1874 / 269 p. 10 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 16 Nov 1874 18:00:01 GMT) scan diff

In Betreff der Rückforderung bereits erstatteter Unterstüßungskosten und der Verpflihtung des Dienstorts hat in Sachen Zimmermannshor|t wider Stargard das Bundesamt für das Heimathwesen in seinem Er- kenntnisse vom 10. Oktober 1874 nah dem „Centralbl, für das D. R.“ Folgendes ausgeführt:

Das angefochtene Erkenntniß verneint die Kompetenz des ange- rufenen Verwaltungêgerihts zur Entscheidung über den erhobenen Klaganspruch, indem es, von der Annahme ausgehend, daß Kläger die streitigen Kurkosten nit als vorläufig unterstüßender, sondern als vermeintlih definitiv verpflihteter Armenverband aufgewendet habe, den Anspruch desselben als condictio indebiti charafkterisirt. Die Inkompetenterklärung des ersten Richters ift indessen niht begründet,

__ Die Parteien streiten darüber, ob Kläger als Armenverband des

Dienstortes nah §. 29 des Reichsgeseßes vom 6. Juni 1870 verpflich- tet war, dem in Zimmermannshorst an den Pocken erkrankten Robert St., welcher im städtischen Lazarethe zu Stargard vom 3.—26. Sep- tember 1871 verpflegt worden ist, die erforderliche Krankenpflege auf eigene Kosten zu gewähren, oder ob Verklagter als Armenverband des Unterstüßungswohnsißes für die vom Kläger aufgewendeten. Kur- kosten cinzustehen hat. Gegenstand des Streites ist also eine Frage des Armeunrechts, welche dadur allein, daß e sfich um Rükforderung von Kurkoster handelt, nicht zu einer Frage des Privatrechts wird, und nah §. 37 des Reichsgeseßes der Entscheidung der Spruchbehör- den in Armensachen unterliegt, mag nun Kläger die streitige Auf- wendung, wie er bchauptet, als -vorläufig unterstütender oder als vermeintlich definitiv verpflihteter Armenverband gemacht haben. Daß leßteres für die Beurtheilung der Kompetenz obne Bedeutung ist, hat das Bundesamt, abw-ichend von früheren Entscheidungen, in dem Erkenntnisse vom 11. Mai d. J. (oben Seite 237) ausführlich dargelegt. -

Die Abweisung des Klaganspruches, welche der Tenor des ange- fohtenen Urtheils allgemein ausspricht, war aber aus anderem Grunde zu bestätigen. Verklagter ist zur Rüerstattung der streitigen Kur- kosten nah §. 30 des Reichêgefeßes nicht verpflichtet, wcil Kläger dem erkrankten Robert St. die erforderlihe Krankenpflege, deren Dauer fechs Wochen nicht erreichte, nah §. 29 1. e. auf seine Kosten zu ge- währen hatte.

Kläger hat diese seine Fürsorgepflicht ursprünglich selb anerkannt und bestreitet dieselbe jeßt nur, weil das Verhältniß des Robert St. zu dem Kolonisten L. in Zimmermannëéhorst, wenn es bei dem jugend- lichen Alter des ersteren überhaupt als ein Gesindedienstverhältniß an- zusehen sei, wegen „mangelnder Einwilligung des Vormundes in den Miethvertrag rechtlicher Wirksamkeit entbehrt habe. Nach den Vor- lagen war der elfjährige Robert St. von 2c. L. zum Hüten der Kühe während der Weidezeit gegen Lohn und Kost gemicthet. Sein jugend- liches Alter brachte es mit si, daß er dur seine Dienstleistung vom Schulbesuch nicht abgehalten werden durfte, hindert aber nit, daß das Dienstverhältniß, welhes der Begriffsbestimmung der Gesinde- ordnung vom 8. November 1810 vollständig entspricht, au im Sinne des §. 29 des Reichêgeseßes vom 6. Juni 1870 als Gesindedienst zu betrachten ist, da unmündige Personen von dem Eintritte in Gesinde- dienste geseßlich an sich nicht ausges{lossen sind. Sie bedürfen nur nach §. 10 der Gesindeordnung gleich den Minderjährigen der Zu- timmung des Vaters oder Vormundes, um sich zu vermiethen. Bird diese Zustimmung versagt, so is das Vertragsverhältniß nicht bindend (Allg. Landrecht Th. 1. Tit. 5 §. 10 bis 13): allein so lange es faktisch fortgeseßt wird, steht der Dienste leistende Unmündige immerhin im Gefindedienst. Jm vorliegenden Falle kommt hinzu, daß der abwesende Vormund des Robert St. seine Zustimmung nicht versagt, sonderz wenn auch erst nah thatsächlicher Beendigung des Dienstverhältnisses, noch ertheilt hat. Um fo weniger läßt sich fin- giren, daß kein Dienstverhältniß bestanden habe. *

__ Daß Robert St. während faktischer Dauer des Dienstverhält- uisses erkranft und am Dienstorte hülfsbedürftig geworden ist, hat Kläger nicht bestritten und muß als feststehend angenommen werden. Zwar is die Fürsorge des Klägers anscheinend nicht in Anfpruch genommen worden, fo lange fich der Kranke in Zimmermannshorst befand. Allein da die Königliche Regierung zu Stettin, wie Bl. 32h. act. bezeugt, in Vertretung dês Armenverbandes Zimmermannshorst das Verfahren des Kolonisten L., welher den Kranken in das städtische Lazareth zu Stargard brachte, ausdrücklih gutgeheißen hat, jo muß es so angesehen werden, als wenn Kläger selbst für die Ver- pflegung des St. Sorge getragen hätte. Dann licgt kein Grund L dRE Hervortreten der Hülfsbedürftigkeit am Dienstorte zu

eln.

Die Militär-Magazin-Beamten sind nah einer Ober-Tribunals-Entscheidung vom 20. Oktober cr. als Civilbeamte der Militärverwaltung, welche ihren Gerichtsstand auch in Strafsachen bei den Civilgerihten haben, anzusehen. Nach den für das Reichsheer geltenden Bestimmungen sind die- jenigen Beamten der Militärverwaltung, welche in dem, dem Reichs-Militärgesezbuche unter Litt. A. beigefügten Verzeichnisse als Militärbeamte aufgeführt find, der Militärgerichtsbarkeit un- terworfen. In diesem Verzeichnisse sind die Magazinbeamten niht aufgeführt. Nur im Kriege und während des mo- bilen Zustandes der Truppen gehören die oberen Feld- Magazinbeamten bis einshließlich der Magazin-Assistenten zu den Militärbeamten.

