1875 / 10 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 13 Jan 1875 18:00:01 GMT) scan diff

nit ohne erheblihe Schwierigkeiten und nit ohne die größte Hingebung von allen Seiten möglih sein wird.

In Gemäßheit der Allerhöchsten Kabinets - Ordre vom 26. November 1874, betreffend Auflösung der Kommandanturen der eingegangenen Festungen,|{ hat der Kriegs-M inister Fol- gendes bestimmt :

1) Die im §. 36- des Militär-Strafvollstreckungs-Reglements, bezw. in der Anmerkung zu diesem Paragraph gedachte An- nahme-Ordre bezw. Requisition ist hinsichtlich der den Festungs- Gefängnssen zu Minden, Erfurt, Wittenberg und Graudenz zu überwei inden Verurtheilten nunmehr an den Vorstand des betreffendeseFestungs-Gefängn ies zu richten. :

2) Die Requisition wegen Publikation der Erkenntnisse an die in die vorerwähnten Festungs - Gefängnisse vorläufig einge- stellten Verurheilten i von nun an, was das Festungs-Gefängniß zu Erfurt anbetrifft, an das Gericht der Königlichen 8. Divifion, was dagegen die Festungs-Gefängnisse zu Minden, Wittenberg und Graudenz anbelangt, an die dortigen Königlichen Kreis- gerihte von demjenigen Militärgexichte direkt zu richten, zu dessen Kompetenz die Führung der Untersuhung gehört, falls dieses Gerichte die ihm obliegende Publikation niht nah Vorschrift des 8. 176 die Militär-Strafgerichts-Ordnung selbs bewirken kann.

3) An den nah §. 80 und folgende des Militär-Straf- vollstrefungs-Reglements bei den genannten Festungs-Gefäng- nissen bestehenden Aufsichts - Kommissionen hat fernerhin ein Auditeur niht mehr Theil zu nehmen.

Nach einem Spezialerlaß des Finanz-Ministers is} bei Gegenständen, welhe zur Verarbeitung, zur Ver- vollkommnung oder zur Reparatur nah dem Aus- lande gehen und im vervollklommneten Zustande zurückkommen, das Gewicht des Matexialzusaßes, welches die wieder eingehende Waare im Auslande erhalten hat, als das der Verzollung unterliegende Mehrgewicht anzusehen, ohne daß es hierbei einen Unterschied macht, ob das Gesammtgewicht der wieder eingehen- den Waare durh die Verarbeitung im Auslande eine Verände- rung erlitten hat oder nicht.

Rücksichtlih des Tarifsazes, welcher bei der Verzollung des Materialzusaßes in Anwendung zu bringen, is diejenige Be- \chaffenheit maßgebend, in welcher der Materialzusaß mit der im vervollkfommneten Zustande wieder eingehenden Waare in Ver- bindung gebracht worden is. Es würden also z. B. gelochte Eisenplatten, \hmiedeeiserne Winkel, Schraubenbolzen und Zwi- schenstücke, welche zur Herstellung von Herzstücken und Kreuzun- gen aus inländishen Eisenbahnschienen verwendet worden sind, an sich nach Nummer 6 c. 2 des Zolltarifs mit 25 Sgr. für den Centner zur Verzollung zu ziehen sein. Da es jedoch im Allgemeinen nicht zulässig ist, Bestandtheile eines Gegenstandes, welche in Verbindung mit demselben eingehen, einem anderem als dem für den Hauptgegenstand vorgeschriebenen Tarifsaßze zu unterwerfen, und Herzstücke ebenso wie Eisenbahnschienen der Nummer 6 c. 1 des Zolltarifs zugewiesen sind, so sind auh die zur Herstellung derselben verwendeten Eisenplatten 2c. nur mit 10 Sgr. für den Centner zur Verzollung zu ziehen 2c.

Der Finanz-Minister hat in einem Cirkularerlaß darauf aufmerfsam gemacht, daß nah der Geschichte seiner Entstehung der §8. 16 des Wechselstempelgeseßes, dahin auszulegen ist, daß der Acceptant eines gezogenen Wechsels für die Ver- steuerung auch dann zu sorgen, beziehungsweise die Steuer auch dann zu entrihten hat, wenn zur Zeit der Annahme-Er- klärung der Wechsel noh mangelhaft war. Auch dasi König-

lihe Ober-Tribunal in einem Erkenntniß vom 7. Januar d. I. \priht, in Uebereinstimmung mit dieser Auffassung, sich eben- falls dahin aus, daß nah den §8. 7 und 16 des Wesel-

ftempelgeseßes vom 10. Juni 1869 , die Verpflihtung des Acceptanten zur Versteuerung des ihm übersendeten Wechsels vor der Rücksendung desselben, ohne Rücksiht auf die etwaige Mangelhajtigkeit des Wechsels unzweifelhaft begründet“ sei.

Wer seine Ehefrau vom Betteln abzuhalten unterläßt, ist nah einem Erkenntniß des Ober-Tribunals vom 3. Dezember 1874 mit Haft zu bestrafen.

Vorstandsmitglieder einer Korporation (Ver- eins) können nach einem Erkenntniß des Ober-Tribunals vom 8. Dezember 1874 bei ihrem Ausscheiden aus dem Vorstande niht gezwungen werden, vor Ertheilung einer Decharge, die ihrer Fürsorge anvertrauten Rechnungsbücher herauszugeben, aus denen mittelbar oder unmittelbar für die Ausgeschiedenen der Korporation gegenüber Verpflichtungen her- geleitet werden können. „Der Rehnungspflichtige, welher mit der Herausgabe der Rechnungsbücher ein Rechtfertigungsmittel aus der Hand geben würde, kann daher auch niht zur einfachen Herausgabe der Bücher, sondern nur dazu verpflichtet erachtet werden, dieselben auf Verlangen des Rechnungsnehmers an einem dritten Orte in einer seine Interessen sicher stellenden Weise zur Einsicht und Benußung offen zu legen. Unter diese Be- rechtigung aus\cheidender Vorstandsmitglieder einer Korporation fallen, wie das Erkenntniß des Ober-Tribunals \{chließlich be- merkt, nihcht nur die Rechnungsbücher der Periode, für welche sie rechvungspflihtig sind, sondern auch die der früheren Jahrgänge, aus welhen sich der Kassenbestand, mit welchem die aus\cheidenden Vorstandsmitglieder ihre Rech- nungsführung begonnen, entnehmen läßt.

