1875 / 12 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 15 Jan 1875 18:00:01 GMT) scan diff

des gedahten Geseßes strafbar. Dem Pfarrverweser K. wurde das Dn zu A. provisorish übertragen, in welchem er geistlihe Amtshandlungen auh dann vornahm, nahdem er vom Ober-Präsidenten benachrichtigt worden, daß das Zwangs- verfahren behufs Wiederbesezung der Stelle (8. 18, Abs. 2 des Geseßes vom 11. Mai 1873) eingeleitet sei. Wegen Verleßung des S. 23 des gedachten Gesetzes angeklagt, wurde derselbe in zweiter Instanz verurtheilt, indem der Appelationsrichter von der Rechtsanshauung ausging, daß ein Pfarramt überhaupt nur dauernd wieder besezt werden könne dur Bestellung eines Pfarrers, und daß deshalb au nur eine definitive Bestellung zum Pfarrer einen Geistlihen zu einem im Sinne der 88. 18 und 23 dauernd angestellten Pfarrer machen könne. Dieser Anschauung \{loß fih auf die Nichtigkeitsbeshwerde des Angeklagten das Ober- Tribunal an, indem es ausführte: Die 3 11 und 23 des Ge- seÿzes vom 11. Mai 1873 geben zunächst ihrem Wortlaute nah keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß unter einem niht dauernd verwalteten Amte nur ein jederzeit widerruflihes Amt ver- ftanden worden sei; im Gegentheil weisen die Ausdrücke „dauernd zu besezen“ und „Wiederbeseßzung der Stelle‘. darauf hin, daß unter einer dauernden Anstellung nur eine definitive Verleihung der Stelle, und mithin unter einer niht dauernden Verwaltung niht blos eine jederzeit widerruflihe, sondern eine jede provisorishe Verleihung. ohne Rücksicht auf ihre beliebige Wiederruflichkeit gemeint sei. Das Gegentheil ergiebt fich auh niht aus den Motiven zu S. 23. Die in denselben mehrfah vorkommenden Ausdrüke „Wieder- besczung der Pfarrstellen“ und „Pfarrbesezungsrecht“ weisen darauf hin, daß der Geseßgeber eine definitive Beseßung der Pfarrstellen erzwingen wollte, ohne welche auch der aus- gesprochene Zweck zu verhüten, daß die Geistlichen au in ihrer äußeren Existenz in völlige Abhängig- Feit von den geistlihen Oberen gerathen, niht voll- ständig erreiht werden konnte.

Unter den als unanbringlich in den Händen der Poft verbleibenden Briefen und Postkarten finden sich nicht wenige, die ohne Adresse in die Briefkasten eingelegt worden find. Die gleiche Wahrnehmung wird auch in anderen Ländern ge- macht, und es sind z. B. in England im lezten Jahre nicht weniger als 12,000 solher Briefe verunglückt. Diese Zahlen geben eine annähernde Vorstellung der Summe von Störungen und Nachtheilen aller Art für die betroffenen Interessenten ; sie find zugleih ein Beweis für die Grundlosigkeit vieler Beschwer- den über Briefbeförderung. Es is eine alte Regel, die Adressen der Briefe nicht einmal, sondern zweimal zu lesen, ehe man sie der Post übergiebt. Die neueste Erfahrung fügt das weitere Gebot hinzu, bei Postkarten unter allen Umständen zunä chst Dié Vorderseite mir der Adresse, Und dann erft die Rück seite zu beschreiben.

Der General-Feldmarschall H erwarth von Bitten- feld ist von Coblenz hier eingetroffen und im British-Hotel abgestiegen.

Der Gener&l-Major Freiherr von Loë, Commandeur der 3. Garde-Kavallerie-Brigade, hat sh mit kurzem Urlaub nah Trachenberg begeben. :

Der Magistrat von Berlin macht jezt bekannt, daß dur Beshchluß der Kommunalbehörden vom 29. Dezember v. I. resp. 8. Januar d. J. die Quote der für das Iahr 1875 zur Er- Hebung Tommenden Gemeinde-Einkommensteuer auf 80 Prozent der Normalsteuersäße festgeseßt worden is. Die Ein- ziehung der Gemeinde-Einkommensteuer erfolgt in Quartalraten von 20 Prozent der Normalsteuersäße, und ist jede Quartals- rate am 1. des betreffenden Quartals fällig.

Die Stadtverordnetenversammlung bes{chloß in ihrer ge- \strigen Sißzung auf Antrag von 20 Mitgliedern beider Par- teien einstimmig, dem bisherigen Stadtverordnetenvorsteher K o ch- hann in Anerkennung seiner Berdienste um die Stadtgemeinde das Ehrénhürgerrecht der Stadt Berlin zu verleihen.

Die in London gebaute deutsche Panzerfregatte „K ai- ser“ hat, wie „W. T. B.“ meldet, am 183. d. M. das Trocken- dock an der Themse verlassen, und wird die für dieselbe b-- stimmte Bemannung demnächst in London erwartet.

Wie die „K. 3.“ mittheilt, ist von dem belgishen Ge- \fandten, Baron von Nothomb, bereits ein zweites Schreiben vom 30. Dezember aus Kairo eingetroffen, wohin derselbe zurück- gekehrt war. Er wollte sich noch nach der Meerenge von Suez begeben. Man erwartet hier seine Rückkehr binnen 14 Tagen.

Posen, 15. Januar. (W. T. B.) Der katholische Geist- liche, Seminar-Direktor Kubowiß in Exin ist in Folge einer gegen ihn eingeleiteten Disziplinaruntersuhung, wie die „Posener Zeitung“ meldet, seines Amtes entseßt worden.

Breslau, 14. Ianuar. (W. T. B.) Der Minister der geistlihen x. Angelegenheiten Dr. Falk i zur Theilnahme an der fünfzigjährigen Jubelfeier seines Dheims, des Kreisgerichts- Direktors Geheimen Justiz-Raths Wahler, hier eingetroffen, reist aber hon mit dem Nachtschnellzuge wieder nah Berlin zurü.

Cöln, 14. Januar. (W. T. B.) In der heute Abend statt- gehabten Sizung der Stadtverordneten wurde der Ober-Bürger- meister Becker von Dortmund mit 17 gegen 12 Stimmen, welche auf Nieperdink fielen, zum Ober-Bürgermeister von Cöln gewählt.

