1874 / 282 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 01 Dec 1874 18:00:01 GMT) scan diff

Landeshaushalts-Etat und der Anleihe für Elsaß-Lo- thringen der Abg. von Puttkamer-Fraustadt das Wort. Der- selbe fritisirte in einer längeren Rede. die Ausführungen der beiden elsaß-lothringishen Abgeordneten Simonis und Winterer und billigte die Vorlagen im Großen und Ganzen. Gegen die- selben {pra der Abg. Windthorst, der besonders auf die auhch vom Abg. Winterer behandelten Unterrichtsverhältnisse einging. Der Abg. Dr. Loewe erklärte sich dagegen mit dem Vorgehen der Regierung in dieser Angelegenheit durchaus einverstanden und sprach die Hoffnung aus, daß dieselbe auf diesem Wege weiter fortschreiten werde. Damit \{chloß die erste Berathung der beiden Vorlagen, die zur weiteren Berathung an eine besondere Kommission von 21 Mitgliedern verwiesen wurden. :

Ohne Debattc erledigte das Haus in erster und zweiter Lesung den Gesezentwurf, betreffend die Einführung der Maß- und Gewichtsordnung vom 17. August 1868 in Elsaß- Lothringen (\. denselben in Nr. 271 d. Bl.). Der Gesetz- entwurf, betreffend die Deutsche Seewarte (\. Nr. 274 d. Bl.) wurde rch einer längern Diskussion zwischen den Abgg. Miguel, Frhrn. v. Hoverbeck, Möring und dem Bundesbevoll- mächtigten, Präsidenten des Reichskanzler-Amtes, Staats-Minister Dr. Delbrück, (\. unter Reichstags - Angelegenheiten) vorläufig von der Tagesordnung abgeseßt bis zur Berathung der betref- fenden Etatsposition. . Es folgte dann die dritte Berathung des Vertrages zwischen Deutschland, Oesterrei - Ungarn, Däne- mark, Aegypten, Spanien, den Vereinigten Staaten von Amerika, Frankreih, Großbritannien, Griechenland, Italien, Luxemburg, Norwegen, Niederland, Portugal, Rumänien, Rußland, Serbien, Schweden, der Schweiz und der Türkei, betreffend die Gründung eines Allgemeinen Postvereins, welher nah einer Be- merkung des Abg. Schmidt - Stettin und einer kurzen Antwort des Bundesbevollmächtigten, General - Postdirektor Stephan (f. unter Reichstagsangelegenheiten), ohne weitere Debatte definitiv genehmigt wurde. Schluß 45 Uhr.

In der heutigen (22.) Sizung des Deutschen Reichstages, welhe um 1 Uhr 25. Minuten begann und welher der Reichskanzler Fürst von Bismarck, der Präsident des Reichskanzler-Amtes, Staats-Minister Dr. Del- brück, der Staats-Minister, General-Lieutenant von Stosch, der General-Major von Voigts- Rhet, sowie der Geheime Ober-Re- gierungs - Rath Dr. Michaelis und mehrere andere Bun- deskommissarien beiwohnten, stand zunächst die erste Be- rathung des Gesezentwurfes, betr. die Aufnahme einer Anleihe für Zwecke der Marine und der Telegraphen - Ver- waltung auf der Tagesordnung. Der Abg. v. Saint-Paul- Illaire begrüßte die Vorlage mit Freuden, bedauerte indeß, daß für Marinezwecke geringere Summen veranschlagt seien, als im Flottengründungsplan in Aussicht genommen waren, und daß man mit dem Bau von Schifsen niht rasher vorgegangen sei. Der Staatsminister v. Stosh wies diesen Vorwurf als un- begründet zurück; die Marineverwaltung habe in Anbetracht der thatsählihen Verhältnisse das Möglichste geleistet, Bei Schluß des Blattes nahm der Abg. Rickert das Wort.

Nah einem Erkenntniß des 1V. (Civil-) Senats des Ober-Tribunals vom 8. Oktober cr. haben die von einem Bürgermeister abgegebenen, die Stadtgemeinde ver- eni A Erklärungen, ohne daß derselbe hierzu vom

agistrat ausdrücklich bevollmächtigt worden, nur in den Fällen eine privatrechtlihe Wirkung, in denen die Beschlußnahme dur den Magistrat einen nachtheiligen Zeitverlust verursachen würde. Ein der Stadtgemeinde zu N. (Provinz Sachsen) von einem Müller im Iahre 1806 gewährtes Darlehn wurde im vorigen Jahre von dessen Rechtsnahfolgern wieder zurück gefordert. Magistrat verweigert jedo die Zahlung, weil die Sthuld ver- jährt sei. Sowohl in erster als au in zweiter Instanz wur- den Kläger mit ihrer Forderung zurückgewiesen und die von ihnen aufgestellte Behauptung, daß die Verjährung dur gegenseitiges Anerkenntniß Seitens des Bürger- meisters und der Gläubiger unterbrohen sei, für uner- heblih erklärt. Auf die von den Klägern eingelegte Nichtigkeitsbeshwerde bestätigte das Ober-Tribunal das Er- kenntniß der zweiten Instanz, indem es ausführte: „Nach S. 562 .Th. 1 Tit. 9 A. L. R. wird die Verjährung allerdings durch gegenseitiges Anerkenntniß unterbrohen. Das Anerkennt- niß muß aber von dem zur Abgabe der verbindlihen Erklärung Legitimirten erklärt sein. Wenn der Appellationsrichter an- nimmt, daß die zur fraglichen Zeit fungirenden Bürgermeister der Stadt N. zur Abgabe von, die Stadtgemeinde obligirenden Erklärungen nicht legitimirt waren, sa hat er die von ihm alle- girten Gesezesvorschriften niht verleßt. §. 119 Thl. Il. Tit. 8 des A. L. R. besagt, daß der Magistrat der Vorsteher der Stadtgemeinde ift §8. 134 ib. : „daß der Magistrat \{hul- dig uud befugt ist, die Rechte der Stadtgemeinde in und außer Gerichten wahrzunehmen und zu vertheidigen. Eine Befugniß des Bürgermeisters die Stadtgemeinde obligirende Erklärungen abzugeben, läßt \fich aus diesen Bestimmungen niht folgern. Ebenso wenig aus §. 108 der durch Allerhöhste Kabinetsordre vom 28. April 1831 in die Provinz Sachsen eingeführten revi- dirten Städteordnung vom 11. März 1831, in welhem die Amtsverhältnisse des Bürgermeisters bezeihnet werden. Nach diesex Vorschrift hat derselbe die Aufsiht und Leitung des ganzen Geschäftsganges; die Befugniß, Beschlüsse des Ma- gistrats zu suspendiren; das Vbliegen, darauf zu sehen, daß der Magistrat seinen Verpflichtungen als Staatsbehörde nahkomme; in Fällen der Gefahr im Verzuge das Erfor- derlihe zur Abwendung der Gefahr ‘vorzunehmen, die Disziplin aufrecht zu erhalten. Auch giebt, 8. 58 der Städte-Ordnung vom 30. Mai 1830 dem Bürgermeister nur in Fällen, in denen die Beschlußnahme durch den Magistrat einen nachtheiligen Zeitverlust verursachen würde, die Befugniß, die dem Magifirat obliegenden Geschäfte vorläufig allein zu besorgen.

