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‘Dugendweise gelangen aus kleinen Orten Eingaben an uns, welhe sagen: i will sehr gerne einen Fernsprecher, aber ih habe niht den Nugen, ih kann zu den 20 Theilnehmern in dem kleinen Ort unter Umständen hingehen, ih kann den Ans{luß nur brauchen, wenn er wesentlich billiger ist. Meine Herren, ih glaube, daß das Fernsprehwesen niht zu einer Konzentration unseres gesammten gewerblichen Lebens in den großen Pläßen, sondern vielmehr dazu bei- tragen soll, eine gewisse Dezentralisation anzubahnen. Wenn die Kommission dieses berücksihtigen wird, dann wird fie, glaube ih, finden, daß der Gedankengang des Entwurfs doh nicht unberechtigt ift. Wir werden ja wohl noch Gelegenheit haben, über den Entwurf zum Wegegeseß zu sprechen, das ja in engem Zusammenhang mit diesem Gese steht. Der Herr Abg. Richter ift heute nicht hier, er wird mir aber das Zeugniß ertheilen können, daß das Wegegeseß nicht gerade eine Bepackung dieses Entwurfs ist, sondern daß ih wirkli bestrebt gewesen bin, einen Entwurf für das Wegegesetz vor- zulegen, der den geäußerten Wünschen im Großen und Ganzen Reh- nung trägt und wohl au zu einer Verständigung, wenigstens soweit ih es aus der Presse sehen kann, führen wird. Meine Herren, ih bätte die Bitte an das hohe Haus, dieses Gese und das Wegegeseßz, die doch in einem gewissen inneren Zusammenhang stehen, einer be- sonderen Kommission zu überweisen, um so mehr, weil ich glaube, daß bei dem Wegegeseß auch eine Menge Fragen juristisher Natur zur Sprache kommen. Ih hoffe au bier auf eine Verständigung, damit wir uns in Deutschland dur die Organisation des Fernsprehwesens eine gute Waffe schaffen, um im wirthshaftlichen Wettbewerb der Völker immer weiter vorwärts zu kommen. Das ift mein aufrichtiger Wuosh. (Bravo! rechts.)
Abg. Singer (Soz) erklärt, er könne nit einsehen, weêtwegen diese Vorlage mit dem Wegegeseß einer besonderen Kommission überwiesen werden solle. Es scheine ihm das au bei der Besezung des Hauses nicht räthlih. Man könne der Vorlage nur sehr bedingten Beifall zollen. Allgemein werde Verbilligung verlangt, hier werde aber die Verbilligung davon abhängig gemacht, daß der Ausfall durch Er- böhung der Gebühren in den großen Städten wieder eingebracht werde. Dieses Prinzip sei durchaus falsch. Die Postvorlagen schienen alle mehr im Reichs - Schaßamt als im Reichs - Postamt emacht worden zu sein. Unzutreffend sei die Auffassung, daß die Telephon- einnahmen auch Ersaß für die Neuanlagen zur Fernsprechleitung ge- währen sollten; für leßtere müßten eben Anleihen aufgenommen werden. Die Verbilligung dürfe nit auf Kosten eines Tbeils der Fernsprehtheil- nehmer gesehen. Angeblich zôgen aus allen ftaatlihen und Reichseinrich- tungen die großen Städte übermäßigen Vortheil; aber gerade diesen thue die Verbilligung außerordentlih noth. Im Lande möge man die Einrichtung so billig machen wie mögli; aber daß die großen Städte das au noch bezablen sollten, fei eine shreiende Ungerechtigkeit, wie es überhaupt volk8swirthschaftlich und politis ganz falsch fei, der- artige Berechnungen aufzustellen. Auch hier sei wieder zuviel in das Belieben des Reichskanzlers gestellt ; in der Kommission werde darauf binzuarbeiten sein, daß möglihst viel davon in das Geseß selbft hinein- eschrieben werde. Das System der Säße für Grundgebühr und Ge- ammt-Gespräh8gebühr sei zu kompliziert und bedürfe erheblicher Vereinfahung. Die Einzelpreise für Feragesuracte seien äußerst boch, ¡zumal der Preis von 25 4 für ein Gespräch in Berlin; der Saß müfse herabgesezt und die Zahl der ernspre{ftellen in Berlin sehr vermehrt werden. Er beantrage die Üeberweisung der Vorlage an die soeben für das Postgeseß beschlossene Kommission.
Staatssekretär des Reichs-Postamts von Podbielski:
Meine Herren! Ih mêöchte dem Herrn Abg. Singer auf einzelne Punkte antworten, umsomehr, weil vielleiht auf die- selben Sachen von den folgenden Herren Rednern noch zurüdck- gekommen werden dürfte. (Heiterkeit.) Zunächst habe ih hervor- ¡uheben, daß das platte Land, die kleinen und mittleren Städte thatsählih im großen Umfang beitragen zu den Kosten für die größeren Städte, und darin liegt eigentlih eine wesentlich unter- \chiedlihe Behandlung. Dem Herrn Abgeordneten Singer wird es wobl bekannt sein, welhe erheblihe Summen wir in Berlin auf- zubringen haben aDein für die Miethe der Fernsprehämter, sofern sie nit in fiskalischen Gebäuden untergebraht sind. Jh erinnere daran, was ih s{chon in der Kommission angeführt habe, daß wir 41000 M Jahresmiethe bezahlen für ein Amt, welches bier im oberen Geschoß eines Privatgebäudes untergebracht ift. Für den Gntwurf, meine Herren, bandelt es sich darum, daß große Orte ihre Kosten selbs tragen sollen und die kleineren Orte nicht beizusteuern brauchen für die größeren.
