1899 / 134 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 09 Jun 1899 18:00:01 GMT) scan diff

Hauptverwaltung der Staatsschulden.

Bekanntmachung.

Die am 1. Juli 1899 fälligen A E der preußishen Staatsschulden, einschlie lih der von uns verwalteten Eisenbahn - Anleihen, werden bei der Staats: \hulden-Tilgungskasse W. Taubenstraße 29 hierselbst —, bei der Reichsbank-Hauptkasse, den Regierungs-Hauptkassen, den Kreiskassen und den übrigen mit der Einlösung betrauten Kassen, Reichsbankanstalten und - sonstigen Zahlstellen vom 21. d. M. ab eingelöst.

Die Zinsscheine sind, nah den S r Schuldgattungen und Werthabschnitten geordnet, den Einlösungsstellen mit einem Verzeichniß vorzulegen, welches die Stückzahl und den Betrag für jeden Werthabschnitt angiebt, aufgerehnet ist und des Einliefernden Namen und Wohnung ersichtlih macht.

Wir machen darauf aufmerksam, daß die seit 1. Sanuar 1898 "Den fPaterei Terminen fälligen Zinsscheine der fonsolidierten 31/5-, vor- mals 4prozentigen Staats-Anleihe nur mit den- jenigen Beträgen eingelöst werden, welche sich aus der zum 1. Oktober 1897 erfolgten E N ergeben. Diese Werthe sind aus den in den Kassen- räumen der Einlösungsstellen zum Aushang ge- brachten Verzeichnissen zu ersehen. Shuldverschrei- bungen der genannten Anleihe und zugehörige Zinsscheinbogen, welhc noch niht auf 31/9 Prozent abgestempelt sind, sind baldigst an die Kontrole der Staatspapiere in Berlin SW., Oranien- straße 92/94, zur Abstempelung einzuliefern.

Wegen Zahlung der am 1. Juli fälligen Zinsen für die in das Staatsschuldbuch eingetra-

enen Forderungen bemerken wir, daß die D ben dieser Zinsen mittels der Po st, sowie ihre Gutschrift auf den Reichsbank-Girokonten der Empfangsberechtigten zwischen dem 17. Juni und 8. Juli erfolgt, die Baarzahlung aber bei der Staatsschulden - Tilgungskasse am 17 Un Bel S DEN* N R l am 24. Juni und bei den fónstigen außerhalb Berlins damit betrauten Kassen am 26. Juni beginnt.

Die Staatsschulden-Tilgungskasse ist für die Zes Faun gen werktäglih von 9 bis 1 Uhr, mit Ausschluß es vorleßten Werktages in jedem Monat, am lehten Werk- tage des Monats aber von 11 bis 1 Uhr geöffnet.

Die Jnhaber preußischer Konsols machen wir wiederholt auf die durch uns veröffentlichten „Amtlichen Nachrichten über das Preußische Staats- \huldbuh“ aufmerksam, deren 6. Ausgabe dur ch jede Buchhandlung für 40 Z oder von dem Ver- leger J. Guttentag in Berlin durch die Post frei für 45 S zu beziehen ist.

Berlin, den 5. Juni 1899.

Hauptverwaltung der Staatsschulden. von Hoffmann.

Bekanntmachung.

Die dem Stcinbruchunternehmer Kötter Geißler zu Hötmar diesseitigen Kreises auf Grund des Gefeßes vom 19. Juni 1884 bezw. der zu dessen Auéführung erlassenen Ministerial - Verordnung vom 11. September 1884 unterm 10. Juni 1898 ertheilte und unterm 28. März d. I. bis zum 1. August 1899 verlängerte Erlaubniß zum Desi und zur Verwendung von Dynamit is dur diesseitige Ver- fügung vom heutigen Tage zurückgezogen worden.

Warendorf, den 7. Juni 1899.

Der Ksöntgliche Landrath, Geheime Regterungs - Rath Freiherr von Wrede-Melschede.