Sachsen. Dresden, 14. Januar. (Dr. I.) Bei Ihren Königlichen Majestäten hat gestern Abend der zweite Hofball (Kammerball) stattgefunden, zu welhem auch der Großherzog und die Großherzogin von Toskana mit der Erzherzogin An- toinette, Prinz und Prinzessin Georg, Herzog Iohann Albrecht von Mecklenburg-Schwerin und die verw. Fürstin Reuß j. L. erschienen waren. ;

Seute Vormittag wurde in der katholischen Hofkirche für Den verstorbenen Bischof Forwerk ein feierlihes Requiem ab- gehalten, welchem der König und die Königin, die Königin Marie und der Prinz und die Prinzessin Georg beiwohnten. Unter den zahlreich anwesenden Andächtigen befanden fich au die am hiesigen Königlichen Hofe beglaubigten Gesandten Oester- reihs und Bayerns, Frhr. v. Franckenstein und Frhr. v. Gafser. Seitens der Königlichen musikalishen Kapelle kam das Requiem von Mozart zur Aufführung.

Württemberg. Stuttgart, 12, Januar. Der König Hat unter dem 8. Januar den Prinzen Friedrih Wilhelm von Hessen unter die Großkreuze des Ordens der Württem- bergishen Krone aufgenommen.

Auf nähsten Montag, den 18. Januar, is der volle ständishe Ausshuß behufs der Vornahme der Steuer-Ver- wendungsprüfung vom Etatsjahr 1872/73 einberufen.

Das Centralcomité, an dessen Spiße Herzog Eugen steht, hat auch an die Mitglieder des Deutshen Schüßenbundes in der österreihisch-ungarishen Monarchie einen Aufruf zur Betheili- gung an dem fünften deutshen Bundes\chießen im Sommer 1875 ergehen lassen.

Baden. (Karlsr. Ztg.) Am 11. d. M. fand vor der Strafkammer in Offenburg die dritte Verhandlung gegen Neupriester wegen unbefugter Ausübung kirchlicher Funktionen statt. Am 21. Dezember v. I. waren die Neupriester Cornel Wasmer von Furtwangen, Alois Oberle von Unterwangen, 3. 3. in Wolfach, und Max Heilbock, z. Z. in Bühlerthal, - frei- gesprochen worden; dasselbe Erkenntniß erging in der Straf- kammersißzung vom 4. d. M. gegen den zum zweiten Male an- geklagten Cornel Wasmer und den Neupriester Rudolf Tritschler in Marlen, indem auch für diese Freisprehung erfolgte. In der Sizung vom 11. jedoch wurden die angeklagten Neupriester Alois Oberle von Oberwolfah, Carl Thoma von Urloffen und Anton Freund wegen unbefugter Ausübung kirchliher Funktionen verurtheilt, und zwar die beiden Leßteren zu einer Geldstrafe von 100 Mark, der Erstere \{chon am 21. Dezember v. I. in gleicher Sache angeklagt zu einer Geldstrafe von 200 Mark. Nur in der ersten Sißzung 21. Dezember v. I. erschien der Vertheidiger Anwalt Marbe; am 4. und 11. führten die Angeklagten ihre Sache selbst.

Das Organ der katholishen Reformbewegung, der „Deutsche Merkur“, giebt in . seiner neuesten Nummer über die altkatholishe Pastoration in Baden folgende Uebersicht : Staatlich anerkannte altkatholishe Parochien mit angestellten Pfarrern sind es 14, worunter die größeren Constanz, Heidel- berg, Pforzheim und Waldshut ; ‘von diesen 14 Gemeinden haben 8 selbständige Pfründen, und 6 stehen im Mitgenuß mit der römischen Kirche. Von mehreren Gesuchen um staatliche Geneh- migung steht noch die Entscheidung bevor. Außer den aner- kannten bestehen noch Gemeinden und Vereine, die eigene Seel- sorge, wie Baden-Baden, Karlsruhe, Freiburg, oder die eine periodische Pastoration haben, wie Offenburg, Mannheim 2c.

Hessen. Darmstadt, 13. Januar. Bei der Bei- seßung der Leiche des Kurfürsten von Hessen war der Groß- herzog durch den Prinzen Wilhelm vertreten.

Das soeben ausgegebene „Regierungs - Blatt“ enthält das Geseß über das Civildiener-Wittwen-Institut, wo- nach die im Art. 11 des Geseßes vom 22. Ianuar 1861 nor- mirten Pensionen der Wittwen und Waisen um ein Viertheil erhöht und gleichzeitig in der Mark-Währung ausgedrückt find, und zwar mit der Wirkung vom 1. Januar 1873 ab. Ferner das Gesetz über die Theilnahme der Civilbeamten an Erwerbs- Genossenschaften nah Analogie des Reihs-Beamten- und bezw. des preußischen Geseßes gleihen Betreffs.

Sachsen-TWeimar-Eisenach. Weimar, 14. Januar. Der Erbgroßherzog und die Erbgroßherzogin haben sih heute zu einem mehrtägigen Besuch an den Herzoglichen Hof nah Altenburg begeben.

SDesterreich- Ungarn? Wien, 14. Ianuar. Das Mi- nisterium des Kaiserlihen Hauses und des Aeußern veröffentlicht in der „Wien. Ztg.“ die bis 15. Dezember 1874 richtig gestellte Uebersicht der Kaiserl. und Königl. österreihisch-ungari- \chen Konsularämter in sämmtlichen fremden Staaten.

Im Deutschen Reich fungiren hiernah folgende Konsuln :

I, Baden. Konsulat in Karlsruhe, Joseph Bielefeld, Konsul. Konsulat in Mannheim, Karl Ladenburg, Konsul.

11, Bremen. General-Konsulat in Bremen, Ludwig Gott- fried Dyes, Genera1-Konsul.

Ill, Hamburg. General - Konsulat in Hamburg, C. F. Baron Westenholz, General-Konsul. Untergeordnete Aem- ter : Vize-Konsulat in Altona, G. H. Sieveking, Vize-Konsul. Vize-Konsulat in Harburg, F. Beste, Vize-Konsul. Konsular- Agentie in Cuxhaven, F. E. Glodcke, Konsular-Agent. Kon- sular-Agentie in Geestemünde, Hermann Beurmann, Kon- \sular-Agent.

IV, Hessen. General-Konsulat in Darmstadt (unbesett).