Nach einem anderen Ober-Tribunals-Erkenntniß vom L E s p einer Privatperson zustehende Expro- iationsre urch eigenmächtige Bes it i ausgeübt werden. : S

Nah §. 68 des R. St. G. B. unterbricht jede rih- terlihe Handlung, welche wegen der begangenen That gegen den Thäter gerichtet ist, die Verjährung. Dagegen wird, wie im Anschluß an diese Bestimmung das Ober-Tribunal in einem Erkenntniß vom 16. Oktober cr. ausführt, der Lauf der Verjährung dur ein der gerihtlichen Untersuhung voraus- T administratives Strafverfahren nicht unter-

rohen.

Nah werden bekanntlih die Stadtverordneten auf 6 Jahre ge- wählt. Alle zwei Jahre scheidet ein Drittheil der Mitglieder aus; die Neuwahlen finden nah §. 21 alle zwei Jahre im November ftatt. Von den 108 Stadtverordneten der Stadt Berlin scheiden demnah geseßmäßig am 1. Ianuar 1875 und war in gleiher Stärke aus den 3 Abtheilungen 36 aus. Da außerdem 5 Ersazwahlen nothwendig, hat jeht die 11 Abtheilung 13, die 1]. Abtheilung 14, die 1. Abtheilung 14 Wahlen vorzuneh- men. Dieselben vertheilen fich auf die einzelnen Wahlbezirke, wie folgt: 1. Wahlbezirk (Stadtbezirke 4 u. 5): 1 (111. Abth.), 2. Wahlbezirk (St.-B. 1 u. 6): 1 (1, Abth.), 3. Wahlbezirk (St.-B. 2 u. 7): 1 (11. Abth.), 4. Wahlbezirk (St.-B. 3, 8 U. 138): 1 (111. Abth.), 6. Wahlbezirk (St.-B. 12, 100 u. 101): 1 (1. Abth.), 7. Wahlbezirk (St.-B. 14, 15 u. 16): 1 (1. Abth.), 8. Wahlbezirk (St.-B. 17, 20 u. 22): 2 (1. u. 1. Abth.), 10. Wahlbezirk (St.-B. 24, 28 u. 29): 1 (ll. Abth.), 11. Wahl- bezirk (St.-B. 25 u. 26): 1 (11. Abth.), 13. Wahlbezirk (St.-B. 31 u. 33): 1 (11. Abth.), 14. Wahlbezirk (St.-B. 44—50): 3 (1, Il u. 111. Abth ), 15. Wahlbezirk (St.-B. 37, 38, 41, 42 u. 43:2 (L u L Abth.), 17. Wahlbezirk (St.-B. 27): 1 (1. Abth.), 18. Wahlbezirk (St.-B. 34, 39, 81): 1 (1. Abth.), 19, Wahlbezirk (St.-B. 40, 82, 84): 1 (111. Abth.), 20. Wahl-

S. 18 der Städteordnung vom 30. Mai 1853

(76—80, 83, 88 u. 99): 1 (1. Abth.), 22. Wahlbezirk (St.-B. 959, 60, 69, 70, 74, 75, 89, 90 u. 91): 1 (11. Abth.), 23. Wakhl- - bezirk (St.-B. 61—68, 71—73, 92—98): 1 (1i. Abth.), 24. Wahlbezirk (St.-B. 185—189): 2 (1. u. ill. Abth.), 25. Wahl- bezirk (St.-B. 145, 147—150, 184): 1 (1 Abth.), 26. Wahl- bezirk (St.-B. 144, 146, 151—153): 1 (11. Abth.), 27. Wahl- bezirk (St.-B. 140—143, 167): 1 (1. Abth.), 28. Wahlbezirk (St.-B. 139, 165, 166, 168—177): 1 (1. Abth.), 29. Wahl= bezirk (St;-B. 126, 127, 132— 137): 1 (l. Abth.); 30. Wahlbezirk (St.-B. 125, 128—131): 2 (0. u. 1. Abth.), 31. Wahlbezirk (St.-B. 118—121): 2 (1. u. 111. Abth.), 32. Wahlbezirk (St.-B. 102—106, 122—124): 2 (1. u. Ul. Abth.), 34. Wahlbezirk (St.-B. 164, 178—181, 183): 1 (ll. Abth.), 39. Wahlbezirk (St.-B. 21, 51—58): 1 (11. Abth.), 36. Wahl- bezirk (St.-B. 182, 190—210) : 1 (11. Abth.). Wie bereits in Nr. 257 d. Bl. mitgetheilt, finden, nahdem die 11]. Abtheilung heut gewählt hat, die Wahlen für die U. Abth. am 18., für die 1, Abth. am 19. November statt.

Die Bevollmächtigten zum Bundesrathe, Justiz-Minister von Mittnacht und Ministerial-Präsident, Wirklicher Geheimer Rath von Freydorf, find von Stuttgart und resp. Karlsruhe hier eingetroffen.

Der Kaiserlich russishe Reichskanzler Fürs Gorts cha- koff traf gestern in Begleitung seines Sohnes, des Kaiserlich russischen Gesandten bei der \{chweizerischen Eidgenossenschaft, hier ein und nahmen im rusfishen Botshaftshotel Wohnung.

: Der Fürst zu Sayn-Wittgenstein-Hohen stein ist hier eingetroffen und im Hotel Royal aboeficiae E

Zur Abstattung persönliher Meldungen find hier ein- getroffen: Der General-Major von Helden-Sarnows ki, Commandeur der 14. Feld-Artillerie-Brigade, und General- Major von Pfuhl, Commandeur der 22. Kavallerie-Brigade, von Caffel.

S. M. S. „Ariadne“ ankerte am 2. November cr. früh auf der Rhede von Port-Said, lief mit Tagesanbruch in den Hafen ein und beabsichtigte am 8. dess. Mts. die Reise durch den Kanal fortzusezen.

