1875 / 13 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 16 Jan 1875 18:00:01 GMT) scan diff

I. Generalversammlung des Gesammtvorstandes der Kaiser Wilhelm-Stiftung für deutshe Invaliden.

Unter dem Vorfiße Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen hielt der Gesammtvorstand der Kaiser Wilhelm-Stif- tung für Deutsche Invaliden am Freitag Abend im Reichstagsgebäude seine erste Generalversammlung. Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit wurde von dem Vorfißenden des Ausschusses ehrfur{tsvoll cmpfangen und gab, nahdem Höchstderselbe die Sißung für eröffnet erklärt, dem Geheimen Ober: Regierungs-Rath a. D. Wulfshein das Wort. Der- selbe theilte mit, daß Se. Majestät der Kaiser und König in dem Allerhöchsten Erlasse vom 1. Juni 1871, mit welchem Allerhöchst- derselbe die Statuten der Stiftung zu bestätigen geruhten, bestimmt haben, daß nach Ablauf von drei Jahren eine allgemeine Revision der Statuten erfolgen solle. Der Verwältungsaus\{huß hat eine Kommission aus seiner Mitte zur Vorbereitung dieser Angelegenheit gewählt. Jm Einverständniß mit der Kommission hält der Auss{chuß eine Aende- rung der Statuten nit für angezeigt, hat jedoch beschlossen, das Stimmverhältniß der einzelnen Länder im Gesammtvorstaude so zu ordnen, daß mit der Anzahl der Vertreter im Bundesrathe über- einstimmt. i E S

Da si von keiner Seite gegen diesen Beschluß ein Widerspruch erhob, erklärte Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kconprinz denselben für angenommen. /

Hierauf erhielt zur Erstattung des Jahresberichtes der General der Jufauterie z, D. von Eßel das Wort. Derselbe bat um die Er- laubniß, auf die Verlesung des umfangreichen Berichtes verzichten zu dürfen, da derselbe gedruckt und sämmtlichen Mitgliedern zugesandt worden ist. Wir entnehmen dem Berichte nachstehende Daten:

Die Organe der Kaiser Wilhelm-Stiftung für Deutsche Inva- liden find auch im verflossenen Jahre bemüht gewesen, der ihnen durch das Statut geftelllen Aufgabe nach Kräften zu entsprechen. Nach bewährten Grundsäßen hat sich lder Verwaltungsausschuß be- müht, jedem zu feiner Kenntniß gelangten Nothstande der feiner Fürsorge anheimgegebenen Opfer des Krieges zu begegnen, und auch den Zweigvereinen bei ihrer segensreichen Wirksamfkcit die statuten- mäßige Hülfe zu gewähren. Der Verwaltungsauss{huß ist bemüht gewesen, bei der Bestimmung der Höhe seiner Gabcn vorzugsweise das vorliegende Bedürfniß ins Auge zu fassen, ohne sich durch die vorausfichtlihe Nothwendigkeit einer noch viele Jahre hindur an- dauernden glcihen Hülfeleistung zu einer knapperen Bemessung der Be- träge bestimmen zu lassen. Es soll jedem Nothstande wirkliche und voll- ständige Abhülfe zu Theil werden, und follten dadurch auch dereinst die Mittel vor der Zeit ers{chöpft werden, so wird der Auss{chuß nichts destoweniger den Wünschen der Geber entsprochen haben, wenn er feinen Invaliden darben ließ, so lange ex die Mittel zur Abhülfe besaß. Der dann lebenden Generation wird die Aufgabe bleiben, das Werk derer zu vollenden, durch deren Opferwilligkeit unser jeßiges Stammkapital aufgebracht worden ist. Daß der Zeitpunkt nur all- zufrüh eintreten wird, wv die bisherigen Mittel des Centralfonds der Stiftung ers{chöpft sein werden, ist nach den bisherigen Erfahrungen freilih nur allzugewiß. Während die Einnahmen mehr und mehr abnehmen, wachsen die Ausgaben, und cs mußte deshalb eine erheb- lihe Summe des Kapitalfonds zur Befri-digung der laufenden Be- dürfnisse cingeworfen werden.

Wenn im vorigen Jahresberichte noch Zuwendungen im Betrage von 101,458 Thlr 11 Sgr. 4 Pf. zu bezeichnen, so find dieselben im Jahre 1873 auf 16,987 Thlr. 8 Sgr. 10 Pf. herabgegangen. So- dann wurden im Jahre 1873 statt der im Jahre 1872 verausgabten 107,765 Thlr. 15 Sgr. 2 Pf. nicht weniger a's 128,705 Th!r. 11 Sgr. 7 Pf. an Unterstüßungen gezahlt, und während im Vorjahre den Zweigvereinen nur Zuschüsse von 3810 Thlr. bewilligt wurden, haben -diese Zuschüsse im Jahre 1873 fich auf die Summe von 27,872 Thlr. 21 Sgr. 5 Pf. belaufen, Besonders zugenommen haben die Gesuche von Brustkranken und Schwindsüchtigen, deren Leiden sich erst seit der Beendigung des Krieges mehr und mehr entwickelt hat, und welche daher den Beweis der Dienstbeschädigung, wie er von der Militärbehörde verlangt wird, nit zu führen vermögen. In Folge ihrer naturgemäß zunehmenden Hülfsbedürftigkeit erfordert die Unter- haltung dieser in vielen Fällen der Staatehülfe entbehrenden Opfer des Krieges Seitens des Vereins immer größere Aufwen- dungen. Anh die Zahl der vom Staate nur als Halb- invaliden anerkannten und deshalk, ihrer beschränkten Erwerbsfähig- keit ungeachtet, ohne Pension verbliebenen Militärs hat sih vermchrt. Auch die ungewöhnliche Steigerung des Preises aller Lebensbedürfnisse hat ebenfalls die Ausgaben wesentlich erhöht. Sodann sind auch in dem Jahre 1873 einer großen Anzahl von Invaliden, sowohl Offi- zieren als Mannschaften, theils baare Unterstüßungen zu Badekuren gezahlt, theils iznen am Badeorte freie Unterkunft, Verpflegung und Bâder für Rechnung des Vereins in gleicher Weise gewährt. Hierbei sei in dankender Weise der Männer gedacht, die auch im Jahre 1873 fich bereitwillig der Mühe unterzogen haben, an den v2rschiedenen Kur- erten die unmittelbare Fürsorge für die zur Kur anwesenden Invaliden zu übernehmen. Es find dies für Ems: Dr. Döring, für Kreuznach

farrer Wenzel, für Lippspringe Amtmann Trettner, für Oeynhausen Major z. D. v. Bülow, für Reinerz Rathsmann und Stadtältester Neumanm, für Salzbrunn Brunneninspektor Manser, für Tepliß Banquier Vernh. Mayer, für Warmbrunn Landrath v. Grävenit zu Hitsherg, für Wiesbaden Konsistorial-Rath und Divisionspfarrer ohmann. - Auch Baron v. Crousaz zu Vannes bci Lausanne hat sich mit großer Fürsorge der Militärs angenommen, die sih zum Ge- brauche flimatisher Kuren nah dem Genfer See begeben hatten.

