fiß des Verseßten (Kommandirten) zu sein, der Leßtere vielmehr an demjenigen Orte Wohnsiß nimint, nah welchem er verseßt (kommandirt) ift, bez. wohin er in Folge des Kommandos seinen Aufenthalt verlegt.
Hieraus ergeben sih die Folgen: j -
1) Die Klassensteuer, zu welcher ein auf länger als 6 Monate abkommandirter Offizier in seinem bisherigen Garni- sonorte veranlagt war, ist in dem leßteren in Abgang zu stellen und kommt a. falls der neue dienstlihe Wohnsiß im preußischen Staate belegen is (§8. 2 und 5 des Gesehes vom 1. Mai 1851), in dem neuen Wohnorte in Zugang, dagegen b. ganz in Weg- fall, wenn der neue dienftlihe Wohnsiß außerhalb des preußi- schen Staats liegt.
2) Die klassifizirte Einkommensteuer is: a. in dem Falle zu 1a. auf den neuen Wohnort zu übertragen; þ. wenn das längere Kommando (abgesehen von einer Mobilmachung) in das außerdeutshe Ausland führt (§. 16 des Gesezes) in dem bisherigen Wohnort fortzuerheben; c. wenn der neue dienstliche Wohnfiß in einem anderen deutshen Bundesstaate belegen ist in Abgang zu bringen, insoweit sie niht für ein aus Grundbesig oder Gewerbebetrieb im preußishen Staate her- rührendes Einkommen veranlagt ist (§. 3 des Reichsgeseßes wegen Beseitigung der Doppeclbesteucrung vom 13. Mai 1870). Das Gehalt der Offiziere (§. 4 a. a. O.) kommt hierbei nihcht in Betracht, weil dasselbe aus der Reichskasse — nit aus der Kae. eines einzelnen Bundesstaates — gezahlt wird.
— Nach einem Plenarbe\schluß des Königlichen Ge- richtshofes für kirhlihe Angelegenheiten vom 7. JIa- nuar 1875 sind die nah §. 16 des Geseßes vom 11. Mai 1873 und nah §. 3 des Geseßes vom 20. Mai 1874 stattfindenden Berufungen innerhalb der daselbst bestimmten Fristen von 30 und beziehentlich 10 Tagen anzumelden und zu reht- fertigen; eine besondere Frist zur Rechtfertigung des Rechts- mittels ift nicht gestattet.
: — Die zeugeneidliche Vernehmung eines katholi- \chen Geistlichen vor Geriht wird, nah cinem Beschluß des Ober-Tribunals vom 12. Februar cr., nicht durch den Umstand ausgeschlo}en, daß die Zeugenaussage für den Geistlichen die große Extommunikation zur Folge haben n. ürde.
— Die zur Central-Turnanstalt kommandirt gewese- nen O ffiziere haben sich nah beendigtem Kursus zum größten Theil in ihre resp. Garnisonen zurückbegeben.
— Der französishe Geschäftsträger in St. Petersburg, Graf Faverney, welcher sich einige Tage hier aufgehalten hatte, ift gestern Abend nach St. Petersburg abgereist.
— Am 24. d. Mets. erlitt der Personenzug der König- lihen Ostbahn, welher fahrplanmäßig Abends 6 Uhr in Berlin eintreffen soll, dadurch eine Verspätung von 42 Minuten, daß zwischen den Stationen Filehne und Kreuz ein Radreifen der Zugmaschine sprang, in Folge dessen der Zug durh eine Hülfsmaschine nah Station Filehne zurückgeholt und auf dem zweiten Geleise nah Station Kreuz befördert werden mußte.
Weitere Betriebsstörungen find niht vorgekommen.
Bayern. München, 25. Februar. Zur Erleichterung des Militärbudgets find im Beamteupersonal des Kriegs-- Ministeriums mehrfache Reduktionen beschlossen, welche eine Min- derausgabe von 30,000 Fl. ermöglihen. Bei den drei Militär- bezirksgerihten (München, Würzburg und Germersheim) sind 8 Stellen eingezogen. — Für das in Förstenfeld-Bruck zu errihtende Militär -Knaben- Erziehungs-Institut wird als Vorstand ein Stabsoffizier oder Hauptmann, zur Auf- siht werden zwei Lieutenants aus dem Pensionsstande komman- dirt; ferner enthält dasselbe einen Rendanten und 7 Lehrer, welch lehtere außer freier Wohnung, Heizung und Beleuchtung einen Durhschnittsgehalt von 805 Fl. beziehen. Außer .. dem Elementarx- und Realien-Unterriht wird auch noch Unterricht in der Musik, dem Zeichnen, Turnen 2c. ertheilt ; als Unterperfonal werden halbinvalide Unteroffiziere und Soldaten zu Schreib- gehülfen, für den Aufsihts- und Hausdienst, als Exerzier- und Schwimmmeister ein Unteroffizier, als Krankenwärter ein Sani- täts\oldat kommandirt werden.
— 9%25. Februar. (W. T. B.) In der heutigen Shwur- gerihtsfizung wurde der Redacteur des „Vaterland“, Dr. Sigl, der verleumderishen Beleidihung des deutschen Reichskanzlers, Fürsten v. Bismarck, in drei Fällen {huldig befunden; die even- tuell gestellte Frage, ob mildernde Umstände vorhanden seien, wurde von den Geschwornen verneint. Der Staatsanwalt bean- tragte eine Gefängnißstrafe von 15 Monaten. Der Gerichtshof erkannte auf eine zehnmonatlihe Gefängnißstrafe und ver- urtheilte Dr. Sigl auch in die Kosten des?Prozesses und der Strafvollziehung.
Sachsen. Dresden, 25. Februar. Wie das heutige „Dr. I.“ mittheilt, ist Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin - Maria Anna, Gemahlin Sr. Königlichen Hoheit des Prin- zen Georg, heute Vormittag 115 Uhr von einem Prinzen glücklih entbunden worden. Das Befinden der hohen Wöchne- rin sowohl, als des neugebornen Prinzen, is, den Umständen nach, das erwünschteste. Den Neugebornen begrüßen mit den beglückten Eltern 5 Geschwister, drei Brüder: die Prinzen Fried- rich August (geb. 1865), Johann Georg (1869) und Max (1870), sowie zwei Schwestern: die Prinzessinnen Mathilde (1863) und Maria (1867).
