1875 / 10 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 13 Jan 1875 18:00:01 GMT) scan diff

Rehwild von Sr. Durchlaucht Fürsten Karl von Schwarzenberg. _— Erinnerungen aus Sibirien ron G. v. N. Die Kugel am Bind- faden von Giesel. Eine komische Verwehselung. Streit zwischen Milan und Kolkraben. Die Biber von Friedr. Freiherr v. Droste- Hülshoff u. f. w. u. st. w. Zllustration: Ein harter Waffengang, Mit Text von O. v. Riesenthal.

Der internationale geographische Kongreß, der in Paris zu Ostern abgehalten werden sollte, ist der „Academy“ zu- selge wegen der zahlreichen an den Präsidenten, Vize-Admiral La

oncière de Noury, gerichteten Anmeldungen um Raum in der geo- graphischen Ausstellung, die folglich zu der Nothwendigkeit führten, ein größeres Gebäude als anfänglich für nothwendig gehalten wurde, zu fichern, bis zum Juli verschoben worden Die Ausstellung wird, wie angezeigt, im JIndustrie-Palast oder in einem besonders für den D errichteten Gebäude abgehalten werden, und Pläne, Karten, eihnungen und Bücher auf dem Gebiet der Geographie, sowie JIn- strumente, Maschinen und nüßliche Erzeugnisse fremder Länder nebst Gegenstände europäischer Industrie umfassen. Die zur Organisation

des ganzen Projekts ernannte Kommission geht mit dem Gedanken um, ein Journal für kommerzielle Geographie zu veröffentlichen, für welches sie um Beiträge bittet, Gewerbe und Handel. Der Afkord in Sachen des Herrn Thadäus von Chlapowski,

Der Entwurf der neuen Geschäftsordnung für die Stadtverordneten-Versammlung Berlins,

welcher in der leßten Sißung der Stadtverordneten-Versammlung zu Teb- haften Auseinanderseßzungen Veranlassung gab, liegt nunmehr gedruckt mit dem Antrage vor: denselben zur Vorberathung einer Deputation von neun Mitgliedern mit dem Auftrage zu überweisen, in der Sißung am 21. Fanuar Bericht zu erstatten. Neben dem Urheber, dem Stadt- verordneten Eugen Richter, ist der Antrag unterschrieben von dem Stadtverordneten-Vorfteher Dr. Straßmaun und den Stadtverordneten Dr, Stryck, Dr. Hermes, Grakbé, Ullstein, Ripberger, Wilhelmi, Dr. Pftug, Jung, Dietmar, Banke, Misch, Kleemann, Loewe, Wien- struck, Büttner, Bernhardt, Schaefer, Mamroth, Tappert II1., Schmidt, Kullrih, Dr. Tappert, Zivppel, Flesche, Imberg, Richter, Neumann 11, Scchneeweiß, NRomstädt, sämmtlich) Mitglieder der fog. Bergpartei. E i A Der Entwurf ist der Geschäftsordnung des Reichstags nachgebil- det und würde in dem bisherigen Geschäftsverfahren eine wesentliche Veränderung und Vereinfachung herbeiführen. Die §8. 1—9 handeln von dem Vorstande und den Beamten der Versammlung. Es fällt dana die jeßige Kontrole aus drei Personen fort und treten an deren Stelle sechs Beisißer, welche je zur Hälfte abwechselnd in den Sißun- gen die Präsenzliste führen, das Protokoll vollziehen, die Revision der stenographisben Berichte überwachen und den Vorsteher in der Be- sorgung der äußeren Angelegenheiten der Versammlung unterstüßen. Der Schriftführer wird nah wie vor dem Beamtenpersonal der Ver- fammlung entnommen. i ; : Die Behandlung der Vorlagen, Mittheilungen und Anträge wird in den folgenden §8. 10 bis 23 fixirt. Die Referenten, welche bisher jede Borlage und jeden Antrag der Versammiung vorzutragen hatten, fallen ganz fort. Die erste Berathung über Vorlagen des Magistrats erfolgt frühestens, nachdem die Vorlage gedruckt und zwei freie Tage hindurch in den Händen der Mitglieder gewesen ist. Die erste Be- rathung beschränkt fich auf eine allgemeine Besprechung über die Grund}\äße der Vorlage, nah deren Schluß die Ueberweisung an eine Deputation beschlossen werden kann. Geschieht dies nicht, so fann sofort in die zweite Berathung eingetreten werden, falls nicht mindestens 20 Mitglieder Widerspruch dagegen erheben; im anderen Falle erfolgt die zweite Berathung, eine Spezialdis- kussion über die einzelnen Punkte ter Vorlage, in der nächsten Sißung oder später. Werden in der zweiten Lesung Verbesserungsanträge angenommen, fo erfolgt noch eine dritte Lesung. Die Ueberweisung der Vorlage an eine Kommission kann in jedem Stadium der Be- rathung beschlossen werden. Mittheilungen des Magistrats, welche nur zur Kenntnißnahme der Versammlung bestimmt find, unterliegen einer einmaligen Berathung; die Versammlung kann jedoch die Vor- berathung einer Deputation über die Frage beschließen, ob und welhe Anträge an, die Mittheilungen zu knüpfen sind. S. 16 bestimmt: „Alle von Mitgliedern der Versammlung ausgehenden Anträge müssen von mindestens 5 Mitgliedern unter- zeichnet sein. Ist diese Form nicht beobzchtet, so wird der An- trag als Petition behandelt. Jst diese Form dagegen beobachtet, so erhält in der nächsten Sihung, jedoch frühestens, nachdem der Antrag gedruckt und zwei freie Tage in den Händen der Mit- glieder fich befunden hat, der Antragsteller das Wort zur Begründung. Hieran {lit fich sofort die Berathung und Beschlußnahme über den Antrag. Der Antrag kann auch zur Vorb-rathurg einer Depu- tation überwiesen werden. Anträge von Mitgliedern, welche eine Geld- bewilligung in fich {ließen oder in Zukunft Mean bestimmt find, müssen nah Begründung durch den Antragsleller, sofern sie nicht Dur Tagesordnung beseitigt werden, in jedem Falle einer Deputation zur Vorberathung überwiesen werden und dürfen zur Abstimmung erst gelangen, nachdem die Berichterstattung Seitens der Deputation erfolgt ist. Wird ein Antrag auf Begutachtung eines die kom- munalen FJnteressen berührenden Vorschlages oder Beschlusses einex Staatsbehörde oder eines Vertretungskörpers, behufs Ab- fassung einer Petition angenommen, so unterliegt dieser Antrag ebenfalls zwei resp. drei Berathungen. Die Berathung und Abstimmung Über einen Antrag von Mitgliedern kann, und zwar auch ohne daß er gedruckt vorliegt, in derselben Sitzung, in welcher er eingebracht ist, unter Zustimmung des Antrag- \tellers stattfinden, wenn kein Mitglied widerspricht. Jeder An- trag kann zurückgezogen, jedoch von jedem anderen Mitgliede wieder aufgenommen werden, Er bedarf alsdann keiner weiteren Unterstüßung." Die Deputationen sollen laut §8. 17—22 nicht mehr vom Vorsteher oder der Versammlung ernannt, sondern von den sieben Attheilungen gewählt werden, in welche die Versammlung möglihst gleichmäßig verloost wird, und würden demnach aus 7 resp. 14 oder 21° Mitgliedern bestehen. Jeder Deputationsverhandlung können alle Stadtverordneten als Zuhörer beiwohnen. §. 23 be- stimmt bezüglich der dringlichen Anträge, daß über Vorlagen und Mittheilungen des Magistrats, Anträge der Mitgli-dcr und Deputa- tionen 2c. nur dann früher als in den oben festgeseßten Fristen ver- handelt werden darf, wenn dieselben gedruckt vorliegen, auf die Tages- ordnung geseßt sind, diese Tagesordnung vor dem Sißungstage den Mitgliedern zugekommen is und nicht mindestens 10 anwesende Mit- glieder der Dringlichkeit der Berathung widerspreczen. : Die Behandlung der Naturalisations- und Rehzabilitirungêgesuche wird in §. 24, der Begutachtung der Anstellung von Gemeindebeamten in §. 25, der Wahl von Gemeindebeamten in den 88. 26—28 fixirt. Eine wesentliche Veränderung erfährt die Behandlung von Peti- tionen; §. 29 bestimmt darüber: „Die eingehenden Petitionen sind vom Vorsteher durch Aushang im Sibßungssaal zur Kenntniß der Mitglieder zu bringen. Petitionen, welhe fich auf Gegenstände be- ziehen, mit denen Deputationen befaßt sind, werden vom Vorsteher diesen überwiesen. Andere : leedeirs gelangen an die aus 14 Mit- gliedern bestehende, auf die Dauer eines Kalenderjahres erwählte De- putation für Petitionen, Zur Erörterung in plenum gelangen die- jenigen Petitionen, bei welchen auf solche Erörterung entweder von der Deputation oder von 5 Mitgliedern angetragen wird. Geht der Antrag von der Deputation aus, so hat sie über die von ihr zur Dis- kussion verwiesene Petition einen Bericht zu erstatten; geht der An- trag von Mitgliedern aus, so tritt das Verfahren des 8. 17 (Ueber- weisung an eine Kommisfion) ein. Dem Petenten ist vom Beschluß der Versammlung dur das Bureau derselben Kenntniß zu geben.“ Auch die Behandlung der Jnterpellationen ist wesentlih verän- dert und leider ershwert worden. Die Paragraphen 50 und 31 be- stimmen darüber: Interpellationen an den Magistrat müssen bestimmt formulirt und von 5 Mitgliedern unterzeihnet, dem Vorsteher über- reicht werden, weleher dieselben dem Magistrat abschriftlih mittheilt