Auf dem Gebiete der für die gedeihlihe Wirksamkeit der Stif- tung so bedeutungsvollen Bildung und Hülfeleistung von Zweigvereinen ist kein wefentliher Fertschritt zu verzeichnen. Haben fih auch im Königreich Preußen im Jahre 1873 34 Vereine neu gebildet, fo hat dagegen in älteren Zweigvereinen die Theilnahme in bedauerlicher Weise abgenommen und die Zahl der Mitglieder und die Einnahme sih vermindert. Es bestanden am Ende des Jahres 1873 in Preußen 327 Zweigvereine. Auch das bayerische Central- Comité hat in seinem Berichte bestätigt, daß noch auf viele Jahre hinaus Ansprüche von gleichmäßig andauernder Höhe an den Verein gestellt werden. Auch haben sich in Bayern die Leiden der Invaliden erst jeßt allmählich zu einem Zustande gesteigert, in welhem sie, meist zu jeder Arbeit unfähig, in vermchrtem Maße die Hülfe der Stiftung zu beanspruchen genöthigt sind. Als einen besonders ersprieß- lichen Zweig seiner Thätigkeit betrachtet das bayerische Central- Comité den Betrieb von Heilstationen für Invaliden. Solche haben

Von dem Königlih bayerishen Landrichter Herrn Debon geht uns die nahstehende Erklärung zur Veröffentlichung zu :

„Wiederholte Erklärung.

Auf die Erklärung des Herrn Polizei-Rathes Weber im Deutschen Reichs-Anzeiger vom 8. l. Mts. habe ih nur noch Folgendes zu erwidern :

Wogegen ih mih zu verwahren hatte, habe ih bereits in meiner Erklärung bündig dargelegt, und bedarf es keiner Wieder- holung des Gesagten.

Insoweit Herr Polizei-Rath Weber dabei beharrt, kurze Zeit nah den einleitenden Worten des Vernehmungs-Pro- tofolles, noch bevor Herr Fürst Bismarck zur Unter- redung mit Kullmann eingetroffen, hätte ich ihm den Wunsch ausgesprochen, das angefangene Protokoll weiter zu diktiren; insofern derselbe weiter sagt, nah der Feststellung der bei der Unterredung mit Kullmann zugegen Gewesenen und nah der Konstatirung der Personalien Kullmanns hätte ih eben jenen Wunsch geäußert, und zwar vor dem Erscheinen des Herrn Reichskanzlers, so liegt hierin ein nur auf Irrthum beruhen könnender Widerspruch um \o mehr vor, als ih vor dem Er- scheinen des Herrn Fürsten noch gar nichts mit Kullmann ge-