Mecklenburg. Schwerin, 23. Februar. Die „Meckl.
An z. “ schreiben: „Unter den in legter Zeit am Großherzoglichen Hofe hierselbst erschienenen Fremden befand sich der Königlich preußische General-Major von Krenski, während des leßten Feld- zuges bekanntlih eine Zeit lang Chef des Generalstabes Sr. Kö- niglihen Hoheit des Großherzogs, zur Zeit Commandeur der Königlih württembergishen Artillerie-Brigade. Was übrigens in einigen Blättern über angeblihe Beziehungen dieser Anwesen- heit des Generals zu einer bevorstehenden Veröffer.tlihung der Geschichte der vom Großherzoge geführten Armee-Abtheilung be- hauptet ist, darf, zuverlässiger Mittheilung zufolge, als irrthüm- lih bezeihnet werden.“ — Die Verwandlung der Bauern in Erbpächter im \{chwerinshen Domanium hat auch im vorigen Jahre wiederum große Fortschritte gemaht. Die Zahl der Bauerstellen hat ih von 1289 auf 730 vermindert, dagegen ift die Zahl der Erbpacht- ellen von 4277 auf 4838 gewachsen. Jn der gleihen Zeit ist die Zahl der Lehengüter von 611 auf 605 herabgegangen, während die Zahl der Allodien sich von 408 auf 414 gehoben hat. Malchin, 22. Februar. Schon auf dem vorjährigen Land -
ta ge gab die shwerinshe Regierung einen Verordnungs-Entrourf zur Ausführung der von Reichswegen erlassenen Strandungsordnung zur beshleunigten ständishen Erklärung heraus. Da die Sache
Tae
dingungen und Wünsche der Stände erledigen zu können, jedo wurde von der Regierung verheißen, etwaige Beschwerden der Ortsobrîgkeiten gegen die Strandvögte sorgfältig zu prüfen, event. zu berücksihtigen. Die Stände einigten sich heute dahin, von Anträgen abzustehen und ers die Folgen der Verordnung zu erwarten.
Von der katholischen Geistlichkeit in Schwerin if eine Ent- \{chädigung für Reisen nach dem Landarbeitshause in Güstrow Zwecks Verwaltung der Seelsorge daselbs von der Regierung erbeten. Diese ist aus Billigkeitsrücksihten geneigt, jährlih 75 M aus der Landarbeitshauskasse dafür zu bewilligen. Die Stände ertheilten ihre Zustimmung.
Jn einem Reskript vom 20. d, M. fordert die {hwerin\sche Regierung für die landwirthschaftlihe Versuchsstation, wofür Stände {hon auf 10 Jahre à Jahr 1000 Thlr. bewilligt haben, eine einmalige Beihülfe von 15,000 , die auch gewährt wird. Ein anderes \{chwerin\{hes Reskript vom 18. d. M. bringt einen Verordnungsentwurf für das Reichs-Impfgesez. Es wurde ein Comité von 6 Personen für den Entwurf gewählt. Sachsen-Meiningen-Hildburghausen. Meiningen, 24. Februar. Die Samml. landesh. Verord. veröffentlicht ein Gesetz vom 3. Februar 1875, die Gebühren der Zeugen und Sachverständigen betrefsend.
Hesterreich - Ungarn. Wien, 24. Februar. In der heute stattgefundenen Sizung des Abgeornetenhauses legte der Handels-Minister Dr. Banhans auf Grund Allerhöchster Er- mächtigung mittel| Zuschrift an das Präsidium zwei Regierungs- vorlagen zur verfassungsmäßigen Behandlung vor und zwar: Abänderungen des Gesezentwurfes, betreffend die Vereinigung der öôsterreihischen Nordwestbahn mit den Unternehmungen der \südnorddeutshen Verbindungsbahn, der mährischen Grenzbahn und der Lundenlurg-Grußbach-Zellerf(dorfer Bahn nebst Be- gründung; einen Gesezentwurf, wodur Art. 11. des Gesetzes vom 6. Mai1874, betreffend die Herstellung der projektirten Lokoÿmotiv- eisenbahn von Steinach an der aus Ober-Steiermark nah Salzburg und Tirol führenden Eisenbahn über Aussee, Steg, Ischl, Eben- see, Attnang, Ried nah Andießenhofen, eventuel Schärding ab- geändert werden soll, nebst zugehöriger Begründung. Der Ackerbau - Minister Ritter v. Chlumecky legte auf Grund Allerhöchster Ermächtigung einen Gesehentwurf, betreffend eine Erhöhung des Gesammtbetrages der unverzinslihen Vor- \chü}e aus Staatsmitteln an Gemeinden und Private in den vom Borkenkäfer befallenen Theilen des Böhmerwaldes zur ver- fassungsmäßigen Behandlung vor. Ferner wurde der Postver- trag, betreffend die Gründung eines allgemeinen Postvereines, als Regierungsvorlage ‘eingebraht. Das Haus geneh- migte den Gesegentwurf, betreffend das Rekrutenkontin- gent für 1875, die Anträge des Ausshusses, be- treffend den Rechnungsabshluß von 1873 und die Gesezentwürfe, betreffend die Bahn Wien-Pottendorf und die Gebührenfreiheit des galizishen Landesanlehens. — Der Mi- nister des Innern beantwortete die Interpellation wegen der Marchregulirung dahin, daß man wegen der Bodengestaltung des Flußbettes an die Schiffbarmahhung vorläufig nicht denken fónne und daß die Regulirung der Marh behufs Verhütung von Uebershwemmungen eine Landesangelegenheit sei, wozu die Regierung mitwirken wolle. — Hierauf folgte die General- debatte über das Börsengeseßz. —- Weiß v. Starkenfels und Genossen interpellirten den Finanz-Minister wegen der verfas- sungsmäßigen Normirung der Stellung des obersten Rech- nungshofes.
