sezes vom 21. Mai 1856 festgestellten Pauschbeträge der in den hohenzollernshen Landen zur Erhebung gelangenden Wirth- \shaftsabgaben passirte of,ne Diskussion die dritte Berathung. Der Geseßentwurf, betreffevg die Anlegung und Bebauung von Straßen und Pläzen in Sticdten und ländlichen Ortschaften, dessen erste Berathung heut {uf der Tagesordnung \tand, rief eine lebhafte Diskussion her",or, an welcher sich die Abgg. Haken, Miquél, Dr. Baehr {Cassel), Graf v. Winzingerode, Dr. Loewe, Dr. Lasker uro der Handels-Minister Dr. Achenbach betheiligten. Die sämtlichen Redner sprachen fi für Ueberweisung der Vorlage an eirce Kommission aus; auch der Handels-Ministcr Dr. Achen- bah hatte dagegen nichts zu erinnern. Das Haus beschloß hierauf, de Vorlage an eine Kommission von 14 Mitgliedern zu überweisen urd trat bei Schluß des Blatts in die erste Be- rathung des Gesezentwurfs, betreffend den standesherrlichen Rechtszustand des Herzogs von Arenberg wegen * des Herzog- thums Arenberg-Meppen ein, für welchen zunähst der Abg. Dr, Windthorst das Wort erhielt.
— Von dem Werke Statistishe Nahrichten von den Preußischen Eisenbahnen, bearbeitet auf Anordnung Sr. Excellenz des Herrn Ministers für Handel, Gewerbe und öffent- liche Arbeiten von dem tehnishen Eisenbahnbureau des Ministe- riums ist der XX[. Band (Berlin 1874, Verlag von Ernst U. Korn, Gropius\he Buch- und Kunsthandlung) ershienen. Der- selbe enthält die Ergebnisse des Jahres 1873. Wir werden auf den Inhalt dieses Bandes noch näher eingehen.
— Im Allgemeinen gilt der Grundsag, daß eine auch nur theilweise Wiederholung der Beweisaufnahme den A ppellationsrihter zum Herrn der Sache mat, und ihm die Befugniß gewährt, nah seinem freien Ermessen abweichende thatsächliche Feststelungen zu treffen, au in Bezug auf Punkte, welche durch die Beweisaufnahme niht unmittelbar berührt werden. Dieser Saß muß jedoch nach einem Erkenntniß des Ober-Tribunals vom 14. Januar cr. dann eine Modifikation erleiden, wenn der Appellationsrihter aus drüdcklich erklärt, daß die von ihm verfügte Beweisaufnahme \ich nur auf einen einzelnen der bei ber Schlußfeststellung in Betracht kommenden Punkte beziehen solle. „Denn alsdann erkennt der Appellations- richter selbst an, daß die Beweisagufnahme für die übrigen ent- scheidenden Punkte keine Bedeutung habe, und daß er mithin rücksichtlih dieser in der nämlihen Lage sih befinde, als ob gar keine Beweisaufnahme erfolgt wäre.“ L
— Die Vereinigung mehrerer Personen zu gemeinf\a- mem Lotteriespiel bedarf, als ein Gesellschaftsvertrag, nah dem Allgemeinen Landrecht (§. 170, Thl. 1, Tit. 17) der schrift- lihen Form. In Beziehung auf diese Bestimmung ift vor KUr- zem ein Rechtsstreit zwischen zwei Parteien wegen Antheils an dem großen Loose vom Ober-Tribunal entschieden worden.
E S I E R E M A S E L IOP E T T E R]
E S N E E R E S P E EIE N R E I) - Bei dem Erkennen auf eine Gesammtstrafe für mehrere von einer Person begangene Verbrechen oder Vergehen (reale Konkurrenz) is, na einem Erkenntniß des Ober- Tribunals vom 8. Ianuar cr., der Richter verpflichtet, er- sihtlih zu machen, wie er zu diefer Straffestsezung gelangt ist. „Nah §. 74 des’ Strafgeseybuches (betreffend die reale Kon- kurrenz) war der Appellationsrichter verpflichtet, sich zunächst darüber auszusprechen, für welhes der von ihm festgeseßten BVer- gehen er die- relativ \{werste Strafe angemessen erachte und
diese Strafe demnächst, sofern er auh hinsihtlih derjenigen fest: gestellten Vergehen, welche das Geseh wahlweise mit Gefängniß oder Geldstrafe bedroht, überall für Gefängniß si entschied, an- gemessen zu erhöhen, und hierdurch dem Richter der Nichtigkeits- instanz möglich zu machen, nachzuprüfen, ob er bei Abmessung der hiernah zu verhängenden Gesammtstrafe dem Gesehe gemäß verfahren sei.“
— Bekanutlich is Prof. R. v. Raumer in Erlangen von dem Minister Dr. Falk unter Zustimmung der übrigen deutschen Staatsregierungen mittels Zuschrift vom 14. Oktober 1874 er- sucht worden, eine Denkschrift auszuarbeiten, welche zur An- bahnung einer größeren Gleihmäßigkeit in der deutschen Recht- \hreibung zunächst im Bereiche der höheren Schulen die erforder- lihen Unterlagen gewähre. Ueberzeugt, _welhe Wichtigkeit eine Einigung in der Rechtschreibung namentlich für Redacteure, die Faktoren von Buchdruckereien und für Korrektoren habe, is das Kuratorium des „Deutschen Reihs- und Königlich Preußischen Staats-Anzeigers“ auf diesem Wege bereits vorangegangen. Dasselbe ist {on vor längerer Zeit mit einem hiesigen \achverständigen Gymnasiallehrer in Verbindung getreten, um auf Grund des von dem Vereine der Berliner Lehrer herausgegebenen orthographi- schen Weguweisers eine desfallsige allmählihe Vereinigung der Berliner Zeitungen und periodischen Zeitschriften zur Herbeiführung einer einheitlihen deutschen Recht- schreibung anzubahnen. Zu diesem Behufe find mit den Re- daëtionen des Handbuhs des Königlih preußischen Hofs und Staates, des „Deutshen Postarchivs“, der „Deitschrist für preußische Geschichte und Landeskunde“, der ¡Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ und den Verlagsbuchhandlungen von Carl Heymann und Otto Janke bereits Besprehungen gepflogen wor- den, welche zur Ausführung des Planes als Grundlage dienen sollen. Die Redaktionen solcher deutschen Zeitungen und Deit- schriften, fowie diejenigen Verlagsbuchhandlungen , welche diesen Bestrebungen fich anzuschließen wünschen, werden um gefällige Mittheilung an das Kuratorium des Reihs- und Staats-Anzeigers gebeten.