bestanden zu Rosenheim, Reichenhall, Aibling, Kissingen und Lud- wigsbad, zu Krumbad, Mindelheim und Wemding, in welchen An- stalten 254 Verwundete und Kranke eine meist von gutem Erfolg be- leitete Aufnahme fanden. Die Verpflegunas- und Kurkosten übernahmen tets die Vereinsorgane, während das Kriegs-Ministerium die Reise- kosten, für welche auf den Bahnen halbe Fahrtaxe bewilligt ist, be- reitwilligst erstattete. Das bayerische Centralcomité findet sich über- haupt perantalte seiner Dankbarkeit gegenüber den Königlich baye- rischen Militärbehörden für das befonders freundliche und coulante Entgegenkommen Ausdruck zu geben, welche3 sämmtliche Vereins- organe bei ihren geschäftlichen Kommunikationen mit denselben stets gefunden haben. Das Vermögen des bayerishen Vereins und der Ausschüsse hat sich am Ende 1873 einschließlich eines vom Centralfonds gelieferten Zuschusses von 35,000 Fl. auf 195,445 Fl. belaufen. An Unterstüßungen Haben die Ver-insorgane im SJahre 1873 nicht weniger als 50,548 Fl. verausgabt, und zwar an 1019 Invaliden vom Feldwebel abwärts und 66 Offiziere, sowie an 161 Hinterbliebene von Militärs der erstgedahten und an 4 Hinterbliebene solher der leßten Kategorie. Der Verein und die Ausschüsse hatten am Schlusse des Jahres einen Be- stand von 135,865 Fl. Der Württemberg i \che,Landesverein der Kaiser Wilhelm-Stiftung hat im Laufe des Geschäftéjahres 1873 allein an Vermächtnissen eine außerordentliche Einnahme von 4000 Fl, gehabt. Es ift diese erfreulih2 Erscheinung ein unverkennbarer Be- weis für die bewährte nationale Gesinnung, welche in dem wücttem- bergischen Volksstämme lebt. Auch dort haben si die Anforderungen an die Stiftung namhaft gesteigert, und noch jeßt ist ‘ein steter Zu- wachs zu konstatiren ; betrug die Zahl der im Jahre 1872 Unterstüß- ten 457, so hat fie sich im Jahre 1873 auf 836 vermehrt. Der Landesverein hat gegen 4000 Thaler in unverzinslichen Anla- gen an Invaliden zur Erwerbung vou Liegenschaften und ge- werblichen Einrichtungen gewährt. Die Gesammteinnalhme des Landesvereins hat bis zum Ende des Jahres 1873 betragen 230,399 Thlr. 7 Sgr. 1 Pf. Davon gehen ab die Ausgaben im Be- trage von 17,849 Thlr. 15 Sgr. 7 Sgr., worunter an Unterstüßungen 16,959 Thlx. 20 Sgr., sodaß ein Bestand verblieb von 212,549 Thlr. 21 Sgr. 6 Pf. Der sächsische Landes-Militär-Hülfsverein hat die Nachweisung seines Vermögensbeständes, seiner Einnahmen und Aus- gaben nicht mit besonderen Bemerkungen begleitet. Die Einnalme belief fih für 1873 auf 153,304 Thlr. 20 Sgr. 2 Pf., die Gesammt- ausgabe belief sich auf. 13,654 Thlr. 26 Sgr. 3 Pf., darunter 13,376 Thlr. zu Unterstüßungen, und zwar 538 Juvaliden vom Feld- webel abwärts und 341 Hinterbliebene, darunter in 2 Fällen für solhe von Offizieren. Der badische Landesverein der Kaiser-Wilhelm-Stiftung zahlte aus seinem Centralfond 19,342 Fl. Unterstüßungen und {loß mit einem Vermögensstande von 275,775 Fl.; die Ausgaben der Bezirksvereine betrugen 44,426 Fl, darunter 43,625 Fl. an Unterstüßungen, der Vermögensstand 294,248 Fl. Die Unterstüßungen vertheilten sich auf 867 Personen, nämlich 563 Javaliden und 304 Hintecbliebene. Davon gehörten 9 dem Offizierstande an. Alle übrigen Unterstützungen betrafen Per- sonen aus dem Stande der Unteroffiziere und Gemeinen. Der Lan- desvercin des Großherzogthums Hessen hat seine frühere Praxis bei- behalten, ex officio und ohne Anmeldung beim Vereine, welche jedoch zuläsfig bleibt, auf Grund von Auézügen aus den staatlihen Pen- sionslisten die Bedürftigkeit der Juvaliden und Hinterbliebenen zu ermitteln und denselben die demnach erforderlihe Hülfe entgegen- zubringen. Unterstüßt wurden 200 Invaliden und 89 hinterbliebene Familien, zusammen 289 Fälle gegen 390 des Vorjahres. Nach den Ermittelungen des Vereins Hatten sich die Nahrungsverhältnisse von 146 Invaliden und 47 Hinterbliebenen dergestalt verbessert, daß bei ihnen keine weitere oder eine geringere Beihülfe als früher erforderlich war. Dagegen wurden 58 Invaliden und 25 Hinterbliebene mit reicheren Gaben bedacht. Die Gesammisumme der Beihülfe betrug im Jahre 1873 11,189 Fl., gegen 15,194 Fl. in 1872, und stellt sich der Betrag der seit dem Kriege gewährten Unterstüßungen auf 42 086 Fl, Die zu Unterstüßenden waren wiederum nah ihrer Bedürftig- keit in 3 Klassen abgetheilt und es erhielten an Jahresrente: die In- validen 1. Klasse 40 Thlr.; 2, Klasse 30 Thlx.; 3. Klasse 16 Thlr. und Hinterbliebene 1. Klasse 30 Thlr. ; 2 Klasse 16 Thlr. ; 3. Klasse 12 Thlr. An 3 itvalide Offizlere find im Jahre 1873 Beihülfen im Gesammtbetrage von 1047 Fl. und an Hintêrbliebene von Offizièren folhe im Gesammtbetrage von 352 Fl. gewährt worden. Der Bericht des Landesvereins des Großherzogthums Oldenkturg giebt zu besonderen Bemerkunzen keine Veranlassung Im Groß- herzogthum Mecklenburg-Scchwerin hat das Vermögen des Landes- ausschusses und der Zweigvereine sich im Jahre 1873 von 16,371 Thlr. auf 18,360 Thlr. erhöht, obgleich 4027 Thlr. und zwar an 132 Invaliden vom Feldwebel abwärts, an 49 Hinterbliebene yon folchen und an einen Offizier an Unterstüßungen gezahlt wurden, Die günstige Finanzlage hat es dem Landesausshuß gestattet, am Schlusse des Jahres an die Centralkasse der Stiftung die erheblihe Summe von 900 Thlrn. abzuführen. Die Berichte der Landesvereine im Groß- herzogthum Mecklenburg - Streliß, im Großherzogthum Sachsen- Weimar, im Herzogthum Braunschweig, im Herzogthum Anhalt, im Herzogthum Sachjen-Coburg-Gotha enthalten Nichts, was hier her- vorzuheben wäre. Neu aufgenommen is der Landesverein im Herzogthum Sachsen-Meiningen. Derselbe verfügt üker verhältniß- mäßig sehr crhebliche Mittel. Seine Einnahmen beliefen sich bis Ende 1873 auf- 28,607 Thlr. 10 Sgr. 6 Pf. und haben an 71 Invaliden und 29 Hinterbliebene 2184 Thlr. 15 Sgr. 2 Pf. gezahlt werden können. Aus den Jahreêberichten derLandesvercine für das HerzogthumSachsen- Altenburg, für das Fürstenthum Waldeck, für dasFürstenthumLippe und für das Fürstenthum Reuß j. L. ist nichts Befonderes hier hervorzuheben ge- wesen. Der Hamburger Verein klagt ebenfalis über die Minderung seiner Einnahmen und die Steigerung der Ansprüche. Auch er macht die Bemerkung, die sich in den Berichten der meisten Landesvereine wieder- holt, daß bei einer Anzahl von Individuen erst jeßt Gebrecen und Leiden, namentlich au rheumatischer Art, welche als eine Folge der Kriegs- \strapazen betrachtet werden müssen, sich in einem solchen Grade gel- tend machen, daß sie die Leidenden mehx oder minder arbeitsunfähig und unterstüungsbedürftig machen. Ec hebt weiter hervor, daß der vom Reichspensionsgeseße und der mit seiner Handhabung betrauten Behörden geforderte flrikte Nachweis des Kausalzusammenhanges zwischen dem Leiden und einer im Felde erlittenen Dienst- beshädigung, je längere Zeit seit dem Kriege wverflossen ist, desto schwieriger wird und in Folge dessen zahl- reiche Opfer des Krieges lediglich auf die Hülfe der Vereine ange-

\sprochen, hier also weder eiwas zu vernehmen, noch weiter zu diktiren war ; daß vielmehr, wie inhaltlich der Akten die Re- gistratur über die Unterredung des Herrn Fürsten mit Kullmann, womit auch die Präsenzkonstatirung verbunden war, erst na ch der Entfernung des Herrn Fürsten aufgenommen wurde, ebenso auch, was die Akten gleihfalls ergeben werden, ers nah der Registraturaufnahme, also nach der Entfernung des Herrn &Sürsten die protokollarishe Konstatirung der Personalien Kull- manns erfolgte, Hierauf folgte das Verhör mit Kullmann. Bezüglih der Registraturaufnahme hatte ih, wie bereits er- wähnt, die Mitwirkung des Hrn. Weber in Anspruch genommen. Was dagegen das von mir in eigener aus\schließender Thätigkeit mit Kullmann gepflogene Verhör betrifft, so habe ih nur noch das beizufügen, daß ih das betreffende Protokoll \pä- ter in der Wohnung des Herrn Fürsten, nahdem derselbe auf meine desfalls an ihn gerihtete Frage den Wunsch, dasselbe zu hören, bejaht hatte, durh den Herrn Protokollführer vorlesen ließ, wobei der Inhalt des Verlesenen unmittelbar bestätigt Haben dürfte, daß mich meine Gemüths- ung an der umfassenden Aufnahme desselben nicht behindert habe. Daß mich der Herr Protokollführer an} ch ei- nend auf das Unstatthaste der angeblihen Wunsches-Aeuße-

wiesen sind, welhe, ohne durch die Strenge des Geseßes und die zu seiner Ausführung gegebene Instruktion gebunden zu sein, be:üglih des Ursprungs der konstatirten Leiden nur nah ihrer moralischen Ueberzeugung urtheilen. Es seien diese Bemerkungen allen deutschen Patrioten zur Beherzigung auf das Wärmste empfohlen, damit sie niht nalassen in ihrer Opferwilligkeit, deren die Stiftung auf die Dauer bedarf, wenn diejenigen, die für das Vaterland ihre Gesund- heit geopfert haben, nicht in Noth gelassen werden sollen. Der Bremische und der Lübeckische Zweigverein bieten zu weiteren Bemer- kungen keine Veranlassung.

