1875 / 1 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 02 Jan 1875 18:00:01 GMT) scan diff

olung. Oben im Rahmen befindet sich ein Schild mit er Irschrift: „Ein Hundert Mark“, unten in Dia- mantschrift die Strafandrohung: Wer Banknoten nachmacht oder verfälscht, oder nach- gemachte oder verfälschte fih verschafft und in Verkehr bringt, wird mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft. Die Rückseite zeigt auf guillohirtem Untergrund

1) in der Mitte in einem breiten Rahmen zwei knieende ge-

flügelte Knaben, welche einen Kranz Mae, dessen In- ar

neres eine Rosette mit der Inschrift: S bildet, ar

2) links und rechts die Strafandrohung in dreimaliger Wiederholung,

3) oben den Stempel und die Unterschriften der König- lihen Immediat-Kommission zur Kontrolirung der Bank- noten,

4) unten das Wort .„Ausgefertigt“ und den Namen des ausfertigenden Beamten, sowie zweimal die Nummer mit der Litera (a. b. c. d.)

Bekanntmachung.

Dem Markscheider-Kandidaten Berthold Kißzel ist die Kon- zession zum Betriebe des Markscheidergewerbes von uns ertheilt wor- den. Derselbe wird seinen Wohnsiß in Tarnowiß unehmen.

Breslau, den 23 Dezember 1374.

Königliches Ober-Bergamdt.

Die heute ausgegebene Nr. 1 der Allgemeinen Ver- loosungs - Tabelle des Deutshen Reihs- und König- Iih Preußischen Staats - Anzeigers enthäli die Ziehungsliften folgender Papiere: Anhalt - Dessauische Landrentenbriefe. Badische Eisenvahn-Anlehen de 1842 und 1866. Badische proz. RentensYeine. Barletta Prämien-Anleihe. Belgische Kommunal-Kredit-Loose de 1861. B exliner Aktien-Societäts- Brauerei, Prioritäts - Obligationen. Frankfurt - Hanauer Eisenbahn- Prioritäts-Obligationen de 1858. Görligzer Aktien- Brauer-í, Prioritäts-Obligationen. Jtalieni#che Staatsshulden- Obligationen der Cuneo-Eisenbahn, der Genua-Voltri-Eisenbahn, der Maremmen-Eisenbahn, der Società Canale Cavour. Oesfter- reih-Schlesische Boden-Kredit-Anstalt-Pfandbriefe. Preu- ßische Bodenkredit - Aktien - Bank, Huyvothekenbrief-. Reggio Prämien - Anleihe de 1870. Ruf{i\sche Central - Bodenkredit- Pfandbriefe. Schl esische Kredit-Inftitut-Pfandbriefe Litt. B. à pCt. Schweizer Westbahn-Prioritäts-Obligationen. Stuhl- weissenburg - Raab - Grazer Prämien - Antheilscheine. Stuttgarter Allgemeine Renten-Anstalt, Pfandbriefe. Tüx - Tische M de 1860. Vereinigte südösterreihishe "oM- Ie und centzalitalienishe Eisenbahn - Obligationen und

jen.

Die Allgemeine Verloosungs - Tabelle erscheint wöhentlich einmal und ift zum Abonnementspreis von 1 Mark 50. Pf. (15 Sgr.) vierteljährlih durch alle Postanstalten, so wie durch Carl Heymanns Verlag, Berlin, 8. W., Königgräzer- ftraße 109, und alle Buchhandlungen zu bezichen, für Berlin au bei der Expedition, Wilhelmstraße 32. Preis pro einzelne Nummer 25 Pf. (2/4 Sgr.)

Nichtamtliches. Deutsches Nei:

Preußen. Berlin, 2. Januar. Se. Majestät der „Kaiser und König empfingen gestern als am Neujahrstage im Beisein Ihrer Majestät der Kaiserin-Königin um 97 Uhr Vormittags die Gratulationen des Königlichen Hofes und um 93/4 die der Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses. Um 174 Uhr begaben Se. Majestät Sih zum Gottes- dienst in den Dom.

Um 12 Uhr fand der Empfang der Generalität statt; der General-Feldmarshall Graf von Wrangel hielt folgende An- \pxrache an Se. Majestät:

„Ew. Kaiserliche Königliche Majestät! Heute am Neujahrstage s wix vereint zum Allmächtigen, Er wolle Ew. Majeftät auch ernerhin in voller Lébensfrische und Thatkraft zum Heil und Segen Lait Deutschland bis in die fernsten, fernsten Zeiten gnädiglih er- zalten.“

Darauf antworteten Se. Majestät der Kaiser und König Folgendes:

„Jch danke Ihnen für die Wünsche, welche Sie und im Namen der Armee für Mich ausgesprochen, und gebe sie aus vollem Herzen den- hier Versammelten besonders demüthig dankbar dafür zurück, daß der Allmächtige Mich im Laufe des verflossenen Jahres wieder so weit gestärkt, Meinem {weren Berufe und auch dem Theile Meiner Pflichten, welche Sie, meine Herren, repräsentiren, mit voller Hingabe genügen zu können.“

Um 124 Uhr nahmen Se. Majestät die Rapporte der Leib- Regimenter entgegen, und um 1 Uhr wurden die hiesigen Fürst- lihkeiten von beiden Majestäten gemeinschaftlih empfangen.

Um 1xUhr hatten die Staats-Minister die Ehre des Empfanges béi Sr. Majestät und um 2 Uhr die Botschafter von Desterreich, Frankreich und der Türkei.

Heute hörten Se. Majestät der Kaiser und König die Vor- träge des Militär- und des Civil-Kabjnets, nahmem die Mel- dung des Generals der Infanterie von Bose entgegen und empfingen die Deputation der Salzwirkerbrüdershaft aus dem Thal zu Halle.

Beide Kaiîiserlihe Majestäten empfingen gestern die Glückwünsche der Hofstaaten und der Königlichen Familie, wohnten dem Gottesdienste im Dom bei und nahmen später die Glücwünsche der hier anwesenden Fürstlichkeiten entgegen. Das Familiendiner fand im Königlichen Palais bei ‘den Kaiserlihen Majestäten statt. Den Kammerherrndienst bei Ihrer Majestät der Kaiserin-Königin haben übernommen die Königlichen Kammerherren Graf Perponcher und Freiherr von Tettau.

