1875 / 22 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 26 Jan 1875 18:00:01 GMT) scan diff

Den ersten Planeten im neuen Jahre centdeckte aim 13. d. M. Paul Henry in Paris. Er wird als Nr. 141 der kleinen Planeten figuriren.

Laud- und Forstwirthschaft.

Mittheilungen über den Stand der Rinderpest (Centr. Bl. f. d. D. R.). 1) Deutschland. Laut Mittheilung der Königlich preußishen Bezirks-Regierung zu Gumbinnen is der Aus- bruch der Rinderpest auf dem Gute Sawadden, Kreis Lyck, amtlich konstatirt. Das infizizte Gutêgehöft liegt 1 Kilometer von dec rusfi- schen Grenze und 2 Kilometer von der nächsten inländishen Ortschaft entfernt. Ueber die Art der Einschleppung der Seuche hat etwas Be- stimmtes noch nicht festgestellt werden können.

Die in dem Geseße vom 7. April 1869 (Bundes-Geseßblatt Seite 105) und der Jnstruktion vom 9. Juni 1873 (Reichs-Geset- blatt Seite 147) angeordneten Sicherheitsmaßregeln sind sofort nah Konstatirung der Seucbe zur Ausführung gelangt. Im Besonderen ist das erfranfte und das der Erkrankung verdächtige Bieh getödtet und verscharrt und die Orts\syerre verhängt worden. :

Daneben hat zur Verhütung weiterer Einschleppungen eine Aus- dehnung der für die russishe Grenze bercits bestehenden Einfuhrver- bote auf die Ein- und Durchfuhr von Dünger, Rauchfutter, Stroh und anderen Streumaterialien stattgefunden. x i

2) Desterrreih-Ungarn. Mitte Januar d. J. herrschte die Rinderpest in Galizien (Bezirk Borszczow), Dalmatien (Bezirke Se- benico und Benkovac), den Küstenlanden und Krain (Bezirk Adels- berg).

ini den Ländern der ungarischen Krone: in Ungarn in zwei Ge- meinden des Szalaer Komitates, in Kroatien, Slavonien und der Mislitärgrenze.

Aus einem Cirkular des Kaiserlich russishen Domänen-Mini- sters an die Hauptverwaltung des russischen Reichsgestüts- wesens ift ersihtlih, daß leßtere für das Jahr 1875 40,550 Rbl. für Rennpreise ausgeseßt hat. Für Preise bei Träberrennen sind 21,900 Rbl, bei Garde- und Armee-Kavallerie-Rennen 10,000 Rbl., für Prämien bei Ausstellungen von Reitpferden 7500, für Bauer- pferde 8350, für Preise bei Lastwettziehen 4550 Nbl. bestimmt. Die Prüfungen und Rennen werden an 59 verschiedenen Punkten statt- finden.

Getverbe und Handel.

Der am 26. Januar abgehaltenen Generalversammlung der Berliner Immobilien-Aktiengesellshaft ist vom Aufsichts- rath ein Geschäftsbericht dahin erstattet worden, daß die Gefellschaft im verflossenen Jahr, unter Aus\{chluß neuer Geschäfte ihre Aufmerk- famkeit lediglih der Verwaltung ihrer Grundstücke zugewendet habe. Da Direktor Salamonsky von dem ihm zugestandenen Rechte, die auf seine Kosten von ihmszu einem Cirkus umgebaute Markthalle bis zum 14. Oktober a. p. für die Summe yon 450,000 Thaler käuflih zu er- werben, keinen Gebrauch gemacht hat, ist die GesellswWaft von diesem Tage ab nicht mehr an dièe genanute Preisforderung gebunden und über- dies befugt, vom 14. Oktober a. c. ab die Markthalle unter Vergü- tigung eines verhältnißmäßigen Betrages der auf ihren Umbau ver- wandten Kosten anderweitig zu verwerthen. Der Miethskontrakt für

Theater.

Die Königliche Oper hat der Karnevalszeit durch die gestern zum ersten Male erfolgte Aufführung von A-ing-fo-hi, Musik von Richard Wüerst, Rehnung getragen. Der Stoff der Oper ist einer Novelle von Barrili entnommen. Die Tochter eines verbannten Mazzinisten (Erminia Touelli) ist Anfangs der fünfziger Jahre heimlih nah Genua gekommen, um für die Partei ihres Vaters zu wirken. Ihre Freundin, Laura Mo- neglio, will sie nächtliher Weile besuhen, wird aber von der aufmerksamen Polizei entdeckt und flüchtet, um die Spur von ihrer Freundin abzulenken, in das noch offen stehende Palais des Advokaten Fenoglio, der eben eine heitere Gesellshaft ent- lassen hat und (in chinesishem Kostüm) auf dem Divan einge- \{chlafen is. Da die Polizei-Sergeanten der Flüchtigen in die Wohnung nachdringen, so giebt sie sich für die Frau des Fenoglio aus, was dieser, der über dem Lärmen er- wacht ist, um die unbekannte Dame zu retten, bestätigt. Die Polizeisergeanten ziehen sih zurück und zwishen Fenoglio und der Unbekannten entspinnt sih nun ein Liebesverhältniß, indessen verläßt Laura die Wohnung, ohne ihren Namen zu nennen und den Advokaten zu erhören. Im zweiten Akt, am folgenden Morgen, erscheint Erminia selbst bei dem Advokaten, um ihre Parteiangelegenheiten zu besprechen. Sie wird aber von dem Polizei-Direktor, einem Freunde des Advokaten, überrascht, der dur seinen Beamten von der vermeintlih heimlih geschlo}enen Ehe gehörthat, und um die Verbannte nicht zu verrathen, giebt sie Fenoglio für seine Frau aus. Der dritte Akt bringt dann die befriedigende Lösung auf einem Gartenfest bei Laura Moneglio und vereinigt Fenoglio mit ihr. A-ing- fo - hi find bedeutungslose Laute, die der Advokat in feinem chinesishen Kostüm, und später auch vor Laura im Schlafe gesprochen hat; der Scherz liegt darin, daß in diesem Worte eine Bedeutung gesucht wird, die es eben gar nicht hat. Hr. Betz als Advokat Fenoglio ist der Träger des heiteren Stücks, und seine Aufgabe is um \o \{hwieriger, als er abgesehen von der Verkleidung im ersten Akt nur im modernen bürger- lihen Kostüm erscheint. Der Komponist is ihm jedo dadurch entgegengekommen, daß er den Fenoglio in den komischen Si- tuationen meist sprechen läßt und die Gesangspartien auf das Lyrische beschränkt. Die Partien der Laura (Frl. Lehmann) und Erminia (Fr. Kupfer-Berger) hat der Komponist gleich reih ausgestattet. Der komishe Gesang is den Herren Salo- mon (Polizeidirektor), Krolop (Diener) und Fricke (Polizei- sergeant) zugefallen, Mit einer größeren Partie ist auch Hr. Sachse, der Freund Fenoglio's, bedaht. Die gefällige und melodiöse Musik ift sehr sorgfältig instrumentirt. Bei dem voll- beseßten Hause fand die Oper lebhaften Beifall. Die Künstler wurden nah jedem Aktshluß gerufen und auch dem Kompo- nisten wurde diese Anerkennung zu Theil.