__ Breslau, 14, November. (Schles. Ztg.) An den beiden Sißungen der Landesdeputation von Sthlesien, welche am 5. und 6. November im Ständehause stattfanden, nahmen Theil der Landtagsmarschall Herzog von Ratibor, der Landes- hauptmann von Sthlesfien Graf Pückler, der Herzog von Sagan, der Landtagsmarschall-Stellvertreter Landeshauptmann der Ober- lausiz v. Seydewigz, Landrath v. Heydebrand, Regierungs-Rath a. D. v. Woyrsch, Geh. Kommerzien-Rath Franck, Kaufmann Trautwein, Erbscholtiseibesizer Werner und Erbscholtiseibefitzer Schönfelder. Am ersten Tage führte der Herzog von Ratibor, am zweiten der Landeshauptmann der Oberlausiß von Seyde- wiß den Vorsiß. Unter den Lorlagen, welche erledigt wurden, find folgende hervorzuheben:

Die Ober-Präfidialerlasse vom 27. Juli und vom 25. August, betreffend die Einführung der Mobiliarversicherung, gelangten zur Kenntniß der Landesdeputation, welche beschloß, einen Entwurf zum Reglements-Nachtrage nah den Intentionen der Königlichen Staats- Regierung auszuarbeiten und in der nächsten Sißung Kenntniß davon zu nehmen, um alsdann den Entwurf unter Vorbehalt der Genehmi- gung des Provinziallandtages dem Herrn Ober-Präsidenten vorzulegen.

Der zur Vertheilung der Zinsen des v. Kattowißschen Stiftungs- fonds pro 1874 vorliegende Plan wurde genehmigt. Es ist seiner Zeit bereits erwähnt p , „en, daß Ler v. Katiowitile Stiftungsfonds in die provinzialstänßl{s{he Verwaltung Üübergegängen, und daß die Zinsen desselben zur Unterstüßung armer Schulkinder durh Lehrmittel und Kleidungsstücke bestimmt sind. Berechtigt zur Beanspruchung der Wohlthaten dieses Fonds sind nur einzelne Gebirgskreise der Provinz, 3. B. Glatz, Habel\hwerdt, Hirschberg, Landeshut, Reichenbach.

Die Versammlung nahm Kenntniß von dem Jahresbericht pro 1873, welcher Seitens des Landeshauptmanns erstattet wurde, ebenso von den Jahresberichten der Verwaltuugskommissionen der Provinzial- Irrenanstalten zu Leubus, Brieg, Bunzlau und Plagwiß pro 1873, der Land-Armendirektion, der Direktionen der Provinzial-Darlehus- fasse, der Provinzial-Hülfskasse, der Provinzial-Land-Feuersozietät, der Provinzial-Städte-Feuersozictät, fämmtlich pro 1873 erstattet. Die Versammlung fand bezüglich dieser Jahresberichte nichts zu erinnern

_Es 1ourde ferner Kenntniß genommen von einem Schreiben der Direktion der Hiesigen Blinden-Unterrichtsanstalt, in welchem auf die von dem Provinziallandtag zur Begründung einer Blinden-Erziehungs- anstalt dem Institut zugewandte Subvention verzichtet wird. Es wurde dabei das Bedauern ausgesprochen, daß das Projekt von der Anstaltsverwaltung aufgegeben worden.

Die Aus\chreibung der Beiträge zur Unterhaltung der Irren-

anstalten, sowie der Freistellen bei den Taubstummen- und Blnden- Unterrichtsanftalten und der Kosten der Verwaltungsgerihte pro E g i A E e ebenso die J )reibung der Landarmenbeiträge pro i ) 17480 Ttind g im Betrage von Dem Krankenhause Bethanien zu Steinau wurde cine Subven- tion von 100 Thlrn. bewilligt, ebenso eine Reihe von Penficnen und persönlicher Unterstüßungen, ferner vershiedenen Ortsarmenverbänden Beihülfen für die Zwedcke der Ortsarmenpflege.

Es wurde mitgetheilt, daß der Provinzial-Jrrenaustalt zu Leu- bus von einem Comité die Marmorbüste des Geh. Sanitäts-Raths Dr. L O worden. Man besch{loß, einen Gipsabguß der Büste zu beschaffen und denselben dem Provinzial-Museum zum Ge- schenk zu überweisen.

Posen, 16. November. (W. T. B.) Der Dekan To- maszewsky in Trzemeszno is nah Verbüßung der bereits gegen ihn erkannten einmonatlihen Haft wegen seiner fort- geseßten Weigerung, Auskunft über die Person des apostolischen Delegaten zu geben, zu 6 Monaten Haft verurtheilt worden.

Sefssen. Darmstadt, 14. November. Die Tagesord- nung der heutigen (26.) Sigzung der Ersten Kammer um- faßte u. A. die Berathung und Abstimmung über die Geseß- entwürfe, betreffend das oberste Verwaltungsgericht und die Einführung der. Reihsmarkrechnung im Groß- herzogthum, ferner die Nechenschaftsablagen über die Großher- zoglih hessishe Militärverwaltung für die Iahre 1868 und 1869, den Wiederaufbau des abgebrannten Hoftheaters, sowie die Er- bauung eines Magazins für Dekorationen 2c. betreffend, den Neubau eines Gymnasiums zu Gießen betreffend, die Erwerbung, Erhaltung und Wiederherstellung der Kapelle auf dem Hofe Iben bei Fürfeld, im Kreise Alzey, aus Staatsmitteln betreffend, den Antrag der Abgg. Matty und Schröder, die Erhöhung der Wittwen- und Waisengehalte der Volks\chullehrer für 1873 und 1874 betreffend U. st w. Sämmtlihe Gegenstände wurden in Uebereinstimmung mit den Beschlüssen der Zweiten Kammer erledigt. Eine Ausnahme bildete die Vorlage, betreffend den Neubau eines Gynnasiums zu Gießen, bei welcher dem Beschluß der Zweiten Kammer, eine Summe bis zu 115,000 Fl. alsbald zu bewilligen, jedo vorbehaltlih \pä-

bezirk (85, 86, 87): 3 (1., 11. u, 111. Abth.), 24, Wahlbezirk

vielmehr in Uebereinstimmung mit der Regierung bes{lo wurde: für alsbaldige Erwerbung eines Bauplaßes 8000 Fle bewilligen und die Bereitwilligkeit auszusprehen, die für den Bau weiter erforderlihe Summe bis zu einem Gesammtbeirage von 150,000 Fl. zu bewilligen, \obald von der Regierung ein neuer Plan und Voranschlag unter Berücksichtigung möglicher Ersparnisse vorgelegt werde. Die Kammer vertagte fih hierauf auf unbestimmte Zeit.