Die mündliche Verbreitung einer beleidigen- den Thatsache, die der Mittheilende von einem Anderen er- fahren, is nach einem Erkenntniß des Ober-Tribunals vom 17. Dezember 1874 auch dann strafbar, wenn der Ver- breiter neben der Absiht, den Inhalt der Behauptungen in weiteren Kreisen bekannt zu machen, den Zweck verfolgt, die Behauptungen zur Kenntniß der Behörde zu brin- gen. Diese Verbreitung ist eine öffentliche, wenn der Ver- breiter seine Worte an einem öffentlihen Ort gesprochen hat, wo fie von einer unbestimmten Menge von Personen vernom- men werden konnten. .

Die Deputation des 2. Schlesishen Grena- dier-Regiments Nr. 11, bestehend aus: dem Obersten und Commandeur des Regiments von Klein, dem Hauptmann Ripke und dem Premier-Lieutenant und Regiments-Adjutanten Baron von Kottwiß, welche sih zur Beisezungsfeierlichkeit des ehemaligen Kurfürsten Friedrih Wilhelm von Hessen, welcher Chef des obengenannten Regiments gewesen, nach Cassel begeben hatte, ist von dort auf der Durchreise nah ihrer Garnison Breslau hier eingetroffen.

Der deutsche Gesandte in Lissabon Graf Branden- burg hat sich vorgestern Abends von hier auf seinen Posten zurückbegeben.

Der Major von Munck vom Königlih {hrocdischen Generalstabe und Adjutant Sr. Majestät des Königs von Schweden is hier einge:roffen.

Am 1. April werden folgende Schiffe der Kaiserlichen Marine in Dienst gestellt werden: Zur Ausbildung der neu einzustellenden Kadetten die Segelfregatte „Niobe“ ; zur Ausbil- dung der Schiffsjungen die Glattdeckskorvette „Medusa“, welche im Herbst nah Westindien gehen wird; ferner die Briggs „Rover“/ und „Musquito* für die Sommermonate; das Dampf- fanonenboot „Cyclop“ zur Stationirung in den chinesischen und japanishen Gewässern, endlih das Kanonendoot „Tiger“, um als Tender des Artillerieshifses „Renown“ in Wilhelms- haven verwendet zu werddn. Am 1. Mai die Kanonenboote „Drache“ und „Delphin“ zu Vermessungszwecken in den hei- mischen Gewässern. Mitte Mai zur Formirung eines Geshwa- ders die Panzerfregatten „König Wilhelm“, „Kronprinz“, „Kaiser“, „Hansa“, und als dessen Aviso der Dampfer „Falke“. Am 1. Oktober die Korvette „Vineta“ zur Ausbildung von Kadetten und Fahrt nach Japan; ferner das Kanonenboot „Comei“ zur Ablösung des Kanonenboots „Meteor“ im Mittel- ländishen Meere.

S. M. Kanonenboot „Nautil us“ ist in Santander eingetroffen und wird von dort aus nach Guetaria und Passages weitergehen.

Die permanente Sanitäts - Kommission für

Berlin, welcher der Polizei-Präfident v. Madai, in Stellver- tretung der Ober-Regierungs.Rath Frhr. v. Herhberg, vorsteht, wird für das laufende Jahr aus folgenden Herren gebildet: Stadtverordneter Dr. Goeschen, Professor Dr. Hertwig, Bürger- deputirter Höône, Geh. Sanitäts-Rath Dr. Koblank, Prof. Dr. Liman, Geh. Medizinal - Rath Dr, Müller, Stadtverordneter Dr. Neumann, Stadtrath Noeldechen, Ober-Stabsarzt Dehwaldt, Geh. Regierungs - Rath Scabell, Stadtverordneter Dr. Schulz, Prof. Dr. Sfkrzeczka, Stadtverordneten - Vorsteher Dr. Straß- mann, Stadtverordneter Dr. Stryck, Prof. Dr. Virhow, Regie- rungs-Rath Willmann und General-Major v. Ziegler. Gegen- wärtig find der Kommission 50 Revier-Sanitätskommissionen unterstellt.

Frankfurt a. M., 13. Januar. (W. D. B.) Die sämmt- lihen hier bestehenden fozialdemokratischen Arbeiter- vereine und Gewerkschaften sind heute Morgen polizeilih auf- gelöst worden.

Cassel, 12, Januar. (W. D. B.) Die hiex eingetroffene Leiche des Kurfürsten wurde heute Nachinittag 4 Uhr vom Bahnhofe aus durch die Bahnhofsstraße nah dem Friedhofe ge- leitet. Dem von aht Isabellen gezogenen Trauerwagen vorauf schritt die Hofdienerschaft, die Kammerherren und der Hof- marschall des Verstorbenen, suwie die Geisilihkeit. Unter den dem Leichenkondukte folgenden Leidtragenden befanden fih die Söhne des Kurfürsten und viele Beamte und Bürger.

VBayerme München, 11. Januar. Die Rüdckehr Sr. Majestät des Königs aus Hohenschwangau is|ff auf nächsten Montag festgestellt. Wegen des Ablebens des ehemaligen Kur- fürsten von Hessen wird der Königlihe Hof von morgen an Hoftrauer auf 14 Tâge anlegen.

Dem Verwäkltungsrath der bayerischen Ostbahnen, der gestern zu einer Sihung versammelt war} find in derselben die Bedingungen zugegangen, unter welchen die Staatsregierung die Ostbahnen erwerben will. Diese Kaufsoffèrte wird nun die Grundlage der Verhandlungen einer beiderseitig hierzu nieder- geseßten Kommission bilden.

Der Senat der Universität Würzburg hat nach Mit- theilung des „Fr. I.“, der Bitte der Altkatholiken daselbst entsprehend, mit Stimmenmehrheit beschlossen, die Neubau- Kirche, welche der Universität gehört, den Altkatholiken zum aus- \chließlihen Gebrauch einzuräumen. Dieser Beschluß liegt zur Zeit dem Kultus-Ministerium zur Genehmigung vor.

IWürttemberg. Stuttgart, 11. Januar. Der Oberst- Stallmeister Graf Taubenheim iff vorgestern nah Carlsruhe in Schlefien abgereist, um als Vertreter Sr. Majestät des Kd- nigs der am Freitag, den 15, d. M. daselbst stattfindenden feier- lihen Beisezung des verewigten Herzogs Eugen Erdmann von Württemberg, Königliche Hoheit, beizuwohnen.