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WOVOVAM A

Firmeninhabers des „Tellus“ wird dem „Dziennik Poznaúski“ zufolge sehr wahrscheinlich zu Stande kommen. Eine bedeutende Zahl der Gläubiger der Konkursmasse des „Tellus“ soll sich nämli für den Akkord erklärt haben. Was die Summen anbetrifft, so hätten 1} Mil- lionen Thaler für dea Akkord und nur 130,000 Thlr gegen denselben gestimmt.

Heft 12 der Mittheilungen des Vereins zur Wah- rung der gemeinsamen wirthschaftlichen Interessen in Rheinland und Westfalen, herausgegeben von dem Vereins- vorstande (Düsseldorf) enthält: 1) Verhandlungen der vierten Gene- ralversammlung vom 17. November 1874, 2) die mineralischen Hülfs- quellen Großbritanniens, 3) zur Tariffrage.

Die Besißer der Eisenhütten in Nord-England haben eine nochmalige Herabseßung der Löhne der Arbeiter an den Hochöfen um 10% besch{lofsen.

Verkehrs-Anstalten.

Berlin, 13. Januar. Gestern hat hier eine Generalver- sammlung des Vereins der deutschen Privateisenbahnen stattgefunden, in welcher beschlossen worden ist, in einer an den Bun- desrath zu richtenden Denkschrift vom rechtlichen und finanziellen Ge- sihtspunkte aus Verwahrung einzulegen gegen die Annahme der Vor- \chläge, welche das Reichseisenbahn-Amt in einer mehrfach erwähnten Denkschrift Über die Reform der Eisenbahntarife gemacht hat.

und diesen in der nähsten Sißung der Versammlung zur Erklärung darüber auffordert, ob und-wann er die Interpellation beantworten werde. Erklärt der Magistrat sich zur Beantwortung bereit, so wird an dem von ihm bestimmten Tage der Interpellant zu deren näherer Ausführung verstattet. An die Beantwortung der Interpellation oder deren Ablehnung darf si eine sofortige Besprechung des Gegenstandes derselben anschließen, wenn mindestens 10 Mitglieder darauf antragen. Die Stellung eines Antrages bei dieser Besprechung ist unzulässig. Es bleibt aber jedem Mitgliede überlassen, den Gegenstand in Form eines Antrages weiter zn verfolgen.

Die nachfolgenden Paragraphen bezichen sich auf die Geschäfts- vorschriften für die Plenarsißung. Neu ist in denselben nur, Daß Sommerferien für die Monate Juni, Juli und August vorgeschen sind, und daß die Anträge auf Vertagung der Sißung oder Schluß der Diskussion der Unterstüßung von mindestens 20 Mitgliedern be- dürfen, Als Novum is} ferner zu ‘erwähnen, daß Urlaubsgesuche der Mitglieder künftig direkt von der Versammlung bewilligt werden müssen, während bisher die cinfache Anzeige beim Vorsteher genügte.

Zur Regelung der Geschäfte pro 1875 in Ausführung der neuen Geschäftsordnung werden folgende Vorschläge gemacht: 1) Die ordent-

lichen Sißungen der Stadtverordnetenversammlung werden Donnerstags

abgehalten und Nachmittag präzise 5f Uhr (gegenwärtig 4 Uhr) er- öffnet. Fällt der Sißungstag mit einem Feiertage zusammen, fo findet die Sißung am vorhergehenden Dienstag statt. 2) Die Tages- ordnung ter Sißung wird durch alle diejenigen öffentlichen Blätter bekannt gemacht, welche in Berlin täglich erscheinen und sich zum un- entgeltlichen Abdruck der Tagesordnung für die Dauer des Kalenderjahres verpflichten. 3) Zur Vorberathung der Petitionen wird cine Deputation von 14 Mitgliedern gewählt. 4) Zur Vorberathung solcher Finanz- angelegenheiten, welche die Versammlung dazu überweist, wird eine Finanzdeputation von 14 Mitgliedern auf die Daucr dis Kalender- jahres gewählt. 5) Zur Vorprüfung der Etatêüberschreitungen, Nech- nungen und Finanzberichte, welche dazu von der Versammlung über- wiesea werden, wird eine Rehnungsdeputation von 7 Mitgliedern auf die Dauer des Kalenderjahres gewählt. 6) Es können auch Gegen- stände der vereinigten Finanz- und Rechnungs-Deputation zur Vor- prüfung überwiesen werden.