In der heutigen Sizung der Stadtverordneten entshied man sih einstimmig gegen die Einführung einer Ma- gistrats-Verfassung und schritt sofort zur Wahl zweier unbesol- deter Beigeordneten. Gewählt wurden die seitherigen Beigeord- neten Appfel und Lauteschläger mit 22, bezw. 20 Stimmen. Der in der Minderheit gebliebene Ober-Studien-Rath Küchler von nationalliberaler Seite in beiden Wahlgängen in Vorschlag gebracht, erhielt nur 14, bezw. 13 Stimmen.

Sachsen - Meiningen - Hildburghausen. Meinin- gen, 10. November. (Weim. Ztg.) Der vertagt gewesene Landtag hat gestern in dem interimistish zum Situngslokal hergericteten Saale des Schüßenhauses seine Sizungen wieder eröffnet. Der Präsident Rückert gedachte einleitend- des Brand- unglücks und der reichen Theilnahme, welche ein Zeichen für das Einheitsgefühl sei, das im deutschen Volke Wurzeln geschlagen. Zur Tagesordnung wurde nur über die Verweisung der Vor- lagen an die Aus\hüsse verhandelt und für das Volks\hul- und Lehrerbesoldungsgeseß ein neuer aus sieben Mitgliëdern be- stehender Aus\{huß gewählt. Das oben erwähnte, von den Lehrern des Herzogthums Meiningen seit langer Zeit mit Sehn- sucht erwartete Volks\hulgesez enthält in 6 Abschnitten 87 Paragra- phen. Der wichtigste Abschnitt is unstreitig der fünfte, welcher von der Verwaltung und Beaufsichtigung der Volks\hule han- delt. Im Auszuge gegeben enthält derselbe folgende wesentliche Bestimmungen: Die Schulangelegenheiten in der Gemeinde wer- den von dem Ortsvorsteher und dem Gemeinderathe vermaltet, bei Vereinigung mehrerer Gemeinden zu einer Schulgemeinde dur einen Schulgemeinderath. Zur Theilnahme an den Ver- handlungen des Gemeinderaths in Sqchulangelegenheiten ernennt die Ober-Schulbehörde zwei stimmberechtigte Mitglieder (nah den Motiven in der Regel den Pfarrer und einen Lehrer). Diese den Gemeindebehörden zugewiesene Orts\hulaufficht wird in den Städten 1. und 2. Ordnung dur die Rektoren ausgeübt, für die übrigen Volks\hulen wird dieselbe von den Gemeinde- behörden einem von 3 zu 3 Iahren zu “wählenden geeigneten Manne aus dem Shulbezirk unter Genehmigung der Oberschul- behörde übertragen. Das Amt des Orts\chulaufsehers ift ein unentgeltlih zu verwaltendes Ehrenamt; die Aufficht über den Religionsunterriht führt der Ortsgeistliche, bez. der Geistliche der Kultusgemeinde, nah deren Bekenntniß der Religionsunterricht ertheilt wird. Die ftaatlihe Beaufsichtigung und Leitung des Schulwesens im Kreise wird, namentlih was die äußeren Ange- legenheiten des Schulwesens betrifft, von dem Herzoglichen Land- rathe ausgeübt. Zur Beauffichtigung des Unterrichtsbetriebes und der Amtsthätigkeit der Lehrer werden demselben von der Staatsregierung Bezirks-Schulinspektoren beigegeben. In den Städten 1. und 2. Klasse gehen die Zuständigkeiten des Land- raths in Schulsahen auf den ersten Bürgermeister Über, die des Bezirks-Schulinspektors auf den Schuldirektor. Die Auf- sicht über den Religionsunterriht in den Diôzesen fällt den Ephoren zu. Die Bezirks-Schulinspektoren . werden von der Oberschulbehörde mit Genehmigung des Landesherrn zu- nächst auf 3 Jahre ernannt und qus der Staatskasse remunerirt. Das Bezirks-Shulinspektorat soll als Neben- amt betrachtet werden. Für das gesammte Herzogthum sind 15 bis 20 Bezirks-Schulinspektoren in Ausficht ge- nommen, von denen jeder eine jährlihe Remuneration von 2500 Mark beziehen soll. Zu denselben sollen genommen werden Superintendenten, Seminarlehrer, Pfarrer, Rektoren und nah Befinden au seminaristisch gebildete Volks\chullehrer. Die Ober- Schulbehörde des Herzogthums ist die Ministerial-Abtheilung für Kirchen- und Schulensachen ; das Referat in derielben hat regel- mäßig der Schulrath. Demselben liegt auch ob, alle öffentlihen Schulen in regelmäßigen Zeiträumen von 5 Jahren wenigstens einmal zu inspiziren.

__— Der Gemeindevorstand veröffentliht cin vom Ge- meinderath beschlossenes und vom Staats- Ministerium nach Gehör des Kreisaus\husses bestätigtes, sofort in Kraft tretendes Statut, dessen (bereits erwähnter) wichtigster Paragraph fol- gendermaßen lautet:

„Die innerhalb der Stadt noch bestehenden Scheunen und Ge- bâude der in §. 1 erwähnten Art (zur Aufbewahrung von Reisig, Gebüsch und dergleichen leiht feuerfangenden Gegenständen) sind in Berüsichtiguhg der durch dièselben bei eintretendem Branduúglück erhöhten Gefahr bis zum 1. Juni 1876 entweder ganz zu entfernen fia bezüglich ihrer bisherigen Benußungêweise außer Gebrauch zu eßen.

Schwarzburg - Sondershausen. Sondershausen 14. November. Am 10. d. M. ftarb hierselbst nah längeren Leiden der Fürstlihe Geheime Staatsrath a. D. F. Schöne- mann im 74. Lebensjahre, welcher eine längere Reihe von Jahren als Vorstand der Abtheilung für Justiz, sowie für Kirchen- und Schulangelegenheiten verdienstlih wirkte und einige Zeit provisorish an der Spige des Fürstlihen Ministeriums stand.

Lübe, 16. November. (Lüb. Ztg.) Nachdem durch den Rath- und Bürgershluß vom 2. d. M. eine Erhöhung der Kostgelder für das Irrenhaus eingetreten ift, hat das anfäng- lihe Postulat von R.-Mk, 2000 um R.-Mtk. 1000 natßträglich verringert werden können, und stellt in Folge dessen auch die Gesammtausgabe des Budgets für 1875, wie solhes im Finanzdepartement genehmigt if, sich nun ebendaselbst R.-Mk. 1000 niedriger, also auf R.-Mk. 2,386,341. 89, ab von der veranshlagten Gesammteinnahme des Jahres 1875 R. - Mk. 2,472,609. 45, bleibt ein Ueberschuß von R.-Mk. 82,267. 85.

