1874 / 275 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 23 Nov 1874 18:00:01 GMT) scan diff

deutschen Pharmakopoe, als ein unter Nr. 5h. des Tarifs fal- [endes Präparat für den Medizinalgebrauch, einem Eingangs- zolle nicht unterliege; daß Thee zur Theïnfabrikation nah vor- ausgegangener Denaturirung zollfrei abgelassen werden dürfe und daß die Wahl des zu verwendenden Denaturirungsmittels der obersten Landes-Finanzbehörde überlassen bleibe und die Bundesregierungen zu ersuhen, im Monat März jeden Jahres von den im Vorjahre denaturirten Theemengen und verwendeten Denaturirungsmitteln dem Reichskanzler - Amt zum Zweck der weiteren Mittheilung an die einzelnen Regierungen Kenntniß zu geben.

Im- ferneren Verlaufe der Sizung des Deutschen Reichstages am 21. d. M. ergriff, nachdcm der Abg. Lieb- kneht seinen Antrag auf Freilassung der Abgg. Bebel, Hasen- clever und Most begründet hatte, der Abg. Träger das Wort, um gegen den Antrag zu sprechen; gegen denselben sprach der Abg. Windthorst, dem der Reichskanzler Fürst von Bismarck repli- zirte. (S. unter Reichstagsangelegenheiten.) Gegen den Antrag \sprahen noch die Abgg. Dr. Lasker und Dr. Reichensperger (Crefeld); vom leßteren wurde die Behauptung aufgestellt, daß einige Staatsgeseze gegen das Gewissen gingen, worauf der Reichskanzler Fürst von Bismarck erwiderte. (S. unter Reichstags- angelegenheiten.) Nachdem dann noch der Abg. Hafselmann als Mitantragfsteller die Annahme des Antrages empfohlen, wurde derselbe mit sehr großer Majorität abgelehnt. Der An- trag der Abgg. von Taczanowski und Genossen:

„Der Reichstag wolle beschließen: 1) Auf Grund des Artikel 31 der Verfassung zu verlangen, daß das von dem Königlichen preußi- \{en Kommissarius für -die erzbischöfliche Vermögenéverwaltung in der Diözese Posen gegen den Abgeordneten Zietkiewicz eingeleitete Verfahren, in welchem Termin zum Freitag, den 20. November d. J. ansteht, für die Dauer der gegenwärtigen Sißungsperiode aufgehoben werde; 2) daß der Reichskanzler ersucht werde, zur Aus- führung dieses Beschlusses das Nöthige zu veranlassen,“

wurde auf Antrag des Abg. Struckmann der Geschäftsordnungs- fommission überwiesen.

Die Zusammenstellung der von den betheiligten deutschen Staaten auf Grund der Bestimmungen im Art. V. Absaß 2 Ziffer 1—7 des Gesetzes vom 8. Juli 1872, betreffend die fran- zösishe Kriegskosten-Entshädigung, liquidirten und aus den be- reitesten Mitteln der von Frankreich gezahlten Kriegskosten-Ent- schädigung zu ersezenden Beträge wurde hierauf ohne Diskussion der Rehnungskommission überwiesen. Hieran {loß sih die erste Berathung a. der Uebersicht von den, bis einshließlich 1873 verrechneten und innerhalb des Jahres 1874 voraussichtlich zur Ver- rechnung gelangenden Ausgaben für das Retablissement des Heeres, b. der auf diese Ausgaben und auf die Verwendung des rechnungs- mäßigen Bestandes von Ende 1874 bezüglihen Denkschrift mit den zugehörigen Erläuterungsnachweisen, die nah einigen Bemerkungen der Abgg. Richter (Hagen) und von Benda der Budgetkommission zur Berathung überwiesen wurden. Dann seyte das Haus die erste Berathung des Gesezentwurfes, betreffend die Steuerfreiheit des Reihseinkommens, fort; an der Dis- kussion betheiligten fich der Reichskanzler Fürst von Bismarck, der Präsident des Reichskanzler-Amtes, Staats-Minister Dr. Del- brück (\. unter Reichstagsangelegenheiten), die Abgg. Stumm, Rickert, Frhr. von Wendt und Miquel. _ Die Verweisung des Ae an eine Kommission wurde abgelehnt. Schluß

L

Ga BOO großartige protestantishe Sympathie-Mee- ting, welhes am 7. v. M. in Glasgow stattfand, hatte wie aus Nahstehendem hervorgeht den Beschluß gefaßt, seine Resolution dem deutshen Botschafter in London zu übersenden, mit dem Ersuchen, fie - zur Kenntniß Sr. Majestät des Deut- \chen Kaisers und des. deutshen Volkes zu bringen. Das ist nun geshehen. Der Vorsißende jener Versammlung, Colo - nel Mac Donald, hat die Beshlüsse dem Grafen Münster übermittelt, und der Kaiserliche Botschafter hat nicht verfehlt, dieselben zur Kenntniß Sr. Majestät gelangen zu lassen. In ael A R Uebersezung lauten diese Beschlüsse von Glasgow wie folgt:

Auf einem öffentlißen Meeting, gehalten in der Stadthalle in Glasgow Mittwoch, den 7. Oktober 1874 Abends, unter dem Vorfiß des Obersten W. Mac Donald von St. Martins find die nachstehen- den Beschlüsse einstimmig angenommen worden:

1) Dies Meeting ist der Ansicht, daß die römische Kirche, gebaut auf Grundsätze oder Annahmen, welche politiiche Ansprüche der hochsten Ordnung enthalten und deshalb die oberste Gerichtsbarkeit in welt- lien sowohl als in geistlichen Dingen in Anspruch nehmen, wesent- lih nit weniger eine politische als eine firhlihe Organisation ift, und daß daher, wenn man dieser Organisation eine unkontrollirte und eine uneingeshränkte Thätigkeit in irgend einem Lande gestatten wollte, man die ersten Grundsäße der Freiheit verleßen und die Unab- hängigkeit und Selbstregieruug des Landes, in welchem eine solche uneingeschränkte Thätigkeit gestattet wäre, preisgeben würde.

2) Daß diese politis%e Organisation und, was daraus folgt, politische Aktion gegenwärtig in Deutschlaud zur Anschauung gebracht wird, wo die Kirche durch angeblich geistlihe Censuren, welche in- dessen weltliche Nachtheile und Strafen mit fich führen, versucht, die Menschen zu zwingen , an das Dogma der Unfehlbarkeit zu glauben, einen Theil der Bevölkerung den NBolfs\chulen zu entziehen, faktisch die Regierung des Landes an fih zu reißen und das Reich aufzulösen. Aus diesen Gründen drückt das Meeting, ohne alle Einzel nheiten gutheißen zu wollen, jeine Sympathie mit der deutschen Regierung in ihrem gegenwärtigen Konflikt mit den Ultramontanen aus.