Archäologische Gesell\chaft.

Die Sibßung vom 5. Januar eröffnete Hr. Curtins mit warmen Worten des Andenkens für den am 30. Dezember v. J. verstorbenen, der Wissenschaft nnd seinen Freunden zu früh entrissenen Prof. Dr. Gr. Maß, dem die Gesellschaft vielfahe Anregung und Belehrung verdankt. Dann legte derselbe eine Rethe literarisher Erscheinungen vor: Conze's Götter- und Heroengestalten (Abtheilung 2), Davis Anatolica, Flasch über Phineus-Darstellungen auf Vasen; Perrot über Orithyia; Schubring, sicilishe Studien; einige neugriecische Werke wie Komninos. über peloponnesische Topographie und Luka über kyprische Alterthümer. Bei Gelegenheit von Ecken- brechers Troja wurden die neuen Inschriftsfunde von Hissarlik, die einen äolishen Städtebund bezeugen, erwähnt; sodann die Er- weiterungen der lykischen Sprachkunde, welche Savelsberg verdankt werden, hervorgehoben. Als Ergänzung zu dem Jahresberichte der Archäologischen Gesellschaft in Athen dienten briefliche Nachrichten von Lüders über die Auffindung eines eleusinishen Wegesteines bei der H. Triada, und alter Treppen neten der Wasserleitung des soge- nannten Windthurmes. Endlich benußte der Vortragende den Wiese- lerschen Bericht über Antiken in Oberitalien, um noch nachträglich einige Alterthümer von Turin vorzulegen, namentlich die Photo- graphie einer Bronze-Minerva, welche an den Typus der Parthenos- Statuette von Athen erinnert. /

Nach Erstattung des Kassenberihts durch Hrn. Schubring und ertheilter Decharge wurde der bisherige Vorstand: Curtius, Adler, Schöne und Schubring dur Akklamation wiedergewählt, demnächst als ordentliche Mitglieder der Gesellshaft aufgenommen: Se. Hoheit der Erbprinz von Sachsen-Meiningen, der Königlich griechische Ge- sandte Hr. Rhangabé und der Kaiserlich deutsche Gesandte am grie- chiscben Hofe, Hr. von Radowiß, der russische Staatsrath Dr. Hehn, sowie die Herren Dr, Treu, Dr. Frommann und Dr. Dohme.

Hr. Treu legte ein neuerdings vom Königlichen Antiquarium erworbenes kleines Thongefäß in photographischen Nachbildungen vor und besprah dasselbe. Es is ein Balsamar, dessen Vorder- seite durch die ursprünglich bunt bemalte Büste eines Weibes mit nackter Brust, reichem wallenden Haar und hohem Kopfpußtz gebildet wird. Brust und Schultern sind durch ein wie vom Windes- hauche aufgebau\chtes Gewand umrahmt, an dessen Unterrande ein Ornament sihtbär wird, das der Vortragende durch Vergleich mit einem neuerdings in Südrußland ausgegrabenen Gefäße als eine An- deutung von Meereswellen zu erweisen suchte. Darach wäre ‘in der kleinen Büste eine Darstellung der Geburt der Aphrodite aus dem Schoße des Meeres zu erkennen. As Entstehungszeit dieses durch Erhaltung und Stilvollendung ausgezeichneten Kleinkunstwerks bezeich- nete der Redner ungefähr das 4. Jahrhundert v. Chr. und {loß mit einer Ablehnung der neuerdings versuhten Zurückführung die}es Typus der Aphroditegeburt auf eine Komposition des Phidias.

Den Sckluß bildete ein Vortrag des Hrn. Adler über die neuesten Ausgrabungen der archäologischen Gesellshaft zu Athen an der Nordwestseite der Unterstadt, deren Resultate ebn in der Praktika (1874) von Kumanudes und Papadakis veröffentlicht worden sind. Da der Vortragende den größeren Theil der Auês- grabungen im Frühjahre 1874 selbst gesehen und etwas näher untersuht hatte, so war es unter Vorführung zweier größe- ren Situationspläne möglich, mit der Beschreibung eine kurze kritishe Interpretation der merkwürdigen Bauanlage, als deren Hauptkern das lange gesuchte Dipylon zu betraten ist, zu verbinden. Deutlih erkennbar sind zwei . Thore, das nördlicher belegene zweipfortig (Dipylon), das südlichere einpfortig, beide mit Quadratthürmen bewehrt und vurch vorgeschobene, von sehr dicken (für viele Vertheidiger) Mauern eingefaßte Thorgassen gedeckt. Für die baugeschichtlihe Analyse ist die an allen Feldfronten wahr- nehmbare Anlage des Zwingers (mit Zinnen und Wasserausgüssen versehen) und des trockenen Grabens wichtig, weil die Zwingeranlage in der Fortifikation erst “kurz vor der Justinianshen Epoche auftritt (Procop. De aedif) und fich auch hier durch andere Technik“ in der Struktur, sowie der mangelhaften Anschlüsse halber als eine Zusaßanlage zu erkennen giebt. Ihre Verwandtschaft mit der (allerdings sehr viel großartige- ren) Zwingeranlage zu Konstantinopel wurde betont und dann der

Die unterirdische Eisenbahn in London, die in Kurzem nah dem Osten der Metropole ausgedehnt sein wird, beför-

dert während cines Jahres im Ganzen 73 Millionen Passagiere und |

konsumirt in ihren Waggons, die den ganzen Tag hindur erleuchtet find, die nämliche Anzahl von Kubikfuß Gas. Zwei Drittel der Passagiere find Mannépersonen und ein Drittel Frauenspersonen. 70 % sämmt- licher Passagiere reisen dritter Klasse, 20 % zweiter Klasse und 10 % erster Klasse. Der britische Arbeiter wird von Süd-Kensington nach Moorgatestreet und zurück, eine Strecke von je 7} Meiler für 2 Pence per Tag, oder 90 Meilen die Woche für einen Schilling befördert. Täglich fahren 1000 Züge über das Nez der Eisenbahn, und das von 45 Millionen Passagieren gezahlte durchschnittlihe Fahrgeld be- trägt 27 Pence per Person.

Plymouth, 11. Januar. (W. T. B.) Der Hamburg-Ameri- kanische Postdampfer „Westphal ia* ist hier eingetroffen.

New-York, 12. Januar. Der Dampfer „Amerik a" vom Norddeutschen Lloyd ist hier eingetroffen.

Aus dem Wolff’schen Telegraphen-Bureau.

New-York, Mittwoch, 13. Januar. Auch der Gouver- neur von Missouri hat fich gegen das Verhalten des Gouver- neurs Kellog und des Generals Sheridan ausgesprohen und die Vergewaltigung Louisiana's als eine \{chwere Schädigung der republikanishen Institutionen bezeichnet.

