1874 / 282 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 01 Dec 1874 18:00:01 GMT) scan diff

Lowell hat den ihm angebotenen St. Petersburger Ge-

sandtshaftsposten abgelehnt.

New-York, 30. November. (W. T. B.) Der Mayor der Stadt, Havemeyer, is ganz hie gestorben.

Aus Centralamerika liegen folgende Meldungen der „N. A C vor:

Die einzige Nachricht vou Interesse is ein anderer miß- glückter Aufstands8versuch in Costa Rica. Am 17, ult. um Mitternacht griff ein Haufen Rebellen, aus Nicaraguanern, Salva- dorianern und Costa Ricanern bestehend, die Citadelle von Punta Arnnas an und nahm fie ein, wobei Sennor Joaquim Fernandez, der vorher mit seiner Familie in Gemäßheit der Amnestie in diesem Hafen gelandet war, zum Präsidenten proklamirt wurde. Zur Zeit der Ein-

nahme war der Kommandant und Vize - Kommandant von der Citadelle abwesend, aber da sich_ zwei Offiziere und fünf Soldaten in ihrer Begleitung befanden, ftationirten sie sich in ein -benachbaries Gebäute und hielten vier

Stunden hindurch ein lebhaftes Feuer gegen die Rebellen aufrecht. Alsdann \chifften sie sich auf dem Dampfer „General Cannas“ ein und begaben sich nah der San Lucas-Jnsel und von da nach Bebedero (dem Haupthafen in der Provinz Guanacastle), wo sie nah Liberia in derselben Provinz um Truppen sandten. Die Verluste in dem Gefecht waren 3 Verwundete auf Seiten der Regierung. Der Verlust der Rebellen ist nicht angegeben. Aus den amtlichen Berichten erhellt indeß, daß die Einwohner die Rebellen entwaffneten und daß Sennor Fernandez mit seinen Anhängern am nächsten Tage (18) ‘abziehen mußte, nahdem er 11,000 Dollars, die er in der Agentur der Na- tionalbank vorgefunden, mit fich genommen.

Aus Jamatca wird unterm 9..d. M. berichtet, daß der, lebte fürht erlihe Orkan nngeheure Verheerungen verursachte. Jm Binuenlande wurden riesige Bäume und große Quantitäten wachsender Produkte aus dem Erdboden gerissen. Unter den kleinen Kolonisten droht erustliher Nothstand, wenn nicht gar absolute Hungersnoth ein- zutreten. Die Kaffeefelder sind sehr beshädigt. Eine Menge Häuser wurde niedergewcht und in einigen Bezirken sind die Landstraßen weg- gespült worden. Der den Werften und kleineren Küstenfahrzeugen zu efügte Schaden is ebenfalls sehr beträchtlißh. Der Verlust an

enschenleben ift glücklicherweise unerheblich. Auch wurden nicht alle Theile der Jnsel von dem Orkan heimgesu1t.

Australien. Aus Hawaii wird über New-York vom 27. Nov. gemeldet, daß Kalakua, d& König der Sandwichsinseln, den Prinzen Delawhowbe zum Regenten während seines Besuches in den Vereinigten Staaten, sowie zu seinem Nachfolger auf dem Thron ernannt hat.

Nr. 83 des „Amts-Blatts der Deutschen Reichs-P o si- Verwaltung“ hat folgenden Inhalt: Generalverfügungen vom 24. November 1874. Ansaß des Portos, Bestellgeldes und der Vor- \chußbeträge auf den Briefen 2c., Zutaxirung und Verrechnung der Porto- 2c. Beträge nah Einführung der Reichsmarkrechnung. Vom 95, November 1874. Verpackung der Begleitadressen zu gewöhnlichen Packeten nah Berlin. Vom 25. November 1874. Revision des Briefbeutel-Inventariums. Vom 26. November 1874. Eröffnung der Eisenbahn Dortmund-Lünen. Bescheidung vom 21. November 1874. Tragen von Schußkragen Seitens der Postillone.

Nr. 20 des „Deutschen Postarhivs“", Beiheft zum Amtsblatt der Deutschen Reichs-Postverwaltung, hat folgenden Jn- halt: I. Attenstücke und Aufsäße: Bericht des Ausschusses des Bundes- ratl)s für Eisenbahnen, Post und Telegraphen, betreffend den zu Bern abgeschlessenen Postvereinsvertrag. Zum Berner Postkongreßs. Die Verhandlungen des Reichstages über die Postvzrträge mit Peru und Chile, sowie über die Novelle zum Portotargescße. Island und die Isländer. IL. Kleine Mittheilungen: Die Sprachgrenzen in Elsaß-Lothringen. Ilk. Zeitschriften-Ueberschau.

Nr. 24 des „Central-Blattes der Abgaben-, Ge-

werbe- und Handels-Geseßgebung und Verwaltung in den Königlich Preußischen Staaten“ hat folgenden Inhalt: Cirkular-Verfügung des Königlichen Finanz-Ministeriums, die Erträge aus der Grasnußung 2c. in den Gräben der Staatschausseen be- treffend, vom 31. August 1874. Cirkular-Verfügung des König- lichen Finanz-Ministeriums, die Abtretung von Staatsgrundstücken an die Reichsverwaltung betreffend, vom 6. September 1874. Cirkular- Verfügung des Königlichen Finanz-Ministeriums, die auf österreichi- hem Gebiete belegenen deutschen Zollstellen betreffend, vom 13. Sep- tember 1874, Cirkular-Verfügung der Königlichen Ministerien der Finanzen und für Handel 2c. das bei fiskalishen Bauausführungen zu beobachtende Verfahren betreffend, vom 19. September 1874, Verfügung des Königlichen Finanz-Ministeriums, die Mindestbeträge der Geldstrafen bei Zoll-Defraudationen und Kontraventionen be treffend, vom 24, September 1874. Verfügungen des Königlichen Finanz-Ministeriums, Veränderungen in dem Stande und in den Be- fugnissen der Zoll- und Steuerstellen betreffend, vom 4. November 1874. Verfügung des Königlichen Finanz-Ministeriums, die Ver- nas von Malzkeimen, welche zur Bierbereitung verwendet wer- en, betreffend, vom 16. September 1874. Verfügung des König- lichen Finanz-Ministeriums, die Steuerfreiheit der Methbereitung ke- treffend, vom 24. September 1874. Berfügung des Königlichen Finanz-Ministeriums, die Tarifirung von - Patent-Lederfilz beireffrnd, vom 17. September 1874. PersonalChronuik.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

