1899 / 93 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 20 Apr 1899 18:00:01 GMT) scan diff

o S tp Ie 72 rei Lte air E

r 5 E P R U ZI A E S N S Bt SEEI 2 E S ME Serte user Zur p E E E

a

S

F128 24 E H

f E 8 49 N E 4 at 4A f F Lf i F 4 E

S E E E A

E e E 2

gering

Qualität mittel

Gezahlter Preis für 1 Dopp

elzentner

niedrigster M.

höchster

M

niedrigster

M.

hôster

t.

niedrigster

höchster

Mh.

werth

M.

|Dur@schnitts- Pecis

“für 1 Doppel- zentner

M.

Am vorigen Da

Durih- itts- en

M

dem

Außerdem wurden am

(Spalte 1) nah übers{chlägliher Shabun verkauft Doppelzentner (Preis unbekannt)

Paderborn, Saathafer . ¿ utterhafer . Limburg a. L . è Nei eil: aide inb ae R Dintel8bübl ara 14.20 L 13,20 Ueberlingen or le a des 14,80 Maren i M, ol Ge V a6 Braunshweig . « « «e oe e a0 14,009 Alieaita E S 4 I S 14,00 Breda A e 08 11,60 Neuß .

n eann S

Deutscher Reichstag. 69. Sißung vom 19. April 1899, 1 Uhr.

Auf der Tagesordnung steht die erste Berathung des Geseßentwurfs, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung (Konzessionspflichtigkeit der Gesinde- vermiether, Hausindustrie, Ladenschluß 2c.).

Fn Verbindung damit sollen berathen werden ein Antrag des Abg. Bassermann (nl.) wegen der Kündigungsfristen 2c. für Werkmeister (Z§ 133 a der G.-O.) und ein Antrag der Abgg. Freiherr Heyl zu Herrnsheim (nl.) und Genossen, betreffend den Arbeitershuß in den Werkstätten der eres

ewerbetreibenden und betreffend die Arbeitszeit in offenen erkaufsstellen, in Schank- und Gastwirthschaften. ;

Als Antragsteller für den zuleßt genannten Antrag nimmt

das Wort der :

Abg. Freiherr Heyl zu Herrnsheim: Ich bedauere, daß die Vorlage in gewissen Punkten gegenüber der früheren Einschränkungen erfahren hat. Die Lohnzettel waren früher allgemein vorgeschrieben, jeßt sind sie beschränkt auf die Wäsche- und Kleiderkonfektion ; die Krankenversiherungspfliht ist ebenfaüs verschoben worden. Auch für die Konfektionswerkftätten sind mildere Bestimmungen als früher vorgesehen, während man die Konfektionewerkstätten etwa ebenso behandeln follte, wie die Werkstätten der Zigarrenindustrie, namentli soweit jugendlihe und weiblihe Arbeiter in Betracht kommen. Die Berichte der Fabrikinspektoren beweisen deutli, daß eine \chärfere Kontrole nothwendig ist. Mit dem Schuß der Heim- arbeiter beshäftigt sch der Reichstag seit mehr als 20 Jahren. Es besteht wohl kein Zweifel darüber, daß da3, was bis jeyt geschehen ift, dem Bedürfniß keineëwegs genügt; auch die frühere Vorlage entsprach durchaus niht dem, was man im allgemeinen als nothwendig betratet. Wer die Geschichte der Heimarbeiter kennt, weiß, daß man überall bald die Erfahrung macht, daß die Heimarbeiter fehr leiht dem Proletariat anheimfallen. Deéhalb bat man frühzeitig über die Angelegenheit Statuten erlassen, und zwar ihon um die Mitte des 17. Jahrhunderts. Seit der Einführung der Gewerbe- freiheit ist die Schuybedürftigkeit der Heimarbeiter nur noch viel größer geworden. Ueber die Verhältnisse in den Schank- und Gast- wirthschaften hat die Kommission für Arbeiterstatistik Untersuchungen angestellt. Bezüglich der ofencn Verkaufsstellen ist eine Mittagspause von einer Stunde wobl nicht autreichend; es wird eine Pause von 14 Stunde, wie die Kommission für Arbeiterstatiftik vorgeschlagen hat, ewährt werden müssen. Für die Angestellten in Berkaufsgeshäften ollte man auch die Kcankenversiherungépflicht einführen. Redner be- antragt s{ließlich die Ueberweisung der Vorlage und der Anträge an eine Kommission von 21 Mitgliedern.

Abg. Bassermann begründet hierauf zunächst seinen Antrag, der für die Privatbeamten der Industrie, die Werkmeister, Techniker und sonstigen Beamten, dieselben Bestimmungen einführen wolle, wie sie dur das Handelsgeseßbuch für de Ae geschaffen worden seien, und wendet sih dann der Vorlage zu, indem er die einzelnen Bestimmungen, insbesondere über die Gesindevermiether eingehend bespriht. Die Vorlage lasse dec Landesgesezgebung großen Spielraum; es könnte fraglich sein, ob überhaupt neue Strafbestimmungen nothwendig seien; wenn sie sich aber als nothwendig hberausstellten, dann sollte man sie reichsgeseßlih regeln. Bezüglich der Theateragenturen scheine eine Aenderung der bestehenden Gesetzgebung nicht nothwendig zu sein. Mit der Étage des Ladenshlusses bâtten sih niht nur die Handlungêgebilfen, fontern auch die selbîtändigen Kaufleute allmählich befreundet. Besonders habe ih die Handelskammer zu Hamburg in einer befonderen Unter- suchung mit dieser Frage beschäftigt; ebenso verschiedene kaufmännnische Vereine zu Berlin und in anderen Städtea. Redn: r wirft {ließli die Frage auf, o5 nicht zur Kontrole der Vorschriften über die Handlungsangestellten besondere Aufsihtsbeamten angestellt werden müßten; die Uebertragung der Aufsicht auf die unteren Polizei- behörden sei wobl niht zweckmäßig. Hoffentlih werde die Borlage noch in dieser Session fertiggestellt; das werde aber nicht mögli sein ohne eine Vertagung des Reichstages bis zum Herbst.