V. Lübeck. Konsulat in Lübeck, I. Fehling, Konsul.

VI. Preußen. General-Konsulat in Berlin, Louis Ra- vené, General-Konsul. Konsulat in Danzig, Karl Drago- rit\ch, General-Konsul ad pers.; Konsulat in Königsberg, Christ. Lud. Dehlmann, Konsul. Konsulat in Stettin, Eduard Lübbecke, Konsul. Untergeordnetes Amt: Konsular-Agentie in Swinemünde, Heinrih Adermann, Konsular-Agent. General-Konsulat in Frankfurt a. M., Karl W. Baron von Rothschild, General-Konsul; Konsulat in Leer, Hermann I. Klopp, Konsul. Konsular - Agentie in Kiel, Ferdinand Mohr, Konsular-Agent. "General-Konsulat in Cöln, Eduard Oppenheim, General-Konsul. Konsulat in Breslau, Dr. Phi- lipp Isaak Cohn, Konsul.

VII, Sachsen. General-Konsulat in Leipzig, Joseph Ritter v. Grüner, Ministerial-Rath und General-Konsul.

VIIL. Württemberg. Konsulat in Stuttgart, Theodor Dreifuß, Konsul.

Der Kaiser hat den vom niederösterreichishen Landtage beschlossenen Gesezentwurf, betreffend die Verlängerung des Termins zur Durchführung des Schlachthauszwanges in den Vororten Wiens, sanktionirt.

Pest, 13. Januar. Wie die „Pester Correspondenz" meldet, wurde in der heutigen Ministerkonferenz unter Vorsig des Kaisers, welher außer den gemeinsamen Ministern auch Bitto und Szende sowie Fürst Auersperg und Minister Horst bei- wohnten, die Militärbequartierungsfrage besprochen.

In der heutigen Sißzung des Abgeordnetenhauses wurde Iranyi's Beschlußantrag, der Finanz-Minister sei zur Bé- richterstattung über die Rektifizirung des Grundsteuerkatasters an- zuweisen, vom Antragsteller motivirt. Nachdem Ghyczy die Un- thunlichkeit des Verlangens und die Ueberflüssigkeit spezieller Ausweise nachgewiesen hatte, beschloß das Haus, den Antrag nicht zur Verhandlung zuzulassen.

Agram, 13. Januar, In der heutigen Landtags- Sitzung verlangte in Fortseßung der Spezialdebatte über die Abänderung der Wahlordnung Makanec das passive Wahlrecht für Dalmatien und die Grenze. Der Antrag wurde abgelehnt. Ein Amendement JIakics, den pensionirten Offizieren und den Beamten der Erwerbsgesellshaften das Stimmrecht zu verleihen, wurde angenommen. Ein Antrag Mrazovics auf Erniedrigung des Census wurde nah erregtèn Debatten abgelehnt und hierauf der ‘Entwurf in der Spezialdebatte erledigt.

Schweiz. Bern, 11. Januar. Der Bundesrath hat in seiner heutigen Sißung die Enthebung des Hrn. Alphons Monín von seinem Poften als s{weizerischer Konsul in Moskau beshlossen. Bis für ihn ein Nachfolger ernannt sein wird, find

die Geschäfte des Konsuls dem General-Konsul in St. Petersburg, .

Herrn P. Duval übergeben worden.

Niederlande. Haag, 14. Januar. (W. T. B.) Die Regierung erhielt Nachrihten aus Atchin vom 9. d. M,, wonach 9 Befestigungswerke der Eingebornen bei Long- battah von den niederländishen Truppen genommen wor- den find. Die Niederländer hatten 21 Todte und 65 Ver- wundete, der Feind ließ 171 Todte auf dem Playe. Das niederländishe Geschwader war am 2. d. M. nah der West- küste abgegangen. Die Partei des Radja von Pedir hatte die Unterwerfung angeboten.

Großbritannien und Irland. London, 13. Januar. Die Vorschriften für die Befahrung der Meere sollen, wie der „Globe“ erfährt, demnächst in ernstlihe Er- wägung gezogen werden. Vertreter des Trinity-House, der Ad- miralität und des Handelsamts werden zu einer Konferenz über diese wichtige Frage zusammentreten und Beschlüsse über die projektirten Veränderungen fassen.

Großbritanniens Staatseinnahmen vom 1. April 1874 bis zum 9. d. Mts. betrugen amtlihen Ausweisen zufolge 53,199,606 Lstrl. gegen 54,307,608 Lftrl. in der kor- respondirenden Periode des vorhergehenden Finanzjahres und die Ausgaben im gleichen Zeitraume 59,637,948 Lstrl. gegen 62,235,068 Lstrl. im Jahre vorher. Die Bilanz des Schaßam- tes in der Bank von England bezifferte sich am 9. ds. auf 1,705,304 Lstrl.

‘15. Januar. (W. T. B.) Die Zeitungen veröffentlichen eine Zuschrift Gladstone 's, in welcher derselbe seinen Ent- #{luß, von der Führerschaft der liberalen Partei zurückzutreten, anzeigt und motivirt. Den von ihm jederzeit hochgehaltenen Prinzipien werde er nah wie vor treu bleiben.

Franfkreih. Paris, 14. Januar. (W. T. B.) Die Abtheilungen der Nationalversammlung haken eine aus 15 Mitgliedern bestehende Kommission gewählt, welhe eine Untersuchung der Vorgänge bei der Wahl des (bonapartistishen) Deputirten de Bourgoing im Departement de la Nièvre vornehmen soll. Sämmtliche Kommissionsmitglie- der, mit Ausnahme eines einzigen, beabsihtigen indeß, die Untersuchung nicht auf den Fall Bourgoing zu beschränken, sondern auf alle bonapartistishen Umtriebe überhaupt auszu- dehnen. ;

BVersaillets 14, Janur (V. D. B) National= versammlung. Bei Weiterberathung des Geseßes über die Cadres der Armee wurde heute mit 345 gegen 332 Stim- men beschlossen, daß das Bataillon künftig aus 4 Compagnien besteben, und daß jede Compagnie zwei Kapitäns erhalten foll. Der Kriegs-Minister erklärte, däß die beschlossene Umformation in kürzester Frist ausgeführt werden könne. Die Berathung des Gesehes wird morgen fortgesett.