Die Friedrich-Wilhelmstädtishe Bühne studirt ge- genwärtig folgende musikalishe Novitäten ein: „La belle Bour- bonnaise“ von Coedes, „Madame l’Archiduc“ von Offenbach, „Caglio- tro“ von Strauß. Gleichzeitig wird die Wiederaufführung des Lorßing’schen „Wildshüßen“ und seine „Beiden Schüßen“ in Aus- ficht genommen,

Wie man dem „Corr. v. u. f. D.“ aus Bayreuth schreibt, wird bei der Aufführung des nationalen Festspieles „Der Ring der Nibelungen“ im Wagnertheater das Orchester aus ca. 150 Mann bestehen ( es werden beseßt: ca. 16 erste und zweite Violinen, 10 Violen, 12 Celli, 12 Kontrabässe, 7 Harfen, je 5-Flöten, Oboen und Klarinetten, je 2 englishe Hörner und Baßklarinetten, 16 Wald- höôrner, 8 Trompeten; ebenso Posaunen und Tubhas in ent\yrechender Anzahl, 6 Paar Pauken. Diese imposante Schaar wird eine Elite deutshcr Musiker darstellen, gebildet durch auserlesene Mitglieder der Hoftheater Orchester zu Berlin, Braunschweig, Dessau, Koburg, Meiningen, Weimar, Hannover 2c. Ebenso werden in der nicht minder stattlihen Schaar der Sänger und Sängerinnen fast alle deutschen Größen und Berühmtheiten zu finden sein.

Der Geheime Ober-Medizinal-Rath Dr. Iohann Christian Jüngken hat, wie bereits gemeldet, am 17, d. M. das seltene Fest der funf-

zigsten Widerkehr des Tages gefeiert, an welchem derselbe zum außer- ordentlihen Professor an der hiesigen Königlichen Friedrich-Wilhelms-

den Cirkus läuft bis zum 14, Okftokler 1878 und es gehen nach Ab- lauf dicses Termins die an demselben angebrachten Umbauten und Einrichtungen 2c. ohne Entschädigung in ihren Besiß über. Im Beginne dés Jahres 1574 war jedes der zugehörigen 12 Wohnhäuser mit einer verhältnißmäßig kleinen Hypothek (mit 6 monatlicher Kündigung) belastet, deren Gesammtsumme 249,000 Thaler betrug. Da ein solches Verhältniß bei einem etwa ins Auge zu fassenden Verkauf hinderlich, war die Direktion bestrebt, nur eine kleinere Anzahl von Grundstücen, diese aber je mit höheren Beträgen und auf längere Frist zu belasten. Gegenwärtig find nuc 6 Grundfstückte mit einer ypothekenshuld von 227,000 Thlr. belastet. Die Differenz ist zum heil durch Ver?auf des Bestandes an Effekten (Preuß. 44 4 fkonfsol. Anleihe), zum Theil aus disponiblen Geldern gedeckt. Die Markt- halle ist nach wie vor gänzlih \{chuldenfrei. Das Miethserträgniß der Wohnhäuser ist noch ferner im Steigen geblieben und belief sich am 1. Januar c. auf 203,355 Mark. Behufs Reduktion des Aktien- kapitals von 2 auf 1 Million Thaler wird der Umtausch von je 2 mit 50 % eingezahlten FJnterimsscheinen in eine Vollaktie vor- geschlagen, da die Einfordecung von ferneren Einzahlungen bei unserer Gesellsbaft niht mehr nöthig werden kann. Die Generalversamm- lung stimmte diesem Antrage bei und genehmigte die vorgeschlagene Vertheilung ciner 5}% Dividende. Die Bilanz befindet \sich im Inseralent heil. Nach einem von der Direktion der Bank für Sprit- Produkten-Handel, vorm. Wrede an den Ver- abgestatteten Gefchäftsberiht find in der Ber- verflossenen Geschäftsjahr ca. 11 Mil- lionen Liter und in der Filiale in Oschersleben ca. 4 Mil- lionen Liter Sprit produzirt worden. Der Nettogewinn beträgt nach Abzug der Abschreibungen auf Gebäude, Maschinen und Utenfilien und nah Dotirung des Fonds für zweifelhafte Debitoren mit 5000 Thlr, ferner nach Abseßung von Gratifikationen an die Beamten der Gejellschaft 186,354 Thlr. Nachdem nun hiervon der Reservefonds mit 75% anstait wie früher mit 5% dotirt ist und die ftatuten- mäßigen Tantièmen in Abzug gebracht sind, kommen 150,000 Thlr wie bereits mitgetheilt ist, als 74% Dividende zur Vertheilung und verbleibt außerdem ein Uebertrag von 3828 Thlr. auf neue Rechnung. Nach einem jeßt bekannt gewordenen Zirkular des Direkto- riums der Rheinischen Eisenbahn an seine Geschäftsfreunde wird denselben Mittheilung über die Art und Weise gemacht, in der die vielbesprochene neue Aktien - Emission vorbehaltlich der Be- stätigung der Aufsichtsbehörde vorgenommen werden foll. Da- nach ¿st das neue Kapital auf 12 Millionen Thaler bemessen; den alten Aktionären wird auf 4 alte Aktien eine neue al pari zur Ver- fügung gestellt. Die neuen Aktien werden bis zum Jahre 1877 mit 9 pCt. aus dem Baufond verzinst und partizipiren erst von da ab an der Dividende. Die erste Einzahlung von 20 pCt. hat sofort zu erfolgen, weitere 20 pCt. sind im September einzuzahlen und der Rest im Jahre 1876. Verkehrs-Anstalten. Der dem Hause der Abgeordneten vorgelegte Staatshaus- halts-Etat für das Jahr 1875 bringt unter den einmaligen und

und waltungärath liner Fabrik în dem

Universität ernannt wurde ein Fest, wie es an der hiesigen Hoch- schule bis jeßt noch nicht begangen ist,