Auf die heute Vormittag durch die noch verhafteten Direktoren Graf und Kühne abgegebene Uebershuldungserklärung wurde die Kommissionsbank deute Mittag notariell ge- \{lo}sen.

Waden. Karlsruhe, 10. Januar. Mit dem vom 7. d. von dem Oberhofgericht gefällten Erkenntniß auf die Nich- tigkeitsbeshwerde der Neu priester Ihringer und Geppert gegen die Verurtheilung zu 150 Mark Geldstrafe durch die Straf- kammer von Constanz und Freiburg is nun durch das oberste Gericht die Einheit des Rechts in der Angelegenheit der reni- tenten Neopresbyter hergestellt. Durch dieses Urtheil wird die Uebertragung eines Kirchenamtes an Geistlihe, welche das Staatsexamen nicht gemacht Haben, sowie jede Ausübung kirhliher Funktionen von solchen Geistlihen strafbar. In der Kassationsinstanz war für die Verurtheilten geltend gemaht worden, daß fie keine ihnen auf geseßlih ver- botene Weise übertragene Funktionen ausgeübt hätten, indem fie \{chon vor Verkündung des Gesetzes die Priesterweihe empfangen gehabt und ihnen folgli*) auch nach Erscheinen des Gesetzes hatten priesterlihe Funktionen übertragen werden dürfen. Das Oberhofgeriht ging jedoch von der entgegengeseßten Ansicht ausz es spra aus, daß auch die Priester der bezeihneten Art, falls sie fortfahren, troß des geschehenen Verbotes (durch die Mi- nisterialordnung vom August 1874), fkirchlihe Funktionen auszuüben, für strafbar zu erahten seien, da die in der Uebergangsbestimmung des Gesehes vom 19. Fe- bruar v. J, liegende widerruflizhe Gestattung der Vor- nahme kirhlicher Verrichtungen die Strafbarkeit einer nah der Verkündung des erwähnten Gesehes erfolgten Uebertragung solher Funktionen an einen hierzu niht Befähigten nicht auf- hebe, diese Verleihung nicht für erlaubt erkläre, und daher die auf eine unerlaubte Verleihung hin Funktionirenden als \traf- bar zu erachten seien, sobald die Regierung ihnen die kirhlihen Funktionen untersagt habe, wie geshehen. Die Nichtigkeits- beshwerde wurde daher verworfen. In der „unerlaubten Ver- leihung“ i} zugleich das Urtheil des Erzbisthumsverwesers ge- sprochen, wenn seine Sache im Laufe der Untersuhung gegen ihn vor das Oberhofgericht kommen sollte.

Gemäß dem zwischen Elsaß-Lothringen und Baden ab- geshlo}senen Vertrage sind aht Schiffbrücken über den Rhein zu errihten. Von diesen Brücken sind, wie man der „Wes. Ztg.“ schreibt, bis jeyt sechs vollendet und dem Verkehr übergeben, nämlich, von Norden angêfangen, diejenigen zwischen Plitters- dorf und Selz, Ottenheim und Gerstheim, Kappel und Rheinau,

Weisweil und Schönau, Sasbach und Markolsheim, Neuenburg und Eichwald; die beiden übrigen Brücken zwischen Greffern und Drusenheim, Neufreistett und Gambsheim sind ihrer Vollendung nahe. Die \{on seit einem Jahrzehnt ins Auge gefaßte Eisen- bahnverbindung Müllheim-Mülhausen \{cheint fich nun gleichfalls ihrer Ausführung zu nähern; der Bau soll in nächster Zeit in Angriff genommen werden. In Neuenburg if bereits ein Bau- bureau errichtet ; die Vorarbeiten haben begonnen, die Bahnlinie ist festgestellt. Auch die {hon längst projektirte Pferdeeisenbahn von Straßburg nah Kehl rückt mit der beschlossenen Er- weiterung des Meßgerthores in Straßburg der Verwirklihung näher; im Prinzip ift sie von den einshlägigen Behörden bereits genehm'gt.

Es soll cine neue Karte des Großherzogthums ausgearbeitet werden. Zu diesem Behufe is unter der Leitung des Oberst-Lieutenants a. D. Schneider ein topographisches Bureau errichtet und der Großherzoglichen Ober-Direktion des Wasser- und Straßenbaues unterstellt worden.

Hessen. Darmstadt, 12. Januar. Prinz Alexander und Prinz Ludwig sind gestern Abend nah Cassel abgereist, um der Beisezung des ehemaligen Kurfürsten von Hessen bei- zuwohnen.

Sachsen - Meiningen - Hildburghausen. Meinin- gen, 11. Januar. Durch die Einführung der Reihsmark- währung hat sfich die Nothwendigkeit einer Abänderung der Strafsäße des Geseßes vom 23. Dezember 1870 über die Be- strafung der Forstvergehen, sowie der Forst- und Feldpolizei- Uebertretungen, ergeben, und if daher unter dem 23. Dezember 1874 ein neues Gesetz publizirt worden. Nach einer Ministerial- Bekanntmachung vom 31. Dezember 1874 ist der von der Aktien- Gesellschaft unter der Firma: „Eisenbahn-Gesellschaft Erfurt - Hof-Eger“ am 27. Juni desselben Jahres gefaßte Beschluß auf Auflösung der Gesellschaft landesherrlih genehmigt worden. Die Vertheilung der für die Abgebrannten der hie- figen Stadt eingekommeren, am 23. Dezember v. I. fich auf 527,875 Fl. 55 Kr. stellenden Unterstützungen scheint so viel die Mobiliar-Brandbeschädigten betrifft, nunmehr ihrer demnäch- stigen Entscheidung entgegen zu gehen. Das Hülfs-Comité hat zu den betreffenden seit Wochen täglich “stattfindenden Sitzungen Beausftragte niht nur der Gemeindebehörden, \ondern auch der Brandbeschädigten zugezogen und jedenfalls eine außerordentliche, unermüdliche Gründlihkeit und Sorgfalt entwickelt. Die Ober- Postdirektion hierselb|t hat auch cine beträchtlihe Baufläche zu!einem großen Ober-Postgebäude in der Mitte der Stadt erworben.