Auch haben die größeren Orte zweifellos ein größeres Interesse an der Einführung des Doppelleitungsbetriebes als die kleineren, in denen Starkstromanlagen noch selten sind. Ih habe vorhin \chon erwähnt, daß zu den 36 — 40000 An- \{lüfen in Berlin rund 64000 km Leitungsdraht gebören, und daß diese 64000 km Drabt, da in Berlin ein dringendes Be- dürfniß zur Beseitigung des Einfatlhleitungssystems befteht, verdoppelt werden müssen. Wir müssen also nochmals das gleihe Quantum Draht in Berlin verbauen. Au nach dem jeßigen Gebührentarif würden wir von dem einzelnen Theilnehmer einen Zuschlag für die Herstellung der zweiten Drahtleitung verlangen.
Nun hat der Herr Abg. Singer gesagt: Ja, was in der Post aufgebracht wird, das bringen bauptsächlich die großen Städte auf, und die kleineren Städte und das flahe Land haben den Vor- tbeil davon. Im Fernsprehwesen, meine Herren, handelt es fh do um Sondervortheile, welhe den einzelnen Angeshlofsenen zu gute kommen. Meines Erachtens kann man deshalb die Pofteinnahmen nit mit denen aus den Fernsprehern zusammenwerfen. Wir werden \{chwerlich je dazu kommen, daß jeder Deutsche einen Fernfpreher hat. Also muß, meiner Ansicht nach, jeder Angeschlofsene, der folche Sondervortheile hat, die Koften für die Erbauung, Erhaltung und Amortisation seines Anschlusses beitragen. Außerdem habe ih mir bereits erlaubt, darauf hinzuweisen, daß das Lelephon unsere Telegrapheneinnahmen beein- trächtigt; ich muß darauf bestehen, daß dieser Ausfall in den Ein- nahmen aus dem Fernsprechverkehr seinen Ausgleich findet, zumal wir beim Telegraphenverkehr ohnehin mit einem erheblihen Defizit arbeiten.
Was nun die angefohtene Skala anlangt, meine Herren, so kommen dabei wei Momente in Betracht. Es wird von dem Ent- wurf vorges{lagen einmal: eine steigende Skala nach der Zahl der Theilnebmer in dem betreffenden Orte — und andererseits : eine fallende Skala nah der Summe der Gesprähe, die fiatt- finden. Der Hauptvorwurf hiergegen — ih habe das in der Presse verfolgt — if der, daß die Sahe zu kompliziert werden würde. Nun, diese Beftimmungen des Gesetzes find [ediglih eine Anweisung für die Verwaltung, eine Anweisung, nach welhen Grundzügen sie die Gebühren von drei zu drei Jahren fest- zusezen und bekannt zu geben hat; auf Grund hierfür wird für jeden Ort der in Betracht kommende GSebührensaß publiziert, und der
Einzelne weiß dann ganz genau, wie weit er beitragen muß. Für ‘das betheiligte Publikum if also dann klar und einfa, was zu zahlen ist. :
Was nun die von dem Herrn Abg. Singer angeregten öffent- lichen Fernsprechstellen anlangt, so habe ich vorhin übersehen — ih hatte es mir notiert —, darauf einzugeben; es liegt in der Absicht der Reichs-Telegraphenverwaltung, in erheblihem Umfange mit der Auf- stellung von Fernsprech-Automaten zum allgemeinen Gebrau vor- zugehen; wir sind mit der Herftellung der Apparate nur noh nicht ganz fertig. Berlin wird voraussihtlih am 1. oder 15. Mai — dann wird es ungefähr soweit sein — 100 Stellen erhalten, von denen aus man für 10 S innerhalb der Stadt sprehen kann. (Bravo!) Sie sehen also, daß wir damit {hon vor- gegangen find; die Apparate sind in Arbeit. Hierdurch wird, wie ih glaube, eine Erleichterung für große Kreise des Publikums geschaffen werden, die sich nihi eigene Anschlüsse maden zu lafsen brauchen, sondern diese Einrichtung billig zur Ver- fügung haben.
Es liegt ferner in der Absicht der Verwaltung, auch in anderen großen Städten in gleiher Weise vorzugehen. Außerdem haben wir auf dem platten Lande im vorigen Jahre über 4000 sfffentliche Fern- \prechftellen zum Verkehr mit den Nachbarorten und den Kreisftädten eingerihtet, also au dort Vorsorge getroffen, die Benußung des Fernsprehers den Einzelnen ohne besondere Anshlüsse zu er- möglichen, während wir durch die Einrichtung der Fernspreh- Automaten dem Bedürfniß innerhalb der größeren Städte Rehnung zu tragen hoffen.