Nachweis geliefert, daß der große liegende, von Morosini nach Ve- nedig entführte Marmorlôwe, den der Pariser Anonymus und Babin erwähnen, seinen Standplatz links an der Jnnenseite des Dipylon, wo der Unterbau einer gesäulten Halle mit Wasserbecken und Rinnen ge- funden worden ist, gehabt hat. Ein besoxderes Gewicht legte der Vortragende auf die in dem Situationsplane markirte Thatsache, daß beide Thore ursprünglich mehr zurück (ostwärts) gestanden haben“ und in einer späteren Zeit nach der Feldseite hinaus- geshoven worden find, wobei das füdliber belegene Thor (wabrscheinlich das „heilige Thor“) großentheils konfervirt wurde. Berbindet man den nördlihsten Theil der Ringmauer mit den thurm- artigen Thorpfeilern dieses älteren Thores dnrch eine gerade Linie, fo fallen alle Theile in eine Flucht, und die gezogene Linie \chneidet die Südmauer der vorge’chobenen Dipylon Thorgasse ganz in der Nähe der Fundstelle, wo die merkwürdigen Bruchstücke der Diskusträgers Stele zu Tage gekommen sind. Es liegt daher nahe, in dieser älteren Fluchtlinie und ‘hrer Thor- und Mauerreste die Richturg und die Bruchstücke der Themistokleishen Ringmauer zu sehen, während die feldseitige Auslage der beiden Thore und ihres Zwischenfiückes einer \pâteren Zeit am chesten der des Lykurgos angehören muß.

Theater.

Se, Majestät der Kaiser und König wohnten am Mon- tag Abend der Vorstellung dec „Sieben Raben“ im Viktoria- Theater bis zum Schlusse bei. Daß die „Sieben Raben“, obwohl jeit Monaten allabendlih gegeben, ihre Anziehungskraft keineswegs ein- gebüßt haben, bewies der zahlreiche Besuch, dessen sich die hundertste Vor- stellung diefer Feerie, die aîn Montag stattfand, zu erfreuen hatte. Die Darsteller thaten ihr Mögliches, um dur Frische und Origina- lität des Spieles den Erfolg des Abends zu sihern; das Publikum erkannte ihre Bemühungen durch häufigen und lebhaften Beifall an.

Im National-Theater findet heute das Bencfiz des Hrn. Menzel statt, des beliebten Charakterkomikers, welcher dieser Bühne seit ihrer Eröffnung angehört, und gelangen zur Aufführung „Der Vetter“, „Das Schwert des Damokles“ von G. zu Putlißz ; und Koßebue's „Freimaurer“. Am Sonntag wird D-. Georg Horns Schauspiel: „Eine Tochter Brandenburgs“ in Scene gehen.

Im Belle-Alliance-Theater wird heute auf allgemeines Verlangen noch einmal und zwar zum letzten Male in dieser Saison „Die Jungfrau von Orleans“ aufgeführt. Die Direktion hat es fih angelegen sein lassen, der Tragödie die glänzendste Ausstattung zu geben. Gegen 100 Personen in prächtigen Kostümen sind bei dem großen Krönungszuge betheiligt.

In der Soirée des Herrn Böttcher im Saaltheater des Königlichen Schauspielhauses bildet in dieser Woche die erste Abthei- lung eine malerische Wanderung durch Süd-Afrika und Ostindien, Die efffektyollen Bilder, welche einander folgen, sind: des Löwen U-eber- fall, Sklavenjagd, das Opfer der Wüste, afrikanishes Nachtmahl, Jemen, Turkomannische Steppenräuber, das Himalaja-Gebirge (Hin- dukusch), Ostindiens Vegetation, Urwälder und ihre Bewohner, Rhi- nozeros, Elephanten-Familien und Kämpfe, der bengalische Königs- tiger, Jagdscenen, ostindishe Architektur, Paläste und Tempel zu Alhabad, Delhi, Agra und Calcutta, Jahrtausend alte Tempel zu Ellora, Elephanta und Turon, die ÎInsel Borneo, Riesenschlange, der Waldmensh. Jn der zweiten Abtheilung sind die astronomischen Vor- stellungen durch mikroskopishe Bilder erseßt worden, die vermöge einer neuen Darstellungsweise eine bisher noch nicht erreichte Vergrö- ßerung des Objekts bei größter Helligkeit und Schärfe ermöglichen, daher Gegenstände veranschaulichen, die bisher noch nit darstellbar waren, Die erste gegenwärtig gezeigte Folge der mikroskop: schen Bilder beschäftigt sich mit den mannigfachen feinen Organen (Augen, FJühler, Füße, Mund, Stachel, Zunge, Athmungswerkzeuge 2c.) der Insekten, wozu die Professoren Dr. Beneke und Dr. A. Müller zu Königsberg die kunstvollen Präparate geliefert haben. Auch in die Soirée fantastique hat das Programm dieser Woche neue Abwechse- lung gebracht.

Prozeß Ofenheim.

Wien, 12, Januar. Heute gelangte der Punkt wegen der dem Angeklagten von ten Fabrikanten gewährten Provision zur Verhand- lung. Ofenheim giebt an, die Fabrikanten hätten die Provision an- geboten und er habe dieselbe für die Gesellshaft angenommen. Der Berwaltungsrath aber habe fie ihm als Remuneration überwiesen, Der Gerichtsvorsißende hält dieser Angabe die Aussage des Fabri- kanten Siegl gegenüber, nah welcher Ofenheim selbst die Provision gefordert habe, Die vorgefundene Rechnung über die Verwendung der Provifion wird von dem Angeklagten nicht anerkannt, weil er sich niemals zur Rechnungslegung darüber verpflichtet gehalten have und berechtigt gewesen wäre, die ganze Summe für sih zu behalten. Darauf werden die Aktenstücke, welche diesen Anklagepunkt betreffen, verlesen, darunter das Protokoll der Sißung des Verwaltungsraths vom 23. Oktober 1865, wonach der General-Direktor damals ermäch- tigt wurde, aus den bewilligten Provisionen die Vorarbeiten zu be- treiten. | In der heutigen Abendsißung wurde über die Verhältnisse der rumänischen Bahnlinie (Suczawa-Jassy) verhandelt. Der Angeklagte erklärte, bei Erwerbung der Konzession für diese Linie habe eine starke preußische Konkurrenz von Seiten Strousbergs und des Herzogs von Ratibor überwunden werden müssen. Die Konzession sei von ihm felbst (Ofenheim), von dem Fürsten Sapieha, dem Fürsten Jablonowski, Gisfkza und Englaender erworben worden, weil die rumänische Re- gierung einer anonymen österreichishen Gesellschaft dieselbe nicht habe ertheilen wollen, Für die Cedirung der Konzession an die Gesellschaft habe jeder der Konzessionäre 10,000 Pfd. erhalten. Der Bahn- beamte Herz habe ebenfalls 100,000 Fres. für fine Mitwirkung bet den Bemühungen um Ertheilung der Konzesfion empfangen. Die Er- werbung der leßteren sei von einer außerordentlichen Generalyersamm- lung einstimmig beschlossen. Aus der Korrespondenz zwischen Herz und Ofenheim, welche verlesen wurde, ergiebt sich, daß Beide überein- gekommen waren, den Gewinn unter sh zu theilen.