Staatssekretär des Jnnern, Staats-Minister Dr. Graf

von Posadowsky-Wehner:

Meine Herren! Der Herr Abg. Freiherr Heyl zu Herrnsheim hat an die Thatsache erinnert, daß die verbündeten Negierungen fast jedes Jahr eine Novelle zur Gewerbeordnung dem hohen Hause vor- legten. Ich glaube, das ist bei unserer sozialpolitishen Entiwickelung eine verständige und natüclihe Er|heinung. (Sehr richtig !) Durch die ganze Entwickelung unseres Handels und unferer Industrie, dur die Verschiebung der Verbältnisse zwishen Fabrikbetrieb, Gewerbe- betrieb und Haugsarkeit entstehen fortgeseßt neue soziale Erscheinungen, die es erfordern, daß die verbündeten Regierungen denselben ihre Auf- merksamkeit zuwenden und von Fall zu Fall die hervorgetretenen Miß- stände beseitigen. Deshalb find unsere Gewerbeordnungsnovellen aller- dines zum theil Gelegenheitsgeseßge. Ich glaube aber, wenn wir in diesem System fortfahren, werdea wir praktischer wirken, als wenn wir allgemeine theoretishe Gesammtgeseze konstruieren, die nachher vielleiht durch die Thatsachen überholt werden und für die praktischen Verhältnisse nicht mehr passen. In diesem Sinne ist auch die Novelle, die wir Ihnen vorgelegt haben, eigentlich nur eine Kombi- nation von Einzelbestimmungen mit einer Ausnahme, das beißt mit Ausnahme des großen sozialpolitishen Schrittes, die Angestellten im Handelsgewerbe den Bestimmungen der Gewerbe- ordnung unterzuordnen.

Ih will mi gegenüber den lihtvollen Autführungen der Herren Vorredner zur Vorlage nur auf einzelne Punkte beschränken, die von den Herren felbst angeregt sind, und mi dann mit ein paar Worten den Anträgen zuwenden.

Der Herr Abg. Bassermann is auf die Frage der Stellen- vermittler zurückgekommen und hat namentlih geglaubt, soweit die

14,60 14,00 14,80

14,00 14/00 11/99

Bémerkitugëac: Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner un Ein liegender Strich (—) in den Spalten für Preise hat die Bedeutung,

14,60 14:20 15/40

14,40 14/60 12,10

die durch die

(Sehr wahr! rechts.)

Aufmerksamkeit zuzuwenden.

arbeiter zum theil so dürftige,

Widerstand finden.

Noch: Hafer.

16,00 14,60 15,00 13,40

1520 | 15/40 1440 | 1460 1540 | 1550

12,50

1440 | 1470 1460 | 15,00 1240 | 12/60

13,40

16,00 15,00 15,70 14,40 15,60 15,40 15,50 12,80 14,70 15,00 12,80 14,40

d der Verkaufswerth auf volle Mark abgerundet mitgetk; daß der betreffende Preis niht vorgekommen ift,

15

Stellenvermittler einer vornehmeren Kategorie, wenn ih fo sagen darf, angehören, d. h. soweit sie Theateragenten sind, diefe Herren in ein besseres Licht stellen zu müssen. wenn das Bild, das der Herr Abg. Bassermann von den Theater- agenten entworfen hat, und voa dem ih annehme, daß es auf einen Theil der Herren auch zutrifft, ein allgemein zu- trefendes wäre. Jh glaube aber, es liegen auf diesem Gebiete fehr schwere Mißstände vor (sehr wahr! rets); informierte Per- fonen behaupten, daß es Schauspieler und Schauspielerinnen giebt, mit den Theateragenten geradezu in eine Art Leibeigenshaft und Sfklavenverhältniß zu den- selben treten. (Hört! hört! Sehr richtig! rechts.) Daß man ein- mal diesem Gewerbe sehr sharf auf die Finger fieht, ist, glaube i, im Interesse von Sittlichkeit und Rechtlichkeit dringend geboten. SelbstverständliG nehme ih von meinen Be- merkungen diejenige Kategorie von Stellenvermittlung gerne aus, die wirklihe Theateragenten find, welche Stellen vermitteln für Per- sonen, die befähigt sind, einen höheren Kunstgenuß darzubieten , und welhe diese Stellenvermittelung in einer anständigen und auch mit Kunstverständniß verbundenen Art und Weise beforgen.

Meine Herren, ih gehe nun zu den Stellenvermittlern xar? ¿Eoyÿv über. Auh da können sih die Herren darauf verlassen, daß da ernste Mißstände bestehen, die im Interesse der Sittlichkeit und öffentlichen Ordnung das Eingreifen mit fester Hand erfordern. Diese Mißstände vergrößern \ih auf dem Gebiete der Stellenvermittelung, je größer der Arbeitermangel ist. Die Stellenvermittler sind dadurch fortgeseßt in der Lage, die Leute zum Stellenwechsel zu verleiten und ganz ungebührlihe Bedingungen denjenigen zu stellen, die Arbeitskräfte bedürfen.

Freiherr Heyl zu Herrnsheim ging dann auf die auch in seinem Antrage theilweise berührten Bestimmungen der Novelle über das Konfektionsgewerbe ein. Wenn dié Verhältnisse in diesem Gewerbe bisher nit so erledigt sind, wie namentli den Laien wünschenswerth erscheint, so licgt das einfa daran, weil man unter die Bestimmungen über das Konfektions8gewerbe nicht das Haadwerk bringen wollte. Die tehnischen Schwierigkeiten bei der Konfektionsverordnung, welche hieraus entstanden sind, müssen deshalb mit in den Kauf genommen werden.

Daß speziell die Krankenversiherung der Hausarbeiter nit wieder in der Novelle zur Gewerbeordnung behandelt ift, hat folgenden Grund: die Novelle von 1895/97, welche die Verpflichtung der Konfektiontarbeiter zur Krankenversicherung behandelte, war nicht eine Novelle zur Gewerbeordnung, sondern ein selbständiges Geset, da konnte man die Krankenversiherung behandeln; ih glaube, es würde aber in unsere geseßlihen Sitten niht hineinpassen, wenn wir in einer Novelle zur Gewerbeordnung die Frage der Krankenversiherung regelten.