Se. gKaiserlihe und Königliche Sogheit der Kronprinz empfing am vergangenen Donnerstag Vormittags den General-Lieutenant Prinz Kraft zu Hohenlohe-Ingelfingen, Com- mandeur der 12. Division. Abends 6 UZr besuchte Höchstderselbe mit Ihren Königlichen Hoheiten den Prinzen Wilhelm und Hein- a sowie der Prinzessin Charlotte und den Prinzen Ernst [und

edrih von Meiningen die liturgische Abendandacht im Dom.

Zum Thee begaben Sich die Kroönprinzlichhen Herrshaften Abends 9 Uhr zu Ihren Majestäten.

»

Geftern früh um 91/5 Uhr begaben Sih Ihre Kaiser- lihen und Königlichen Hoheiten der Kronprinz und die Kronprinzessin mit Höchstihren sämmtlichen Kin- dern und den Beiden jungen Prinzen von Sachsen-Meiningen zur Neujahrsgratulation in das Palais Sr. Majestät. Später wohnten Höchstdieselben dem Gottesd1enste im Dom fbei. Se. Kaiserliche Hoheit der Kronpririz war um 12 Uhr Mittags bei der Gratu- lation der Generale wieder im Kaiferlihen Palais anwesend, empfing darauf den General-Lieutenant und General-Adjutanten von Oberniz, Commandeur der 14. Division, und fuhr von 2 Uhr ab bei den am hiesigen Hofe akfkreditirten Botschaftern, dem Reichskanzler Fürsten von Bismarck und den Feldmarschällen Graf von Wrangel, Graf von Moltke und Freiherrn von Manteuffel vor.

Um 5 Uhr nahmen Ihre Kaiserlihen Hoheiten der Kron- prinz und die Kronprinzessin mit Sr. Königz. Hoheit dem Prin- zen Wilhelm am Fauiliendiner bei Jhren Majestäten Theil uud besuchten Abends mit den älteren Kindern und den Beiden Prin- zen von Meiningen die Vorstellung im Opernhause.

Der Bundesrath hat in seiner Sizung am 21. v. M. U. I. das von den Ausschüssen l. und V. vorgelegte Balhn- polizei-Reglement für die Eisenbahnen Deutschlands fowie die Signalordnung für die Eisenbahnen Deutschlands mit einigen Abänderungen genehmigt.

Der Ausschuß des Bundesraths fär Handel und Verkehr trat heute zu einer Sißung zusammen.

In dem abgelaufenen Geschäftsjahre 1874, namentli in den ersten und leßten Monaten, ist, verglichen mit dem Vorjahre, die Zahl der bei dem Bundesamt für das Heimathwesen eingegangenen Spruchsachen zurückgegangen. Die Abnahme trifft die zwischen Armenverbänden desselben Bundesftaates anhängigen (territorialen) Streitsachen, welche sh von 428 auf 338 vermin- dert haben, während die Zahl der interterritorialen Sachen von 99 auf 66 gestiegen ist. Im Ganzen sind in dem verflossenen Geschäftsjahr 404 Spruhsachen gegen 481 im Vorjahr einge- gangen. Von den im Jahre 1871 eingegangenen 404 und den aus dem Vorjahre übernommenen 36, zusammen 440 Spruh- sachen, find erledigt: dur Zurücknahme der Berufung 11, durch Abgabe an die zuständige Landec-Spruchbehörde . 1, durch Er- kenntniß oder Beweisresolut int 33 Sizungen 408. Unerledigt am JIahres\{lusse waren 20. Die zu erledigenden Spruchsachen vertheilen sih auf die einzelnen Bundesstaaten wie folgt:

In den interterritorialen Sachen hatten in erster Instanz ent- schieden : 1) preußische und lauenburgishe Behörden 38, 2) König- lih sähsishe Behörden 3, 3) Großherzoglich hessishe Behörden 2, 4) (Broßherzoglic meelenburg-\{chwerins{che Behörden 3, 5) Groß- herzoglih sahsen-weiniarishe Behörden 3, 6) Herzoglih braun- ‘chweigische Behörden 2, 7) Herzoglih \sachsen-meiningenshe Be- Förden 1, 8) Herzoglih sacchsen- altenburgishe Behörden 2, 9) Herzoglih sachsen-koburg-gothaishe Behörden 3, 10) Herzoglich anhalt-dessauishe Behörden 3, 11) Fürfilih schwarzburg-\onders- hausenshe Behörden 2, 12) Fürftlih \{hwarzburg-rudolstädtische Behörden 1, 13) Fürstlih waldeck- und pyrmontshe Behörden 1, 14) Fürfilih reußische jüngere Linie (Gera) Behörden 3, 15) Fürstlich lippe-detmoldshe Behörden 2.

In den Landessachen hatten in erster Instanz entschieden : I. Preußische und lauenburgishe Behörden: 1) ostpreußishe De- putation 13, 2) westpreußis{2 Deputation 19, 3) brandenbur- gische Deputation 25, 4) pommershe Deputation 19, 5) posensche Deputation 51, 6) \chlesische Deputation 12, 7) {ähsishe Depu- tation 9, 8) „\chlesmwig-holsteinische Depuiation 19, 9) hanno- vershé Deputation 24, 10) rveftfälische Deputation 23, 11) hef- sishe Deputation 11, 12) näfsauishe Deputation 8, 13) rhei- nische Deputation 14, 14) lauenburgishe Deputation 2, 15) Ver- waltungsgeriht Königsberg 15, 16) Danzig 1, 17) Marienwer- der 14, 18) Gumbinnn 9, 19) Potsdam 9, 20) Frankfurt a. O. 8, 21) Stettin 16, 22) Stralsund 5, 23) Cöslin 8, 24) Breslau 13, 25) Liegniß 8, 26) Oppeln 1, 27) Merseburg 1; 11. Groß- herzoglich hessischer Administrations-Justizhof 8; 1l. Großherzog- lih sächsischer Bezirksaus\huß des ersen Verwaltungsbezirks in Weimar 4; 1V.- Fürstlih \{chwarzburgische Deputation für das Heimathwesen zu Rudolstadt 1; V. Senats - Kommission zu Lübe 1.