— Ueber das neue Börsengesetz schreibt das „Prag. Abendbl, “:
Gleich dem Aktiengeseß ist das neue Börsengesey ein Kind der Zeit. Seine Entstehungsgeschichte fällt in die Periode nah der großen Maikatastrophe des Jahres 1873, wo die öffentliche Meinung mit großem Nachdruck geseßliche Shußmaßregeln gegen die Wiederkehr so verheerender Krisen verlangte. Nichts desto- weniger lautet das Urtheil der Presse über die erwähnte Geseß- vorlage wesentlih günstiger als über das Aktiengeseß, dem man von mancher Seite allzu weitgehende Vorsicht, beziehungsweise allzu große Härte zum Vorwurf machte. Selbstverständlih fehlt es auch nicht an tadelnden Stimmen für das neue Börsengeseß, denn gewissen Organen steht eben gar nihts zu Gesichte, was nur halbwegs wie eine Einengung der Freiheit des Börsenver- kehrs ausfieht; im Ganzen genommen wird jedo allseitig zuge- standen, daß die Regierungsvorlage die richtige Mitte einhält zwischen allzu weit gehender Bevormundung der Börsen und allzu \hrankenloser Freiheit derselben, welch lehtere erst vor Kur- zem zu so traurigen Konsequenzen geführt hat.
Vor Allem wird den Börsen durch das neue Gesetz ihr bisheriger Charakter als offizielle Anstalten genommen. Sie werden als freie Vereinigungen von Geschäftsleuten betrachtet, deren Zweck die Vermittelung des Verkehrs sein soll. Die Ver- 1valtung derselben is eine vollständig autonome, indem fih jede Börse innerhalb der allgemein geltenden geseßlihen Bestimmun- gen ihr Statut selber festseßt und dasselbe durch frei gewählte Organe handhaben läßt. Diese Organe sollen aus der Mitte der Börsenmitglieder selber hervorgehen und mit allen jenen Befugnissen ausgestattet werden, welche zur Erhaltung eines ge- regelten Verkehrs nothwendig erscheinen. Auch die Aufrehthal- tung der Ordnung, in stürmischen Zeiten bekanntlich keine leichte Aufgabe, soll diesen freigewählten Organen, welche die Börsen- leitung repräsentiren, obliegen.
In sahliher Beziehung is wohl jene Bestimmung des neuen Gesetzes die wichtigste, durch welche Börsengeschäfte als gewöhnliche Handelsgeschäfte bezeichnet und demgemäß alle aus denselben resultirenden Forderungen als klagbar und ecxekutions- fähig hingestellt werden. Diese Bestimmung dürfte sh als ein kräftiger Damm gegen das Ueberhandnehmen der Spielwouth und das leichtsinnige Hazardiren erweisen , denn ist man nur einmal darüber im Klaren, daß man mit seinem gesammten Vermögen für die Verpflichtungen aufzukommen hat, die man bei Börsen- geschäften auf sich genommen, dann ' wird fih es wohl Jeder genau überlegen, bevor er sich in Engagements einläßt, die seine Kräfte übersteigen. Wer es nicht selber gesehen 1nd erlebt, wie in den Zeiten der wilden Hausse Leute in den untergeordnetsten Stellungen und ganz ohne Vermögen Verpflichtungen, die in die Zehntausende ja Hunderttausende gingen, auf sich luden, der würde es kaum glauben, bis zu welchem Grade die Verschiebung aller Begriffe über . Kreditwürdigkeit und Kreditfähigkeit bereits gediehen war. Man spielte so zu sagen ohne Einsaß um die gewagtesten Summen, denn ging es schief, so blieb man einfach aus und hatte davon weiter keine Unannehmlichkeiten, als hôöch- stens die Aus\{hließung vom ferneren Börsenbesuche zu besorgen. Das mußte natürlich in hohem Grade korrumpirend wirken und darum wird denn auch in diesem Umstande, wohl niht ganz
“
Auch die weiteren meritorishen Bestimmungen des neuen Börsengeseßes zeigen das unverkennbare Bestreben, alle Aus- wüchse im Börsenverkehre, wie fie im Laufe der leßten Jahre so besonders grell zu Tage traten, möglichst zu beseitigen und den Verkehr selber auf feste und solide Grundlagen zu stellen, ohne im Uebrigen die Freiheit der Bewegung allzusehr einzuengen. Es beweisen dies u. A. die Bestimmungen über die Exekution nothleidender Börsen-Effekten, welhe namhafte Erleichterungen enthalten. Ueberhaupt ist die ganze Tendenz des neuen Gesehes dahin gerichtet, dem Börsengeschäfte den Charakter einer reellen faufmännishen Transaktion aufzuprägen, um dadurch der Wiederkehr so argen Schwindels und so furhtbarer Kata- strophen, wie sie das Jahr 1873 gebracht hat, nah Thunlichkeit vorzubeugen.
— 9%5,. Februar. (W. T. B.) Wie die „Presse“ hört, hat der Handels-Minister Banhans vom Kaiser einen zweimonat- lihen Urlaub bewilligt erhalten, um einen ihm von den Aerzten angerathenen Aufenthalt im Süden zu nehmen. Das Departe- ment des Handels-Ministers wird während dieser Zeit vom Minister für den Ackerbau, v. Chlumecky, geleitet werden.
Schweiz. Bern, 23. Februar. Heute hat der Bunde s- rath in außerordentlicher Sizung die Vorlagen für die nächste Bundesversammlung, welche bekanntlich auf den 8. März wie- der einberufen is, genehmigt. Es sind deren 36, von denen die wichtigsten sind : die ultramontanen Rekurse gegen die Bundesraths- beshlü}se, betreffend die Absezung des Bischofs Lachat, betreffend die von der Berner Regierung verfügte Ausweisung einer An- zahl katholisher Geistlihen aus dem Jura und betreffend die Verfassungsmäßigkeit des Freiburger Schulgeseßes. Dann sind noch zu erwähnen der Niederlafsungs- und Handelsvertrag mit Dänemark, welcher kürzlich in Paris unterzeichnet worden ist, dieneuen Bundesgeseße über Maß und Gewicht, übêr die Aushebung und Instruktion der Rekruten, über den Eisenbahnenfrachtverkehr, über die Haftbarkeit der Eisenbahnen und anderer Transportanstalten im Falle von Tödtungen und Verlezungen, über die Ausgabe und Einlöfungen von Banknoten, über die eidgenössishe Geld- \fala, über das Postregal und über Bekleidung und Ausrüstung der Armee dur die Kantone und die diesen dafür zu gewäh- rende Entschädigung. Endlich find noch von Interesse die Motion Désor, betreffend die Durhführung des Art. 27 der Bundesverfassung, welher vom Schulwesen handelt, die Motion Stämpfli, betreffend den Modus der Berathuug eidgenössischer Gesetze, und die Motion Joos, betreffend die Frage der Ausgabe und Einlösung von Bundeskassensheinen, Da die eidgenös- sishen Räthe nur bis Ostern beisammen bleiben werden, wird jedenfalls ein sehr großer Theil dieser Traktanden auf die ordent- lihe Sommersession, welhe am 7. Juni beginnt, vers i;oben wer- den müssen.