Der Redner dankte alsdann nohmals den Herren, die sich in den verschiedenen Bädern der Sorge für die Juy- valid.-n in hingebendster Weise unterzogen, und dankte allen Behörden im Deutschen Reiche für die allseitig gewährte Unterstüßung. Der Stiftung is im leßten Jahre ein Legat des verstorbenen Rentiers y. Normann im Betrage von 4750 Thlr. überwiesen worden. Erst nach dem Drudcke des Berichts hat der Leipziger Verein seinen Rehnungsabs{luß eingesandt; seine Einnahmen betrugen 48,000, die Au*gaben §000 Thlr. Die Zweig- vereine haben sich auch im Jahre 1874 vermehrt, im Königreich Preußen um 12. Es erhielten an Unterstüßung die Invaliden in Schlefien 22,000 Thlr., in Preußen 14,000, in Brandenburg 18,000 Thlr., in den anderen Provinzen eine ungefähr gleihe Höhe. Die außerpreußishen Vereine find meistens sehr gut fundirt, so daß die vom Centralfonds bewilligten Unterstüßungen vers{windend klein find. Die Rechnungsabschlüsse sind geprüft nnd die Bücher von kundigen Beamten in befter Ordnung gefunden worden. Redner \prach des- halb die Bitte aus, dem Verwaltungsaus\{chuß Decharge zu ertheilen.

Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz geruhten hierauf zu bestimmen, daß für jedes Mitglied des Gesammtvorstandes die Geschäftsbücher acht Tage zur Einsicht ofen liegen sollten; erfolge während diefer Zeit kein Widerspruch, so sei die Decharge als ertheilt anzunehmen,

Nach den Statutea schieden folgende Herren, für die Neuwahlen vorzunehmen waren, aus dem Vorstande aus: der Kommerzien-Rath Vollgold, Kammerherr und Major v. Normann, Banquier Ferd. Jaques der praktishe Arzt Dr. Brinkmann, Unter-Staatésekxetär Dr. Friedberg, Ober -Tribunals-Rath von Holleben, der bag: dische Gesandte Freiherr von Türckheim, sämmtlich in Berlin, und der Großherzoglich oldenvurgishe Ober-Kammer-Rath Rüder in Oldenburg. Auf Borschlag des General-Staatsanwalts Dr. Schwarze aus E wurden sämmtliche Herren durch Akklamation wieder- gewählt.

Da hiermit die Tagesordnung ers{chöpft war, erklärte Se. Kai- O Königliche Hoheit der Kronprinz die Versammlung für geschlossen.

Höchstderselbe unterhielt Sich alsdann noch -mit einer größeren Anzahl der anwesenden Herren und nahm die neuerbauten Räume des RNeichstagsgebäudes, sowie die Bibliothek in Augenschein.

Die „Straßb. Ztg.“ schreibt: Die Universitäts- und Lan- desbibliothe? verdankt ihr rasches Aufblühen nicht zum geringsten Theile den zahlreihen und werthvollen Geschenken, welche ihx aus Deutschland und dem Auslande, namentlichßh auch aus England und dessen Kolonien, zugeströmt sifid. Neuerdings hat die Bibliothek wie- der cin reiches Geschenk erhalten: Se. Durchlaucht der regierende Fürst Ludwig von Bentheim-Steinfurt hat ihr die Büchersammlung des ehemaligen Klosters Fren8wegen (bei Nordhorn, Graf- schaft Bentheim, Landdrostei Osnabrück) hart an der niederländischen Grenze) geschenkt, Unter den ungefähr 1000 Bänden sind etwa 90 lateinische und niederdeutshe Handschriften auf Pergament und Papier. Von wissenschaftlihem Interesse werden voraussictlich be- sonders die {hnen niederdeutschen Manuskripte sein, geschrieben in dem westfälishen Dialekt der Gegend, welcher schon stark ins Nieder- ländische übergeht. WVermuthlih haben auch einige der lateinischen Handschriften einen selbständigen wissenschaftlihen Werth. Auf alle hält sind diese Handschriften eine höchst werthvolle Bereicherung des

ehrmaterials der Universität; es ist füc den angehenden klassischen und germanistishen Philologen wie für den Historiker sehr wichtig, {on auf der Universität Handschriften lesen und benußen zu lernen. Jn der Frensweger Sammlung befinden sich ferner über 150 Inkunabeln, Die Zerstörung der an Inkungbeln besonders reihen alten Biblio- theken in der Belagerung legte es der Verwaltung auf, . auf die Er- werbung folcher alten Drucke besonders Bedacht zu nehmen; schon jeßt kann der Liebhaber hier manches Stück sehen, das er vielleiht auf aitberühmten Bibliotheken vergeblich suchen würde. Die bis- herige, ca. 1000 Inkunabeln starke Sammlung enthielt meist süddeutshe Drucke; da die Frensweger JInkonabeln zum größten Theil aus Cöln und anderen Orten Westdeutschlands, sowie aus den Niederlanden stammen, so bilden sie eine höchst erwünschte Ergänzung jener. Es sei nur erinnert an Cölner Drucke von Ulrich Zell, Guldenschaaf, J. Homborch, Kocelhoff, Quentell, an Druccke von Paffroed von Devanter und Johannes de Westphalia in Leyden.

urz, es ist ein überaus werthvolles Geschenk, durch welches der ,

Sproß eines uralten deutschen Fürftenhauses auf die hochherzigste Weise einer jungen deutschen Schöpfung und dem wiedergewonnenen Reichslande sein Wohlwollen ausgedrückt hat.

Prozeß Ofenheim.

Wien, 15, Januar. | i Vernommen wurden der Kaufmann Pfeifer und der Bube JIeben, welche als Revisionsräthe der Gesellschaft fungirten. Dieselben gaben

an, daß sie die Bilanz durch Stichproben revidirt hätten, und wiesen :

den Vorwurf zurück, durch unlautere Mittel beeinflußt worden zu sein. Die Versicherungsbeamten Windisch und Wagner, welche alsdann ver-

nommen wurden, erklärten, sie hätten als Strohmänner in den Ge- | Der Zeuge Nowack sagte aus, daß er |

neralversammlungen fungirt.