Bei der heutigen Sißung der Abtheilungen der Nationalversammlung machte der Justiz-Minister die Mit- theilung, daß die gerihtlihe Untersuhung wegen der Vorgänge bei der Deputirtenwahl im Departement de la Nièvre auf alle Departements des Landes ausgedehnt worden sei, aber niht den geringsten Anhalt dafür ergeben habe, daß für die gedachte Wahl ein bonapartistishes Cirkular erlassen worden sei. Gleicher- maßen unbegründet fei es, daß ein bonapartishes Comité de comptabilité in Paris Einfluß auf die Departements ausübe. In den Departements habe die Existenz keines einzigen bona- partistishen Comités konstatirt werden können. Der Ministex erklärte ferner, daß er gegen die Einseßung einer parlamentari- schen Untersuhungs-Kommission (\. unter Paris) nichts einzu- wenden habe, vorausgeseßt, daß dieselbe gegen die anerkannten Grundsäße über Scheidung der geseßgebenden von der richter- lichen Gewalt nit verstoße.

Spanien. Madrid, 14. Januar. (W. T. B) Der König Alfons ift heute hier eingetroffen und von den Mit- gliedern der Regierung und den Civil- und Militärbehörden empfangen worden. Auf dem Wege zum Königiihen Schlosse wurde der König von den enthusiastishen Kundgebungen der

Bevölkerung begleitet.

Die „Gaceta“ veröffentliht das Rundschreiben des JIustiz- und Gnaden-Ministers an den Episkopat. Dasselbe lautet nah der „Allg. Ztg.“ :

„Nachdem das Regent1chafts-Ministerium gebildet ist, habe ich in amtlicher Weise das glückliche Ereigniß zu Jhrer Kenntniß bringen zu sollen geglaubt, welchem dieses Ministerium feinen Ursprung ver- dankt. Jn den Beziehungen der katholischen Staaten zur Kirche kann das, was für die ersteren ein glückliches Ereigniß ist, nicht ermangeln, ein solches auch für die leßtere zu sein, Wenn die Kirche mit der spanischen Nation die zahllosen Leiden. in Folge der politishen Um- wälzungen empfunden hat, so darf die Kirhe mit der Thronbestei- gung eines erlauchten Fürsten, der katholisch, wie es seine erhabenen Vorgänger gewesen, und der entschlossen ist, mit allen in seine Macht gestellten Mitteln die erlittenen Lei- den wieder gut zu machen, auf bessere und glücklihere Tage hoffen. Die Ausrufung unseres Königs Don Alfonso XIL., welche eben dieser Unordnung ein Ende macht, wird der Ausgangspunkt einer neuen Aera sein, während welcher man die guten Beziehungen zu dem ge- meinsamen Vater aller Gläubigen zurückehrea sehen wird, Bezie- hungen, welche leider durch die Ungerechtigkeiten und die Ausschreitun- gen der leßten Zeiten unterbrochen worden sind. Der Staat wird in allem, was die Feststellung der gegenseitigen Bezichungen betrifft, mit der Einholung des Rathes der weisen Prälaten und in Uebereinfstin1- mung mit dem heiligen Stuhle handeln und der Kirche und ihren Dienern den ganzen Schutz leihen, welcher ihnen von Seiten einec so eminent katholishen Nation, wieder unsrigen, zukommt. Deshalb zählt die Regierung auf Jhre kräftige Mitwirkung und auf die Ihrer wärdigen Amtsbrüdcer im Episkopate; sie zählt ebenso auf die Unter- stüßung der großen Körperschaften des Staates und auf den Bei- stand der guten Katholiken, Ich empfinde die lebhafteste Freude Ihnen die glückliche Nachricht von dem heilbringenden Wechsel mit- utheilen der in unserer Lage eingetreten ist und uns glücklichere Tage für die Nation und eine günstigere Aera für die Kirche zu hoffen ge- stattet. Gott evhalte Sie lange Jahre !

Madrid, 2. Januar 1875. Francisco Cárdenas.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 11. Januar. In der Ersten Kammer des Reichstags erschienen in diesem Jahre 18 neue Mitglieder, von welchen 4 früher in der Zweiten Kammer Siß gehabt haben, Die Anzahl der sämmtlichen Mit- glieder in der Ersten Kammer, welche bisher 125 war, is jeßt 129, da die Volksmenge in Norrköping auf 25,000 gestiegen ist und diese Städte folglih berechtigt geworden sind, \fih jede ein Mitglied zu wählen. Gleichzeitig ist die Volksmenge in der Stadt Gothenburg und in den Aemtern Skaraborg, Kopparberg,

Gefleborg und Wertesnorrland so gestiegen, daß jedes Amt zur

Wahl noch eines Mitgliedes berehtigt geworden ist; dagegen hat

die Volksmenge in den Aemtern Oestergotland, Malmöhus und Gothenborg fo abgenommen, daß diese Aemter drei vakant ge- wordene Size nicht haben wieder besezen können; die Vergröße- rung der Mitgliederanzahl der Kammer wird somit 4. Von den 129 Mitgliedern find die 51 bei den ersten Wahlen nah der Repräsentationsreform gewählt worden. In der Zweiten Kam- mer erschienen 9 neue Mitglieder, welche nah Schluß der vori- gen Reichstagsversammlung gewählt worden sind; aber zu den neuen Mitgliedern können noh 2 hinzugerenet werden, welche kurz vor Schluß der vorigen Versammlung eintraten.

Dänemark. Kopenhagen, 12. Januar. Der Kriegs- und Marine-Minister haben heute die Geseyvorlagen, betreffend eine organisirte Landesvertheidigung zum Schugze der Selbständigkeit des Staates und zur Sicherung der Neutralität unter event. Kriegen in der Zukunft eingebraht. Bereits bei der Vorlegung der anvern Militärgeseze deutete der Kriegs=- Minister seine Jdeen in dieser Beziehung ay, welche -namentlih auf die Sicherung der Verbindung zwischen den verschiedenen Landestheilen und wohl demnächst äuf die Vorbeugung einer feindlihen Offupation irgend eines einzelnen Landestheiles durch eine geringe feindlihe Stärke berechnet find. Es handelt \sich um den Bau eines vorgeshobenen Seeforts im Sunde vor Kopenhagen und zweier Forts am großen und kleinen Belt, wofür 83 Mill. Rdlr. verlangt werden, vertheilt auf 7 Jahre. Der Marine-Minister hat den in den Blättern diskutirten Ge- danken, eine befestigte Flottenstation im Agersösunde, der Stadt Stegelskör, im südwestlichen Seeland, gegenüber, zu dem seinigen gemacht. Dazu werden 24 Mill. Rdlr. verlangt, vertheilt auf 6 Jahre.