Lübeck, 12. Januar. (Lüb. Z.) In seiner gestrigen außer- ordentlihen Abendfizung begann der Bürgeraus\chuß die Berathung des Senatsantrages, betreffend die Revision der Verfassungsurkunde, und gelangte!dabei nah dreistündiger Berathung mit Attikel 7 §. 2 zu Ende, da die theilweise sehr radifalen Abänderungsanträge, welche die zur vorgängigen Be- gutahtung der Vorlage vom Bürgeraus\{huß niedergeseßt gewe- sene Kommission in Vorschlag gebracht hatte, sehr lebhaften und energishen Widerstand sowohl von Seiten der Senats-Kom- missarien wie auch aus der Mitte des Bürgeraus\chusses erfuhren. Dem vorliegenden Entwurf der künftigen Verfassungsurkunde ist ein in der jeßigen Verfassungsurkunde niht enthaltener erster Abschnitt, betitelt „Allgemeine Bestimmungen“ hinzugefügt, dessen

| Artikel 3 lautet :

„Bürger des Lübeckishen Fre!staates sind diejenigen Lübekischen Staatsangehörigen, welche den Staatsbürgereid geleistet haben, fo lange sie das erworbene Bürgerrecht nicht wieder verloren haben.“

Dagegen will die Kommission von einer besonderen Ver- pflihtung zum Staatsbürger nihts wissen und s{chlägt sie für diesen Artikel folgende veränderte Fassung vor :

„Bürger des Lübeckischen Freistaates find diejenigen Lübeckischen teh, welche das fünfundzwanzigste Lebenéjahr vollendet haben.“

Nach anderthalbstündiger lebhafter Diékussion über diesen Artikel ward dann \chließlich der Vorschlag der Kommisjion mit 20 Stimmen gegen 8 abgelehnt unter Annahme des Artikels in der Formulirung des Senates. Im zweiten Abschnitt, „der Senat“, hat die Kommisfion in Art. 6, welcher die Bedingungen des Ausschlusses von der Wahl in den Senat übereinstimmend mit den jeßt bestehenden Vorschriften enthält, vorgeschlagen, daß es heißen möge, der offene Handelsgesellschafter eines Se- natsmitgliedes sei von der Wahl in den Senat ausgeschlossen, weil bei der ursprünglihen Aufnahme dieser Bestim- mung das offenbar der Sinn und die Absicht gewesen sei, und diesem Antrage trat dann auch der Bürgeraus\huß bei. Ein neues von der Kommission zu diesem Artikel vorgeshlagenes Alinea \chreibt die Nothwendigkeit des Austritts aus dem Se- nat vor, wenn diejenigen Vorausseßungen, aus welchen der Artikel den Ausschluß von der Wählbarkeit feststellt, nah der Wahl in den Senat eintreten; es wurden hierzu ein paar Amen- dements gestellt, da es sich jedoch hierbei wesentlih um eine ganz präzise Formulirung handelt, überdies im Art. 11 des Entwurfes auf bestehende geseßlihe Bestimmungen w-gen eines Zwsnges zum Rücktritt aus dem Senat verwiesen ist und es sich empfehlen wird, die Bedingungen für den Rücktritt aus dem Senat niht in zwei verschiedenen Artikeln der Verfassungsurkunde zum Ausdru zu bringen, {o ward beschlos- sen, die Beschlußnahme über dies neu proponirte Alinea bis zur nächsten Sizung zu vertagen. Art. 7 des Entwurfs behandelt in zehn Paragraphen den Wahlmodus für die Wahl eines Se- natsmitgliedes und schließt sich fast wörtlih den entsprehenden S8. 9—14 der jeßigen Verfassungsurkunde an. Hier hat nun die Kommission, statt der ausdrücklihèn Vereidigung der zur Vor- nahme der Wahl im Rathsfaale versammelten Mitglieder des Sena- tes und Wahlbürger durch einen folennen, in der Verfafsungs- uréunde selbst vorgeschriebenen Eid, die allgemeine Bestimmung in Vorschlag gebracht, daß die Betreffenden zur Geheimhaltung alles dessen, was in den Wahlkammern odex unter den Obmännern gesprochen wird, durh den im Senate den Vorsiy führenden Bürgermeister nur verpflichtet werden sollen. Auch diese Abän- derung rief längere Debatte hervor, in welcher allerdings bcider- seitig zugegeben wurde, daß es si bei der Beurtheilung des Werthes der einen oder andern Bestimmung vorzugsweise um eine Gefühls- sache handle, wobei aber vom Senatstisch, sowie aus Mitten des Bürger-Aus\chus}ses geltend gemacht wurde, daß das Bestehende sich bis jezt durhaus bewährt habe und also gar kein Grund vorliege, hier eine Aenderung vorzunehmen, deren Tragweite sich gar nicht übersehen lasse. Die Annahme der Bestimmung des Entwurfes, nah Verwerfung einer von der Kommission propo- nirten Abänderung, erfolgte dann mit großer Majorität. Für die Fortsezung der Berathung ist die nächste Versammlung auf Montag, den 18. d. M., anberaumt.

Dessterreich-Ungaru. Wien, 12. Ianuar. Auf Aller- hôchste Anordnung wird für den ehemaligen Kurfürsten von

Hessen und für den Herzog Eugen Erdmann von Württemberg die Hoftrauer, von heute angefangen, gleihzeitig dur zehn Tage ohne Abwechselung bis einschließlich 21. Januar, getragen werden.

E In Pest haben am 6. d. M. bei dem Kaiser unter Theilnahme des Erzherzogs Iosef, als Honved - Ober - Kom- mandant, dann des Landesvertheidigungs-Ministers Szende, des Staats-Sekretärs Fejervary und des General - Adjutanten Beck Berathungen Über Dienstreglements der Honveds statt- gefunden. Wie „M. Politika“ erfährt, wurden bei dieser Ge- legenheit besonders die differirenden Ansichten des Ministers und des Ober-Kommandanten erörtert.

Agram, 10. Januar. Auf der Tagesordnung der heuti- gen Landtagsfsizung stand der Gesezentwurf über Ortsge- rihte und das Bagatellverfahren. Vor dem Berichterstatter der Kodifikations - Kommission \prach der Regierungsvertreter Sektionsrath Stankovic Namens der Regierung den Wunsch aus, die Verhandlung des Entwurfes möge vertagt werden, bis die Regierung in der Lage sein werde, ihren Standpunkt der Vorlage gegenüber zu präzisiren. Dr. Makanec \prah für die sofortige Verhandlung, beziehungsweise für die Eröfssnung der General- debatte. Das Haus beschloß jedo, die Verhandlung der Vor- lage bis zur nähsten Landtagsfession zu vertagen.