Angekommen: _ Seine Excellerz der E dcs Neichs-Eisenbahnamts, Wirkliche Geheime Rath Dr. Schulz, aus England; __ Seine Exccllenz der Präsident des Evangelischen Ober- Kirchenraths, Wirkliche Geheime Nath D. Dr. Barkhausen, aus Karlsbad.

Abgereist:

Seine Excellenz der Unter-Staatssekretär im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, Wirkliche Geheime Rath Fleck, in diensilihen Angelegenheiten in den Bezirk der Königlichen Eisenbahn-Direktion zu Halle a. S.

Nichtamtliches. Deutsches Reich.

Vréenßen. Berlin,:9, Juni:

Seine Mus tet dex Kailer ‘Und Kötig... b& sihtigten heute auf dem Bornstedter Felde bei Potsdam das erste und dritte Garde-Ulanen-Regiment.

Die vereinigten Auss{üsse des Bundesraths für Handel Sig Verkchr und für Rechnungswesen hielten heute eine Sißung.

Der General der Kavallerie und General-Adjutant weiland Seiner Majestät des Kaisers und Königs Wilhelm L, Prinz Heinrich VIT. Eu G L L., à la suite des Ulanen- Regiments Graf -zu Dohna (Osipreußisches) Nr. 8, begeht beute sein fünfzigjähriges Militärdienstjubiläum.

Laut telegraphischer Mittheilung an den Admiralstab der Marine ist S. M Seer „Jaguar“, Kommandant: Kor- vetter-Kapitän Kinderling, am 8. Juni in Lissabon ein- getroffen und beabsichtigt, am 12. Juni weiter zu gehen; S. M. Kreuzer „Hertha“, Kommandant: Fregatten-Kapitän von Usedom, ist am 8. Juni in Tfintau eingetroffen ; S. M. S. „Deutschland“, Kommandant: Kapitän zur See Müller, mit dem Chef des Kreuzergeschwaders, Kontre- Admiral Prinzen Heinrih von Preußen, Königliche

ä

Hoheit, an Bord, ist am 8.-Juni in Chemulpo N

und beabsichtigt, am 20. Juni nah Tsintau in See zu gehen.

Beuthen O.-S., 8. Juni. Bei der Einweihung des hiesigen neuen Kreishauses führte, wie v S Der meldet, der Ober-Präsident Fürst von Habfeldt in einer Tischrede aus, daß das Zustandekommen des Rhe in-Elbe- Kanals auch im vitalsten Jnteresse der shlefishen Montan- indust—ie liege. Ein Scheitern der Kanalvorlage bedeute auch tür Schlesien auf absehbare Zeit den Verzicht auf die nothwendigen Verbesserungen der schlesischen Transport- wege und vielleiht noch andere Wünsche. Die shlesische Montanindustrie sei cin wichtiger Faktor im preußischen Staate. Man könne unbedingt das Vertrauen zu der Staats- regierung haben, daß diese die wirthschaftliche Parität zwischen den verschiedenen Provinzen aufrehterhaltzn und keine nennenswerthen Verschiebungen in den bisherigen Absaÿz- acbieten eintreten lassen werde. Ueber die hierzu erforderlichen Maßnahmen würden bereits eingehende Ermittelungen angestellt. Baden.

Seine Königliche Doe der Prinz-Regent von Bayern hat, wie „W. T. B.“ meldet, gestern Abend 8 Uhr die Nückreise von Karlsruhe nah München ar getreten. Auf dem Bahnhofe waren Jhre Königlichen Hoheiten der Groß- herzog und die Großherzogin sowie Ihre Großherzoglichen Hoheiten die Prinzen Max und Karl von Baden zur Verabschiedung anwesend.

: Hefen.

Seine Königliche Hoheit der Großherzog ist, wie die „Darmstädter Ztg.“ meldet, an den Masern erkrankt. Aus dicsem Grunde konnte Höchltderselbe als Präsident der deutschen landwirthschaftlichen G: sellschaft der gestrigen Eröffnung der landwirthschaftlichen Ausstellung in Frankfurt a. M. nicht bei- wohnen, sondern ließ sich dabei durch Seine Großherzogliche Hoheit den Prinzen Wilhelm vertreten.