Fch möchte aber noch einmal darauf hinweisen: bei einer ganz objektiven Prüfung wird man anerkennen müssen, daß die großen Städte wegen ter zahlreihen Starkftromanlagen in erster Linie das dringende Bedürfniß zur Einführung des Doppelleitungsbetriebes haben. Der Uebergang hierzu kostet 20 Miklionen Mark, und die Kosten dafür werden doch in irgend einer Form aufgebraht werden müssen. J will weiter darauf hinweisen, wel{hen erbeblihen Vortheil die großen Städte gegenüber dem platten Lande in Bezug auf die Apparate haben. Die Apparate, die Berlin vor 6, 8 und 10 Jahren gehabt hat, die sind jegt in dem bei Ihnen so verrufenen Osft- elbien; wenn Sie aufs Land kommen, finden Sie dort die Apparate. Ih kann, wenn eine neue Grfindung kommt, nicht einfah eine Verbrennungsanstalt für die alten Apparate ein- rihten, sondern diese müssen an kleineren Orten verwendet werden; die großen Städte wollen den Vortheil haben, daß sie immer die besten Apparate besigen. Nun, meine Herren, in der ganzen Welt ift es \o, daß, wer die beste Waare hat, au mehr bezahlen muß. In den [kleineren Orten müssen diese alten Apparate aufgebrauht werden, man muß sih draußen mit ihnen be- belfen, und zwar zur Zeit noch bei den gleichen Säßen. Was den Vorschlag des Herrn Singer, auf Anleihen zurückzukommen, betrifft, so habe ih Ihnen gezeigt, daß wir \chon jeßt, wo wir keine Beträge für Verzinsung und Amortijation einstellen, im Laufe der Jahre 1474 Millionen Mark eingenommen und 168 Mil- lionen au8gegeben, also 20è Millionen zugeshofsen haben. Wenn zu den Ausgaben noch die Amortisation und die Verzinsung der ver- wendeten Kapitalien hinzukämen, dann würden sich die Verhältnisse noch ungünstiger gestalten. — Ih wiederhole, es ift bei den Vor- {lägen des Entwurfs niht ein fiskalisher Standpunkt mafigebend gewesen, sondern es handelt sh darum, daß für die großen Städte eine Verbesserung der Anlagen in den nächsten Jahren nothwendig werden wird, deren Kosten eben von den großen Städten aufgebraht werden müssen. Hätte ih von den 20 Millionen Mark und den weiteren Koften, welche der Uebergang zur Doppelleitung mit ih bringt, Amortisation und Zinsen in Rechnung gestellt, so wären wir zu einem Saße von über 200 M für die großen Städte gekommen ; ih glaube, i bin Fhnen noch sehr entgegengekommen, indem ich 20 Æ abgelafsen habe. (Heiterkeit.) Auf der anderen Seite liegt ein dringendes Bedürfniß für die fleinen Städte und das vylatte Land vor, die Fern- \prechgebühren hberunterzuseßen. (Sehr richtig! rechts.) Heute ift das platte Land angewiesen auf die baldige Kenntniß von den Preis- bildungen u. \. w.; daß auch diese Kreise einen Vortheil haben von den Einrichtungen des Fernsprechers, gebe ih zu, aber sie sollen ja au entsprehend der Leistung, die sie erhalten, herangezogen werden. Von einer Bevorzugung ift gar keine Rede: jeßt sind fie gegenüber den großen Städten zu stark belastet, und das will der Gutwurf aus- gleichen.
Nach 51/2 Uhr wird die Ss der Berathung auf rectea 1 Ühr vertagt. (Vorher nterpellation der Abgg.
r. Lehr, von Leveßow und Genossen, betreffend die jüngsten Vorgänge auf Samoa.)
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Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 54. Sigung vom 183. April 1899.
Auf der Tagesordnung steht die erfte Berathung des Gesezentwurfs, betreffend den Bau eines Schiffahris- fanals vom Rhein bis zur Elbe.
Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:
Der Gesezentiwurf, betreffend den Bau eines Schiffahrtskanals vom Rhein bis zur Elbe, bringt Ibuen nit wesentlih neue Pläne. Was Sie hier erörtern werden, ift bereits wiederholt zu vershiedenen Zeiten im Jahre 1882, 1883, 1884, 1886 und 1894 von JFhnen in mehr oder weniger erhebliem Umfange verhandelt worden. Auch aus dem Lande sind wesentlich neue Gedanken und Gründe für und wider weder in der Prefse, roh in den Versammlungen, noh in den Denkichriften aufgestellt worden. Um fo mebr hat die Staatsregierung ih für verpflichtet erahtet, in sorgfälligster, gründlihster Weise diese jezige Vorlage vorzubereiten, sie mit alle dem Material auszuftatten, das Sie in den Stand sett, die Vorlage gründlih zu prüfen und ein ¡utreffendes Urtheil demnächst zu fällen,
Der Bau einer Schiffahrtsftraße vom Rhein bis zur Elbe ift hon lange — in greifbarer Form \{chon seit dem Fahre 1840 — geplant, immer wieder als eine wirtkshaftlihe Nothwendigkeit hin- geftellt, und dies ift auch von dem Landtage der Monarchie in beiden Häusern dur Resolutionen anerkannt, zuleßt programmatisch in dem Geseg vom 9. Juli 1886 nochmals ausgesprohen worden. Dieses Gese, welhes die Staatsregierung zum Bau eines Schiffahrtskanals von Dortmund nah den Emshäfen und des Ober-Spree-Kanals ers
mächtigt, ftellt sowohl für die westlichen Kanalverbindungen, als für die s{lesischen ein Programm auf, dahin gehend, daß demnähst die Verbindung vom Rhein zur Weser und Elbe ausgeführt werden soll, und zweitens für Swlesien die Verbefserung der Schiffahrt auf der oberen Oder. i
Meine Herren, es kann zur Zeit mit Recht zweifelhaft sein, ob es zweckmäßig und wirthscaftlih rihtig war, von dem Programm, welches . si auf die westlihen Wasserstraßen bezieht, zunächst den Dortmund-Ems-Kanal auszuführen; es würde indessen heute meines Erachtens von keinem großen Werthe und au für die Grörterung der uns jeyt beshäftigenden Fragen nicht von Bedeutung sein, über die Gründe, die zu diesem Beschlusse geführt haben, eine rüdblidende Betrachtung anzustellen. Der zweite Schritt, der zur Erfüllung des 1886er Programms seitens der Staatsregierung gemacht worden is, nämlich die Gesetzesvorlage, betreffend den Aus- bau des Dortmund-Rhein-Kanals, ist in der Sißung vom 18. Mai 1894 abgelehnt. Daß damit die Ausführung dieses Programms nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben war, konnte für die Staats- regierung niht zweifelhaft sein.