__ Von den Entscheidungen oberster deutscher Ge- richtshöfe in Streitsachen des sffentlihen Reis und der Verwal- tung, herausgegeben von Dr. Hermann Stolp, (Berlin 1874, Expedition der Deutschen Gemeindezeitung) is das dritte Heft er- schienen. Dasselbe enthält Entscheidungen und Rechtsgrundsäte des Bundesamts für das Heimathwesen, des Königlich preußischen Ge- richtshofs zur Entscheidung der Sanmietenzfonslifte, des Königlich preußischen Ober-Tribunals, des Obersten Gerichtshofs des König- reichs Bayern, Das Werk theilt bekanntlich jedesmal den aus den Entscheidungen abzuleitenden Rechtsgrundsaß in kurzer, präziser

Fassung und demnächst cinen ausführlichen erläuternden Auszug aus den Entscheidungsgründen mit. s

Von dem Sammelwerk: Die Ortsgeseße, örtliche Polizei-, Verwaltungs- und Benußungsordnungen 2c. 2c., welches ebenfalls von dem Dr. H. Stolp in demselben Verlage herauêgegeben wird, ift der fünfte Band erschienen. Derfelbe enthält 49 -verschiedene Lokalord- nungen, ferner ein nach Stücken und Gegenständen geordnetes Jnhalts- Verzeichniß über die ersten fünf Bände des Werkes.

Fr. Kreyßigs „Vorlesungen über“ Shakespeare, seine Zeit und seine Werke“, (Berlin, Nicolai’ sche Verlagsbuch- handlung Stricker) liegen nach der kürzlich erfolgten Ausgabe des 2. Bandes, nunmehr in zweiter vermehrter und verbesserter Auflage vollständig vor. Sie zeichnen sich vor vielen Schriften der Shakespeareliteratur durch Objektivität und Unbefangenheit des Urtheils rühmlich aus. Der Verfasser hatte kaum.nöthig fich dagegen zu verwahren, als hâtte ihn zur Abfassung dieser Vorlesungen „der Kißel, an Shake- speare ästhetishe Geistcsgymnastik zu üben“, veranlaßt. Sie tragen wirkflichßh den Stempel gemüthsinniger praftischer Beschäftigung mit dem Dichter und verdanken ihre Vorurtheilsfreiheit ganz besonders dem Umstande, daß fie ihrer Natur nah für das Bedürfniß naiv genießen- der Hörer bestimmt, die Fühlung mit dem Leben nicht verloren. Jn- dessen sind die Schriften der „s{hul- und A uen Ag Shakespeare- literatur nicht unbeachtet geblieben. Der Verfasser ist den Kämpfen auf diesem Gebiete gefolgt und hat manches zu verbefsern gehabt, während dieselben die Grundanshauungen nicht zu erschüttern ver- mochten. Erweitert und emendirt sind besonders die historischen und literarhistorishen Einleitungen zu den Dichtungen, gänzlich umge- arbeitet ist die Biographie Shakefpeare’s. Die ästhetischen und ethishen Ausführuncen über die einzelnen Stücke, für welche der Verfasser keine Unfehlbarkeit beanspruht, find der Ausdruck einer eigenartigen tiefen “Ueberzeugung | und unerschrockenen Denkens. Warme ungefälschte Empfindung und klare Anschaulichkeit find ihre Vorzüge. Zum Beweise dessen mögen hier die Worte fol- gen, in denen Kreyßig diejenige Schöpfung des Dichters zusammenfafsend beurtheilt, die uns stets am sympatischsten aber auch räthselvollsten erschien: die Schlußworte der Vorlesung über Hamlet.

Der Held, sagt Kreyßig, ist kein Märtyrer zarter Gewissenhaf- tigkeit, auch keine tragische Jnkärnation des modernen humanen Geistes inmitten der Naturmächte eines rohen Jahrhunderts, sondern einfach der ursprünglich edel, genial angelegte, aber durch einseitige Ueber- bildung an Willen und Entschlußfähigkeit geshädigte Schöngeist, den die Verhältnisse nöthigen, aus der von ihm glänzend bekterr|chten Melt der Gedanken und Worte sich einen ausnahmsweise s{wierigen Weg in die der Thatsachen zu bahnen, und der über den innern Widerspruch dieser Aufgabe nicht hinaus kann.“

Kreyßig will mit diesen Vorlesungen bei der heranwachsenden Generätion ein fruchtbares Shakespearestudium fördern, indem ihr seinen vortrefflichen Kommentar in di: Hand giebt, mit dessen Hülfe fih die Schönheiten dex Werke des großen Dichters erst in aller Pracht erschließen. Denn: Shakespeare muß man lesen bemerkt der Verf. treffend nicht um darüber mitreden zu können, was der Dichter mit Hamlet, Lear, Coriolan 2c. sagen und beweisen wollte, sondern, um an jenen, gewiß nicht durchweg künstlerisch vollkommenen, aber lebendigen und gewaltigen Offenbarungen menschlichen Seins und Thuns zu erstarken für eine würdige männliche geistesfrohe und gemüthsinnige Auffassung menschliher Dinge überhaupt.

Im Verlage von Fr. Kortkamp f hierselbst ist erschienen „Die Ertheilung von Erfindungspatenten“, nah der Gesetzgebung des Deutschen Reichs und der deutschen Einzelstaaten, für den praftischen Gebrauh zusammengestellt von einem höheren Regierungsbeamten.

Dem Professor Botgorschek am Konservatorium in Haag ist von Sr. Majestät dem König von Württemberg das Ritterkreuz erster Klasse und dem Kapellmeister Sir Julius von Benedikt in London das Commenthurkreuz zweiter Klasse des Friedrihs-Ordens verliehen worden.