Ueber die Rechtsfrage, ob nah der Verfassung des Deutschen Reichs ein Mitglied des Reichstages wäh- rend der Sizungsperiode ohne Zustimmung des Hauses zur Verbüßung einer rechtskräftig erkannten Strafe verhaftet werden könne, veröffentliht das Justiz- Ministerialblatt in Veranlassung eines «in neuester Zeit vorge- kfommenen Falles einen Artikel darüber, wie die gleihe Frage in demjenigen Lande, welches am längsten parlamentarishe Ein- richtungen besigt, und über die Freiheiten derselben am eifersüh- tigsten wacht, staatsrechtlich beurtheilt wird. Derselbe lautet in seinem 1. Abschnitt:

In England besteht ein Privilegium der Parlamentsmitglieder, welches die Verhaftung derselben wegen einer rechtsfräftig erkannten Kriminalstrafe von dem Beschlusse des Parlaments abhängig machte, nir.

Sie befißen dort nicht einmal das Privilegium auf Freiheit von Untersuchungshaft. :

Die Zeugnisse für diesen Saß finden sh in denjenigen Schriften, die als Autoritäten über Englisches Staatsreht gelten, ohne alle

- Einschränkung niedergelegt, und es wird für den vorliegenden Zweck

genügen, einige dieser Zeugnisse hier wiederzugeben. Stephen in seinem New-Commentaries sagt darüber: TomII. S. 3709: Das Privilegium der Parlamentsmitglieder gegen Verhaftung be- \chränkt fih auf. Civilfälle, d. h. auf die Schuldhaft, und er läßt dann zur Erhärtung des aufgestellten Sahßes das Zeug- niß von Blackstone folgen, der sih dahin ausspricht:

Das Privilegium der Freiheit feiner Mitglieder von Haft ist vom Parlamente gewöhnlich nur mit der Beschränkung des Aus- \{lusses der einer Kriminalklage unterliegenden Fälle indictables erimes in Anspruch genommen worden, oder, wie man es oft ausgedrückt hat, mit Aus\{luß der Fälle von treason, felony und breach of peace; ja es fehlt nicht an Beispielen, daß diese privi- legirten Personen wegen geringfügiger Kriminalvergehen (misde- meanor) mitten in einer Session verurtheilt und. verhaftet wos find, ein Verfahren, welches später die Gutheißung und Billigung des Parlaments gefunden hat.

Es darf hinzuzefügt werden, daß beide Häuser erklärt haben:

im Falle der Abfassung und Veröffentlichung aufrührerischer Pasquille finde dàs Privilegium nicht statt

Die s des Parlametits haben jedoch Auspruch darauf, über die. Berhaftung eines seiner e A tis und die Gründe F-iner Verhaftuug sofortige Anzeige zu erhalten.

So weit Stephen in Verbindung mit Blackstone, wobei zum Verständnisse der gebrauchten Terminologie daran zu erinnern ist, daß nach, englijchem Nechie in die Kategorie der „Indictables crimes“ nit aur {were Verbrechen „treason, felony“, sondern auch leichtere Vergehen misdemeanors gehören, und daß unter ‘den Begriff dex „breach of peacs“ selbst ganz geringfügige Geseßesverlezungen subsumirt werden. |

Ein anderer Schriftsteller, Bowyer, drückt s|ch in seinem Werke: Constitutional Law 1846 S, 84 über die Frage wie folgt aus:

|

yDie- Mitglieder des Obex- und Unterhauses sind von der Haft befreit; ihr Privilegium erstreckt sich aber nicht auf treazon, felony and breach ffÆ. the peace“.

May, zur Zeit vielleicht die erste Autorität über Fragen parla- mentarisher Rechte und Gebräuche, äußert sih in seinem Werke :-

Law and Practice of Parliament 3. Ausgabe, S. 131 ff. über die vorliégende Frage wie folgt:

„Das Privilegium der Haftfreiheit ift immer auf Civil- fälle beschränkt gewesen und man hat es nie ia die Verwaltung der Kriminaljuftiz störend eingreifen laffen.“

_Er führt darauf verschiedene Fälle an, - wo theils die Gerichte, theils die Häuser anerkannten, daß das Privilegium sich nicht auf Kriminalvergehen erstrecke, indem er uit einem Citat aus dem Be- richt des Privilegienaus\{chusses des Unterhauses von 1831 fchließt, worin es wörtlich heißt:

„Seit dem Fall von Wilkes, 1763, hat man es allzgemcin als feststehend betrahtet, daß das Privilegium bei einem Kriminalver- brechen, indictable ofence, nicht in Anspruch genommen wer- den kann.“

Er fährt dana fort:

„Nach diesen allgemeinen Bemerkungen über das Recht des Parlc,.ments wird eîn einziger Fall genügen, um zu zeigen, wie wenig Schuß in Kriminalfällen das Privilegium *praktisch gewährt. Im Jahre 1815 wurde das Unterhausmitglied Lord Cochrane wegen eines Komplots (conspiracy) angeklagt, verurtheilt und vom Ge- richt8hof der King’s-bench in dessen Gefängniß zur Strafhaft ge- bracht. Er entkant, und wurde von dem Gefängnißaufseher, wäh- rend er auf der Bank der Geheimräthe I Councillors) rechis vom Sprechersite saß, vor der Ablesung des Gebets, während noch kein anderes Mitglied gegenwärtig war, verhaftet. Der Fall wurde dem Privilegienaus\{chuß überwiesen, und dieser berichtete: - „er sei zwar von neuer Art, enthalte aber keine Verleßung der Privilegien des Parlaments, so daß eine Dazwischenkunft des Hauses durch

irgend ein gegen den Gefängnißaufseher anzustellendes Verfahren étfotkerli® wäre." Also, fügt May hinzu, erkennt das Haus nicht einmal an, daß das Heiligthum tka: eigenen Mauern ein Mitglied gegen den Lauf der Kriminaljustiz \{üÜße. In allen

Fällen der Verhaftung von Mitgliedern wegen krimineller Anklagen

gebührt jedoch dem Hause Anzeige des Grundes, aus welchem fie

ihrer parlamentarischen Thätigkeit entzogen werden.“

cfr. die Neberseßung des angezogenen May’s{hen Werkes von

Oppenheim. Leipzig 1860. S. 130.