Großbritannien und Jrland. London, 11. Januar. Die Kabinets-Minister treffen zwischen heute und morgen alle in der Hauptstadt ein, um am 12. ds. einen Ministerrath, den ersten in diesem Jahre, zu halten.

12, Jalllar. (W.T. B). Bon dex weslindischen Marinestation is ein Kriegs\chif nach Santiago de Cuba beordert worden, um die näheren Umstände festzustellen, aus welchen die Beschlagnahme des unter englischer Flagge s\egelnden, vor einiger Zeit in den Gewässern von Cuba aufgebrachten englischen Sch{&ooners „Eclip\ e“ erfolgt ift.

Frankreich. Paris, 13. Januar. (W. T. B.) Das „Journal officiel“ veröffentliht die Bekanntmachung, dur welche die Wähler des Departements Côtes du Nord und Seine-et-Dise zur Deputirtenwahl auf den 7. k. M. einberufen werden.

Der Entwurf des konstitutionellen Gesezes, betressend die Uebertragung der Gewalten (Bericht- erstatter Ventavon), hat folgenden Wortlaut :

Axt. 1. Der Marschall Mac Mahon, Präsident der Republik, fährt fort, unter diesem Titel die Exekutivgewalt, mit der er durch das Geseß vom 20. November 1873 bekleidet ift, auszuüben. Art. 2. Derselbe ist nur in dem Falle des Hochverraths verantwortlih. Die Minister sind den Kammern für die allgemeine Politik der Regierung solidarisch und für ihre persönlichen Handlungen ein jeder für fich ver- antwortlih. Ait. 3, Die geseßgebende Gewalt wird dur zwei Ver- sammlungen ausgeübt. Die Kammer der Deputirten wird durch das allgemeine Stimmrecht und unter den durch das Wahlgeseß bestimm- ten Modalitäten ernannt. Der Senat wird durch gewählte oder ev- nannte Mitglieder gebildet, und zwar in Verhältnissen und unter Be- dingungen, welche “durch besonderes Geseß geregelt werden. Art. 4. Der Marschall-Präsident der Republik ift mit dem Recht bekleidet, die Kammer der Deputirten aufzulösen. In diesem Falle wird, und zwar in Frist von sechs Monaten, zur Wahl einer neuen Kammer geschritten werden, Art. 5. Bei Ablauf des durch das Geseß vom 20. November 1873 festgeseßten Zeitraums, wie in dem Falle der Freiwerdung der präsidentschaftlihen Gewalt beruft der Ministerrath unverzüglich die beiden Versammlungen, welche, in einen Kongreß vereinigt, über die zu fassenden Beschlüsse berathen. Während der Dauer der dem Marschall Mae Mahon anvertrauten Amtsgewalt kann eine Revision der konstitutionellen Gesetze nur auf dessen Vor- schlag bewirft werden.

Versailles, 12. Januar. (W. T. B.) Die National- versammlung beendigte heute die Generaldiskussion des Ge- seßes über die Cadres der Armee. Der erste Artikel der Vorlage wurde darauf in der Spezialberathung angerrommen, und die Diskussion über den zweiten Artikel, an der sich auhch Gambetta betheiligte, begonnen. Für morgen steht die Fort- sezung der Berathung auf der Tagesordnung.

Die Mittheilung mehrerer Journale, daß der Herzog von Broglie bereits mit der Neubildung des Kabinets be- schäftigt sei, wird von der „Agence Havas“ formell dementirt.

Spanien. Madrid, 12. Januar. (W. T. B.) Die Nachrichten, welche einige Zeitungen über einen Wechsel der Chefs der spanishenM issionen verbreiten, sind unbe- gründet. Das Regentschafts-Ministerium hat sich nur insofern mit dieser Angelegenheit beschäftigt, als der Botschafterposten in Paris Hrn. Sagasta, dem Präsidenten des leßten Ministeriums Serrano, angeboten worden zu sein scheint; es heißt jedoch, Sagasta habe dankend abgelehnt.

In Betreff der Gerüchte, welhe über die Anzeige von Don Alfonso’'s Thronbesteigung verbreitet sind, bemerkt die „Epoca“ vom 6. d.:

„Es existirt weder ein Memorandum noch irgend cin anderes diplomatisches Schrifistük dieser Art, welches von der spanilcben Re- gierung an die fremden Mächte gerichtet wäre. Ohae Zweifel ift das, was man hin und wieder fo bezeicl,net hat, die Darstellung der Er- eignisse, welche der Wiederaufrichiung der nationalen Dynastie vor- ausgegangen sind, auf Beschluß des Regentschafts-Ministeriums von dem Marquis von Molins verfaßt und den in Madrid beglaubigten Gesandten mitgetheilt. Anderes der Art liegt niht vorz; auch kann niht wobl von einem Memcerandum die Rede fein, bevor der junge Monarch in der Hauptstadt angekommen sein wird.“

Nach über Paris eingegangenen Nachrichten wird König Alfons am 14. in Madrid seinen Einzug halten.

Aus Valencia, 11. Januar, Abends, meldet „W. D B Béi dex Ankunft des Königs Alfons auf der Rhede von Valencia begrüßte ihn zuerst der Kommandant des im dortigen Hafen liegenden französishen Avisodampfers „Vigie“., Der König erwiderte die Begrüßung auf das Herz- lihste. Der Marine-Minister Marquis de Molins \prach dem \ranzösishen Kommandauten seinen Dank aus für den \ympa- thischen Empfang, welcher dem Könige in Marseille zu Theil ge- worden war. Wie es heißt, wird der König morgen nach Sa- gunto gehen. Die Abreise von Valencia is auf Mittwoch Mor- gen festgeseßt. Eine Anzahk“ carlistisher Ueberläufer ist gestern hier eingetroffen.