Sachsen-Coburg-Gotha.

Jn der heutigen Sißung des gemeinschaftlichen Landtages der Herzogthümer Coburg und Gotha er- flärte, dem „W. T. B.“ zufolge, der Staats - Minister von Strenge auf die kürzlih eingebrachte Jnterpellation des Abg. r. Heusinger über die Thronfolgefrage etwa Folgendes :

NRorerst kann ich erklären, daß die Herzogliche Regierung mit dem Beschlusse des Landtages vom 31. v. M. grund\äßlich einver- standen if und an dem von dem Landtage eingenommenen Standpunkt stets festgehalten bat. Was die Ttkronfolge selbst anbelangt, fo find dem Staats- Ministerium von seiten Seiner Königlichen Hoheit des Herzogs von Connaught weitere Mittheilungen als die dem Landtage bekanntiea bisher nicht zugegangen. Wenn Schwierigkeiten entstanden sind, so ift eine definitive Entscheidung jedenfalls in allezfürzester Zeit zu erwarten. Daß diese ohne Wissen und Mitwirkung der Staatsregierung und auch nach Umständen ohne Wissen und Mitwirkung dieses Landtages erfolgen werde, if aus- geschlossen.

Oesterreich-Ungarn.

Außer dem ungarischen Minister-Präsidenten von Szell empfing der Kaiser gestern auch den Minister des Aus8- wärtigen Grafen Goluchowskfi und den österreichischen Minister-Präsidenten Grafen Thun in Audienz. Gestern Nachmittag hatten beide Minister-Präsidenten cine Besprehung.

Großbritannien und Frland,

__ Das Oberhaus nahm gestern, wie „W. T. B.“ meldet, einen von Lord Kimberley unterstüßten Antrag Lord Salisbury's an, das Haus möge sich dem Beschlusse des Unterhauses, Lord Kitchener ein Geschenk von 30000 Pfund Sterling zu geben, anschließen. Ferner wurden einstimmi Dankesvoten an Lord Kitchener sowie dessen Offiziere ind Mannschaften angenommen.

Im Unterhause gab der Staatssekretär für die Kolonien Chamberlain eine Erklärung folgenden Jnhalts ab:

_Es sei unglückliherweise wahr, daß die Konferenz zwisGen dem Präsidenten Krüger und Sir Alfced Milner in Bloemfontein ohne irgend ein Resultat abgebrohen und auf diese Weise eine neue Sach- laze geshaffen worden fei. Krüger habe die voa Sir Alfred Milner gemachten Vorschläge verworfen, und der von Krüger in Vgrschlag gebrachte Ausweg sei von Sir Alfred Milner und jet von der britisen Regierung als völlig unzureihend angefezen worden, Er habe noch nicht den Bericht erhalten, welchen Sir Alfred Milner, wie er ihm mitgetheilt, der Presse über die Konferenz zugestellt habe. Er meine, daß dieser Lericht wörtlih von dem „Reuter'schen Bureau“ nah England werde telegrapbiert werden, doch sei er aus noch nicht aufgeklärten Urfachen bis jeßt niht eingetroffen (\. unter Afrika). Er sei daher außer stande zu sagen, ob der Bericht, den die Regierung von Tranévaal inzwischen veröffentliht habe, in allen Punkten mit dem Bericht Sir Alfred Milner's übereinstimme. Er glaube, daß die Unterredung f hauptsälhlich vm die Frage des Wahlrechts ge- dreht babe. Sir Alfred Milner sei der Ansicht gewesen, daß die Aus- \{l!eßung der Ausländer von dec Volksvertreturg die Wurzel der augen- blicklihen Schwierigkeiten sei, und daß es daher wünschenswerth erscheine, mögli über diesen Punkt zu einer Einigung zu gelangen, bevor man sich mit den anderen Streitfragen befasse. Die gesammten Vorschläge Krüger's seien von der Einwilligung Groß- britanniens abbängig gemawt worden, alle Streitigkeiten mit Transvaal der \{iedsgerichtlizen Gantseidung fremder Mächte zu unterbreiten. Sir Alfred Milner habe alle diefe Vorschläge Krügez1?'s als völlig unzurcihend angesehen und habe diefem ferner mitgetheilt, daß die britis@e Regierung niht den Eingriff irgend einer fremden Macht in die Streitigkeiten zwishen Großbritannien und der Regierung von Transpaal gestatten werde. Krüger habe auch die Einverleivung von Stoajiland verlangt, doch {éine er auf diesem Anspruch nicht be- standen zu haben. Ferner habe Krüger verlangt, daß die Frage der Entschädigung für den Zug Jamefon?s geregelt werde. Sir Alfred Milner habe e:wideit, daß die britische Südafrikanishe Gesellschaft gegen die Höhe des geforderten Schadenersaßes als eine ganz unver- nünftig hohe protestiert habe, aber bereit sci, den durch den Zug Iamejon?s erlittenen Schadea von einem Schiedsgericht feststellen zu lafien. Die Frage des Dynamit-Monopols sei aunch berührt, aber im De auf das Mißlinzen eines Uebereinkommens über die