Cox. Institutions of the English Government fpriht fi in dem Buche 2 über die richterliwe Gewalt wie folgt aus:

„Es giebt kein einziges Beispiel, daß cin Mitglied der Häuser des Parlaments das Privileg (auf Freiheit von Haft) in Anspruch gerommen hätte, um sich der Kriminal-Justiz des Landes zu ent- ziehen, sie haben fich vielmehr wegen Vergehen gegen den öffent- lichen Frieden immer als verantwortlich vor dem Gesetz betrachtet. Sie waren damit zufrieden, gegen Gewaltthat dec Krone oder ihrer Minister ges{üßt zu sein, unterwarfen fih aber bereitwillig der Gerichtsbarkeit der King's-bench, des geseßlichen Kriminalgerichts- hofes, wohl wissead, daß ein Privileg, welches behufs der Aus- übung einer öffentlichen Amtspflicht im Interesse des Gemeinwesens zugestanden ist, niht zur Gefährdung des Gemeinwesens gebraucht werden darf,“ 4

cfr. die deutsche Ueberseßung des Werkes von Kühne. Berlin 1867. ‘G, 379.

Am 1. Januar d. I. ist in Folge des Geseßes vom 25. Mai 1873 die Mahlfieuer ganz und die Shlachtsteuer wenig- stens als Staatsfteuer beseitigt worden. Ihre Einführung dur das Gese vom 30. Vai 1820 bildete den Abschluß der großen, dur das Edikt vom 27. Oktober 1810 angebahnten Abgaben- reform, die theils zur Vereinfahung des komplizirten Steuer- \systems, theils in Folge der Einführung der Gewerbefreiheit nothwendig geworden war. Die lästigen Accisen (Eingangs- Accise oder Umschüttegeld vom Getreide, Mahlaccise, Scharren- und Hausbacken-Accise, Weizenmehl- oder Fabrikensteuer, Vieh- Accise, Fixaccise, Nahrungssteuer, Nahschußaccise, Ergänzungs-, Uebertragungs-, Großhandlungs-, Loosungs-Accise, Impost von Wein und Kaffee, Bankto-Inipost 2c.) wurden {hon durch das Edikt vom 28. Oktober 1810 vereinfaht. Das Edikt vom 7. Septémber 1811 hob die Mahlaccise für die kleinern Städte und das platte Land ganz auf und führte an deren Stelle eine Personensteuer ein. Im Gesez vom 8. Februar 1819 wurde von allen alten indirekten Steucrn nur die Abgabe vom Brenn- material und die Accise von Fleisch und Gemahl beibehalten. Das Geseß vom 30. Mai 1820, welches den Schlußstein zu der im Jahre 1810 begonnenen Steuerreform bildet, übernahm die Mahl- und Schlahtsteuer unter die indirekten Steuern neben den Zöllen und Eingangsfsteuern, der Abgabe von Salz, der Stempel-, Gewerbe- und Grundsteuer, der Steuer von inländi- \{chem Branntwein, Braumalz, Weinmost und Tabak, für die nicht klassensteuerpflihtigen Städte.

Schon seit Jahrzehnten hat die Beseitigung der Mahl- und Scchlachtsteuer, des leßten Ueberrestes der alten Accise, zur Dis- Tussion gestanden. Durch eine provisorisde Allerhöchste Verord- nung vom 2. April 1848 wurde den Städten das Recht ver- liehen, die Mahlsteuer durch eine direkte Steuer zu erseßen. Das Geseß vom 1. Mai 1851 führte die Mahlsteuer jedoch in 83 Städte definitiv wieder ein. In der Landtagssfession 1871/72 hatte die Staatsregierung die Abschaffung der Mahl- und Schlahht- steuer beantragt, erhielt jedoch nicht die Zustimmung des Land- tags zu dem vorgelegten Gesezentwurf. Erft in der Sesfion 1872/73 kam das Geseß, von den Abgeordneten Elsner von Gronow und Ricert beantragt, zu Stande.

Der Ausfall, welchen die Staatskasse durch die Aufhebung der Steuern erleidet, wird dadurch erseßt, daß die Klassensteuer nunmehr auch in die bis dahin mahl- und shlachtsteuerpflihtigen Städte eingesührt ist. Mit Rücksicht hierauf is der im §8. 6 des Gesehes wegen Abänderung des Klassensteuergesezes vom 1. Mai 1851 auf 11 Millionen Thaler festgeseßte Iahresbetrag der Solleinnahme der Klassensteuer durch das Geseß vom 25. Mai 1873 ‘auf 14 Millionen Thaler erhöht worden. Die Bruttoeinnahme is im Etat 1874 veranschlagt bei der Mahl=z steuer auf 1,773,000 Thlr, bei der Schlachtsteuer auf 2,800,000 Thlr.

Den Stadtgemeinden war durch die provisorische Ver- ordnung vom 2. April 1848, falls fie die Mahlsteuer beibe- halten wollten, ein Drittheil des Rohertrags, behufs Verbesserung der Lage der arbeitenden Klassen durch ‘Ausführung öffentlicher Arbeiten oder guf andere den örllihen Verhältnissen entsprehende Art, überwiesen worden. Das Geseß vom 1. Mai 1851 hat es bei dieser Ueberweisung belassen. Außerdem wird in den Städten ein Theil der Gemeindequsgaben, in dex Rheinprovinz auch ein Theil der Justizverwaltungskosten (durchschnittlih; jährlih 5438 Thlr.) durch Zuichläge zur Mahl- und Schlachtsteuer auf-

echraht. Das Geseß vom 25. Mai 1873 hat den Städten ge- tattet, die Schlachtsteuer als Gemeindesteuer beizubehalten. Von dieser Befugniß haben aber nur 5 Städte Gebrauch gemacht : Aachen mit Burtscheid, Breslau, Coblenz mit Ghrenbreitstein Posen und Potsdam. Die übrigen Städte haben ihren Haushalt in ande-

rer Weise ausgeglichen. In Berlin ergab der Kommunalzuschhlag zur;