I. Chr. Jüngken wurde am 12. Juni 1793 zu Burg bei Magde- burg geboren, studirte in Göttingen und kam im Jahre 1815 nach kürzerem Aufenthalte in den Lazarethen zu Brüssel, nach Berlin, vollendete hier seine Studien und promovirte unter Hufeland am 3. Mai 1817, Von einer längeren Reise über München und Wien nah Italien, wo ein besonders reges Interesse für die Heilkunde herrichte, nach Berlin zurückgekehrt, begann Jüngken 1818 seine Lehr- thätigkeit als Privatdozent und erwarb sich \chnell die all- gemeine Beachtung und einen großen Ruf als Oph- thalmolog und Operateur. Am 19, Mai 1828 eröffnete er die ophthalmiatrische Klinik, die erste ihrer Art in Berlin, welche auf Rusts Antrag begründet war, und alsbald au hohen Nuf erlangte. Nach dem Tode Rusts übertrug man Jüngken auch die Leitung der chirurgishen Klinik. Ueberaus umfassend war seine Thätigkeit als Di1ektor beider Anstalten, als Lehrer, gesuhter Ope- rateur und Arzt. Vielfah wurde er zu Konsultatiouen nach außer- halb berufen, so 1834 nach Brüssel, 1851 nah St. Petersburg, 1852 nah Wien u. st w. Nachdem er 40 Jahre hinducch die ophtha- miatrische, und 28 Jahre die chirurgishe Klinik geleitet, legte er das Direktorat leider am 1, Oktober 1868 nieder, nit ohue daß ihm zuvor, bei Gelegenheit feines 50jährigen Doktor-Jubiläums, der Ausdruck ehrender Anerkennung und Achtung, sowohl Allerhöchsten Orts, als aus den Kreisen seiner Berufsgenossen und des Publikums, in reichem Maße zu Theil geworden.

Es war Jüngken leider niht vergönnt, feinen jüngsten Ehrentag |

festlich zu begehen, eine Lähmung hielt ihn an das Bett gefesselt ; auf seinen Wunsch unterblieb daher jede größere Ovation. Am frühen Morgen erschien im Namen der Universität der Dekan der medizinischen Fakultät, Geheimer Medizinal-Rath Prof. Dr. Hirsch, um den Jubilar zu beglückwünschen, und mit der Anerkennung für die der Wissenschaft geleisteten Dienste die Hoffnung auszusprechen, ihn recht bald im Kreise seiner Berufsgenossen wieder begrüßen zu können. Der Unter-Staatssekretär Sydow überbrachte später ein Schreiben des Staats-Ministers Dr. Falk, das in ehrenden Ausdrücken Jüngkens Verdienste anerkannte und die Mittheilung enthielt, daß S e. Majestät der Kaiser undKön ig Sich Allergnädigst bewogen gefun- den hätten, dem Jubilar den Stern zum Kronen-Orden zweiter Klasse zu verleihen. Der Direktor der militärärztlihen Bildungsanstalten, General- Arzt Dr. Grimm, und dec General-Arzt der Kaiserlich deutschen Kriegs- marine, Dr v. Steinberg-Skirbs, ein früherer Schüler des Jubilars, über- brachten demselben die Wünsche der ihnen unterstellten Aerzte. Von den näheren Freunden hatten sich zur Gratulation eingefunden die General - Aerzte Dr. v. Lauer und Dr. Wolff, so wie der Geheime Ober-Medizinal-Rath Dr. v. Langenbeck. Zahlreiche Briefe und De- peschen bewiesen, daß der Jubeltag in weiten Kreisen verdiente Theil- nahme erregt hat.

Für alle Zeiten bleibt es das große Verdienst Jüngkeus, daß er eine wissenschaftliche Ausbildung der Augenheilkunde erstrebte und begründete. Er führte sie auf die Basis der allgemeinen Heilkunde zurück, machte sie zum Gemeingut aller Aerzte und während sein glän- gendes operatives Talent, sowie die sichere Ruhe seiner Hand ihm die allgemeinste Anerkennurg erwarb, wußte er durch die Art des Vor- trages se-ne Schüler zu fefseln und in ihnen nachGhaltige Liebe zum Berufe zu erwecken. Auch in literarisher Beziehung hat sich Jüngken vielfach ausgezeichnet.

Von Jhrer Majestät der Kaiserin-Königin ist der Professor Dr. Jüngken aus Anlaß seines fünfzigjährigen Jubiläums nachträglih noch mit folgendem huldvollen Schreiben beehrt worden:

„Jch erfahre leider erst jeßt, welches seltene Fest Sie am 17. dieses Monats gefeiert haben. Emvfangen Sie Meinen aufrichtigen Glückwünsch und die Versicherung Meiner vollen Anerkennung Ihrer fünfzigjährigen ausgezeichneten Leistungen zum Wohle der leidenden fat el, bei Heraubildung der Jugend, im Dienste der Wissen-

ast. Berlin, den 20. Januar 1875. Augusta.“

Der Berliner Hausfrzuen-Verein

hielt am Montag Abend im Oberlichtsaale des Rathhauses seine erste Generalversammlung ab, Die Vorfißende, Frau Lina Morgenstern, gab zunächst einen längeren Rückblick auf die Entstehungs- und Ent- wickelungsgeschichte des Vereins. Die immer mehr steigenden Preise für alle Nahrungsmittel haben' in den -Familien einen Nothstand herbeigeführt, dem nur dur ein gemeinsames Vorgehen der Haus- frauen gesteuert werden kann. Als daher Frau L. Morgenstern am 20, November 1873 die Bildung eines solchen Vereines vorschlug, wurde der Gedanke, troß gegentheiliger, meist von Arbeiter- frauen ausgehender Agitationen, mit Beifall begrüßt, und daß die

* zur Zeit 2400 Mitglieder zählt.