Mitglied des Aufsichtsraths gewesen sei, ohne Aktionär zu sein. Die

Aussagen der übrigen Zeugen waren von keiner erheblichen Bedeutung. |

Zu erwähnen ist nur die Angabe des Hofraths Weber vom Handels-

Ministerium, der die Bahn inspizirte, daß von den vielen vorgefun- 5

denen Mängeln der Bahn mauche entschuldigt werden könnten.

rung hätte aufmerksam machen wollen, würde derselbe nah | seiner Erklärung jederzeit eidlih entkräften, ebenso wie das Bec- | Jh schließe, auf weitere Bemer- F kungen, insbesondere hinsichtlich der unbegreiflih& Jnsinuation einer |

stehen eines Anlasses hiezu.

Injurie verzichtend mit der Wiederholung, daß auf Seite des Herrn Polizei-Rathes Weber nur ein bedauerlicher Irrthum, ein unglückseliges Mißverhältniß obwalten kann. Kisfingen, 12, Januar 1875. Er. Debon, K. Landrichter,

Auf Wunsch des Herrn Polizei-Rath Weber, dem wir von Ÿ

dieser Erklärung Kenntniß gegeben, bemerken wir, daß derselbe auf eine Entgegnung verzichtet. Die Redaktion des Reihs- und Staats-Anzeigers,

art

Redacteur: F. Prehm. Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W, Elsner.

Drei Beilagen (einshließlich Börsen-Beilage.)

Berlin:

Das Zeugenverhör wurde heute fortgeseßt. f

‘zum Deutschen Reichs-Anz

42 18,

Personal-Veränderungen.

Königlich Preußische Armee. i Offiziere, Portepee-Fähnriche 2c. #4 Ernennungen, Beförderungen und Versetzungen. 4 Im stehendeu Heere.

Zerlin, 2. Januar, Bronsart v. Schellendorff I, Oberst und Chef des Gen. Stabes des Garde-Corps, v. Verdy du Ver- aois, Oberst und Chef des Gen. Stabes des I. Armee-Corps, der Nang und die Kompetenzen als Brig. Commdr. verliehen.

__ Berlin, 5. Januar. v. Loebell, Oberst und Commdr. des ¡üs. Regts. Nr. 73, unter Stellung à la suite dieses Regts., mit der | 5ührung der 15. Juf. Brig. beaufiragt. v. Seect, Oberst-Lt,

| ggr, dem Inf. Regt. Nr. 55, mit der Führung dieses Regts., - unter } Stellung à la suite desselben, beauftragt. Werckmeister, Major und G ARger Stabsoff. im Drag. Regt. Nr. 8, unter UÜeberwei-

uag zum Großen Generalstabe, in den Generalstab verscßt. Vogt, [Major vom Generalstabe des VII, Armee-Corps, als etat8wmäßiger \Stabsoff. in das Drag. Regt. Nr. 8 verscßt. Holthoff, Sec. Lt. om Drag. Regt. Nr. 5, in das Drag. Regt. Nr. 16 verseßt. Graf

u Dohna, Sec, Lt. von der Res. des Kür. Regts. Nr. 3, früher

Zec, Lt. in diesem Regt.,, im stehenden Heere, und zwar im Drag.

legt. Nr. 5, als Sec. Lt. wiederangestellt. Oesterheld, Major

la suite des Füs. Regts. Nr. 38 und Militärlehrer bei dem Ka- ätenhause zu Berlin, unter Entbindung von diesem Verhältniß,

im Commandeur des Kadettenhauses zu Wahlstatt ernannt. von

\Zberniß, Hauptmann und Comp. Chef vom 3. Garde-Regt, z. F,

, Bomsdorff, Hauptm. und Comp. Chef vom 1. Garde-Regt.

1 Fuß, v. Klißing, Hauptm. und Comp. Chef vom Gren. Regt.

ir, 109, unter Ueberweisung zum Großen Gen. Stabe, in den Gen.

tab verseßt. v. Bonin, Hauptm. vom 1. Garde-Regt. zu Fuß, j} im Comp. Chef ernannt. Frhr. v. Manteuffel IL, Pr. Lt. von N ¿ms. Regt. in die vakant gewordene Pr. Lts, Stelle eingerüdckt, v. F Launß, Pr. Lt. vom 3. Garde-Regt. zu Fuß, zum Hauptm. uxd } omp. Chef befördert. v. Dewiß gen. v. Krebs I, Sec. Lt. vom : \ Harde-GÜs. Regt, unter Belassung in seinem Krmmdo. zur Dienst- (eistung als Bureau-Chef und Bibliothekar bei der Kriegsschule zu Jannover und unter Beförderung zum Pr. Lt., in das 3. Garde-Regt. à Fuß verseßt. v. Mißla ff, Hauptm. vom Gren. Regt. Nr. 109, } uter Ernennung. zum Comp. Chef, von seinem Kommdo. als Adjut. F tr 28. Div. entbunden. v. Burghof, Pr. Lt. von dems. Regt., cs Adjut. zur 28. Div. kommandirt. Hopfengärtner, Königl.

Wrttemberg. VMaj., von dem Kommdo. zur Dienstleistung bei dem

Me: Regt. Nr. 6 entbunden und aus dem diesseitigen Etat ans-

gichieden.

Berlin, 7. Januar, Blell, Port. Fähnr. vom Drag. Regt.

f Ir. 10, in das Jäger-Bat. Nr. 1 verseßt. v. Kamp, Hauptm,, aggreg. dem 2. Garde-Regt. z. F. und kommdrt. zur Dienstleistung

# bi des Herzogs von Anhalt Hoh., unter Belassung unter diesem Y Nerhältniß à la suite des gedachten Regts. gestellt. v. Phil ips- M born, Hauptm., aggreg. dem Gen, Stabe der Armee und kommdrt. [ s militär. Begleiter zum Erbgroßherzog von Oldenburg Königl. s§9oh., unter Belassung in diesem Verhältniß und unter Verleihung enes Patents seiner Charge, à la suite des Generalstabes der Armee gitellt. v. d. Schulenburg, Rittm., aggreg. dem Ulan. Regt. Nr.