Mahl- und Shlachtsteuer im Jahre 1872 883,646 Thlr. und das Mahlsteuerdrittel 275,212 Thlr. Der Ausfall wird hier durch

- eine Erhöhung der städtishen Einkommensteuerquote gedeckt, dié

für das Jahr 1875 bekanntlich auf 80 Prozent festgesetzt ift, çegen 663 Prozent in 1874. zent festgeseh

Am 1. d, Mts. wurde der Eydtkuhner-Berliner Tages-Courierzug Nachmittags gegen 2 Ubr bei der Gin- fahrt in den Bahnhof Coniß durch falsche Weichenstellung in ein Nebengeleise gelenkt, auf welchem leere Wagen aufgestellt waren. Der nur ‘noch in ganz langsamer Fahrt be- griffene Zug fonnte wegen Glätte der Schienen nicht fofort zum Stillstand gebraht werden und {stieß in Folge dessen mit den leeren Wagen zusammen, jedoch fo geringfügig, daß außer ciner unbedeutenden Beschädigung der Puffer an der Maschine Beschädigungen niht eingetreten sind und der Zug fahrplanmäßig den Bahnhof Conigz verlassen konnte.

Zur Abstattung persönliher Gratulation sind folgende Generale hier eingetroffen: Der General der Kavallerie und tommandirende General 11. Armee-Corps Hann- von Weyhern von Stettin, der General der Infanterie und kommandirende General XI. Armee-Corps von Bose von Cafsel, der General der Infanterie z. D. Ecaf von Monts von Dresden, der General - Lieutenant von Voigts-Rhetß, Commandeur der 20. Divifion, von Hannover, der General-Lieutenant von Hart- mann, Commandeur ver 3 Division, von Stettin, der General- Múáèior von Köthen, Kommandant von Torgau, von Torgau, der General-Major von Massow, Commandeur der 39. In- fanterie-Brigade von Hannover.

Der Generakï-Lieutenant Graf von BrandenburglIl., General-Adjutant Sr. Majestät des Kaisers und Königs und Commandeur der Garde-Kavallerie-Division, is von seiner Ur- laubsreise hierher zurückgekehrt, Der General-Lieutenant von Tresckow 11, Commandeur der 2. Division, welcher mit Urlaub von Danzig eingetroffen war, hat fih dorthin zurückbegeben.

Am 30. Dezember starb in Frankfurt a. M. der Prä- fident des Königlihen Appellationsgerihts, Senator Neftle.

Breslau, 2. Januar. (W. T. B.) Gestern hat von Seiten der hiefigen Kriminalpolizei beim Kuratus Bode, dem Präses des Breslauer Diôzesan - Gesellenvereins, eine Haus- suchung stattgefunden, bei der eine Anzahl Vereins\chriften mit Beschlag belegt wurden. f

Bayern. München, 31. Dezember. Bei Ihrer Majejrät der Königin-Mutter ist am morgigen Neujahrstage große Familientafel, zu welcher alle hier anwesenden Königlichen Prin- zen und Prinzessinnen geladen find.

In der Audienz, welhe der Staats- Minister von Pfrezshner am Montag Abend bei Sr. Majestät dem König Hatie, wurde von demselben, wie der „Corr. v. u. f. D.“ ver- nimmt, auch Über die projektirte Erwerbung der bayerischen Ostbahnen und beziehungsweise über die von der Staatsregie- rung zu machende Kaufsofferte Vortrag erstattet. Die Audienz nahm zwei Stunden in Anspruch.

(Allg. Ztg.) Für Herstellung von Geschossen der Feld- und Festungs-Artillerie wird vom 1. Januar k. J. ab in Ing ol- stadt cine Geschoßfabrik als Filiale des Hauptlaboratóriums errihtet. Das Kriegs - Ministerium Hat bestimmt, daß vom 1. Januar 1875 ab das bisherige Festungs - Artillerie - Depot Neu-Ulm aufzulösen sei, und das vom gleihen Tag in Neu- Ulm unter der Vorstandschaft des bayerishen Kontingentsältesten für den bisherigen Kommandanturbezirk Ulm zu bildende Militär-Untergericht die Benennung „Königlich bayerisches Militär-Untergericht in Neu-Ulm“ zu führen habe.

Sachsen. Dresden, 31. Dezember. Bei dem Staats- Minister, General der Kavallerie v. Fabrice fand gestern Abend eine Soirée statt, welhe auch der König und der Prinz Georg mit ihcer Gegenwart beehrten. Die Soirée, die erste der gegen- wärtigen Wintersaison, hatte cine ebenso glänzende wie zahlreiche Gesellschaft vereinigt, in welher das gesammte diplomatische Corps, die Herren Staats-Minister und obersten Hofcho.rgen, die Generalität, die Spißen der Königlihen Behörden und der hie- figen Kaîserlihen Verkehrsanstalten, Mitglieder des Stodtraths und der Stadtverordneten sih befanden, wie denn auch Kunst und Wissenschaft, die Presse, Indufirie und Handel 2c. zahlreich vertreten waren.

Waden. Karlsruße, 31. Dezember. Der Gro herzog und die Großherzogin sind gestern Abend vom Besuch des Großherzoglih hessishen Hofes in Darranstadt biccher zurück- gekehrt.

Der Erzbisthumsverweser Kübel in Freiburg wurde, weil er sich weigerte, die Neupriester zurüXzurufen, an die Anklagekammer verwiesen.

Hessen. Darmstadt, 30. Dezember. Der Groß- herzog, die Großherzogin und der Erbgroßherzog von Baden, sowie der Prinz und Prinzesfin Ludwig statteten gestern Nachmittag dew Großherzog von Hessen im“ Residenz- \chlosse einen halbstündigen Besuch ab. Zu Ehren des Groß- herzogs von Baden 2c. fand heute eine Familientafel von 12 Gedecken im Fahnensaale des Großherzoglichen Schlosses ftatt.