Niederlande. Haag, 21. Februar. Die Regierung hat an die Zweite Kammer der Generalstaaten eine Vorlage gelangen lassen, nah welcher die bisherigen Festseßungen des Planes be- züglih der Mitwirkung Seitens des Staates zur Herstellung des Nordseekanals einige Abänderungen erfahren. Es han- delt sich dabei um Bewilligung von Mehrausgaben, welche dur die jüngst zu Stande gekommene neue Vereinbarung mit Amster- dam exforderlih werden. Zur Rechtfertigung der betreffenden Abänderünasvorshläge wird bemerkt, der Staat werde dur diese Vereinbarung allerdings zu weit beträchtliheren Ausgaben gebraht; man werde dann aber auch einen Kanal . erhalten, welhe für Schiffe von 72 Decimeter Tiefgang brauchbar sein würde; die Mehrausgaben seien geboten im Hinblicke auf die Interessen der großen Schiff- fahrt und würden den Werth des Kanals bedeutend erhöhen. Durch Königlichen Beschluß vom 18. d. is der Infanterie-Oberst Pel, vom nicderländish-indishen Heere, der Militär- und Civik- befehlshaber in Atchin, zum Range eines General-Majors befördert worden. JIüngsthin wurde der Oberst {on in An- erkennung der von ihm in Atchin bereits geleisteten großen Dienste zum Commandeur des militärischen Wiljelms-Ordens ernannt. — Zur Fortseßung derEntfestigung der Hauptstadt desGroßherzogthums Luxemburg is von dem Landtage vor einigen Tagen der An- trag der Regierung ein weiterer Kredit, und zwar im Betrage von 110,000 Fr., mit 22 gegen eine Stimme zur Verfügung gestellt worden. — Der Staats-Sekretär der südafrikanischen Re- publik, Hr. Swart, is vorgestern vom Kap in Amsterdam eingetroffen.
Großbritannien und Irland. London, 24. Februar. Nach einer Mittheilung der amtlihen „London Gazette“ wird die Kö nigin am 19, März einen Damen-Empfang im Bucking- ham-Palast halten.
— Dem Parlament find \oecben die amtlichen Schrift- stücke über die leßte Kaffern-Rebellion in Natal un- terbreitet worden. Dieselben umfassen zuvörderst eine Depesche von Lord Carnarvon, dem Minister für die Kolonien, welche seine Entscheidung über den Rechtsfall des Häuptlings Langalibale enthält, und ferner eine Proklamation an die Eingeborenen von Natal, worin denselben mitgetheilt wird, daß dem Häuptling die Freiheit wiedergegeben worden ist, indeß unter der Bedingung, nicht nah Natal zurückzukehren, aber daß sein Stamm, die Amahlubi, fich zu ihm begeben darf. Im Weiteren wird den Amangmwe gestattet, nach ihrem Lande zurüczukehren und sämmt- lichen Kaffernstämmen im Allgemeinen eine \harfe Warnung gegen Rebellionsversuche ertheilt. :
— Das gegenwärtigeHaus der Lords zählt 26 geist- lihe und 465 weltlihe Pairs. Unter Leßteren befinden \ih 5 Prinzen von Geblüt, 28 Herzöge, 32 Marquis, 171 Earls, 37 Viscounts und 192 Barone.
— Sir Garnet Wolseley, der neue Gouverneur von Natal, segelte in Begleitung seines aus vier höheren Offizieren bestehenden Stabes, sowie des neuen Kolonial-Sekretärs Mr. Napier Broome gestern von Dartmuth an Bord des Post- dampfers „Walmer Castle“ nah dem Kap der guten Hoff- nung ab.
— %5. Februar. (W. T. B.) Auf eine Interpellation von Lord Stratheden erklärte der Minister des Auswärtigen, Graf Derby, in der heutigen Sißung des Oberhauses, er halte es für wahrscheinlih, daß Oesterreih, Rußland und Deutschland auf Grund des von ihnen aufgestellten Prinzips, daß der Abshluß von Handelsverträgen mit Serbien und Rumänien ohne Genehmigung der Pforte zulässig sei, weiter vorgehen würden. Eine Meldung, daß die Berträge be- reits abgeshlo}en worden seien, habe er noch niht empfangen.
— %6. Februar. (W. T. B.) Der Direktor des Museums von South-Kensington, Gunliffe Owen, is, wie jegt amt- lih bestätigt wird, zum Exekutivkommissär für die Weltaus- stellung in Philadelphia ernannt worden, an welcher Eng- land seine Betheiligung zugesagt hat.
mit Unrecht eine der Hauptursahen des großen „Krachs“ ge-
drängte, so mußte die Ordnung publizirt werden, ohne die Be-
sucht.
Frankrei. Paris, 26. Februar, (W. T. B.) Das „Iournal officiel" bringt die amtliche Mittheilung, daß der Mar-
\hall-Präsident in Folge der gestrigen Sizung der Nationalver- fammlung (\. u. Versailles) den Entschluß faßte, den Präsidenten Buffet mit der Bildung eines neuen Ministeriums zu be- trauen. Das genannte Blatt hebt hervor, daß der Marschall- Präfident nah wie vor der Beschlußfassung über die Verfassungs- geseße, fest entshlossen sei, die konservativen Prinzipien aufrecht zu erhalten, welhe die Grundlage seiner Politik gewesen seien, seit er seine Gewalten aus den Händen der Nationalversammlung empfangen habe. Das neue Ministerium müßte diese Prinzipien, denen der Präsident Buffet ebenso, wie der Marschall Mac Mahon anhinge, gleihfalls zu den seinigen mahen. Das Ministerium würde in dieser Rihtung dur die gemäßigten Elemente aller Parteien unterstüßt werden. — Die Konstituirung des Kabinets dürfte erst nah der Rückkehr Buffet's, welcher sich aus Veran- lassung des Todes seiner Mutter in den Vogesen aufhält, ge- sehen. i i
— Der Admiral La Roncière le Noury hat im Namen des Budgetaus\husses seinen Bericht über die finanziellen Fol- gen des Gesezes über die Cadres der Armee eingereicht. Daraus ergiebt sih: Das Kriegsbudget für 1875 beträgt 493,776,321; dazu kommen die durch das neue Gesey über die Cadres nothwendig gewordenen Ausgaben: 23,236,795; bereits votirte, aber im Budget noch nicht eingetragene Ausgaben: 11,161,392; Vervollständigungs-Ausgaben, deren Nothwendigkeit der Kriegs-Minister bezeihnet, 31,771,258; Gesammt-Ausgabe für das Kriegs8wesen : 559,885,786 Fr. Dieselbe wird aber durch Reduktion der Cadres oder durch die Vertagung der Ausgaben für dieselben um 15,983,804 Fr. verringert, so daß das Kriegs- budget für 1875 543,901,962 Fr. betragen wird. :
— Das „Pariser Iournal“ theilt mit, daß die Eröffnung der internationalen Meter-Kommission am 1. März stattfinden werde. Ursprünglih war dieselbe auf den 6. März festgeseßt.