Der Zahlmeister X. lebte mit seiner Frau in fast immer- währendem Streit, indem dieselbe meist aus Eifersucht zu den rohesten Ausfällen gegen ihren Ehemann in Gegenwart anderer Personen fi herbeiließ. X. klagte deshalb gegen seine Frau auf Sheidung und erstritt in erster Instanz ein die Ehe

trennendes Urtheil, weil unter Personen mittleren und höheren Standes als Zahlmeister bei der Armee gehört X. zu den im Offiziersrang stehenden höheren Militärbeamten nah . 702, Tit. 1, Th. 1. A. L. R. die Scheidung alsdann statt- ndet, wenn der beleidigende Ehegatte sh geringer Thät- lichkeiten und blos mündliher Beshimpfungen oder

Drohungen (§. 701) ohne dringende Veranlassung muthwillig und wiederholt {huldig macht. Das Urtheil wurde aber in zweiter Instanz auf Appellation der Frau zum Nachtheile ihres Ehemannes abgeändert. Dieser legte dagegen die Revision ein und das Ober-Tribunal ließ es demzufolge in seinem Erkenntniß vom 5. Oktober cr. bei der erstinstanzlich ausgesprochenen Ehe- trennung bewenden, erklärte indessen den Kläger für dea über-

wiegend schuldigen Theil, weil ihm zwar kein po- fitives Versehen nachgewiesen werden konnte , wohl aber die dringende Vermuthung der verlegten ehelihen Treue begrün- det war. Als rechtlich wichtig is hervorzuheben, daß die Frau feine Scheidungsanträge gestellt, sondern nur um Zurückweisung der Klage des Mannes gebeten hat. Während sich sonst das civilrechtlihe Prozeßverfahren nur in den Grenzen der Partei- anträge abwickeln darf, hat hier der Richter der dritten Jnstanz in Uebereinstimmung mit dem ersten Richter angenommen, daß das Ehegericht nah §. 745, Tit. 1, Th. 11. A. L. R. der Be- urtheilung der Shuldfrage, die hier eine natürligze Kon- sequenz, der an dem Ehemanne gerügten dringenden Vermuthung verletter ehelicher Treue ist, allemal von Amtswegen Und ohne an die Parteianträge gebunden zu sein, sich unterziehen muß. Anders verhält es \sih jedo, wie das Ober- Tribunal am Schlusse des Erkenntnisses ausführt, in Betracht der Scheidungsstrafe, wo es sich wie bei der Frage, ob ein Ehegatte den andern wegen der künftigen Erbfolge abzufinden \ huldig ist? lediglih unz vermögensre{tlihe Interessen handelt, da ist-auch das Ehegericht an die Anträge der Parteien gebunden. Im vor- liegenden Falle hat der Kläger auf Scheidungsstrafe ausdrüdcklich verzichtet, von der Verklagten aber. is in erster Instanz ein An- trag, ihr eine. Abfindung, oder statt derselben lebenslängliche Ver- pflegung zuzusprechen, gar nit gestellt, sondern um Zurückwei- sung der Ehescheidungsklage des Mannes gebeten worden. Nach damaliger Lage des Prozesses durfte daher vom erften Richter die Frage: ob und welcher Theil Scheidungsstrafe zu entrichten habe? überhaupt nicht zum Gegenstande der Entscheidung ge- macht werden. Auch jeßt liegt keine Nothwendigkeit oder Ver- anla}sung vor, dieserhalb eine über die Anträge der Parteien hinausgehende Entscheidung zu treffen.“

Am 29. Novembcr Nachmittags i} hier der General- Lieutenant a. D. von Wildenbruqh, früher diesseitiger außer- ordentliher Gesandter in Konstantinopel, nah kurzer Krankheit verstorben. Die Einsegnung der Leiche vor ihrer Veberführung nach Klein - Oels bei Ohlau findet morgen Nachmittag im Trauerhause Potsdamerstraße Nr. 133 statt.

Stralfund, 28. November. Heute wurde der diesjährige ordentliche neuvorpommersche Ko mmunal- Landtag nach Vollziehung der Schlußprotokolle und Erledigung einiger noch ausgeftandenen geschäftlihen Angelegenheiten durch Se. Durch- laut den Fürsten und Herrn zu Putbus als Vorsizenden ge-

\{chlossen.