Sachsen - Altenburg. Altenburg, 31. Dezember. (Leip. Ztg.) Der leßte Tag des Jahres bringt die Veröffent- lichung des Steueraus\chreibens für die neue Finanz- periode 1875—77., Von den direkten Steuern is hiernah gemäß einem Beschlusse des Landtages die Grundsteuer von drei auf zwei und einen halben Termin, die Klassen- und klassifizirte Einkommensteuer von 9 auf 8 Monatsbeträge herabgeseßt worden. Die andern Steuern: Eisenbahnsteuer, Collateralgelderabgabe, Groschenabgabe bei Veräußerung von Immobilien, Fleischsteuer und Spielkarten-Stempelabgabe find unverändert geblieben. In welhem Maße auh mittlere Städte neuerdings die Aus - gaben für Schulzweccke gesteigert haben, davon legt für Altenburg ein jeßt veröffentlihter Bericht über die städtische Kirchen- und Schulkassenrehnung für das Iahr 1873 Zeugniß ab, Während die Kirhgemeinde für Kirhen- und Schulzwecke im Jahre 1861 nur 7388 Thlr. an Gemeindesteuern erhob, wurden im Jahre 1873 für den gleihen Zweck 17,424 Thlr. odér 135, pCt. mehr erhoben. Der Lufwand an Besoldungen bei den Schulen, der im Jahre 1861 fich auf 10,851 Thlr. be- lief, stieg im Jahre 1873 bis auf 16,713 Thlr. oder um 54 pCt. Ueberhaupt wurden für die städtishen Schulen im Jahre 1873

23,202 Thlr. verausgabt, während der Ertrag des erhobenen

Schulgeldes bei 2070 Shulkindern nur 6581 Thlr. betrug. Die Mehrausgabe Seitens der Kirchen- und Schulgemeinde bezifferte fh demna auf 16,621 Thlr. oder auf rund 8 Thlr. für jedes Sculkind. Jn hiesiger Stadt bestehen neben den Bürgershulen Sl Gymnasium und die Realschule als rein staatliche Institute.

_ Hamburg, 28. Dezember. Der Hamburger Staats- Haushalts-Etat für 1875 schließt nah dem jetzt vorgelegten

Entwurfe mit einer Gesammteinnahme von 23,578,225 2.- und einer Gesammtausgabe von 24,913,985 Mark ab, so das sh also ein Defizit von 1,335,760 Mark ergeben würde, Nah den Erfahrungen der lezten Jahre ist indeß eine Unterbilanz nicht zu erwarten. Nach - einem allgemeinen Uebershlag würde sogar das leßte Rechnungsjahr mit 2—Z3 Millionen Courant- Mark Plus abschließen. Unter den Einnahmen figuriren 6,120,430 Rmk. Staatsvermögen - Einkommen, Domänen 2c.,

15,004,900 Rmfk. Steuern und Abgaben, 2,272,500 Rmk. Ge- bühren 2c. Was die Reichs - Matrikularbeiträge Hamburgs be- trifft, so stellen fich dieselben pro 1875 auf 3,233,471 Mark.

Defterreich - Ungarn. Wien, 31. Dezember. Der Kaiser und die Kaiserin und die Erzherzogin Valerie sind gestern von Gödölls nach Budapest gekommen und werden circa drei Wochen in der Ofner Hofburg verweilen.

Gestern fand die feierlize Beeidigung des Wiener Bürgermeisters Dr. Fel der ftatt.

(W. T. B.) Der in deutschen Zeitungen" verbreitei. i: Mittheilung, daß in Insbruck ein carlistishes Werbebureau be- stehe, wird in hiesigen maßgebenden Kreisen bestimmt wider- \sprohen. Es wird hinzugefügt, daß ein solhes Bureau \{chon Seitens der Behörden nicht geduldet werden würde.

Vest, 30. Dezember. In beiden Häusern des Reichs - tages wurde eine Anzahl Gesezentwürfe promulgirt ; ‘das In- compatibilitätsgeseß war niht unter denselben.

Das Amtsblatt veröfseatliht eine justizministerielle Ver- ordnung, durch welche die Sahl, die Amtssize uud Sprengel der Advokatenkammern festgestellt werden. Es werden 27 Advokatenkammern errichtet.

„Temesi Lapofk“ zufolge wurde auf Remonfstrxtion des Szörenyer Komitates wegen der jüngsten Grenzverleßzungen bei Mehadia militärisher Schuß Seitens der ungarischen Regie- us zugesagt und wurden entsprechende Vorkehrungen ge- roffen.

Agram, 31. Dezember. In der gestrigen Sizung der General- debatte über das Landesbudget nahm Niemand das Wort, In der Spezialdebatte wurde der Antrag Makanec auf Streichung des Dispositionsfonds unter lebhaften Vertrauenskur.dgebungen für den Banus verworfen und der Dispositionsfonds mit 10,000 Fl. bewilligt. Bei der Post „Erhaltung der Hengsten-

. depots“ wurden auf Vrbancics Antrag der Regierung 50,000 Fl.

als außerordentlicher Kredit ins Extraordinarium eingestellt. Das erfte Kapitel „Inneres“ wurde vollständig erledigt.

In der heutigen Landtagsfizung interpellirte Makanec den Banus betreffs des zwischen dem Grenzärar und dem Grenz- wälderkonsortium abgeschlossenen Vergleihes, ob durch den leßteren das Landesinteresse gewahrt fei. Banus Mazuranié antwortete, daß er weder berehtigt, noch verpflichtet gewesen sei, auf das Grenzwäldergeshäft Einfluß zu nehmen, mit welcher Antwort sich Makanec nicht befriedigt erklärt, während dieselbe vom Hause zur Kenntniß genommen wurde.

Hierauf wurde die Spezialdebatte über das Landesbudget fortgeseßt und nebsi dem Budget der Landesfonds beendet.

Niederlande. Haag, 831. Dezember. (W. T. B.) Nah einer Depesche aus Athin vom 25. Dezember stand ein neuer Zusantmenstoß mit den sih rüstenden Eingeborenen bevor. Ge- gen “nde des Monats sollte sich ein Geschwader an die Wesiküste begeben, um gegen die dortigen. feindligen Stämme zu operiren.