3) In Erwägung, daß dieser Konflikt gegenwärtig mehr oder weniger ofeu in allen europäischen Ländern mit Einschluß des unsrigen stattfindet, und in Erwägung, daß das neu vorgeschriebene Dogma der Unfehlbarkeit eine göttliche Kraft auf das Gewissen der Papisten ins Spiel bringt, iudem es die ganze Glaubensgenossenschaft in Ein- beit verbinden und in Gehorsam unterdrücken will, fordert dies Mee- ting die britische Regierung und Geseßgebung auf, durch alle in ihrer Macht stehende Mittel den Ansprüchen auf weltliche Herrschaft Wider- ftand zu leisten, welche jeßt von der päpstlichen Hierarchie in Groß- britannien offen erhoben werden.

4) Wenn hinter der weltlichen Herrschaft, welche lest von der römischen Hierarchie in Britannien und in der ganzen Welt bean- sprucht wird, die Infallibilität steht, so ist es nicht weniger wahr, daß hinter der Infallibiltät die furchtbare Organisation der Jesuiten steht; und es liegt deshalb der Geseßgebung und der Nation um fo mehr ob, einem Angriff zu widerstehen, der durch so mannigfache subtile und mächtige Kräfte getragen und getrieben wird.

5) Die vorstehenden Schlußfolgerungen in Betreff der natio- nalen Pflicht und Thätigkeit werden in hohem Maße verstärkt dur die Betrachtung, daß die Erfahrung von Jahrhunderten bewie- sen hat, daß der Romanismus die Sittlichkeit zerstört, der Er- kenntniß des Wahren verderblich is und die Freiheit, die Ordnung und das Gedeihen der Völker untergräbt, und daß daher, je mehr der Romanismus in einem Lande wächst, desto mehr die intellektuelle, die sittlihe und die politische Kraft des Landes abnimmt.

6) Die vorstehenden Resolutionen sollen dem deutschen Botschafter in London übersandt werden mit dem Ersuchen, fie zur Kenntniß Sr. Majestät des Deutschen Kaisers und des deutschen Volkes zu bringen.

(gez.) M. Mac Donald Mac Donald von St. Martin, Vorfitzender.

A. M. Stewart, Schriftführer.

Seit Einführung des Reichspreßgeseßes darf, nah einem Ober-Tribunals-Erkenntniß vom 3. November cr., vom Richter bezüglih der durch die Presse verübten strafbaren Handlungen nicht mehr auf Vernich- tung, sondern nur auf Unbrauhbarmachung der Druckformen und noch vorhandenen Exemplare der straf- baren Drucschrift erkannt werden. In einem Preßprozesse des verantwortlichen Redakteurs der „Frankfurter Zeitung“ hatte der Appellationsrihter auf Vernichtung der Druckformen und noh vorhandenen Exemplare erkannt. Auf die hiergegen ein- gelegte Nichtigkeitsbeshwerde des Angeklagten erkannte das Ober- Tribunal, daß an Stelle der Vernihtung Unbrauchbar- machung zu substituiren sei, indem es ausführte: denn wenn au an- zunehmen wäre, daß der §. 50 des preußischen Preßgeseßes (betref- fend die Vernichtung der Druckformen) als eine weiter gehende Be- stimmung des Landespreßgesehes zu betrachten sei, welche zu- folge des §. 2 des Einführungsgeseßes zum Reichs-Strafgeseß- bucze neben den Vorschriften des Lehteren noch fortbestanden hätte, so ist doch mit dem Inkrafttreten des Reichs- preßgesehßes das ganze preußische Preßgeseß, soweit in Ersterem niht gewisse Gegenstände der Regelung dur die Landesgesetzgebung vorbehalten sind, einschließlich seines §. 50 aufgehoben, es kann daher auch in Preußen seit dem 1. Juli 1874 bezüglih der durch die Presse verübten strafbaren Hand- lungen nur der §. 41 des St.-G.-B. („Wenn der Inhalt einer Srift . strafbar is, \o ist im Urtheile ausgesprochen, daß alle Exemplare, sowie die zu ihrer Herstellung bestimmten Plat- ten und Formen unbrauchbar zu machen find.“) fernerhin zur Anwendung kommen.“

Die Unternehmung eines Krieges, also eine von der Staatsregierung angeordnete und ausgeführte Maßrege!, ift als eine „Anordnung der Obrigkeit“ anzusehen. Diese vom Ober-Tribunal am 3. November cr. gefällte Entscheidung wurde dur folgenden Rechtsfall hervorgeru- fen: Ín einem im Jahre 1873 veröffentlichen Flugblatt hatten der Journalist G. und Genossen unwahre Thatsachen behauptet, um die Unternehmung des Krieges der Jahre 1870/71 verächt- lih zu machen. Auf Grund des §. 131 des Str. G. B., betreffend die Herabwürdigungen von Anordnungen der Obrigkeit, angeklagt, wurden fie sowohl in erster, als au in zweiter Instanz verurtheilt. Zur Begründung, daß die von den Angeflagten behaupteten Thatsachen objeïtiv geeignet sei.n, obrigkeitlihe Anordnungen -verähtlih zu machen, führte das Erkenntniß des Appellationsgerichts (zu Breslau) unter Anderem aus, „daß eine Kriegserklärung, welche lediglih per- sönliche Interessen eines Herrschers bezwecke, eine verachtungs- würdige Anordnung der Obrigkeit sein würde, weil Herrscher, welche für ihre persönlichen Interessen Krieg führten, nicht die Achtung verdienten, welhe ein Laändesherr zu begehren habe.“ Die von dem Angeklagten gegen dieses Erkenntniß eingelegte Nitigkeitsbeshwerde wurde vom Ober-Tribunal zurückgewiesen.

Der Diskont der Preußischen Bank is heute auf 6 Prozent und der Lombardzinsfuß für Waaren wie Effekten auf 7 Prozent erhöht worden.

Fürst Alexander Dolgorouci is gestern Abend nach St. Petersburg abgereist.

Der Kaiserli russishe Geschäftsträger in Hainburg, von Höltke, welher fih seit einer Woche hier aufgehalten hatte, ist heute auf seinen Posten zurückgekehrt.

