1874 / 272 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 19 Nov 1874 18:00:01 GMT) scan diff

Nath einem Ober-Tribunals-Erkenntniß vom 26. Oktober cr. muß die in §. 15 des Geseßes vom 11. Mai 1873 erforderte Benennung der Kandidaten für ein geistliches Amt an den Ober-Präsidenten als solchen gerihtet werden. ‘Es genügt daher niht, wenn die Absicht, die Kandidaten anzustellen, in einem an das Provinzial - Schulkolle- gium gerihteten Schreiben erwähnt worden is und der Ober- Präsident in seiner Eigenschaft als Vorsißender des Pro- vinzial-Shu!lkollegiums von dieser Mittheilung Kenntniß erlangt hat.

Der Wirkliche Geheime Rath Ludwig Emil Mathis, dessen Ableben wir gestern meldeten, wurde am 31. Mai 1797 zu Berlin geboren. Nachdem derselbe von 1815—1818 hierselbft die Rechte ftudirt hatte, trat er 1818 als Auskultator bei dem hiesigen Stadtgericht in den Staatsdienst. Bereits 1823 wurde Mathis, wenige Tage nah Absolvirung der großen Staatsprüfung als Affessor, kaum 26 Iahr alt, zum Rath beim Stadtgericht in Berlin ernannt. Von 1829—1835 Kammergerichts- Rath in Berlin, ward er in leßterem Iahr zum Mitglied der „Bundes- Centralbehörde“ in Frankfurt a. M. berufen, um 1838 als Ge- heimer Regierungs- und vortragender Rath in das Ministerium des Innern einzutreten. Im Jahre 1840 wurde Mathis zum Geh. Ober-Regierungs-Rath und 1842 zum Mitglied des Staatsraths ernannt. 1846 erfolgte seine Ernennung zum Ministerial-Direktor, indeß \{chon 1848 ließ er sich nah den Müärzereignissen zur Disposition stellen. Seit 1850 Mitglied des Hauses der Abgeordneten, ward er 1859 und 1860 dessen Vize-Präsident, 1860 \chied er definitiv aus dem Staatsdienst. Gleihwohl wurde er 1865 nah dem Tode des Hrn. von Uehtrigz

erschienen ;

Seine Ernennung zum Wirklichen Geheimen Rath erfolgte Artillerie-Brigade, Weigelt, ist von seiner Reise zur Inspici- Der General-Major und Commandeur der 48. (4. Kö- stattung persönlicher Meldungen von Leipzig hier eingetroffen, Smyrna nah Konstantinopel in See gegangen und am 18. da- stattgehabten Ergänzungswahlen für die Stadtverord- 2. Wahlbezirk. 162 Wahlberechtigte, 3. W. B. 180 Wahlber., 93 erschienen; Dr. Kürten mit 62 (fog. nee Vereinigung) mit 105 St. wiedergewählt. gewählt. 1184 Wahlber.,, 355 erschienen; Kaufmann M. 16, W. B. 652 Wahlber., mit 127 St. neu gewählt. 25, W. B. 670 Wahlber., 295 erschienen; Buchbinder Jul. Dieliß mit 119 St. neu gewählt. mann (sog. Bergpartei) mit 84 St. wiedergewählt. 39. W. B. 955 Wahlber.,, 282 erschienen; Hr. Bollmann (freie Vereinigung) mit 128 St. wiedergewählt. Ganzen auch für die sog. Bergpartei ausgefallen zu sein. gemeldet wird, wegen unbefügter Vornahme geistlicher Amts- Vayerun. München, 17. November. Nach der vor tillerie-Offiziere und zwar, inkl. eines Generalmajors oder zu erwarten, da die Königlihe Verordnung mit Neujahr in vorschriften zu der AUerhöhsten Verordnung über die Ehren - gorien einschließlich der nah den bisherigen Bestimmungen mit nicht entzogen ift. Dagegen find die Militärärzte und Beamten Die „Allg. Ztg.“ \{hreibt: Ein vom IV. Civilsenat Reichsstaatsrecht in Bezug kommt. Es handelt sich um die auf gemäß Art. 23 der bayerishen Militärgerihtsordnung und be- zulagen und sonstigen Nebenzüge, wie das Service, in Anrech- tionsgeriht in München aber in einem gleihen Falle die Frage

gerihtlihen Erkenntnisse erhobene Nichtigkeitsbeshwerde „gelangte vor dem obenerwähnten Senat am 10. d. zur Verhandlung, und heute wurde das Erkenntniß desselben verkündet: die von den betheiligten Beamten gegen das Erkenntniß des Münchener Appellationsgerihts erhobene Beshwerde wird als unbegründet verworfen, dagegen die vom Fiskus eingelegte Beschwerde gegen das Erkenntniß des Appellationsgerihts zu Bamberg für be- gründet erklärt, demzufolge dieses Erkenntniß vernichtet und die Sache zur nohmaligen Verhandlung an einen andern Senat ver- wiesen. Durch das oberstrihterlihe Erkenntniß wird sonah aus- gesprochen : daß die Gehaliszulage als pensionsfähiges Einkommen nicht betrachtet werden könne, In den sehr umfassenden Entschei- dungsgründen wird in Uebereinstimmung mit dem Erkenntniß des Münchener Appellationsgerihts und der bei der Verhandlung am 10. d. von der Staatsbehörde vertretenen Ansicht im

Reichs-Staatsrecht, die Versailler Bündnißverträge zur Anwen- dung zu gelangen -haben, nach welchen Bayern verpflichtet ist, in Betreff der Organisation 2c. seiner Armee volle Gleichheit mit den aùdern deutschen Heeresabtheilungen, sonach auch eine Gleich- stellung in Betreff der Bezüge der Militärbeamten, herbeizu- führen. Durch die Bündnißverträge, welche die Zustimmung der bayerishen Kammer erhalten, sei auch der von den betreffenden Militärbeamten angerufene Art. 23 in so weit aufgehoben, als es zur Herstellung der vollen Gleichheit im deutshen Reichsheer erforderlich erscheint.

Sachsen. Dresden, 18. November. Prinz Gustav von Wasa ist gestern Abend nah Baden-Baden abgereist.