| baben

außerordentlichen Ausgaben im Ressort der Verwaltung für Handel, Gewerbe und Bauwejen eine solhe von 400,000 Mark als erste Rate zur Kanalisirung der Unterbrahe mit Anlegung eines Sicher- heits8hafens an der Brahemündung in Vorschlag. Die Erläuterungen besagen: „Die Interessen der Schiffahrt zwischen der Weichsel und Oder werden duch mangelhaften Zustand der Wasszrstcaße der unteren Brahe und den Mangel eines vor den Gefahren des Hoch- wassers \{hüßenden Sicherheitshafens am Auéfluß der Brahe so wesentlich geshädigt, daß man schon seit längerer Zeit auf gründ- liche Abhülfe bedacht gewesen ift. Dieselbe kann nur durch Kana- lifirung der gedachten Wasserstraße und Anlage eines Sicherheits- hafens beschafft werden, wie die technishen Vorlagen dies nach- weisen. Nach denjselben erfordert die Kanalisirung der Brahe von Bromberg bis zur Weichsel einschließlich der Kosten für die Scbleu- sen und Wehranlage bei Kaputcisko einen Kostenaufwand von 828,000 Mark, während für die Hafenanlage einshließlich der für dieselbe unentbehrlihen Schleusen- und Wehran!agen 1,572,000 Mark erforderlih sein werden. Es ift die Absicht, die Kanalisirungsarbeiten auf Staatskosten auszuführen, die Aus- führung der Hafenanlage aber einer in der Bildung begrif- fenen, wesentlich durch die Interessen des Holzhandels hervorge- rufenen Aktiengesellschaft zu überlassen. Mit der Ausführung der Ka- nalifirung, welche eine zweijährige Arbeitsperiode erfordern wird, soll begonnen werden, sobald ducch einen mit dicser Gesellschaft zu \chlie- ßenden Vertrag die gleichzeitige Ausführung beider Anlagen, sowie das Aufsichtsreht des Staates über den Hafen in einem den Inter- essen des Verkehrs entsprehenden Umfange sicher gestellt sein wird. Die Hälfte der hiernah der Staatskasse zur Last fallenden Kosten wird als 1. Rate pro 1875 bereit zu stellen fein.“

Ueber den Stand des Baues der Oels-Gnesener Eisen - bahn theilen shlesishe Blätter Folgendes mit: Die Erdarbeiten find durchweg fast ganz vollendet. Es fehlen daran nur noch kleine Ver- vollständigungsarbeiten. Das Gleiche gilt von den Brücken und Durchläfsen einschließlich der Bartsh- und Warthebrücke. Das Gleis ist bis auf eine kleine, binnen wenigen Tagen zum Schluß gelangen- den Brücke zwischen Koschmin und Krotoschin, von Gnesen bis über Freyhan hinaus und in einer Ausdehnung von circa 130 Kilometer =— 17# Meilen vorgestreckt. Die Hochbauten werden bis Ende Mai ganz vollendet sein. Die Wagen kommen bis Ende April vollständig zur Ablieferung. Von dem konzessionirten Anlagekapital von 72 Mil- lionen waren bis zum 1. Januar c, 6,159,390 Thlr. zur Einzahlung und 4,752,852 Thlr. zur Verausgabung gelangt. Die Betriebseröf- nung dürfte also gegen Mitte dieses Jahres stattfinden.

Aus dem Wolff'’shen Telegraphen-Bureau.

Wien, Dienstag, 26. Januar, Vormittags. Der „Tages- presse“ . zufolge ist die Notifikation der Thronbesteigung des Kö- nigs Alfons gestern hier eingetroffen und von dem spanischen Gesandten Delmazo dem Auswärtigen Amte übergeben worden,

beweist der Umstand, daß der Verein Am 9, Dezember 1873 konstituirte fich der Verein und wählte einen provisorischen Vorstand, der am 8. Januar 1874 definitiv bestätigt wurde. Bezirks- und Ehrendamen aus allen Theilen der Stadt stellten sih dem Verein zur Verfügung, der bereits zu jener Zeit ein, scitdem wiederholt ergänztes Verzeichniß von Lieferanten herauêgegeben hat, die den Vereinsmitgliedern gute Waare zu billigem Preise liefern wollen. Auch an die Dienstboten- frage ist der Verein herangetreten; zunächst hat er ein Stellenvermit- telungébureau begründet und später eine Kommission gewählt, welche sich über etwaige Vorschläge \{chlüssig machen sollte, in welchen Punkten die Gesinde - Ordnung abzuändern sei; die Kommission legte ihre Berathungen in Form einer Petition an das Abgeordnetenhaus nieder, dieselbe is fjedoch nicht ab- gesandt worden und foll jeßt dem Ministerium des Vnnern Überreiht werden. Am 4. April v. J. erschien die erste Nummer des neu gegründeten Vereinsorganes, welches speziell die Jel1eressen der Hausfrauen vertritt. Die Frage nach der Errichturg einer cigenen Waschanstalt ist bei dem Ucbelstande, daß keine der bereits bestehenden Anstalten Garantien giebt, daß nicht schädliche Stoffe zum Reinigen verwandt werden, auch erörtert worden, doh scheiterte die Lösung zur Zeit am Mangel des nöthigen Kapitals, das fih auf 4000 Thlr. be- laufen würde. Jm Juli wurde in der Beuthstraße 6 das Zentral- bureau errichtet, in welchem die sämmtlichen von den Fabri- kanten angebotenen Waaren zu den billigsten Preisen zu sind, Dässelbe exfreut fch l&@ dex Lettung der Bezirksdamen einer so starken Benußung, daß in der Person des Hecrn Th. Morgenstern jeßt einem Chef die dirigirende Oberleitung anvertraut worden ist. Hierauf wurde der Kassenbericht verlesen, aus welchem zu ersehen ist, daß die Einnahmen und Ausgaben im ersten Semester mit 4342 Thalern, im zweiten mit 15,396 Thalern balanciren. Das Gesammtvermögen des Vereines betrug am 31. De- zember v. J. 3950 Thaler, Passiva sind niht vorhanden. Die Ein- nahmen des Vereins betrugen im Juli 211, im August 847, im Sep- tember 1349, im Oktober 2560, im November 4108, im Dezember 6219 Thaler. Hieran {loß sih eine theilweise, wenn auch nicht eingreifende Aenderung der Statuten. Lieferanten können Mitglieder werden, haben aber kein Stimmrecht. Ein Mitglied, welches feine Karte verleiht, um dadurch Fremden die Vortheile, die der Verein bietet, zuzuwenden, trifft die Strafe des Ausschlusses. Das Verlieren einer Mitgliedskarte wird mit ciner Mark bestraft. Der neu ernanute Chef des Centralbureaus bezieht eine zwishen einem Minimal. und Marximalsaße sich bewegende Tantième, deren Höhe der Vorstand unter Genehmigung der Generalversammlung festseßt.