Versailles, 25. Februar. (W. T. B.) Nationalver- sammlung. Die Berathung über das Geseh betressend die Organisation der öffentlihen Gewalten wurde fort- geseßt. Der Zusaßantrag Wallons, der von den dem Pr(fi- denten zustehenden Machtbefugnissen handelt, wurde in der von der Kommisfion vorgeschlagenen Fassung angenommen, ebenso auch der Art. 7 des Geseßentwurfs, welcher Versailles zum Size der Exekutivgewalt und zum Versammlungsort für beide Kammern bestimmt, da von keiner Seite Widerspruch gegen diesen Artikel erfolgte. Vor der Schlußabstimmung gaben die royalistischen Deputirten eine Erklärung ab, in welcher hervorgehoben wird, daß alle und jede Institutionen ohne „den König“ zum Verderben des Landes aus\chlagen wür- den. Die Herrschaft werde in der Zukunft den Radikalen zufallen, die auch die gemäßigten Republikaner mit fich vereinigen würden. Die royalifstishen Deputirten müßten fich deshalb von vorn herein jeder Verantwortlichkeit für den Ruin des Landes entshlagen. In einer Stelle der von den Royalisten abgegebenen Erklärung wurde mit dem Ausdru des Bedgquerns des Abfalls gewisser Royalisten, die ihren Grundsäßen untreu geworden seien, sowie der an Ohnmacht streifenden Schwäche gedacht, die an gewisser hoher Stelle herrsche; gegen leßtere Be- zihtigung wurde vom Konseil-Vize-Präsidenten de Cissey sehr lebhaft Verwahrung eingelegt. Darauf wurde das ganze Gesetz mit 436 gegen 262 Stimmen genchmigt. e
Nach Annahme des Gesetzentwurfs über die Organisation der öffentlihen Gewalten wurde vom Deputirten Savary der Bericht der Untersuhungskommission über die Vor. änge bei der Wahl im Departement de la Nièvre vorgetragen, wobei die Bonapartisten Savary vielfach und lärmend unterbrachen. Die Versammlung vertagte sich darauf bis Montag.
Ein weiteres Telegramm meldet: In dem heute vom Depu- tirten Savary in der Nationalversammlung verlesenen Be - rihte über die Vorgänge bei der Wahl de Bourgoings im Departement de la Nièvre wird beantragt, die Nationalversamm- lung solle den Justiz-Minister zur Mittheilung der Akten über das Comité des appel au peuple aufforden. * Es wird darauf beharrt, daß bonapartistishe Umtriebe existirten und daß die Bonapartisten eine besondere Regierung im Staate gebildet hätten, die ihr eigenes Budget, ihre eigene. Polizei und ihre eige- nen Beamten habe. Ferner wird auf die Versuche bonapartisti- her Agenten hingewiesen, eine Vereinigung der Sozialisten mit den Anhängern des Kaiserreichs herbeizuführen. Die Vertagung der Nationalversammlung bis Montag erfolgte, um dann über den Bericht Savary's zu berathen.
Italien. Rom, 18. Februar. (Jt. A.) Der Minister- präsident Minghetti ist zum Mitglied der Akademie der Wissen- \haften von Stockholm ernannt worden.
— Garibaldi besuhte am Dienstag Vormittag den Fürsten Torlonia in seinem Palafte auf Piazza Venezia und unterhielt sih lange Zeit mit ihm über die großartigen Pläne, die er im Sinne führt. Der Fürst hat den General nicht allein auf das Herzlichste empfangen, sondern ihm auch angeboten, bei der Aus- führung seiner Tiber- und Campagnapläne frei über seinen weit- ausgedehnten Landbesiß zu verfügen, namentlich wenn es ihm be- lieben sollte, auch eine Eisenbahn von Ponte Galera nach dem Tiberhafen Fiumincino anzulegen. :
— Die Nationalgarde von Florenz isst durch König- liches Dekret vom 28. Januar d. I. für aufgelöst erklärt worden, indem der König für die guten Dienste dankte, welche sie, nament- lih als Florenz Hauptstadt war, Jtalien geleistet hat.
__— In Sicilien sind nah einer Meldung des „Giornale di Sicilica“ die Operationen gegen die Briganten neuer- dings von glücklihem Erfolg gekrönt worden. Auf die Anzeige, daß sih Briganten in der Gegend von Regalociacca im Bezirke Castronovo herumtrieben, maten sich Carabinieri und Bersaglieri auf, umringten am 12. d. den Hof Landolino, wohin si die Banditen Filippo Calderone und Francesco Barbarino mit ihren Helfershelfern geflüchtet hatten, und nah kurzem Gefechte wurde Calderone getödtet und Barbarino mit den Helfershelfern ver- wundet gefangen genommen. Barbarino wird schon seit dem Jahre 1869 verfolgt. Damals \chloß er sih der Bande Capraro und Pasquale an, und hat mit dieser cine ganze Reihe von Räubereien und Erpressungen verübt, weshalb ein hoher Preis auf seinen Kopf ge\seßt wurde. Calderone betreibt das Räuber- handwerk erst seit dem Jahre 1874, hat aber {hon eine ganze Len von Verbrehen gegen Personen und Eigenthum mit verübt.