In der gestrigen Sizung erledigte das Folkething in dritter Berathung das diesjährige sogenannte Ind igenat- geseß, welches nun vom Reichstage verabschiedet ist. 78 Per- sonen erhalten dadurch das Indigenat. Unter ihnen find 48 aus Deutschland gebürtig. Die übrigen sind aus Schwedeü und Norwegen. Einer, an der hiesigen Universität Studirender, ist aus der Türkei, Darauf wurde die Prediger-Gehaltsvor- lage in Berathung genommen. I. A. Hansen griff dabei das Ministerium heftig an und empfahl wegen der prinzipiellen Differenz zwischen Regierung und Linken die Ablehnung des Regierungsgesches mittelst Verweigerung der ferneren Behandlung.

Amerika. Washington, 13. Januar. (W. T, B) Die angekündigte Botschaft des Präsidenten Grant is heute dem Kongresse unterbreitet worden. Die Botschaft ant- wortet auf die an den Präsidenten gerichtete Bitte des Senats, Aufklärung über die militärishe Intervention in Louisiana zu ertheilen, und erklärt, daß die in diesem Staate in den Jahren 1866 und 1868 stattgehabten Unruhen, die Meygzeleien, welche fih in Collax und in Constantia ereignet hätten, und ferner die Gewaltthätigkeiten des Gouverneurs M'Enery in New-Orleans, wo Kellog auf gewaltthätige Weise abgeseßt worden sei, als ein Beweis angesehen werden müßten, daß die lezten Vorgänge in Louisiana nicht durch Maßregeln der Regierung veranlaßt, sondern aus einer gegen die republikanische Partei gerichteten Verschwörung hervorgegangen seien. Obgleih auch die Wahl Kellogs zum Gouverneur von Ungesftlichkeiten nicht freigeblieben sei, \ei seine Berechtigung, diesen Posten zu bekleiden, doch unzweifelhafter, wie das Recht von M'Enery. Die leßten Maßregeln der Untersuchungs- kommission seien völlig geseßlih gewesen, und die derselben an- gehörigen Personen hätten ein Reht zur Bekleidung ihrer Stellen. Die militärische Intervention stehe niht im Einklang mit den Grundsäßen der Regierung, aber die in der geseßz- gebenden Versammlung von Louisiana herrschende Verwirrung rechtfertige das Vorgehen der militärishen Befehkshaber, welche allein der Requisition des Gouverneurs nachkamen, als sie durch ihre Maßregeln dem Gese ihre starke Hand liehen, Gewaltthätigkeiten und Mordthaten vorbeugten und einen vorbedachten Plan zur Abseßung Kellogs und zur Em- pôrung gegen die Regieru verhinderten. General Sheridan habe, unbceinflußt vom Parteigeist, aus ehrliher Ueberzeugung und auf Grund der von ihm gemachten Erfahrungen die Führer der Liga verdientermaßen gekennzeihnet und zu summarischen, geseßlih zwar nicht vorgesehenen, aber wirksamen Maßregeln die Hand geboten. Am Schlusse der Botschaft macht der Prä- sident dem Kongresse ein energishes Handeln zur Pflicht und verheißt, daß er sih bei Ausführung seiner Maßregeln nur dur den Geist und den Buchstaben des Gesehes leiten lassen werde, ohne sih durch Furcht oder Mißgunst beirren zu laffen.

—- 14. Januar. (W. T. B.) Der Präsident Grant hat in einer Botschaft dem Kongresse Vorlagen behufs Ergän- zung und Ausführung des Geseßes, betreffend die Wiederauf- nahme der Baarzahlungen und zur Erhöhung der Staatsein- künfte gemaht. Nach denselben sollen die Abgaben auf Thee und Kaffee wiederhergestellt und die im Iahre 1873 beschlossene Reduktion der Zölle auf Eisen, Stahl 2c. im Betrage von 10 pCt. zurückgenommen werden. Der Präsident proponirt ferner, für den Ankauf der Legaltender-Noten pro 1875 eine Prämie von 10 pCt. gegen Gold. Für das Jahr 1876 joll diese Prämie P f 1877. 5 _pEt. und für 1878 24 pCt. betragen, so daß also im Januar 1879, dem zur Wiederausnahme ‘der Baarzahlungen fest- geseßten Termin, die Greenbaks mit Gold pari sein würden. Es dürfte hierdurh dem Silberabfluß vorgebeugt und wahrscheinlih auch einer übermäßigen Nachfrage nah Gold be- gegnet werden. Ebenso würde dem Staatspapiergeld ein fester Werth gegeben werden. Die Botschaft \pricht ferner die Hoff- nung aus, daß durch diese Maßregel die Geschäfte einen neuen Aufshwung nehmen und die Wohlfahrt des Landes auf fester Basis begründet werden werde.

New-York, 14. Januar. (W. T. B.) Der Präsident Grant hat dem vom Senat und vom Repräsentantenhause an- genommenen Geseßzentwurfe über die Wiederaufnahme der Baarzahlun gen nunmehr ebenfalls seine Zustimmung ertheilt.

Asien. (A. A. C.) In Indien macht das Vergiftungs- attentat auf den politishen Residenten in Baroda ¿ Dbéxst Pchayre, viel Aufsehen. Nach einem Telegramm aus Bombay ist Leßtgenannter dahin zurücgekehrt. Die Annahme, daß der Guicowar von Baròdda an diesem Attentat implizirt war, beruht soweit nur auf einem bloßen Argwohn. Derselbe is bis jeßt noch nicht um eine offizielle Erklärung ersucht worden, hat aber dem Obersten Pelly gegenüber privatim feine Unschuld betheuert. Die Feinde des Guicowar segen viele abgeshmadckte und alarmirende Gerüchte über die Affaire in Umlauf. Der Vorsicht halber find Truppen nah Baroda zur Verstärkung der dortigen Besaßung gesandt worden.

Nah Meldungen aus Hongkong vom 25. November hat der gelbe Fluß an s\eiuer Mündung den Lauf geändert und große Landstrecken übershwemmt.

___ Nr. 4 des „Amts „Blatts der Deutschen Reichs- Do 'sttve rwaltung“ hat folgenden Inhalt: General-Verfügungen vom 9. Januar 1875. Bezeichnung der Einschreibseidungen. Vom 12. Januar 1875. Ermittelung des Gewichts der fratpflichtigen Post-

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sendungen auf der Eisenbahn Northausen- Nordheim.