Ein Korrespondent der Augsb „Alg. Ztg.“ {reibt aus Rom Nur wer Rafaels Tapeten im Vatikan sah, kann sich eine Vor*; stellung davon machen, was in diesem Gebiete dex handwerklichen Ar - tistik vou Pinsel, Farben, Leinwand und Holz unabhängig in Flan- dern damals erreicht wurde. Eben schrieb Signor Pietro Geutili die Geschichte der in seiner Familie traditionellen Kunst, die er jeßt in Italien als Meister repräsentirt: Erfahrung und Sicherheit des Urtheils, Fleiß und Mannigfaltigkeit des Studiums zeichnen ihn aus. Der Ursprung der Tapetenmalerei, ihre Fabriken in den versthie- denen Ländern, die Entwickelung dieser Kunst in Rom, ihr Verfall und ihr Wiederaufleben, ihre Förderung durch Pius IX. find eingehend behandelt. Von Interesse sind besonders die Nachrichten über die von römischen Artisten eingebrachten Veränderungen deé hand- werklichen Theils der Tapetenarbeit, für welche auch heute noch, wie in Rafaels Zeit, die ersten Maler die Kartons zeichnen. Ist die Monographie auch nicht absolut vollständig, fo ist fie doch das reihste Ergebniß der bisher über die Arrazzi (Arras) gemachten Studien und für die Kunstgeschichte ein willflommener Beitrag.

Gewerbe und Handel.

Berlin. Die künftigen Einhundert Mark-Noten lassen folgende Banken aus gleichem Papier, in gleichem Format (103 : 172) mit gleichem Wasserzeichen, gleicher Grundfärbung und mit einer für alle gleihmäßigen Rückseite anfertigen: die Anhalt-Dessauische Landes- bank, die R E Bank, die Kommerzbank in Lübeck, die Kommunalständische Bank für die Preuß. Oberlausiß in Görliß, die Geraer Bank, die Hannoversche Bank, die Lübecker Privatbauk, die Magdeburger Privatbank, die Privatbank zu Gotha, die Rostocker Bank, die Thüringishe Bank, die Weimarische Bank. Im Qa und in der Grundfärbung stimmen mit dem Einhundert Mark-Noten dieser Banken auch. die Einhundert Mark. Noten der Sächsishen Vank, der Bayerischen Hypotheken- und Wech- felbank, der Städtishen Bank in Breélau, der Landständi|chen Bank in Bautzen und der S Stadtbank vollständig überein. Auch bei der Leipziger Bank, der Bank für Süddeutschland und der Cölni-

schen Privatbank ist wie bei den obigen 17 Banken die grüne Farbe:

als Grundfarbe acceptirt. Es ist somit für den bei Weitem größten Theil der norddeutschen Zettelbanken die möglichste Uebereinstimmung in der äußeren Erscheinung der von ihnen zu emittirenden Einhun- dert Mark-Noten mit gutem Erfolg angestrebt worden.

Seit dem Jahre 1861 wird unter dem Namen „Mycotha- naton“ von der Firma Vilain & Co. in Berlin ein chemisches Präparat in den Handel gebracht, welches die Eigenschaft besitzt, den in des Holz-, Haus- und Mauershwamm nit allein zu vertilgen, ondern auc zu verhüten. Das Mycothanaton, welches keinerlei der Gesundheit schädliche Substanzen enthält, wird bei der Anwendung in einem eisernen Gefäß bis zum Siedepunkt (80° R.) erhißt und sodann auf alle Stellen, worauf sich der Shwamm vorfindet, cinige Male stark aufgetragen. Das einfache Mittel hat sich bis jetzt be- währt, worüber dem Verfertiger Zeugnisse zu Gebote stehen. Das Nähe siche im Juseratentheil.

In der am 30. November ia Osnabrück abgehaltenen General- versammlung der Flachs\pinnerei Osnabrücck wurde eine Divi- dende von 10 % genehmigt und Hr. Louis Holle aus Wolffenbüttel einstimmig in den Aufsichtsrath wiedergewählt.

Der Verband der Konsumvereine der Provinz Bran- denburg hielt am 29. d. M. in Berlin einen Börsenilag ab Vertreten waren als Käufer 10 Konsumvereine und wurden in Kolo- nialwaaren, Mühlenfabrikaten, Seifen, Petroleum, N nein, Zucker und Butter ziemlih bedeutende Umsätze erzielt. Eine Börsen - Ord- nung wird demnächst eingeführt werden und ist der nächste Verbandsa tag zum 27. Dezember d. J. einberufen.

Die Vilanz des Cöln-Müsener Bergwerksvercins für das Geschäftsjahr 1873/74 {ließt mit einem Verlust-Saldo von 88,810 Thlr. ab. Unter den Aktiven stehen 14,233 Thlr. Kassa, 11,454 Thlr. Wechsel, 136,898 Thlr. Debitoren. Dem gegenüber stehen 317,973 Thlr. Kreditoren und ein Delkredere-Konio von 2500 Thlr. Der früher gevildete Reservefonds wird durch den vorjährigen Verlust fast ganz aufgezehrt. An die Vertheilung einer Dividende res für das vergangene Jahr unter diesen Verhältnissen nicht gedacht werden.

_— Nachdem die Norarkeiten der Baudirektion für die Lahn- Sieg-E isenbahn Seitens des preußisben Handels-Ministeriums genehmigt, hat am 25. November in Westerburg die polizeiliche Prüfung der Linie stattgefunden. Die Angelegenheit wurde in kurzer Zeit zu allerseits befriedigendem Abschluß gebraht und wird voraus- sichtlich mit Anfang des neuen Jahres der Bau der s{wierigeren Stellen der Bahn beginnen. Die Arbeiten an den Tunnel-Richtstollen und dem Maschinenschahte in der Nähe genannter Stadt schr. iten tüchtig vorwärts. Anfkaufêverträge wegen der Ländereien find abge- \{ch{lofsen.

Der Bau der zweiten Hälfte der Erzherzog Albrecht- bahn, nämlich der Sirecke St1y-Stanislau, naht feiner Vollendung. Gutem Vernehmen nah sol die Eröffnung dieser Bahnstrecke, falls feine außerordentlichen Hindernisse dazwischen treten, am 15. De- zember l. J. erfolgen. Bei der Betriebsdirektion werden schon jeßt die hierzu nöthigen Anstalten getroffen.

London, 30. November. (W. T. B.) Die Bank von Eng- land hat heute den Diskont von 5 auf 6% erhöht.