Amerika. New - York, 12. Januar, Morgens. Gestern hat hier unter dem Vorsiße des Mayors Ewarts aus Veranlassung der lezten Ereignisse in Louisiana ein außerordentlih zahlreich besuhtes Meeting stattge- funden. Die Versammlung erklärte, deß die militärische ÖÎntervention in die Verhandlungen der geseßgebenden Ver- sammlung von Louisiana gegen die Verfassung verstoße, sprach die Erwartung aus, daß die Bundesregierung das Ver- fahren der dortigen republikanifchen Partei mißbilligen werde und nahm \chließlich eine Refolution an, in wélher der Beschluß eines vor Kurzem aus der gleihen Beranlassung abgehaltenen Meetings in St. Louis, dem Verhalten der Bundesregierung öuzustimmen, als tadelnswerth bezeichnet wird. Die Vertreter

ees Staates Pennsylvanien haben gegen das Verfahren in Louisiana einen energishen Prot e f erlassen.

12. Januar, Abends, (W. T. B.) Dem Vernehmen nach hat sich das Kabinet über den Inhalt der Botschaft, welche Präfident Grant dem Kongresse zugehen lasen will, nun- mehr geeinigt und is derselbe auch von mehreren hervorragenden Mitgliedern des Senats, denen die Botschaft mitgetheilt wurde, gebilligt worden. Der hiesige Gouverneur erklärt, die Intervention General Sheridans in New-Orlens sei eine Verlezung der Verfassung und New-York habe die heilige Pflicht, dazu beizutragen, daß die Freiheit und die Autorität der Civilbehörden gegenüber dem Vorgehen der Militärgewalt wieder hergestellt werde.

Die „Times“ meldet unter dem 12. Januar aus Phi- ladelphia, der vom Ausschusse des Senats für auswärtige Angelegenheiten erstattete Bericht \prehe \ihch gegen die Bestim- mungen des Reziprozitätsvertrages mit Kanada aus.

Afrika. Die per „Syria® angekommenen Kap-Zeitungen

enthalten folgende Einzelheiten über den heftigen Sturm, der a die öftlihen Distrikte der Kapkolonie heim- uhte : _ Die verursachten Unfälle übersteigen bei Weitem alle frühere südafrikanishe Erfahrung. Die Vernichtung von öffentlichem wie Privateigenthum is ungeheuer, und die Zahl der Schiffbrliche Legion. Ein Telegramm aus Ost-London meldet: „Gewaltiger Südsturm seit den leßten 36 Stunden; anhaltender heftiger Regen und eine furcht- bar bewegte See. Der Austritt des Buffalo-Flusses )pottet aller früheren Erfahrung ; die Flußmündung ist gänzlich wegges{chwemmt ; jedes Schiff ist gestrandet. Die Schiffe „Coquette“, ,Compare“*, „Western Star“, „Floria“ und ,Verulam“* sind völlige Wracks. Eine Depesche aus Grahamstown übermittelt ähnliche Details. Fürchterliche Hagelstürme und Regengüsse richteten ungeheuren Schaden an. Queenstown litt furcht- bar; über 40 Häuser, mehrere Wollwäschereien und Hunderte von Ballen Wolle wurden weggespült. Die Klaas-Smith-Brücke wurde wegge- rissen und die Buffalo-Brüke ist beschädigt. Die Fort Begufort- Brücke wurde arg beschädigt, ist aber wieder reparirt und verkehrs- fähig. Jn Fort Beaufort wurden mehrere Häuser zerstört, während in Alicedie halbe Stadt unter Wasser stand. Ein Verlust an Menschenleben wurde nur dur den Muth mehrerer Perfonen, welche denjenigen, die sich in Gefahr bifanden, wackere Hülfe leisteten, verhindert. Viele Fami- lien sind obdachlos; die öffentlichen Aemter und Gefängnisse find mit Flüchtlingen gefüllt. Das Postamt wurde weggeshwemmt. Der Verkehr ift durch die Zerstörung so vieler Brücken ernstlich beein- trächtigt und der daraus erwachsene Verlust wird auf 300,009 Pfd. Sterl. geschäßt. Die telegraphishe Verbindung mit Fort Beaufort wurde unterbrochen. Aus allen Theilen des Landes laufen Berichte von großen Verlusten an Vorräthen ein.

Neichstags - Angelegenheiten.

Berlin, 13. Januar. In der Sihung des Deutschen Reichstags am 11. d. M. nahm in der Diskussion über das Landsturmgeseß der Bundesbevollmächtigte General-Major von Voigts-Rheßy zunächst in Betreff der zu H. 1 gestellten Amendements das Wort:

Meine Herren! Es liegen die beiden Amendements Dundcker und von Bonin vor. Jn eïnem Punkte stimmen fie überein, in einem andern stehen sie sich diametral gegenüber. Das Amendement von Bonin will diejenigen Leute, die noch niht zur Truppe einberufen sind, aber ihrer Verpflichtung nach zur Truppe einberufen wérden können, in den Landsturm einstellen; das Amendement Duncker will das nit, sondern es will diejenigen Leute, die nicht einberufen sind, ihrer militärischen Dienstverpflihtung entsprechend, eventuell zur Re- ¡erve für das ftehende Heer oder die G aubwebe disponibel halten, und den Landsturm daneben einberufen.

Was den Begriff der Wehrfähigkeit anbetrifft, \o ift derselbe technisch nicht festgestellt für alle Fälle; sondern er ist uur praktifch für das stehende Heer in den §8. 15, 16 und 17 des Reichsmilitär- gesetzes fixirt, indern darin gesagt ist:

„Militärpflichtige, welche wegen körperlicher oder geistiger Ge- brechen dauernd dienstunbrauchbar befunden werden, find vom Militärdienst und von feder weiteren Gestellung vor die Ersaßz- behörden zu befreien.“

Demnächst im §. 16:

Andere Militärpflichtige, welche wegen unheilbarer körperlicher Fehler nur bedingt dienstbrauchbar werden, find der Ersaßreserve zu überweisen.

Und endlich:

Militärpflichtige, welche noch zu schwacch oder zu klein für den Militärdienst oder mit heilbaren Krankheiten von längerer Dauer behaftet sind, werden vorläufig zurückgestellt.

Diese einzige Norm, um die Wehrfähigkeit zu bezeihnen, genügt aber für die Verhältnisse des Landsturms nicht. Es ist sehr wohl möglich, daß Jemand, der nah den Bestimmungen für das steyende Heer und die Landwehr niht brauchbar erscheint, für den Lantsturm noch sehr wohl brauchbar ist. Jch erinnere nux daran, daß ein Ein- ¿ugiger oder ein Mann, dez einen steifen Fuß hat, sehr wohl noch im Landsturm verwerthet werden kann.