Das „Dresdener Journal“ \chreibt aus Dresden vom 14. November:

„Die Nichtbetheiligung der Geistlichen bei der hier vorgekomme- nen Verbrennung zweier von auswärts hergebrachten Leichen und das Verhalten der Konsistorialbehörde hierbei ift in der Presse zum Gegen- stand der Besprehung gemacht worden. Namentlich sind in Nr. 317 der „Dresdener Nachrichten“ Suppositionen ausgesprochen worden, welche nicht zutreffen. Denn die von der Geistlichkeit eingeholte Be- scheidung if weder zu spät eingegangen, noch hat sie ein an die Geistlichen erlassenes Verbot enthalten, und ebensowenig hat das Landeskonsfistorium auf die in dem „Dresdner Journal“ angekündigte Entschließung des Königlichen Ministeriums des Innern: in Zukunft zur Verbrennung von Leichen niht mehr seine Genchmigung zu ertheilen, irgend welchen Einfluß gehabt. Allerdings hat aber das Landeskonsistorium auf die an dasselbe ergangene Anfrage, und zwar rechtzeitig fich unverholen dahin ausgesprochen, daß die Betheiligung der Geistlichen bei der Vernichtung einer Leiche durch Verbrennung weil diese der kirhlihen wie der weltlihen Geseßgebung Sachsens fremd is und mit dem christlihen Brauch von Jahrhunderten nicht im Einklang steht, übrigens auch von den Ver- tretern dieser Jdee nur als wissenshaftlihes Experiment behandelt wird, nicht für angemessen erachtet, am wenigsten aber ein Geist- licher hierzu angewiesen werden könne. Sind dies die wesentlichen Gründe jener Ablehnung gewesen, so mag aber wohl dabei auch nicht unerwogen geblieben sein, daß es selbst dem eifrizsten Verfechter der Leichenverbrennung {wer fallen dürfte, einen passenden Moment herauszufinden, zu welchem die Thätigkeit des Geistlichen in wür- diger Weije einzutreten haben würde, da doch weder der Akt der Ein- bringung der Leiche ‘in den Ofen, noch die peinliche Zeit während des Verbrennungsprozesses selbft als hierzu geeignet erscheinen kanûz die geistliche AnspracßE,_beziehentlich Einsegnung der Leiche vielmehr nur in dem Familienhätfe Und außerhalb der Verbrennungsstätte als sahgemäß* und für die Hinterlassenen, sowie soust Anwesenden wohl- thuend angesehen wérden könnte, wozu selbstverständlich jeder Geist- liche wifklig und pflihtmäßig bereit gewesen sein würde.“ Württembexg. Stuttgart, 16. November. Der König e sich heute auf einige Tage nah Bebenhausen zur Iagd be- geben. i Der Ober-Tribunals-Präsident v. Cronmüller is auf sein Ansuchen wegen vorgerückten Alters in den Ruhestand ver- \ bu demselben das Großkreuz des Friedrihs-Ordens verliehen worden.

In der Angelegenheit des Prälaten v. Kap ff hat das Königlihe Ministerium des Kirhen- und Schulwesens auf Grund der durch Requisition des Großherzoglih badischen Be- zirkamts Constanz und des \chweizerischen Bezirksamts Arbon eingeleiteten Zeugenvernehmungen und des weiteren umfassenden zu den Akten gebrahten urkundlihen Materials sih unter dem 9. d. M. dahin ausgesprohen, daß zwar Prälat v. Kapff in seinem Verkehr mit der Familie Ammann in Romanshorn, ob- wohl in der besten Absicht, so doch nicht mit der erforderlichen Vorsicht gehandelt habe, daß aber die wider ihn erhobenen weitergehenden Beschuldigungen als unbegründet zu betrachten seien. (Hr. Kapff hatte sich eheliher Zwistigkeiten in der ge- nannten Familie angenommen.)

Am 4. dieses Monats fand bei dem Landesamte für das Heimathwesen eine öffentlihe Verhandlung statt, in welcher zwei Klagen von badischen gegen württembergishe Orts- armenverbände auf Ersaß aufgewendeter Armenunterstüßungs- kosten zur Entscheidung kamen. In einem dieser Streitfälle hatte der beklagte württembergishe Armenverband seine Weige- rung, dem Anspruhe auf Ersaß von Krankenverpflegungs- und Begräbnißfkosten stattzugeben, auf die, wie es \cheint, mannigfach verbreitete Ansicht gestüßt, daß der sogenannten Eisenacher Uebereinkunft vom 12. Juni 1853, durch welche bestimmt wurde, daß im Falle der Erkrankung von An- gehörigen eines der kontrahirenden Staaten in einem anderen derselben ein Ersaß der durch die Verpflegung der Zülfsbedürf- tigen und deren Beerdigung erwachsenen Kosten gegen cine öffent- lihe Kasse des Heimathstaats niht beansprucht werden dürfe, noch die gleihe Geltung wie früher zukomme. Der „St. A. f. W.“ theilt nun mit, daß in dem vorgedachten, sowie in zwei früher zur Entscheidung - gekommenen “Fällen das Landesamt für das Heimathwesen sich dahin ausgesprochen hat, daß die gedachte Uebereinkunft als unvereinbar mit den für die gegenseitigen Rechtsverhältnisse der Armenverbände hinsichtlich der Ersazpfliht für geleistete Armenunterstüßung nunmehr maß- gebenden Bestimmungen des Reichsgeseßes über den Unter- stüßungswohnsiß vom 6. Juni 1870 für den Geltungsbereich dieses Gesetzes (zu welhem Bayern und Elsaß-Lothringen bekannt- lih bis jegt noch niht gehören) seine Wirksamkeit verloren habe.