— Der General der Jnfanterie von der Armee, von Kummer, hat sih nach Cöln zurückbegeben. — Der General- Lieutenant v. Tresckow, kommandirender General des 1X. Ar- mee-Corps und General-Adjutant Sr. Majestät des Kaisers und Königs, ist gestern Nachmittag nah Altona zurückgekehrt, — Der General-Lieutenant z. D. von Bothmer, zuleßt General-Major und Commandeur der 17. Infanterie-Brigade, ist zur Abstattung persönliher Meldung von Coburg, der General-Major von Krensfki à la suite der Armee und Commandeur der 13, (Königlih Württembergischen) Artillerie-Brigade, mit Urlaub von Ludwigsburg hier eingetroffen.
— S. M.S. „Hertha“ ist am 22. Dezember 1874 in den Hafen von Rio de Janeiro eingetroffen.
Königsberg, 3. Februar. Die gestrige dritte Sizung der Provinzial-Synode wurde durh den Vorsißenden, Provinzialshulrath Dr. Schrader, um 11 Uhr Vormittags er- öffnet, Für die Geschäftsordnungs-Kommission sind nah dem angenommenen Antrage 7 Mitglieder gewählt, von denen Dr. v. Goßler, Kanz“er und Tribunals-Chefpräsident, als Vorsigen- der, v. Oven, «Landrath in Schlochau, als dessen Stellvertreter,
Danzig und Kleffel, Ober-Bürgermeister in Tilsit, als Beisizer in Funktion treten. t : Die vom Gescÿ der Provinzial-Synode bewilligte Vergün- stigung, 2 bis 3 ihrer Mitglieder bei den Prüfungen von Kan- didaten der Theologie mit Sig und Stimme in das Examinations- Kollegium zu entsenden, wurde angenommen und zwar die Zahl von 3 Deputirten beliebt. Dazu stellte Schmalz, Landrath in Pillkallen, den Antrag, daß zu den Deputirten 2 Laien gewählt werden möchten, da der geistlihe Stand dabei hinreichend zahl- reih verireten wäre, worauf Ballhorn, Konsistorial-Präsfident und Königlicher Kommissarius bei der Synode, erwiderte, daß im Gesey eine unbeschränkte Wahl ausgesprohen und kein Grund vorhanden sei, dieselbe zu beshränken. Aus der Wahl gingen Dr. Schrader, Vrovinzial-Schulrath in Königsberg und Kahle, Pfarrer Lic. in Königsberg, mit bedeutender Stimmen- majorität hervor, beim dritten Deputirten mußte geseßliher Weise zwischen Dr. v. Goßler 2c. und Roquette, Prediger in Königs- berg, das Loos entscheiden, das auf Hrn. Roquette fiel. |
Als über den Antrag von Dr. Bercio, Superintendent in Ortelsburg, und Genoffen: die Abgabe der Geistlihen von Taufen und Trauungen -an das Hebammen-Institut aufzuheben, in die Debatte eingetreten werden sollte, ergriff Dr. v. Horn, Wirklicher Geheimer Rath und Ober-Präsident in Königsberg, das Wort und erklärte, daß eine Mittheilung, welche er zu machen habe, den Fall erledigen möchte. Nur im Regierungs- bezirk Königsberg bestehe diese Abgabe, in Gumbinnen, Marien- werder und Danzig würde zu diesem Zwecke aus den Landarmen- beiträgen eine Summe bewilligt. Ihm komme nun aus Berlin die Nachriht zu, daß die Regierung selbst _ beim Ab- geordnetenhause den Antrag zur Abstellung dieser kleinen Gebühren gestelt habe, und es sei zweifellos, daf dieser Antrag angenommen würde. Wenn Dr. Bercio nah dieser Erklärung den ersten Theil feines Antrages zurück- zog, so hielt er an dem zweiten Theil desselben fest, daß kirhlihe Gebühren für Taufen und Trauungen nit ferner in die Orts- \{hulka}sen zur Unterstüßung von Schullehrern fließen sollen, da dieselben in neuester Zeit durch die Regierung selbft in ihrem Einkommen besser gestellt seien. Dr. Gebauer, Superintendent in Medenau, wendete dagegen cin, daß diese Beiträge nicht den Lehrern, sondern armen Schulgemeinden, zumal ur Förderung von Schulbauten zu Gute kämen. Der Antrag Dr. Bercio's ward zum Beschluß erhoben, jedoch ohne ein Amendement von Bolle, Pfarrer in Liebemühl, daß diese Gebühren für Organisten und Kirchendiener Verwendung finden möchten.
Ein Antrag von Seydel, Gutsbesizer auf Chelchen, gab eben- falls Anlaß zu einer umfangreichen Debatte. Der Antrag lau- tete dahin, daß Beamten, welche zur Synode erwählt seien, von der ihnen vorgeseßten Behörde der Urlaub dazu nit verweigert werden dürfe. Zu diesem Antrage habe ihm folgender Fall An- laß gegeben: der Kreisgerihts-Direktor in Kaukehmen wäre zum Synodalmitgliede erwählt und sein Beitritt zur Synode seinen Wählern sehr erwünscht gewesen, er hätte aber von seiner vorgeseßten Behörde den erbetenen Urlaub nicht erhalten und sein Stellvertreter hätte einberufen werden müssen. Darauf erwiderte der Königliche Kommissarius Ballhorn, Konsistorial-Präsident : In seiner Stel- lung liege es ißm ob, nit nur die kirchlichen, sondern auch die staat- lihen Rechte zu wahren. Es sei bei der Wahl zur Synode nit so, wie beim Abgeordnetenhause, wo kein Urlaub nöthig wäre, daher würden für vorkommende Fälle ja Stellvertreter gewählt, auh ward von ihm das Schreiben des betreffenden Direktors an das Konsistorium vorgelesen. Kanzler Dr. v. Goßler bemerkte, daß audh er von dem angeführten Falle Kunde erhalten und darüber Er- mittelungen angestellt habe. Dem Gerichtsdirektor sei eigentli niht der Urlaub verweigert, sondern die vorgeseßte Behörde hâtte ihm zu überlegen gegeben, ob er unter den jeßigen Verhält- nissen aht Tage seine Stelle verlassen könne, ohne den Diens zu schädigen. Diese Erwägung sei nun Verlassung gewesen, daß er um Einberufung seines Stellvertreters angetragen hätte. Auch Ober-Präsident Dr. v. Horn \prach seine Ansicht dahin aus, daß das Geseh jedem Beamten gebiete, um Urlaub zur Theilnahme an den Synodalverhandlungen einzukommen, daß derjelbe aber nur in ganz besonderen Fällen versagt werden dürfte. Es wurde darauf zur Tagesordnung übergegangen.