Nr. 1 und 2 des „A mts-Blatts der Deutschen Reichs- Telegraphen-Ve1waltung“ haben folgenden Inhalt: Verfügun- gen: Vom 6. Januar 1875: Außerkurs\eßung verschiedener Landes- Silber- und Kupfermünzen. Vom 7. Januar 1875: Erweiterung der Bestimmung über die Höhe des auf Depeschen-Anweisungen zu- läsfigen Betrages. Vom 8. Januar 1875: Tarif betreffend.

,. Nr. 3 des Justiz-Ministerial-Blatts für die preu- ßische Geseßgebung und Rectspflege, herausgegeben im Bureau des Justiz - Ministeriums, enthält: Bekanntmachung vom 6. Januar 1875, betreffend das Verzeichniß der höheren Lelranstalten des preußischen Staats, und ein Erkenntniß des Königlichen Gerichts- hofes zur Entscheidung der Kompetenz-Konflifkte vom 10. Oktober 1874: Hypothekarische Ansprüche auf ein im Separationsverfahren abge- tretenes Grundstück find vor den Auseinandersetzungsbehörden, nicht vor den ordentlichen Gerichten- zu verfolgen. ; :

Statistische Nachrichten.

An der Steigerung der Bergwerks-Produktion Deut\{ch{- lands, welche nach den Aufstellungen des Kaiserlichen statistischen Amts im Heft IIT. Abth. 1 der Vierteljahrshefte zur Statistik des Deut- sen Reichs dem Werthe nach von 47,141,607 Thlr. im Jahre 1863 auf 138,996,029 Thlr. in 1872 gestiegen war, hat der SteinkohTen- bergbau, dessen Hauptsiße sich an der Saar, an der Ruhr, im Königreich Sachsen und in dem westlichen und südlichen Theile der Provinz Schlesien befinden, den vornehmlichsten Antheil. Wir geben nach der obengedachten Publikation die nachfolgende Uebersicht der deutschen Steinkohlenproduktion und des Werthes derselben für die Jahre 1863—1872, indem wir den Antheil Preußens an derselben befonders ersichtlich machen :

A Davon entfallen auf Preußen : Produktionsmenge. Werth. NMienge. Werth. Ctr. Tblr. Gtr. Thlr. 1863, 888/134/152 28,489,558 293,724,980 24,267,588 1864. , 388,179,637 33,919,080 339,308 882 28,514,968 1865 . , 435,894,109 40,176,364 379,946,068 234,107,386 1866 . . 432,594,926 42,410,038 381,079,893 395,972,854 1867 . . 476,161,426 45,804,734 420,571,116 39,157,939 1868 . . 514,095,157 48,597,029 454,630,648 41'696 089 1869, 1080,487/305 91,928,403 475,221,881 44,795,325 1870 . . 527,955,890 54,512,360 466,324,753 - 46,038 624 1871 . , 587,465,446 7T2,783,765 519,340,875 60/914/635 1872 . , 666,128,366 98,889,500 590,475,512 85,118:828 _Die Steinkohlenproduktion Deutschlands is Hiernah von 338, Mill. Ctr. und 28,489,958 Thlr. in 1863 auf 666,1 Mill. Ctr. und 98,889,900 Thlr. in 1872 gestiegen. Jn leßterer Summe ift auch die Produktion Elsaß-Lothringens, welche 5,804,110 Ctr. im Werthe von 1,092,801 Thlr. betrug, mit einbegriffen. Läßt man dieselbe, da fie für 1863—1871 fehlt, bei der Vergleichung außer Betracht, so er- giebt sich für die leßten 10 Jahre eine Zunahme der gesammten Pro duktionsmenge um 322,190,104 Ctr. oder 95% und des Werths der- selben um 69,307,141 Thlr. oder 243%. Der Werth zeigt sonach eine ecrheblih größere Zunahme als das Förderungsquantum; im Jahre #863 betrug der Dur(hschnittswerth für 1 Ctr. Steinkohlen am Ursprungêéorte nur 2,53 Sgr., 1872 dagegen 44 Sgr. Für Preußen allein berehnet sich die Zunahme der Steinkohlen- produktion noch höher, als für Gesammt - Deutschland: die Förderungsmenge ist hier von 1863—72 um 296,7 Mill. Centner oder 101%, der Werth derselben um 60,8 Mill. Thlr. oder 251 «4 gestiegen. An der Steinkohlenproduktion der Erde, welche für das Jahr 1872 auf 248,144,200 Tonnen 1000 Kilogr.) ge\{äßt wird, nimmt das Deutsche Reích mit 13,4% (33,306,000 Tonnen) Theil; „seine Produktion wird nur von derjenigen Großbritanniens (131,610,000 Tonnen) und der Vereinigten Staaten Amerikas (42,794,000 Ton- nen) übertroffen, wogegen sie die äller andern Länder überragt, von denen u. A. Belgien 15,659,000 Tonnen, Frankreich 15,204,000 Tonnen, Oesterreih-Ungarn 4,765,000 Tonnen, Rußland und Polen 1,070,000 Tonnen, Spanien 730,000 Tonnen geliefert haben. __— Bei der Einschäßung zur klassifizirten Einkommensteuer find in Berlin 22 Personen zu einem Einkommen mit mehr als 100,000 Thlr. jährlich eingeshäßt worden. Die drei höchsten Ein- kommen find zwischen 300,000 und 320,000 Thaler, 480,000 und 900,000 Thlr. und 600,000 und 620,000 Thaler. Die Zahl sämmt- licher zur Staats-Einkommensteuer in Berlin eingeschäßten Personen beträgt nicht voll 22,900.