S Redacteur: F. Prehm. Verlag der Expedition (Kessel). Dru: W. Elsner. Drei Beilagen (einshließlich Börsen-Beilage.)

Berlin :

Erfte Beilage

zum Deulschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Slaals-Auzeiger.

F 10,

Neichstags- Angelegenheiten. (Fortseßung der Reden aus dem Hauptblatt.)

In Betreff des zu 4 von dem Abg. Grafen Ballestrem gestellten Amendements bemerkte der Bundesbevoll- mächtigte General-Major v. Voigts-Rheßz:

Meine Herren! Das Amendetnent des Grafen Ballestrem und Genossen kann ich nicht ohne einige Bemerkungen lassen, weil es ge- wisse Gefahren involvirt. Jh mache zunäthst darauf aufmerksam, Laß den Landsturmpflihtigen wohl Rechte aber nicht Pflichten auf- erlegt werden follen; ferner, s nach dem Wortlaute der Landsturm, wenn er aufgeboten, aber noch niht cinbeordert ist, nah diesem Amendement bereits Familienunterstüßungen beziehen müßte, ein Bor- theil, der feinem Landwehrmanne zu Theil wird, der selbstverständlich erst einberufen sein muß.

Berner muß ich noch hinzufügen, daß die von den Herren An- tragstellern ausgesprochene Besorgniß, wonach die §8. 5, 647 De Kriegsdienst geseßes Anwendung finden sollen, keineswegs begründetist. Es liegt lediglich in der Absicht, daß die Leute genau sowie jeder Ersatz- Reservist IL. Klasse der zur Stammrolle sich wieder anmelden muß in die militaizische Kontrole, und wenn sie einberufen find, in die militgirishe Disziplin treten. Die Besorgniß {eint mir auch voll- ftändig beseitigt, weil der §. 5, des Näheren angiebt, was ver- standen ift. : i

Ich möchte deshalb bitten, daß das Amendement abgelehnt werde.

In der Diskussion über §, 5 nahm derselbe Bundes- bevollmächtigte nah dem Abg. v. Schorlemer-Alst das Wort:

Meine Herren! Dem eben von dem letzten Herrn Vorredner citirten Denkspruch Scharnhorsts gegenüber möchte ich auf das Gesetz vom 3. September 1814 ‘verweisen, das an fels Spiße den Saß stellt: „In einer gesezmäßig organisirten Bewaffnung der Nation licgt die sic/erste Bürg]haft für einen dauernden Frieden.“ Hier in diesem Geseß wird ein weiterer Schritt in der geseßmäßigen Organisation der Bewaffnung der Nation gethan.

Zunächst werde ih mich im allgemeinen aussprechen über den Standpunkt, den die verbündeten Regierungen dem 8. 5 gegenüber einnehmen, und mir dann erlauben, auf die Ausführungen der beiden Herren Antragsteller näher einzugehen.

Was die rechtlihe oder die verfassungsmäßige Seite der Sache betrifft, so werde ih Sie damit nicht weiter behelligen; der §. 5, dex hoffentlich angenommen werden wird, wird die bestehende Kontro- verse erledigen, In dem Bericht Ihrer Kommission auf Seite 9 ff. ist die Auffassung der verbündeten Regierungen niedergelegt; sie ift früher und auch jeßt angefochten worden und ich glaube, daß ih nichts mehr anführen könnte, was geeignet wäre die Meinungen aufzuklären. Jh werde mi vielmehx bemühen, etwas zur Beruhigung der Ge- müther beizutragen, was bei der Tragweite, welche man diesem Pa- ragraphen beimißt, wohl am Orte sein möchte.

Man hat gesagt, daß dieses Landfturmgesetßz gewissermaßen die Wiedergeburt des zweiten Aufgebots sei, und ist dabei ganz außer- ordentlih von der richtigen Auffassung abgewichen. Dieses Land- flurmgeseß soll einen Landsturm organisiren, der mit dem zweiten Aufgebot ungefähr so viel Aehnlichkeit hat wie der Tag mit der Nacht. Das zweite Aufgebot, meine Herren, beruhte auf einer ganz anderen Organisation, einen ganz anderen Gedanken, Es ist Ihnen bekannt, daß die ersten Geseße vom Jahre 1813 nur die Landwehr und den Landsturm kannten, erst das Geseß vom 3. September 1814 hat das zweite Aufgebot geschaffen, indem es die Mannschaft vom 33, bis zum 39, Jahre dazu bestimmte. Die folgenden Gesetze, namentlich das vom Jahre 1815 und die Praxis haben illustrirt, was man unter dem zweiten Aufgebot verstand. Dieses zweite Auf- gebot, wie es bis zur Reorganisation der Armee bestanden hat, war eine vollkommen organisirte Truppe, aus ausgebildeten Mannschaften bestehend, im Alter vom 33, bis 39. Lebeusjahre, iu analoger Weise, wie dies bei der Landwehr ersten Aufgebots der Fall war. Bei Mobilmachungen wurde die Landwehr zweiten Aufgebots mit der Landwehr ersten Aufgebots gleichzeitig einberufen und mußte ein- berufen werden, weil die Landwehr ersten Aufgebots bestimml war, ins Feld zu rücken, während die Landwehr zweiten Aufgebots die festen Pläße beseßte. Jeßt sind wir in einer ganz anderen Lage. Wir haben die große Zahl von 293 Besaßungs-Bataillonen. Diese Be- saßungs-Bataillone sind bestimmt, eine gewisse Zahl von Reserve- Divisionen zu formiren und den Rest zur Beseßung der Festungen herzugeben. Wir bedürfen also weder eines zweiten Aufgebots, nech eines Landsturms zu diesem Zweck. Für diese Besaßungs-Bataillone und in erster Linie für die, die bestimmt find, die Rejerve-Divisionen zu bilden, wollen wir keineswegs landsturmpflihtige Mannschaften zur Kompletirung haben. Gestatten Sie mir, auseinanderzuseßen, wie der Ersaß des Abgangs gedacht is und stattfinden foll. In jedem Armee-Corps sind 2 Landwehr-Ersaßbataillone formirt. In diefe Landwehr-Ersaßbataillone werden Leute eingestellt, die ihrem Lebens- alter nach zur Landwehr gehören, aber augenblicklich infirm, d. h. frank oder zu {wah find, und außerdem je 400 Mann aus der Ex- saßreserve, welhe der Landwehr angehört; aus diesen Bataillonen werden die im Felde stehenden Landwehrtruppen durch Nachersaßtz komplett erhalten. Wenn nun in §. 5 festgeseßt ist, daß der Land- sturm bestimmt sei, in Fällen außergewöhnlichen Bedarfs die Land- wehr zu ergänzen, so ist darunter nicht zu verstehen, und auch weder von den verbündeten Regierungen, noch von Ihrer Kommission ver- standen worden, daß man aus dein großen Topf der ges die sich beiläufig bemerkt nicht, wie Hr. von Schorlemmer meint, auf 3—400,000, sondern auf 2 Millionen Mann, nämli auf 9% der Nation beziffern, ih sage, daß man aus diesen großen Topf beliebig die Landwehr zu ergänzen nit verstanden hat, sondern mai wird aus den Landwehr-Ersaßzbataillonen den Ersaß nachschieben, und wenn es die Verhältnisse erfordern, eventuell aus den in der Heimath befindlichen Bescßungskataillonen die Verstärkung der Bataillone draußen vornehmen, natürlih erst, wenn deren Ersaßbataillone er- \{öpft sind. Noch mache ih darauf aufmerksam, daß das nur in einem sehr vorgeschrittenen Stadium eines Krieges geschehen könnte.