Wie der „Schles. Ztg.“ aus Groß-Strehliß gemeldet wird, virschied daselbst am 21. d. M., Nachmittags, der König- lih preußijche Wirkl. Geh. Rüth und Kaiserlih österreichische Kammerherr, Ritter des Rothe Adler: Ordens 1. Klasse, Graf Andreas v. Renard, Vater des verstorbenen Grafen Jo- hannes von Renard.

Die am 17., 18. und 19. d. Mts. ftattgehabten Er- gänzungs- resp. Ersaßwahlen für die hiesige Stadt- verordneten-Versammlung haben nahstehendes Ergebniß gehabt. Es sind gewählt worden:

A. Von der III. Abtheilung am 17. November cr.:

Im 1. Wahlbez : der bisherige Stadtverordnete, Hr. Professor Dr. Virchow, Scellingstraße 10; im 4. Wahlbez.: der Rentier Hr. Gßmann, Meßer- und Weißenburgerstraßen-Ecke; im 8. Wahlbez.: der Rentier Hr. W ittcke,- Mittelstraße 60; im 13. Wahlbez.: der bisherige Stadtverordnete, Hr. Medizinal-Assessor Dr. Goeschen, Friedrichstraße 105a.; im 14. Wahlbez.: der Reichstags Abgeordnete und Mitglied des preuß. Landtags, Hr. Regierungs-Afffessor a. D: Eugen Richter, Kommandantenstraße 43; im 15. Wahlbez.: der bisherige Stadtverordnete, Hr. Schriftsteller Dr. Pflug, Plan- ufer 14; im 19. Wahlbez.: der bisherige Stadtverordnete, Hr. Schrift- steller Dr. Pflug, Plan-Ufer 14; im 20. Wahlbez.: der bisherige Stadtverordnet- Hr. Sanitäts - Rath Dr. Tapperît, Neu- Kölln a. W. 19; im 23. Wahlbez.: hat keiner der Kandidaten die absolute Majorität errciht. Die meisten Stimmen haben erhalten : der bisherige Stadtverordnete Hr. Fabrikant Grabé, Köpnicker- straße 70 und der Fabrikant Hr. Adolf Behmer, Köpnicker- straße 135; im 24. Wahlbez.: der Hr. Schulvorsteher Bohm, Louisenstraße 10; im 30. Wahlbez.: der bisherige Stadtverordnete Hr. Kaufmann Berlin, Landébergerstraße 22; im 31. Wakhlbez. : der biéherige Stadtverordnete Töpfermeister Hr. Rüthnick, Lands- bergerstraße 95; im 32. Wahlbez.: der bisherige Stadt- verordnete Hr. Dr. med. Straßmann, Mallnertheaterstraße 39;

B. von der II. Abtheilung am 18. November cr.

Im 2. Wabhlbez.: der bisherige Stadtverordnete Hr. Kaufmann Bertheim, Victoriastraße 31; im 3. Wahlbez.: der Herr Schul- vorsteher Dr. Kürten, Heiligegeiststraße 14; im 10. Wakhlbez.: der bisherige Stadtverordnete Hr. Hotelbesfißger Dreißtzel, Jägerstraßze 17; im 11, Wakhlbez.: der bisherige Stadtver- ordnete Hr. Verlagsbuchhändler Springer, Monbijouplaß 3; im 14. Wablbez.: der Kaufmann Hr. Mathias Moses, Schöne- beraerufer 37; im 15, Wakhlbez.: der Buchhändler Hr. Ernst Reimer, Anhaltstraße 12; im 20. Wahlbez.: der Fabrikant Hr. Win, Feilnerstraße 6; im 22. Wahlbez.: der Fabrikbesißer Hr. A. Ehe- städt, Sebastianstraße 84; im25. Wahlbez.: der bisherige Stadtverord- nete Hr. Verlagsbucbhändler Springer, Monbijouplaß 3; im 26.Wahlbez.: der Oberlehrer am Sophien-Gymnasium Hr. Dr. Dieli , Weinmeister- straße 15; im 27. Wahlbez. : der bisherige StadtverordneteHr.Dr.jur. Z im- mermann, Königin Augustastraße 34; im 34. Wahlbez.: der Kauf- mann Hr. C. Keilpflug, Elsasserstraße 8; im 35. Wahlbez. : der Reutier Hr. Gustav Bollmann, Bellealliancestraße 1E A 90: Wahlbez. : der bisherige Stadtverordnete Fabrikbesißer Hr. Diersch, Grünthalerstraße 3/4;

C. von der I, Abtheilung am 19. November cr.

Im 6. Wahlbez.: der bisherige Stadtverordnete Hr. Komm erzien-Rath Vollgold, Kommandantenstraße 14; im 7. Wahlbez.: der bisherige Stadtverordnete Hr. Verlagsbuchhändler Springer, Monbijouplatß 3; im 8. Wahlbez.: der Baumeister F Böckmann, Kurfürsten- damm im eigenen Hause; im 14. Wahlbez.: der bisherige Stadt- verordnete Hr. General-Konsul Behrend, Victoriastraße 37; im 17. Wakblbez.: der Rentier Hr. Gründler, Friedrichstraße 194; im 18. Wahlbez : der Rentier Hr. August Fran cke, Friedrichstraße 7; im 20. Wahlbez.: der bisherige Stadtverordnete Hr. Kommerzien-

Rath Vollgold, Kommandantenstraße 14; im 21. Wahl*ez.: der Kaufmann Hr. August Scheiding, Stallschreiberstraße 23/23a.; im 24. Wahlbez.: der Baumeister Hr Ed. Schmidt, ‘Karlstraße 20a ; im 28. Wahlbez.: der Bezirksvorsteher Hr. Mar ahn, Scôn- hauser Allee 169; im 29. Wahlbezirk: der bisherige Stadtverordnete Hr. Kaufmann Berlin, Landsbergerstr. 22; im 30. Wahlbezirk; der bisherige Stadtverordnete Hr. Maurermeister Salge, Friedenstr. 17; im 31. Wablbezirk: der Kunstgärtner Hr. Bezirksvorsteher Limprecht, Frankfurter. Allee 47; im 32. Wahlbezi-k: der bisherige Stadtverordnete Hr. Rentier Bartusch, Grüner Weg 103,

Es find mithin in 21 Wahlbezirken (von 41) die bisherigen Stadtverordneten wiedergewählt worden. Von den 40,888 Wählern haben nur 5960, also 142/z Prozent, ihr Wahlrecht ausgeübt. Am s\{chwähsten war die Betheiligung in der dritten Abtheilung, wo von 32,363 Wahlberechtigten nur 2544 oder 78/7 Prozent zur Wahl erschienen; die Betheiligung in der zweiten Abtheilung stieg hon auf 382/7 Prozent (2700 von 7103) und in der ersten Abtheilung sogar auf 507/, Prozent (716 von 1417), Die Betheiligung der Wähler in den einzelnen Wahlbezirken war eine sehr verschiedenez in der dritten Abtheilung des 30. Wahlbezirkes übten nur 42/; Prozent der Wähler ihr Wahl- recht aus; in der ersten Abtheilung des 31. Wahlbezirks da- gegen 83?/; Prozent.