Für die Fortlassung der Ausdehnung der Krankenversiherung auf die Hausarbeiter waren aber noch andere Gründe maßgebend. Man scheint jeßt in den größeren Kommunen dieser Frage eine ernstere Die Kommunen sind aber jet {on auf Grund des Krankenversicherungsgesetz28 berechtißt, die Ver- vfli&tung zur Krankenversiherung auf die Hausarbeiter auszudehnen ; bei dem Interesse, welches jeßt in einem Tbeil der Kommunen für diese Frage rege ist, wird deshalb wahrscheinlich ein Theil derselben von dieser Befugniß Gebrau maten. deshalb die Bestimmungen niht wieder aufgenommen, weil allerdiags das muß man zugestehen die Lohnverl ältnisse der Konfektions- so nur den dringendsten Lebens- bedürfnissen genügende sind, daß es bedenklih ersien, ihnen noch die Krankenversiczerungslast aufzulegen. los, daß wir nit in absehbarer Zeit genöthigt sind, eine Anzahl Be» stimmungen des bestehenden Krankenversiherung8gesetßes überhaupt zu ändern, vor allem mit Rücksicht darauf, daß es geboten erscheint , die Dauer der Krankenversiherung auf 26 Wochen, statt wie jeßt auf 13, auszudehnen. (Sehr rihtig!)) Bringen wir aber eine soïhe Novelle, dann ist es praktischer, die Einbeziehung neuer Kategorien in das Gesetz hinauszushieben, bis das Krankenaversiherungsgesch auf zum theil neue Grundlagen gestellt ift.

I gehe nun auf di gewerbes in die Gewerbe

Fh würde mich sehr freuen,

abgeshlossenen Verträge

Wir haben aber ferner auch

Außerdem ift nicht ganz zweifel-

e Einbeziehung der Angestellten des Handels- Änung ein. Ich halte diesen Schritt, der ein erster Sthritt ist das bitte ich alle die Herren hier, welche cin warmes sozialpolitisches Herz besißen, niht zu vergessen für cinen sozialpolitisch großen Schritt. großen Zahl Personen die Vorzüge der Schutzbeflimmungen der Ge- werbeordnung zu theil werden. Andererseits man mag der Bâckerei- verordnung gegenüberstehen, wie man will die Erfahrung haben wir aus ihr erworben, daß es im Interesse der Sache nicht unbedenk- lih ift, Verordnungen zu erlassen, die in den betheiligten Kreisen, welche die Verordnung gewissenhaft ausführen sellen, solch allgemeinen (Sehr wahr! rets.)

Deshalb sind wir bei dieser Novelle, bei der Einbeziehung der Angestellten des kaufmännishen Gewerbes in die Bestimmungen der Gewerbeordnung, wesentli vorsihtiger vorgegangen, Man kann sehr zweifelhaft sein, ob die Einwendungen, die gegen den

Denn hbierdurch follen einer

(Sehr gut !)

aus die daß

224 2 010 629 430 4170 1457

200

Berlin, ih noch nie

dem

verorduung ,

einen darbietet. ruhezeit .da

geschieht. stellen, würde die Maßregel des S böôhstem Grade unpopulär machen, und ih glaube,

ein

(Sehr

wird

16,00 14,90 15,34

15,10 14,33

12,67

13,80

eilt. Der Durchschnittspreis wird aus kt (.) in den leßten fechs Spalten,

Lande das Alters-

Städten sind ganz himmelweit.

denen

gesehen Geschäft rounderschône Käufer

festzustellen ,

erbeblihen Fortschritt richtig !

liegt

man * sagen

Prinzipale gutwillig diesen Bestim

stimmungen wirklih ausgeführt werden.

die Hauptsache. Was die Anste

ih bereit

15,90 14,80 15,10

' 15,15

14,23 12,90

.

13,90

daß

bherausgekommen haben ; oder

Schausfenfter hineingeht

sondern

rets.) es ähnlich fönnen ,

gegenüber Wie

15. 4. 15. 4. 12. 4.

12. 4. 12, 4.

12. 4.

19 4.

sein könnte,

sei

eine

der für

den Einzelstaaten niht zu erreichen sein.

den unabgerundeten Zahlen berechnet. daß entsprechender Bericht fe blt.

8 Uhr - Ladenshluß erhoben find, sahlich zutreffen oder nit. Ih muß ehrlich gestehen, ih gebe auf folhe Einwendungen von Inter- essenten, denen eine neue geseßliche Regel auferlegt werden soll, nit allzu viel. (Sehr rihtig!) Wir haben es erlebt, welch ein ungeheurer Widerstand gegen das Alters- und Juvaliditätsgesez in gewissen Kreisen erhoben worden ift, und wir haben jeßt in der Kommission des Reichstages die erfreulihe Aeußerung gehört, daß auf dem und Invaliditätsgeseß po pulärsten Gesetze sei, und zwar ein Gesey ein Agrarier hat das gesagt (Zuruf und Heiterkeit), dessen Popularität in dem- felven Maße walhse, wie die Anzahl der Rentenempfänger zunehme. Das ift ja auch ganz natürlich und menshlih zu begreifen. Also ih gebe auf einen sol&en Widerstand interessierter Kreise gegen ein Gesetz, das ibnen neue Verxflihtungen auflegt, niht allzu viel, und i möchte au mit dem Herrn Abg. Bassermann den Einwendungen, die gegen das Gesetz erhoben sind, kein allzu großes sahlihes Sch{wergewicht beilegen. Aber die Thatsache steht fest, es besteht gegen den all- gemeinen 8 Uhr - Ladenshluß in den kaufmännis{en Prinzipalkreisen ein ganz außerordentliher Widerwille. (Sehr richtig ! rechts.) Jch glaube, wir thun deshalb gut, zunächst den Handlungsgehilfen mit etwas fanfteren Mitteln zu helfen. Außerdem darf man doch Eins nit vergessen: die Unterschiede in der Thätigkeit der Handlungs8- gebilfen in großen Städten, in stilleren Provinzialstädten und kleinen (Sehr richtig!) Wir müssen hier eine Regel aufstellen für alle Theile Deutschlands. Ih hoffe, es wird niemand außerhalb dieses Hauses sih dadur betroffen fühlen, ih kenne aber seit meiner Studentenzeit eine Anzahl Läden in zu bes{chwören, daß ein Kunde hineingegangen oder