Baden. Wie man der „K. Voltsz.“ aus Karlsruhe \hreibt, hat die Großherzoglihe Staatsregierung in Sachen der Erzbishofswahl dem Domkapitel eröffnet, daß auch auf Grund der zweiten Kandidatenliste keine Wahl vorgenommen werden könne, indem ein Kandidat (Bischof v. Hefele) erklärt habe, unter keinen Umständen eine etwa’ auf ihn fallende Wahl anzunehmen, und die vier anderen Kandidaten (Bischof v. Hane- berg, Professor Alzóg, Domkapitular Behrle und Pfarrer Dr. Dieringer) fih entschieden geweigert hätten, den vorgeschriebenen Staatseid ohne Vorbehalt zu leisten. Somit enthalte auch die - zweite Liste keinen der Regierung genehmen Kandidaten, und sie

zum Präfidenten des Evangelischen Ober-Kirchenraths berufen, aus Anlaß des Krönungsfestes am 18. Oktober 1861. rung der Artillerie-Depots in den Festungen des Brigadebereichs niglih \öchsishen) Infanterie-Brigade, von Rudorff, welcher, hat fich dorthin zurückbegeben. selbst eingetroffen. An Bord Alles wohl. netenversammlung enthalten die heutigen Morgenzeitungen wiedergewählt Stadtverordneter Bertheim (sog. freie Vereinigung) St. neu gewählt. 389 Wahlber., 170 ershienen; St.-V. Dreitzel W. B. 194 Wahlber., 82 erschienen; Buchhändler Jul. 14, W. B. E. Reimer mit 98 St. neu gewählt. E E 22. W. B. 811 Wahlber. 264 erschienen; Hr. Ehestedt mit Springer mit 152 St. wiedergewählt. Oberlehrer Dr. 2 B 34. W. B. 459 Wahlber. 236 erschienen; Fabrikant Keilpflug mit 145 St. neu gewählt. Die Wahlen haben mit verhältnißmäßig regerer Betheili- Breslau, 18. November. (W. T. B.) Der Pfarr- handlungen zu einer Geldstrafe von 50 Thlrn. event. zu einer einigen Tagen publizirten, die Formation der Artillèrie Obersten, um 6 Stabsoffiziere. In Folge dessen steht ein grö- Wirksamkeit zu treten hat. i gerihte der Offiziere erstreckt \ih die Kompetenz dieser Pension verabschiedeten, da denselben in Folge ihrer Verabschie- des Heeres fortan dén militärishen Ehrengerihten nicht mehr des obersten Gerichtshofes heute verkündetes Erkenntniß dem Rechtsweg zur Entscheidung gebrahte Frage: ob bei Be- ziehungsweise Art. 23 der 1X. Verfassungsbeilage (pragmatische nung zu bringen ist. Das Appellationsgeriht zu Bamberg verneint und den klagenden militärrihterlihen Beamten abge-

in welcher Stelle er bis 1872 verblieb. Der General - Major und Commandeur der 1. Fuß- hierher zurückgekehrt. aus Anlaß seiner Beförderung zum General-Major, zur Ab- S. M. Kbt. „Meteor“ ist am 17. November cr. -von Ueber den Ausfall der gestern in der ll. Abtheilung folgende Mittheilungen : 45 zur Wahl erschienen ; mit 40 Stimmen wiedergewählt.

10 W: B;

Springer (bis jeßt Vertreter des 25. Wahlbez., freie Vereinigung) M oses mit 229 St. neu gewählt.

20. W. B. 456 Wahlber., 160 ershienen; Fabrikant Win #\ch 159 St. neu gewählt.

26. V. B. 356 Wakhlber., 140

269 Wahlber., 84 erschienen; Dr. jur, Zimmec- mit 127 St. neu gewählt.

26. W. B. 406 Wahlber., 214 erschienen; - St.-V. Diersch gung als in der 1T, Abtheilung stattgefunden, {heinen aber im administrator Dalik in Odersch bei Ratibor ist, wie von dort Gefängnißstrafe von einem Monat verurtheilt worden. betr., Allerhöchsten Verordnung erhöht \fich der Status der Ar- ßeres Avancement in der Artillerie für den kommenden Monat

Nah den vom Kriegs-Ministerium erlassenen Vollzugs- Gerichte in subjek.iver Beziehung auf [die Offiziere aller Kate- dung zur Zeit die Befugniß des Forttragens der Militäruniform unterworfen. ift in so fern von allgemeinem Interesse, als bei demselben das rechñung der Pensionsbezüge der militärrihterlihen Beamten Rechte) der Gesammtbezug derselben, d. h. auch die Gehalts- hatte die Frage bejaht und den Fiskus verurtheilt, das Appella- wiesen. Die von beiden Seiten gegen diese zwei appellations-

Wesentlichen ausgesprochen: daß in den vorliegenden Fällen das.

Sachsen - Meiningen - Hildburghausen. Meinin- gen, 16. November. (Fr. I.) Der Landtag hat die propo- nirte Verwilligung von Theuerungs-Zulagen aus den Ueber- \{üssen des Iahres 1873 genehmigt; anch der Gesegentwurf über die Einführung der Markrehnung mit dem 1. Januar k. I. fand die Zustimmung des Landtags. Ein Gesetzentwurf der Regierung proponirt, die Verausgabung von auf den Inhaber lautenden Werthpapieren von der Genehmigung der Regierung bei Meidung einer Strafe von 300 Mark bis zum fünften Theile des Nennwerthes abhängig zu machen; der Landtag gab dem Geseßentwurfe seine Genehmigung.

Sachsen-Altenburg. Altenburg, 17. November. Am 26. November wird die Landschaft des Herzogthums zu einem ordentlihen Landtage zusammentreten. /