Die Folgen dieser Ablehnung machten sich zunächst dahin geltend, daß nun bei der Aufftellung eines neuen Projektes niht mehr die alte vortheilbhaftere Linie im Süden des Emscherthals gewählt werden konnte, weil diese Linie inzwischen zugebaut war auf weite Strecken, sondern daß eine minder vortheilhafte Linie, die Linie der jetzigen Vorlage durch das Emscherthal gewählt werden mußte. Jene Ab- lebnung hat zweitens die Folge gehabt, daß die Vortheile, welche ein weites Gebiet unseres Staats von der Ausführung des Dortmund- Rhein- Kanals mit Recht erwarten konnte, und die Entlastung der Eisenbahn in diesem Revier auf unberehenbare Zeit binau8geshoben siad. Endlich hat sie die Folge gehabt, daß nunmehr die minder vortbeilbafte Linie durh das Emscherthal annähernd ebensoviel koftet, wie ursprünglich die bessere Linie, die Süd-Emscherlinie mit allen ihren Abzweigungen nah den großen Städten und den Häfen des Reviers, gekostet haben würde. Bekanntlich sieht das heutige Projekt solche Abzweigungen niht vor. Inzwischen aber hat das besorgnißerregende Gedränge im Eisenbahnverkehr des Reviers ganz gewaltig zugenommen und Erscheinungen gezeitigt, die vom Lande s{hwer empfunden wor- den find.
Meine Herren, nur nah einer Rihtung hin, und zwar nah meiner Auffassung nah einer bedeutsamen Richtung hin, hat die Ablehnung des Gesezentwurfs über den Dortmund-Rhein-Kanal im Jahre 1894 ihr Gutes gehabt; man ift im Lande und in der Staatsregierung zu der Ueberzeugung gckommen, daß nur die vollftändige und gleichzeitige Ausführung des Gesammtprogramms in der Lage sei, den Verkehrsbedürfnissen des Landes im vollsten Maße Rechnung zu ‘tragen, daß nur in der Ausführung des ganzen Pro- gramms eine Landesmelioration zu erblicken fei, daß die Be- schränkung auf die Herstellung des Dortmund - Ems - Kanals ¡war für die betreffenden Landestheile und auch für die Entlaftung der Eifenbahnen immerhin niht Unbedeutendes leisten werde, daß aber diese Vortheile fich doch nur in räumlih und auch sonst be- \hränktem Maße geltend machen werden, daß vielmehr, wie gesagt, nur die Ausführung des ganzen Programms ökonomisch und auh finanziell richtig ift.
Meine Herren, {hon ein Blick auf die den Denkschriften der Vorlage beigegebene Karte, noch mehr aber die Einsicht in das reih- haltige Material, welhes dem Gesehentwurf beigegeben ift, muß diese Auffaffung überzeugend bestätigen.
Fn den östlich der Elbe liegenden Landestheilen sind in rihtiger Erkenntniß der Bedeutung der Verkehrsftraßen für die Wohlfahrt des Landes, für die Förderung seiner Machtstellung und seiner Wehrkraft von alten Zeiten her die Wasserftraßen zwischen allen östlichen Stromgebieten in hervorragender Weise ausgebildet worden. Aus der Geschichte dieser Wasserstraßen ist mir nicht erinnerlih, daß von irgend einer Seite westlih der Elbe jemals Einspruch gegen den Ausbau derselben erhoben worden ist; in denjenigen Theilen des Landes aber, welche zunähst betheiligt waren, ift stets der Ausbau dieser Wasserstraßen als ein großer Segen, als ein mächtiger Hebel für die gedeihlihe Entwickelung des Landes angesehen. Jn dieser Anerkennung hat \sich au im Zeitalter der Eisenbahnen nichts ge- ändert: nach wie vor wird das Bedürfniß zu dem Ausbau dieser Wasserstraßen anerkannt. Es find von jeher, von Jahr zu Jahr Forderungen an die Staatsregierung nah dieser Richtung gestellt worden, bis in die allerjüngste Zeit binein, und diesen Forderungen ist auch seitens der Staatêregierung in reihstem Maße entsprochen worden. Ih darf hier nur erinnern an die großartigen Weiwhsel- regulierungsarbeiten, ,an den Ausbau der unteren und die Kanalisierung der oberen Oder, an den Großschiffahrtsweg um Breslau herum, an den Oder-Spree-Kanal, an den weiteren Ausbau der Netze, und ich darf erinnern an all die Anträge, die noch vorliegen, auf Herstellung eines Großschiffahrtêweges von Berlin nah Stettin, auf Herstellung des masurishen Seen-Kanals , der Verbindung der Oder und Warthe, des Teltow-Kanals und ferner an eine ganze Reibe ähnlicher Projekte. Meine Herren, wenn Sie die Schriften und die Vorträge der Gegner der Kanäle dur{hstudieren wollen — in jedem einzelnen Schrifistück, in jedem Vortrag finden Sie eine Forderung auf Herftellung neuer Kanäle.
Meine Herren, srittweise is der Staat vorgegangen in der Aus- führung dieser Wasserstraßen und wird das auch in Zukunft thun, Er wird — das fann ich wohl mit Sicherheit behaupten — dies thun, ohne befürhten zu müfsen, daß ihm dabei von seiten anderer Landestheile in die Arme gefallen werden wird.
Und nun soll an der Elbe Halt gemaht werden, ein Zusammen- {luß der östlihen urid westlichen Wasserstraßen nicht nothwendig ja schädlich sein? Nun foll das einzige Heil des Landes darin liegen, in Zukunft die Eisenbahnen allein auszubilden? Meine Herren, das fann wohl kaum im Ernste behauptet werden. Denn wenn das rihtig wäre, so wäre unsere ganze bisherige Verkehrspolitik auf dem falschen Wege gewesen. G
Unwillkürlih fühlt man fi derartigen Behauptungen gegenüber ia das Zeitalter der erften Eisenbahnen zurückverseßt. Auch dort wurde von einzelnen Landestheilen auf bas energishste Protest erhoben gegen den Zufammenshluß der westlichen und östlichen Eifenbahn- linien. Wo dies von Erfolg gewesen, hat es nur zum Schaden des Landes gedient, wie jeßt wohl Niemand mehr bezweifeln wird.