Die fälligen englischen Posten aus London, den 21. d. Mts. früh und Abends, find ausgeblieben.

Bayern. München, 21. November. Der Botschafter des Deutschen Reichs in Paris, Fürst von Hohenlohe, kam am vergangenen Montag von Berlin hier an und begab fih Tags darauf nach Schillingsfürst, von wo der Fürst dem „Corr. v. u. f. D.* zufolge Anfangs nächster Woche hierher zu- rückfehrt, um mit seiner Familie, die bis dorthin von Aussee hier eingetroffen sein wird, nach Paris zu reisen.

Die „Allg. 3tg.* \{hreibt: Bekanntlih wurde von der Königl. Staatsregierung eine Abänderung des Landraths- geseßes vom 28. Mai 1852 im Sinne der Selbstverwaltung angestrebt, und man hatte sich deshalb der Hoffnung hingegeben, daß bei Gelegenheit der neuesten Landrathsversammlungen diese Angelegenheit zur begutachtlichen Vorlage gebraht würde. Man ist jedoh von Seite der Regierung in Erwägung, daß unter den jeßigen Parteiverhältniffen durch die Abordnung von Vertretern zu den Landrathsversammlungen aus den unmittelbaren Städten, Universitäten im Wege der Wahl anstatt der bisherigen Personal- vertretung nur eine Stärkung der klerifkalen Partei erzielt werden fönnte, vorläufig wieder davon abgegangen. Unter diefen Um- ständen wird diese Reorganisation noch einige Jahre ausgeseßt bleiben; maßgebend für den Beshluß war vor Allem au die Rüfsiht, daß die gegenwärtig in der Durhführung begriffenen Sculreformen leiht im Falie einer Verstärkung des klerifkalen Elements innerhalb der Landräthe illusorisch gemacht werden könnten.

In Ansehung des den Ehrengerihten der Dffi- ziere nah den bisherigen Vorschriften zuglcih Übertragenen Schiedsrichteramtes bei Privatstreitigkeiten und Ehrenbeleidigun- gen der Offiziere hat die jüngste Allerhöhste Verordnung keine Bestimmungen getroffen, und es ist demnach diese Aufgabe der militärishen Ehrengerihte in Wegfall gekommen. Gleichwohl bleibt es, wie die Vollzugsvorschriften bestimmen, Pflicht der Truppenbefehlshaber, auf solhe die Ehre berührende Privat- zwistigkeiten der Offiziere ihr besonderes Augenmerk zu riten, denselben mit Energie entgegenzutreten und vorkommenden Falles unter Beiziehung des Ehrenrathes des Truppentheiles, \#o weit es das Interesse und die Würde des Standes zuläßt, darauf hinzuwirken, daß ein ehrenhafter Ausgleih herbeigeführt werde. Gelingt der Sühneversuh nicht oder stellt fih nah Beschaffen- heit des Falles eine Ausgleihung auf dem Vermittlungswege überhaupt als unthunlich dar, so ist von weiterem dienstlichen Eingreifen Abstand zu nehmen und muß Zdie standesmäßige E der Sache den Betheiligten \elbst| anheimgestellt

[eiben.

Die Direktoren Badhauser und Röckl, Ober-Ingenieur Fann und Bezirksingenieur Trient find, wie man dem „orr. v. u. f. D.“ aus München telegraphirt, heute nah Nürnberg gereist, behufs tehnisher Erhebungen über den Zustand der Oftbahnen.

Aus der Landesunterstühßungskasse der baye- rishen Feuerwehren, welche ihre Thätigkeit am 1. August 1873 begann, wurden bis zum 3. September 1874 unterstüßt: 254 Mitglicder für 10,947 » rankheitstage mit 9466 JF[., für Kurkosten mit 1723 Fl, sohin zusammen mit 11,389 Fl. Von diesen Mitgliedern gingen 12 mit Tod ab, wofür 1200 Fl. be- zahlt wurden, \ohin wurden für den eigentlichen Zweck veraus- gabt 12,589 Fl. Die Verstorbenen hinterließen zusammen 4 Wittwen, 8 Kinder und 6 Elternpartien, welche für die Zukunft eine alljährlih wiederkehrende Unterstüßung beanspruchen können.

Sachsen. Dresden, 21. November. Zu Ehren des heutigen Namensfefstes des Königs fand frü eine Reveille der Militärmusik statt. Mittags nahm Se. Majestät im hiesigen Königlichen Palais die Glückwünshe des Ministers des König- lichen Hauses, sowie der Ober-:Hof- und Hofchargen, der Adjutanten 2c. entgegen. Am Montag werden der König und die Königin sich zu einem Besuche des Herzogs und der Herzogin von Sachsen-Altenburg nah Altenburg begeben.

Das „Dr. I.“ meldet: Infolge ciner Einladung Sr. Majestät des Deutschen Kaisers werden Se. Majestät der König und Se. Königliche Hoheit der Prinz Georg sich am 4. De- zember nah Berlin begeben, um an einer Iagd in der Grimnig bei Neustadt-Eberswalde Theil zu nehmen.