Der Vorstand wurde mit 213 von 242 Stimmen wiedergewählt ; denselben bilden zur Zeit : Frau Lina Morgenftern, Vorsißende, Frau Maria Gubißt, stellvertretende Vorsißende, Frau Dr. Mennicke, Schrift- führerin, Frau Stadtgerichtéräthin Kowalzig, stellvertretende Schrift- führerin, Frau Deutsch, Kassirerin, Frau Ober-Amtmann Badicke, Schaßzmeisterin, Hr. J. Bloch, erster Beisißer, Hr. Th. Morgenstern, zweiter Beisitzer.

Idee eine richtige war,

Am S#nntag Vormittag überreichten die Mitglieder der Re- daktion der „Nationalzei{ung“ dem aus ihrer Mitte scheidenden Kollegen, Staatsanwalt z. D. Schröder, zur Erinnerung an die mit ihm gemeinsam geübte Thätigkeit das Symbol derselben, ein bronze- nes Schreibzeug mit Zubehör. Hr. Schröder dankte mit bewegten Worten, indem er hervorhob, wie gern er mit den Kollegen zusammen gearbeitet habe und versicherte, daß ihm die Erinnerung an seine jour- nalistische Thätigkeit stets in freundlichem Andenken bleiben werde.

Prozeß Ofenheim.

Wien, 25. Januar. (W. T. B.) Jun der heutigen Sibßung wurden Giskra und der Landmarschall von Galizien, Fürst Sapieha, vernommen. Ihre Aussagen waren dem Angeklagten günstig. Nach Beendigung der Vernehmung erbat Giskra das Wort, um einige den Verwaltungsrath der Lemberg-Czernowißer Bahn betreffende Punkte zu berichtigen, Er wies namentlih den Vorwurf, daß der Verwal- tungsrath sih habe strafbaren Leichifinn zu Schulden kommen lassen, zurück. Der Staatsanwalt erwiderte darauf, er habe unter dem Ausdruck „Verwaltung* die Bahnverwaltung im allerweitesten Sinne verstanden.

Redacteur: F. Prehm. Verlag der Expedition (Keffel), Druckt W. Elsner. Vier Beilagen (einshließlich Börsen-Beilage)

Berlin:

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Nichtamkliches.