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
Zweite Beilage
zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.
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(Séluß aus der Ersten Beilage.)
Meine Herren, die volle Entwickelung unserer Verkehr8einrih- tungen und die zur Aufrehterhaltung unferer Stellung im Wettbewerb der Völker unbedingt nothwendige Verbilligung der Transportkosten für. die Massengüter is nur zu erzielen durch einen weiteren Ausbau der Wasserstraßen parallel neben dem obnehin sich als nothwendig ergebenden weiteren Ausbau der Eisenbahnen.
Meine Herren, von den ältesten Zeiten bis in unsere Tage ift ftets und bei allen Völkern der Ausbau der NVerkehréstraßen die Vor- bedingung gewesen zu ihrer wirthschaftlichen Entwickelung, die Vor- bedingung gewesen zu dem Zusammenschließen der Bevölkerung zu einem Einheittstaate. Meine Herren, dies rechtzeitig erkanni und mit aller Energie durchgeführt zu haben, ist wahrlich nit das geringste Verdienst der großèn Herrscher aus dem Hohenzollernhause.
Die wirtbscaftliche Entfernung zwif{hen dem Often und dem Westen unseres Landés if zum theil größer als unsere Entfernung von Orten jenseits des großen Ozeans. Als etn unnatürliher und auch nur yer- einzelten Orten zu gute kommender Nothbehelf ift es aufzufassen, wenn heute der Austausch der Güter zwäüsen dem Osten und Westén sich theilweise über die Flüsse und über das Meer hin vollzieht, uünd dabei if gewiß kein Land von der Natur fo auf die Ausnutzunz seiner Binnenwasserstraßen angewiesen und fo für die Ausführung derselben begünstigt wie Preußen. Und gerade dort, wo sih Eisenbahnen und Kanäle in einer Hand befinden, und zwar in der Hand des Staats, liegen die Bedingungen für den parallelen Ausbau der Wasserstraßen neben den Eisenbahnwegen entschieden am günstigsten. Nicht nur das, sondern der gleizeitige Ausbau der Wasserstraßen if der natürlicste Weg, diejenigen Nachtheile, die immerhin neben den überwiegend großen Vortheilen mit dem reinen Staatsbahnbetrizeb verbunden {ind, abzumil®ern, die Bedenken, - die man in finanzieller, wirths{aftliher und sczialer Beziehung gegen den reinen Staatsbetrieb der Verkehrs- straßen aufstellen kann, abzuschwähen.
Es muß daher geradezu als ein Versäumniß angesehen werden, daß nicht {on längst die jeßt geplante große Querverbindung zwischen unseren Stromgebieten ausgeführt worden ist, daß ni@t {on längst die Möglichkeit gegeben worden ift, Angebot und Bedarf zwischen Osten uud Westen zu billigen Preisen auszugleih:n und sowohl auf den heimishen wie auf den fremden Märkten mit Erfolg gegen das Ausland unter angemessenem Zollshuß zu konkurrieren.
Meine Herren, bereits bei der zweiten Lesung des Eisenbahnetats habe ih mir gestattet, darauf hinzuweisen, daß in einzelnen Gebieten des Landes die Eisenbahnverwaltung alle Ursache hat, auf eine Entlastung Be- dat zu nehmen, und es ausgesprochen, daß, wenn aub die Eisenbahn- verwaltung si völlig in der Lage fühlt, jeßt und noch für eine weitere Zeit dem Verkehrsbedürfnisse gerccht zu werden, sie do nur mit s{werer Sorge in die Zukunft blicken kann, die unzweifelhaft kommen wird, wo die Verkehrszunahme in einzelnen NRevieren es der Eisenbabn unmöglich machen wird, den Verkehr allein zu bewältigen. Es ist von mir bei der Gelegenheit bervorgehoben worden, daß, wenn man au die Zunahme des Verkehrs jähtlich nur auf 3# 9% ver- ans{lagen will, dann in 10 Fahrès auf einen Zuwachs der Ein- nahmen aus dem Verkehr von einer balben Milliarde zu rechnen sei. Meine Herren, die Vermehrung des Berkehrb wird aber in Wirklich» keit noch böber sein, als dieser Summe entspricht. Denn bei der halben Milliarde Mehreinnahme i} zu berücksichtigen, daß sehr er- beblihe Ermäßigungen in den Tarifen bereits stattgefunden haben, die naturgemäß die Wirkung hervorbringen, daß der Verkehr ver- bälinifmäßig größer ist, als die Einnahmen aus ihnen. Meine Herren, daß ein wesentlicher Theil dieses Verkehrszuwachses in dem niederrheinisch-westfälishen Kohlenrevier stati1finden wird, ist unzweifel- haft. Führt doch dieses Revier {on jeßt ein Viertel des gesammten Verkehrs des Landes den Eisenbahnen zu; werden doch \ch{on jetzt tägli dort 18000 Wagen beladen und 30000 umges(lagen! Es giebt in der ganzen Welt nicht, auch nicht in England, ein räumlih begrenztes Gebiet mit einem so dichten Verkehr, der von Fahr zu Jahr rapide anwächst; daß wir noch lange nicht an der Grenze des Verkehrs in diesem Revier angekommen sind, läßt sich ganz klar beweisen aus den überall an den Grenzen des Reviers neu abgeteuften und in der Abteufung begriffenen Kohlenshächten, an der Zunahme seiner sonstigen dort heimischen Induîstrie.