7 unter Belassung in seinem Kommdo. als persönlicher Adjut. des M Cbgroßherzogs von Mecklenburg-Schwerin Königl. Hoh, à 1a suite

F d3 gedachten Regts. gestelll. Müller, Major à la suite des Fuß- At. Bat. Nr. 14 und Adjut, der General-Inspektion der Artill, uter Entbindung von diesem Verhältniß und Ueberweisung zum Eroßen Gen. Stabe, in den Gen. Stab verjeßt. Keyler, Hauptm. vm Ges». Stabe des IT. Armee-Corps, zum Gen. Stabe der 7 Div, t Bachmayr, Hauptm. vom Großen Gen. Stabe, zum General- Stabe des II1. Armee-Corps verseßt. v. Hagen, Pr. L. vom Inf. Yegt. Nr. 30, unter Entbindung von dem Verhältniß als Bureagu- Chef und Bibliothekar bei der Kriegsschule in Engers, zur Dienst- Listung als Adjutant bei dem Inspecteur der Kriegsshulen komman- tirt, Weisbrodt, Sec. Lt. vom Feld-Art. Régt. Nr. 6 in das

E Llan. Negt. Nr. 2 verseßt.

| Berlin, 9. Januar. Frhr. v. Hövel, Pr. Lt. vom Husar. E Rigt, Nr. 11, von dem Kommdo. als Inspektions-Offiz. und Reit- M leprer bei der Kriegs\chule zu Erfurt enthunden, v. Knobloch, M Sec. Lt. vom Ulan. Regt. Nr. 6, als Inspektions-Offiz. und Reit- f lehrer bei der Kriegs\{hule in Erfurt kommandirt.

; Abschiedsbewilligungen.

Im steheuden Heere.

Berlin, 5. Januar. v. Frankenberg-Ludwigsdorff, Gen. Major und Commdr. der 15. Inf. Brig., mit Pens. zur Disp. gestellt. y. Li ebenroth, Oberst und Commdr. des Kadettenhauses zu Wahlftatt, mit Pens. zur Disp. gestellt. wv, Koe, Oberst und Brigadier der 1. Gendarm. Brig, mit Pens. zur Disp. gestellt. N ode, Oberst-Lt. von der 1. Gendarm. Brig., zum Brigadier dieser M Gendarm. Brig. ernannt. v. Aulock, Rittm und Eskadr. Chef im ae Regt. Nr. 6, mit Pens. zur Disp. gestellt und gleichzeitig als

auptm. in der 1, Gendarm. Brig. angestellt.

M Berlin, 7. Januar. v. Grimm, Sec. Lt. vom 1. Garde-Regt, zu Fuß, der Abschied bewilligt.

Berlin, 9. Januar. v. Redern, Oberst und Kommandant ton Straßburg, als Gen. Maj. mit Pens. zur Disp. gestellt. v. Beis e, Maj. a. D,, zuleßt im Inf. Regt. Nr. 93, mit seiner bis- ler. Pens. und der Unif. des gedachten Regts., zur Disp. gestellt.

Königlich Bayerische Armee, - Offiziere, Portepee - Fähnriche 2c.

Ernennungen, Beförderungen und Versetzungen.

Im stehenden Heere. : : Durch Kriegs-Ministerial-Reskript. s München, 3. Jauuar. Steinbauer, Pr. Lt. vom 4. Feld- Art. Regt. König, als Abtheilungs-Adjutant bestätigt.

BVoamtke der Militär-Verwaltung. Durch Allerhöchste Verfügung. Hohenschwangau, 4. Januar. Weyh, Verwaltungs-Aspi- rant 1. Kl., im Inf. Leib Regt., Dir igl, Landw. Verwaltungs-Aspi- rant vom Landw. Bezixk München, im 4. Inf. Regt. zu Zahlmei- MMtern befördert.

Nichtamtliches.

F Frankreich. (Monatsübersiht für Dezember 1874.) Fie Nationalversammlung, die am 30. November nah Piermonatlihen Ferien zum ersten Male wieder zusammengetreten war, beschäftigte sfich am 1. Dezember mit der Wahl der Bureaux.

r. Buffet wurde mit 348 Stimmen zum Präsidenten erwählt.

Zu Vizepräsidenten wurden die Herren Martel, Benoist d'Azy, WNerdrel und am 2. Dezember der Herzog Audiffret-Pasquier ernanni. Von besonderem Interesse waren folgende Sizungen : - Dezember. Der Minister-Präsident General de Cissey ver- as eine Botschaftsrede des Marschall Mac Mahon, in welcher vetont ward, daß das Land den Wunsch hege, die Regierung dur konstitutionelle Geseze gekräftigt und definirt zu sehen,

Erste Beilage

Berlin, Sonnabend, den 16. Januar

Die erste Berathung des Gesetzes über die Freiheit des höheren Unterrichts wurde durch längere Reden der Deputirten Bert und Laboulaye eröffnet. 4, Dezember. Der Bischof von Orleans, Dupanloup, sprah für die Freiheit des höheren Unterrichtes. Hr. Challemel-Lacour, ein Mitglied der äußersten Linken, be- kämpfte diese Freiheit, da dieselbe nah seiner Meinung dem Klerus allein Vortheil und Macht bringen würde. Einige Passagen in der Rede des Hrn. Challemel - Lacour, in denen er sagte, daß das Umsichgreifen der Kirchen- gewalt im Auslande und namentlih in Deutschland Anstoß erregen würde, wurden durch lebhafte Protestationen der Rechten unterbrohen. 5. Dezember. Der Bischof Dupanloup beantwortete die gestrige Rede des Herrn Challemel- Lacour und griff bei dieser Gelegenheit die revolutionäre Partei in heftigen Worten an. Die Kammer nahm \{chließlich die zweite Berathung über das Gesetz, die - Freiheit des höheren Unterrichtes betreffend, mit 531 gegen 124 Stimmen an. Sämmtliche Fraktionen der Rechten und das linke Centrum stimmten für die zweite Berathung. Die Minorität war durch die Mitglieder der republikanishen und der äußersten Linken ge- bildet. 6. Dezember. In Versailles und Paris finden öffent- liche Kirchengebete für die Arbeiten der Nationalversammlung mit großer Feierlichkeit statt. 23. Dezember. Die Vorlage des Berichts über die Wahl des bonapartistishen Deputirten Herrn Bourgoing gab zu einer sehr lebhaften Debatte Ver- anlassung, bei der fih namentlich die Herren Ricard und Rouher betheiligten. Ersterer, ein Mitglied der republikanischen Linken, verlangte, daß das Votum der Nationalversammlung in Bor- deaux, durch welches- die napoleonishe Dynastie aller Rechte auf den Thron von Frankrei für verlustig erklärt war, wieder zur Geltung gebracht werde. Er sagte, der Ruf: es lebe der Kaiser, sei ein Hochverrath. Herr Rouher f\uchte darauf in einer längeren Rede den Beweis zu führen, daß der Be- \{chluß der Nationalversammlung die Souveränetät des Volkes nicht binde, und daß es diesem auh heute noch freistehe, über die zukünftige Form der Regierung Frankreichs, ob Republik, Königthum oder Kaiserthum zu statuiren. Die Nationalversammlung beshloß, daß eine parlamentariscze Unter- suhung über die Existenz des bonapariistishen Comité de lVappel au peuple eingeleitet werde. 24. Dezember. Die Kammer debattirte über eine von der Stadt Paris projektirte Anleihe von 220 Millionen. Diese Anleihe wurde genehmigt. Die Kammer vertagte sich darauf bis zum 5. Januar.