Görlitz, 28. November. In der heutigen (vierten) Plenar- Sitzung des Kommunal-Landtags wurde der Verwaltungs- beriht der kommunalständishen Bank vorgetragen, aus welchem sih ergiebt, daß der Geschäftsverkehr resp. der Umsaß sich fort- geseht in großen und erwünschten Dimensionen bewegt hat, und daß troß mancherlei ungünstiger Verhältnisse das Jahr 1874 einen niht geringeren Ertrag liefern wird, als das vorige Jahr. Der Landtag fand \ich daher veranlaßt, der Bankverwaltung für die treue und umsihhtige Leitung der Bankgeschäfte wieder- um - seine volle Anerkennung auszusprechen. Nachdem einige die Verwaltung betreffenden Beschlüfse gefaßt worden waren, wurde der Verwaltungskosten-Etat für das Jahr 1875 fest- gestellt, dabei auch der hiesigen Handels\chüle zur Dotirung zweier Freistellen bis auf Weiteres der Betrag von jährlich 25 Thlrn. gewährt. Bezüglich der in Folge der bevorstehenden deutschen Bankgesezgebung zu thuenden Schritte und zu fassenden weiteren Beschlüssewurde der Hr. Landeshauptmann und Landesälteste mit den vorbereitenden Verhandlungén beauftragt, die - Beschlußfassung aber einem event. einzuberufenden außerordentlihen Landtage vorhehalten. Sodann wurden sämmtliche ständishe Rehnungen für das Jahr 1873, nachdem sie von der Kassen- und Rechnungs- Revisionsdeputation geprüft sind, dehargirt, und dabei einige, die Verwaltung betreffende Beschlüsse gefaßt. Der Landtag nahm hierbei Veranlassung, für die musterhafte Ordnung, in welcher sh das gesammte Kafsen- und Rehnungswesen befindet, wiederum \eine Anerkennung auszusprechen, bewilligte in Be- rücksihtigung der augenblicklihen Theuerung, den Beamten Gratifikationen, stellte dem Landeshauptmann und Landesältesten zur einstweiligen Unterbringung tobsüchtiger Personen 200 Thlr. zur Disposition und beschloß einige Bewilligungen für häusliche Einrichtung im Ständehause. Den Schluß der Verhandlungen bildete die Berleihung einer größeren Anzahl von Schul-, Uni- versitäts-, Militär- und sonstigen Stipendien und Stiftungs- genüsse aus den unter ständisher Verwaltung stehenden Stif- tungen, welche theils den bisherigen Inhabern fort-, theils neuen Bewerbern neu bewilligt worden. Hierauf {loß der Hr. Landes- hauptmann und Landesälteste von Seydewiy den Landtag mit einem dreimaligen Hoh auf Se. Majestät den Kaiser und König Wilhelm, in welches die Versammlung begeistert einftimmte.

Cöln, 29. November. (Cöln. Ztg.) Gegenwärtig liegt der Entwurf zum städtischen Haushaltsetat für das Fahr 1875 im Finanzamt auf dem Rathhause zu Jedermanns Einsicht offen. Nach demselben werden betragen die Einnahmen und Ausgaben 1,307,833 Thlr., 64,000 Thlr. weniger als in diesem Jahre. Unter den Ausgaben sind aufgeführt: Gehalts- verbesserungen 10,000 Thlr. , Deckung des Ausfalls bei der Klafsen- und Einkommensteuer 50,000 Thlr., Pensionsunterstüßun- gen 6103 Thlr., Zuschuß für die Elementarshulen 130,746 Thlr., gegen 123,630 Thlr. in 1874, Zushuß für Armenmittel 130,000 Thlr., gegen 125,711 in diesem Jahre, Kosten des Landarmen- und Korrigenden-Fonds 11,594 Thlr., Gebäude der höheren Töchtershule 33,333 Thlr., Beitrag zum Bezirksstraßenfonds 13,318, ungefähr das Doppelte wie 1874, für neue Schulhäuser 25,000 Thlr. gegen 97,420 Thlr... in diesem Jahre, 26,626 Thlr. für den Ausbau der Bibliothek, Erneuerung des Heizungs- Apparates im städtishen Museum 10,000 Thlr. Aus den Ein- nahmen heben wir hervor: Einnahme aus den Wasserwerken 40,000 Thlr., 40 pCt. Grund- und Gebäudesteuer 38,000 Thl., Zuschlag zur Staats-, Einkommen- und Klassensteuer und Ein- i agpeats der Forensen und juristischen Personen 912,000

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Bayern. München, 29. November. Die Königin- Mutter i vorgestern von Elbingeralp in Partenkirchen einge- troffen und wird ih von dort in kommender Woche zum dau- ernden Winteraufenthalte hierher begeben. Prinz Otto ift gestern Abend von Hohenschwangau hier angekommen, in der Königlichen Residenz abgestiegen und begiebt sich morgen früh mit dem Schnellzuge in Begleitung seines Adjutanten Haupt- mann v. Branca zu längerem Aufenthalte nah Venedig.

(F. I.) Am 283. d. M. wurde die diesjährige Sizung der Landräthe der Pfalz eröffnet. Die Hauptaufgabe des Landraths ift, alljährlich die Ausgaben, welhe aus Mitteln des Kreises gemaht werden sollen, festzustellen und die dazu erfor- derlichen Einnahmen zu beshaffen. Auch in diesem Jahre wer- den zu Gunsten der verschiedenen Schulen erhöhte Anfor-

derungen von der „Regierung an den Landrath gestellt ; so wird für Fortbildung des Lehrerpersonals an den Volfs\hulen, für Theuerungszulagen an die Schulverweser und für Dienstalter- zulagen an die Schullehrer ein M von 4000 Fl. gefordert; den Lehrern an den Gewerbshulen und isolir- ten Lateinshulen sollen, nachdem den Studienlehrern an den ftaatlihen Mittelshulen besondere Theuerungs- zulagen aus der Staatskasse bewilligt worden find, nun auch solche aus Kreismitteln zugewendet werden ; férner empfiehlt die Régierung, den genannten Lehrern, die bisher keine Penfionsansprüche hatten, von nun an solche zu verleihen, um fie auch in dieser Hinsicht den an den ftaatlihen Anstalten an- gestellten Lehrern gleihzustellen. Eine fernere wihtige Vorlage der Regierung betrifft die Ueberweisung der (bisher durch Pfar- rer besorgten) Distrikts - Schulauffiht an selbständige Beamte. Der Antrag, die beiden Schullehrer-Seminare der Pfalz wieder in fonfessionslose Anstalten zu verwandeln, wird, nahdem der Landrath einen diesbezüglihen Wunsh in den leßten Jahren wiederholt ausgesprochen, jedoch stets nur einen dilatorishen Be- \heid darauf erhalten hat, wohl auch in diesem Jahre wieder gestellt werden.