Meine Herren, wenn Sie die Eisenbahnkarte dieses Reviers, die Sie unter den Anlagen des Geseßentwurfs finden, in die Hand nehmen, fo wird Ihnen sofort klar sein, daß eine erhebliche Vermehrung der Eisenbahnlinien {hon in ihrer Tracierung auf sehr bedeutende Schwierigkeiten |ößt und ganz außergewöhnlich hohe Kosten ver- ursacht. In ganz anderem Maße ist das aber noh der Fall bezügli der Anlage neuer Betriebsbahnhöfe. Der Finanz-Minister kann da- von Zeugniß ablegen, welche enormen Kosten schon jeyt in dieser Be- ziehung von ihm beansprucht werden. Man kann nicht nur die Be- hauptung aufstellen, sondern fie auch schlagend begründen, daß nur der einheitlih disponierende, seine Anlagen cinheitlih gestaltende Staat, der über das außerordentlich große Bahnneß verfügt und einen kolossalen Bestand an Fuhrmaterial sein eigen nennt, in der Lage gewesen ist, bis jeßt den Verkehr im Großen und Ganzen normal zu bewältigen. Die drei Privatbahnen, die früher den Eisen- babnverkehr in diesem Revier bedienten, würden heutzutage troy ihrer Kapitalkraft, troß der Erfahrung, Intelligenz und Energie ihrer Verwaltungen niht mehr in der Lage sein, den Verkehr auf- recht zu erhalten, weil ihnen eben die Einheitlichkeit in der Dis- position fehlt, weil ihre Kräfte in der Konkurrenz si zersplittern.
Wirksame Hilfe kann hier nur dadur geschaffen werden, daß ein Theil des Verkehrs von den Eisenbahnen auf eine andere, mit ihr niht zusammenhängende Straße, den Kanal, abgewälzt wird, welchem die Tránsporte thunlihst {on von den Produktionsstätten ab zu- geführt werden. Der Kanal wird die Transporte innerhalb des Re- viers der Hauptsache nah ohne Berührung der Eisenbahn bewerk- stelligen, außerhalb des Reviers der Eisenbahn an denjenigen Orten zuführen, die hierfür geeigneter sind, als die Umschlagsbahnhöfe im Kohlenrevier.
Berlin, Freitag, den 14. April
Son jetzt \ind die Betriebsverhältnisse innerhalb des rheinish- westfälishen Industriegebietes fo gespannt, daß irgendwelhe, auch nur unbedeutende elementare Störungen, ein kleiner Betrieb8unfall oder dergleichen, sih {hon in den allerunangenehmsten Stockungen fühlbar machen, und wie es nun nach 10 Jahren und darüber hinaus werden wird, können Sie sh ohne große Phantasie vorstellen. Daß ih in dieser Hinsicht niht übertreibe und daß die Eisenbahnen im dortigen Revier im Großen und Ganzen vollständig auf ihrem Posten und ihrer Aufgabe gewachsen sind, wird mir jeder mit den dortigen Verhält- nissen vertraute Sachverständige gern bestätigen.
Meine Herren, ich kann mih aber au auf eine Autorität be- rufen, die mit Reht im Lande, wie in der Vertretung des Landes als erfte Autorität im Eisenbahnwesen ets anerkannt worden ift : auf meinen verehrten Amtsvorgänger, Staat8-Minister von Maybach. Er hat im Jahre 1883 erklärt, daß eine Entlastung der Eisenbahnen in diesem Revier durhaus wünschenswerth wäre. Das hat Herr von Maybah im Jahre 1883 erklärt, zu einer Zeit, wo der Kohlenverkehr in diesem Revier 22 Millionen Tonnen be- trug. Im Jahre 1898, also nah 14 Jahren, beträgt er 43 Millionen Tonnen; das ist ein Plus von 8199/0; das ist der Durchschnitt des Jahres. Wie es aber in der Sturm- und Drang- periode vom September bis Dezember aussieht, das geht daraus her- vor, daß fh die Gestellung der Wägen in dieser Jahreszeit um ein ganz Erheblihes vermehrt. Meine Herren, ih bîn fest überzeugt, daß Herr von Maybah und alle Sachverständigen mit mir dahin über- einstimmen, daß, wenn damals im Jahre 1883 der Kanal ein will- fommener Bunde8genosse gewesen wäre, er jeßt ein unumgänglih nothwendiger Bundesgenosse der Eisenbahnen geworden ift.
Nun könnte man ja zu der Auffassung gelangen, daß diesen Zu- ständen und dem Bedürfnisse des Industriereviers Rechnung getragen werden könnte dadurch, daß man allein den Dortmund-Rhein-Kanal herstellt. Diesen Schritt hat ja die Staatsregierung im Fahre 1894 unternommen. Es if aber mit Recht von allen Seiten des Hauses entgegnet worden: diese ffückweife Herstellung der großen Verkehrs» straße is nit richtig, sondern es muß an dem gesammten Programm festgehalten werden. Ich kann mih in der Beziehung auf Nedner aus allen Parteien berufen. Meine Herren, das ist auch ganz richtig! Nur die ungetheilte Ausführung des Programms is etne Landes- melioration in der vollsten Bedeutung dieses Wortes; die Herstellung des Dortmund-Rhein-Kanals allein, wenn sie auch immerhin eine Entlastung für die Eisenbahnen und einen Gewinn für das dortige Revier darstellt, is nicht geeignet, dem Lande im Großen und Ganzen zum Vortheil zu gereihen. Im Gegentheil eine Rethe von Bedenken, die jeßt gegen die Vorlage gemacht werden, namentlich alle land» wirthschaftlihen Bedenken, würden in viel höherem Maße und viel \chärfer hervortreten. Es würde mit der einseitigen Ausführung des Dortmund-Rbein-Kanals dem Auslande allerdings ein Weg, und zwär ein billiger Weg, in die Hauptkonsumtionsstätten des Landes ge- geben werden; unsere eigene heimische L1ndwirthshaft wäre aber nah wie vor auf den theueren Eisenbahnweg verwiesen, und da kann au selbft ein billiger Staffeltarif nicht die Wirkung haben, die die billigen Transportkosten der Wasserstraßen hervorbringen. Wiederum \chritt- weise in der Ausführung des Programms vorzugehen, würde ih daher für taktisch und wirths{haftlich unrichtig halten.