enn man aber die Landwehr-Besaßungsbataillone dauernd schwächen wollte, ohne ihnen selbs wieder Ersatz zuzuführen, so würde das mili- tärish sehr unverständig sein; wir müssen die Festungs - Besaßzungs- bataillone vielméhr komplett erhalten, damit sie, wenn der Feind uns zurückgeworfen, und die Invasion droht, im Stande sind, die Verthei- digung des Landes selbst wirksam zu übernehmen. Um dies zu er- reichen, müssen diese Bataillone durch körperlih tauglihe Mannschaf- ten ergänzt werden, die entweder in chnen ausgebildet werden, oder aber in Fällen dringenden Bedür Belagerung in wenigen Wochen oder vielleicht in wenigen Tagen be- vorsteht, dann muß man auf ausgebildete Mannschaft zurüd- greifen, Rekruten in eine Festung bringen, heißt nichts weiter thun, als fie zu einem Massacre bestimmen, welches für die sofortige Ver- theidigung nichts nüßt. 5

Es ist, wie ih glaube nahgewiesen zu haben, die Ang, daß wir mit diesem eseße das 2. Aufgebot wieder aufleben lassen wollen, fan unbegründet; wir wollen Nichts erreichen als das, was dies Geseß mit klaren Worten sagt, wir wollen, wenn das Vater- land so ernst bedroht ist, daß cine feindlice Invasion bevorsteht, das Vaterland wirksam vertheidigen können. Wir wollen nit eine Masse braver, patriotischer, aber für den Kampf unbrauchbare Leute zu- sammenbringen, die ohne Organisation weiter Nichts sind, als Ka- nonenfutter, sondern wix wollen unter Berüfsi tigung aller uns gün- tigen Faktoren, unter Herausgabe von brauchbaren Waffen aus un- eren Vepots eine möglichst ]chlagfertige Truppe schaffen, die ihrem

nisses, daß heißt, wenn

Berlin, Milavoch, den 13. Januar

Zwecke entspriht, und die dem Feinde mindestens so viel Abbruch thut, wie ste selbst erleidet. Das hatte ich im Allgemeinen über das 2. Aufgebot und die Heranziehung der Landfturmpflichtigen zu sagen.

Ich komme nun zunächst auf die Auslaffungen des Herrn Schor- lemer-Alst. Herr Scho1lemer-Alst hat deduzirt, daß diefes Gesetz, wenn Sie den §. 5 annehmen, uns eine außerordentlich starke finan- zielle Belastung in Ausficht stellt, „er ist aker für seine Behauptung lede Spur eines Beweises \chuldig geblieben; ich bin in der Lage, dem Hrn. v. Schorlemer-Alst darauf zu antworten, daß auch nit ein Silbergroshen Lasten daraus erwähst. So lange die Leute auf dem Lande bei ihrer Arbeit find, wird kein Mensch auf den Gedanken kommen, Montirungsftücke für sie vorräthig zu halten; wir haben in der That niht daran gedacht, wir haben die Beschaffung von Er- kennungszeihen nicht einmal in Ausfiht genommen. Die Waffen haben wir so wie so in den Depots; also eine Belastung findet nicht statt; ih stelle dies auf das Entschiedenste in Abrede.

Ferner meint Hr. v. Schorlemer-Alst, wir würden sofort in dem Moment der Mobilmachung des Landsturms bedürfen. Wir werden diesen nicht bedürfen. Sie haben bei der Berathung des Militär- geleßes so häufig und so viel darüber von allen Seiten sprechen hôren, daß wir, nachdem die Organisation durchgeführt ist, auf lange Zeit mit den erforderlichen Mannschaften versehen find, welche die Armeen brauchen. Die einzige Ausnahme, wo wir fie noch nicht in

genügender Zahl haben, weil die Reorganisation noch eine junge ift,

ib DiE Spezialwaffe der Fuß-Artillerie. Wohl aber können wir künftig einmal, wenn der Krieg nicht 7 Tage oder 7 Monate, sondern zwei oder drei Jahre dauert, was zu verhindern man nicht in der Hand hat, möglicherweise in die Lage fommen, von diesem Geseße und in specie vom S. 5 Gebrau zu machen. Es ist zwar gesagt worden, daß dann, wenn die Noth käme, dann brauche man ein Gese. Gerade für diesen Fall der Noth muß man das Gesetz machen. In so {weren Zeiten joll exst recht Alles auf dem Recht bestehen und niht auf der Willkür. Hr. von Schorlemer-Alst hat ein noch grausigeres Gespenst aus diesem Geseß gemacht. Er hat behauptet, daß durch dies Geseßz, wie wir es zu machen im Begriff seien, ganz Europa in die Waffen gerufen werde; es werde in Waffen starren. Meine Herren! Wir thun als die Leßten den Schritt. Hrn. v. Schorlemer wird es wohl bekannt sein, daß England sofort, als es erkannte, scine Landarmee reiche nit aus, eine organisirte Miliz geschaffen Hat, die viel weiter geht, als das, was mit diesem Geseße je erreicht werden kann. Den Herren ist bekanut, daß Frankrei eine zwanzigjähríge Dienftzeit angenommen hat, daß es neben seiner Feldarmee mit der Organisation einer korrespondirenden Territorialarmee beschäftigt ift, die der Zahl und Organisation nach ungleich weiter geht. als das diesscitige Geseß es in Ausficht nimmt, Ebenso hat Rußland seine Landwehr vollkommen organisirt, und wir werden Niemanden indu- iren, dieses Geseßes wegen einen Schritt weiter zu gehen,

Dann hat Herr von Schorlemer gemeint, der Brüsseler Kongreß habe sih mit dem vagen Begriff von auf Schußweite erkennbaren Abzeichen beschäftigt; er hätte besser gethan, lieber für die Abrüstung zu jorgen; dann brauchte man dergleichen Dinge nicht. Es geht aus dieser Acußerung hervor, daß Herr v. Schorlemer-Alst die Konvention nit gelesen hat; es steht nichts von Erkennbarkeit auf Scchußweite darin; man hat diesen Ausdruck im Gesceße angenommen, weil er bei uns ein landläufiger ist. Es steht in der Brüfeler Konvention: une marque oder signe destinctif fixe et reconnaissable à distance, d. h. in einer gewissen Entfernung erkennbar. Aber man hat nicht fiar Fan daß das Abzeichen auf 2400 Schritt erkennbar ein joll.