Amerika. (Monatsübersiht für Dezember.) Der 43. Kongreß der Vereinigten Staaten trat am 7. De- zember, dem ersten Montage des Monats, wie es die Verfassung vorschreibt, zu seiner leßten, bis zum 4. März 1875 währenden Session zusammen und nahm die übliche Jahresbotschaft des Präsidenten über die allgemeine Lage des Landes und den Stand der Nationalverwaltung entgegen. In Würdigung der überwiegenden Bedeutung der materiellen Interessen für die augenblicklihe Lage des Landes hatte Präsident Grant den die- selben betreffenden Theil seiner Botschaft an die Spiße gestellt ; er erwähnte zunächst der dur die finanzielle Krisis des vergan- genen Jahres hervorgerufenen und noch fortdauernden Lähmung des Handels und der Industrie, und wies dabei auf die großen Elemente der Prosperität der Vereinigten Staaten, das Vor- handensein genügender Arbeitskräfte und hinreichenden Kapitals, sowie die ungemeine Produktionskraft des Landes, hin, welche, bei einer geeigneten Finanzverwaltung und namentli der Her- stellung eines gesunden Zirkulationsmittels, den Wohlstand des Volkes und die Erwerbsthätigkeit leiht wiederherzustellen ver- möchten. Der Präsident empfahl deshalb dringend die mög- lihst baldige Wiederaufnahme der Baargeldzahlungen, überließ zwar dem Kongresse die Mittel vorzuschlagen, um dies er- wünschte Ziel zu erreihen, wies aber darauf hin, daß die Klausel zu dem Gesehe, welhes der Regierung die Ausgabe von Papiergeld gestattet, in welcher die Staatskassenanweisungen zu geseßlichen Zahlungsmitteln gemaht werden, aufgehoben werden müsse, und zwar von einem in der Widerrufsakte zu be- stimmenden Tage an für alle Kontrakte, welhe nah demselben eingegangen wären, ebenso müßten zu gleiher Zeit Vor- kehrungen getroffen werden, denen zufolge der Finanz-Minister, je nah Bedarf, von Zeit zu Zeit von dem Tage an, an welhem die Baargeldzahlung wieder aufgenommen sei, Geld er- langen könne. Dazu wären aber die Bildung genügender Revenuen erforderlich, welche einen hinreihenden Ueberschuß der Einnahmen über die Ausgaben gestatteten. Mit der Wiederauf- nahme der Baarzahlung werde dann auch mit Sicherheit zur Einführung des Freibankeusystems geschritien werden können. Nach Behandlung der Finanzfrage wandte sich der Präsident den Beziehungen der Vereinigten Staaten zum Auslande zu. Die- selben werden im Allgemeinen als zufriedenstellend und keine ernstlihe Störung befürchten lassend bezeihnct, Das am 1. Iuli eintretende Ablaufen des im Jahre 1858 mit Belgien abgeschlo\- senen Vertrages wurde hervorgehoben und zugleih die Hoffnung ausgesprochen, daß der frühere Vertrag durch einen neuen, beiden Ländern zu Gute kommenden, werde erseßt werden. Der Präsident empfahl weiter den Erlaß besonderer Gesehe zur Beseitigung des Uebelstandes, daß die Einwanderung von China in unver- hältnißmäßig großer Zahl keine freiwillige ist, befürwortete von Neuem die Einsezgung eines besonderen Gerichtshofes, welchem die Prüfung der erhobenen Ansprüche an die von England ge- sgahlte Alabamaentshädigung und die endgültige Vertheilung dieser Summe zustehen müsse, erwähnte ferner des mit der Türkei abgeshlossenen Uebereinkommens betress des Rechtes der Er- werbung von Grundbesiß und gewisser Jurisdiktionsbefugnisse, und berichtete über den Stand der Arbeiten der gemishten Kom- mission, melche die gegenseitig von den Vereinigten Staaten und Mexiko erhobenen Entschädigungsansprüchhe zu untersuchen hat, wobei zugleih die Hinausschiebung des Termins für die Been- digung dieser Arbeiten als wünschenswerth hingestellt ward. In Betreff Venezuelas heißt es, daß die in neuerer Zeit in diesem Lande vorgekommenen Ruhestörungen Grund zu der Be- fürhtung gäben, daß die der dortigen Regierung reht- mäßig obliegende Lösung ihrer Verbindlichkeiten gegen amerikanishe Bürger abermals hinausgeshoben werden möchte. Jn Bezug auf die Revolution in “Cuba hob der Präsident hervor, daß sih die Machtlosigkeit Spaniens, dieselbe unterdrücken zu können, vollständig herausgestellt habe, wies auf die Nothwendigkeit des vermittelnden Einschreitens fremder Mächte hin, und \prah zugleich die tiefe Sympathie aus, welche ihm die inneren Streitigkeiten Spaniens einflößen. Nachdem der- selbe dann an die Nothwendigkeit ergänzender Geseße zum Schuße amerikanischer Bürger im Auslande erinnert und Siche- rungsmaßregeln gegen den betrügerishen Erwerb des ameri- kanishen Bürgerrechts empfohlen, geshah \chließlich der Aus- weselung von Handels- und Auslieferungsverträgen mit Bel- gien, Ecuador, Peru, Salvador und Rußland Erwähnung. Sich dann wieder den inneren Angelegenheiten zuwendend, machte der Präsident den Kongreß auf die Zweckmäßigkeit einer Umge- staltung des Tarifs aufmerfsam, damit die Einnahmen erhöht und zugleih die Zahl der zollpflihtigen Waaren vermindert werde, namentlißh wäre der Zoll auf die niht im Lande produzirten Artikel , deren indessen die Industrie bedürfe, aufzuheben, ebenso solle auch von den Pro- dukten des Gewerbefleißes, von denen ein Theil, aber nit das Ganze im Lande hergestellt würde, der niht in den Vereinigten Staaten hergestellte Theil zoUfrei gelassen werden. Auf die Zus stände in den Südstaaten übergehend, gab der Präsident dic Gründe an, welche ihn dazu bewogen hätten, si der Einmischung int die leßten Verwickelungen in Arkansas zu enthalten, und ver- wies auf seine Spezialbotshaft vom Februar 1873 betreffs Louisianas, in welcher er keine besondere Empfehlung gegeben, wohl aber ernstlih um Legislation über diese Frage nahgesuht habe, zugleih sprach er den Wunsch aus, daß jede Nothwendig- keit für die Einmischung in Staatsangelegenheiten von Seiten der Bundesexekutive überflüssig werden möge, hob aber mit Nachdruck hervor, daß, so lange die Exekutivgewalt in seinen Händen läge, alle Gesetze des Kongresses und die Bestimmungen der Verfassung, ein- \{chließlich der in leßter Zeit hinzugetretenen Amendements, mit Strenge ausgeführt werden würden. Präsident Grant wiederholte dann seine Zuversicht, daß die bisher den Indianern gegenüber be- folgte Friedenspolitik zufriedenstellende Resultate ergeben habe. In Betreff der Reform des Civildienstes ward versichert, daß die für dieselben aufgestellten Regeln so genau beobahtet worden seien, als bei der Opposition, welche sie fänden, ausführbar gewesen sei. Zugleich kündigte der Präsident seinen Entshluß an, ohne weitere Gesezgebung des Kongresses über diesen Gegenstand, zwar die Prüfungen beibehalten, im Uebrigen aber von dem bisher befolgten System abgehen und namentlih die Konkur- renz-Prüfungen aufheben zu wollen, Nachdem der Präsident

Erste Beilage

Berlin, Dienftag, den 26. Januar.

den Besuch des Königs Kalakaua erwähnt, {loß die Botschaft mit der Erwähnung der noch unvollendeten Vermefsungsarbeiten an den Mündungen des Mississippi. f

Von den dem Kongresse mit der Botschaft des Präsidenten zugegangenen Iahresberichten der verschiedenen Departementschefs ist besonders der des Finanz-Ministers hervorzuheben, aus welchem es sih ergiebt, daß fih für das am 30. Juni zu Ende gegangene Finanzjahr, an Stelle des erwarteten Defizit von 134 Millionen, ein Uebershuß von 2,344,882 Dollars ergeben hat, obgleih in demselben die Erträge der Einfuhrzölle gegen das Vorjahr um etwa 25 Millionen, die der Bundessteuern um etwa 11 Millionen und die Einnahmen aus verschiedenen ande- ren Quellen um etwa 8 Millionen abgenommen haben. Für das laufende Finanzjahr sind die Gesammtausgaben auf 275 Millionen Dollars, zwölf Millionen weniger als im Vorjahre, die Gefammteinnahmen dagegen auf 284 Millionen veranschlagt worden, fo daß sih, sfollten sich diese Annahmen als richtig er- weisen, ein Uebershuß von 9 Millionen ergeben würde, welche für den Tilgungsfond verwendet werden könnten. Da aber dem Geseßze nah im laufenden Jahre 31 Millionen zur Tilgung der Schuld erforderlih wären, so würde s{ch für das Jahr 1874/75, sollten \sich die Einnahmen nicht in ent- sprehendem Maße vermehren, im Amortisationsfond ein Defizit von über 22 Millionen herausstellen; rechnete man dazu, daß im Jahre 1873/74 bereits über 25 Millionen zu wenig an den Tilgungsfonds abgeführt worden seien, so werde eine genaue Aufstellung des Budgets bis zum 30. Juni 1875 ein Defizit von etwa 47 Millionen ergeben. Da der Kongreß in der ver- slossenen Session diese Sache unbeachtet gelassen, fo sei es jeyt um so mehr die Pflicht desselben, entweder die nöthigen Steuern zur Deckung des Defizits zu dekretiren, oder ein Gesez zu er- lassen, durch welches der Uebershuß der Schuldtilgung der Jahre 1869—73 über das vom Gesegze vorgeschriebene 1 Prozent dem Tilgungsfond der folgenden Jahre gutgeschrieben werde. Der Minister bemerkte ferner, daß die Zeit zu Wiederaufnahme der Baarzahlungen gekommen sei, und empfahl einen frühen Termin für das Aufhören des Zwangscourses des Staatspapier- geldes; für bereits abgeschlossene Kontrakte aber müsse dem Volke und den Banken Zeit zur Vorbereitung gelassen werden, damit neue finanzielle Krisen vermieden wür- den. Eine dem Betrage der Notencirkulation zur Zeit dec Auf- nahme der Baarzahlungen gleihkommend?: Anleihe müsse ge- stattet werden. In dem Berichte ward ferner die Aufhebung der Steuern auf Bank-Cheks, Streichhölzer, Parfümerien u. \. w., und dafür eine Erhöhung der Steuern auf Spirituosen empfoh- len, und die Einseßung einer Kommission zur Untersuhung der gesammten Tariffragen befürwortet,