(Heiterkeit), man sieht aber nie, herauskommt. Jh habe mir da sehr oft die Frage vorgelegt, wie diese Geschäfte sich ernähren, wie die Lilien auf dem Felde, oder wovon leben sie? (Heiterkeit.) Man fann nun von etnem Geschäft8angestellten, der in einem solchen Laden angestellt ist, der zum Fenster hinauésieht oder liest oder rauht, nicht annähernd sagen, daß man ihm feine größere Dienstzeit zumuthen könnte, wie einem Angestellten, der in einem fehr flott gehenden Materialgeshäft arbeitet oder in einem sonstigen Geschäft, wo der Ver- fehr von Morgens bis Abends anhält. Außerdem denken Sie an den ungeheueren Unterschied der Geschäfte in großen Städten gegenüber denen in mittleren und kleinen Städten. In leßteren sigen die Leute bäufiz im Neberzimmer und treiben irgend etwas Anderes, was wir hier und da auch machen, Lesen, Schreiben, Schlafen oder fonst was, und erst, wenn die Ladenklingel \ich in Bewegung seßt, erscheint der Mann langsam und fragt erstaunt, was man wünscht. Diese Verschiedenheit der Verhältnisse hat uns, glaube ich, in praktischer Weise dahin geführt, nicht eine Marimalarbeitszeit, wie in der Bäckerei- Minimalruhezeit. Man fann jz gegen Minimalrubezeiten gewiß auch Einwendungen er- heben; man muß zugestehen, daß die Minimalruhezeit für einen An- gestellten in einer mittleren oder kleinen Stadt, der 5 Minuten na seiner Wohnung, zu seiner Familie zurüczulegen bat, eine ganz andere Bedeutung besitzt, wie eine Minimalrußhezeit für denjenigen Angestellten- der vielleicht weit zu Fuß gehen oder im Tramway hier in Berlin na einem entfernten Vorort } Stunden oder länger fahren muß. Das gestehe ih ohne weiteres zu; aber wir waren der Ansicht, daß eine Minimalruhezeit von 10 Stunden zur Noth doh für die Angestellten auch in großen Städten genügt, daß fie jedenfalls dem jetzigen Zustande es mit der Minimal-

Miitagépause.

den Angestellten in einer {leinen Stadt eine Mittagspause von einer Stunde vielleicht viel zu groß ist. Wir alle, ih wenigstens, haben nicht immer Zeit, eine Stunde lang kei Tisch zu fißen; wir müssen unser Mittagsmahl ja in sehr viel kürzerer Zeit einnehmen, und ih bin der Ansicht, daß ein Angestellter in einer großen Stadt wobl in der Lage ist, binnen einer Stunde seinen Hunger, desgleihen auch feinen Durst zu be- friedigen. Ich möchte alfo empfehlen, aus taktishen Gründen gegen über den Vorschlägen, die Ihnen hier in der Novelle gemacht sind, nicht weiter zu gehen. Halten wir an den Vorschlägen der Novelle fest, dann werden wir wahrseinlich erreihen, daß si der Kreis der mungen fügen wird und diese Be- Und das ift doch eigentli

llung von Handelsinspektoren betrifft, so geht meine Phantasie nicht soweit. Auch die arbeiterstatistishe Kommission hat si seiner Zeit dagegen ausgesprochen. vielmehr dahin, daß si die Einzelstaaten ent größere Anzahl von Gewerbeinspektoren an denen gewerblihen Anlagen häufiger prüfen zu fönnen wie das Jett eine neue Kategorie von Handelsinspektoren anzu- chuyzes von Handlungsgehilfen in es würde auch von

Meine Wünsche gingen schließen möchten, eine zustellen, um die vorhan jeyt

eins der

Läden,

(Heiterkeit.)

Auch

Jch will nunmehr mit ein paar Worten auf die Anträge ein- gehen, die feitens des Herrn Abg. Bassermann und seitens des Herrn Abg. Freiherrn Heyl zu Herrnsheim in Verbindung mit der Gewerbe- ordnungs-Novelle geftellt sind. Was zunätst den Antrag Bafsermann auf Nr. 54 der Druckfachen betrifft, so glaube ich vorläufig und rein persönli versihern zu können, daß gegen dfe vorgeschlagenen Bestimmungen Bedenken ernster Art niht zu erheben sein werden. Sie stimmen überein mit den-für den Handlungsgehilfen in das neue Handelsgefezbuch aufgenommenen Bestimmungen §§ 67 bis 69. Ein grundsäßliches Bedenken, diese Bestimmungen auf die Betriebsbeamten, Werkmeister und Techniker auszudehnen, dürfte niht bestehen, da au die bither für diese Personen geltenden Vorschriften §§ 133 a ff. der Gewecbeordnung den für die Handlungsgehilfen zur Zeit erlassenen, in der Novelle von 1891 geltenden Vorschriften nahgebildet find. Anders liegt es mit den Anträgen, die der Herr Abg. Freißerr Heyl zu Herrnsheim geftellt hat. Er wird mir gestatten, diese Anträge einer Kritik zu unterziehen, wenn ih diese Kritik auh s{chonender an- ftellen will wie die Kritik, die kürzlich an einer Vorlage der ver- bündeten Regterungen aus der Mitte des hoben Hauses geübt ist. (Heiterkeit.) Ich will es thun in shonenderer Form, obglei die verbündeten Regierungen ihrerseits sehr häufiz niht in der Lage find, die besten Gründe, die sie für ihre Vorlagen haben, hier urbi et orbi preiszugeben. Zunächst kann ih bemerken, daß die Anträge, die Herr Abg. Heyl gestellt hat, uns ja als Anregung durchaus will- kommen sind. Sie legen zwar berehtigter Weise den Finger auf mißständige Verhältnisse, die namentli in der Hausindustrie bestehen ; ih glaube aber, sie find praftisch durhaus nicht durchführbar.