30. November. (W. T. B.) Zu der auf heute an- beraumten Verhandlung gegen den Dr. Sigl wegen verleum- derischer Beleidigung des Fürsten Bismarck durch die Be- hauptung, das Kissinger Attentat sei nur eine Komödie gewesen, war der Angeschuldigte niht erschienen. Der Gerichtshof er- fannte daher ohne Zuziehung von Geschworenen und verurtheilte den Angeklagten in contumaciam zu einer Gefängnißstrafe von 10 Monaten. Der Staatsanwalt hatte 15 Monate beantragt.

Baden. Karlsruhe, 28. November. Die Groß- her zogin begab sich gestern Vormittag nah Mannheim, be- suchte dort das Großherzoglihe Institut, wohnte insbesondere auch den Unterrichtsstunden dieser Erziehungsanstalt an und kehrte am Nachmittag in die Residenz zurück. Heute Nachmittag trafen der Prinz Ludwig von Hessen und seine Gemahlin, Prinzes\\in Alice, geb. Prinzessin von Großbritannien, mit ihren drei jüngsten Kindern zum Besuche ihrer Hohen Ver- wandten in Karlsruhe ein und ‘haben im Großherzoglichen Schlosse Wohnung genommen.

Das erzbishöflihe Kapitelsvikariat in Freiburg hat bei dem Justiz-Ministerium eine Beschwerde gegen den Dber- Amtsrichter Beck in Heidelberg, der bekanntlih große Thätigkeit für den Altkatholizismus entwitelt, eingereiht. Diese Zu- ees vom 5. November, am 8. November bei dem JIustiz-

inisterium eingekommen, erhielt von diesem {hon am 9. d. Mis. ihre Erwiderung. Die Erwiderung des Ministeriums nimmt zuerst Bezug darauf, daß die vatikanishen Konstitutionen von 1870 im Großherzogthum Baden, wie in andern deutschen Staaten, keine rechtlihe Geltung haben; sodann: es folge aus dem Geseße über die Rechtsverhältnisse der Altkatholiken vom 15. Iuli d. J., daß „eine Aufforderung zum Bekenntniß der sogenannten altkatholischen Lehre und zur Uebernahme geistlicher Funktionen in - einer altfatholishen Gemeinde von staatlicher Seite niht als ein Abfall oder eine Aufforderung zum Abfall von der römisch-katholishen Kirche, wie sie bis zum 18. Juli 1870 bestanden und staatlih anerkannt gewesen, aufgefaßt wer- den könne.“ Am Schlusse der Erwiderung heißt es:

„Nachdem Seitens der Großherzoglichen Regierung bisher selbst gegen folhe Beamten dienstlih nicht eingeschritten wurde, welche den fraglichen Konstitutionen und Lehrsäßen, auh soweit fie auf das staatliche Gebiet übergreifen, und vom Staate zurückgewiesen sind,

'anhängen und Geltung zu verschaffen suchen, kann fie um so weniger

gegen einen Richter vorgehen, welcher dieselben in seiner Eigenschaft als Katholik auf rein fkirchlichem Gebiete bekämpft. Ein solches Vorgehen würde ferner eine Einmischung in innere kirhlihe Angele- genheiten enthalten, von welcher si die Großherzogliche Regierung bisher grundsäßlich fern hielt. Auch hiervon abgesehen, würden An-

gesihts der Bestimmungen det §§. 8 und 9 des Geseßes über die.

Rechtsverhältnisse dec Richter vom 7. Oktober 1865 die allgemein gehaltenen Beschuldigungen der“ Aufforderung zum Abfall und der Proselytenmacherei ohne spezielle Angabe unter das Geseß fallender Thatsachen keinen genügenden Anhalt zu einem disziplinaren Ein- schreiten bieten.

Sachsen-Weimar-Eisenah. Weimar, 28. November. Der Großherzog begiebt sich morgen zu den wie üblih. um diese Zeit in Allstedt stattfindenden Jagden und von dort am Donnerstag nah Berlin.

Aus Veranlassung der Wiedererrihtung des päda- gogishen Seminars unter der bewährten Leitung des Prof. Stoy in Iena, haben hier lebende frühere Zöglinge des Insti- tuts in diesen Tagen dem Chef des Kultusdepartements, Geh. Rath Dr. Stichling, cine Adresse überreicht, in welcher 215 Eleven des Seminars, theils solche, die dasselbe früher besucht, theils au solche, die ihm jegt angehören, demselben den Dank für die Wiedererrihtung .aus\sprehen. Die Unterzeichner - gehör.n fast allen Staaten des Reichs, au Elsaß-Lothringen, an, aber auch aus Italien und Aegypten sind Unterschriften eingegangen.

Sachsen - Meiningen - Hildburghausen. Meinin- gen, 26. November. (L. 3.) Durch Gesetz vom 13. d. M. ist für den Verkehr bei den öffentlihen Kassen und für den allgemeinen Verkehr die Reihsmarkwährung mit dem 1. Januar 1875 eingeführt. Nach einem weiteren Geseße vom 18. November d. I. dürfen Papiere, wodur die Zahlung einer bestimmten Summe an jeden Inhaber versprohen wird, ohne ausdrüliche Geneh- migung der Herzoglichen Staatsregierung im Inlande nit aus- gestellt oder in Verkehr gebracht werden.