Statistische Sanitätsberichte über das XII. (Ks- niglich sächsische) Armee-Corps für das Jahr 1872 und 1873, Bearbeitet von der Königlichen Sanitäts-Direktion. Dresden 1875. Konrad Weiske. Diese nah dem Muster der preußischen Sanitätsberichte und in den leßten Quartalen des Jahres 1873 nah Maßgabe der von dem preußischen Kriegs - Ministerium durch die Verordnung vom 15. Februar 1873 ertheilten Jnstruk- tion bearbeiteten Berichte sind aus der Zeitschrift des Königlich sächsischen statistishen Bureaus, Jahrgang 1874, feparat abgedruckt. Sie enthalten die gewonnenen Resultate bezüglih der Erkran- kung, Dienstuntauglichkeit, Invalidität und Sterblichkeit bei den Truppen des XII, Armee-Corps während der Jahre 1872 und 1873; ferner die Zahlennachweise über das zum Sanitätscorps gehörige und das pharmaceutische und roßärztlihe Personal, endlich auch die statistischen Data über die Erkrankungen der Pferde und den Ver- brauch an Arzneimitteln. Beigegebea sind. uoch graphische Darstellun- gen, welche eine leichte Uebersicht gewähren. Zunächst springt in die Augen, daß das Jahr 1873 erheblih günstigere Resultate gewährt hat, als das Jahr 1872. Während am Schlusse des Jahres 1871 963 Kranke, und zwar 624 Lazareth- und 339 Revierkranke als Bestand in das neue Jahr hinübergenommen wurden, am Schlusse des Jahres 1872 noch 785 Krante, und zwar 599 Lazareth- und 186 Revierkranke im Bestande verblieben, {loß das Jahr 1873 mit einem Bestande von nur 659 Kranken, und zwar 532 Lazareth- und 127 Revierkraun- ken ab, obgleich die Truppenstärke, da 1873 die in Elsaß-Lothringen stehenden Truppentheile, welche 1872 niht miteingerehnet waren, mit berüsichtigt wurden, auch fonstige Zugänge die Gesammtstärke der zum Dienste gezählten Mannschaften erhöhten. Dieses günstige Ne- sultat ist zwei Ursachen zuzuschreiben gewesen. Es waren im Jahre 1872 ‘kleinere Epidemien zu bekämpfen, Typhus und Pocken, welche sich im SJahre 1873 verloren. Sodann aber war im Jahre 1872 noch eine beträchtlihe Nachwirkung des Krieges zu spüren, welche eine starke Zahl nachträglicher Erkrankungen, ins- besondere aber auch eine sehr bedeutende Zahl von Fällen nachträglich hervorgetretener Dienstuntauglichkeit und Juvalidität zur Folge hatte. Im Ganzen hat daher das Jahr 1873 einen relativ verminderten Zugang an Kranken, dem entsprehend einen vermehrten Abgang durch Heilung, einen verminderten 21bgang durch Tod und einen sehr be- trächtlich verminderten Abgang durch Dienstuntauglichkeit und Jn- validität nachzuweisen.

Von den Württembergishen Jahrbüchern für Statistik und Landeskunde, herausgegeben von dem Königlichen

. statistish-topographishen Bureau, ift der Il. Theil des Jahrgangs

1873 erschienen. Derselbe hat folgenden Jnhalt: 1. Zur Landes- geschichte. Beiträge zur Geschichte der Landesuniversität Tübingen. 1) Geschichte der Verfassung der Universität Tübingen, 2) Einfluß der Verfassung vom 25, September 1819 auf die Gestaltung der Landesuniversität. I1. Zur Landesstatistik. A. Zur Statistik der Verwaltung. Der Güterverkehr auf der Königlich württembergischen Eisenbahn in dem Betriebsjahre 1. Juli 1868 bis 30, Zuni 1869. Auf Veranlassung der Königlichen Eisenbahn-Direktion bearbeitet vom Professor Dr, Schoder. B. Zur allgemeinen Statistik. Die Hagelbeshädigungen in Württemberg in ten 46 Jahren 1828—1873.

Vom Finanz-Assessor Camerér. Beiträge zur Brandversicherungs- Statistik. Vom Finanz - Assessor Camerer. Die Gantungen in Württemberg in den 10 Jahren 1864—1873, Vom Finanz-Asessor Camerer. Beiträge zur Statistik der Preise und Löhne in Württem- bera, Von ODber- Finanzrath v. Rieske. IIL. Zur Meteorologie. 1) Witterungsbericht für 1873, nach den Beobachtungen der württem- bergischen meteorologische Stationen zusammengestellt von Professor Dr, Schoder. 2) Die Bewegung des Bodensees im Jahr 1873. Von Professor Dr. Schader. IV. Württembergische Literatur vom Jahre 1873. Vom Ober-Bibliothekar Ober-Studienrath Heyd. Anhang. Trigonometrische Höhenbestimmungen für die Atlasblätter Altenstei i: Kuiebis, Oberthal, Calw und Wildbad. Jm Auftrag des statistisch- topographischen Bureau zum Zweek der Herstellung der geognostischen Spezialkarte des Landes, ausgenommen und berechnet vom Trigono- meter C. Regelmann. Beilagen: 4 graphische Darstellungen.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Das Jahrbuch für endgültige Entscheidungen der preußishen Apyellations-Gerichte, redigirt und berauêgegeben von Reinhold Johow, Obertribunals- Rath (Verlag von Franz Vahlen), Bd. IV. 1875, welches lebt zum vierten Male erscheint, hat den Zweck, ein Central-Organ für die Veröffentlihung von rechtsgrund\äßlichen, interessanten Ent- \heidungen auf allen den höchsten Gerichtshöfen angezogenen Rechts- gebieten zu schaffen, und dadurch dem Uebelstande abzuhelfen, daß fich im Bezirke jedes einzelnen Appellations-Gerichts eine besondere Hand- habung derjenigen (Beseße, deren Anwendung der Entscheidung der höchsten Gerichtshöfe in der Regel nicht unterliegt, entwickelt. Die Mittheilung solcher Entscheidungen fördert nicht nur die verschiedenen Ansichten an das Tageslicht, sondern führt auch zu einer wissenschaft- lichen Kritik der Entscheidungsgr ünde. Das Bedürfniß einer sol- chen Ausgleichung mat sich zur Zeit besonders auf dem Gebiete des Grundbuchrechts fühlbar, wie fich daraus ergiebt, daß diesmal von den 168 Entscheidungen, welche mitgetheilt werden, 130 der Grundbuhpraxis angehören. Außerdem enthält der Anhang fünf Be- \sprechungen von Grundbuchkontroversen und eine Uebersicht der Grund- buchliteratur des leßten Jahres.