Hr. Krah, Superintendent in Laggarben, erhielt zur Be- gründung eines von ihm gestellten Antrages auf eine Staats- dotation für Zwecke der evangelischen Kirhe das Wort.
Der Schluß der Sigzung erfolgte um 1 Uhr Mittags.
Posen, 2. Februar. Auf der Tagesordnung der 5. Sihung der Provinzialsynode standen die Wahlen zur General- \ynode und die gestern niht erledigten Anträge. Nach den all- gemeinen Bestimmungen ist die Provinzialkirche auf der General- \ynode durh neun Mitglieder zu vertreten, von denen ein Drittel aus den geistlihen, das zweite Drittel aus den weltlichen Mitgliedern der gegenwärtigen oder der früheren Provinzial- \synode, der Kreis\ynoden, Gemeindekirhenräthen oder Gemeinde- vertretungen der Provinz, das leßte Drittel aus kirhlich ver- dienten Männern aus allen aht alten Provinzen des Staats zu wählen sind. Nach längerer Debatte wurde beshlo}sen, die Wahl
Ober-Regierungs-Rath v. d. Gröben und den Provinzial-Shul- rath Polte zu ihren Abgeordneten. Der Antrag Hänschke: C
den Synodalvorstand zu beauftragen, eine Geschäftsordnung für die Verhandlungen der Synode zu entwerfen und der nächsten Synode in ihrer Eröffnungsfißung vorzulegen, wurde ohne Debatte angenommen.
Der Antrag v. Tiedemann:
die Genehmigung des Evangelischen Ober-Kirchenrathes dazu zu erwirken, daß zu §. 13 der Geschäftsordnung als Absatz 2 hin- zugefügt werde: Beides gilt als von der Synode genehmigt, falls nit sogleich anderweitige Anträge gestellt und zum Beschluß er- oben werden, : inede genehmigt, dagegen ein zweiter Antrag desselben : zu §. 8 hinzuzufügen: „vorbehaltlich der Bestimmungen des §. 13, Ah- sag 2“ vor der Abstimmung zurückgezogen. ;
Das Gesuch des Comités der Diakonissenanstalt in Posen, um Zustimmung zur Bewilligung einer alljährlih wiederkehren- den Kirchenkollekte in der Provinz, wird aufden Antrag Goebel mit dem Zusagze Hänschke: „bis auf Weiteres“ genehmigt, nah- dem von mehreren Seiten dem Wunsche für das weitere Ge- deihen der Anstalt Ausdruck gegeben worden war. i:
Dagegen ward der Antrag Hänschke, die nah §. 65, 8 der der K. G. O. verstattete Kirhen-Hauskollekte für arme Gemein- den der Provinz jährli einzusammeln, abgelehnt.
Der Präses {loß um 3 Uhr die Sißzung mit dem Segens- wunsche.
— 3. GFebruar. 6, (Schluß-) Sizung. Heute stand der Zericht der zur Prüfung der vorhandenen kirhlichen Fonds und Stiftungen, eingesezten Kommission und die Berathung der sämmtlihen noh rückständigen Anträge auf der Tagesordnung,
Aus dem vom Superintendenten Klette über die Fonds und Stiftungen erstatteten Berichte sind folgende Einzelheiten her- vorzuheben : S
Das Kapital der im Jahre 1867 ins Leben getretenen Emeriten - Fonds, welches ursprünglich in einem Gnadengeschenke von ca, 11,000 Æ bestand, ist gegenwärtig _auf 458,000 4 an- gewachsen, die jährlihen Beiträge der Pastoren belaufen sich auf ca. 5000 A Gegenwärtig erhalten 9 Emeriten Pensionen, die um Theil 390 Æ betragen. — Die Pfarrlands-Stiftung hat den Zweck, dürftig, oder gar unausfömmlich dotirte Pfarrft ellen mit Grundbesiß auszustatten, indem für dieselben Land angekauft wird, dessen Ertrag zur Hälfte sofort dem betreffenden Pfarrer, zur andern Hâifte der Stiftung bis zur zinsfreien Abtragung des Kapitals zu- leßt. Statutenmäßig darf für die einzelne Pfarre uur der Betrag von 3000 #., verwendet werden. Das 18368 an- gelegte Grundkapital beträgt 60,000 A Bis Ende 1873 lind für zusammen neunzehn Pfarren mit einem Kosteu- aufwande von ca. 60,000 Mk. 311 Morgen Land angekauft worden. — Die Graf Sedlnitki-Stiftung (mit einem Grundkapital von 6000 M.) hat die Bestimmung, für tüchtige nud strebsame Geist- lihe, welche wegen ihres geringen Einkommens nicht im Staude sind, werthvolle Werke zu erwerben, solche anzukaufen, welche für alle Zeiten Eigenthum der betr. Pfarre bleiben. Bisher hat die Stiftung die Mittel zur Anschaffung von 68 dergleichen Werken gewährt. — Für die Wittwen und Waisen evangelisch - lutherisher und für die evangelisch - reformirter Pastoren bestehen von pol- nischen Zeiten her zwei von der Königlichen Regierung ver- waltete Fonds, deren Zinsen zu den aus der Staatskasse gewährten Summen geschlagen und _mit diesen vertheilt werden. Doch werden davon zwei Freistellen auf dem Joachimsthalschen Gymnasium, deren Verleihung in den Händen des Senior diigens der Unität liegt, und zwei Stipendien und 180 Thlr. für Studirende der Theologie überhaupt unterhalten. Die reformirte Prediger-Wittwenkasse für die Wittwen der Unitäts-Geistlichen und der drei ersten Lehrer des Lissaer Gym- nasiums bestimmt, besißt ein Vermögen von ca. 29,000 6. — Die luthe- rische Prediger-Wittwenkasse, zu welcher der Zutritt freisteht und die gegenwärtig uur 20 Mitglieder zählt, hat ein Kapitalvermögen von 96,000 A und vertheilt die statutenmäßigen Uebershüffe von circa 2900 ÆM gegenwärtig an ‘7 Wittwen, — Endlich die Kaulfuß- Dinnsche Stiftung, welcher das Rittergut Bodzewo gehört, hat seit 1867 an 158 Wittwen und Kinder verstorbener Pastoren des Departements Pojen circa-17,000 / an Unterstützungen vertheilt. :
Ueber sämmtliche Stiftungen wurden der Kommission die Akten mitgetheilt, sowie jede Auskunft gegeben. Die Kommisfion
hat keinen Anlaß zu irgend welchen Erinnerungen gefunden.