Der Landtag des Herzogthums hat, abgesehen von den bereits erledigten Gesehpropositionen über die Verbesserung der Pfarrbesoldungen, über Grundstücks-Zusammenlegung, über die Dissidenten, noch mehrere andere kleinere Vorlagen und Gesetzentwürfe, welhe vorzugsweise die Umrechnung der Säße vom Guldenfuß in die Reichsmark betreffen, \{chon dur Zu- stimmung abgemacht. Dahin gehören insbesondere die Ent- würfe über die Klassen- und Einkommensteuer, die Hunde- steuer, die Jagdkarten, die Gebäudesteuer, unter Ablehnung der Anträge auf Erhöhung der Abgaben für Iagdkarten und der Hundesteuer. Auch die Prüfung der Staatsrechnungen pro 1873 ift beendigt. Es wird demnächst die Prüfung der Etats pr. 1875/7 und die Berathung des Volks\hulgeseßes beginnen und dies ein allgemeineres Interesse in Anspruh nehmen. Nach dem Etat wird den Staatsdienern eine N gewährt, welche indessen zu gering erahtet wird und die Zahl der Ter- mine der Klassen- und Einkommensteuer wird von 15 auf 12 Termine herabgeseßt. In Preußen find auch nur 12 Termine. Der Entwurf des Volksschulgesezes umfaßt 6 Abschnitte und 86 Artikel. Die staatlihe Aufsicht namentlich in den äußeren Angelegenheiten der Schulgemeinde ist dem Landrath übertragen. Zur Beaufsichtigung des Unterrihts und der Amtsthätigkeit der Lehrer werden Bezirks\{chul-Inspektoren angestellt. Es sind 15—20 Bezirks\hul-Inspektoren in Ausficht genommen und soll

steriums mit

* 13 kommunale Mittelshulen, die vom Staate

ein jeder 2500 Mark Gehalt beziehen. Auch ein Nachtrag zum Ablösungsgescß hat Annahme gefunden. Kirchen- und Schul- lasten werden hiernach mit dem 20fahen Betrag abgelöst.

Um den einzuziehenden Reserven und Rekruten Plaß zu verschaffen, sind heute die 2. und 3. Compagnie des hier garnisonirenden 32. Regiments vorübergehend nach Cafsel übergesiedelt.

Sachsen-Coburg-Gotha. Coburg, 24. November. Der Herzog isst heute Morgen nah Gotha abgereist, um dort größere Jagden abzuhalten. Von dort wird er \ih in einigen Tagen zu gleichen Zwecken nah dem Elsaß begeben.

Der Vertrag Seitens des Herzoglihen Staats-Mini- dem Eisenbahn - Bauunternehmer Bachstein, bezüglih des Baues der Gotha-Ohrdrufer Bahn is nun definitiv abgeschlossen und überhaupt das Zustandekommen des ganzen Unternehmens gefichert. Bahnhöfe sollen in Ohrdruf und Georgenthal mit der Haltestelle Emleben errichtet werden.

Schwarzburg - Sondershausen. Sondershausen, 96, November. Der Landtagsaus\chuß iff in diesen Tagen hier zur Prüfung der Staatskassenrechnungen pro 1873 zusammengetreten.

Bremen, 26. November. tigte fich gestern mit einer großen Zahl von Bewilligungsan- trägen. Dem Landarmenverbande mußten für Bremerhaven 3000 Mark mehr ausgeseßt werden, weil dort namentlih heim- fehrende Auswanderer nach Brasilien außerordentliche Koften verursaht hatten. Der Vorschlag des Senats, Predigern und Gerihtsboten für den Wegfall der Abkündigungsgebühren bei Grundstücksverkäufen mäßige Entschädigungen auf eine kurze Reihe von Jahren zuzugestehen, fand mehrfahen Anstand. Doth sprachen die Meisten sich für den Senatsantrag aus, der denn au \chlicßlih genehmigt wurde. Dagegen wurde der Be- \chluß über die vom Senat vorgeschlagene Anstellung von zwanzig neuen Polizeidienern vertagt.

Hefterreich - Ungarn, Wien, 30. November. Der Kaiser ist am Freitag früh in Gödöllö eingetroffen.

(W. T. B.) In der heutigen Sißung des Abgeord- netenhauses beantwortete der Minifter des Innern, Freiherr v. Laser, die Interpellation wegen der auf dem Lande herrschen- den Unsicherheit, indem er eine Tabelle vorlegte, aus der zu ersehen war, daß seit dem Zustandekommen des Gesetzes, be- treffend das Verfahren gegen die Vagabunden, die Sicherheit wesentlich zugenommen hat. Darauf begründete der Abg. Wild- bauer seinen Antrag auf Abänderung des Gesetzes, betreffend die Aufsicht über die Schulen, und gab zu diesem Zwecke eine eingehende Darstellung des gegenwärtigen Zustandes der Schulen in Tyrol. Der Abg. Graf (Tirol) bestritt die Kompetenz des Reichsrathes in dieser Angelegenheit und bezeihnete den Antrag als eine Verfassungsverlezung. Nachdem noch die Ab- geordneten Hoffer, Dordi und Wildbauer (Südtirol) und \{ließ- lih der Kultus-Minister von Stremayr für den Antrag das Wort ergriffen und in Abrede gestellt hatten, daß in demselben eine Kompetenzüberschreitung gefunden werden könnte, wurde der Antrag einem Ausschusse von 15 Mitgliedern überwiesen. Dar- auf trat das Haus in die noch ausstehende Berathung des §. 12 des Aktiengeseßes ein. Derselbe wurde mit dem Amendement des Abg. Dr. Herbst angenommen, wonach die Bestimmungen des Aktiengeseßes, soweit statutarishc Bestimmungen nicht ent- gegenstehen, auch auf schon bestehende Gesellshaften Anwendung finden. Endlih wurde der Bericht des Ausshusses üvce die vorjährige Aufhebung und Wiederherstellung der Bankakte ohne Debatte genehmigt.

Pest, 30. November. . (W. T. B.) Im Abgerdneten- hause wurden heute vom Finanz-Minister Ghyczy mehrere Vorlagen, betreffend die Einführung von Luxusfsteuern, ein- gebraht. In der Sizung des Oberhauses erklärte der Minister-Präsident Bitto, daß er, wenn möglih, noch in dieser Session einen Gesehentwurf über die Reform des Oberhauses vorlegen werde. Der Finanzaus\{chuß des Abgeord- netenhauses beendigte heute die Berathungen über das Budget der Honved-Armee, an welchem erheblihe Reduktionen vorgenommen wurden. Der Honved-Minister Szende erklärte, daß er auf der Bewilligung} der geforderten * Beträge in ihrem E besteher müsse und die Reduktionen nicht accep- iren könne.