St. Petersburg, 1. Dezember. (W. T. B.) Das hi-sige Bankhaus Wynecken macht unter Bezugnahme auf die durch ein hiesiges Lokalblait verbreiteten fälschlihen Gerüchte bekannt, daß cs vom morgenden Tage ab seine sämmtlichen, selbst die erst nach drei Monaten fälligen Accepte unter Abzug des Bankdiskontsaßes baar

auszahlen werde. Verkehrs-Anstalten.

Berlin, 1. Dezember. Heute wurde die Strecke der P ferde- bahn vom Oranienburger Thore nach dem Wedding- platz eröffnet. Zwischen dem Prenzlauer Thor und dem Wedding- plaß fkursiren durchgeheade Wagen; der Preis für die ganze Tour beträgt 2 Sgr., für die halbe Tour vem und bis zum Oranien- burger Thor 1 Sgr. Auch das zweite Geleise der Moabiter Linie von der Chausseestraße nah dem Plate am Neuen Thor ift heute eröffnet, so daß auf der ganzen Linie kein Aufenthalt mehr stattfindet.

Am 26. November fand die landeëpolizeilihe Prüfung und Abnahme der Eisenbahnstreckde Gießmansdorf -Camenz statt. Die Bahnlinie fand fich vollständig fertig gestellt und gab zu keinen Bemängelungen Veranlassung, so daß voraussichtlich landeêpolizeiliche E gegen die Eröffnung des Betriebes nicht werden erhoben werden.

Aus dem Wolff'\scchen Telegraphen-Bitreau.

Karlsruhe, Dienstag, 1. Dezember, Mittags. Bei der gestern hier stattgehabten Wahl von 8 Mitgliedern der katholi- schen Stiftungskommission, an der römische Katholiken und Alt- fatholiken fih betheiligten, find die altkatholishen Kandidaten gewählt worden.

Königliche Schauspiele.

Mittwoch, den 2. Dezember. Opernhaus. (238. Vor- tellung.) Die Hugenotten. Oper in 5 Abtheilungen nach Scribe. Musik von Meyerbeer. Ballet von Paul Taglioni. Margarethe: Frl. Lehmann. Valentine: Fr. v. Voggenhuber.

St. Bris: Hr. Krolop, Nevers: Hr. Bez. Raoul: Hr. Nie- mann. Marcel: Hr. Frie. Anfang halb 7 Uhr. Mittel-Preise. Schauspielhaus. (249. Vorstellung.) Neckereien. Lust-

\piel in 1 At von A. v. Winterfeld. Hierauf: Ein gefähr- licher Freund. Lustspiel in 1 Akt, aus dem Franzöfischen von A. Fresenius. Zum Schluß: Der zerbrochene Krug. Lustspiel in 1 Aft von H. von Kleist. Anfang 7 Uhr. Mittel-Preise.

Donnerstag, den 3. Dezember. Opernhaus. (239. Vor- fiellung.) Der Barbier von Sevilla. Komische Oper in 2 Ab- theilungen. Musik von Rossini. Rosine: Frl. Minnie Hauk, vom K. K. Hofoperntheater in Wien, als Gast. Anfang 7 Uhr. Mittel-Preise.

Schauspielhaus. (250. Vorstellung.) Alte Schweden. Schauspiel in 5 Akten von A. E. Brachvogel. Anfang 7 Uhr. Mittel-Preise.

Der Berliner Asyl-Verein für Obdachlose

hielt unter dem Vorsiße des Professor Leo am Montag Abend im Bürgersaale des Rathhauses eine außerordentliche Generalversamm- lung ab. Es gelangte dabei zunäcst der Bericht des Verwaltungs rathes über die Monate April bis Oktober incl. zur Verlesung , dem wir nachstehende Daten entnehmen.

„Während die Frequenz im Frauenasyle gegen das vorige Jahr in gee Abnahme begriffen ist, stieg die Frequenz im Männer- asyle. die Hausordnung bevorzugt die Frauenasyle insofern, als die wirkli Obdachlosen fünfmal, die Männer nur dreimal das Asyl besuchen

dürfen. Im Frauenasyl, wo dur(hschnittlichß nur der dritte Theil der vorhandenen Lagerstätten Pbelegt wird, wird wirk- li obdahlosen Famlien gern gestattet, mehr als fünf

Nächte monatlich im Asyl zu verweilen. Troßdem ist das Frauen- Asyl in diesem Jahre schwächer besucht gewesen als im vorigen; es näâchtigten vom April bis Oktober 1873 11,885 gegen 8383 in diesem a Es benußten somit das Asyl im vorigen Jahre 56, in diesem

ahre 40 Personen of Nacht; es badeten fih durc)s{chnittlich 5 Per- sonen oder 125%. ie Abnahme der Frequenz wurde als ein gutes Zeichen begrüßt und ihre Ursache untcst darin gesuht, daß jeßt kleinere Wohnungen reihliher und billiger zu haben find, und ferner darin, daß die Frau seßhafter ist, als der Mann, fe wird noth-

Die Verwaltung der Asyle trägt hieran keine Schuld; \ch{on «

germgen vom Asyl nur dann Gebhrauch machen, wenn fie keine ohnung finden oder zahlen kann. Unter den 19,519 weiblichen Asylisten des vorigen Jahres waren 8683 Frauen, 8156 Mädchen und 2660 Kinder. Die Mädchen gehören größtentheils der dienenden Klasse an; fie werden, wenn fie von auswärts konimen, von den Polizeibeamten auf den Bahnhöfen direkt in das Asyl geschick und verbleiben dort, bis fie einen passenden Dienst gefunden.

Was das Männerasyl betrifft, so ist die Frequenz gegen das Vorjahr gestiegen. Es nächtigten vom April bis Oktober 1873: 30,524 gegen 32,266 Personen in diesem Jahre; es ergiebt dies eine

unahme von 1742 Köpfen; an Bädern wurden 6170 verabreicht.

bgleich unwürdigen, arbeitêscheuen Leuten, die Mißbrauch mit dem Asyl treiben, der Eintritt erschwert wird, na der Besuch troßdem niht abgenommen. Die Qualität hat

sich sogar verbessert und ein anständigeres Publikum sucht das Asyl auf. Es find Handwerker von außerhalb, welche Arbeit suchen und ehe sie dieselbe finden, die Gastfreundschaft des Asyls in Anspruch nehmen. iht hoch genug anzuschlagen ist der mora me Einfluß, welhen das Asyl auf junge, unerfahrene Männer und Mädchen ausübt, die zum ersten Male nah Berlin kommen und der Verführung àusgeseßt find. Die Hausväter und Hausmütter find angewiesen, junge Männer und Mädchen von den alten zu trennen. Auch der Sinn für Reinlichkeit nimmt zu, wodurch der öffentlichen Gesundheit ein großer Dienst erwiesen wird; das Waschen ist nach

an obligatorisch und der Wunsch nach Vädern ußert sich äufiger.