Meine Herren, dafür, daß das große Unternehmen des Rhein- Glbe- Kanals wirkli eine hervorragende wirtbshafilihe Bedeutung hat, sind nicht nur die Momente, die ih eben vorgeführt habe, von Bedeutung, vielmehr durchs{chlagend i nach meiner Auffassung, daß die zunächst betheiligten Landestheile sich zu sehr \{wv?2rwiegen den Opfern entschlossen und Garantien geboten haben für die Finanzierung des großen Unternehmens, wie sle noch niemals vorher bei einem staatlihen Bau gefordert, ges{chweige denn erreiht worden sind. Es ist damit zuglei eine Forderung der Landesvertretung erfüllt, die fih übereinstimmend stets dahin ausgesprochen hat, daß die Bewilligung neuer Kanäle nur dann in Aussiht genommen werden dürfe, wenn die zunächst Betbeiligten sh in angemessener Weise an den Kosten betheiligen.
Meine Herren, die anschlazsmäßigen Kosten betragen für den ges sammten Rhein-Elbe-Kanal mit seinen Zweigkanälen und auh mit der Abzweigung von Minden bis Hameln, der sogenannten Weser- fanalisierung, aber aus\schließlich der von Bremen zu übernehmenden Kosten für die Kanalisierung der Weser von Minden bis Bremen, 961 Millionen Mark, die dur&\chnittlihen Kilometerkosten für den Dortmund-Rhein-Kanal rund 1 147 000 #, beim Mittelland-Kanal 465 000 M, bei den zweischiffigen Zweigkanälen 705 000 M und bei den einschiffigen 356 000 4, bei der Meserkanalisierung Hameln—Minden 323 000 «A Meine Herren, die Kosten, welche für den jeßt fertig ge“ stellten, wenn auch no nit vollständig dem Betrieb übergebenen Dort- mund-Ems-Kanal ausgegeben worden sind und noh ausgegeben werden, betragen für den Kilometer 316 000 M, also erheblich weniger, als für die billigte Strecke desjenigen Kanalprojekts, welch?2s Ihnen jeßt vorliegt. Meine Herren, es ist demna mit Sicherheit anzunehmen, daß eine Uebershreitung der veranschlagten Kosten nicht stattfindet. Gerade die Erfahrungen, die wir zu unserem und des Landes leb- haftem Bedauern beim Dortmund-Ems-Kanal gemacht haben, haben es der Staatsregierung zur Pflicht gemacht, hier mit besonderer Sorg- falt zu verfahren. Auf das gründlichste sind alle Vorbedingungen er- örtert und geprüft worden, auf Grund deren der Kostenanschlag auf- gestellt ift.
Meine Herren, daß der Kostenanshlag richtig und reihlid be- messen ift, dafür brauchen wir keine Kritik zu {¿uen, wir haben deswegen au in den Anlagen und in der Begründung des Kanals alles daëjenige Material niedergelegt, welches diese Kritik nah irgend welcher Richtung hin“ erleichtern fann; immerhin handelt es fih — und das muß zugestanden werden — um eine sehr hohe Summe, die felbst von einem Staate wie Preußen nur dann ausgegeben werden darf, wenn der wirthshaftlihe Werth des Unternehmens vollständig feststeht, und wenn zu gleicher Zeit mit Sicherheit anzunehmen ift, daß der Kapitalaufwendung au eine angemessene Rente gegenüber“
1899.
steht. Die Staatsregierung i auf Grund der eingehendsten Prüfung
aller einschlägigen Momente für und wider aus eigener Ueberzeugung einmüthig zu dieser Auffassung gelangt.
Die Kosten verlieren dadurch auch einigermaßen an threm Sthrecken, wenn man ih vergegenwärtigt, daß sie auf mindestens 10 Jahre si voraussihtlih vertheilen werden. Das aufzubringende Kapital würde aber auch wohl keineswegs ein geringeres sein, wenn die nöthigen Ergänzungen unserer Verkehrsöftraßen niht auf dem Wasserwege, sondern auf dem Wege der Sthienen erfolgen würden. Meine Herren, es sind zwar von ofénbar nicht genügend fahverständiger Seite in dieser Beziehung bereits Berechnungen aufgestellt, welche zu einem entgegengeseßten Resultat kommen, welhe den Beweis haben erbringen wollen, daß durch di? Anlage sogenannter Shleppbabhnen das Ziel, welches hier der Staatsregierung vor Augen steht, billiger und auch zweckmäßiger erreiht werden würde. Was das Zweckmüäßigere anbetrifft, so darf ich mich wohl auf die Ausführungen bet der Be- rathung des Eisenbahnetats beziehen ; was das Billigere anbetrifft, fo möchte ih hier nur darauf aufmerksam machen, daß einerseits die Zablen dieser Berechnung niht weiter begründet werden, daß äber, abgesehen von der eigentlihen Streckenbahn, ein für den Kostenanschlag sehr wichtiger Faktor überhaupt gar nit berücksfichtigt ist: das sind die Betriebsmittel. Meine Herren, um welhe Summen ‘in leßterer Beziehung es ih bandelt, darüber möô&te ih folgende kurze Be- trahtung Ihnen vorführen, die auch dazu dienen wird, Ihnen ein Bild davon zu geben, welche Ausgaben für die Eisenbähnen in Aussicht zu nehmen sind, nur für diesen einen Faktor, wenn eben der Bundes- genosse Wasserstraße nicht in Thätigkeit tritt.