Der Herr Antragsteller hat, soweit ih das übersehen kann, feine Anträge formuliert auf Grund von Vorbildern der amerikanischen, der englischen und der s{chweizer Geseßgebung. Zwischen den Verhält- niffsen in diesen Ländern und den Verhältnissen bei uns besteht aber ein niht unwesentliher Unterschied: in jenen Ländern pflegt man ih damit zu begnügen, nach Art eines promissorischen Verfafsungsartikels allgemeine Grundsäße aufzustellen, während die Kontrole der Aus- führung dieser Grundsäße, im Vertrauen auf die Privat beschwerden, den maßgebenden Instanzen keine besondere Sorge zu machen pflegt. (Sebr rihtig! rechts.) Unsere Auffassung: von der Sache ist anders: wir sind der Ansicht, wenn man derartige Vorschriften erläßt, muß man wenigstens die Möglichkeit haben, sie von Amtswegen zu fontrolieren und ihre Ausführung zu verlangen.

Der Abg. Freiherr Heyl zu Herrnsheim will für die Heimarbeiter eine Art Spezialgeseß außerhalb der Gewerbeordnung machen. Es würde demnächst sein Antrag, wenn er Geseg würde, innerhalb des 8 1 über den Kreis der unter die Gewerbeordnung fallenden Personen weit hinausgehen; es würde beispielsweise unter seinen Antrag, foweit er sih auf die Hausgewerbetreibenden bezieht, unzweifelhaft au eine Anzabl landwirthschaftliher Betriebe fallen.

Der Herr Abgeordnete versucht ferner, eine Abtrennung des Be- griffs „Hausgewerbtreibender“ dadur zu erreihen, daß er sagt: was niht Fabriks- und was niht Handwerksbetrieb ift, is Hausbetrieb, Ich glaube, er vergißt aber dabei, daß ein großer Theil der Hand- werkec entweder aussch{ließlih oder in Verbindung mit der hand- werkêsmäßigen Beschäftigung hon jeßt gemeinsam in der Haus- industrie thätig ist. Es wird deshalb eine derartige Abgrenzung, wie er sie beabsihtigt, zwishen Gewerbebetrieb und Hausindustrie sehr \{chwierig, wenn niht unausführbar sein. Die Hausindustrie kann nit dadur ausreihend bestimmt werden, daß ihr das Handwerk als wesentlih von ihr untersheidbare und unterschiedene Betriebsform gegenübergestellt wird.

Es ist in dem Antrage, glaube i, ferner übersehen, daß nah den jetzigen Bestimmungen der Gewerbeortnung die 105 a und folgende, die Vorschriften über die Sonntagêruhe enthaltend, {on unzwe!fel- baft auf die Hausgewerbe si erstrecken (sehr richtig !), denn jene Bes stimmungen finden auf sämmtliche gewerblihen Werkstätten Anwendung, ganz gleihgültig, ob die Arbeitgeber in diefen Arbeitsräumen zu den Handwerkern oder zu den Hausgewerbetreibenden gehören. Eine weitere Regelung dieser Frage dur cin Spezialgesey ist deshalb nicht nöthig. Es würde nur nôthig fein, wenn der Herr Antrag- teller wünschte, auch die Heimarbeiter, die allein in ihrer Privatwohnung Arbeit verrichten, unter die Vorschriften der Sonntagsruhe zu bringen. Jch glaube aber, das kann der Herr Ab- geordnete nicht beabsihtigt haben, einen einzelnen Arbeiter, der in seiner Stube arbeitet, z. B. einen Sthneider, der Konfektionéarbeit verrihtet, zu zwingen, -am Sonntag, wenn er sons: nichts vorhat, wenn s{lechtes Wetter ift, sich der Arbeit seines Gewerbes zu ent- zichen und Sonntagsruhe zu halten.

Der Mr Abgeordnete hat für die Hausgewerbetreibenden auch Bestimmungen über das Trucksystem vorgesehen, wie sie jeßt in den S8 115 bis 119 b der Gewerbeordnung niedergelegt sind. Ich glaube aver, diese Bestimmungen können in dieser vershärften Form nicht erlaffen werd?zn nur zu Gunsten der Hausgewerbetreibenden, sondern sie müßten dann allgemein zu Gunsten der Gewerbetreibenden über- haupt erlassen werden.

Der Herr Antragsteller ist dabei auch zurückgekommen auf die- jenigen Bestimmungen, welche die Novelle der verbündeten Regierungen über die Konfektionsinduftcie aus den Jahren 1896/97 enthielt. Ich kann wohl sagen, es bat mich das etwas überrascht, denn in der Sitzung des Reichstages vom 24. Mai 1897 wurde gerade der Erlaß derartiger Bestimmungen von seinen politishen Freunden auf das allerheftigfe angegriffen. Man mate geltend, daß man erstens der Regierung \o weitgekende Vollmahten nicht ertheilen wolle, und zweitens, daß die Bestimmungen, wonach diejenigen Personen, die 6 Stunden {hon in der Fabrik gearbeitet hätten, Heimarbeit niht mit nach Hause nehmen dürften, unaus- führbar seien, weil fie jeden Tag umgangen werden können. Meine H?rren, wir haben indeß inzwishen unsere Ansicht geändert, Wir sind ebenfalls zu der Ueberzeugung gikommen, daß jene Bestim- mungen allerdings undurchführbar gewesen wären, (Sehr wahr! links.) Man brauchte nämlich die Leute ja nur 5 Stunden zu beschäftigen, um berechtigt zu sein, ihnen Heimarbeit mit- zugeben, so viel man wollte. Wir sind aus diesen Gründen von unserer früheren Vorlage selbst abgegangen und haben die Bestimmung gewählt, die Sie in der jeßigen Novelle finden. Die Schwäche auch dieser Bestimmung erkenne ih voll- ständig an, auch da wird eine Umgehung noch vielfach mögli sein, aber es ist doch wenigstens eine feste, unter Umständen kon- trolizrbare Regel gefunden, welche sagt: es darf einer Arbeiterin auf Grund der Lohnbücher und Arbeitszettel niht mehr Heimarbeit mit-

gegeben werden, als sie in der zulässigen noch niht vollendeten Maximalarbeitszeit im Fabrikbetriebe verrichten könnte. Hoffen wir, daß, wenn diese Bestimmung Gese wird, sih daraus eine Art Regel bildet, der alle anständigen Unternehmer folgen werden.