Als ein Schwester-Justitut des Asyl-Vereins ist der Verein für Volksbäder zu betrachten, der für 27 Sgr. ein warmes Wannenbad mit Seife und Handtuch liefert. Jm ersten Jahre seines Besthens hat der Verein in 14 Wannen 26,800 Bäder verabreicht.

__‘Veber die finanzielle Lage des Asyl-Vereins für Obdachlose konnten keine erfreulihen Mittheilungen gemacht werden; die außerordentlichen Beiträge fließen in Folge der augenblicklichen wirthschaftlichen Lage sehr sparsam; den Ausgaben des nächsten Jahres, die auf 7763 Thlr. ver- anschlagt find, stehen nur 5430 Thlr. Einnahmen gegenüber, so daß die Differenz von 2333 Thlrn. aus freiwilligen Beiträgen gedeckt werden muß.

Seit den fünf Jahren seines Bestehens hat der Verein 300,000 Menschen Obdach, ein Bad, Abendbrot und Frühstück gewährt und hierfür 33,000 Thlr. verausgabt, troßdem befißt er ein Vermögen von 78,600 Thirn. in Grundstücken und 4000-Thlrn. in Fonds. Ein solcher Verein giebt die beste Gewähr für feine Lebensfähigkeit und trägt einen gesunden Keim langer und segensreiher Thätigkeit in sich.

Bérliùt Redacteur: F. Prehm.

Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner, Viev. Beilagen

(einschließli Börsen- und Handelsregister-Beilage)

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staals-Anzeiger.

282.

Berlin, Dienstag, den 1. Dezember

187A,

Nicchtamfliches.

Oesterreich-Ungarn. (Monatsübersicht für Okto- ber.) Am 4. Oktober, als dem Namensfeste Sr. Kaiser- =lihen und Königlihen apofstolishen Majestät wurde yon Sr. Eminenz dem Kardinal Fürst-Erzbishof von Wien in der Méetropolitankirhe zu St. Stephan unter zahlreiher Assistenz ein feierlihes Hochamt celebrirt. Sämmtliche Truppen der Gar- nison waren theils in ihren Kasernen, theils in den denselben zunächst gelegenen Pfarrkirhen zu einem feierlihen Gottesdienst versammelt. Die Ceremonie \chloß mit einer Defilirung der Truppen, die von dem Feldmarshall Erzherzog Albrecht abge- nommen .wurde.

Ihre Majestät die Kaiserin traf nah längeren Auf- enthalt in England am 7. wieder in Schönbrunn ein und begab fich mit Sr. Majefiät dem Kaiser am darauf folgenden Tage nah Gödöllò in Ungarn.

Tie Provinzialvertretungen {losen am 15. Oktober ihre diesjährige Session. Der Verlauf derselben war geschäfts- mäßig und im Allgemeinen ruhig. Als wihtigstes Ereigniß der ab- gelaufenen Session is der Einiritt der sieben jungczechishen Ab-

ecrdneten in den böhmischen Landtag zu verzeihnen. Wenn- gleih der leidenshaftlihe Kampf zwishen Alt- und Jungezehen in der böhmischen Presse mit unverminderter Heftigkeit fortge- führt wird, so ist doch der Aufschwung der Dinge unverkennbar, ebenso wie die Niederlage, die die Altczehen und ihre Passivitäts- olitif erlitten haben. Man kann ánnehmen, daß die im Ent- ehen begriffene Partei der Jungczechen bei dem nächsten Wahl- gange größere Erfolge aufzuweisen haben wird, und daß die Folgen der Wahlreform mehr und mehr zum Ausdruck gelangen werden.

Mit der am 13. Oktober erfolgten Wiederherstellung der Bantakte is die Krisis des Jahres 1873 formell wenig- stens zum Abschluß gelangt. Als vor mehr als 17 Monaten die über- die Wiener Börse hereingebrohene Katastrophe eintrat, éntshloß ih die Régierung am 13. Mai des Vorjahres, jenen

. 14 der Bankakte zu \uspendiren, kraft dessen der österreichi- chen Nationalbank verboten is, mehr als 200 Millionen Gulden metallisch niht bedeckter Noten auszugeben. Man hoffte dadur die Krisis auf das Gebiet der Börse zu beschränken.

Daß diese Erwartung fich nicht erfüllt hat, ist bekannt. Zwar wurde durch die der Bank gebotene Möglichkeit, jeden vertrauenswürdigen - Kreditwerber zu befriedigen, eine Geldkrisis vermieden; aber dies hinderte die Börsen- frifis nicht in ihrer Entwickelung, vielmehr erreichte fie ers unter heftigen Zuungen ihren Höhepunkt im Dezember des Vorjahres. Der Widerstandskraft der österreichishen Produktion ist es zu verdanken, daß die Krisis doch nur vorübergehende Krankheits- ersheinung des wirthschaftlißen Organismus blieb und nicht zum Vorläufer des dauernden Verfalles wärd.

Durch das in der „Wiener Zeitung“ vom 2. Oltober ver-

Æ offentlihte Allerhöchste Handschreiben vom 27. September d. I,

wurden von. Sr. Majestät in Anwendung des Grundgesctes über die Reichsvertretung vom 21, Dezember 1867 ¿als Mitglieder auf Lebensdauer in - das Herrenhaus be- rufen: der Geheime Rath und Großmeisters = Stellvertreter des souveränen Johanniter-Drdens, Bailli Johann Freiherr Ceschi a Santa Croce; der Gutsbesißer Wladimir Graf Dzieduszycki; der Hofrath Wilhelm Ritter von Engerth; der Geheime Rath und Feldmarschall-Lieutenant im Ruhestande

E Zriedrih Freiherr Kellner von Köllenstein; der Geheime Rath

und F3M. im Ruhestande Rudolf Freiherr von Roßbächer; der Groß-Industrielle Franz Ritter von Schmitt; der Geheime Rath Simon Freiherr von Sina, und der Kämmerer und Guts- besißer Victor Graf von Widmann-Sedlnizky.