Ferner hat Herr von Sgtorlemer hervorgehoben, daß in der Hand eines kühnen Staatsmannes dies Landsturmgeseß eine s\o for- midable Armee herbeizuführen im Stande wäre, daß es ihn verleiten würde, eine äußerst offensive Politik zu treiben. Jch nehme nicht An- stand, dem Landsturm alle Ehre angedeihen zu lassen, ih erwarte sehr viel von ihm, wenn er zweckmäßig organisirt, richtig und im entschei- denden Moment verwendet wird; aber um eine Offensivpolitik zu treiben, dazu ist er nicht geeignet.

Das eigene Resumé des Herrn Abg, Schorlemer spricht es aus, er exkenne in dem durch dies Eeseß geschaffenen Landsturm eine Ver- mehrung des aktiven Heeresstandes. Meine Herren, ih halte, nach- dem wie ich mich ausgesprochen habe, nicht mehr für erforderlich, das zu widerlegen. Da kein Mann mehr in der Friedensarmee ein- gestellt werden sol, so wird selbstverständlich auch der aktive Heeres- bestand nicht vermehrt.

Was den Militarismus anbetrifft, so glaube ich, kann ih auch hier von einer Erwiderung absehen. Dur cine vom Reich durch seine geseßlichen Faktoren wohlgeordnete Organisation ist eben cin geseßlicher Zustand, nicht ein Militarismus geschaffen.

Was die Ausführungen des Herrn Abg. Düncker anbetrifft, fo erlaube ih mir, mit den beiden Amendements in der Hand darauf zu erwidern. Beide Amendements find im E und Ganzen kfonform, beide wollen, daß die Worte: „in der Regel ® herausgestrichen werden, d. h. daß der Landsturm prinzipiell immer in besondern Ab- theilungen formirt werden soll.

Ferner wollen beide Herren das Alinea 2 und 3 gestrichen wissen, d. h. der Landsturm darf niht zur Ergänzung oder Kompletirung der Landwehr herangezogen werden; nur hat der Herr Abg. Duncker noch einen kleinen Zusaß gemacht, indem er im Eingange fordert: Der Landsturmpsflichtige als solher solle überhaupt ein erkennbares Ab- zeichen tragen, gewissermaßen als Viatikum auf seinem neu be- gonnenen militärischen Wege. Ih möchte Hrn. Duncker bitten, davon Abstand zu nehmen. Das Jahr 1813 hat den Landsturm und die Landwehr geschaffen nnd für ¿weckmäßig gehalten, ihnen dasselbe Zeichen zu geben, das Laudwehrkreuz. Jch wüßte keinen Grund, weswegen man nun dem Landsturm noch ein befonderes Kreuz oder Zeichen geben soll, damit er nicht mit der Landwehr verwechselt werde. Einen ma- teriellen Nußen hat es gewiß nicht, und einem Institut, welches wie die Landwehr und der Landsturm gewohnt find, sich doch mindestens als verwandt anzusehen, wird es mehr entsprechen, wenn man es beiur Alten läßt, das heißt, ihnen ein gleiches Zeichen giebt.

Was die Formation in besondere Abtheilungen betrifft, fo halte ich es im Interesse des Zweckes und der A selbst nit für zweckmäßig, dies als unumstößlihe Regel festzustellen. Nehmen wir an, wir hâtten nicht genügend qualifizirte Offiziere und die Landwehr- Bezixrksbataillone in den Festungen bereits sehr geshwächt, Es han- delt fich darum, eine Verstärkung der Besaßung L G Würde es nun militärish vernünftig sein, die Mannschaft ohne Offi- ziere, ohne feste Organisation in die betreffende Festung hineinzulegen und weil das Gesetz es bestimmt, in besondere Abtheilungen zu for- miren, während man die 2 oder 300 Mann, welche erforderlich, zweck- mäßig in das betreffende N einstellen kann, ihre Dienste wirksam macht und ihnen die Vortheile zuwendet, die n eine verstän- dige Organisation und Führung vor dem Feinde ihnen zufalien können? Gewiß niht! Was würde jene Jsolirung denn aber im Sinne des Geistes des Landsturmes bedeuten? Den trifft sie jedenfalls nicht. Der Landsturm ist recht eigentlich da, um das Land im letzten Mo- ment zu vertheidigen. Wenn nun in den festen Pläßen, den leßten Bollwerken der Vertheidigung, der Landsturm einmal herangezogen ist, warum foll ex dann die Vertheidigung nicht in enger Gemeiù- Bar mit den betreffenden Truppen vornehmen, warum besonders

ormirt sein? wird ihm dadurch vielleicht ein Nachtheil, eine Unbill zugefügt? Im Gegentheil! Nehmen Sie, bitte, einmal den Fall an, Sie haben organisirte Artillerie-Compagnien und eine Zahl von Landfstürmern in_ derselben eftung. Mit je- nen Compagnien könnten Sie die Leute ganz vortreff-

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lih verwenden. Disponible Artillerie-Offiziere haben Sie gewiß nicht, und nun denken Sie sih die Landstürmer in besondere Abthci- lungen ohne Offiziere formirt. In den Kompagnien werden fie vom grözten Nußen sein, isolirt dagegen zu Schanden geschossen, ohne der Vertheidigung zu helfen. Ohne intelligente Leitung ist Artillerie des Landsturms nicht zu gebrauchen! Sie würden den Dienst dieser Leute unnüß machen, ihr Leben und ihre Existenz aber auf das Spiel setzen, fann nur dringend bitten, daß Sie die Worte: ein der Regel“ stehen lassen, und den §. 5, der wahrlich nicht ohne {were Wehen geboren ist, annehmen und dadur der Sache ein gedeihliches Ende geben wollen, denn wir haben beim besten Willen und allseiti- gen Entgegenkommen nichts Besseres zu Stande zu bringen vermocht. Hr. von Schorlemer hat dann endlih noch die Worte: „verwend- bare Mannschaften der Crsatreserve“ besonders bemängelt und ihnen einen absonderlichen Sinn unterlegen wollen. Das muß ih noch aufklären. Es liegt wiederum in der gesunden militärischen Vernunft, daß man die Leute für die Zwecke, wozu man sie nöthig hat, auch herausfuchen muß. Ich srage: würde es wohl zu verantworten sein, zu einer Zeit, wo man vielleicht in 48 Stunden das Gewehr in die Hand nehmen und fih {lagen muß, alte Ersaßreservisten, die nie ein Gewehr in der Hand gehabt haben, einzubeordern und für nichts und wider nichts aus ihren heimathlihen Verhältnissen herauszureißen? Gewiß nicht. Man wird in folhem Moment auf ausgebildete Mann- schaften zurückgreifen müssen. Wenn es ih aber darum handelt, zu Schanzarbeiten und anderen Diensten Leute einzubeordern, dann würde es höchst unverftändig fein, alte Männer, weil sie aktiv gedient haben, zn nehmen und die jungen Arbeitskräfte feiern zu lassen. Es liegt keineswegs in der Absicht, hier eine Prägravation der {hon gedienten Leute über das Maß des unerläßlich Nothwendigen eintreten zu lässet. Muß mit diesem Maße aber einmal gemessen werden, dann darf man nicht davor zurücksrecken, es zu thun; es würde eine grobe Uñwahr- heit fein, wenn ih erklären wollte, wir würden unter allen Umständèên lediglich nach den Jahresklassen die ausgebildeten Leute und die Ersaß- reserve heranziehen, felbst für Zwecke, wo leßtere garnicht zu gebrau- chen find. Das werden Sie auch von keiner einsichtsvollen Shereb leitung erwarten. Ich kann nur bitten, daß Sie die Amendements ablehnen und die Anträge Ihrer Kommission zu den Jhrigen machen wollen.