Der Herr Abgeordnete will noch Bestimmungen treffen, daß eine Arbeitsordnung erlassen werden kann, wo es die Natur des Be- triebs rehtfertigt, während nah den Bestimmungen der Gewerbe- ordnung Arbeitsordnungen nur da erlassen werden sollen, wo der Regel nah mindestens 20 Arbeiter beschäftigt sind. Ich möchte dem hohen Hause nicht empfehlen, eine solhe debnbare Bestimmung zu erlafsen, Was heißt es, eine Arbeitsordnung zu erlassen, wo es die Natur des Betriebs erfordert? Jh glaube, damit if der Willkür sowohl gegenüber den Arbeitgebern wie den Arbeitnehmern Thür und Thor geöffnet. (Sehr wahr! links) Ein gerihtlich faßbares Kriterium liegt darin jedenfalls nit.

Der Herr Abgeordnete will auch die Bestimmungen der §§ 135 bis 139a der Gewerbeordnung, die sogenannten Arbeitershuß- bestimmungen, auf alle Werkstätten der Hausgewerbe ausdehnen, will aber gleihzeitig zulassen, daß die Verwaltungsbehörden Ausnahmen hiervon gewähren. Zunächst gestatte ih mir zu bemerken, daß diese geseßlihe Anordnung wesentlich abweihen würde von den Be- stimmungen des § 154 Abs. 3 und 4 der Gewerbeordnung. Nah dieser kana die Ausdehnung der SgcGuyvorschriften auf die Werkstätten nur durch Kaiserlihe Verordnung mit Zustimmung des Bundesraths erfolgen, welhe dem Reichs- tage demnächst vorzulegen ist. Jch würde niht empfehlen, von dieser Bestimmung, die damals bei Berathung des ArbeitersGußgeseßes im Fahre 1891 Gezenstand eingehendster Erwägung gewesen ift, abzugehen, aber ferner glaube ih au, daß \#o simpliciter die Arbeiterschuß- bestimmungen der Gzwerbeordnung auf die Hausindustrie, die unter ganz anderen Bedingungen arbeitet, überhaupt nit au8gedehnt werden fönnen. Ich erkenne das Ziel des Herrn Abgeordneten als ein durh- aus edles, erstrebenswerthes an und bin gern bereit, ihm die Hand zu bieten, soweit dies möglich ist. Jh glaube aber, in dieser Form wird sich sein Ziel niht erreichen laffen.

Meine Herren, es sollen dann noch Bestimmungen erlassen werden zum Schutze der Arbeiterinnen, unter anderen die Bestimmung, daß Ueberarbeit von ibnen nur verlangt werden kann unter ihrer Zustim- mung und'auf Grund einer besonderen angemessenen Vergütung. Wer diese Bestimmungen übertritt, soll einer Strafe bis zu 2000 # oder bis zu 6 Monaten Gefängniß verfallen. Nun frage ih: ist es mög- lich, der rihterlihzn Kognition die Frage zu unterbreiten, ob eine Ueberarkeit vorgelegen hat und die Vergütung für diese Ueberarbeit eine angemessene war, und kann man denjenigen, der angebli un- berechtigt eine Ucberarbeit gefordert oder nicht angemessea honoriert hat, wirkli mit 2000 ( Strafe oder mit 6 Monaten Gefängniß bedrohen ?

Interessant in dem Antrage is mir auch noch die Bestimmung, daß die Aufsichtsbehörde sogar dafür sorgen soll, daß die Hausgewerbe- treibenden angemessen untergebraht und gesund genährt werden. (Heiterkeit rets.) Meine Herren, gestern hat sih hier gegen eine Vorlage der Regierung von den verschiedensten Seiten ein Sturm der Entcüstung erhoben bis in die Linke hinein, weil wir verlangen, die Hausshlachtungen follen unter polizeilicher Kontrole stehen, und weil wir verhindern wollen, daß ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern ungesundes fkrankes Fleisch vorsezt. Jh hatte ein Erkenntniß vor mir liegen ich hatte im übrigen Gründe, gestern hierüber das Wort nit weiter zu ergreifen ih hatte ein Erkenntniß vor mir liegen, wo nachgewiesen ist, daß, weil man frankes Fleis anderen Leuten gegeben hat, vierzig Personen shwer erkrankt sind. U-ber unscre Forderung der Hygiene erhob fich also im Hause ein Sturm der Entrüstung, und heute sehen wir aus der Mitte desselben Hauses einen Antrag hervorgehen, der der Staats- behörde die Verpflichtung auferlegen will, dafür zu sorgen, daß alle Leute in der Hausindustrie nicht nur gut wohnen, sondern au ançemefsen und gesund verpflegt werden, Welche Staatêregierung das auéführen soll, weiß ih nit. Wenn wir das wirkli ausführen könnten na Art der Politik Heinrih's IV. von Frankrei, nach der jeder Bauer Sonntags sein Huhn im Topfe haben sollte und in der Wothe vielleiht noch sein Beefsteak, so wäre das ein wahrhaft idealer Staat, ih würde mih mit diesem sozialistishen Zukunftsstaat auch befreunden können. (Heiterkeit.) Aber, meine Herren, geseßlih kann man solche Vorschläge nicht ernst nehmen.