Ihre Majestät die Kaiserin von Rußland, welhe am 26. November in Paris angekommen war, seßte ihre Reise nah San Remo in den ersten Tagen des Monats Dezember fort. Sie empfing während ihrer Anwesenheit in Paris den Präsi- denten der Republik, Marshall Mac Mahon und dessen Ge- mahlin, sowie mehrere andere hochgestellte Persönlichkeiten. Se. Kaiserliche Hoheit der Großfürst Thronfolger, welcher in Gesellschaft Jhrer Majestät der Kaiserin reiste, empfing und er- widerte die Besuche des Präsidenten der Republik, des Herzogs von Decazes, des Herrn Thiers, des General Fleury“ und ver- \chiedener anderer Staatsmänner.

Der \panishe Botschafter Marquis Veja de Armijo erhielt am 6 Dezember vom Herzog von Decazes eine Ant- wort auf die im Monat Oktober überreihte \panishe Note. Der Herzog Decazes, Minister: des Auswärtigen, suchte in seiner Antwort den Beweis zu führen, daß sich die französischen Beamten keiner Pflichtverlezung oder Fahrlässigkeit \{uldig ge- macht haben.

Der deutshe Botschafter, Fürst von Hohenlohe- Schillingsfürst, empfing am 18. Dezember zum ersten Male seit seiner Ankunft in Paris die hohen französishen Be- amten und das ganze diplomatishe Corps. Sämmtliche fran- zösische Minister, sowie die Chefs der auswärtigen Missionen und viele andere hochgestellte Persönlichkeiten, darunter au der frühere Präsident der Republik, Herr Thiers, wohnten dem Empfange bei.

Der von Herrn Perrot veröffentlihte Bericht über die Operationen der französishen Oftarmee greift den General Garibaldi sehr heftig an. Dieser Beriht hat deshalb in der franzöôsishen, sowie in der italienishen Presse Veranlassung Zu zahlrei#zen und leidonschaftlichen Kommentaren gegeben.

Der Marschall Mac Mahon vereinigte während der leßten Tage des Monats Dezember die hervorragendsten Mit- glieder der verschiedenen fonservativen und gemäßigt liberalen Kammerfraktionen, um mit diesen über die gegenwärtige poli- tische Lage zu berathen und zu einem Einverständniß über die im kommenden Monat Januar vorzulegenden konstitutionellen Gesetze zu gelangen. Die Versuche, eine Vereinigung des reten und linken, Centrums herbeizuführen, \heiterten jedoch* an der Festigkeit, mit der die verschiedenen Kammermitglieder auf dem von ihnen eingenommenen Parteistandpunkte beharrten.

Die bonapartistishe Zeitung „Le Pays“ rourde am 23. Dezember wegen eines in der Nummer vom 22, Dezember er- schienenen Lokalartikels auf 14 Tage suspendirt. Es war in diesem Artikel gesagt, daß der Marschall Mac Mahon die Ver- waltung des Septennats . nux übernommen habe, weil Napo- leon IV. erft in sechs Jahren stark genug sein werde, um die Zügel der Regierung ergreifen zu können.

Am 31. Dezember empfing der Marschall Mac Mahon das diplomatishe Corps und die höchsten französfishen Beamten und Würdenträger. An demselben Tage wurde in Paris be- kannt, daß der Prinz von Asturien unter dem Namen Alfons RXI. zum König von Spanien proklamirt sei. Der spanische Bot- schafter Marquis Veja de Armijo legte deshalb noch im Laufe des Tages den von ihm bekleideten Posten nieder.

Neichstags - Angelegenheiten.

Berlin, 16. Januar. In der gestrigen Sizung des Deutschen Reichstages, in der Diskussion über den Gesch- entwurf, betreffend die Beurkundung des „Personenstandes und die U GNeRUng, nahm der Bundesbevollmächtigtè Justiz= Minister Dr. Leonhardt zu §. 27 das Wort:

Meine Herren! Die Herren Abgg. v. Seydewiß und Genossen und die Herren Abgg. Dr. y. Schulte, Dr, Marquardsen und Genossen haben übereinftimmend beantragt, daß die Ehemündigkeit des männ-

lichen Geschlechts exi mit dem 20, Lebensjahrese{und die des weib-

eiger und Zöniglih Preußischen Staats-Anzeiger.

87S.

lien Geshlechts mit dem 16. Lebensjahre eintreten solle. Meine Herren! Dieser Übereinstimmende Antrag würde, wie ih glaube, nit etwa Widerspruch bei den verbündeten Regierungen finden, jondern Beifall. Nun haben aber die Herren Abgg Dr. v. Schulte, Dr. Mar- quardfen und Genossen noch hinzugeseßt; Dispensation ift zuläsfig. Ich Llaube, daß auch dieser Zusaß das Geseß nicht gefährden wird.

Ferner nah dem Abg. Rickert, welher behauptet hatte, der

Justiz-Minister vertrete jezt einen anderen Standpunkt, als vor zwei Jahren im preußischen Abgeordnetenhause: __ Ich habe als preußischer Justiz-Minister im Abgeordnetenhause einem preußischen Gefeß gegenüber eine ganz andere Stellung zu nehmen, wie das der Fall ist, wenn ich hier einem Reichsgesetz für Deutschland gegenüberstehe. Demgemäß würde meine Haltung im Abgeordnetenhause in keiner Weise präjudiziren können meiner Hal- tung in diesem Hause. Allein der Herr Abgeordnete täuscht sich auch in dem, was er bemerkt. Zuvörderst wird mir der Hr. Abg. Dr. Löwe bezeugen, daß ich mich keineswegs dem von ihm im Abgeord- netenbause gestellten Antrage gegenüber abwehrend, vielmehr zuvor- fommend bewiesen habe, und was das andere Bedenken anlangt, meine Herrcn, so werden Sie viekleiht beachtet haben, das ih mich in ver- \ciedener Weise ausgesprochen habe gegenüber dem Antrage v. Seyde- und gegenüber dem Antrage v. Schulte. Ich habe gesagt, daß die Aniräge, foweit sie übereinstimmten, den Beifall der verbündeten Regierungen haben würden, während ich in Betreff des Zusatzes her- vorgehoben habe: ih glaube, daß dieser Zusaß das Geseß nicht ge- fährden würde.