__ Neuß j. L. Gera, 17. November. Der Landtag ist noch immer mit Vorberathung der Vorlagen in seinen Kom- missionen beschäftigt. Namentlich gilt diese dem Staatshaushalts3- Etatentwurf für die Jahre 1875—1877. In diesem Entwurfe ift, wie die „Leipziger Ztg.“ “mittheilt, die künftige Jahreseinnahme mit 826,466 Mark eingestellt, gegen bisher 729,600 Mark; die Ausgabe mit 766,806 Mark gegen 690,130 Mark bisheriger Ausgabe. In den Etat niht aufgenommen sind aber die Aus- gaben für Reichszwecke, für Tilgung der Papiershuld und für die Eisenbahngarantien. Das Fürstlihe Ministerium motivirt dies betreffs der Ausgaben für Reichszwecke, daß diese hon im Etat für 1872/74 außer ziffffermäßigem Ansate geblieben, weil fie, da sie von dem Reichsorgan alljährlih festgestellt wcrden, für eine dreijährige Periode nicht gut festgestellt werden können und weil nah Art. 70 der Reichsverfassung zu erwarten stehe, daß auf Einführung von Reichs\fteuern an Stelle der Matrikular- beträge werde Bedacht genommen werden. Betreffs der Tilgung der Papiergeld\{hvld führt das Ministerium an, daß Se. Durch- lauht der Fürst die gnädigste Entschließung gefaßt haben, die- jenigen Summen, welche während der bevorstehenden Finanz- periode nah den reichsgeseßlihen Bestimmungen zur Einlösung der Kassenscheine des Fürstenthums und zur Tilgung des in Reichskassenscheinen dem Fürstenthume zu überweisenden Vor- \chusses erfordert werden, der Staatskasse aus Kammermitteln zufließen zu lassen. Es ist dies die von Sr. Durchlaucht dem Fürsten in der Landtagseröffnungsrede in Aussicht gestellte Unterstüßung aus der Fürstlihen Kammerkafse. Betreffs der Ausgaben für die Eisenbahngarantien bemerkt die Ministerialvorlage, daß es der Wunsh Sr. Durchlaucht des Fürsten sei, aus dem dem Fürstenthum zukommenden Antheil an der französishen Kriegskostenentshädigung mit Anfang der neuen Etatsperiode einen Separatfonds von 1,000,000 Mark Reichswährung zu bilden, welcher zunächst dazu dienen solle, durch die Zinsen und soweit nöthig durch den Hauptstock die- jenigen Zahlungen zu bestreiten, welhe aus der für die Gera- Eichichter “und die Weimar-Geraer Eisenbahn übernommenen Zinsgarantie entspringen. In der bezifferten Ausgabe sind namentlih die Posten der Beamtengehalte wesentlich gegen die bisherigen Sätze erhöht.

Greiz, 17. November. Der zum Präsidenten der Fürst- lihen Landesregierung und des Konsistoriums der evangelish- [lutherischen Landeskirhe ernannte Königlih preußishe Regie- rungs-Rath Faber aus Düsseldorf is heute verpflichtet und in sein Amt feierlih eingeführt worden.

Desterreich - Ungarn. Wien, 18. November. Das neueste Bulletin über das Befinden des Erzherzogs Karl Fer- dinand aus Selowit, den 17. d. M,, lautet: Nach einem etwas ruhiger verbrahten Morgen steigerte sich die Unruhe gegen Abend wesentlich. Nachts häufiges Irrereden und Schlaflosigkeit. Puls verlangsamt und {wach.

Im Abgeordnetenhause interpellirte Bareuther den Unterrichts-Minister betreffs der Entlassung des Realschul-Direk- tors Lippert in Budweis. Das Gesetz, betreffend die Anlegung von Grundbüchern in Istrien, wurde einem neungliedrigen Aus- \chu}se, der Antrag Göllerihs bezüglih der Reform der poli- tishen Verwaltung einem vierundzwanziggliederigen Ausschusse zugewiesen. Hierauf ward die Debatte über das Aktiengeseßz fortgeseßt, Die Artikel 206 bis 220 wurden meist in der Fassung des Ausschusses angenommen. Die Artikel 220 und 222 des Aktiengeseßes wurden mit Rücksiht auf die von den Abgeord- neten Scharshmidt und Gomperz gestellten Amendements nah längerer Debatte an den Aus\{huß zurückgewiesen. Der Präsi- dent ersuchte unter Beifall des Hauses um die Ermächtigung für das Präfidium, der Kaiserin anläßlih des Namensfestes die Ene der Loyalität und die Glükwünsche des Hauses darzu- ringen.

Pest, 17. November. Das Dberhaus erledigte die Ad- votatursvorlage im Sinne des Unterhausantrages; demzufolge ist dieses Geseg in beiden Häusern erledigt. Das Haus hatte in Betreff der Advokatursvorlage blos über eine Differenz, nämlich wegen Zusammensezung der Disziplinargerichte zu berathen. Die meisten Redner sprachen sich für die Annahme des Unterhaus- textes aus, Fiath und Vay nahmen den hart angegriffenen Advokatenstand in Schuß, während Tomecsanyi eifrig für die Zuziehung von Richtern bei den Disziplinargerichten eintrat. Auch Zichy-Ferraris, der letthin als Aus\chußreferent für die Oberhausfafsung gewesen, trat nunmehr dem Unterhaustexte bei, ohne übrigens von seinen Anschuldigungen gegen den Advokatenstand irgend etwas zurückzunehmen. Der Justiz- Minister plaidirte in wirksamer Ansprache für die Annahme des Unterhaustextes und wies die Unhaltbarkeit der Einwendungen mit \{chlagenden Argumenten nah. Schlimmsten Falles könnten etwaige Uebelstände durch Einbringung einer kurzen Novelle be- hoben werden; das Oberhaus möge beherzigen , daß das Unter- hans bisher auf alle Modifikationen des Oberhauses eingegangen sei, und daß nur auf diese Bestimmnng ohne Gefahr nicht ver- zihtet werden könne, und deßhalb dürfe doch wohl das Ins- lebentreten des Advokatursgeseßes, dessen Nothwendigkeit allge- mein gefühlt wird, niht verzögert werden.

Nach der beifällig aufgenommenen Rede Paulers wurde der Unterhaustext von der Majorität angenommen und die Advo- katursvorlage sofort dem Unterhause übermittelt, welhe dem- nächst zur Sanktion gelangt.

Im Unterhause wurde vom Finanz-Minister ein Ge- \sezentwurf über die Inartikulirung der leßten Anleihe und vom Honved-Minister die Rekrutirungsvorlage eingebraht und die Nuntien des Oberhauses entgegengenommen.

Schweiz. Bern, 18. November. (W. T. B.) Die alt- katholishe theologishe Fakultät der hiesigen Universität hat fih "aa und den Professor Dr. Friedrih zum Dekan gewählt.