Im Anschluß an diesen Bericht wurde über den Antrag
des Superintendenten Fischer: E „Synode wolle der Ermittelung jener Fonds, _welche bei Einver=- leibung der Provinz in Preußen der evangelischen Kirche A. C. eigen waren, näher treten“,
verhandelt und ohne Debatte fast einstimmig angenommen. —
Aus Anlaß des Antrages des Prof. Geß:
1) Synode wolle den Interessen der inneren Mission in der Provinz Posen in ihren jedesmaligen Berathungen deu entsprechenden Raum geben, : e : E
2) den S.-Vorstand ersuchen, ihr bei ihrem jedesmaligen Zu- sammentreten das ezforderliche Material vorzulegen, :
rourde vom Antragsteller darauf hingewiesen, daß die soeben herausgekommene Schrift des Pastors Schlecht in Posen: Der Antheil der evangelischen Kirche Posens an den Arbeiten Der inneren Mission, das erforderliche Material vollständig enthalte. Der Antrag wurde, nahdem Konsistorial-Rath Haendler den Gustav-Adolf-Verein der Theilnahme der Synode warm empfohlen hatte, feinem ersten Theile nah pure, seinem zweiten Theile nah
nit einzeln, sondern gruppenweise zu vollziehen. Da bei der Wahl der drei geistlihen Abgeordueten eine absolute Majorität sich niht ergab, fand die engere Wahl zwischen denjenigen 6 Synodalen, welche die meisten Stimmen erhalten haben, ftatt, wobei auf Superintendent Grüßmacher 28, Klette 30, Pfeiffer 36, Konsistorial-Rath Taube 20, Superintendent Schmidt 20 und Schönfeld 19 Stimmen fielen. Die ersten 3 sind mithin gewählt. Als weltlihe Deputirte gingen gleich aus dem ersten Wahlgange hervor: Rechtsanwalt Hänschke mit 41, Kreisgerichts- Rath Kungye mit 27, Geheimer Regierungs-Rath Suthinger 26 Stimmen.
Bei der Wahl des leßten Drittheils war eine engere Wahl erforderlih, weis im erften Wahlgange nux der Ober-Präsident Günther die Majorität erhielt. In der engeren Wahl erhielten : Konsistorial-Rath Taube 30, Rittergutsbesiger v. Kliging 30, Pastor Schleht 28 und Landrath Swhopis 14 Stimmên. Die beiden zuerst Genannten find gewählt. 2
Nunmehr wurde über den Antrag des Synodalvorstandes :
Synode wolle fih darüber entscheiden, ob sie von dem nah 8. 65 der Kirchen-Gemeinde-Ordnung ihr zustehendem Rechte, zwei oder drei Mitglieder mit vollem Stimmrehte zu den Prüfungen der Kandidaten abzuordnen, Gebrauch machen, eventuell die Wahl vor- nehmen wolle berathen.
Wiewohl von mehreren Seiten darauf aufmerksam gemacht wurde, daß die Synode bereits 3 der gegenwärtigen Prüfungs- Kommissionsmitglieder in ihrer Mitte habe, von anderer Seite her empfohlen wurde, unter Wahrung des Rechtes vorläufig die Sache auf si beruhen zu lassen, beschloß die Synode, von dem ihr zustehenden Rechte Gebrauh zu machen, lehnte den Vorschlag,
unter Hinweis und Empfehlung der Schlehtshen Schrift ein- stimmig angenommen. Dagegen lehnte Synode den Antrag Kaiser -auf Vertretung der Militärgemeinden als solche auf der Provingzial- resp. der General-Synode mit großer Majorität ab,
Der Antrag Böttcher (Pinne) um Aufhebung der Verpflich- tung der Geistlichen zur Einziehung der Hebeammengelder wurde, nachdem er seinem materiellen Inhalte nah von dem Antrag- steller eingehend begründet worden war, zu Gunsten eines An- trages v. Massenbach, welcher lautet :
Synode erklärt: i, S
1) daß die Einziehung der Hebammengelder durch die Pfarrer das kirchliche Intereste schädigt, E
2) daß die Pfarrer nicht verpflichtet seien, die Erhebung na Aufhebung ihrer Eigenschaft als Standesbeamter weiter zu besorgen,
3) bittet den Evargelischen Ober-Kirchenrath auf schleunige aus- drüdlihe Aufhebung der Verpflichtung nachdrücklich hinzuwirken,
zurückgezogen, Theil 1 und 3 des leßteren angenommen, dagegen Theil 2 abgelehnt. 2
Dhne Debatte wurden der Antrag Böttcher: die Anordnung zu treffen, daß die Duplikate der Kirhenbücher den Königlichen Konsistorien eingereiht werden, und der Antrag Studt: „es als im kirhlihen Interesse geboten zu erklären, daß die Staats: Central- behörden die staatlihe Kreis- und Gemeindebehörde anweise, den Psarrgeistlihén von allen ihnen bekannt gewordenen Fällen der Unterlassung der Taufe und kirchlichen Trauung Mittheilung zu machen“, fast einstimmig angenommen.