Meine Herren, am Ende des Etatsjahres 1899 werden die Be- \{haffungtkosten der vorhandenen Betriebsmittel rund 1540 000 000 #4 betragen; bei Annahme einer Veffehröfteigerung von 3F % — Sie werden \ih erinnern, daß es in den leßten Jahren imm-r 6 und 63 %/o gewesen sind — werden diese Kosten für die nächste zehnjährige Periode bis 1908/9 fi erhöhen um 630 Millionen. Ferner aber find an Ergänzungen der Eisenbahnanlagen — Ordinarium und Ekxtra- ordinarium — 65 Millionen ausgegeben in den leßten Jahren; wenn ih die auch mit 10 multipliziere, fo erhalte ich 650 Millionen. Da- bei ist vorausgeseßt, daß alles im bisherigen Gange bleibt. E3 ist also nur fúr die nächste zehnjährige Periode mit einem Kapitalaufwand für Betriebsmittel unter Erweiterung der im Betriebe befindlichen Bahnanlagen, Bahnhöfe, Sicherheitsvorrichtungen u. st. w. von im Ganzen 1280 Millionen zu renen.
Meine Herren, sofern der Kanal gebaut wird, wird in den leßten œahren vor der Eröffnung {hon mit einer Verminderung dieser Zahl unbedingt aerechnet werden dürfen. Ganz erspart aber wird die be- treffende Vermehrung, sobald der Kanal überhaupt eröffnet ift, für denjenigen Theil, den der Kanal der Eisenbahnstraße abnimmt. Denn auf dem Kanal hat niht tér Staat den Betrieb, sondern vertheilt ch der Betrieb auf die verschiedensten groß:n und kleinen Unter- nehmer. Daß ctne derartige Betrachtung auch vom rein finanziellen Standpunkte aus vortheilhaft erscheinen muß und niht nur eine wesentliche Entlastung der Eisenbahnen bedeutet, liegt meines Erachtens flar auf der Hand.
Fs daher die einmalige Kapitalausgabe keineswegs als unver- hältnißmäßig hoh anzusehèn, fo trifft dies noch weniger zu bezüglich der dauernden, direkten Ausgaben, die dem Staate aus dem eventuellen Ausbau des Kanals erwachsen. Die Ausführung desselben foll bekannt- lich nur dann gesehen, wenn die betreffenden Verbände, die um Garantien angegangen worden sind, diese in Wirklichkeit leisten. Worin die Garantien bestehen, darf ih hier nicht näher ausführen ; sie bringen ‘aber zu Wege, daß, wenn selbst der Kanal seine Betriebs- und Unterhaltungskosten nicht einmal aufbringt, dann für den Staat eine jährlihe Ausgabe von nit ganz 6 Millionen entsteht.
Jn Wirklichkeit aber wird, wiesin der Begründung und den ihr beigegebenen Denkfchrifsten auf das ausführlihste nahgewiesen ist, hon in den ersten Betriebsjahren auf eine gewisse, wenn auch beschränkte NReineinnahme zu rechnen sein, die von Jahr zu Jahr sich steigern muß und demnächst nicht nur zu einer vollständizen Verzinsung, sondern auch zu einer allmählichen Amortisation des Kapitals aus- reihen wird. Eiñe Gewähr für die Richtigkeit dieser Rechnung liegt niht nur in ihrer forgfältigen Aufstellung und zablenmäßigen Be- gründung seitens der Staatsregierung und ihrer Organe, sie liegt auch hier nicht weniger darin, daß die zunächst Betheiligten in ihrem eigensten Interesse diese Ertragsberehnung geprüft und für zutreffend anerkannt haben.
Die Finanzen des Staates sind indessen nit nur direkt betheiligt, sondern wohl noch in höherem Maße indirekt dadur beeinflußt, daß gleichzeitig mit der Entlastung des Eisenbahnverkehrs auch eine Ein- buße an den Eisenbahneinnahmen eintreten wird, und zwar eine sehr erheblihe Einbuße. Dieselbe is in der Denkschrifschrift berehnet auf 8 842 000 Tonnen und bei den Einnahmen auf netto 53 Millionen Mark. (Zuruf rets: Reicht nicht !)
Meine Herren, das ist ja eine gewaltig hohe Summe; sie verliert aber von ihrem Schrecken dann, wenn man bedenkt, daß inzwischen innerbalb dieser nächsten 10 Jahre die Einnahmen um X Milliarde oder so herum werden gestiegen sein, daß es sih dann also mehr um ein lucrum cessans als um ein damnum emergens handelt.
Auf die Begründung der angeführten Zahlen will ih hier in meinen einleitenden Worten nicht näher eingehen; es wird si ja dazu bei der weiteren Verhandlung, namentlich der Kommission des hohen Hauses hinreihend Gelegenheit finden. Nur das möchte ih hier noch hervorheben, daß die Zahlen insofern auf Zuverlässigkeit Anspru machen dürfen, als sie von der Eisenbahn selbst auf Grund ihres amtlihen Materials aufgestellt worden find.
Dieser Verlust is aber, abgesehen davon, daß er zunächst nur ein rechnungsmäßiger ist, auch darum weniger zu Buch zu \{lagen, weil ihm fehr erhebliche Minderausgaben naturgemäß zur Seite stehen. Fn Wirklichkeit wird ein folcher Verlust, wie er hier veranschlagt worden ift, nicht eintreten; es wird vielmehr bald der Verluft voll- ständig verschwinden und einer Mehreinnahme Play mahen.
amin
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