Belgien. Brüssel, 25. November. Die Quästurxr der Kammer hat den dreijährigen Bericht über den Zustand des mittleren Unterrichtes in Belgien vertheilen lassen. Die folgenden Ziffern geben eine Uebersiht über den Antheil, welchen der offizielle und der freie Unterriht an den Mittel- \hulen während der Periode von 1870—1872 genommen hat. Es gab im Ganzen im Königreih Belgien 163 Anstalten für den mittleren Unterriht und zwar 10 Königlihe Athe- näen, 50 staatlihe Mittelshulen, 17 Kommunalkollegien, h \subventionirt find, 4 auss{chließlich fommunale Mittelshulen, 11 patro- nirte Kollegien unter Leitung des Klerus, 7 Mittel- \hulen gleihen Charakters, 26 bischöflihe Schulen ersten und zweiten Grades; zehn Schulen erster und zweiter Ordnung unter der Leitung von Ocdensleuten; elf Kollegien unter der Leitung der Jesuiten; neun Schulen unter Privatleitung. Bei diesen Ziffern i} indeß zu bemerken, daß sie bei weitem nicht alle Anstalten aufführen, in denen- mittlerer Unterricht ertheilt wird. Eben die Freiheit des Unterrichts giebt diesen Schulen manchmal eine folch' eigenthümlihe und speziellen Bedürfnissen angepaßte Gestalt, daß sie niht unter die oben angeführten Ka- tegorien zu rehnen sind, sondern oft mehrere derselben in \fih vereinigen. Das Geseß vom 1. Juni 1850 fordert nur die An- meldung der Schule zur Ertheilung des Mittelunterrihts erster oder zweiter Ordnung nah den Anforderungen des Geseges.

Großbritannien und Jrland. London, 28, No- vember. (A. A. C) Auf Windsor fand heute ein Ministerrath unter dem Vorsiß der Königin statt. Major Sartorius vom 6. bengalishen Kavallerie- Regiment und Kapitän Bell vom Genie-Corps, denen wegen ihres tapferen Verhaltens im Ascha ntikriege das Victoria- kreuz verlichen wurde, empfingen diese Dekoration ‘vorgestern in förmliher Weise aus den Händen der Königin auf Windsor. Ein Telegramm aus Oxford meldet, daß in dem Befinden des Prinzen Leopold einige Besserung eingetreten sei, do kann der Prinz noch niht ausgehen.

Das Altargrabmal, das die Königin zum Andenken an ihren Vater, den Herzog von Kent, errichten ließ, ist nunmehr fertig und in der St. Géorgskapelle im Windsorschlosse aufgestellt worden. Es besteht aus einem auf einém breiten Postament aus dunkelfarbigem Marmor ruhenden Alabaster-

Die Bürgerschaft beschäf- -

Sarkophag, ‘dessen Deckel eine liegende Figur des Herzogs aus weißem Marmor in seinen Roben ziert. Der Kopf ruht auf einem Kissen; die linke Hand liegt auf der Brust und die rechte hält ein Schwert. Am Fuße befindet fich eine lateinische In- rift, die in der Uebersezung lautet: „Dieses Monument der Pietät und Verehrung ist über das Grab geseßt worden, in welchem ihres Vaters irdische Hülle begraben ist, und nicht weit von den Pforten von Frogmore, wo die sterblihen Ueberreste der Herzogin, ihrer ‘Mutter, ruhen: von deren einziger Tochter Vic- toria, Königin von England.

Die Dubliner „Gazette“ enthält eine Geheimraths-Ver- ordnung, welhe mehrere am 28. August 1872 erlassene Verfü- gungen, wonach gewisse Kirchspiele in Belfast unter die E des Friedenserhaltungsgeseßes gestellt wurden, aufhebt.

30. November. (W. T. B.) Prinz Arthur, Her- zog von Connaught, is bei seiner Anwesenheit in Norwich mit dem Pferde gestürzt und hat fih dadur eine Verlegung des Fußes zugezogen. Die Verleßung is indeß nur eine leichte, zu keinen Bedenken Anlaß gebende.

1. Dezember. (W. T. B.) Das Befinden des Pre- miers Disraeli hat sih erheblih gebessert.

Der seitherige türkishe Admiral Hobart Pascha ist mit dem Range eines Kapitäns wieder in die englishe Marine zurückgetreten.

Frankreich. Paris, 29. November. Im „Bulletin français“ wird der Gesetzentwurf über die Neuorganisation des Generalstabes der Armee veröffentliht, welhen der Kriegs-Minister der Nationalversammlung vorlegen wird, und die Motivirung, welche denselben begleitet. Das Wesentliche dieser neuen Organisation i, daß fernerhin der Generalstab fih niht aus den jungen Schülern der Schule von St. Cyr rekru- tiren soll, sondern aus den Schülern einer zu errihtenden höheren Kriegs\{hule, welche ihrerseits aus der jezt bestehenden General- stabs\hule hervorgehen. Es wird somit dieser Schule eine höhere Klasse zugefügt. Die aus dieser höheren Kriegsschule" ent- lassenen Offiziere sollen dann zwei Jahre in einem Corps von einer anderen Waffe Dienst leisten, die Infanteristen ein Jahr bei der Kavallerie und ein Jahr bei der Artillerie, die Kavalleristen ebenso bei der Artillerie und Infanterie und die Artilleristen bei der Infanterie und Kavallerie; dann folgt darauf ein zweijähri- ger Dienst be dem Stabe der Division oder des Armee-Corps, dem fie angehören u. . w. Das ganze, etwas weitläufig aus- schende Projekt hat den Zweck, dem Generalstabe möglichst tüch- tigere und reifere Kräfte zuzuführen, als bisher.

Alle in aftivem Dienste stehenden Generale sind von ihren verschiedenen Kommandoposten nah Paris berufen worden.

Der Gemeinderath erledigte vorgestern die lezten Be- stimmungen des Anleiheprojektes, worauf der Präsident Vautrain nah einer kurzen Ansprache des Seinepräfekten die Session für ges{loscn und den Gemeinderath für aufgelöst ertlärte.

Der Erzbischof von Algier kündigt in einem Hir- tenbriefe an, daß er wegen seiner ges{chwähten Gesundheit si auf einige Zeit nah Europa begeben müsse. . Er geht zuerst nach Rom, um dort einige Zeit zu verweilen.