Pfeiffer :
Den Synodalvorstand zu ersuchen, das Zustandekommen eines gegen die Verächter des Sakraments der Taufe und der kirchlichen Trauung anzuwendenden Disziplinargeseßes zu fördern und den be-
Klebs, Staatsanwalt in Wehlau, als Schriftführer, und v. Behr, Superintendent in Schnellwalde, Reinecke, Konsistorial-Rath in
9 Mitglieder zu deputiren, ab, und erwählte, indem erst im dritten Wakhlgang eine absolute Majorität erzielt; werden konnte, den
treffenden Entwurf der nächsten Synode vorzulegen,
Den legten Gegenstand der Berathung bildete der Antrag.
Nach kurzer Diskussion, in welher auch auf die große Uebereinstimmung der 22 Kreis\ynoden der Provinz in dieser Frage aufmerksam gemacht wurde, nahm die Synode den Antrag an, und brachte damit ihre Arbeiten zum Abschluß.
Der Königlihe Kommissarius, General-Superintendent Dr. Cranß, drüdte seine zuversichtlihe Erwartung aus, daß die Beschlüsse der Synode der Kirche der Provinz zum reihen Se- gen gereichen würden. Der Präses gab einen kurzen Rücblick auf die Thâtigkeit der Synode, {prah dem Königlichen Kom- mifsarius den Dank d-r Synode aus und dankte gleihermweise den Mitgliedern des Konsistoriums, des Vorstandes der Kom- missionen und dem Sektetariate, während Pastor Vraetorius dem Dank der Synode. dem Präses gegenüber Auédruck gab.
Magdeburg, 3. Februar. Die vierte Sizung der Pro- vinzial\synode der Provinz Sachsen wurde heute Vor- mittags 107 Uhr von dem Präses, Regierungs - Prásidenten Rothe, nah Verlesung des Protokolls mit ge\häftlichen Mitthei- [lungen eröffnet. Auf gegebene Veranlaf}ung konstatirte der Re- ferent der Stolgebühren-Kommission von Voß, daß die gestern beshlossene Abschaffung der Konsirmationsgelder sich nur auf die feststehende Gebühr, nicht aber auf die freiwilligen Gaben beziehe. General-Superintendent Schulze fragte an, ob der Kö- niglihe Kommissar ermächtigt \ci, erforderlihen Falls in die Verlängerung der Synode um einen Tag zu mwmilligèn, und stellte, als der Kommissar dies verneinte, einen darauf bezüg- lihen Antrag in Ausficht.
Es folgte die Berathung Über den ersten Gegenstand der Tagesocdnung, betreffend dice Vorlage wegen Aufhebung der Stolgebühren. Bei der Spezialdebatte über den §8. 4 der Kommissionsvorschläge, betonte der Referent von Voß, wie die Kommission es für durchaus nöthig halte, daß die bis zum Er- lasse cines Entschädigungsgesetzes interimistish zu gewährende Entschädigung nicht lediglich den im Amte befindlichen Geiftlichen und Kirchendienern , sondern den betreffenden Stellen bezie- hungsweise Kirchenkassen gewährt, und daß ferner bei Ermittlung der Gebührenausfälle niht die Soll- Einnahme, s\ondern die Ist-Einnahme zu Grunde gelegt werde, Letteres {hon deshalb, weil seit Erlaß des Civilehegesezes die Geistlichen vielfah genöÖ- thigt seien, auf. die ihnen zustehenden Gebühren zu verzichten, um dadurch auf die Vornahme der Amtshandlung hin zu wirken. Nachdem mehrere Redner \ich in demselben Sinne geäufert, kon- statirt der Königliche Kommissarius, daß die Staatsregierung die Gewährung einer Entschädigung an die Stellen nicht beab- sichtige, Er erklärte ferner, daß die Kirchenbehörde für die Zugrundelegung der Jst : Einnahme, der Minister dagegen für die Zugrundelegung der Soll-Einnahme fei. Der S. 4 der Kommissionsvorshläge wurde hierauf mit großer Majorität angenommen.
Bei der Berathung über den S. 5 des Kommissionsberichtes, welcher die Gewährung einer ausreichenden Dotation als eine im höchsten Staatsinteresse begründete Forderung der evangelischen Kirche an den Staat bezeichnet, warnte Referent v. Voß dringend vor der Annahme aller weitergehenden Amendements, während Superintendent Fabarius und Konsistorial-Rath Räck die Do- tirung der evangelischen Kirhe als eine Ehrenshuld des Staates bezeichnet wissen wollten und Ersterer in längerer Rede - die Annahme seines Amendements empfahl, welches die Ueberweisung der Einkünfte der eingezogenen Stifter an die evangelishe Kirhe bezweckt, Nachdem Ober - Prä- sident von Patow die gegen die aus der Einziehung der Kirchengüter hergeleitete rechtlihe Verpflihtung des Staates sprechenden Bedenken hervorgehoben und darum die Annahme der Kommissionsvorshläge befürwortet, Geheimerath Roedenbeck dagegen die Existenz einer zwar ncht im Wege der Klage gel- tend zu machenden Rechtspfliht des Staates nachzuweisen ver- sucht hatte, wurde der Kommissionsantrag, nachdem zuvor alle Amendements abgelehnt worden, s{ließlich einstimmig ange- nommen.