_— 29, Tebruar. (W. T. B.) Der Senat hat in seiner heutigen Sizung den Artikel des Strafgeseßbuchs, betreffend die Aufrechterhaltung der Todesstrafe, mit 73 gegen 36 Stim- men genehmigt.
Neichstags - Angelegenheiten,
Berlin, 26. Februar. In der gestrigen Sißzung de Hauses der Abgeordneten erklärte po Bérilhnan des Justizetats der Abg. Windthorst (Bielefeld) die Etatifirung der Richter erster Instanz nah der Anciennität in der ganzen Monarchie oder wenigstens provinzenweis für wünschenswerth. Nachdem der Regierungskommissar, Ministerial-Direktor, Wirk- liher Geheimer Ober-Justiz-Rath Wenzel erwidert hatte, die Schwierigkeit der Ausführung liege in den Gehaltsverhältnissen, bemerkte der Justiz-Minister Dr. Leonhardt:
Ich möchte dem Hrn. Abg. Windthorst zu seiner Beruhigung nur bemerken, daß der Gedank»-, den er zu‘eßt entwickelt hat, von mir seit meinem Antritt als Justiz-Minister verfolgt worden is. Fch hätte ihm sehr gern Rechnung getragen, aber die Gründe, die eden
Gedanken durchzuführen, den ih für einen durhaus begründeten anfehe ; denn es herrsht im preußischen Staate noch fehr der Gedanke des Partikularismus der Provinzen, und ih glaube, dieser muß, soweit irgend thunlich, beseitigt werden, In der einen Richtung habe i ihn auch son beseitigt, nämli soviel die Verleihung von Titeln anlangt, Kreiszerihts-Nath, Landgerichts-Rath u. |. w. In dieser Richtung wurde früher auch nah Provinzen verfahren, das ift aber neuerdings beseitigt, und es wird in diefer Richtung für den ganzen Staat gesorgt. ;
— Der Abg. Frhr. v. Heereman hatte zur Sprache ge- bracht, daß ein politischer Gefangener in das Zuchthaus zu Münster geschafft sei, ferner rügte derselbe die Behandlung katho- lischer Geistlicher in der Strafanstalt zu Cleve. Der Justiz- Minister äußerte hierüber nah dem Abg. Windthorst (Meppen) : : Meine Herren! Ich kann nur Folgendes erklären: Eine neue Regelung des Strafvollzuges ist nothw-ndig und sie wird erfolgen, sobald es irgend möglich ist. Eine weitere Erklärung, die der Hr. Abg. Windthorst begehrt, kann ih nicht geben, und das Verlangen, welches er in einer jolhen bestimmten Weise gestellt hat, kann mi in meinen Anschauungen durchaus nicht beirren. Ich will darauf des Näheren nicht eingehen und nur einen Punkt hervorheben. Der Aba. Windthorst hat zweimal, sogar dreimal bemerkt, daß das eine Mini- stecium die Vertheidigung und Rechtfertigung auf das andere Mini- sterium s{chôbe. Davon ist gar keine Rede gewesen; die Sache hängt vielmehr einfach so zusammen. Es werden chne alle und jede Vorbereitung in dieses Haus zwei Spezialfälle gebracht, Wie kann man daun nun von einem Minister überhaupt verlangen, daß er auf jolhe Spéezialfälle sih erklärt. Theilen Sie mir doch vorher der- artige Spezialfä:!e mit, dann will ih mich erklären; aber wenn Sie Fâlle haben, und welche vielleicht fo oder so zureht gemacht sind (Oh! Oh! im Centrum) —- ich will nicht sagen, ob das bewußt oder unbewußt geschieht, das liegt mir fern.
Der erfte Fall war dem Justiz-Minister bekannt, ex griff von Amtswegen ein, und auf diese Weise erfuhr er die ganze Sachlage. Nun ift Ihnen von meinem Kommissar mitgetheilt, daß der Fall nicht richtig vorgetragen ist. (Abg. Windthorst [Meppen] Doch!) Es ist unzweifelhaft.
: Dem Hrn. v. Heereman werfe ih durhaus nicht Mangel an 6ona fides vor. Dann ift ein zweiter Fall vorgebracht: diefer gehört dem Ressort des Ministeriums des Innern au. Es ist mög- lich, daß der Minister des Junern ein Näheres darüber kennt; der Justiz-Minister weiß von diesem Falle gar nichts, er kann sich dem- gemäß auh über den Fall nicht erklären. Wenn er es nicht thut und die Sache niht zu rechtfertigen sucht, so kann man doch nicht sagen, daß der Justiz-Minister die Sache auf den Minister Innern schiebe, Die Herren mögen, venn iben einzelne Fälle fo am Herzen liegen, daß sie eine gründ- lichste Erwägung wünschen, diese doch nicht bei Gelegenheit des Bud- gets herbeiführen; es stehen ihnen ja andere Wege ofen. Der be- treffende Minister wird dann, wenn er— von der Sachlage Kenntniß sih verschafft hat, antworten. Ebenso, meine Herren, int es doch meiner Ueberzeugung nach gänz. unmöglich, bei Gelegenheit des Budgets die Frage über den Strafvollzug in einer vollständigen Weise zu erörtern. Wenn das Bedürfniß der Regelung des Strafvollzuges entwickelt wird, und die Haupt- richtungen metnetwegen bezeichnet werden, und wenn dann die ve- treffenden Minister erklären, daß sie den Strafvollzug regeln und alles in Berücksichtizung ziehen wollen, was hier erörtert worden ist, — und das habe ih bereits in der leßten Sißung gesazt — dann, glaube ich, können Sie fich auch dabei beruhigen. Die Regierung ist wenigstens nicht in der Lage, auf Details der Frage bei der Budget- beratl;ung einzugehen.
Auf die Bemerkung des Abg. Gilling, alle Klagen rührten von der Zwiespältigkeit des Gefängnißwesens her, erklärte der Justiz-Minister: :
Meine Herren! Ich bin sehr weit davon entfernt, darüber mich zu beklagen, daß hier der Strafvollzug und die Gefängnißverwaltung zur Sprache gebracht werden. Jch habe nur bemerkt, daß die Be- rathung des Budgets doch wohl nicht der geeignete Ort sei, wo das Detail zu erörtern ist.