Die Rede des Königlich bayerischen Justiz-Ministers Dr. von Fäuftle aus der gestrigen Sitzung des Reichstags, die uns bei E Blatts noch nicht vorliegt, werden wir morgen ver- öffentlichen.

In der Sißung der Bankgeseßkommission am 10. Ia- nuar wurde §. 38 ohne Debatte einstimmig genchmigt. Zu §. 39 erhoben sich Bedenken, daß die Fassung des Paragraphen zu dem Mißverständniß Anlaß geben könnte, als ob Stillschweigen nur über einzelne Geschäfte, nicht aber über allgemeine Geschäftsdispositionen, 3. B. Beschlüsse über Diskontoerhöhungen, zu bewahren sei. Man licß jedoch das Bedenken fallen. Zu §. 40 wurde auf Antrag des Abg. Dr. Lasker beschlossen, zwei neue Nummern hinzuzufügen, wo- nach im Statut geregelt werden sollen die Mitwirkung der Antheils- eigner bei Vermehrung des Grundkapitals, sowie die Bedingungen des Ankaufs von Effekten für fremde Rechnung. Zu 8. 41 erhob sich eine sehr lebhafte Debatte über die Betheiligung des Reichstags an der Verlängerung der Konzession der Reichsbank; während der Abg. Dickert eine Mitwirkung des Reichstags bei der Kündigung be- antragte, wünschte der Abg, Dr. Lasker die Mitwirkung des Reichs- tags zur Verlängerung der Konzession. Der Abg. Dr. Braun bean- tragte, daß die Kündigung auf Antrag des Reichstages zu erfolgen habe, und Abg. Dr. Bamberger, die Konzession mit dem 1. Januar 1891 erlöschen zu laffen. Der leßtere Antrag wurde \{chließlich angenom- men, und wurde auf Antrag des Abg. Dr. Lasker sodann ein beson- derer Paragraph angenommen, welcher den 2. Theil des §. 41 (Rechte des Reichs bei Auflösung der Bank) enthält.

Am 11. d, M. Abends legte die Kommission die Debatte über

S. 44 fort. §. 44 giebt die Bedingungen an, unter welchen die hin- fichtlich der Privatnotenbanken vorgeschlagenen beschränkenden Bestims- mungen keine Anwendung finden sollen. Dagegen stellte der Abg. Dr. Bamberger in Form eines Zusabes zu §. 7, welcher die Geschäfte bezeichnet, die den Notenbanken nicht gestattet sind, folgenden prinzi- piellen Antrag: „§. 7. Die Banken, welche Noten ausgeben, er- langen durch gegenwärtiges Geseß mit der Gestattung des Umlaufs ihrer Noten zugleich die Befugniß, im gesammten Reichs ebiete durch Zweiganstalten, Agenturen oder stille Betheiligung Bankgeschäfte zu betreiben. Dagegen ist ihnen untersagt u. f. w. (wie §. 7 der Vor- lage)“. Dieser Antrag wurde mit 14 gegen 7 Stimmen abgelehnt; hiernach auch die sämmtlichen Bambergerschen Auträge zu §. 44 und der dazugehöôrige, vom Abg. v. Varnbüler gestellte, alsdaun zurück- gezogene und vom Abg. Braun wieder aufgenommene Antrag: „§8.7 : Ihre (der Banken) Befugniß zur Ausgabe von Banknoten erlisht, wenn der Termin ihres Privilegiums nicht Ee abläuft, mit dem 1. Ja- nuar 1891, ohne daß ihnen ein Anspruch auf irgend welche Entschä- digung zustände.“ Es wurden alsdann Einleitung und Nr. 1 und 2 des §. 44 beinahe einstimmig angenommen. Diéfelben lauten: „Die be- \hränkenden Bestimmungen des §. 43 finden auf dicjenigen Banken keine Anwendung, welche bis zum 1. Januar 1876 folgende Vorausseßungen er- füllen: 1) die Bank darf ihre Betriebsmittel nur in den im 8. 14 unter 1 bis 4 bezeihneten Geschäften, und zwar zu -4, bhôdstens bis zur Höhe der Hälfte des Grundkapitals der Bank und der Reserven anlegen. Sie hat jeweilig den Prozentsaß öffentlich bekannt zu machen, u welchem fie diskontirt oder zinsbare Darlehne gewährt; sie hat fointer den Stand ihrer Aktiva und Pasfiva vom 8., 15., 22. und leßten jeden Monats nah den im §. 8 für die Monatsbilanzen ge- troffenen Bestimmungen aufzustellen und pätestens an dém darauf folgenden fünften Tage auf die im §. 8 vorgeschriebene Weise zu veröffent- lichen. 2) Die Bank legt von dem sich jährlich über das Maß von 43% des Grundkapitals hinaus ergebenden Reingewinn jährlih min- destens 20 % so lange zur Ansammlung eines Reservéfonds zurü, als der leßtere nicht ein Viertheil des Grundkapitals beträgt“ Nr. 3 lautet: „Die Bank verpflichtet sih, für den Betrag ihrer im Umlauf befindlihen Banknoten jederzeit. mindestens ein Drittheil in coursfähigem deutschem Gelde, eichskassenscheinen oder in Gold in Barren oder A Münzen, das Pfund fein zu 1391 Mark gerechnet, und den Rest in diskontirten Wechseln, welche eine Verfalls geit von höchstens drei Monaten haben und aus welchen in der Regel drei, mindestens aber zwéi als zahlungsfähig bekannte Verpflichtete haften, in ihren Kassen als Deckung bereit zu halten." Hierzu wur- den von den Abgeordneten Dr. Lasker und Sonnemann Anträge wegen der Deckung der Depositen gestellt, vom Abg. Schröder SLUEH Erhöhung der F Deckung auf ‘/19 beantragt. Jedoch wurden alle An- träge abgelehnt und Nr. 3 unverändert angenommen. Heut wird die Kommission die Berathungen zu Ende führen, und findet deshalb heut keine Plenarsißung des Reichstags statt.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Am 18. d. Mts., Abends 8-Uhr, wird zur Eröffnung des neuen Unterrihtskursus in der Stolze'schGen Steno raphi, im Hörsaal Nr. 1 der Königlichen Gewerbe-Afademie, Kloîterstraße 36, ein allgemeiner Vortrag über das Wesen der Stenographie abge- halten werden, zu welchem der unentgeltliche Eintritt auch mie iat en sich für Stenographie interessirendèn Personen gestattet Pu wel e fich niht im Besiß der für den Kursus selbs erforderlichen Eintritts- karten besinden.