Bremen, 15. November. Senator Richter Dr. jur. G er- hard Caes ar ist gestern Vormittag hohbetagt gestorben. Er war geboren im Jahre 1792 und in den Senat gewählt 1832. Im Iahre 1849 trat er in das Richterkollegium über und führte das Präsidium im Obergeriht. Im Oktober 1864 wurde er auf sein Ansuchen seines Amtes ehrenvoll entlassen.

_ Dieser Tage werden, wie man den „H. N.“ schreibt, hier Kommissare des Reichs isenbahn-A mts erwartet, um die hiesigen Verkehrsverhältnisse und Einrichtungen, die Zoll- abfertigung der Eisenbahnfrahtgüter eingerehnet, aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Die hiesige Handelskammer ist vom Reichseisenbahn-Amte eingeladen worden, Vertreter zu er- nennen, welhe mit den Kommissaren in Berathung gehen und 7 ihnen die Wünscte* der Geschäftswelt über anzubahnende Ver- befserungen vortragen könnten.

terer Rechenschaftsablage und mit der Maßgabe, daß eine Di- rektorialwohnung zu entfallen habe, nit beigetreten wurde,

Niederlande. Haag, 16. November. Nach einer hier eingegangenen amtlihen Meldung aus Athin vom 8. d. haben die niederländishen Truppen neuerdings mehrere befestigte Stel- lungen der Atchinesen genommen und drei Ortschaften beseßt. Die Vertheidigungslinien von Pedir befinden sich vollständig in der Gewalt der Niederländer. Der Verlust derselben betrug nur 19 Verwundete, die Atchinesen hatten 60 Todte.

_ GroßFbritannien und Jrland. London, 14. November. Die Kaiserin von Rußland ist s\eit nahezu 14 Tagen in Folge eines Brust-Katarrhs, der indeß keinerlei Besorgnisse ein- flößt, an ihr Zimmer gefesselt. Dem „Hofjournal“ zufolge wird heute oder morgen der Leibarzt Ihrer Majestät von St. Peters- burg hier eintreffen. Die Uebersiedelung des Herzogs und der Herzogin von Edinburgh nah Eastwell-Park ift in Folge der Unpäßlichkeit der Kaiserin bis auf Weiteres vershoben worden. Der Großfürst-Thronfolger von Rußland stattete vorgestern in Begleitung des Herzogs von Edinburgh dem Ba- ronet Sir Anthony Rothschild in Afton Clinton einen Besuch ab und betheiligte fih an einer Jagd auf dessen Gute.

In Downing-street fand vorgestern ein weiterer M i- nisterrath unter voller Betheiligung der Kabinetsmit- glieder statt.

In Edinburgh starb am 9. d. Herr Evan P. Montagu Baillie, ein englisher Diplomat, der vielfach in Deutschland beschäftigt gewesen. Nachdem er im Juni 1846 Attache der britishen Botschaft in Wien gewesen und später der Legation in Frankfurt angehört, wurde er 1862 zum Geschäfts- träger in Stuttgart ernannt, und nachdem er eine diplomatische Stellung bei verschiedenen deutschen Höfen bekleidet, war er eine Zeit lang Geschäftsträger in Karlsruhe.

Der JIustizaus\{chuß des Geheimen Raths (Privy Council) hat seine Entscheidung über den Antrag des Waffenfabrikanten Hrn. Henry auf eine Prolongirung des das Martini-Henry- Gewehr {hüßenden Patents abgegeben. Dieselbe bezeihnet die Erfindung als eine verdienstvolle, die dafür von dem Erfinder bis jeßt empfangene Remuneration als unzulänglich und em- pfiehlt demnach der Krone die Prolongirung des Patents auf vier Jahre mit der Bedingung, daß die Tantième auf Gewehre

für militärishe Zwecke niht zwei Schillinge pro Stück über-

steigen dürfe. N 16. November. (W. T. B.) Lord Acton erklärt in

einer Zuschrift an hiesige Journale, daß die Nachricht von seiner

Betheiligung an dem Plane, eine altkatholishe Gemeinde in

- England zu konstituiren, der Begründung entbehre.

Canada. Aus Toronto wird unterm 12. d. M. der Zusammentritt der legislativen Versammlung von Ontario ge- meldet. Die Eröffnungsrede des Vize-Gouverneurs bezog \ich nur auf lokale Angelegenheiten. Er bezeichnete die finanzielle Lage der Provinz als befriedigend und zeigte an, daß der be- reits vorhandene Uebershuß fih während des Jahres beträchtlich vergrößert hätte.

Spanien. Madrid, 16. November. (W. T. B.) Bazaine wird Donnerstag hier eintreffen und wird hierselbst als einfacher Privatmann seinen dauernden Aufenthalt nehmen. Die von Neuem auftretende Nachriht, daß er der spanishen Regierung seine Dienste angeboten habe, wird abermals von unterrichteter Seite als unbegründet bezeihnet.

Italien. Rom, 16. November. (W. T. B) Nah dem Gesammtresultat der Wahlen zum Parlamente und den bisher vorliegenden Ergebnissen der Nahwahlen sind 271 der Rechten und 195 der Linken angehörige Kandi®aten ge- wählt worden. Aus 42 Bezirken i das Resultat uoch nicht bekannt.

Griechenland. Athen, 1. November. (Korr. v. u. f. D.) Morgen werden die öffentlihen Verhandlungen der Kammer beginnen. Der Kommandant und einige Offiziere des In- fanterie - Bataillons, das vergangenen Juni in Korfu blutige Scenen aufgeführt hat, wurden in Haft geseßt und Untersu- chung gegen dieselben eingeleitet. Die griehishe Regierung läßt in Belgien Gewehre nach dem Systeme eines griechischen Offiziers, Mylonas, anfertigen, mit welchen das Heer bewaffnet werden sol. Ein Kommission von Stabsoffizieren hat gefun- den, daß dieses die beste Infanteriewaffe von allen bis jeßt be- kannten Hinterladern sei. An der Grenze wurde der leßte Räuber aus der Bande des Takos Arvanitis, die in Griechen- land so viel Unheil angerichtet hat, gefangen. Diese Woche ist reihliher Regen gefallen, der für den Ackerbau von großem Nuyzen, für die Viehzucht aber die leßte Hoffnung war.

12. November. (Ag. Bord.) Troz der Anstrengungen der Opposition, die Wahlen von Attika aufrecht zu erhalten wurden diese in der Kammer mit 76 gegen 69 Stimmen annullirt.