Man würde nun leicht in die Lage kommen, wenn solche Ge- brechen, wie beim stehenden Heere, im vollen Maße beim Landsturm gelten sollten, junge Leute fetern zu lassen, während alte Leute ein- berufen würden.

Deshalb möchte ih Sie bittea, es bei der Bestimmung, wie sie s belassen und im Moment der überlassen, zu entscheiden, ob

das Kriegsdienstgeseß gegeben hat, zu Einberufung es der Ersaßzbelzörde zu cin Mann wirklih nicht noch fähig sein sollte, im Landsturm zu dienen, um dadurch die Last mchr nah den Jahren vertheilen zu fönnen.

Was das Amendement von Bonin anbetrifft, so würde dem wohl bestimmt entgegen zu treten sein. Es if sehr wohl denkbar, daß noch Leute im Lande vorhanden sind, die im gegebenen Falle zum Landsturm einberufen wären, während man ihrer anderweit benöthigt wäre. Es liegt jedenfalls eine Gefahr darin, Leute, die zufällig durch Verzug in einen Bezirk gekommen sind, und der Reserve noch angehören, in den Lantsturm hineinzubringen, während fie kurze Zeit darauf als Rescrveleute dem stchenden Heere oder als Landwehr- männer zur Landwehr einbeordert worden Und vor den Feind marschiren müßten. Der Gedanke, den Landsturm zur Ergänzung der Landwehr zu benutzen, ift ja der allerkontraversiste in dem vor- liegenden Geseße. Wir würden aber durch dieses Verfahren unmittel- rar dazu geführt werden, den Ersaß von Landwehrtruppen aus dem Landsturm zu entnehmen, wenn wir die disponiblen Landwehrleute in den Landsturm einstellten. Jch glaube also, daß dieses Amendement nicht annehmbar sein wird.

Was nun das Amendement Dunker anbetrifft, so muß ih sagen, daß ich, mit Ausnahme der Wehrfähigkeit, eine Schwierigkeit, ein be- sonderes Bedenken gegen Annahme desselben nicht zu “erkennen vermag. Wenn ausgesprochen wird, daß die Landwehrlieute bleiben bis zu ihrem 32. Lebensjahre und dann zum Landsturm übertreten bis zum 42 sten, so is dem Bedürfniß faktisch damit genügt. Durch den Aus- druck wehrfähig wird aber die Sacbe wesentlich eingeschränkt, und ih möchte Sie daher bitten, da ein Mißverständniß nicht entstehen fann durch die Fassung, wie sie die Kommission vorschlägt, diese Kommissionsvorlage annehmen zu wollen, :

Zu §. 2 entgegnete der genannte Bundesbevollmäch- tigte dem Abg. Richter (Hagen):

Meine Herren! Zu den beiden Amendements möchte ich nur wenige Worte sagen.

Der Hr. Abg. Richter hat das Amendement Duncker motivirt und ist auf den §. 27 des Reichs-Militärgeseßcs für die Ersatzreserve zweiter Klasse zurückgegangen. Es ift allerdings richtig, daß dort

derselbe Wortlaut gewählt ist, wie im Amendement; ih möchte aber darauf aufmerksam machen, daß die Verhältnisse bei der Ersaßreserve zweiter Klasse und bei dem Landsturm wesentlich verschieden find und wohl immer verschieden sein werden. Sie haben eben angenommen, daß ein Bezirk, der vom Feinde bedroht oder überzogen ift, den Landsturm aufbieten soll. Es ift in dem leßten Falle die Offkupation des Landes dur den Feind in Anssficht genommen und dadurch ist die ortsüblihe Weise in der Regel von vornherein ausgeschlossen. Es hat aber die Erfahrung bewiesen, daß nichtsdestoweniger es sehr wohl möglich ist, das Massenaufgebot auf andere als ortsübliche Weise herbeizuführen, arch wir würden ja unter keinen Umständen darauf verzihten wollen, auf andere Weise, z. B. durch heimliche Boten-Miiïycilung, den landsturmpflihtigen Leuten Keuntniß von der Verordnung, die fie zum Kriegsdienst heranzieht, geben zu fönnen. Die Leute würden dann mit diesem G-seße in . der Hand berechtigt sein, ihr Erscheinen zu verweigern, weil das Aufgebot nicht in der ortsüblihen Weise erfolgt seï. Ih möchte Sie daher bitten, dieses Amendement abzulehnen. In der That wird man ja, so lange es ausführbar, auf die gewöhn- liche ortsüblihe Weise zurückgreifen, weil es eben diejenige ist, die am besten und s{chnellsten zum Ztele führt.

Was das Amendement des Hrn. Abgeordneten Grafen v. Balle- ssttrem anbetrifft, so hat der Hr. Abgeordnete Richter es schon genau gekennzeichnet. Seinen Ausführungen kann ih nur beitreten. Es würde den Leuten, die dadurch geschüßt werden sollen, in der That nicht geholfen sein; die unmittelbare Folge der Einschränkung würde sein, doß man das Territorium eben größer faßte, wie man es sonst fassen würde, um bestimmte Kategorien nehmen zu können. Den Aus- {luß der Kategorien hat das Amendement nicht ausgesprochen, und de8halb seinen Zweck auch nicht erreiht. Es würde dieses Amende- ment nur zur Verdunkelung dessen beitragen, was man im Gesehe eigentlih beabsichtigt. Die Kategorien auf diese Weise bei Seite schieben zu wollen, würde, wenn dies Amendement angenommen würde, mit dem §. 5 uns in Widerspruch seßen, indem wir dort diejenigen Grundsäße festzuseßen beabsihtigen, welche bei der Einbeorderung der Landwehr üblich find, d. h, die jüngeren Jahrgänge zuerst herbei- zuziehen.