Auf den Antrag des Synodalen Kanngießer die Gesammtabstimmung über die Kommissionsvorshläge mit den dazu beschlossenen Zusäßzen und Aenderungen, welche die nahezu einstimmige Annahme der verbesserten Kommissionsvor- {läge ergab. Ein Antrag des Königlichen Kommissars, daf der Synodalvorstand oder die Stolgebühren-Kommission eine Denkschrift ausarbeite, welhe die Motive zu den Beschlüssen der Synode über die Aufbringung der durch den Staat nit ge=- leisteten Entschädigung für die Aufhebung der Stolgebühren ent- halte, wurde zunächst der Stolgebühren - Kommission zur Be- \{chlußfassung überwiesen. Hierauf wurde die Sizung um 1 Uhr auf 20 Minuten vertagt. :
Bei Wiederaufnahme der Verhandlungen erfolgt die Be- rathung des Proponendums des Konsistoriums, betreffend die Abänderung des Reglements für den Emerite nfonds, wor- über Superintendent Pinkernelle referirt. Nah längerer Debatte, an welcher sich Namens des Konsistoriums der betreffende Decernent, Kousistorial-Rath Nize und der Konsistorial-Präfident Nöldechen betheiligten, erfolgte die Annahme der Kommissionsanträge, welche im Wesentlichen auf die unveränderte Annahme der kon- sistorialen Vorschläge gerichtet sind. Aus den Verhandlungen ist mitzutheilen, daß der gegenwärtige Bestand des Fonds 160,000 Thlr. beträgt und daß das Konsistorium zunächst denselben bis auf 200,000 Thlr. anwatsen zu lassen wünscht, bevor es eine Erhöhung der jeßt nur 130 Thlr. betragenden Pensionszushüsse für räthlih er- erachtet. Da dieser Zeitpunkt voraussichtlich bereits im Laufe des Jahres, 1876 eintreten wird, fo hat die Kommission davon abgesehen, die sonst vielfah gewünschte Erhöhung der Zuschüsse, vor welcher au der Königliche Kommissarius warnen zu müssen glaubte, {hon jeßt in Antrag zu bringen. Auch hat die Kommission von der zweifelhaften Frage, ob die Synode nah den Bestimmungen der Kirchengemeinde- und Synodalordnung zur Stellung von Anträgen auf Abänderung des Reglements des Emeritenfonds legitimirt sei, absehen zu dürfen geglaubt. Die Vorschläge des Konsistoriums betreffen im Wesentlichen rein tehnishe Fragen oßne allgemeineres Interesse. Die Sizung \{chloß um 3 Uhr Nachmittags.
erfolgte dann
Sachsen. Dresden, 4. Februar. Dem bei den König- lihen Majestäten gestern Abend stattgefundenen Hofballe (Kammerball) haben der Großherzog und die Großherzogin von Toskana mit der Erzherzogin Antoinette, der Prinz und die Prinzessin Georg, der regierende Herzog von Sachsen-Altenburg, der Herzog Iohann Albrecht von Mecklenburg-Shwerin und Prinz Reuß Heinri 1V. beigewohnt. Einladungen zu diesem Valle waren an das gesammte diplomatische Corps, die Staats- Minister 2c., im Ganzen an ca. 300 Personen ergangen. — Der Herzog von Sachsen-Altenburg ist heute Mittag 12 Uhr über Chemniß nah Altenburg zurülgereist, Der König geleitete denselben zuut Bahnhofe,
Württemberg. Stuttgart, 30. Ianuar. Der kom- mandirende General, Generak der Infanterie von Schwar b- kfop pen, gab gestern ein glänzendes Ballfest. Der König hatte dem General, dessen jeßige Dienstwohnung \ich zu größeren ge- selligen Feftlichkeiten nicht eignet, die Räume des Königsbaues zur Verfügung gestellt. Um 8 Uhr Abends waren in cem de- korirten Hauptsaale des Königsbaues die Hofgesellshafi, sowie Offiziere, Aerzte und Beamte fast sämmtlicher Garnisonen des Landes, gegen 400 Personen, versammelt. Gegen 8!/, Uhr er- schienen - der König und die Königin, sowie die Prinzessin Griedrih von Württemberg und die Prinzessin von. Sachsen- Weimar auf dem Feste. Die hohen Herrschaften unterhielten fich huldvoll mit den Versammelten und nahmen gegen 11 Uhr ein Souper ein, bei welhem der Generalin von Schwarßzkoppen die Auszeihnung zu Theil wurde, von Sr. Majestät zur Tafel geführt zu werden. Nachdem die hohen Herrschaften das Fest verlassen hatten, dauerte der Tanz noch bis gegen 2 Uhr früh fort.
— Der Beginn des fünften deuts{en Bundess\chießens
in Stuttgart ist nunmehr auf Sonntag, den 1. August d. I. festgeseßt.
Sachsen- ÆXltenburg. Altenburg, 3. Februar. Dér Ginanz-Hauptetat des Herzogthums auf die neue Finanz- periode 1875—1877, wie er nah den Beschlüssen des leßtver- sammelten Landtages nunmehr als festgestellt vorliegt, {ließt in Einnahme und Ausgabe mit jährlich 2,223,561 Mk. ab. Nominell enthält demnach der Voranschlag eine völlige Deeckung der leßteren durch die erstere; faktish aber is die Ausgabe um jährli 58,983 Mk. höher etatisirt als die laufende Einnahme, indem die leßtgedahie Summe zur Ergänzung als „Einnahme aus den Uebershüssen der früheren Finanzperioden“, also aus den allmählih angesammelten Beständen eingestellt worden ist. Die Grundsteuer wurde von 3 auf 41/9 Termine, die Klassen- und Einkommensteuer, von welcher hon bisher nur 9 Mongts- beiträge statt 12 erhoben wurden, auf 8 Monatsbeiträge er- mäßigt und hiernach der Jahresertrag der Grundsteuer mit 221,250 Mk. (statt 265,500 ME. Vorschlag der Regierung), die Klassen- und Einkommensteuer mit 399,829 Mk. (ftatt 444,800 Mk.) eingestellt. Der damalige Bestand an Aktiven des Staatsfiskus wurde bei den landshaftlihen Berathungen auf 2,028,274 Thlr., der Bestand an Passiven auf 540,414 Thlr., der Aktivübershuß demnach auf 1,287,860 Thlr., die seit dem Jahre 1832 eingetretene Bermögensbefsserung aber auf im Ganzen 2,274,319 Thlr. berechnet. Die französische Kriegsentshädigung hat dem Lande eine Einnahme von 947,052 Thlr. gebracht. Die Ausgaben wegen des Deutschen Reichs betragen nah dem Etat jährlih 262,467 Mk., darunter 299,992 Mk. Matrifular- beiträge und 2400 Mk. Reisekosten und Diätén des Bundes- tommifsars.
Desterrcih-Ungarn. Wien, 3. Februar. Der Prinz Philipp v. Coburg wird am 10. d. M. mit seiner Gemahlin scine stänoige Wohnung in Budapest im Coburgschen Palais am Franz-Josephs-Playz nehmen.