Nußland und Polen. St. Petersburg, 14. November.

An den Grenzen Chiwa's, schreibt die „Turk. Ztg.“, dauern aller Orten große Unruhen fort. Nah Nachrichten von der Amu - Darja - Abtheilung leben alle vier Stämme der Merwschen Teke, die Bakschi, Ssyschla, Bek und Wakil, mit einander in Fehde. Raub und Plünderungen kommen beständig vor. Ihre Häuptlinge haben alles Ansehen verloren. Auch in diesem Jahr, wie alljährlih, bereiten sih die Teke vor, starke Partien an das rechte Ufer des Mittellaufs der Amu zu senden, um die Karawanen zu berauben, obgleich in jener Gegend eine Wachtabtheilung der Bucharen stationirt is. In Folge dieser Unruhen unter den Merwscher Teke \{chick Chiwa \chon längst keine Karawanen mehr nach Merw. Auch der Handel Buchara's ist dort nur gering uyd geht auch nur dadurch von Statten, daß einige der Teke-Aeltesten sich als Geißeln in Buchara befin- den. Ueber den Stamm der Achal-Teke, (welcher nördli von Merw lebt und im Sommer zwei Abgesandte an den Oberst Iwanow geschickt hatte, um seine Unterwerfung unter Chiwa und seine Friedfertigkeit gegen durhziehende Handelskarawanen zu versichern und um Schuß gegen die Jomuden zu bitten) wird der „Turk. Ztg.“ geschrieben, daß diesen Versicherungen der Achal-Teke-Turkmenen nicht zu trauen sei. Die Deputation habe faktish nur den Zweck gehabt, die Stärke und die Stellung des rusfischen Militärs zu erkunden, um dann später mit den Chiwa- ls Turkmenen gemeinschaftlihe Sache gegen die Russen zu machen. _ Der hauptstädtische Budgetanschlag für 1875 ist in diesen Tagen an die Stadtverordneten vertheilt worden. Derselbe beziffert ih in Einnahme und Ausgabe auf 4,850,969 R. Von den Ausgaben sind 3,649,124 R. gesezmäßige und 812,679 R. andere Ausgaben. Die größte Ziffer der geseß- mäßigen Ausgaben (991,910 R.) bildet der Unterhalt der Stadt- hauptmannschaft und der Polizei; dann kommt die städtische Verwaltung mit 457,325 R. und die Beleuchtung der Stadt mit 392,315 R. Unter den gesezmäßigen Ausgaben befindet fh u. A. auch ein Posten von 53,353 R. für den Unterhalt

der alten Polizeiverwaltung. Aus d¿n dem Budgetanschlag beigegebenen Anlagen ift zu ersehen, daß die städtischen Kapitalien, welhe eine besondere Bestimmung Haben und in laufender Rechnung bei der Reichsbank hinterlegt find, fich am 1. Oktober 1874 auf 1,081,019 R. beliefen; ferner, daß die Stadt am ge- nannten Tag 151,322 R. Schulden hatte, von denen im Iahre 1875 an Kapital und Zinsen 24,264 R. abzuzahlen sind. Andererseits hat die Stadt von der fstädtishen gegenseitigen Feuerversihherungsgesellshaft 309,100 R. zu fordern, von denen im Jahre 1875 Zinsen im Betrage von 9000 R. erwartet wer- den. Rückstände an Abgaben, Pachten 2c. hofft man 780,480 R. zu vereinnahmen. Dagegen werden Rückstände im Betrage von 4332 R. als hoffnungslos und uneinziehbar bezeichnet.

Schweden und Norwegen. Sto ckholm, 12. November. Die Näs\jö-Oscarshamnsbahn wurde heute vom Amt- manne Edelstam im Namen des Königs für eröffnet erklärt. Die Stadt Oscarshamn war festlich illuminirt und zur Feier des Tages wurden Mittags Kanonenshüsse abgefeuert. Am 19. soll, der „Snällpost“ zufolge, die Lidköping-Skara-Stenstorps- Bahn eingeweiht werden. Der König wird die Eröffnung der Bahn selbst| vornehmen, wonach er am 20. mit dem zurück- kehrenden Festzuge in Skara eintreffen wird.

Nach der „Post och Inr. Tid.“ sollen die zum Nach- lasse der Gräfin Danner gehörenden Güter in Schweden, nämlih- „Skönabück“ im Kirchspiele Slimminge, Malmöhus Amt, und „Elleholm“ in der Lister Harde, Blekings Amt, näh- sten Montag in öffentliher Auktion verkauft werden.

„Aftonbladet“ nennt als Reichstags-Kanditaten für Stocktholm an Stelle des Hrn. Hedin, welcher die Redaktion des genannten Blattes übernommen und aus diesem Grunde sein Mandat als Mitglied des Reichstages niedergelegt hat, den Professor Rofsander, welher auch vom „Stockholms Dagblad“ empfohlen worden if, sowie den Kammerrath F. A. Andersson.

Man fteht im Begriff, in Stockholm die erste Markt- halle zu errihten und zwar auf dem „Mälartorvet“. Die Halle erhält eine Länge von 131 Fuß und eine Breite von reihlih 27 Fuß.

Christiania, 12. November. Nah Mittheilung des yMorgenbladet“ wird der König am 21. d. M. in Christiania erwartet, Der Hauptzweck seiner Reise ist wahrscheinlih die Be- seßung des nah Ernennung des Staatsraths Essendrop zum Bischof im Christiania-Stift vakant gewordenen Staatsraths- postens.

Dänemark, Kopenhagen, 13. November. Dem Vernehmen nach gedenken der König und die Königin in der nähsten Woche die Residenz von Schloß Bernstorff nah Fredensborg zu verlegen.

Das Budget für Island auf das Iahr 1875 is am 6. d. Mts. sanktionirt worden. Die Einnahmen der Insel wer- den darin auf 230,261 Kronen, die Ausgaben auf eine eben \o hohe Summe veranschlagt. Gleichzeitig if für die Abrehnung für 1873 Decharge ertheilt worden. Dieselbe zeigt eine Ein- nahme von 99,085 Rdl., eine Ausgabe von 69,736 Rdl., also einen Uebershuß von 29,349 Rdl.

Die Einsammlung für die durch die Sturmfluth am 13. November 1872 beschädigten Bewohner der überschwemmten Küsten auf den dänischen Inseln if jeßt definitiv geschlossen worden. Das Resultat der ganzen Einsammlung beträgt 1,028,347 Rdl. 95 Schill.