Bereits in der ersten Sizung des Senats brachte der Se- nator Sherman einen Geseßentwurf behufs Revision der Tarif- gesche ein, Nach demselben soll eine aus sieben Mitgliedern, und zwar einem Senator, zwei Mitgliedern des nächsten Reprä- sentantenhauses, zwei höheren Zollbeamten und zwei mit den Zollgeseßen vertrauten Bürgern, bestehende Kommission dem Kongresse, bei seinent Zusammentreten im Dezember 1875, dur den Finanz-Minister eine Revision sämmtlicher Zollgeseße nebft den einshläglihen Amendements vorlegen. In der Sihung vom 14. wurde ein aus drei Mitgliedern bestehendes Comité zur Berathung dieser Frage erwählt. Ein an dem nämlihen Tage vom Senator Boutwell eingebrater Antrag auf Errichtung eines besonderen Handels-Ministeriums, zu dessen Ressort sämmtliche Handels-, Gewerbe-, Industrie- und Schiffahrts-Angelegenheiten, ein\{chließlich des Zoll- und Steuer- wesens, gehören sollen, wurde an den Handelsaus\{huß verwiesen. Am 21. brachte der Senator Sherman einen Gesetentwurf be- hufs Wiederaufnahme der Baarzahlungen ein. In demselben wird bestimmt: 1) daß der Finanz-Minister so \hnell als möglich die Ausprägung von 1/; und 1/7 Dollarstücken in Silber anzu- ordnen habe, um das jeyt in diefen Denominationen umlaufende Papiergeld (fractional currency) einzulösen; 2) dio jegt bestehende Gebühr von 1/; Prozent für Ausprägung von Goldmünzen für Rehnung von Privaten in den Münzen der Vereinigten Staaten \oll in Zukunft fortfallen, 3) das Gesey, welches das in den Nationalbanken angelegte Kapital und die Notencirkulation beshränkt, wird aufgehoben und das Bankwesen und die Notencirkulation, gegen Hinterlegung von Bundesobliga- tionen, freigegeben. Für jede 100 Dollars solcher ausgegebenen Banknoten sollen 80 Dollars in Staatspapiergeld eingezogen und dies Verfahren \o lange fortgeseßt werden, bis die Ge- sammtsumme des in Umlauf befindlihen Staatspapiergeldes auf 330 Millionen reduzirt worden is. 4) Vom 1. Januar 1879 ab soll der Finanz-Minister verpflihtet sein, Staatspapiergeld, in Summen von nicht weniger als 50 Dollars, bei dem Unterx- \hazamte in New-York gegen Gold einzulösen. Um den Finanz- Minister in den Stand zu seßen, für die durch dies Geseß ver- fügte Einlösung Vorkehrungen zu treffen, \oll derselbe ermäch- tigt werden, Vereinigte Staaten-Obligationen jeder Art, zu 4, 4x und 5 pCt., für keinen geringeren Preis als Pari in Gold zu verkaufen. Am 22. wurde dieser Entwurf, nahdem zahl- reiche dazu eingegangene Amendements verworfen worden waren, vom Senate in dritter Lesung mit 32 gegen 14 Stimmen an- genommen.

Im Repräsentantenhause wurden am 7. fünf Geldbewilli- gungs-Anträge für das nächste Finanzjahr eingebracht, und zwar: Kongreß u. \. w. 19,653,434 Dollars, Marine 16,976,006 Doll., Armee 27,701,500 Doll., Indianer 4,861,507 Doll. und For- tififkationen 850,000 Doll. Die Anträge, betreffend den Kongreß und die Marine, wurden am 18. in amendirter Fassung ange- nommen. Die Untersuchung der in der Botschaft des Präsiden- ten erwähnten Wirren in Louisiana und der Angelegenheit der Liga der Weißen im Allgemeinen wurde am 9. einem aus sieben Mitgliedern bestehenden Comité überwiesen. Die Berathung der am 22. dem Repräsentantenhause vom Senate zugegangenen Shermanschen Bill über die Wiederaufnahme der Baarzahlungen wurde auf den 7. Januar angeseßt. Am 23. Dezember ver- tagten sih beide Häuser des Kongresses bis zum 5. Januar.

Der König der Sandwih-Inseln, Kalakaua, welher am 28. November auf dem Kriegsdampfer der Vereinigten Staaten yBenicia“ in San Francisco angekommen war, begab \ich von dort nah Washington, wo derselbe am 12. eintraf und mit un- gewöhnlihen Ehrenbezeugungen empfangen wurde. Derselbe stattete dem Präsidenten bald darauf seinen Besu ab, welchen

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger. 22

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Präsident Grant am 16. erwiederte. Auf die Einladung des Kongresses besuchte der König am 18. das Kapitol. Am 22. begab sih derselbe zu einem kurzen Aufenthalte nah New-York.

Der Ausweis der Bundes\huld per November erweist eine Abnahme während des Monats von 123,427 Dollars 68 C. Abzüglich des Baarbestandes und der zu Gunsten der verschie- denen Pacificbahnen ausgegebenen Obligationen belief \sich die Schuld auf die Gesammtsumme von 2,138,938,334 Dollars 14 C., gegen 2,139,061,761 Dollars 82 C. am 1. November. Für den Monat Dezember wurde der Verkauf von 2,500,000 Dollars in Gold angeordnet.