— Im Abgeordnetenhause legte der Finanz-Minister heut eine Nachtragsforderung von 71,803 Fl. für 1874 für die Errichtung ciner Universität in Czernowiß vor. Zu den Aus- s{hußanträgen, betreffend die Rinderpest, sind 8 Redner vorge- merkt. Dagegen \prah Grocholsfi, indem er betonte, daß das Verbot der Vieheinfuhr aus Rußland den volks- wirthschaftlihen Ruin Galiziens herbeiführen und den Schmuggel begünstigen würde. Das Haus beschloß, in die Spezialdebatte der Aus\chußanträge einzugehen. Der Minister Laser erklärte, man könne der ungarischen Regierung nit zu- muthen, ohne Weiteres dieselben Maßregeln einzuführen, welche hier angenommen werden; man fönne sie nur ersuchen, das Ihrige zur Verhütung der Rinderpest zu thun. Der Minister fonftatirte das Entgegenkommen der ungarischen Regierung bei ähnlihen Anlässen. - Das Haus beschloß, die Regierung aufzu- fordern, Verhandlungen mit der ungarischen Regierung einzu- leiten, daß die hier beshlo}senen Maßregeln auch dort ergriffen werden. Die Debatte der übrigen Punkte des Aus\chußantrages wurde auf Freitag vertagt.
Pest, 3. Februar, In der heutigen Sizung des Abge- ordnetenhauses ergriff, nachdem der Referent des Steuer- aus\chusscs, Abg. Daniel, mehrere Berichte über erledigte Steuer- gesezentwürfe eingereiht hatte, als erster Redner in der Budget- debatte Koloman Tisza das Wort. Er erklärte, daß er si ent- {lossen habe, sich der Rekriminationen und Polemiken zu enthalten, da er überzeugt sei, daß heute nicht eine Aufregung der Ge- müther, sondern die Bezeichnung der Mittel zur Regelung des Staatshaushaltes nothwendig sei. Unrichtig sei es, den Reichs- iag für die begangenen Fehlcr verantwortlih zu machen. Er acceptire die Budgetvorlage nicht, da das jeßige Ministerium gar keine Garantie dafür biete, daß der Staatshaushalt geregelt werde. Im weiteren Verlaufe seiner Rede kam Tisza auf die staatsrechtlihe Frage und erklärte unter großem Beifalle der Majorität, daß heute diese Frage nit brennend sei, \ondern be- züglich der inneren Reformfragen die einzelnen Parteifraktionen Stellung nehmen sollen. Hierauf führte er seine Ansichten be- züglich dieser Fragen aus. Er hält eine gründlihe Reform der Administration für nothwendig, ist aber gegen die Ernennung der Beamten und für die Wahl derselben. Er ist für eine Er- weiterung des Wirkungskreises der Obergespäne, und bezüglich der Iustizpflege für Zuweisung der Bagatellsachen an die Ver- waltungsorgane. Tisza hält es für nothwendig, daß zur Lösung der dringendsten Fragen diejenigen Mitglieder aller Par- teien, welche darin einer Ansicht sind, sih vereinigen, wobei man von keinem Einzigen ein Aufgeben seiner Prinzipien for- dern dürfte. Zur Deak-Partei gewendet, sagte Redner: Die rasche Regelung der Finanzen liege in ihrem eigenen Jnteresse, denn fonst werde sie selbst den Art. Xll. 1867 nicht erfüllen können. Ebenso möge auch die Opposition bedenken, daß an eine Modifikation dieser Bestimmung nur dann gedacht werden kann, wenn Ungarn über geordnete Finanzen verfügt. Alles das möge auch die Nation erwägen, wenn fie zur Wahlurne tritt. Nedner reichte \ließlich einen Beschlußantrag ein, dem- zufolge das Budget abgelehnt werden soll.
Die Rede Tisza's wurde auch Seitens der Rechten mit lebhaftem Beifalle aufgenommen. Zahlreihe Abgeordnete, dar- unter Sennyey, Somssih und Lonyay beglückwünschten den Redner.
Nach einer Pause sprachen August Pulszky, der besonders Tisza's Rede lobte, Geza Luekoe (linkes Zentrum) und Andreas Tavaszi. Legterer erklärte, nur dann für das Budget zu votiren, wenn die Regierung bestimmt verspr-che, noch in diesem Jahre die Bank zu errihten. Kallay \prah für den SJranyi's{hen Beshlußantrag. Dann ergriff Jgnaz Helfy das Wort. Er erklärte gleih anfangs, heute mit seiner Rede nicht fertig zu werden, und polemisirte \o-
dann gegen Sennyey.
SchBweiz. Bern, 4. Februar. (W. T. B.) Der Bun- desrath hat den Staatsrath des Kantons Genf zur Auskunft Uber das agitatorishe Treiben des vormaligen Bischofs Mer- millod in den Grenzorten des Kantons Genf aufgefordert.
_WVelgien. Brüssel, 4. Februar. (W. T. B) Dis Feier der Vermählung des Prinzen von Sahsen- Coburg-Cohary mit der Prinzessin Louise hat heute Vormittag ftattgefunden. Bei dem Civilakt vor dem Bürger- metïjter von Brüssel, Anspach, fungirten der Senats-Präsident Fürst von Ligne, der Präsident der Deputirtenkammer, Thibaut, der Minister-Präsident Malou und der Justiz-Minister de Lantsheere als Zeugen. Die firhlihe Trauung wurde in der Kapelle des Königlihen Palais dur den Erzbishof Dechamps von Mecheln vollzogen.