Di deshalb von dem Domkapitel die Vorlage einer dritten iste.

Niederlande. Haag, 14. November. Die Regierung hat mit der Nordseekanal-Gesellschaft eine Uebereinkunft ‘ab-

geslossen, gemäß welcher fie derselben eine weitere wirksame Beihülfe zur Förderung und Sicherstellung ihres Unternehmens gewährt. Sie hat heute an die Zweite Kammer der Ge- neralstaaten zwei Gesegentwürfe gelangen lassen; der erste hetrifft die Genehmigung jener Uebereinkunft; der zweite be- willigt den zu deren Ausführung erforderlihen Kredit.

Das Projekt einer Sammlung von Beiträgen, um dem General van Swieten einen Ehrendegen zu widmen, fand Anklang nicht blos in Amsterdam, sondern auch anderwärts: aus allen Theilen des Landes kamen Zustimmungserklärungen, und hon war man im Begriffe, ein Comité für Verwirklihung des Planes zu konstituiren. General van Swieten hat nun aber an die Redaktionen der öffentlichen Organe, welche für das Unternehmen eingetreten, ein Schreiben gerichtet, um fie zu er- suchen, mitzutheilen: er sei zwar dankbar für das in Anregung gebrahte Projekt, würde dasselbe jedoch nicht gerne zur Ausführung fommen sehen; ihm genüge es, von so vielen Seiten die Bezeugung zu erhalten, daß der Kern der Nation die Mißbilligung nicht theile und auch nicht getheilt habe, welhe über seine militärische und poli- tishe Leitung der zweiten atchinesishen Expedition von Unkun- digen auf Grund falscher Vorstellungen und wohl auch deshalb ausgesprochen worden fei, weil er niht Zwangsmaßregeln hul- digte, die er dem Berufe Niederlands widerstreitend erachtet habe, in dem indischen Archipel nur durch den Einfluß der Ci- vilisation und sein moralishes Uebergewiht wirksam zu sein, und die er als nachtheilig für das Ziel erkannt, welches Nieder- land in Atchin erreihen wolle. Die für das Widmungsprojekt bereits eingegangenen Beiträge werden nun den Verwundeten und Kranken in Atchin zugewiesen. Unter den Amster- damer Studenten cirkulirt jezt eine Sympathieadresse an General van Swieten. Sie hat {hon zahlreihe Unterschriften erhalten. Auch in Rotterdam, Haarlem 2c. hat man beschlossen, „dem um das Vaterland hochverdienten General“ Sympathieadressen zu übersenden. e i

Unter dem 7. d: M. hat der König die Ernennung des bisherigen Minister-Residenten am italienishen Hofe, van der Hoeven zum Gesandten in St. Petersburg vollzogen.

18. November. (W. T. B.) Die Zweite Kammer hat heute mit 40 gegen 20 Stimmen den Gesezentiwurf ange- nommen, welcher die Regierung ermächtigt, zeitweilig die Aus- prägung von Silberbarren für Rehnung von Privat- personen zu suspendiren.

Großbritannien und Jrland. London, 17. November. Die Herzogin von Edinburgh empfing gestern im Buing- ham-Palast eine Damendeputation, die erschienen war, um ihr eine Adresse und eine Bibel als ein Hochzeitsgeshenk der JIung- frauen des Vereinigten Königreichs zu überreichen. Ihre König- lihe Hoheit nahm das Geschenk, zu dessen Kosten 7572 Jung- frauen ihr Scherflein beigesteuert, mit einigen herzlihen Dankes- worten an. Dem Hofjournale zufolge werden sich der Herzog und die Herzogin von Edinburgh ers nach der Taufe ihres jungen Sohnes nah Eastwell-Park in Kent begeben. Die Cere- monie isst für den nächsten Viontag (23. d.) im Buingham- Palast anberaumt und wird in Gegenwart der Königin und der Kaiserin von Rußland stattfinden. Am folgenden Tage wird das Herzogliche Paar mit der Kaiserin von Rußland nah East- well-Park übersiedeln.

Hr. Disraeli wurde gestern zum Lord Rektor der Universität Glasgow wiedergewählt. Er erhielt 200 Stim- men mehr als sein Gegenkandidat, Hr. R. W. Emerson, der ausgezeichnete amerikanishe Schriftsteller. Von 1400 immatriku- lirten Studenten betheiligien sich 1200 an der Wahl, und zwar 700 zu Gunsten des Premier - Ministers und 500 zf| Gunsten Emersons, gegen dessen Kandidatur aus dem Grunde, daß er ein Ausländer sei, ein Proteit eingelegt worden war.

Bangor, Conway, Llandudno und andere Theile von Nord-Wales wurden gestern von einem Erd st heimgesucht, der, obwohl er nur geringen Eigenthumsschaden anrichtete, die Einwohner in große Schrecken verseßte. i

18, November. (W. T. B.) Die Union der engli- \chen Katholiken hat heute eine zahlreih besuchte Versamm- lung abgehalten, in welher Lord Petre an Stelle des in Rom befindlihen Herzogs von Norfolk den Vorsfiy führte. Nach einer längeren Debatte über die legte Broschüre Gladstone's gegen die vatikanishen Dekrete wurden einstimmig meh- rere Resolutionen angenommen, in welchen die Versammlung erklärte, daß die Loyalität der englischen Katholiken dur die Beschlüsse des vatikanischen Konzils über die Unfehlbarkeit des Papstes in keiner Weise berührt werde. Graf Derby empfing heute eine Deputation von \syrishen Priestern, welche bei ihm über die Bedrückung der Christen in Syrien Klage führten. Der Minister erwiderte der Deputation, obgleih der Sultan in dem Pariser Friedensvertrage seinen christlichen Unterthanen den erforderlihen Schuy zugesagt habe, sei durch die weiteren Bestimmungen dieses Vertrages den Mächten eine förmlihe In- tervention nur dann gestattet, wenn die der Pforte untergebenen christlihen Bevölkerungen in ihrer nationalen Existenz bedroht würden. Die englishe Regierung müsse sich deshalb darauf be- \chränken, bei der türkishen Regierung freundschaftlihe Vor- stellungen zu erheben.