Wenig günstig hat sich bis jeyt die Lage in den Süd=- staaten gestaltet. In Louisiana hat der radikale Gouverneur Kellog, unter dessen Kontrole die Stimmzählungsbehörde (re- turning board) fteht, obgleih die Wahlen bereits am 2. No=- vember stattfanden und deren, den Konserbativen im ganzen Staate günstiges Ergebniß sofort bekannr war, erf Ende De- zember das offizielle Resultat veröffentliht, wonach, allen bishe- rigen Erwartungen entgegen, die Republikaner im zweiten Pee der Staatslegislatiöc eine Majorität von zwei Stimmen haben sollten. Die Aufregung, welhe in Folge dieser Nachriht im ganzenStaate entstand, wareine ungemein große, und wurde der Gouverneur von seinen Gegnern geradezu der Fälshung der Wahllisten beschuldigt. Für den Zusammentritt der Legislative sah man heftigen Auftritten entgegen, und besorgte, daß scharfe Maß- regeln der Staatsregierung wiederum zu Störungen der öffent- lihen Ordnung führen dürften. Auch im Staate Mississippi ift es zu Anfang des Monats in Vicksburg zu Unruhen ernsterer Art ge- fommen, In Folge politischer Aufheßereien fand dort ein förmliher Angriff bewaffneter Schaaren von Farbigen auf die Stadt statt. Obgleich die Ruhe bald wiederhergestellt worden, hat doch die Legislative um die Absendung regulärer Truppen zur Aufreht- erhaltung der Ordnung gebeten, und wurde im Kongresse der Antrag des Abgeordneten für Mississippi, M'Kee, angenom- men, wonach eine aus 5 Mitgliedern des Kongresses bestehende Kommission an Ort und Stelle eine Untersuhung dèr Angele- genheit vornehmen foll. Auch in Arkansas, wo sih die Bundes- regierung jeglichen Einschreitens enthalten hat, is die Ordnung noch nicht vollständig wiederhergestellt. E

Die Kommission zur Annahme der Alabama-Entschädi- gungsansprüche ist während des Dezember sehr beschäftigt ge- wesen, da am 22. Januar der Termin abläuft, bis zu welchem derartige Ansprüche überhaupt angemeldet werden können. Ge- stattet waren überhaupt nur die durch Wegnahme oder Zerstörung von Schiffen und Cargos, oder die Gefangennahme von Offiz zieren, Matrosen und Passagieren durch die Schiffe der Konfö- derirten, die „Alabama“, „Shenandoah“ und „Florida“ und den Tender der leßtern „Tacony“ veranlaßten Verluste. Die Ansprüche der Versiherungs gesellschaften sind der Kommission bis jeßt vom Kongresse noch niht zugewiesen worden.

Da von den bisher ausgesandien Expeditionen zur Erforschung einer interoceanishen Kanallinie nur zwei Rou- ten berücksihtigt worden sind, die Atrato - Napipi - Linie auf dem Isthmus von Darien und die Nicaragua - Linie, so soll jeßt eine neue Expedition zur Erforshung der Panama - Aspinwall - Linie ausgerüftet werden, da man an maßgebender Stelle der Ansicht ist, daß dieselbe einmal kürzer als die übrigen Linien wäre und eine um mehrere hundert Fuß geringere Elevation zu überwinden haben würde, daß aber vor allem der Bau derselben in Folge der Nähe der Eisenbahn mit größerer Leichtigkeit bewerkstelligt werden könnte,

Nah den amtlihen Angaben des Chefs des statistischen Bureaus in Washington hat die Gesammteinwanderung der Vereinigten Staaten sich in dem Fiskaljahr 1873/74 auf 313,339 Personen, gegen 459,803 Personen in dem Jahr 1872/73 belaufen. Davon kamen auf Deutschland, eins{hließlich Desterreihs und der Niederlande, im zuerstgenannten Jahre 97,623 Einwanderer, gegen 159,247 im Vorjahre, was eine Ab- nahme der deutschredenden Einwanderung von 61,624 Personen oder nahezu 40 Prozent ergiebt. Während des No- vember 1874 landeten im Hafen von New - York 8705 Einwanderer, unter denen fich 3089 Deutsche befan- den, gegen 16,911 Personen, worunter 8338 Deutsche, in der entsprehenden Periode des Vorjahres. Vom 1. Januar bis 30. November 1874 landeten in New-York 146,340 Einwanderer, darunter 43,286 Deutsche. In demselben Zeitraume von 1873 landeten 264,099 Einwanderer, von denen 99,370 Deutsche waren. Die Einwanderung hat mithin in den ersten 11 Mo- naten des eben abgelaufenen Jahres um 117,759, die deutsche Einwanderung speziell um 56,084 gegen die gleiche Periode in 1873 abgenommen.

Mexiko. Die Amendements zur Konstitution, durch welhe- die Errichtung eines Senats verfügt und einzelne Aenderungen im Kongresse eingeführt werden, wurden feierlih als Landeg= fie proklamirt. Dieselben treten am 16. September 1875 in Kraft. Der Kongreß hat die Berathung eines Geseßes vorge- nommen, durh welhes die Rechte der römisch - katho= lischen Kirhe beschränkt werden. In demselben wird die vollständige Trennung der Kirhe vom Staate aus- gesprohen und die Unterdrückung aller geistlihen Orden angeordnet. Dem Kongresse ist von der Regierung ein Kon- trakt bezüglih des Baues einer Eisenbahn von Leon nah Rio Grande, wo sih dieselbe an die Eisenbahn von Texas anshlie= ßen soll, zur Genehmigung vorgelegt worden. Der Vertrag be= trefs Verlängerung des Sißzungstermins der gemischten Kom- mission in Washington wurde vom Kongresse bestätigt.

Columbia. In der Republik herrschte vollständige Ruhe. Die geseÿgebende Versammlung des Staates Panama hat die Verfügung der Regierung in Bogota in Betreff der Aufreht- erhaltung der Ordnung auf dem Isthmus als rechtsgültig an- erkannt. Am 28. November begann in der Stadt Panama die Feier des 53. Jahrestages der i de AE Des E des Jsthmus und währte dieselbe mit mehr als dem gewöhnlichen Enthusiasmus fünf Tage.

In Venezuela dauerte der Aufstand gegen den Präsiden=- ten Guzman Blanco fort. Barquisimeto ist in die, Hände der Aufständischen gefallen und räumte der General en, Commandeur der Regierungstruppen, den Staat vor den fein lihen Anführern Colina und Adames. Zu Gunsten Colina's hatte fich auch der Staat Zaracui, dessen Gouverneur derselbe ist, erklärt. Ju der Hauptstadt des Staates Zulia befand \ih