Was die leßte Bemerkung des. Herrn Vorredners anlangt, fo halte auch ich für meine Person es für erwünscht, daß eine einheit- liche Verwaltung eintritt nud der zeitige Dualismus beseitigt wird. Es wird dies ein Punkt sein — das kann ih dem geehrten He rn Abgeordneten bemerken —, welcher bei den weiteren Berathungen in Erwägung gezogen wird.
Dem Abg. Frhr. v. Heereman, welcher sich dagegen ver-
wahrte, daß er den von ihm angeführten Fall zurehtgemaht habe, entgegnete der Justiz-Minister: : Jch möchte dem Hrn. Abg. von Heereman bemerken, daß, wenn ich erklärte, daß ih seine bona fides niht in Zweifel ziehe, das mei- ner Meinung nah üÜLzcrflüssig war, denn, wenn ih von „zure{t- gemachten Fällen" generell gesprochen habe, so heißt das nicht, daß die Fälle zurehtgemacht werden von denjenigen Herren, welche sie hier vortragen. Solche Fälle werden oft zurehtgemaht, ehe fie au denjenigen kommen, welcher sie hier im Abgeordnetenhause vorbringt. i
Auf eine Aeußerung des Abg. Thilo erklärte der Justiz- Minister:
E geehrte Herr Vorredner hat die Bemerkung gemacht, er zweifle gar nicht, daß die Justizverwaltung bereits einen Plan über die Errichtung der nzuen Gerichte aufgestellt hat, sih fürchte, daß, wenn dieter Bemerkung nicht widersprochen wird, ein höchs unange- nehmer Sturm von Petitionen aus dem Lande an den Justiz-Minister gelangt, deshalb will ih hier wie im vorigen Jahre erklären, daß ein solcher Plan noch nicht entworfen ist und daß die Frage, wo Gerichte zu errichten sind, nicht eher in nähere Erwägung gezogen werden kann, als die Gerichtsverfassung feststeht.
— Bei Kap. 62 Tit. 11 (Zushuß zu den Verwaltungs- ausgaben der Fürstenthümer Waldeck und Pyrmont) machte der Abg. Kapp darauf aufmerksam, daß der zwischen Preußen und dem Fürstenthum Waldeck abgeschlossene Staatsvertrag, nah welchem die preußische Regierung die Verwaltung des Fürsten- thums führt, am 1. Januar 1878 ablaufe, jedoch noch weitere zehn Jahre in Kraft bleibe, wenn er niht von einem der kon- trahirenden Theile bis zum 1. Januar 1876 gekündigt wor- den sei, Der Vize-Präsident des Staats-Ministeriums, Staats- und Finanz-Minister Camphausen entgegnete :
Meine Herren! Jch habe in Bezug auf diese Aeußerung nur zu bemerken, daß der geehrie Redner doch von einem Irrthum aus- geht. Der Vertrag ist geschlossen bis zum 1, Januar 1878 und kann von jedem der beiden kontrahirenden Theile ein Jahr vor seinem Ab- lauf gekündigt werden. Welche Entschlüsse die preußische Regierung
Des
in dieser Hinsicht fassen wird, ist eine Frage der Zukunft.
Auf eine weitere Bemerkung des Abg. Windthorst (Meppen nous der Staats-Minister Camphausen noch cinmal Bes ort:
Meine Herren! Jch möchte mich der Ansicht des Hrn. Abg. Miquel, daß gegenwärtig der Zeitpunkt nicht gekommen sei, um über diese Frage eingehend zu verhandeln, meinerseits anschließen. Wenn die Angelegenheit praftisch wird, so würde ich ja meinerseits zu wünschen haben, daß der Hr. Minister der auswärtigen Angele- genheiten, der feiner Zeit diesen Vertrag abgesblossen hat, entweder persönlich oder dur einen Kommissarius hier vertreten wäre.
Im Uebrigen will ih doch nit unerwähnt lassen, daß derartige Verträge wie der mit dem Fürstenthum Waldeck abgeschlossene in Bezug auf eine vorbehaltene Kündigung, gar viele existiren und daß
entwickelt worden sind, haben mi bislang nicht in die Lage gesebt, diefen |
es niemals in Frage gestellt ist, daß, wenn nicht gefündigt wird , der
| Vertrag fortdauert und daß nicht erst vorher die Landesvertretung zu
befragen ift, ob gekündigt werden soll oder nicht.
_Im Uebrigen, meine Herren, liegt ja ganz klar vor, daß bei einem Vertrage, der mehr oder weniger unbestimmte Lasten in fich {hlißt, die Staatsregierung ja nur den Wunsch hegen kann, im völligen Einverständniß mit der Landesvertretung die Angelegenheit zu reguliren, daß wir zwar das Recht in Anspruch nehmen, ohne vor- herige Verständigung mit der Landeêvertretung den Vertrag fortdauern zu lassen, daß wir aber über die Gestaltung der Verhältniffe seiner Beit, wenn das Haus anderer Meinung sein sollte, uns zu verstän- digen suchen werden.
— Sn Kap. 8. Tit. 1 der einmaligen außerordentlichen Ausgaben find 1,200,000 Mk. für den Provinzialverband von Schleswig-Holstein als einmaliger Beitrag Behufs Verwendung im Interesse der dur die Kriegsereignisse von 1849/50 belafte- ten Kommunen ausgeworfen.
Die Abgeordncten aus Sg@leswig - Holstein beantragten : 1) diesen Beitrag von 1,200,000 Mk. niht zu bewilligen und 2) die Staatsregierung aufzufordern, eine billige Ausgleihung Der \{chleswig - holsteinschen Zwangsanleihen von 1849/50," ins- besondere der beiden von den Kommunen der vormaligen Her- zog1hütner aufgebrahten Anleihen im Sinne des Beschlusses des Abgeordnetenhauses vom 13. Maie1874 zu bewirken.