Amerika. Washington, 16. November. (W. T. B.) Nach dem von dem Schatmeister der Vereinigten Staaten, F. E. Spinner vorgelegten Ausweise betragen die Jahresein- nahmen 762 Mill. Doll, worunter sih die neue Anleihe von 439 Mill. befindet. Die Ausgaben beziffern fih auf 742. Mil- lionen, darunter 531 Millionen zur Schuldentilgung.

New-York, 16. November. (W. T. B.) Hier einge- gangenen Nachrichten zufolge hat in Costa-Rica ein Auf- stand stattgefunden, welcher indessen alsbald niedergeworfen wurde. Ueber die Ursache desselben verlautet, daß die Bewohner von Nicaragua und Salvador versuht hätten, Joaquim Fernandez zum Präsidenten zu erheben, Die Insurgenten, welche sich vorübergehend des Hafens von Puentas-Arenas be- mächtigt hatten, wurden zersprengt. Aus Panama wird gemeldet, daß die s\panishen Kanonenboote „Tornado“ und „Gerona“ gedroht hätten, Laguayra zu bombardiren.

Ueber die Hungersnoth in Nebraska meldet eine in den New-Yorker Zeitungen veröffentlichte Depesche aus Chicago vom 22. ult.:

„Tod durch Hunger aus wirklichem Mangel an Nahrungêmitteln ist eine Kalamität, die 7000 Mänuern, Frauen und Kindern ins Gesicht starrt, und dies im Herzen der Getreide produzirenden Region des Landes. General O:d, dex Commandcur des Departements der Platte, der persönliche Kenntniß von den Thatsachen hat, meldete heute der Handelsbehörde in einfachen dir:kten Worten die traurige Geschichte des dur die Verheerungen der Heuschrecken verursachten Nothstandes im westlichen Nebrasfa. Er konstatirt, daß bereits meh- rere Hungertodesfälle stattgefunden haben. Väter wurden gezwungen, ihre Familien im Stich zu lassen, um Arbeit und Nahrungs- mittel zu suchen. In einem Hause wurde die Leiche eines Kindes gefunden, das aus Mangel an Nahrung umgekommen, und neben ihm die Mutter, niedergestreckt und sterbend aus derselben U:-sache. Er meldet, daß in Boone, Greeley, Sherman, Howard, Buffalo und sämmt- lichen anderen Kreisen 50 Meilen westlich vom Missouri-Flusse zwei Drittel der Bevölkerung von allen Nothwendigkeiten des Lebens ent- blößt sind. Sie besißen weder Kleidungsstücke noch Schuhe und die Beschaffung von Nahrungsmitteln if unmöglich. Ein Auss{huß a ernannt, um Schuhe zur Unterstüßung dieser armen Leute zu thun.

6 Einer der Pariser „Liberté““ zugegangenen Depesche aus Montevideo zufolge war dort die Nachricht verbreitet, daß am 11. d. eine gütlihe Vereinbarung zwischen dem Führer der In- \surgenten in Buenos-Ayres, General Mitre, und dem neuen Präsidenten, Avellaneda, zu Stande gekommen sei, wonach leßterer von der Präsidentschaft zurücktreten und die Vornahme der neuen Wahlen in kürzester Frist erfolgen würde. Sicheres war darüber indessen in Montevideo noch nicht bekannt.

Asien. Einer Mittheilung des englishen Generalkonsuls in Konstantinopel zufolge, find bereits 10,000 Männer, Frauen und Kinder der Hungersnoth in Kleinasien zum Opfer gefallen und Hunderttausende befinden sich im niedrigsten Sta- dium der Armuth. -

Die. Peckinger Zeitung vom 11. September enthält ein Dekret, welhes dem Prinzen Kung nnd seinem Sohne die erblihen Würden zurückerstattet, die ihnen durch Kaiserliches Edikt entzogen worden waren.

Afrika. Von der Gordon- Expedition wird dem „New York Herald“ aus Khartoum vom 10. d. ‘telegraphish gemeldet, daß Oberst Long von einer Reise nach dem Uyanda- Lande, die er von Gondokoro aus unternahm, zurückgekehrt sei.

Er wurde daselbst von dem König Amantizi gut aufge-

nommen. Er schildert die Route nach Gondokoro als sehr \{chwierig und unfiher für den Handel. Zwischen Uyanda und Gondokovo wurde er von etwa 400 Mann von König Kabriza's Stamme angegriffen; 82 wurden getödtet und die übrigen zer- \sprengt. Er berichtet, einen neuen Fluß - entdeckt zu haben, der im 19 30‘ nördlicher Breite situirt ist und angeblih von dem Viktoria-See in den Albert-Nyanza fließt. Er {hätt die Länge des Flusses auf 12 bis 15 Meilen. Die ganze Reise wurde mit Hülfe von Booten über die Katarakte von Kormah zurückgelegt.

Austcalien. (A. A. C.) Von den Sandwich-Inseln find via San Franzisko Nachrichten bis zum 10. Oktober ein- getroffen. Das Königreih war ruhig. Einer der Führer in den aufrührerischen Demonstrationen zu Gunften der Königin Emma, John P. Kahardu, ift wegen Verraths zum Tode verurtheilt wor- den und wird am ersten Freitag des nähsten Monats März gehenkt werden. Der König beabsihtigt eine vollständige Kabi- netsveränderung. Er gedenkt demnähst Amerika zu besuchen, um die Unterhandlung eines Reziprozitätsvertrages mit den Ver- einigten Staaten zu erleihtern. Die Washingtoner Regierung hat ihm zu diesem Behufe das Kriegsshif „Benicia,“ das gegen- wärtig im Hafen von Honolulu ift, zur Verfügung gestellt.

Statistische Nachrichten.

Das Königlich bayerische Staats - Ministerium des Innern, Abtheilung für Landwirthschaft, Gewerbe und Handel, hat die Er- gebnisse einer Erhebung über die in bayerischen Fa- briken und größeren G ewerbebetrieben zum Besten der Arbeiter bestehenden Einrichtungen veröffentliht (München 1874) Das genaunte Ministerium hat, um für die Be- urtheilung des Standes der Arbeiterfrage eine genaue Kenntniß der Thatsachen zu erlangen, zwei umfassende statistishe Erhebun- gen veranlaßt, deren eine dice Arbeitseinstellungen und Arbeits- aussperrungen, die andere die in Fabriken und sonstigen Gewerbe- betrieben bestehenden Einyrihtungen zum Besten der Arbeiter betrifft. Das Ergebniß der zweiten Erhebung is in dem vorliegenden Werke veröffentliht, welches reiches Material von hohem Interesse über die thatsächlichen Zustände der Fabriken und größeren Gewerbebetriebe des Landes auf 104 Seiten 4. enthält. Wir werden auf den Inhalt des Buches noch ausführlich zurückommen.