Die „Wiener Zeitung“ vom 1. Oktober veröffen{ichte das an den Minister des Innern Freiherrn von Lasser gerichtete Allerhöchste Handschreiben d. d. Gödölls, den 29. September, wonach der Reihsrath zur Wiederaufnahme seiner Thätigkeit auf den 20. Oktober berufen wurde. Vier Tage später fand die Wiedereröffnung des ungarischen Reichstages statt. In

beiden Häusern wurden bei Wiederaufnahme der Sizungen die

Voranshläge für das Budget des nächsten Jahres eingebracht.

Der Finanz-Minister de Pretis legte in der ersten Sizung des Abgeordnetenhauses des Reichsrathes das Budget pro 1875 vor. Der Voranshlag weist an Ausgaben 381,782,551 Fl, an Einnahmen 369,429,694 Fl., mithin ein Defizit von 12,352,852 Fl. nah, für dessen Deckung durch Heranziehung der nach dem Geseh vom 24. Dezember 1873 noh verfügbaren Rentenreserve gesorgt werden soll.

Der Ausfall wurde durch Mindereinnahmen khaupt\sählih aus den indirekten Abgaben und dem Zollerträgniß herbeigeführt. Die indirekten Abgaben weisen gegen- 1873 ein Minus von 10,348,000 Fl. auf; das Zollerträgniß i|ff gegen 1874 um 2,552,200 SL. geringer. Die Ersparnisse im Betrage von ca. 11/7 Millionen Fl. rühren aus den geringeren Positionen für das Landesvertheidigungs - Ministerium (— 413,000 F1.), des Tabaks- und Salzmonopols und anderen Posten her. Seit 1869 ift dies Budget das erste mit einem Defizit. Bis zur Einbringung des diesjährigen wiesen die Staatseinnahmen eine jährliche Durchschnittserhöhung von 21 Millionen Fl. auf.

Die Wiedereröffnung des ungarischen Reichstages fand am 24. Oktober ftatt. Minister - Präsident Bitto entwickelte in der Sihung vom 28. die Anfichten der Regierung über die ein- zubringenden Vorlagen und deren Reihenfolge.

In derselben Sißung legte der Finanz-Minister Ghyczy den Voranschlag für das Iahr 1875 vor, sowie eine Reihe von Ge- segen, die sämmtlih darauf hinausgehen, die Einnahmen des Staates zu erhöhen. Der Minister-Präsident hob in seiner Rede hervor, daß es die Hauptaufgabe der Regierung sei, auf die Heilung der finanziellen Uebelstände und Herstellung des Gleih- gewichis im Staatshaushaälte hinzuwirken. Derselbe if der Ueberzeugung, daß, wenn der Reichstag die ihm vorzulegenden Steuerreform-Géseße annähme, binnen zwei Jahren das Gleich- gewiht im Staatshaushalt werde hergestellt werden können. Nah dem Voranshlage betragen die ordentlichen Ausgaben 211,888,116 Fl.; die ordentlihen Einyahmen dagegen 200,487,354 Fl. Nach, der Berehnung des Finanz- Ministers beläuft fich das Gesammtdefizit auf 27,490,978 Fl. Da nun aus den neuen Steuergesezgen ein Zuwachs zu den Einnahmen von ca. 12 Millionen erwartet wird, würde demnach

ein Defizit von 15,490,978 Fl. verbleiben. Die gedachten Steuergesete find folgende: 1) über die Manipulation- der öffent- lihen Steuern; 2) über die Erwerbsteuer; 3) über die Kapitalzinsfteuer; 4) über die Fleishfsteuer; 5) über die Steuer der zur öffentlihen Rechnungslegung ver- pflihteten Unternehmungen und Vereine; 6) über die Berg- werkssteuer; 7) über die Wein- nnd Fleischverzehrungs- steuer; 8) über die Transportsteuer; 9) über die Jagd- und Gewehrsteuer; 10) über den in Sachen der den Stem- pelgebühren und Taxen und den i. I. 1875 auszuwerfenden 5 prozentigen außerordentlichen Steuerzushlag nah den direkten Steuern, fowie 11) über die Luxusfleuer.

Die kommissionellen Berathungen in Betreff der Reorga- nisation der Militär-Bildungsanfstalten und des Generalstabs, sowie der Aenderungen im Avancementgeseßz nehmen einen günftigen Verlauf. Die Prinzipienfragen sind größtentheils als gelöst zu betraten und können bei den Militär- Bildungsanstalten in der Kräftigung des militärischen Elements und in der Wiedererrihtung niederer Militär-Bildungsinstitute. beim Generalstabe in der Rekonstruirung desselben zu einem von den Konkretualftänden der Truppen gesonderten Körper und in scharfer Begrenzung seiner Wirkungss\phären, beim Avancement- Gesecße in der Aufhebung der Außertour-Beförderungen ange- sehen werden.

Ueber die Bewaffnung der österreihisch-ungaris- \chen Fußtruppen erfährt die „Wehr-Zeitung“ Folgendes: „Ende des Monats Oktober werden nebst der gesammten JIäger- truppe noch 43 Infanterie-Regimenter neb| deren Reserve-Komman- den und Augmentations-Magazinen vollständig mit dem Werndl- Gewehre ausgerüstet sein. Die Vertheilung dieser Präzisionswaffe an die übrigen 37 Regimenter ist in der Weise in Aussicht genommen, daß bis zum Frühjahre 1876 das ganze stehende Heer dieselbe in Händen haben wird. Auch die Kavallerie besißt bekanntlich \chon seit vier Jahren den Werndl-Karabiner. Ueberdies wurden in letzter Zeit am Absehen, am Schlosse und am Vershlusse des Werndl-Gewehres cinige Verbesserungen vorgenommen und die Pulverladung der Patrone erhöht, so daß das Gewehr, neb| seinem sicheren Shusse und einer bequemen Handhabung, auch eine Tragweite bis auf 2500 Schritte befißt und daher seinen Platz ebenbürtig neben jeder Präzifionswaffe der Gegenwart be- hauptet. Die angedeuteten Verbesserungen werden successive an den bereits ausgegebenen Gewehren vorgenommen werden.“

In der „Wiener Zeitung“ vom 3. Oktober wurde der Er- laß des Kultus-Ministers von Stremayr vom 28. v. M. an die Dekauate der rechts- und staatswissenschaftlihen Fakultäten, be- treffend die Frequenz der Kollegien, veröffentliht. Es wird darin geklagt, daß die Frequenz der juristishen Kollegien „eine weit geringere“ ift, als an anderen Fakultäten. Es ergeht an die Dozenten die Aufforderung, * in vorkoninenden Fällen von den durh die Studienordnung an die Hand gegebenen Disziplinarmittelr rückhaltlosen Gebrauch zu machen.