Frankreich. Paris, 16. November. Das „Journal officiel“ bestätigt amtlih die bereits gemeldete Ernennung des Abbé Fonteneau, bisherigen Generalvikars von Bordeaux, zum Bischof vvn Agen an Stelle des auf den Bischofssiß von Le Maúîs berufenen Hrn. Chaulet d'ODutremer.

Der „Moniteur . de l'Armée veröffentliht ein Dekret, welches gewisse neue, von Humanitätsrücsihten eingegebene Vor- schriften für die Vollftreckung der Todesstrafe an Militärs enthält: Die Hauptbestimmungen sind folgende: A

Der Verurtheilte wird an “einen Pfahl gestellt. Während der Verlesung des Urtheils verbindet ihm ein im Voraus dazu bestimm- ter Soldat die Augen und nöthigt ihn, niederzuknieen. In diesem Augenblick nimmt oas Peleton von zwei Reihen in der vorgeschriebe- nen Distanz Stellung, und während der Verurtheilte allein bleibt, erhebt der Adjutant, welcher vier Schritte rechts und zwei Schritte vor dem Peleton steht, seinen Degen. Auf dieses Zeichen legen die zwölf Mann anz; jeder von ihnen zielt auf die Brust, in eine Linie, welche er sich geen die Ellbogen und Schultern gezogen denkt. Ler Adjutant hält seinen Degen so lange erhoben, daß das Peleton vollkommen Zeit hat, ordentlih zu zielen, dann iebt er laut das Kommando: „Feuer!“ worauf unverzüglich die That folgt. Ein, sei es der Truppe, welche die Schützen stellt, oder den ältesten der Garnison entlehnter Militärarzt, muß der Exe- fution beiwohnen. Sogleih nach dem Feuer tritt er an den Körper heran, um zu entscheiden, ob ein Gnadenshuß nöthig ist. Ilk diés der Fall, so legt der Unteroffizier, der sih mit schon geladener Waffe in der Nähe des Militärarztes hält, das Cnde des Laufs in einer Entfernung von fünf Centimetern an das Ohr des Berur- theilten und giebt Kent Mehrfache Exekutionen müssen stets gleich-

zeitig stattfinden. Die Verurtheilten werden in eine und dieselbe .

Linie gestellt, je in eixer Instanz von zehn Metern. Ein einziger Adjutant giebt das Kommando. Der Militärarzk, welcher der Erxe- kution beigewohnt hat, muß den Leichnam untersuchen, in einem ge- richtsärztlihen Bericht Zahl und Ort der Wunden bezeichnen und eintretenden Falls die Gründe angeben, welche einen Gnadenschuß nöthig machten.

Gestern fand, wie man der „Cöln. Ztg“ \hreibt, in Tours die große Prozession zu Ehren des h. Martin statt. Die Feier ward bei Anbruch des Tages mit dem Ablesen von Messen in allen Kirhen und Kapellen der Stadt eingeleitet. Um 9 Uhr begann die Feier in der Kathedrale, welher der Kardinal-Erzbishof von Paris vorstand. Seinem Throne gegen- über saßen die Bischöfe, welhe zum Leichenbegängniß des Erz- bishofs von Tours \ich cingefunden hatten. Um 2 Uhr setzte sih die große Prozession in Bewegung. An der Spiße derselben marschirten die Trommler und Trompeter der Garnison, ihnen folgten die Kongregationen, die Delegationen der Gemeinden der Stadt und der Diözese mit ihren Bannernz; die katholischen Bruderschaften und Kollegien, eine Masse von Pilgern mit rothen Kreuzen und viele Kinder. Den Reliquien des Heiligen, die von Seminaristen getragen wurden, \chritt die Musikbande des 66. Linien - Regiments voraus, und ihnen folgten die Bi- \chöfe und der Kardinal Guibert. Die Truppen waren zur Feier kommandirt und begleiteten die Prozession, Dieselbe be- gab fih nach St. Martin, d. h. dem Plagze, wo die 1793 zer- störte Kathedrale stand, die wieder aufgebaut werden soll, und wo sih gegenwärtig nur eine provisorishe Kapelle befifidet. Für die Bischöfe war eine Estrade errichtet, wohin man die Reliquien brachte, und von wo aus sie gemeinshaftlich das Volk segneten. Von St. Martin begab \sich die Prozession auf langen Umwe- gen nah der Kathedrale zurü.

18. November. (W. T. B.) Nachdem die Chefs der Armee-Corps konstatirt haben, daß durch die Entlassung der Altersklasse von 1869 einc erhebliche Abnahme in der Stärke der Truppentheile herbeigeführt worden sei, hat der Kriegs- Minister, wie die „Agence Havas“ meldet, angeordnet, Fdaß die Altersklasse von 1870 erst von dem Dienste bei der Fahne ent- lassen werden \oll, nachdem das Kontingent von 1873 ein- gestellt worden ist. Leßteres geschieht wahrscheinlih im Februar künftigen Jahres.

Spanien. Madrid, 18. November. (W. T. B.) Die carlistishen Abtheilungen in Catalonien unter Tristany, Miret und Galeran sind auf“ dem Rückzuge begriffen und werden von den Regierungstruppen lebhaft verfolgt.

Türkei. Konstantinopel, 18. November. (W. T. B.) Nach hier aus Chartum (in Afrika) eingegangenen Nachrichten haben die ägyptishen Truppen Darfur eingenommen. Der Sultan von Darfur is im Kampfe gefallen.