Der Staats-Minister Abeken hat \sich heute Vormittag auf einige Tage nah Berlin begeben:

Württembera. Stuttgart, 21. November. Der „St. A. f. W.* theilt Folgendes mit: Nachdem die dur die neue Organisation der Königlih württembcrgishen Truppen als XI1I, Armee-Corps bedingte Aufstellung der dritten (Füsilier-) Bataillone der 8 Infanterie-Regimenter mit der Formation des Füsilier-Bataillons 7. Infanterie-Regiments Nr. 125 am 1. Of- tober d. I. ihren Abshluß gefunden hat, werden nunmehr Se. Majestät der König diesen aht Füsilier-Bataillonen Fahnen verleihen. (Die vormaligen drei Jäger-Bataillone, welche hon im Herb 1871 als Füsilier-Bataillone zu dem 1., 5. und 8. Infanterie-Regiment übergetreten sind, führten früher keine Fahne.) Wie wir erfahren, wird der feierliche Akt dieser Verleihung durch

| Se. Majestät den König in Stuttgart am 2. Dezember d. I.,

dem Jahrestag der Schlacht bei Villiers-Champigny, vollzogen werden und follen bei dieser Feier auch die Fahnen und Stand- arten aller derjenigen Truppentheile des Königlichen Armee- Corps, welche den Krieg gegen Frankrei mitgemacht haben, Dekorationen erhalten.

Baden. Karlsruhe, 21. November. Der Groß- herzog hat fih gestern Vormittag nah Friedrichsthal begeben

und daselb| der Einweihung der neugebauten dortigen Gemeinde- \{hule angewohnt. Morgen erwartet die Großherzoglih? Familie den Besuch des Eroßherzogs und der Großherzogin von Sachsen- Weimar mit den Prinzessinnen Marie und Elisabeth, welche auf der Rückreise von Italien zum Besuche ihrer hohen Verwandten am Nachmittag hier einzutreffen gedenken.

Die „Karlsruher Ztg.“ bestätigt die von verschiedenen Blättern gebrahte Nachricht, daß auch die zweite von dem Dom- fapitel in Freiburg vorgelegte Liste für die Wahl eines Erz- bischofs von der Regierung abgelehnt worden ift. Nur fei Bi- \chof v. Hefele, wie dies übrigens von einzelnen Blättern bereits rihtig bemerkt wurde, nicht abgelehnt worden, vielmehr habe derselbe bestimmt erklärt, eine Wahl in keinem Falle an- zunehmen, so daß, nachdem er in dieser Weise aus der Liste ausgeschieden worden, die Regierung keinen Anlaß gehabt habe, sich über denselben jezt zu äußern. Das genannte Blatt weist jedoch den Vorwurf zurück, daß die Großherzogliche Re- gierung es an dem erforderlichen Entgegenkommen der römischen

- Kurie gegenüber habe fehlen lassen und erklärt: „Die Großher-

zogliche Regierung hat fich mit sämmtlichen, nah dem Rüttritt des Bishofs von Hefele übrig gebliebenen Kandidaten in Ver- bindung geseßt, und erst nachdem jeèer einzelne derselben aus- drücklih erklärt hatte, er könne sih niht eidlih verpflichten, alle Geseze des Staates zu befolgen, wurden sie abgelehnt. Es ist aber doch fürwahr fein Uebelwollen gegen die Kirche, sondern durchaus jelbstverständlich, daß die Regierung niht einen Mann zur erzbischöflihen Würde zulasjen kann, welcher fich ausdrüdlich weigert, der unbedingt allen Staatsangehörigen obliegenden Pflicht des Gehorsams gegen die Staatsgeseße ih zu fügen.“

Hessen. Darmstadt, 19. November. Der Großher- zog besuchte gestern Abend den Ball des Minister-Präfidenten Hofmann, dem auch der Prinz und die Prinzessin Carl, Prinz Alexander, Prinz und Prinzessin Ludwig, Prinz Wilhelm, die hier accreditirten Gesandten und viele Personen von Distinktion, anwohnten. Zur Feier des Namensfestes der Prinzessin Carl fand heute eine Hoftafel im Großherzoglichen Schlosse statt.

Nachdem - das Bureau der Zweiten Kammer vor Kurzem in Gemäßheit einer Vorschrift der neuen Geschäfts- ordnung ein Reglement für die Kanzlei der Kammer erlassen hat, ist man nah der „Main-Z3tg.“ eben damit beschäftigt, eine neue Auflage, bezw. eine völlige Umarbeitung der in den Kam- mern bisher gebrauchten Zusammenstellung der das öffentliche Recht des Großherzogthums betreffenden Gesetze, unter Bei- fügung von entsprechenden Noten, wo Abänderungen ftattge- funden haben 2c., herauszugeben, die auch in den Buchhandel kommen soll.

Wie die „N. H. V.“ mittheilt, liegt es in der Absicht der Regierung, die Kreistage, wenn nur irgend thunlich, im Laufe des Ianuar zu versammeln.

Mecklenburg. Schwerin, 21. November. Der Fürst Carl Ernft von Shönburg-Waldenburg, [welcher seit Freitag voriger Woche zum Besuch am Großherzoglichen Hofe hier verweilte, ist gestern Nachmittag wieder abgereist.

_— Zu der am 2. k. M. bevorstehenden feierlichen Einweihung des Kriegerdenkmals hierselbst werden um- fassende Vorkehrungen getroffen. Dem „R. T.“ gehen darüber folgende Mittheilungen zu:

_— Die Einweihungsfeier findet ihre Einleitung am Nachmittag des

1. Dezember durch feierlihe Benagelung der drei Landwehrfahnena im Waffensaale des Großherzoglichen Schlosses. Am Abend des 1. Dezember findet Freitheater für das Militär statt, soweit das Schauspielhaus Raum enthält. Abends 8 Uhr ist Offiziers- Réunion in den Sälen des Thalia-Theaters. Die Kricger wer- den in verschiedenen Lokalitäten, u. A. die Landweyrbataillone in der Auktionshalle, dié Mitglieder von Kriegervercinen in der Tou- halle, festlich bewiithe. Am 2. Dezember, Morgens 10 Uhr, findet die Fahnenweihe in der Schelffirhe statt. Mittags 12 Uhr die feiérliche Einweihung des Kriegerdenkmals. Die Bufistellung der Festtheilnehmer wi: d die folgende scin. Die Allerl;{sten Herrschaf- ten werden auf einer Tribüne zwischen der Schloßbrücke und dem Krieger denkmal Plaß nehmen. Se. Königliche Hoheit der Groß- herzog und Gefolge erscheinen zu Pferde. Auf dem Alten Garten, jenseits der Straße, dea Denkmale vis-à-vis erfolgt die ¿ Aufstellung des gesammten Militärs, und zwishen den Bäumen, welche ein Rondel um das Denkmal tilden, die Post:rung der gesammten Schuljugend Schwerins. Rechts und links vis-à-vis dem Denk- mal nehmen Platz: 1) Das Großherzogliche Staats - Ministerium. 2) Der Engere Ausschuß. 3) Sämmtliche Großherzogliche Bebörden von Schwerin. 4) Magistrat und Bürgerausshuß von Schw rin. 5) Die Veteranen aus den Fahren 1813/15. 6) Die Invaliden von 1870/71. 7) Die Deputationen sämmtlicher Kriegervereine des Landes, aus je 5 Personen bestehend. 8) Eine Deputation der Landes-Universität Roftock. 9) Alle von Sr. Königlichen Hoheit dem Großherzog besonders Eingeladenen, unter welchen die hinterbliebenen nähe- ren Anverwandten der Gefallenen einen bevorzugten Plaß ein- nehmen werden. Die weiblichen Hinterbliebenen werden auf den Balkonen der nahe belegenen Großherzoglichen Gebäude ihre Pläbe angewiesen erhalten. Die Festrede hâlt Pastcr Löffel, welcher 1870/71 bei den mecklcnburgishen Truppen Feldprediger war. Sowie die Rede beendet ist, fällt die Hülle des Denkmals, die Truppen prä- sentiren das Gewehr, Kanonen werden gelöft und das Glockengeläute sämmtlicher Kirchen der Stadt bezeichnet den feierlichen Moment des Tages. Alsdann rücken die Truppen in die verschiedenen in den Alten Garten mündenden Straßen, uw, von der Schloßstraße zurückfchrend und bis zum Schlosse marschirend, vor den Allerhöchsten Herrschaften im Parademarsh zu defiliren. Bon Mittags 2 Uhr an finden dann für alle Fesitheilnehmer in verschiedenen Lokalen große Festtafeln statt, u. A. für die Bete- ranen und Invaliden im Hotel de Paris, für die Landwehr in der Auktionshalle, für die Kriegervereine in der Centralhalle, für die 90er in der Tonhalle, für die Offiziere im Großherzoglihen Schlofse. 7 Uhr Abends ist große Festvor|tellung im Theater. Nach der Vor- stellung die Illumination des Krciegerdenkmals mit bengalischen Flammen und Brillantfeuerwerk. Wahrscheinlih wird auch in der Stadt eine glänzende Illumination veranstaltet. Die in Ausficht ge- nommenen Feierlichkeiten sind also durchaus nicht lokaler Natur, fon- dern dieselben werden das Gepräze einer Landeéfeier tragen.

Sachsen - Meiningen - Hildburghausen. Meinin- gen, 18. November. Der Meininger Landtag proponirt behufs Aufbesserung der Pfarrbesoldungen, daß das Ministerium 1400 Mark, nach 10 Dienstjahren 1500, nach 15 Jahren 1800 und nah 25 Jahren 2100 betragen soll; das Ruhegehalt soll mindestens 1400 Mark betragen, sonst aber nah weniger als 10 Dienstjahren /z, nah mehr */; des Gehalts; bei längerer als 40jähriger Dienstzeit wird die ganze Besoldung als Penfion gewährt.

Geftern ftand das Dissidenten-Gesey auf der Tages- ordnung des Landtags. Nach einer eingehenden Debatte wurde edoi beschlossen, die Beshlußfassung auszusezen und die e

ezügliche Reichsgesezgebung abzuwarten. Ferner wurde no

ein Geseg über die Grundstückfszusammenlegung vereinbart und weiter die Bewilligung von 1500 Fl., welhe {hon srüher für die Vorsynode ausgesprochen war, auch für die nähste Finanz- periode erneuert.

Schwarzburg - Soudershausen. Sondershausen, den 19. November. (Reg.- u. Nachr.-Bl.) Nach einigen Zei- tungen hätte die Regierung von Schwarzburg-Sondershausen mit den Regierungen einiger anderen Staaten die Anfrage an die Königlich preußishe Regierung gerichtet, ob wohl Seitens der lehteren die Geneigtheit dazu vorhanden sei, daß bei Ein- führuug der neuen Gerichtsorganisation ein preußisches Ober - Appellationsgericht die oberste Gerichtsinstanz auch für jene Staaten bilde. Nach genauer Information muß diese Nachricht, so weit sie Shwarzburg-Sondershausen angeht, als nicht - zu- treffend bezeihnet werden. Da beabsichtigt wird, daß mit der neuen Gerihtsordnung ein Ober-Reichsgeriht eingerichtet wird, so würde eine solhe Anfrage als gegenstandlos erscheinen.

Sesfterreich - Vngarn. Wien, 21. November. Der Kaiser hat dem Präsidenten des Evangelischen Ober-Kirchen- raths der Augsburger und Helvetishen Konfession, Andreas Zimmermann, anlößlih der erbetenen Verseßung in den Ruhestand, das Komthurkreuz des Franz-Jofefs-Ordens mit dem Stern verliehen. An Stelle Zimmermanns i der ehemalige Komes der sächsishen Nation, Konrad Schmidt, zum Präsiden- ten des Evangelischen Ober-Kirchenraths ernannt und demselben gleihzeitig der Titel eines Sektionschefs beigelegt worden.

Für den verstorbenen Erzherzog Karl Ferdinand ist eine 16tägige Hoftrauer angeordnet worden. Das feierliche Leichen- begängniß fir.det am 23. d. M., Nachmittags 4 Uhr, in der Kapuziner-Hofkirche hierselbst statt.

Das Namensfest der Kaiserin wurde vorgestern in Budapest in solenner Weise gefeiert.

Das Abgeordnetenhaus hat in der heutigen Sizung die Spezialberathung des Akiengeseßes fortgeseht und die Artikel 990 bis 224 in der von dem Ausschusse beantragten Fassung nah lebhaften Debatten angenommen. Nach Artikel 222 find die Aktienzeihner zur Einzahlung des ganzen Nominalbetrages au dann verpflichtet, wenn die Aktien wegen versäumter Ein- zahlung vernichtet oder vor völliger Einzahlung weiter begeben wurden. - Nach Artikel 224 ist den Aktionären, so bald sie 1/10 des Kapitals repräsentiren, die Einsichtnahme der Bücher ge- stattet. Artikel 190, welcher ebenfalls mit den vom Ausschusse beantragten Modifikationen angenommen wurde, bestimmt, daß in der Generalversammlung jede Aktie eine Stimme führt, soweit niht im Gesellshaftsvertrage festgesezt wurde, daß nur eine be- stimmte Anzahl von Aktien zu einer Stimme berechtige. Die Stimmberehtigung kann durch männliche Bevollmächtigte aus- ebt werdcn. Zur Beschlußfäh:gkeit der Generalversammlung ift die Anwesenheit von Vertretern eines Sechstels des Aktien- kapitals erforderli.