Der „Français“ liefert über die Ergebnisse der Ge- meindewahlen eine Statistik... Danach hätte nur in mehreren der größten Städte der Radikalismus in seinen fortgeschrittensten Vertretern gesiegt, sonst aber allenthalben das konservative Element die Oberhand behalten. Man zählt, sagt der „Franzçais“, in Frankreih 362 Hauptstädte von Departements und Arondisse- ments. Von 358 dieser Städte ist das Wahlresultat bekannt. In 66 davon find die von der Regierung ernannten Maires gar nit als Kandidaten aufgetreten, in 14 is das Bürgermeisteramt zur Zeit vakant. Von den 278 übrigen Städten, in welchen die neuernannten Maires \fih präsentirten, wurden sie in 191 gleich im ersten Wahlgang gewählt und in 87 find fie unterlegen. Die Zahl der ländlihen Gemeinden, in welcher die von der Re- gierung ernannten Maires als Kandidaten aufgetreten sind, be- trägt 33,000 und in ungefähr 31,000 davon sind diese Maires am leßten Sonntag durchgedrungen. Hier“ hat also die konser- vative Partei eine ganz überwältigende Mehrheit davongetragen.

30, November. (W. T. B.) Die Kaiserin von Rußland und der Großfürst Alexis sind heute Vormittag um 103/, Uhr nah San Remo abgereist.

Versailles, 30. November. (W. T. B.) Die Natio- nalversammlung hat heute ihre Sißungen wieder aufge- nommen. Der Kriegs-Minister, General de Cissey, brachte einen Gesezentwmurf über die Organisation der Cadres des stehenden Heeres und der Territorial - Armee ein. Sodann wurde die Konstituirung der Abtheilungen durch das Loos vorgenommen. Der weitere Verlauf der Sizung war ohne erheblihes Interesse. Morgen findet die Wahl des Präsidenten statt und wird die Wiederwahl Buffets als sicher betrachtet. Die B o t- \chaft des Marschall - Präsidenten dürfte am Mituvoh oder Donnerstag eingebraht werden. Das rechte Centrum hat Bocher zum Vorfißenden gewählt.

Der Graf von Chambord hat an die Fraktion der äußersten Rechten eine Zuschrift gerichtet, in welcher er es seinen Anhängern zur Pfliht maht, fih an keinen Beschlüssen zu betheiligen, durch welche die Wiederaufrihtung der Monarchie gehemmt werden könnte. '

Ftalien. Rom, 25, November. (It. N.) Die „Opinione“ sagt über die Königlihe Thronrede: Wenn die Worte unseres Monarchen dieses Jahr keine großen nationalen Ereignisse zu ver-

künden hatten, so geshah es, weil die heroische Epoche unserer

nationalen Wiedergeburt geschlossen und die Zeit gekommen ift, in welcher wir unser politishes Gebäude ausbauen müssen, indem wir unsere Finanzen regeln und die Staatsverwaltung verbessern ; eine Periode ruhiger, leidenschaftsloser Analyse, welche vor Allem die Aufgabe hat, das Gleichgewicht in den Einnahmen und Ausgaben des Staatshaushaltes herzustellen, ohne neue Steuern aufzulegen, und Verbesserungen in die Staatsverwaltung einzuführen. Das sind die Grundideen der Thronrede, womit Se. Majestät der König gestern das Parlament eröffnet hat ; und seine Worte werden ‘als der Ausdruck unserer heutigen Be- dürfnisse aufgenommen werden. Das italienische Volk is seinem Könige gefolgt, als er auf den Shlachtfeldern an der Spiße des R für die Unabhängigkeit / und Einheit des Vaterlandes ämpfte, und folgt ihm auch heute auf dem zwar bescheideneren, aber niht minder mühevollen Pfade, wo es gilt, das Werk der Reorganisation unseres Staates zu vollenden.

Am 22. November wurde der Marchese Gioachino von Ventimiglia auf der Insel Sicilien im Walde S. Onofrid durch Karabinieri aus den Händen der Briganten befreit, die ihn \eit einigen Tagen in ihre Gewalt bekommen hatten, und zwei Briganien und ihr Mitschuldiger, den sie zur Eintreibung des Lösegeldes ausgeshickt hatten, wurden bei dieser Gelegenheit

gefangen genommen. Das isst nun seit der furzen Zeit, seit welcher die neuen ministeriellen Maßregeln getroffen worden find, der Le Fall, daß den Briganten ihr Opfer wieder entrissen worden.

Türkei. Konstantinopel, 283. November. (H. N.) Der Sultan hat den Bau einer großen Prachtmoschee aus Marmor und Granit, mit vier Minarets, in der Nähe des Palastes von Dolmabagtsche befohlen und zugleih angeordnet, daß 70 Läden und Waarenmagazine in der Nähe erbaut werden, deren Ein- künfte zum Unterhalt der Moschee und des dabei angestellten Personals dienen sollen. Der Kostenanshlag is auf 830,000 Lire (15 Millionen Reichsmark) berechnet, welche aus der Civil- liste zu bestreiten find.

Numänien. Bukarest, 30. November. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer hat fast einstimmig den Fürsten Demeter Ghika zum Präsidenten gewählt. Die Wahl ift der Regierung günstig.