Eine Anzahl anderer Bestimmungen sind mir zu heiß, um sie hier bei immerhin, wenn auch mäßig besegten Tribünen zu verhandeln. Es werden aber in der Anlage geseßlihe Forderungen an Voraus8- seßungen geknüpft, die selbst den zunähst Betheiligten und Schuldigen häufig vollkommen unklar sind.

Ich kann also die Vorschläge Les Herrn Abg. Freiherrn von Heyl nur betraten als eine wohlwollende Aufforderung der Regierung, diese Fragen zu vertiefen und zu sehen, was sich wohl davon in geseßgeberishe Form kleiden läßt. Tas hohe Haus möchte ih aber dringend bitten, nicht den Versuch zu machen, diese Vor- \{läge, die so vielen Zweifeln rechtlier und sahlicher Natur unter- liegen, etwa noch in diese Gewerbenovelle hineinzuarbeiten. Ich habe den dringenden Wunsch, daß diese Novelle im Interesse der Kategorien, für welche sie eine große Wohlthat darstellt, ncch in der laufenden Tagung zur Verabschiedung gelangt, und ih möchte deshalb die Herren dringend bitten, Selbstbeschränkung zu üben und nicht alles in das Gesetz hineinzuarbeiten, was Ihnen vielleicht im Interesse der besseren Regelung der Gewerbeverhältnisse wünschenswerth und sogar nothwendig erscheint. Auch kier zeigt sih in der Beschränkung der Meister. (Beifall rechts.)

Abg. Freiherr von Stumm (Ry.)- weist darauf bin, daß die verbündeten Regierungen ihren Vorschlag, betreffend die Konfektions- Heimarbeiter, entsprehend der Kritik des Reichstages umgeändert haben. Der Abg. Freiherr von Heyl habe aber in seinen Antrag alle die Bestimmungen, die im Reichstage früher bemängelt worden seien, aufgenommen. Der Begriff der Werkstätten sei erheblih aus- gedehnt, denn es falle jede Näherin, die in ihrer Schlafstube eine Nähmaschine auffstelle, unter das vom Freiherrn von Hey! vorgeschlagene Gesey. ‘Man dürfe den Begriff der Hausindustrie niht zu weit aus- dehnen; Hausindustrieller sei derjenige, der niht für die Kundschaft, sondern für einen Unternehmer arbeite, aber beides gehe oft in einander über. Und selbst in der Fabrikindustrie lomme eine Art Hausindustrie vor, indem ein Unternehmer vom anderen die Materialien bekomme und sie für diesen verarbeite. Sollten alle diese Unternehmungen ciner Beschränkung unterworfen werden? Solle dite Arbeiterin in ihrem Dachstübhen von den männlihen Fabrikaufsihtsbeamten kontroliert werden? Auch bezüglich der Arbeitszeit in Gast- und Schankwirthschaften seien die Vorschläge des Freiherrn von Heyl

undurchführbar. Es würde si empfehlen, die Auträge zurückzuziehen, dann könnte man die Re “An atiros einf:ch_ im Plenum erledigen, und es würde damit den S&äden, die Alle empfänden, möglihft {nell abgebolfen werden.

Abg. Pfannk uh (Soz.): Die Regierungsvorlage reiche nit aus, um die vorhandenen Mißstände zu beseitigen. Die Gewerbe- aufsiht müsse auf die Heimarbeiter und auf das ndwerk ausgedehnt werden, wie die Sozialdemokraten es {hon vor 18 Jahren vorge- {lagen hätten und wie es au von den anderen Parteien immer mebr als nothwendig anerkannt werde. Redner weist auf die ausländische Geseßgebung hin, die namentlich die Ueberarbeit zu beseitigen bestrebt set, welche in der Konfektioasindustrie eine fehr be- denklide Autdehnung erreiht habe. Besonders bedenkliche Mißstände berrschten auch in dem Geschäftsbetriebe der Stellenvermittler und Gesindevermiether; aber man könnte diefen Uebelständen auf andere Weise als durch die Ausdehnung der Konzessionspflicht abhelfen, indem man die Arbeitsuhenden von jeder Gebühr befreite. Wäre der Be- trieb der Gesindevermietker mit so vielen Mißständen behaftet, dann wären daran nur die Behörden felbst s{uld; denn die @ewerbe- ordnung gestatte jezt {hon bei unsolidem Geschäftsbetriebe die Gnt- ziehung der Konzession. Die Vorschriften über die Arbeits- bezw. Ruhezeit der Handeltangestellten seien völlig unzureichend. Die Mittazépause müsse mindestens auf 15 Stunden ausgedehnt werden, vielleiht sogar auf 2, und die Minimalruhezeit müsse von 10 auf 12 Stunden erhökt werden. Eine ähnlih lange Ruhezeit müsse auch in den Betrieben der Gast. und Schankwirthschaft gewährt wercen, denn die Arbeit der Angestellten in diesen Betrieben sei noh viel aufreibendec als die im Handelsbetriebe. Es müßte dafür gesorgt werden, daß die Arbeiter selbst an der Aufsicht üb-er die Fabriken 2c betbeiligt würden, Seine Partei werde immer dahin streben, diejes Ziel zu erreichen.

Abg. Jacobskötter (d. kons.): Der Vorredner hat anerkannt, daß bezüglich der Stellenvermittlung Mißstände bestehen, aber die Vor- {läge genügten ihm niht. Was \chlägt er vor? Daß die Stellen- suchenden von den Gebühren befreit sein sollen. Aber ov dadurch die Mißstände beseitigt würden? Die oftpreußishen Junker bezahlen [hon längft diefe Vermitilergebübren und bekommen doch keine Arbeiter. Die Beseitigung ter Mißstände im Konfektionszewerbe wünschen au wir, aber die Heimarbeit im Ganzen kann niht verboten werden ; denn die H:imarbeit an si is etwas durhaus Gesundes. Den In- habern der offenen Ladengeschäfte ist aus der angesirengten Be- schäftiguna ihrer Angestellten kaum ein Vorwurf zu machen, denn die Verhältnisse haben sich nun einmal derartig entwickelt ; das Publikum bean!pru§t, zu jeder Tageszeit diz Geschäfte geöffnet zu fiaden undo bedient ¿zu werden. Die Vereinbarungen der Kaufleute unter ih sind an dem Widerstande Einzelner gescheitert. Die Hand- lungsgehilfen find mit der Vorlage niht zufrieden, fie ver- langen einen einheitlihen Ladens{luß von 8 Ühr Abends an bis 6 Uhr Morgens. Aber angesichts der shlccht-n Erfahrungen mit der Bôckereiverordnung möchte ih nicht ganz allgemeine Vor|chriften er- lassen wissen Man sollte auch die ohne Gehilfen arbeitenden Kauf- leute niht unter das Gesetz stellen. Dagegen würde eine anderweitige Regelung der Sonntagésruhe für das Handelsgewerbe herbeizuführen sein. Redner empfiehlt \{ließlich die Ueberweisung der Vorlage an eine Kommission.