Pest, 21. November. Im Abgeordnetenhause wurden gestern die Central-Aus\chußberichte über die Oberhaus-Nuntien vorgelegt. Die Modifikationen des Wahlgeseßes wurden von sämmtlichen Sektionen, ebenso die Modifikationen des Inkompati- bilitätsgeseßes bis auf die Modifikation, betreffend die Verwal- tungsräthe, angenommen. Das Oberhaus wünscht nur die Aus- \{ließung derjenigen Verwaltungsräthe, die vor der Konstituirung des Unternehmens mit déêr Regierung verhandelten. Sieben Sektionen verwarfen diese Modifikation. Diese Vorlagen werden Montag verhandelt werden. Der Minister des Innern legte Geseßentwürfe über die Domestikalfteuer und Krankenpflege- fosten vor.

Der Finanz-Minister wird nächstens vom Reichstage die Indemnität verlangen, da zur Erledigung des Budgets vor Neujahr keine Aussicht ift.

Die Steuerrückstände betragen nah Ghyczys An- gabe im Finanzauss{hu}se 32 Millionen, demnach ungefähr eben so’ viel, wie im Jahre 1867. -

Mihailovits beantragte im Finanzaus\husse die Auf- lassung des kroatishen Ministeriums; dieser Antrag wurde mit allen Stimmen abgelehnt.

Rosza Sandor, welcher wegen neuerer Verbrechen zum Tode verurtheilt war, wurde zu lebenslänglichem Kerker begnadigt.

Agram, 20. November. Der Kaiser hat am 15. No- vember d. I. die Gesetze über die Organisation der politischen Verwaltung und über die Regulirung des Sanitätswesens sanktionirt,

Großbritannien und Jrland. London, 23. November. (W: T; B) “Die Kaiserin: von Rußland wird morgen bei ihrer Ankunft in Calais von dem russischen Botschafter in Paris, Fürst Orloff, und dem Flügel-Adjutanten des Mar- \halls Mac Mahon, Marquis von Abzac empfangen werden. Die Königin Victoria wird heute der Kaiserin einen Be- such abstatten.

Frankreich. Paris, 20. November. Der Ober-Unter-

richtsrath nahm in seiner gestrigen Sizung einen Antrag des Msgr. Freppel, Bischofs von Angers an, daß der oberste Unter- rihtsrath jedes Iahr dem Minister Bericht erstatte über die all- gemeine Lage, über die Mißbräuche, welhe sich einschleihen fönnten und über die Mittel, ihnen abzuhelfen. a 29 Nov (WiSD B) Dex Kommandant des VIIT, Armee-Corps, General Ducrot, hat mittelst eines (in Dijon öffentlich angeschlagenen) Generalbefehls die ihm unterstellten Militär-Kommandanten angewiesen, geeignete Maß- regeln zu treffen, um jedweden öffentlihen Kundgebungen bei Gelegenheit der bevorstezenden Munizipalwahlen vorzu- beugen.

Die Kaiserin von Rußland wird dem Vernehmen nah in Cannes ihren Winteraufenthalt nehmen.

93, November. (W. T. B.) Ueber das Ergebniß der gestern stattgehabten Munizipalwahlen liegen bis jeßt nur aus einer Anzahl Städte bestimmtere Nachrichten vor. In Lyon, Havre, Angers, Toulouse, Lille, Nantes, St. Etienne, Dijon, Cherbourg, Boulogne, Breft, Arles, Limoges, Grenoble, Alby, Auch, Alais, Figeac, Cambrai, Valenciennes, Périgueux, Macon, Digne wurden die Kandidaten der republikanischen Partei gewählt. In Marseille haben die Kandidaten der radikalen Partei über diejenigen der gemäßigt republikanischen mit großer Majorität gesiegt. Auch in Montpellier scheint der Sieg der republikanishen Kandidaten zweifellos.

Spanien. Madrid, 21. November. (W. T. B.) Der „Imparcial“ veröffentliht den Bericht der Kommission, welche damit beauftragt war, Grundlagen für die Reduktion der Staats\chuld vorzuschlagen. Derselbe gelangt. zu dem Resultate, daß der Staats\chaÿ die Staats\huld nur mit einem Prozent verzinsen könne. Aber au diese Zahlung werde erft stattfinden können, wenn die Lage des Landes wieder eine nor- male geworden.

Ftalien. Ro m, 21. November. (W.T. B.) Zum Präsidenten des Senates is Des Ambrois di Nevache, zu Vize-Präsidenten

desselben find Serra, Scialoja, Manciani und Arese ernannt worden. Ebenso wird die Ernennung von 14 neuen Senatoren in der amtlihen Zeitung veröffentlicht.

Messina, 22. November. (W. T. B.) In Folge der ftürmishen Witterung der leßten Tage ist an der falabrishen Küste ein italienishes Schiff mit der ganzen Mannschaft untergegangen. Ein amerikanishes Schiff verlor den Kapitän und zwei Matrosen, die übrige Mannschaft wurde gerettet; das österreihishe Kriegs\hifff „Saida“ scheiterte, büßte aber nur einen Mann ein.

Numänien. Bukarest, 20. November. Heute fand die feierlihe Enthüllung der Reiterstatue Michael des Helden auf dem Boulevard in Gegenwart des regierenden Fürstenpaares, aller Civil- und Militärbehörden, des diploma- tischen Corps und eines zah!reihen Publikums ftatt.

Türkei. Belgrad 22. November. - (W. T. B.) Die Skupshtina is heute eröffn worden. In der Thronrede wird des ehrenden Empfanges gedaht, welcher dem Fürsten Milan in Konstantinopel zu Theil geworden fei, sowie seines Besuches bei dem ihm befreundeten Fürsten Carl von Rumänien und der Zusammenkünfte mit den Herrshern und Staatsmännern der europäishen Großmächte, welhe für Serbien niht ohne Vortheil sein würden. Der Fürst verheißt ferner viele Vorlagen, welhe der Skupschtina zur Berathung zugehen würden, und ftellt es derselben \cließlih anheim, in Erwägung zu ziehen, ob es niht gut und nüglih für das Land wäre, die bestehende Ver- fassung in liberalem Sinne umzugestalten.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 20. November. Die Rückehr des Kaisers nah St. Petersburg wird, wie die „Ruf. Welt“ hört, niht vor dem 25. November erwartet. Am 27. November soll eine große Parade aller hier und in der Umgegend stehenden Truppen stattfinden.