Großbritannien und JFrland. D B) Die Regierung hat die unterm 29. v, M. vom Staatssekretär des Auswärtigen, Earl of Derby, an den englishen Botschafter in St. Petersburg, Lord Loftus, ge- richtete Depesche über eine Fortseßung der Brüsseler Kon- ferenzen veröffentlichen lassen. In derselben wird ausgeführt, England habe aus dem Verlauf der Brüsseler Konferenzen die Ueberzeugung gewonnen, daß es unmöglih sei, über die wichtigsten Punkte in der der Brüsseler Konferenz ge- machten Vorlage ein Einverständniß unter den betheilig- ten Mächten zu erzielen. Ferner seien die Interessen des Angreifers in einem Kriege mit denen des Angegriffenen voll- ständig unvereinbar und endli \ei es vollfommen unmöglich, eine ftiriïte Einhaltung der aufgestellten Kriegsregeln zu er- zwingen. Auf Srund dieser Erwägungen müsse England die Theilnahme an einer zweiten Konferenz ablehnen. England werde den seither von ihm beobachteten völkerrehtlichen Grund- säßen auch ferner treu bleiben und von jedem Uebereinkommen sh fern halten, das die Führung von Angriffskriegen erleihtern
London, 5. Februar.
und den patriotischen Widerstand von mit Krieg Üüberzogenen
Völkern lähmende Fesseln auferlegen könnte.
__— Das konservative Iournal „Hour“ stellt die von mehreren Blättern verbreitete Nachricht, daß Disraeli von seinem Ministerposten zurücktreten und der Herzog von Richmond die Führung der konservativen Partei übernehmen werde, formell in Abrede.
Frankreich. Versailles, 4. Februar. (W. T. B.) Die Natio nalversammlung berieth heute über die Vorlage, welche bezweckt, der Privatindustrie die Fabrikation von Pulver und Dynamit freizugeben. Der Finanz-Minister sprah s\ih gegen die Vorlage aus. Die Berathung gedieh nicht zu Ende und soll morgen fortgeseßt werden.
Von den Mitgliedern der Kommission, welche von den Abtheilungen der Nationalversammlung zur Vorberathung der Vorlage über die Justizreform in Aegypten gewählt wor- den ift, haben sich 6, wiewvhl unter Vorbehalt der gutacht:ichen Meinungsäußerung Seiiens der in Aegyten \sich aufhaltenden Franzosen, für die Vorlage ausgesprochen; die übrigen 9 Mit- glieder haben s\ich gegen die Vorlage erklärt. Die zur Prüfung der Vorlage über Berbindung Englands und Frankreichs dur eine unterseeische Eisenbahn niedergesetßte Kommission ist durhweg dem Projekte zugeneigt.
___ Spanien. Madrid, 4. Februar. (W. T. B.) General Loma hat Zumaya (im Westen von Guypuzcoa) beseßt und die Straße nah Cestona (Guypuzcoa, rechts am Uroia) gewon- nen. Die Carlisten befinden \ich auf dem Rückzuge in der Richtung nah Cestona. Aus Oteiza liegen von heute Mor- gen Nachrichten vor, wonach die Truppen sihch einer großen Anzahl von carlistischen Verschanzungen ohne \sonderlihen Wi- derstand bemächtigt haben. Die Carlisten wurden meist dur die jtrategischen Bewegungen der Königlichen Truppen genöthigt, ihre Stellungen aufzugeben. Das Resultat der Operationen ist bis jeßt cin unausgeseßt günstiges.
— Ueber Paris, 4. Februar Abends, meldet B Bt Nah aus carlistisher Quelle kommenden telegraphischen Mel- dungen hat zwischen den Carlisten und den Königlichen Truppen gestern Morgen ein Gefecht bei San Cristobal stattgefunden, in welchem die Carlisten sich den Sieg zuschreiben. Sie be- haupten, die Königlichen Truppen aus ihren Stellungen ge- worfen, 2 Kanonen erbeutet und auch Gefangene gemacht zu haben. Ebenso wollen fie an demselben Tage bei einem Ge- fehte in Guypuzcoa Sieger gewesen sein. — Die frühere Kö- nigin Ifabella hat dagegen eine Depesche aus Orteiza vom gestrigen Tage erhalten, wonach die Königlihen Truppen einen Angriff der Carlisten auf San Cristobal siegreih abgeschlagen haben. König Alfons hatte dem Gefechte beigewohnt.
— 2 Februar Œ. V B) Nach weiteren Meldungen, welche hier über das gestrige Gefecht bei San Cristobal eingegangen find, ging der König Alfons bis in die Feuer- linie vor und zog \fich erst auf Bitten des Generals Jovellar aus derselben zurü, nahdem mehrere Soldaten in seiner un- mittelbaren Nähe verwundet worden waren. Gestern Abend befand fich der König in Oteiza. Die Truppen hatten die in dem Thal des Rio Santo belegenen Ortschaften Lorca, Murillo und Lacar befezt. Sobald Meldungen vom General Moriones eingegangen sind, wird ein gleichzeitiger Angriff auf die feind- lihen Stellungen erfolgen.
— Ays Tafalla, 4. Februar, Abends, wird gemeldet: Moriones und Despujols haben Puenta la Reyna (bei Pampelona) durch einen Sturmangriff genommen und den Carlisten eine völlige Niederlage beigebraht. Puenta la Reyna ist von den Truppen beseßt. Der König Alfons, welcher \ih mit seinem Hauptquartier noch in Oteiza befindet, wird gegen die feindlichen Stellungen bei Santa BVarberina vorgehen und sih darauf in Moys mit dem von Moriones geführten Truppen- theil zu vereinigen suchen. General Moriones ist bereits in Pampelona eingerüdckt.
— Aus SHendaye, 4. Februar, Abends, ift folgendes Te- legramm des „W. T. B.“ eingegangen: General Loma hat die Carlisten von den von ihnen beseßten Höhen, welche Cestona und Zumaya beherrschen, vertrieben. — In dem gestrigen Ge- fehte bei Meagas hatten die Königlichen Truppen einen Verlust von 150 Mann. Ein Oberst und zwei Hauptleute der Carlisten, sowie eine Anzahl Soldaten wurden gefangen. .
Portugal. Lissa bon, 23. Januar. Nach der Konsti- tuirung der Kammer hat der Finanz-Minister de Serpa-Pimentel sein Budget vorgelegt. Die Einnahmen des Finanzjahres 1875 bis 1876 (das portugiesishe Budgetjahr läuft vom 1. Iuli bis 30. Juni) sind darin auf 23,152 Contos Reis und die Aus- gaben auf 24,129 Contos veranschlagt, was ein Defizit von 967 Contos oder von 5,422,000 Fr. ergiebt. — Der Handel mit dem Auslande befindet sich in erfreulicher Zunahme. Der
Werth der Ausfuhren ift von 20,2983 Contos Reis im Jahre 1870
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