Hervorzuheben sind außer der Frage, welchen Erfolg der Protest ein-

zelner Aktionäre gegen die Eintragung von Generalversammlungs-Be- {hlüssen einer Aktiengesellshaft hat, vor Allem die mitgetheilten Ent- scheidungen Über die Form notarieller Beglaubigungen nah §8. 33 G. B. O. (S. 62 ff.), ferner die Auffassung der Bedeutung der Ge- nehmigung eines Vertrages Seitens der Aufsichtsbehörde, (bei einer solchen foll eine besondere Auflassungs-Ermächtigung nicht erforderli sein.) (S. 90 ff.), nicht minder die Ansichten über die Auflassung eines Lehnguts ohne Zustimmung der Agnaten in der Provinz Sachsen (S. 108 f.) ___ Von noch allgemeinerem Interesse dürften sein die Entscheidungen über den Umfang der Hypothek und darüber, welche Abreden eintragungs- fähig und zur Eintragung erforderlich sind (S. 151. 152. 155. 156. 197. 158, 163. 166. 243, 248), über die Befugnisse der Notare zu Anträgen (S. 144 ff.), über die Form der Cessionen und die Befugniß, die Umschreibung zu beantragen (S. 185 bis 189, 180, 247, 2483), über die Löschung von Altentheilen (S. 205) (die Ansichten gehen weit aus einander.) Mit großer Sorgfalt und Gründlichkeit ist im Auhang vom Kreisrichter H. Schulße zu Frankfurt a. O. die „formelle Behandlung des vertraglichen Verkaufsrechtes in der Sub- hastation“ erôrtert. (S. 271 ff.) Aus den die Subhasta- tions -Drdnung erläuternden Entscheidungen verdienen beson- dere Erwähnung die über die falshe Bezeichnung des zu subhastirenden Grundstüks (S. 15), die über unrichtige Angabe des Terminszimmers (S. 21), die über Nichtüberecinstim- mung der im Steuerbuchsauszuge bezeichneten Realitäten mit dem zur Subhastatien zu stellenden Grundstüce (S. 25), In das Gebiet des sonst wenig erörterten Bergrechts erstrecken si die Mittheilungen über die De Subhastation überschießender Kurxtheile bei der Mobilisirung der Kuxe (S. 7, 126 ff.), über die Auflassung von Bruchtheilen unbeweglicher Kuxe, bezw. über die weitere Theilung eines bereits getheilten unbeweglihen Kuxes (S. 123) über den Ver- kauf eines Bergwerks (S, 123), über Umwandlung der Gewerkschaft in eine Aftiengesellshaft (S. 124). Zu wünschen wäre aber, daß auch amtliche Mittheilungen Seitens der Apellationsgerihte in grö- erem Umfange dem Herausgeber zugestellt würden. Die Zahl der amtlichen Veröffentlichungen ist nicht sehr groß, au scheint es, als würden nicht fortgeseßte Mittheilungen veranlaßt, da die veröfent- lichten Bescheide theilweise bereits älteren Datums sind (siehe 3. B. S. 193, 188, 189, 217). Es läßt fih hoffen, daß mit der offenbar zunehmenden Verbreitung des Jahrbuchs au das Interesse der Be- theiligten wächst, durh zahlreiche amtliche Mittheilungen eine Aus- gleichung zu fördern.

Der Herausgeber des Jahrbuchs nimmt jeßt eine bedeutungsvolle Stellung bei der Kommission zur Entwerfung des deutschen bürger- lichen Geseßbuhs ein, da er als Redacteur mit Entwer- fung eines gemeinsamen Sachenrehts beauftragt ist. Wenn er troßdem der Fortseßung des Jahrbußs fich nicht ganz entzogen hat, so läßt sich erwarten, daß die in den vertffentlichten Entscheidungen sih ergebenden Erfahrungen über die Wirksamkeit und Auslegung der neuen preußischen Geseße bei Abfassung des Reichs- geseßbuchs ihre volle und ers{höpfende Berüksichkigung finden werden. Auch dieser Umstand läßt eine möglichst vollständige Veröffentlichung aller wichtigeren Entscheidungen wünschenswerth und geboten erscheinen.

Aus dem angegebenen Grunde läßt sich hoffen, daß das Jahr- buch au ferner unter Leitung des Herausgebers ohne Unterbrechung erscheinen wird.

___— In der Kirche zu St. Kunibert zu Cöln hat man ein \chônes altes Steinmonument, eine Mater dolorosa, durch geschickte Restauration neu gewonnen. Die Bemalung im alten Stil ist von deu Gebrüdern Steinter fein ausgeführt.

_ Der Professor Dr. Quincke an der Universität Würzburg ist zum ordentlihen Professor der Physik an der Universität Heidelberg zum Direktor des vhysikalischen Instituts und zum Mitdirektor des mathematisch-physikalishen Seminars daselbst er- nannt worden.

____— In einer der leßten Sißungen der Pariser Akademie der Wissenschaften wurde das Gewicht eines mit unbewaffnetem Auge kaum fihtbaren Gest irnes im Sternbilde des Ophiuchus bestimmt : die Berechnung hat Camille Flammarion angestellt, nah welcher dieser Stern dreimal \{werer als die Sonne und millionmal \{chwerer als die Erde wiegt. Der Stern treibt in einer Entfernung von vierundfunfzigtausend Milliarden französisher Meilen ; eine Kanonen- kugel, welche fechs Jahre brauchen würde, um zur Sonne zu gelangen, müßte 8,400,000 Jahre fliegen, um durch den Raum zu kommen, der uns von dem Sterne trennte.

In der feierlichen öffentlichen Jahresfißung der Kaiser- lihen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg am 10. d. M. berichtete der Sekretär derselben, Wesselowski. Dann las der Akademiker von Schrenk eine Abhandlung des Akademikers Gregor von Helmersen: „Einige Erwägungen über die Bedeutung der Steinkohlen- industrie in Rußland“, Die dritte Rede wurde von dem Akademiker Ssresnewski gehalten. Sie handelte über alte Denkmäler der Sprache und Literatur. Den Schluß der Feierlichkeit bildete die Verlesung der Namen der neuerwählten korrespondirenden Mitglieder dur den beständigen Sekretär. Danach sind erwählt: In der ma- thematishen Sektion: Jrénée-Jules Biénaymée, Mitglied des - franzöfischen Justitut national, in Paris und H. Schiaparelli, Direktor des Observatoriums Brera in Mailand. Jn der physikali- hen Sektion: Hr. Römer, Professor in Breslau. In der biolo- gischen Sektion: Hr. Kessler, Professor an dex Universität zu St. Petersburg und Dr, Eduard Grube, vormals Professor in Dorpat, jeßt in Breslau. Jun der russischen Sektion: M Sergius Ssmir- now, Professoran der Geistlichen Akademie in Moskau, und T\ch ist o- wit, ehemaliger Professor der Geistlichen Akademie zu St. Pe- tersburg. Jn der politisch-historischen Sektion : Dr. Lorenz Stein in Wien. In der orientalishen Sektion: Heinrich Friedrich Wüst en-