ablrechtéfrage einer weiteren Behandlung zroischen den beiden Regierungen vorbehalten worden. Gr habe noh hinzuzufügen, daß cine Dep-she in Beantwortung der von den Ausländern an die Königin

erihteten Petition an Sir Alfred Milner abgesandt worden fei, evor dieser die Einladung zur Konferenz von dem Präsidenten Steijn erbalten habe, und daß diese Depeshe während der Konferenz zurüdck- gehalten worden fei. Der Inbalt derselben werde jeßt der Regierung von Transvaal mitgetheilt werden, und sobald diese die Depesche er- halten, werde sie mit anderen Dokumenten, mit Einschluß der an die Königin gerihteten Petition der Ausländer und der von anderen Ausländern an die Regierung von Tranêvaal gerihteten Gegenpetition, dem Hause vorgelegt werden.

| „Sodann gab der -Parlaménts-Sekretär; des Auswärtigen Brodri ck die Erklärung ab, ‘daß das Abkonamen mit Tonga keine Besaunees der britishen Regierung involviére; eine Publikation desselben sei daher nicht pin sd ¿;¡ Die: russische Regierung habe, wie der eben peröffentlihte Schriftwechsel zeige, die Frage der chinesishen Eisenbahntarife für zu sehr technischer Art erachtet, als daß sic_ in ein präliminares Ab- kommen aufgenommen werden könne. Diese Frage solle zwischen beiden Regierungen geregelt werden, wenn die Zeit, sie zu er- wägen, gekommen“ sei. Die Negierung werde bestens bemüht sein, zu verhindern, daß britishe Waaren auf chinesischen Eisenbahren differentieller Behandlung unterworfen würden. Die Klausel in dem british-russishen Abkommen, die dahin gehe, Rußlands Freiheit bezüglich Eisenbahnkonzessionen für Strecken, die von der Mandschureibahn in südwestlicher Richtung gingen, zu unterstüßen, decke sih nachAnsicht der britischen Regie- rung nicht mit der Fcage!derBahnverbindung mit Peking. Brodrick bestätigte ferner, daß in Rußland jeßt den englishen Handlungss- reisenden eine Steuer von je 50 Rubeln und den von ihnen ver- tretenen Firmen eine Steuer von je 500 Rubeln auferlegt werde, und gab verschiedene Punkte an, hinsichilih deren bei der Anwendung des Gesezes noh Zweifel beständen. Der britishe Botschafter in St. Petersburg sei angewiesen, Erklärungen zu verlangen; eher könne nicht ent- n werden, ob Vorstellungen berechtigt seien. Maclean ragte an, ob, angesichts der. deutshen Kapitalisten gewährten Konzessionen für Eisenbahnen durch Kleinasien und Meso- potamien nah Bagdad, die Regierung der Pforte notifizieren wolle, daß die britishen Janteressen an dem Handel am persi- schen S es nothwéndig machten, daß eine etwaige Linie von

