dem Umstande, daß fie zufällig cine geistesfranke Mutter, einen geisteskranken Vater des Thâters haben wenn wir daraus den Grund einer vsychischen Be- lastung annehmen wollen, so würden wir den vielen Tausenden, welche geisteêgestörte Eltern haben, einen förmlichen Freibrief zu Verbrechen geben, oder wir würden vielmehr ihnen das noch weit s{chlechtere Loos zuwenden, daß sie als der öffentlichen Sicherheit gefährlihe Irre in Irrenhäuser eingesperrt würden, so wie sie eine Gewaltthat irgend welcher Art begingen. Vor diesem Schicksal, glaube ih, denken wix Alle, wolle der Himmel - einen Jeden bewahren. Wer geisteëgesund ilt und foll als Jrrer in einer Irrenanstalt sein, der hat gewiß das entseblichste Loos von Allen.

Präs. : Ihr Gutachten geht also dahin : Der Angeklagte war zur Zeit der Begehung der That zurecnungsfähig, sein freier Wille war nicht ausgeschloffen, Sie konnten weder für jeßt noch für früher eine Störung feines Geistes wahrnehmen? Sachverständiger: Ja. Präs. : Angeklagter! Haben Sie Etwas zu ecinnern? Angekl.: Nein. Ver- theidiger: Das Eine möchte ih hervorheben: Nach den gepflogenen Recherchen hat sich ergeben, daß der Großvater mütterlicher Seits sich erhängte. Welches Gewicht legt der Herr Sachverständige hierauf 2 Sachverständiger: Jh erinnere mich jeßt ganz genau auf diese Er- hebungen. Der langjährige Hausarzt Dr. Rasche, welcher in der Fa- milie fortwährend beschäftigt war, meinte, daß diescr Großvater ein ganz verständiger und ruhiger Mann gewesen sei, an welchem er niemals die geringste Spur von Geisteskrankheit bemerkte, und daß nur ein {weres Fußleiden ihn zu dem traurigen Entschlusse des Selbstmordes- brate. Hofrath Dr. Rienecker: Damit ist auch ein Theil meiner beabsichtigten Frage beantwortet. Es ist also Thatsache, daß der Großvater des Angeklagten sich selbst das Leben nahm? Präf.: Es wird das, glaube ih, noch zur Verlesung gelangen. Dr. Rienecker: Es würde mich sehr interessiren, das Zeugniß des Dr. Köppe zu vernehmen. Dr, v. Fabr.: Des Dr. Kippe! Hofrath Dr. Rienecker : Verzeilstn Sie, ih kenne den Herrn persönlich, er heißt Köppe. Präs. : Das Zeugniß ist bei den Akten und kann verlesen werden.

Achtundzwanzigfter Zeuge: Dr. Friedr. Vogt leistet den Eid als Zeuge und Sachverständiger und fährt fort: Ich bin 63 Jahre alt, zu Aschaffenburg geboren, Altkatholik, verheirathet, _Kreis- Medizinal-Rath dahier; die übrigen allgemeinen Fragen verneine ih. Prâs.: Sie haben den Angeklagten in der Frohnfeste öfters unter- fucht; Sie haben der heutigen Verhandlung beigewohnt ; wollen Sie uns nun Ihre Ansicht, Ihr Gutachten über den jeßigen geistigen Zu- stand des Angeklagten und, so weit möglich, über jenen während der That, welche ihm zur Last gelegt wird, kund geben? Sachverstän- diger: Meine Herren Geschworenen! Wenn das normale Berhalten des Geisteszustandes eines Angeklagten beanstan- det wird, dann pflegen wir die körperlihe Beschaffen- heit desselben einer genauen Untersuhung zu unter- ziehen; denn bei dem innigen Zusammenhange zwischen den geistigen Aeußerungen und den Organen des Körpers können wir erwarten, daß mit geistiger Störung auch eine Abnormität des Körpers verbunden zu finden ist. Fassen Sie den Angeklagten ins Auge! Er ist kleiner Statur, mißt 158 Ctm., sein Körper gedrungen, regelmäßig, seinem Alter von 21 Jahren gemäß entwickelt. Seine Physiognomie nicht unangeuehm, sein Mienenspiel dem jeweiligen Gedankengange ent- sprehendz fein Auge beweglich, aber Personen „und Gegen- stände sharf und verständig fixirend; seine Stimme ist nit nachs drucksam, aber- seine Sprahe {nell und flicßend; seine Stirne ist breit und gerade, wie seine Gesichtsmiene. Nichts erinnert an den Typus eines Schwachsinnigen Ueber seinen Schädelbau geben uns Umfang und Durchmesser Auf- s{chluß. Der Umfang feines Schädels beträgt 544 Cm. das Durchschnittsmaß ift 54,5 Cm.; in Folge der Angaben Virgoffs in den Durcschnittsmessern. Der längste Durchmesser des Kopfes von Stirne bis Hinterhaupt beträgt bei Kullmann 17,7 Cm. das Duchschnittsmaß ist 18,3 Cm., also 6 Mm. wäre dieser kürzer. Der Querdurchmesser oberhalb des Schädelbeines von einem Theile zum andern beträgt 16,3 Cm. das Durchschuittémäß ist 15,1 Cm. also 12 Mm. ist der Querdurhmesser größer als gewöhnlih. Wenn man nun vergleicht das Verhältniß zwischen der Breite und der Länge des Kopfes, so verhält fich fsolhes im läng- sten Durchmesser wie 92 : 100; das Durschnittsverhält- niß ist 80 : 100. Also der Kopf Kullmanns gehört zu den exquisiten Breit- oder Querköpfen. Ich will noch eine Ano- malie erwähnen. Unmittelbar oberhalb des Dberhauptes P der Schädel Kullmanns die größte Breite, welche gewöhnli erst ober- halb an den Schädelbeinen vortritt. Die rechte Kopfhälite ist um ein Weniges, ungefähr 1 Ctm., mehr entwickelt, als die linke. Wenn ih nun noch der kleineren Verbindungen erwähne, daß z. B. seine Ohrenläppchen an die Wangen angewachsen sind, daß er Flachfüße im geringen Grade hat, die ihn leider vom Militärdienste be- freiten, jo glaube ich die äußeren Abnormitäten so ziemlich berührt zu haben. Was seinen Gesundheitszustand betrifft, giebt Kullmann an, daß er in seiner Jugend die Masern hatte, sonst aber nie frank war. Er beklagt fih über keine Körperleiden, kein Kopfweh, es gehen alle Funktionen ordentlih von Statten, Einen Befund darf ih wohl nicht übergehen: Kullmann ist seit 14 Jahren 2mal syphilitisch infizirt gewesen, es sind hiervon die Narben noch ersichtlih; es mag dies doch einen Schluß zulassen auf eine gewisse Zügellosigkeit der Sitten. Wenn ich Ihnen den äußeren Befund sei- nes Körpers rekapitulire, so finde ih einige Anomalien am Schädel“