Am 20. November hat, wie bereits gemeldet, die feier- ihe Enthüllung des Denkmals stattgefunden, welches in Bucharest vor dem Akademiegebäude dem rumänischen Helden Michael (+ 1601) errihtet worden is. Die „Epoche“ vom 25. d. bringt jezt darüber einen ausführlihen Bericht: Nahdem Vormittags in der Sarindarkirche Gottesdienst gehalten worden, begaben sich der Fürst und die Fürstin, die Minister und die andern hohen Staatsbeamten nah dem Festplaße. Der Primar der Hauptstadt, Dberst Manu, richtete dort eine Ansprache an den Fürsten, der darauf folgende Worte erwiderte:

Ich \hätze mich glücklich, daß unter meiner Regierung Michael dem Tapfern ein Denkmal errichtet worden, das uns an die glor- reichste Zeit unserer Geschichte erinnert, an die Zeit, in welcher dieser große rumänische Fürst das Glück hatte, für die Vertheidigung und Selbständigkeit seines Landes zu kämpfen. Er im Verein mit Mircea und Stephan dem Großen legte die Grundlage zu dem militärischen Geist, der heute unser Heer durchweht, und der im ganzen Volke einen Widerhall findet. Indem ih nun diese Statue einweihe, spreche ich die Ueberzeuaung aus, daß die Zeit männlicher Kraft nicht VOr- über, und daß im Augenblicke der Gefahr Rumänien aufstehen wird wie Ein Mann, um wie dereinst seine Pflicht zu erfüllen, Gebe Gott, daß auch ich in jenem Moment den Erwartungen des Landes ensprechen könne, auf daß wir in die Herzen kommender Geschlechter die Dankbarkeit gegen die Vertheidiger rumänischen Bodens eingraben mögen. Es falle nun der Schleier, der die Statue verhüllt, damit den Einwohnern der Hauptstadt das Monument Michael des Tapfern überantwortet werde.

Dárauf erfolgte die Enthüllung des Denkmals unter Musik und Kanonendonner. Abends um 6 Uhr war große Hoftafel.

Michael, dem die Geschichte seines Landes den Namen „der Tapfere“ verliehen, war 1558 geboren und bestieg 1592 den walachishen Fürstenstuhl, nahdem er als Ban von Crajova der populârste Mann im Lande geworden war. Sein ganzes Stre- ben war darauf gerichtet, sein Volk zu befreien und die ver- schiedenen rumänischen Provinzen unter seinem Scepter zu ver- einigen. Er starb durch einen von Jaremia Movila, dem da- maligen Fürsten der Moldau, gedungenen Meuchelmörder, Namens Jacques de Beauri, am 19. August 1601 im Lager bei Thorda in Siebenbürgen.

Nußland und Polen. St. Petersburg, 30. November. (W. T. B.) Wie der „Regierungs-Anzeiger“ meldet, is der Kaiser mit der Großfür stin Maria gestern Nachmittag um 1 Uhr von Livadia nah Simferopol abgereist, von wo aus um 9 Uhr Abends die Weiterreise nah St. Petersburg erfolgte,

Shweden und Norwegen. Christiania, 27. No- vember. - Der Professor der Theologie Rasmus Nissen is gestern znm König berufen worden, das Kultus-Ministerium zu übernehmen. Der König reist am Sonntag von hier ab.

Das Comité - zur Errichtung ciner Statue. König Christians 1V. hat am 20, d, Mts. hier eine Versammlung abgehalten, in welher beschlossen wurde, die norwegischen Bild- hauer zu einer Konkurrenz in Betreff der Anfertigung dieser Statue einzuladen. Die Vorwürfe sollen innerhalb eines halben Iahres eingesandt und das Standbild ohne Postament in einer Höhe von wenigstens 18 Zoll darauf ausgeführt werden; als Prämie für die 4 besten Skizzen hat das Comité eine Summe von 150 Spezies in Vorschlag gebraht. Der Comitébeshluß muß jedoch vorerst vom Kommünevorstande in Christiania ge- nehmigt werden, ebenso ein Vorschlag desselben, wonach diese m is auf dem großen Markte („Stortorvet“) errichtet. werden sollte.

Dänemark. Kopenhagen, 27. November. Nah Mit- theilung der „Korsör Avis“ giebt der Kammerherr Sehefsiedt- Fuul zu Ehren seines Hohen Gastes, des Kronprinzen, morgen Abend einen großen Ball. Sonntag Mittag gedenkt der Kronprinz nah Kopenhagen zurückzukehren. Dem „Dags- telegraphen“ zufolge wird die Konfirmation des Prinzen Waldemar nächsten Monat in der Schhloßkirhe zu Fredens- borg stattfinden, der Tag is noch nicht definitiv bestimmt. Die feierlihe Handlung wird vom Königlihen Konfessionarius, Bischof Martensen, geleitet werden. Gestern kam die Schwester der Königin, Prinzessin Augusta, von Helsingör in Fre- densborg an, um der Königlichen Familie einen Besuch abzu- statten, und kehrte mit dem Abendzuge nah Helsingör zurü. In Veranlassung des Geburtstages der Großfürstin Dagmar, welche gestern ihr 27. Lebensjahr erreichte, wurde von vielen Häusern in der Hauptstadt -geflaggt.

Bis zum 18. November sind im Ganzen an der Königlihen Münze 5,999,500 Zwei-Oerestücke und 5,630,000 Fünf- und Zwanzig-Oerestücke ausgemünzt worden. Die Ein- und Fünf-Oerestücke sind von Bronze und tragen auf der Vorder- seite die Nawenschiffre des Königs unter einer Krone und auf der Rückseite die resp. Aufschriften 1 Oere und 5 Dere; an der linken Seite krümmt \sih ein Delphin und an der reten eine Kornähre dem Rande entlang als Sinnbilder der wichtigsten Nahrungsquellen des Landes: Seefahrt und Ackerbau. Die Zehn- und Fünfundzwanzig-Oerestüke sind von Silber und tragen auf der Vorderseite das Brustbild des Königs mit der Umschrift: Christian IX., König von Dänemark, und auf der Rückseite die resp. Aufschriften 10 Dere und 25 Dere; im Uebrigen trägt die Reverse dieselben Sinnbilder wie vorhin bei den Bronze-Oeren angegeben, jedoch mit dem Unterschiede, daß oben ein Stern zwischen dem Delphin und der Kornähre ange- bracht is. Das Ein-Derestück ist von der Größe der jezigen Vierschillinge und das Fünf-Derestük wie die jeßigen Dreimark- stücke, das Zehn-ODerestück i} etwas kleiner und das Fünfund- zwanzig-Oerestück so groß wie ein Vierschillingftü.

Amerika. Washington, 30. November. (W. T. B.) L OUA Bristow hat für den Monat Dezember den Verkauf von 21/7 Millionen Gold angeordnet; ein entspre@hen- der Ankauf von Bonds findet nicht statt.