Von dem Jahrbuch für die amtliche Statistik des bremischen Staats, herausgegeben von dem Bureau für bre- mische Statistik, ist das 2. Heft des VII. Jahrgangs „Zur allge- meinen Statistik des Jahres 1873“ (Bremen, Kommissionsverlag von G. A. v. Halem 1874) erschienen. Dasselbe betrifft das Staats- gebiet, die Bevölkerung, das Grundeigenthum, die Landwirthschaft, die Industrie, Handel und Verkehr, den Waaren- und Schiffsverkehr, die Auswandererbeförderung, die Handelsflotte der Weser, das Geld- und Kreditwesen, das Versichernngswesen, die Konsumtion, die Arbeiter- bevölferung, die soziale Selbsthülfe, die öffentlihe Wohlthätigkeit und die Armenpflege, die administrative Polizei, das Gefängnißwesen, die öffentlihe Gesundheit und Gesundheitspflege, das Schulwesen, die Rechtspflege, die Staats- und Gemeindefinanzen, Ortschafts- verzeichniß.

Der General-Inspektor der franzöfischen Armee Chenu in Paris, der \. Z. über den Krimfeldzug und den italienischen Krieg interessante und werthvolle statistishe Angaken veröffentlichte, hat kürzlich ein ähnlihes Werk über die Verluste der französischen Armee während des leßten Krieges veröffentliht, Seinen Mittheilungen zu- folge verloren die Franzosen an in den Schlachten Gebliebenen, an Vermißten und an ihren Wunden und in Folge von Krankheiten Ge- storbezen 138,871; an Verwundeten 142,000 und an während der Märsche lahm Gewordenen 11,421; die Zahl derer, welche, -da sie vermißt worden, als todt eingeschrieben wurden, beträgt 11,914. Unter den Todten befanden sih 2881 und unter den Vermißten 96 Offiziere. Dr. Chenu weist darauf hin, daß die Deutschen nur 44,009 Todte und 127,000 Verwundete hatten, und fügt hinzu, daß die großen Verluste der französischen Armee der mangelhaften Beschaffenheit der Ambulanzen zugeschrieben werden müssen, da, wie es auch auf der Krim und in Italien der Fall gewesen, im en Krieg eine viel größere Anzahl Militärs im Spital an Krankheiten als auf dem Schlachtfeld oder an ihren Wunden gestorben seien.

Der britische General-Konsul in New-York macht in seinem Jahresbericht statistishe Angaben über die Selbstmorde in dieser Stadt im. F. 1873. Ihre Zahl belief fih nach dem Archiv des Leichenbeschauers auf 101; in demselben Jahre fanden in London, das eine dreimal größere Bevölkerung als New-York hat, 287 Selbfitmorde statt. Die Nationalität der Selbstmörder in New-York betreffend, so befinden sich darunter 40 Deutsche, 24 Bürger der Vereinigten Staaten, 17 Jrländer, 12 Eng- länder, 2 Franzosen, 2 Schweizer, 2 Russen, 1 Italiener und 1 Pole. Sechs der Selbstmörder waren jünger als 20 Jahre, 26 jünger als 30, 35 unter 40, 24 unter 50, 7 unter 60, 2 untec 70 und 1 unter 80 Jahre. 34 oder ein Drittel der Gesammtzahl starb durch Gift. In London starb nur ein Siebentel durch Gift; die übrigen Selbst- mörder erhängten si, schnitten sih den Hals ab oder ertränkten fich.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Die baulihe Erweiterung eines Theiles des Hospitals in Basel, ehemaligen Palastes der Markgrafen von Baden, hat einé Räumung der Familiengruft erforderlich gemacht, und aus diefem Grunde sind 6 Zinnsärge mit den Ueberresten verstorbener Glieder dieses Fürstenhauses heute früh in die Gruft nah Salem im Seekreis übergeführt worden.

Eine merkwücdige Entdeckung hat der „East Anglian Daily Times“ zufolge das Mitglied der Geographischen Gesellschaft Hr. J. E. Taylor gemacht; er hat nämlich im Orwell einen begra- benen Wald aufgefunden. Dieser Wald wird durch eine Torfschichte repräsentirt, welhe Stämme, Blätter und Früchte enthält von Eichen, Ulmen, Haselsträuchern und Fichten, unter denen sih Ueberreste vom Mammuth finden. Unter der Torfschihte liegt ein Bett von Süß- wassermuscheln, wie sie derartig im Orwell jeßt nit existiren. Hr. Taylor bemerkt, daß dieser Wald mit vielen anderen dort gestanden haben muß vor jener Senkung, welche England vom FRontinent trennt.

Die großbritannishe Regierung hat die Ausrüstung und Aussendung einer Polarexpedition beschlossen, welche aus zwei Dampfern bestehen und im kommenden Mai unter Segel gehen soll. Der eine Dampfer wird von Markham geführt.

Seit vorigem Freitag wüthet cin heftiger Sturm in der Adria. welcher in Verbindung mit einer außergewöhnlichen Barometer- depression und begleitet von hef'igem Regen und Schnee auftritt. Bei Triest herrschen stürmishe Bora und starke Schneefälle, welche den Verkehr arg bedrehen. Jn Dalmatien sind sämmtliche Telegraphen- verbindungen gestört. Auch aus Jtalien langen Meldungen über hef- tige Stürme und Schneefälle in Toêscana, Parma und der Lom- bardei ein; die Apenninen sind mit Schnee bedeckt. Aus Paris vom 14. d. schreibt man: Heute Nacht ist ein gewaltiger Orkan über

Paris dahergefahren.

Gewerbe und Handel.

Es liegt uns jeßt ein Exemplar des amtlihen Cours- zettels vor, wie er von der zu diesem Zwecke niedergeseßten Kom- mission der Sachverständigen-Kommission und des Aeltesten-Kollegiums in Berlin ausgearbeitet ist. Dem Probe: Eremplar sind diz Cours- notirungen vom 24. Oktober zu Grunde gelegt, derart, daß bei den- jenigen Gattungen, für welche die neue Usance oder die neue Reichs

markwährung einen Coursunterschied geger® die alte mit sich bringt,