Der bisher befolgte Gebrauch der Bestätigung der Melde- bücher soll künftighin niht mehr geduldet werden. Der Mini- ster besteht auf der persönlichen Ueberreichung.

Ein' zweiter gleichzeitig ergangener Erlaß des Unterrichts- Ministers ift an die Vorstände der Kommissionen für die theoreti- \hen Staatsprüfungen gerichtet und fordert diese zu größerer Strenge bei Abhaltung dieser Prüfungen auf. Ebenso wur- den die medizinischen Professoren-Kollegien der Universitäten in Wien, Prag, Graz, Innsbruck und Krakau verpflichtet, den für die Ausbildung der Aerzte so nothwendigen Besuch der Kliniken möglichst nußbringend zu machen. Zu diesem Behufe wurde verordnet, daß jeder Studirende der Medizin, welcher bereits ein Semester hindurch eine Klinik besucht hat, je zwei Semester auf der medizinishen und chirurgishen und je ein Semester auf der gynäkologischen und okulistishen Klinik zu praktiziren hat. Die Ausfolgung des Absolutoriums ist von der Vorlage dieser Nach- weisung abhängig zu machen.

Durch Kaiserliche Entschließung vom 29. September 1850 wurde die Königliche Rehtsakademie zu Agram an der Save einer Reorganisation unterworfen, die so lange in Kraft bleiben sollte, bis es möglih sein würde, dieselbe zu einer mit allen Privilegien auszustattenden Universität zu machen. Bis dahin sollte sie den Namen „K. K. Rechtsakademie“ führen. Die zum Staatsdienst, der Advokatie und dem Notariat erforderlichen Studien fonnten an derselben absolvirt werden, nur die Kandidaten des juristishen Doktorgrades mußten mindestens ein Jahr an einer anderen Univerfität studirt haben. Beschwerden waren vom Banus zu entscheiden, bei wihtigen Verfügungen mußte die Ge- nehmigung des Untercichts-Ministers eingeholt werden.

Der Wunsch, den Croatien und Slavonien von jeher ge- hegt, die Kaiserlih Königlihe Rechts akademie in eine Universität umgewandelt zu sechéên, und auf dessen Er- füllung namentlih von Bischof Stroßmayer hingewirkt wurde, is nunmehr realisirt worden: am 19. Oktober wurde die erste croatishe Hohshule unter dem Na- men: „Franz Josephs Universität“ unter großen Feierlich- keiten eröffnet. Um 9 Uhr wurde in der Domkirche die Festmesse unter zahlreicher Assistenz- celebrirt. Die Landtagsmitglieder, die weltlichen und geistlihen Würdenträger, der Banus an der Spiße, die Vertreter auswärtiger Universitäten, Vereine uyd Korpora- tionen, dér Rektor mit den Professoren und die Studentenschaft wohnten der Festmesse bei. Gegen halb 11 Uhr bewegte \ih der imposante Zug in die obere Stadt zum Landtagsgebäude, wo die feierlihe Eröffnung dér Universität und die In- ftallation des Rektors stattfand. Se. Excellenz Banus Mazuranic erklärte als Königliher Komissär die Uni- versität im Namen Sr. Kaiserlichen und Königlichen aposto- lischen Majestät für eröffnet und lud den Rektor Mesié ein, den Rektorsiß einzunehmen. Leßterer hielt sodann in croatisher und pa in lateinischer Sprache eine Rede, in welcher der Ver-

ienste Aller, welhe für das Zustandekommen der Do iede gewirkt, warm gedaht ward. Nach Professor Mesié's Rede wurde die junge Universität Seitens der Vertreter der auswär- tigen Hochschulen begrüßt Seitens der Berliner Universität von dem Professor Dr. Gneist worauf der Banus die Ver- sammlung \{chloß und als Erster seinen Namen in das Gedenk- buch der Agramer Universität einschrieb.

Am 4. Oktober eröffnete der Industrietempel im Prater seine Portale wieder den Besuchern und zwar die zwei Transepte unmittelbar an der Rotunde, in denen im Sommer des vorigen

Jahres das Deutsche Reih und Oesterreih die Produkte ihres Gewerbefleißes ausgestellt hatten. Diese Ausstellung if eine doppelte und hat einen doppelten Zweck. Sie geht vom „Orien- talishen Museum“ und vom cisleithanishen Handels-Ministerium aus. Das „Orientalische Museum“ \eßt sih in erster Linie zur Aufgabe, den Verkehr Desterreihs mit dem Orient zu fördern. Die Männer, die es ins Leben gerufen, haben rihtig erkannt, daß, wenn Oesterreih mit dem Orient verkehren will, es ihn vor Allem kennen muß. Der österreihishen kaufmännischen und in- duftriellen Welt die Kenntniß des Orients zu vermitteln, erscheint ihnen also als das Präambulum zu jedem weiteren Schritte. Die Ausstellung zeigt, daß sie ihre Aufgabe in großem Styl erfaßt und durchgeführt haben. Wären niht Photographien von orientalishen Ansichten an den Wänden, würde man nicht dur die auf- und abschreitenden Sicherheitswahmänner daran erinnert, daß man in einer Ausstellung weilt, man könnte glau- ben, in einem orientalishen Bazar zu sein. Die Schätze, die der Orient zur vorjährigen Ausstellung sandte und die da- mals, eng zusammengepreßt, nicht zur vollen Geltung gelangen konnten, erglänzen jeßt erst in ihrer ganzen Pracht. Zuglei haben die Ausstellet eine Samullung der für den Orient gang- barsten Importartikel zusammengestellt, Artikel europäischer Arbeit, wie z. B. englische Baumwollhemden, großgeblümte Tücher aus der Schweiz u. \. w., die der Orientale zu kaufen liebt.