Großbritannien and Jrland. London, 1. Ja- nuar. (WV. T. B.) Der. Kanzléx der - Schaßkanimer, Sir S. H. Northcote, hatte der „Times“ zufolge den Ausfall an den Steuern im Jahre 1874 auf 3,360,657 Pfd. Sterl. geschäßt. Nach dem vorliegenden Abschlusse beträgt die Mindereinnahme für die ersten 9 Monate des verflossenen Jahres jedoch nur 829,867 Pfd. Sterl., \o daß zu erwarten ist, daß fih der gesammte Ausfall für das Finanzjahr 1874 auf nur 14 Millionen Pfd. Sterl. stellt.

Wie verlautet, ist Disraeli soweit wieder hergestellt, um sich vorausfihtlich bald wieder nach London begeben und dem nächsten Ministerrathe, welher am 12. Januar ftatt- finden soll, beiwohnen zu können.

Frankreich. Paris, 81. Dezember. Das „Journal officiel“ veröffentliht die Ernennung des Contre - Admirals Rivourt zum Kommandanten des südatlantishen Geschwaders.

31, Dezember. Der Deputirte Ledru Rollin ift heute früh ganz unerwartet in Folge eines Herzleidens mit Tode ab- gegangen.

1. Januar. (W. T. B.) Gestern fand in Paris und heute in Versailles bei dem Marschall-Präsidenten der Empfang zur Neujahrsgratulation statt. Eine offizielle Ansprache ist hierbei nit gehalten worden.

Spanien, Ueber die Bewegung zu Gunsten des Prinzen Don Alfonso von Asturien liegen folgende Telegramme des ,W. D. B.“ vor:

Paris, Donnerstag, 31. Dezember, Vormittags 10 Uhr. Die „Agence Havas“ meldet, nah einer heute früh in Madrid aufgegebenen, eben cingelangten Depesche, sei Prinz Alfons von Asturien zum König von Spanien ausgerufen und als solcher von sämmtlihen Truppenabtheilungen der Nordarmee und der Armee des Centrums bereits anerkannt worden.

Madrid, Donnerstag, 31. Dezember, Abends. Die Armee und die Marine haben sich der Proklamirung Don Alfonso's zum König von Spanien überall angeshlo}en, Marschall Ser- rano hat keinen Widerspruch dagegen. erhoben und fih zurück- gezogen, nachdem er den Doverbefehl über die Nordarmee in die Hände des General Laserna gelegt hatte.

Barcelona, Donnerstag, 31. Dezember, Abends. Die Armee von Catalonien hat \sich für Don Alfonso als König ausgesprochen. In der Stadt herrsht vollständige Ruhe.

Santander, Donnerstag, 31. Dezember. Prinz Alfons von Asturien is} hier von den Truppen als König proklamirt. Die Stadt ist ruhig. Der Civilgouverneur hat seine Entlassung gegeben. Die Marine is günstig für Prinz Alfons gestimmt.

Madrid, Donnerstag, 31. Dezember, Abends. Den Vorsiß in der neuen Regierung hat Canovas Castillo übernommen, das Ministerium besteht im Uebrigen aus: Castro, Minister des Auswärtigen; Cardenas, Justiz-Munister; Iovellar, Kriegs-Mini- ster; Salaverria, Finanz-Minister; Molius, Marine-Minister; Romero Robledo, Minister des Junern ; Orovio, Handels-Mini- fter; Ayala, Minister der Kolonien. Der Oberstkommandirende der Nordarmee hat sih entschieden für die Proklamirung des Prinzen Alfons zum König von Spanien ausgesprohen.

Paris, Freitag, 1. Januar, früh. Den aus Spanien eingegangenen Nachrichten zufolge ift General Martinez Campos, der sih zuerst für Prinz Alfons erhoben hatte, an der Spitze der Truppen, die zu seiner Bekämpfung abgesendet worden waren, in Valencia eingezogen. Marschall Serrano hat auf

die erste Nahricÿt von der alfonsistishen Bewegung die Nord- armee verlassen un% sich nach Madrid zurcückbegeben.

__ Paris, Freitag, 1. Januar, früh. Die frühere Königin Isabella hat das Telegramm Castillos ‘und Primo de Riveiras mit der Crklärung beantwortet, daß fih der neue König sofort nach Spanien begeben würde. Prinz Alfons hat telegraphisch um den Segen des Papstes gebeten und dabei die Versicherung abgegeben, daß er, gleich seinen Ahnen, ein treuer Vertheidiger der Rechte des heiligen Stuhles sein würde.

Paris, Freiiag, 1. Ianuar, Abends. Prinz Alfons von Asturien wird fih morgen nah Spanien begeben. Die frühere Königin Isabella bleibt in Paris.

2. Januar. Der Marine-Minister hat dem in Kartha- gena stationirten Flottengeshwader Befehl ertheilt, fich rah Marseille zu begeben, um dort den König Alfons an Bord zu nehmen. Leßterer wird in Valencia ans Land gehen, wo ihn mehrere Mitglieder des Ministeriums empfangen werden, und darauf sih zu der Armee im Norden und zur Centrums-Armee begeben, um die Huldigung der Truppen entgegenzunehmen.

San Sebastian, 1. Januar. General Loma ist durch eine amtlihe Mittheilung dcs Generals Primo Rivera davon in Kenntniß gesezt worden, daß von der Centrums- armee Prinz Alfons zum Könige proklamirt worden \ei und daß \sich die Stadt Madrid, die Nordarmee und fast alle Pro- vinzen dem Pronunciamento angeshlossen hätten. In einer von dem General darauf zusammenberufenen Konferenz der höheren Führer und aller Bataillonshefs wurde beschlossen, daß die unter dem Kommando Loma's stehende Arnteeabtheilung trotz ihrer Sympathien für die Restauration zunächst eine abroartende Haltung beobahten wolle, welche dur ihre Stellung dem Feinde gegenüber geboten erscheine; den Truppen solle ers nach dem Eingang weiterer Weisungen des Kriegs-Ministers von dem Regierungswech\el Mittheilung gemacht werden.