92. November. (W. T. B) Das Budget pro 1875 wird nach zuverlässigen Mittheilungen mit einem bedeu- tenderen Uebershuß, als bisher erwartet worden, abschließen. Dasselbe wird eine recht günstige Finanzlage konstatiren.

Der Minister der öffentlihen Arbeiten hat gegenwärtig sein besonderes Augenmerk auf die Eisenbahnen und Eisen- werke im Süden gerichtet und eine persönlihe Inspektion vor- genommen. Das Zustandekommen der Donnegbahn wird mit Sicherheit ewartet.

(W. T. B.) Die auswärtigen Zeitungsmitthei- lungen über eine angeblih entdeckte Versczwörung erregen hier Verwunderung; Niemand bis in die höchsten Gesellschafts\chichten hinauf weiß etwas, was solchen Nachrichten irgend zu Grunde liegen könnte; nirgends verlautete etwas von Verhaftungen aus derartigen politishen Anläfsen. Die Widersetlichkeiten der Zög- linge der medizinishen Akademie haben aufgehört; aus dem teh- nologischen Institut sind 20 Schüler ausgeschlossen und ist auhch dort damit das für den Unterricht erforderliche Verhältniß hergestellt.

Amerika. Wie aus Rio de Janeiro über London telegraphisch gemeldet wird, enthalten die dortigen Zeitungen vom 20. d. Mel- dungen aus Buenos-Ayres, nah denen \ih das Kanonen- boot der Insurgenten „Parana“ mit der gesammten Beman- nung der Regierung ergeben hat. Der Kommandant des Schiffes hatte cinen \riftlichen Befehl, die Mannschaft in Montevideo zu landen.

Reichstags - Angelegenheiten.

Berlin, 23. November. In der Sthung des Deutschen Reichstags am 21. d. Mts. nahm der Reichskanzler Für st von Bismarck in der Diskussion über den Antrag des Abg. Liebkneht auf Beurlaubung der Abgg. Bebel u. #. w. nach dem Abg. Windthorst das Wort. Der Leßte hatte nah dem Abg. Liebknecht als dritter Redner gesprochen und geäußert, die Regierungen thäten wohl, die inhaftirten Abgeordneten frei- zulassen und sich einer Diskussion der von ihnen vertretenen Grundsätze nicht länger zu widerfeßen :

Der Herr Vorredner veranlaßt mich, gegen meine ursprüngliche Absicht mich mit einigen Worten in die Debatte zu mischen, dadur, daß er die Häufigkeit der Einsperrungen, die Thatsache, daß es sich sehr häufig wiederho!t, daß Leute in das Gefängsniß kommen, in einer Art und Weise vortrug, als wenv sih darazs ein Vorwurf gegen einzelne Regierungen oder gegen die Reichsregie.ung begründen ließe; einer von diesen Vo-würfe:t, die nicht ausdrücklich ausgesprochen wor- den, überläßt dem Leser, daß an all’ diesen Ucbeln irgend etne Ungerechtigkeit, von Seiten des Reichs oder der Regierungen, Sc{uld wäre, zwischen ten Zeilen zu lesen. Es genügt dazu der Vortrag mit dem Tone ittlicher Entrüstung. Ein Schuldiger muß doch sein, und als schuldig, sobald die Anklage von der Stelle des Vorredners und von der Stelle des Herrn ersten Redners ausgeht, denkt man sich natürlich die Regierung. Jh möchte diesem Eindruck doch mit weni- gen Worten ent „egentreten, indem ich sage: wenn sehr viele Beispiele vorliegen von ih wiederhole den Ausdruck von Einsperren denu ich finde fein eutsprechendes Substantivum, was ich aus Ge- fängniß bilden könnte wenn das also sehr häufig vorkommt, so ist das allerdings eine sehr bedauerliche Erscheinung, feineswegs aber ein Beweis, daß die Regierung nicht ihre Schuldigkeit thäte. Der würde dann crst geführt werden fönnen, wenn man auch nur in irgend einem Beispiele nachweisen könnte, daß die Gefängnißhaft im Wide: spruh mit den Geseßrn verfügt wäre. Das zu versuchen, hat sich der Herr Vorredner, der leßte sowohl wie dec erste, ichr wohl gebütet; er hat dunkel ein Mißbehagen angedeutet, daß häufig Leute unerwartet ins Gefängniß geriethen, hat es dem Publikum überlassen, den Missethäter zu errathen, der cigentlih daran schuld ist. Ja, meine Herren, das ist, wie bci der Abschaffung der Todesstrafe Jemand sagte: „laßt doch die Herren Verbrecher erst anfangen mit der Aufhebung des Mordes!“ Das häufige Einsperren liegt nicht an denen, die das Geseß handhaben und es mit pflicht- méßiger Strenge und Gleichmäßigkeit handhaben; es liegt an denen, die das Gesetz übertreten. :

_ Das, was der Herr Vorredner anführte, ist nur ein Beweis, daß die Gesetzesübertretungen in neuerer Zeit zahlreicher sind, wie früher, daß die Achtung vor den Geseben erheblich ges{wunden ift. Fragen wir uns nun: Woran liegt das? An der übermäßig gestei- gerten Strenge unserer Gesetzgebung? Das kann man èoch nah un- unferer neuen Gesetzgebung wahrlich nicht sagen; im Gegentheil, ich hörte sie vielfah zu großer Milde auflagen. Es liegt darin, daß die Tendenz der Kritik, die Tendenz der Auflebnung gegen die Gesetze über- haupt Sichten der Gesellschaft ergriffen hat, in denen-sie früher nicht heimisch warz es liegt in den hochstehenden Beispielen derer, die vor- zugsweise auf die Achtung vor dem Gesetze halten sollten, die aber in erster Linie das Beispiel der Mißachtung, der Bekämpfung der Gesete, der Auflehnung gegen die Geseße geben. Diese Beispiele wirken sehr nachtheilig. Es liegt außerdem wahrfcheinlich in “den Grund- säßen, die auf die Erzichung unserer Jugend unter dem in den leßten 25 Jahren bestandenen Aufsichtswesen angewandt find. Die Thatsache is, daß unter diesen Einwirkungen eine Necwilderung in unseren sozialen Verhältnissen eingerissen ist, die in der neuesten Lossagung von der Pflicht, den Geseßen zu ge- horchen, die von hoher Stelle gegeben find, nur ihre Bestätigung ge- funden hat.