Abg Pauli- Potsdam (b. k. F.) schließt sich dea Auéführungen des Vorredners an, wendet sich aber gegen die von den Sozial- demokraten in Aussicht genommene Ausdehnung dec Geroerbeaufsicht auf das Handwerk und die Heimarbeit; damit würde das Handwerk stark geschädigt werden. Redner empfiehlt ebenfalis die Ueberweisung der Vorlage und der Anträge an eine Kommission.

Um 51/, Uhr wird die weitere Berathung auf Donners- tag 1 Uhr vertagt.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 59. Sißung vom 19. April 1899.

Auf der Tagesordnung steht die Berathung des Antrags der Abgg. Reine cke (fr. kons.) und Genossen :

Ie Köntaliche Staatsregierung aufzufordern, spätestens in der nächsten Session eine Neuregelung der Verpflichtung zur Unter- haltung der öffentlichen Volksshulen dahin herbeizuführen, daß g?ewäß Artikel 25 der Verfassung diefe Verpflichtung allgemein den bürgerlichen Gemeinden und Gutsvezirken auferleat wird,

‘in Verbindung mit dem Antrage der Abgg. Arendt-

Labiau (kons.) und Genossen: die Staaisregierung aufzufordern, spätestens in der nächsten Session des Landtages einen Geseßentwarf vorzulegen, welher zur Beseitigung der bestehenden Härten die äußeren Verbältnisse der Volkeschule, insbesondere deren Unteréöaltungslaft, in gerechter Weise regelt, aber zualeih den fonfesstonellen Charakter der Volksschule, fibect die Rechte der Eltern und Gemeinden aufreht erhält und

Idert.

Ueber dey ersten Theil der Debatte ist hon berichtet worden. /

Abg. Baensh-Sckchmidtlein (fr. kons.): 1895 bielt Abg. von Heydebrand noch eine selbständige Regelung der Shulunterhaltungs- vfliht für möglih. Der jezige ungeheuerlihe Zustand muß endli; aus der Welt ge'chafft werden. Durch die Ausführung des Lehrer- besoldungsaeseyes find die Gemeinden so üverlastet worden, daß sie einer Abhilfe dringend bedürfen. Warum sollte man nicht diesen einen Punkt herausgreifen, um die Mißhelligkeiten ¡wischen den Groß- und Kleingrundbesizern zu beseitigen? In Oberschlesien treten diese Miß- stände besonders hervor. Sollte auf dem Lande nicht mögli sein, was in den Städten möglich ist? Die nothwendigen Mittel zur Be- seitigung der Härten namentlih in Schlesien und Pommern wird der Landtag gern bewilligen. Zar Klärung dieser Frage genügt eine Generaldisfussion im Haufe nit, und deshalb beantragen wir, beide Anträge eiaer Kommission von 21 Mitgliedern zu überweisen.

Abg. Dr. Friedberg (nl.): Den erften Theil der Ausführungen des Abg. von Heydebrand kann ih nur unterschreiben. Jch bin eben- falls dafür, daß den Gen:einden ein größeres Maß von Mitwirkung auh in den inneren Angelegenheiten der Schule eingeräumt wird. Diese größere Bewegun,sfreiheit der Gemeinden würde aber be- einträhtigt werden durch einen arten Staatszushuß. Der Staat würde \sich dann eine größere Kontrole vorbehalten. Unsere Befürchtungen, daß das Volksshulwesen Nüdckschritte machen würde, find erfreuliher Weise niht eiagetroffen. Soweit sind wir also mit Herrn von Heydebrand einverstanden. Nun fommt jedo das „Aber“. Wir glauben, daß diese Frage unabhängig von der Kontessionellität geregelt werden fann. Wenn die Schulen auf die Gemeinden übergehen, so wird damit an dem bestehenden Zustande nichts geändert. Der Goßler’she und der Zedlip’she Entwurf gehea in Bezug auf die Zahl der Schüler, welche cine bestimmte konfesstonelle Schule nothwendig macht, auseinander. Wir follen Herz und Nieren des Lehrers prüfen, ob er auf dem Boden seiner Konfession steht. Wir kommen dann dahin, daß nicht der Staat, sondern die Kirche über die Anstellung der Lehrer zu entscheiden hat. Auch wir achten die Rechte der konfessionellen Minderheit, aber wir wollen die Parität nicht gefährdet sehen. Die Frage der Privatshulen will Herr von Heydebrand eben- falls regeln, über das „Wie“ if er sich aber nicht klar. Wie denkt er sih den Konzessionszwang, und würde er damit die Zustimmung der Herren aus der Mitte finden? Der konservative Antrag sieht sehr harmlos aus. Auch wir wolleu den konfessionellen Charakter der Volksschule, aber nach der Begründung des Herrn von Heydebrand müßte ih zur Ablehnung dieses Antrags gelangen. Möglicherweise kommen wir aber in der Kommission zu einer Verständigung auf Grund des freikonservativen Antrags.

Abg. Dr. Porsch (Zentr.): Wollen Sie die Schulunterhaltungs-

pflicht einseitig regeln, so müssen Sie dea Artikel 26 der Dersalluna ändern, der eine einscitige Regelung des Volksshulwesens vorsieht,