Auf eine Erwiderung des Abg. Richter entgegnete der Bundeskommissar Major Blume:

Ich möchte mir erlauben, meine Herren, nur mit wenigen Wor- ten darauf aufmerksam zu machen, daß meines Erachtens der Wort- laut des Amendements des Hrn. Abg. Duncker doch nicht vollständig dem Zweck entspricht, welchen dasselbe nah den Ausführungen des Hrn. Abg. Richter verfolgt. Es find nämlich zwei Momente zu un- terscheiden: einmal das Aufgebot des Landsturms, welches vom Kai- ser erlassen wird, in welhem nach dem Sinne dieses Geseßes der Umfang in territorialer Beziehung und nah Kategorien zu bestim- men ist. Sobald dieses Aufgebot ergangen iß, treten die betreffen- den Landsturmpflichtigen zunächst in die Kontrole der Landwehrbehör- den in derselben Weise, in welcher sih die in der Heimath be- findlihen Landwehrmannschaften in dieser Kontrole befin- den. Nun fommt der zweite Moment. Nachdem näm- lih der Kaiser bestimmt hat, welche Organisation der Landsturm er- halien soll, werden die hierfür erforderlichen Mannschaften aus den aufgebotenen Kategorien durch die Landwehrbehörden ¿zum Dienst einberufen. Das ist, glaube ih, nicht vollständig unterschieden. Wenn der Hr. Abg. Duncker gesagt hätte, es solle in ortsüblicher Weise bekannt gemacht werden, auf welche Aiteréklassen sich das Aufge- bot zunächst bezieht, so würde schon gegen einen jolchen Vorschlag, außer dem bereits geltend gemachten Bedenken, daß eine derartige Be- stimmung unter vielen Umständen fich nicht durchfÖ*hren lassea würde, noch die Erwägung sprechen, daß es fih nicht empfehle, durch Ge- jeßesvorschriften die Militärverwaltung zu zwingen, über die Grenze des Allernothwendigsten hinaus die im Interesse der Landesvertheidi- gung zu ergreifenden Maßregeln zu publiziren, weil jede derartige Publikation für den Feind unter Umständen von großem Werth sein kann. Dieses Bedenken trifft aber in erhöhtem Maße zu, wenn, wie es der. Wortlaut des Amiens fordert, sogar ste's voffentlih bekannt gemacht werden soll, welche Kategorien des aufgebotenen Landsturms zur Fahne einberufen werden sollten. Eine genaue Jnformation hierüber könnte in der That für den Gegner ven weit größerem Werthe sein, als für das eigene Land. i

Ih möchte Sie deshalb bitten, auch aus diefem Grunde das Amendement abzulehnen.

(Fortseßung der Reichstags- Angelegenheiten in der Beilage.)

Statistische Nachrichten.

Nach dem jeßt erstatteten Bericht der Verwaltung der Berliner städtischen Gasanstalten hat das Bet: iebsjahr vom 1. Juli 1873 bis ebendahin 1874 so günstige Ergebnisse, wie die leßtz- ten Vorjahre, nicht geliefert. Diekmciste Schuld tragen daran die höheren Kohlenpreise und die sehr gesteigerten Löhne; außerdem sind durch die großen Neubauten die Anleihesumme und damit auch die jährlichen Anleihezinsen gestiegen. An Gas wurden 51,746,000 Kubikmeter produzirt, 5,768,000 Kubikmeter odcr 12x Prozent mehr als im Vorjahr. Der öffentliche Verbrauch an Gas belief ih auf etwa 6,820,000 Kubikmeter. An Flammen waren vorhanden 9200 óoffentliche Flammen und 437,950 Privatflammen, 431 öofent- liche (etwa 5 Prozent) und 60,019 Privatflammen (15,9 Prozent) mehr als im Vorjahre, Dabei hat sich herausgestellt, daß -die Privatflammen im leßten Jahre durchschnittlich etwas weni- ger Gas gebraucht haben, als früher. Den höchsten Gasyerbrauch hatte der 20. Dezember 1873, den kleinsten der 6. Juli desselben Jahres, jener 275,000 Kubikmeter, dieser nur 53,850. An Kohlen wurden nicht weniger als 188,260 Tonnen, die Tonne je 1000 Kilo- gramm’ gerechnet, verbrauht, Der Werth der städtischen Gasanstalten wird auf 10,131,000 Thlr. rund berechnet, worauf 4,337,000 Thlr. Passiva haften.

—. KRuf der Universität Erlangen sind im Sommer- Semester 1874 immatrikulirt gewesen 442, davon find abgegan- gen 190. Es sind demnach geblieben 252, dazu sind in diesem Se- mester gekommen 164. Die Gesammtzahl der immatrikulirten Stu- direnden beträgt dahex 416.

Bon diesen studiren: Theologie 136, (darunter 22 zugleich Phis lologie, 1 Geschichte), Jurisprudenz und Kameralwissenschaften 44, Medizin 111, Pharmazie 35, Chemie und Naturwifsenschaftcn 31, Mathematik uud Physik 11, Philologie 42, (darunter 10 zugleich Theologie), Philosophie und Geschichte 6. In Summa 416, davon 283 Bayern und 133 Nichtbayern.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Das bisherige Königlih preußishe arhäologishe Institut in Rom hat seit dem 1. Januar die Bezeichnung Kaiserlich deut- sches arhäologisches Institut angenommen. Seine Sekretäre sind wie bisher die Professoren Henze und Helbig.

Der Geheime Mcdizinal-Rath, Professor Dr. Göppert in Breslau feierte am 11. sein d0jähriges Doktöor- Jubiläum. Der Jubilar empfing von allen Seiten lebhafte Be- weise ehrender Theilnahme. Der Ober-Präsident Graf von Arnim, an der Spitze des Regierungs-Kollegiums, beglückæwünschte denselben im Namen der Regierung und übecreihte ihm den dem Jubilar von des Kaisers und Königs Majestät verliehenen Königlichen Kronen- orden I1. Klasse mit dem Stern. Die Stadt Breslau verlich demselben das Ehrenbürgerrecht; ein Comité überreichte dem Jubilar die Summe von 10,000 Mark zu einer Göppert-Stiftung z; zu gleichem Zweck erhielt er von einer Deputation deutscher Upotheker die Summe vor 3300 Mark; außerdem empfing derselbe von viclen Gesellschaften, Anstalten, Vereinen 2c. Glückwunschadressen, Dedikationen 2.

Die Nr. 7 der Jllustrirten Jagdzeitung, Organ für Jagd, Fischerei und Naturkunde, herausgegeben von W. H. Nitsche, Königlicher Oberförster, (Leipzig, Verlag von 6 S

chmidt), enthält: Die Winteräsung für das Hoch-, Dam- und