Kußland und Polen. St. Petersburg, 16. November. Der Bischof von Smolensk, Seraphim,. ist zum Bischof von Riga ernannt worden. j

Die „St. Petersburger Ztg.“ \chreibt: „Das nohch unlängst von der „M. Z.“ mit großer Sicherheit und Aus- führlihfeit wiederholte Gerüht von. der Bildung zweier neuen Gouvernements, Odessa und Taganrog, welche auf die Administration von Podolien, Chersson, Jekateri- nosslaw und Taurien bedeutend influiren würde, behauptet seinen Play unter den Thematen der russishen Presse. Der „Golos“ bringt eine Besprehung der Vortheile dieser Maßregel und knüpft den Wunsch daran, daß sie au anderen Theilen Rußlands zu Theil werden möchten. Die Herstellung neuer administrativer Centren in Odessa und Taganrog bringt den Einwohnern der ganzen Ge- gend durch Ersparniß von Reiseunkosten, erleichterten Verkehr mit den Behörden u. \. w. großen Nußen. Andere Kreise laboriren aber an denselben administrativen Kalamitäten wie Odessa und Taganrog, z. B. die Kreise Kusnezk, jeßt zu Ss\a- ratow gehörig und Juhnow im Gouvernement Ss\molensk. Der Kreis Kusnezk isst in seiner ganzen Länge von der Pensa - Ssysraner Bahn durchzogen, bis Pensa find nur 27 Stunden Fahrt. Bis zur Gouvernementsstadt sind aber 221 Wers \chlechten Weges, also zwei Tage Fahrt. Der Iuchnowsche Kreis drängt fi kreisförmig in das Kalugasche Gouvernement ein. Kaluga is von Juhnow 90 Werst entfernt, von Ss\molensk, wozu es gehört, 256 Werst. Die Gouvernements Ssaratow und Ssmolensk sind außerdem fehr groß (1534+ und 1018 Quadratmeilen), während Pensa und Kaluga klein sind (705 und 562 Quadratmeilen). Wenn die sehr wünschenswerihe Umtheilung ins Leben träte, würde Pensa 800 Quadratmeilen und 1,330,000 Einwohner und Ssaratow 1439 Quadratmeilen und 1,580,000 Einwohner haben.

Das aron des Innern hat nah der „M. 8.“ der besonderen Behörde für Angelegenheiten der allgemeinen Militärdienstpfliht eine Vorstellung über die Menno- niten im taurishen Gouvernement eingereiht. Nach derselben sollen die Mennoniten, um Rußland eine Bevölkerung von 40,000 Personen beiderlei Geschlehts zu erhalten, von der Dienstpflicht eximirt werden. Anlaß dazu is ihre befannte reli- giöse Ueberzeugung, welche ihnen nicht nur das Tragen von Waffen und Vergießen von Menschenblut, sondern auch indirekte Betheiligung an militärischen Aktionen, wie z. B. beim Train- oder Sanitätsdienst, verbietet.

(Monats übersicht für Oktober.) Der Oktober ist derjenige Monat, in welchem das St. Petersburger Leben immer mehr seine eigenthümlihe belebte Physiognomie wieder annimmt. Die todte Jahreszeit ist vorbei und die Würdenti äger treffen von allen Seiten wieder ein, um mit Genehmigung des Kaisers ihre Funktionen aufs Neue zu übernehmen. Der Kaiser selbft weilt noch in der Krim und trifft erst am 25./(13.) November in St. Petersburg ein; doch unterbriht Se. Majestät troß der Abwesenheit von der Residenz Ihre Thätigkeit keinen Augenblick. Wie übrigens die von uns in den legten Monats- berichten erwähnten Gesetze beweisen, war, troß der todten Jahreszeit die Thätigkeit unserer Regierungskreise gerade in diesem Sommer eine ungemein lebhafte.

Die Großfürstin Maria Alcxandrowna,

Herzogin von Edin- burgh, ward am 3. (15.) Oktober dur die Geburt eines Prin-

zen erfreut. Das Familienerei : niß trat etwas früher ein, als man es erwartete, wodurch die Großfürstin gewissermaßen über- rasht wurde, weder konnte die Uebersiedelung des Herzoglich Edinburghshen Paares nah Eastwill-Palais in beabsichtigter Weise stattfinden, noch die Kaiserin von Rußland zu rechter Zeit in England eintreffen. Doch verlief das Ereigniß glülih : die Herzogin von Edinburgh befindet fich wohl, und die Kai- ferin von Rußland gedenkt am Tage nach der auf den 23. No- vember festgesezten Tauffeierlichkeit, also am 24., England zu verlassen, um sih demnächst nah dem Süden zu begeben.

Der Großfürst Konstantin Nikolajewitsh is von seiner Reise nah Frankreich zurückgekehrt.

In Bezug auf die äußere Politik war zu konstatiren, daß die von polnischen, sozial? emokratishen und ultramontanen Ele- menten ausgehende Verdächtigung der russishen Politik nur zu einer entshiedeneren Aus\prache der Friedensstimmung Rußlands und deren allgemeinerer Anerkennung geführt hat. Auch in Meittelasien darf Rußland auf dauernde Erhaltung des Friedens sich Rehnung machen, da der Chan von Kokand des ihn be- drohenden und die Nachbarlande beunruhigenden Aufstandes \o weit Herr geworden ist. Nachdem die Insurgenten im Kokandi- schen zwei Male geshlagen worden waren, brachen sie troy un- \crer Neutralität in russishes Gebiet ein. Die Abtheilung, die in Rußland eingebrohen war, wurde von unsern Befehlshabern zerstreut, worauf der Chan von Kokand in seinem Gebiet die Unterwerfung der Insurgenten vollendete.

Von wichtigen internationalen Akten wäre die Betheiligung Rußlands am Berner Postkongreß, wie auch die Herausgabe der Protokolle des Brüsseler völkerrechztlihen Kongresses zu notiren. Was den Postkongreß anlangt, so hat Rußland nur einen \{chwachen Briefverkehr nah dem Auslande: man nimmt an, daß niht mehr als zwei Millionen Briefe nah auswärts gehen. Dennoch förderte Rußland: gern die Vereinbarungen des Kon- gresses. Hinsichtlih des B:üsseler Kongresses ist es bekannt, wie nur die menschenfreundlihe Gesinnung des Kaisers Alexander seine Berufung veranlaßte.

Unter den inneren Maßregeln stehen bei Weitem diejenigen im Vordergrunde, welche mit der Durhführung der allgemeinen Wehrpflicht zusammenhängen. Der Eintritt der Freiwilligen hatte hon im Sommer vielfach stattgefunden ; aber die erste all- gemeine Aushebung steht nah den Grundsätzen des neuen Ge- seyes erst in nächster Zeit bevor.