Wie die „Agence Havas* mittheilt, hat die Königin SJsabella folgendes Telegramm erhalten: Madrid, 30. Dezember, Mitternacht. Die Centrums-Armee und die Nord-Armee, sowie die Garnisontruppen von Madrid und der Provinzialstädte haben Don Alfons von Asturien zum König proklamirt. Die Stadt Madrid und alle übrigen Städte Spaniens haben diese Proklamation mit Enthusiasmus aufgenommen. General Primo Rivera is Generalkapitän von Madrid, Canovas Ca-= stillo fteht an der Spige der alfonsistishen Partei. Wir bitten die Königin, diese Nachricht ihrem Sohne mitzutheilen, da uns dessen gegenwärtiger Aufenthalt unbekannt is. Wir sprechen der Königin und dem Könige von ganzem Herzen unseren Glückwunsch zu diesem großen Triumphe aus, der ohne Kampf und ohne Blutvergießen errungen is. Das Telegramm trägt die Unterschriften von Primo Rivera und Canov«s Castillo.

_— 1. Januar. Der Marschall Serrano hat dem neuen Ministerium in seinem und im Namen der Nordarmee ein Be= glückwünschungstelegramm zugehen lassen.

Italien. Rom, 31. Dezember, (W. T. B.) Das ge- sammte diplomatishe Corps brahie dem Könige heute seine Glückwünsche zum Jahreswehsel dar. Der deutsche Botschafter, von Keudell, überreichte dem Könige das leßterem von dem Deutschen Kaiser als Weihnahtsgeshenk übersandte Porträt des Kaisers mit einem eigenhändigen Kaiserlihen Hand- shreiben

1. Jánuar, (W. T. B) DeputirtenkämnmeL hat dem Könige gleihfalls ihre Neujahrswünsche dargebracht. Der König hat auf die bezüglihe Ansprache erwidert, Italien erfreué si der Liebe und Achtung der auswärtigen Mächte, und der europäishe Frieden sei von keinerlei Gefahr bedroht; die innere Lage des Königreichs Italien \ei nicht ganz so günstig, doch rechne der König darauf, daß die Deputirtenkammer dazu mitwirken werde, die Schwierigkeiten zu. beseitigen.

(W. T. B.) Die zwishen Deutschland und Italien unterm 3. v. M. abgeschlossene Konvention, betreffend die bei den Erfordernisscn zu Eheschließungen zwischen den beider- seitigen Staatsangehörigen künftig eintretenden Erl-ichterungeu, ist mittelst Königlichen Dekrets in Vollzug geseßt worden.

Florenz, 1. Januar. (W. T. B.) Das Urtheil der An- flageseltion von Bologna, welches aus\priht, daß gegen die in Villa Ruffi Verhaftcten kein Prozeß einzuleiten fei, if von der „Gazzetta d'Italia“ veröffentliht worden. Das Iournal fügt hinzu, durch das Aktenstück stelle sh heraus, daß die Ver- haftungen auf Grund zahlreiher und dringender, zur Verhaf= tung berehtigender Verdachtsgründe erfolgten.

Numänien, Bukareft,-1. Januar. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer hat nunmehr das rektifizirte Budget pro 1875 genehmigt. Das zu deckende Defizit beträgt hiernah noch 34 Millionen Fres.

Dic Nun. 96, 97, 98, 99 und 100 des „Amts-Blatts der Deutschen Neichs-Post-Verwaltung“ haben folgenden Jn- halt: Nr. 96. General-Verfügunzen: Vom 30. Dezembir 1874: Außercourssctung verschiedener Landes-Silber- und Kupfermünzen ; Be- zeihnung der bisherigen Ober-Postkafse in Berlin als General- Poftkasse. Nr. 97. Genecral-Verfügungen: Vom 30. Dezember 1874: Berichtigung einer Zeitungsnotiz, betreffend die Beschäftigung weib- licher Personen im Postdienste; Unterbrehung der Seepost-Verbindung mit Dänemark; Ausfüllung des den Borshuß-Postanweifungen an- gefügten Abschnitts: „vir 29. Dezember: Eröffnung der Eifenbahn- strece Wesel-Venlo. Nr. 98. General-Verfügungen: Vom 30. Des zember 1874: Behandlung der den Einschreibsendungen gleih zu achtenden Gegenstände; Unterbrehung der regelmäßigen Post- bezw. Eisenbahnverbindungen; Eröffnung der Eisenbahn Denzlingen-Wald- kirch in Baden. Nr. 99, General-Verfügung vom 31. Dezember 1874; Gebranhch der in der Postordnung vom 18, Dezember 1874 und in deu Abschnitten XI1. und XI[. der Postdienst-Justruktion an- gewetideten Bezeichnungen. Nr. 100, General-Verfügung vom 31. De-

zember 1874: Coursbnch der Deutschen Reichs-Postverwaltung.

Statistische Nachrichten.

Das amtliche Verzeihni®- des Personals und der Studirenden der hiesigen Frtiedrih - Wilhelms - Uni- versität weist gegen die vergangenen Semester eine Erhöhung der Frequenz nah. Ju dem vergangenen Sommerhgibjahre waren 1609

tudirende imumairikulirt, von welchen 486 @bvgingen, fe daß 1123 verblieben, denen jedoch 701 Liraten, wonach sih die Gesammt- zahl der Immatrikulirten auf 1824 ftellt, Von ihnen gehören 134 der theologischen Fakultät, 624 der juristishen, 276 der medizinischen Und 790 der phiosophishen Fakultät an. Außer diesen immatrikulixten Studenten hören die Vor- lesungen 133 Studirende des riedrih - Wilhelm - Instituts und 21 der medizinish-chirurgischen Akademie für das Militär. Zum Hören der Vorleungen sind außerdem berechtigt 872 Studirende der Bauakademie, 93 Studirende der Bergakademie, 665 der Gewerbe- alademie, 23 Zöglinge des landwirthschaftlichen Lehrinstituts, 6 dex Akademie der Künste, 77 vou dem Rektor ohne Jmmatrikulation zu]