Bu S. 28 in Betreff der von den Abgg. Dr. v. Schulte und v. Seydewig gestellten Unteramendements:

_ Meine Herren! Die beiden Unteramendements sind nicht allein, wie mir scheint, unbedenklih, sondern sie sind auch zu billigen. In der Hauptsache will man nur das konsenépflichtige Alter, wenn ih mich einmal so ausdrücken darf, erhöhen. Die Anträge stimmen überein, nur differirt der Antrag voa Seydewiß gegen den von Schulte in der Art, daß das konsenspflihtige Alter für Kinder männlichen Geschlechts auf das dreißigste, in dem anderen Antrage aber auf das fünfundzwanzigste Jahr geseßt ist. Jch glaube nun, daß der Antrag von Seydewiß, wie ec liegt, bei den verbündeten Regierungen Schwierigkeiten nicht finden wird: auch in Betreff des Antrages von Schulte wird dieses gelten,

Neben diefer Erkläcung entshuldigen Sie nun wohl die Bitte, welche ih sowohl an Herrn von Seydewiß, wie Herrn von Schulte richte, in ihren Anträgen do die griehischen Buchstaben auszulassen.

Ferner nah dem Abg. Dr. Windthorst:

Der Herr Abgeordnete von Meppen hat einen tadelnden BliæÆ geworfen auf“ die neue Gcseßgebung in Betreff des Volljährigkeits- alters. Sehr mit Unrecht, wie ih glaube. Der Herr Abgeordnete hat bemerkt, wenn man es bei den 25 Jahren belassen hätte, fo wären alle Schwierigkeiten beseitigt. Wo war denn das fünfund- zwanzigste Lebensjahr als Alter der Volljährigkeit Rechtens? In den bei weitem kleinsten Theile Deutschlands. Im Landrechte genügte bas vierundzwanzigste, in gauz großen Gebieten, den Rheizlandev, in Sachsen, Bayern und Baden das einundzwanzigste Jahr. Früher bistand in Preußen eine wahre Musterkarte von Vollsährig- keitsterminen; wenn diese Musterkarte zur Zeit fortbestände, so wür- den Sie für dieses Geseß davon gar keinen Gebrauch mochen können, Sie würden jeßt erst ret ein bestimmtes besonderes Alter festsezen müssen. Jch darf bemerklich machen, daß in der Provinz Hannover, die dem Herrn Abgeordneten für Meppen ja am nächsten liegt, Altersunterschiede von 18, 21, 24 und 25 Jahren bestanden.

Nach dem Abg. Reichensperger, mit Bezug auf eine Aeuße- rung des Abg. Dr. Bähr:

Mit der Bemerkung des Hrn. Abgeordneten Dr. Bähr und dem daran gefnüpften Antrag würde ih mt einverstanden erklären können. Im Uebrigen daxf ih mir hier hervorzuheben erlauben, daß ich immer der Anficht gewesen bin und auch jeßt noch bin, daß die beantragte Aenderung, das dreißigste Lebensjahr mit dem fünfundzwanzigsten zu vertauschen, sich niht empfiehlt, obwohl ih nicht glaube, daß, wenn Sie die Aenderung annehmen, das Geseß dadurch gefährdet sei. J muß aber annehmen, daß um so weniger cin Grund vorhanden ist, die Aenderung eintreten zu lassen, weil die Differenz zwishen dem fünfundzwanzigsten und vierundzwanzigsten Jahre so gering ist, daß sie eine rechtlihe oder physiologishe Bedeutung nich: haben kann.

Zu S§. 31, nah dem Abg. Grafen Bethusy-Huc:

Meine Herren! Der §. 31 regelt einen Gegenstand, welcher in der That sehr schwierig ist. Jch erlaube mir, mich über den Para- graphen etwas näher zu äußern mit Rücksicht auf Anschauungen, tie bereits in diesem Hause zur Geltung gekommen sind oder wenigstens berührt wurden. Jch will lieber hier in meiner Eigenschaft als Be=- vollmächtigter der Königlich preußischen Regierung auftreten und nicht Namens der verbündeten Regierungen, obwohl ih nicht behaupten will, taß die verbündeten Regierungen andere Ansichten hätten, als die hier eniwickelten, Jch will das dahingest:llt sein lassen.

Ich erblicke in den Anträgen, die sowohl von Hrn. von Seyde- wiß, wie von Hrn. von Schulte eingebracht sind, wesent!ihe Ver- besserungen. Ich würde aber auch noch weiter gehen; ih würde glau- ben, daß die Königlich preußische Regierung keine Schwierigkeit er- heben wird, wenn, z mal nachdem das Alter bei Männern von 30 zu 25 Jahren herabgemindert ift, der ganze Paragraph gestrichen würde, nämlich mit dem Erfolge, daß nunmehr eine Ergän- zungéflage nicht mehr zulässig ist. Zweitens würde ih glauben, daß die Königlich" preußishe Regierung keine Schwierigkeiten bereiten würde, wenn Sie das zweite Alinea streichen würden: „das Gericht entscheidet nah freiem Ermefsen“. Jn diesem Falle würde nämlich in Betreff dieses Gegenstandes das Landesrecht entscheiden. Eine solche Regelung würde formell keine Schwierigkeiten. haben, weil dieses Geseß kein umfassendes Eheschließungêrecht enthält, sondern nur ein Stückwerk aus dem Eherecht. : :

Dann würde allerdings, so weit ih die Sache übersche, im All= gemeinen die Entscheidung nah freier Würdigung der Verhältnisse erfolgen; aber nah einzelnen beftimmten Gesehen, insonderheit nah dem Landrecht, würde das niht der Fall fein. Hier ist ein allge- meiner Grundsaß angegeben und dieser dann spezialifirt; diese Vor= schriften würden demgemäß bestehen bleiben. Z i i

Ich würde mich auch einverstanden erklären können mit der Auf stellung eines Prinzips, wie es enthalten ist in dem leßtgestellten Antrage. Jh glaube jedoch, e daffelbe noch verschärft werden könnte, um demselben eine größere A zu geben. Jch glaube, man müßte dann sagen, die Ergänzung darf nur aus besondern oder aus überwiegenden Gründen ertheilt werden, oder in ähnlicher Weise fich ausdrüdcken. hz 8

Dieses sind die verschiedenen Gefichtspunkte, welche ih hier an= deuten möchte; ih glaube, wenn Sie den einen oder den andern Ge« danken aufnehmen wollten, wie dieses theilweise hier zur Sprache ges bracht, theilweise bereits in den Anträge" geschehen ift die Königlich preußische Regierung Widerspruch nit, erheben würde.

Nach dem Abg. Dr. Lasker“

Meine Herren! Die Absi&/t bei Entwerfung des Geseßentwurfs ift entschieden dahin gegangen, durch die Worte: „Das Gericht ent-

\ceidet nah freiem Ermess?'a,* diejenigen landesgeseßlih bestehenden - | Schranken für das riht-{rlihe Ermessen wegzuräumen, welche noch