Der Staats-Minister Camphausen ergriff hierüber nach dem Abg. Miquel das Wort :
Meine Herren! Der Herr Vorredner hat es für nöthig erachtet das Abgeordnetenhaus vor dem Verdacht zu \{üten, als würde es in die Berathung nicht mit vollem Wohlwollen für die Provinz Schleswig- Holstein eintreten Von hier aus hat man nit für nöthig erachtet, die Staatsregierung gegen diesen Verdacht zu s{üßzen, weil ih davon auégegangen bin, daß wirkliß cin Zweifel in dieser Hinsicht nicht statthaft fein dürfte, Was bedeutet denn die ganze Maß- regel, welche die Staatsregierung Jhnen vorgeschlagen hat? Ihnen Allen ift bekannt, daß bei Regulirung der Verhäitnisse d Provinz Schleswig-Holstein bei der Feststellung des Schuldenwesens der gedachten Provinz, bei der fowohl die Landesvertretung als wie der Staatsregierung mitgewirkt haben, daß man da von der Anficht auégegangen ist, daß die Provinz Schleswig - Holstein auf die Anerkennung der beregten Schuld dem preußis{chen Staate gegenüber keinen Anspruch habe. Meine Herren! Diejenigen von Ihnen, die im Jahre 1867 Mitglieder dieses Hohen Hauses _ waren, die werden fi) wohl erinnern, daß damals die Staatsregierung die Ermächtigung gegeben worden ift, für die Anleihen, welhe die Provinz Schleswig - Holstein trafen, cine Summe von 21,700,090 Thlr. aufzunehmen. Es ist das die Anleihe des Jahres 1868, welche noch heute in u-seren Schulden- etat, soweit nicht einzelne Theile davon getilgt sind, figuriren. Da- mals ist die Anforderung — fo seße ich wenigstens voraus; ih habe an den damaligen Verhandlungen bekanntlich keinen Antheil gehabt — damals ist die Anforderung wegen der jeßt in Frage stehen- den schleëwig-holsteinshen Schulden nicht gekommen. Demnächst hat im Jahre 1868 sich der Anspruch geltend gemacht, daß auch die jeßt in Frage stehenden Schulden als Staatss{hulden möchten anerkaunt werden. Jm Jahre 18:8 haben eingchende Erörterungen zwischen dem Minister der auswärtigen Angelegenheiken und dem damaligen, Finanz-Min1ster und Seitens des Staats-Ministeriums stattgefunden, und man hat sich_ für die Ansicht entschieden, daß die fraglichen For- derungen als Schuldverpflichiungen, die auf den preußischen Staat übergegangen wären, nicht anzuerkennen seien. Dieser Standpunkt ist dann so, wie er damals gefaßt wurde, auch später Seitens der Staatsregierung festgehalten und, fo viel ih weiß, und mich erinnere, auch Seitens des Abgeordnetenhauses in den Anträgen feiner Kommission festgehalten worden. Im vorigen Zahre ist man von diesem Standpunkte abgewichen; im vorigen Jahre ist die Resolution gefaßt worden, der Staatsregierung zu empfehlen, auf eine billige Auêgleichung Bedacht zu nehmen. Meine Herren, diesem Ausspruche des Abgeordnetenhauses gegenüber hat die Regie- rung vicht Bedenken geträgen, den Standpunkt, den sie bis dahin unverändert festgehalten hatte, einec Modifikation zu unterwerfen. Sie hat fich bemüht, denjenigen Theil der Anforderungen auszuson- dern, für den ihrer Ansicht nach ein billiger Anspruch geltend gemacht werden könnte. Der Hr. Abgeordnete Miguel hat gemeint : indem die preußishe Regierung den Rechtsanspruch der Provinz Schleswig-Holstein wegen dieser Schulden nicht anerkannt habe, habe fie sich ledigli und alleia darauf gestüßt, daß die dä- nische Regierung ihrerseits jenen Anspruch vernichtet habe. Das ist ein Jrrthum. Die Ansicht der preußischen Regierung beruht auf einem wesentli) anderen Fundamente, fie berubßt darauf, daß der Anspruch wege : Anerkennung jener Schulden, wenn er überhaupt begründet wâre, gegen das gesammte Deutschland geltend zu machen wäre. Daß es nicht eine Forderung sei, die ledi.lich gegen Preußen zu richten wäre, sondern daß sie zu rihten wäre gegen die gesammten deutschen Staaten, die zu jener Zeit den Krieg geführt- haben. Solcher Anfor- derungen ‘bestanden in Deutschland außerordentlich viele. Bei dem Bundestage, bei der für die Abwickelung der deutschen Schuldenver- hältnisse eingeseßten Kommission sind, wenn ich mi recht entsinne, 160 Millionen Gulden angemeldet worden, und Pceußen selbst hätte jener Kommission gegenüber sehr erhebliche Forderungen für die Kriegführung liquidiren Eönnen. Es ist dies ja in der Deuïschrift, die von dem Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten von dem Minister des Innern und von mir widerlegt worden ist, näher dargethan. Jh weise also darauf hin, daß es irrig sein würde, die Nichtanerkennung jener Schulden lediglich und allein aus der Handlung der dänischen Regiec- rung ableiten zu wollen. i : Was dann die Frage betrifft, ob es mögli gewesen wäre, diese Verhältnisse beim Abschlusse des Wiener Friedens und bei der \pä- teren Regulirung der gesammten Schuldverhältnisse anders zu gestalten so läßt sich ja darüber immerwährend streiten und es wird nicht mit apodiktisher Gewißheit der Saß aufgestellt werden können, man hâtte so und nicht anders verfahren sollen. Gerade, weil sich dies nicht mit apodiktisher Gewißheit behzupten läßt, hätte ih auch an den ersten Herren Redner das èringende Gesuch stellen mögen, die felsen- feste Ueberzeugung von der rechtlichen Begründung der \{leswig-holstei- nischen Ansprüche doch ein klein wenig erschüttern zu lassen und ein klein wenig der Möglichkeit Raum zu geben, daß man auch dort bei der Beurtheilung dieser Verhältnisse einer etwas einseitigen Auffassung sih möchte hingegeben haben.
_ Sgließlih, meine Herren, kann ich Sie versichern, daß die Staatsregierung in dem Wunsche. dieses Objekt des Streites aus der Welt zu schaffen, mit allen Herren Rednern, die heute gesprochen haben, vollständig übereinstimmt, daß sie ihrerseits glaubt, in dieser Beziehung die avgemessenèn Vorschläge gemacht zu haben, und das, wenn das Hohe Haus der Meinung sein sollte, daß dicse in manchen Punkten einer Modifikation zu unterwerfen wären, wir jedenfalls in dieser Hinficht wünschen müßten, einen festen, unzweideutigen Anspruch zu bekennen, daß man uns nicht sage: bietet eine billige Ausgleihung an, und uns dann in Ungewißheit darüber
läßt, worin denn die Billigkeit bei der Ausgleichung bestehen soll.