Vor Allem publizirte die Regierung eine Verordnung über Organisation von Fel dtruppen und Lokaltruppen. Dieser Eintheilung liegt das Territorialprinzip zu Grunde: an der Spitze der territorialen Bezirke \stezen die Ober-Befehlshaber der Militärbezirke. Die Feldtruppen stehen unter dem Befehle von Corps-Kommandanten nah Analogie der deutschen Eintheilung in Corps und bilden vorzugsweise die allenthalben verwendbaren Armeen. Die Lokaltruppen find dagegen vorzugsweise in ihren

Militärbezirken zu verwenden: von diesen wird der Garnisons-

und Festungsdienst besorgt.

Die Höhe des einzustellenden Jahreskontingents (welche all- jährlich dur einen Ufas bestimmt wird) is diesmal auf 150,000 Mann normirt worden, d. h. auf ein Viertel der zur Loosung gelangenden Anzahl. Die früheren Rekrutirungen, welche nah altem System veranstaltet wurden und nur die steuerpslihtigen Klassen umfaßten, hatten durchschnittlich gegen 155,000 Mann ergeben; die neue, alle Klassen umfassende Rekrutirung zeigt \sih somit viel milder, als die früheren Aushebungen., i

Die neue Aushebung i nicht ganz genau nah der Bevöl- kerungsziffer repartirt: es wurden für diejenigen Provinzen, wo größerer Bedarf nah Arbeitskräften vorherrsht, gewisse Prozent- säße in Abzug gebracht. Die Gouvernements Tambow, Woro- neh und Kiew stellen die größte Zahl von Rekruten, nämlih 5363, 5072 und 5070 Mann. Moskau liefert (von 873,000 männlichen Seelen) 2501 Mann und I-katerinoslaw 3052Mann. Das Land der donischen Kosaken liefert blos drei Mann doch nur von der nichtkosakishen Bevölkerung. i

Die Kosakenbevölkerung unterliegt der Wehrpfliht nah be- sonderen Grundsägzen, die sich an ihre alten Gewohnheiten an- lehnen. Dennoch zeigten sich unter den uralishen Kosaken Miß- verständnisse, weil einige alte Gewohnheiten, die dort ein Stell- vertretungssystem etablirt hatten, in Wegfall kamen. Die uralische Kosakenbevölkerung umfaßt etwa 90,000 Männer, von welchen etwa 10,000 die Dienstpflicht ableisten sollten: die Wohlhaben- deren zahlten den Aermeren aber Stellvertretungsgelder, so daß faktish immer nur circa 3000 Dienste thaten. Durch die neuen Verordnungen fi-l dieser Schlendrian fort; zugleich etablirte die Regierung bei den uralishen Kosaken eine Art von Selbstver- waltung nah dem landständischen Prinzip. Die wenig belang- reihen Unruhen, welche die Abschaffung der Stellvertretung bei den uralishen Kosaken hervorrief, wurden rasch und leiht

estillt.

a Eine fernere Konsequenz der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht ist das Geseß über die weltlihen Civilstandsregister der Sektirer der Staatskirhe. Eine Menge Sektirer, die nah Millionen zählen, crkennen die kirhlihen Akte der Staatskirche

- niht an, während ihre eigenen Certifikate vor dem Geseze keine

Geltunz haben. Da zur Ableistung der Wehrpflicht die geseß- mäßige Beurkundung des Familienstandes unumgänglich nöthig ift, wurden für \olche Personen, die „im Raskol geboren“, d. h. von sektirerishen Eltern abstammen, weltliche Civilstandsregister eingeführt, und neulich in einer ausfüßrlihen Verordnung die Details des betreffenden Verfahrens bestimmt. Dieses Geseg ge- währt den Sektirern zugleich einr große Wohlthat durch offizielle Anerkennung ihrer Familien- und Grbrehte: es ist somit ein Ausfluß der toleranten Gesinnung des Kaisers, deren Realisirung in Bezug auf die heikeln Angelegenheiten der Sektirer durch die Umstände erleichtert ward. : : : :

Es scheint, daß auch in Bezug auf die Juden die weltlichen Behörden für die Führung der Civilstandsregister eine größere Kompetenz erlangen werden: diese Aenderung wird in Vorschlag gebracht, um den zahlreichen Evasivmaßregeln zu begegnen, mit welchen die Juden bei uns die Militärdienftpfliht vielfach zu umgehen suchen. / E

Ferner steht für 46 Gouvernements eine Reorganisation der Polizeibehörden bevor. In den größeren Städten werden die Polizeimeister und Pristavs (Bezirksoffiziere), in den Kreis- städten die Kreischefs, sowie au deren Gehülfen, Sekretäre und Subalternen nach mehr übereinstimmenden und einheitlicheren Grundsäßen, als bisher, ernannt. Ebenso wird auh in Bezug auf die Funktionen dieser La E a ihre Verantwortlich- keit eine größere Gleihförmigkeit angestrebt. :

Im uen haben nah offiziellen Quellen in Rußland 3200 Brände stattgefunden; der Verlust, den sie verursachten, beläuft sich auf 9,506,100 Rubel. Am größten war der dur die Brände angerihtete Schaden in folgenden Gouvernements: Minsk (1,078,087 Rubel); Tambow (858,103 Rubel); Kursk (780,418 Rubel); Mohilew (427,294 Rubel); Wladimir (414,370 Rubel). Den geringsten Schaden verursachten die Brände in den Gouvernements Tomsk (200 Rubel) und Stawropol (20 Rubel). In 472 Fällen werden die Brände auf Brandstiftung zurückgeführt, in 729 ‘auf Unvorsichtigkeit, in 260 auf den Bliß; in 1719 Fällen war die Entstehungsursahe der Brände nicht zu ermitteln. : : i

Die Plenarkonferenzen der Friedensrichter, welche in den verschiedenen Kreisen für die friedensrichterlihen Urtheile eine Art von periodisher Appellations- und Revisions-Jnstanz bilden, sind in den ersten sehs Monaten dieses Jahres 154 Male nit zu Stande gekommen. In 17 Fällen ward das Nichtzustande- kommen der Plenarkonferenzen durch das unzulängliche Erscheinen