Die Sammlung der fachgewerblihen Lehrmittel, die das Handels-Ministerium exponirt, bildet die zweite Hälfte der „Nach- ausftellung.“ Die dem Handels - Ministerium gehörigen Objekte sollen leihweise an die Gewerbeschulen, Gewerbe-Akademien u. f. w. Überlassen und au son| auf jede mögliche Weise der Benußung strebsamer Industrieller zugängig gemacht werden.

Im niederösterreihishen Landtage wurde am 5. Oktober eine Interpellation über das Auftreten der Rebwurzel= laus (Phylloxera vastatrix) eingebraht und am 9. von dem Statthalter beantwortet. Bei den verheerenden Wirkungen des langsamen aber fstetigen Fortschreitens der Reblaus fieht man einem Geseße entgegen, welhes den Regierungs- Organen die rücsihtslose Vertilgung der von der phylloxera ergriffenen MWeinstöfe und die gründlihe Des- infektion des Bodens einräumt. Alle bisher angewandten Mittel, das \chädlihe Insekt auszurotten, find erfolglos ge- blieben, und nicht ohne Besorgniß ficht man der Zukunft ent- gegen.

Zu jenen industriellen Erzeugnissen, welhe einen von Jahr zu Jahr steigenden Absay im Auslande finden, isff auch das österrreihische Bier zu rechnen. Da die inländische Pro- duktion unausgeseßt im Steigen begriffen is, \so erübrigen auch immer größere Mengen zur Ausfuhr, welche durch die Export- präâmie der Steuer-Restitution wesentli befördert wird. Auch im Jahre 1874 gestaltet sich der Export günstig. In den ersten 7 Monaten wurden 359,939 Zollcentner, d. i. 38,997 Centner oder um 12 pCt. mehr als im Vorjahre ausgeführt. Die steigende Beliebtheit öfterreihisher Biere im Auslande datirt aus dem Jahre 1867, Die Wcltausstellung zu Paris verschaffte demselben einen Weltruf. Die Bierausfuhr betrug in Zollcentnern: 1860: 58,313; 1867: 290,010; 1868: 388,433; 1869: 403,950; 1870: 394,764; 1871: 488,526; 1872: 440,700; 1873: 550,495. Die Zunahme der Exportmenge beträgt seit 1860 = 844 pCt. und im Mittel der Jahre 1860—1873, gegen die vorangegan=- genen Jahre 1860—1866 = 245 pCt. Bezüglih des Absaßes nah dem Auslande is zu bemerken, daß etwa 40 pCt. der Jahres- mengen nah Deutschland und Frankrei, 18 pCt. nah Italien, 10 pCt. zu Lande nah der Türkei und Rußland und 32 pCt. nach Triest und den anderen- Häfen austreten, von wo ein Theil . nah überseeishen Ländern verschickt wird.

Einer in der „Austria* veröffentlihten Tabelle über die Ergebnisse des Postverkehrs im Jahre 1873 ist Fol- gendes entnommen: der Briefpostverkehr im Inlande betrug 190,192,608, derjenige aus Deutshland 39,129,552, aus. dem sonstigen Aus:ande 7,663,194, vom Ausland nah dem Ausland 1,613,106, zusammen 245,348,100 Stück Briefe, ferner 21,350,424 Korrespondenzkarten und 60,321,530 Zeitungen. Was den Fahrpostverkehr betrifft, \so betrug er 5,450,795 ge- wöhnlihe Pakete, 21,125,187 Geld- und Werthsendungen im Gesammtwerthe von 4,270,632,849 Fl. De. W.

Dem vom Rehnungs-Departement für die indirekten Ab- gaben im Kaiserlih-Königlichhen Finanz-Ministerium zusammen- gestellten Tabellen über die Ergeb nisse des Waarenver- kehrs der österreichishen Monarchie mit dem Auslande und den Zollaus\chlü}en in den Monaten Ianuar bis inkl. August d. I. entnehmen wir die folgenden Daten: Es betrug in den aht ersten Monaten des Jahres -

1874 1873 die Einfuhr 379,268,214 Fl. 381,967,548 Fl. die Ausfuhr 278,513,167 F[. 264,763,548 Fl.

Die Einfuhr in den acht ersten Monaten d. I. is demnach fast ebenso groß als in der entsprehenden Periode des Vorjahres, indem dieselbe nur um 2,7 Millionen Fl. zurückblieb. Da im vorigen Monat noch ein bedeutendes Minus - der Einfuhr ausgewiesen wurde, so folgt daraus, daß der Import im Monate August sich bedeutend um mehr als 10 Millionen Gulden gehoben hat. Was die Waaren- ausfuhr anbelangt, so übersteigt der Gesammtwerth derselben jenen der gleihen Periode des Vorjahres um 13,7 Millionen Gulden. Der Werth der ein- und ausgeführten Edelmetalle, dann der Gold- und Silbermünzen beträgt in den ersten 8 Mo- naten d. I. in der Einfuhr 13,924,748 Fl., in der Ausfuhr 17,565,710 Fl. An Zöllen und Nebengebühren find (mit Aus- nahme von Dalmatien) in den Reichsländern eingegangen: an Eingangszöllen 11,409,467 &l., an Ausgangszöllen 161,565 Fl., an Nebengebühren 175,583 Fl., zusammen 11,746,615 Fl. gegen 15,447,247 Fl. im Vorjahre. Der Minderertrag an Eingangs- zôllen (15,130,377 Fl. im Jahre 1873) wurde vorzugsweise dur den \{chwächeren Jmport an Kaffee, an mittelfeinen Süd- früchten, an Rote, Schweinen und fetten Oelen, an Brannt=- wein, Wein, Roheisen und Halbfabrikaten aus Eisen, an Webe= und Witkwaaren, dann an Maschinen sowie dur die zeitweilige Aufhebung der Getreidezölle veranlaßt. ;

“Im Monat September d. I. wurden auf den im Betriebe - stehenden österreihisch-ungarischen Eisenbahnen bei einer Gesammtausdehnung von 2093,,4 Meilen im Gänzen

4,158,472 Reisende und 55,825,150 Zollcentner Frach=