englishen Kapitälisten anvertraut werde. Der Parlaments- Sekretär des Auswärtigen Brodrick erwiderte, er könne über die Absichten der Regierung keine Erklärung abaeben; aber die Regierung sei völlig der Nothwendigkeit eingedenk, die britischen Interessen am Persishen Golf zu wahren. Hierauf wurde das Dankesvotum an Lord Kitchener mit 321 gegen 20 Stimmen angenommen, ebenso mit überwältigender Mehrheit die übrigen Dankesvoten an die Offiziere und Mannschaften, nachdem mehrere Radikale die an den verwundeten Derwischen verübten Grausamkeiten gemißbilligt hatten.

Frankreich.

“Jn der Deputirtenkammer theilte, wie „W. T. B.“ berichtet, der Präsident Deschanel gestern mit, daß er von dem Präsidenten der italienishen Deputirtenkammer ein Telegramm erhalten habe, in welchem dieser das Bedauern und die Sympathie der Kammer bezüglih der Vorfälle in Auteuil aussprehe. (Anhaltender Beifall.) Der Deputirte Baudry d’Asson=rief: Er erhielt, was er verdiente! (Lebhafte Protest- rufe.) Der Präsident beendete die Verlesung des Telegramms und crÉlärte, daß dasselbe den Archiven werde einverleibt werden. (Lebhafter Beifall.) ‘Der Präsident theilte. ferner mit, daß der Deputirte Lasies den Minister des Aeußern über dessen Aeußerungen, betrcffend die Depesche Panizzardi's, zu inter- pellieren wünshe. Der Minister des Aeußern Delcassé er- klärte, daß die Uebersezung der Depesche Panizzardi's 40 Tage vor dem Prozeß Dreyfus hergestellt worden sei und keinerlei Ver- änderung erfahren habe. Er habe weiter nihts zu sagen. Der Depu- tirte Laftes verlangte eine Diskussion über die Ueberseßung der Depesche. (Die Linke protestierte, der Präsident rief den Redner zur Sache.) Lasies erklärte: „Sie werden mich nicht daran hindern zu sprehen. Der Minister hat sih geäußert, ih habe ebenfalls das Recht zu sprehen“: Der Deputirte Baudry d’Asson rief „Bravo, Lasies!“ Der Präsident Deschanel sagte: „Wenn Sie fortfahren, werde ih die Kammer fragen, ob Sie das Wort erhalten sollen.“ Der Deputirte Lasie s entgegnete: „Jch begreife nicht, weshalb Sie die Freiheit der Tribüne nicht respektieren. Der Minister hat unverständliche Daten geliefert, und es würde der Würde der Kammer entsprechen, die sofortige Erörterung anzuordnen, andernfalls würden Sie darthun, daß Sie die Erörterung fürchten.“ Die Besprehung der Jate1 pellation wurde um einen Monat vertagt. Der Deputirte Lasies bemerkte: „Dies beweist, daß Jhnen die Wahrheit mißfällt.“ (Lärmende Protesirufe.) Lasies wurde zur Ordnung gerufen. Der Deputirte Firmin Faure wünshte über die Verweisung Lasics* vor einen

Üntersuhungsrath zu interpellieren. Der Kriegs-Minister"

Krant redstfertigte unter lebhaftem Beifall der Linken die von ihm angeordnete Maßnahme. Der Deputirte Lasies unterbrach den Minister fortwährend und wurde zur Ordnung gerglen untec Eintragung in das Protokoll, Der Minister rang fügte hinzu, er könne ers nah Beendigung der Untersuchung antworten und fordere Vertagung um einen Monat. Lasies rief, zur Linken gewendet: „Sie sind Fig ngee (Lebhafte Protestrufe.) Die Vertagung um einen Monat wurde hierauf mit 401 gegen 66 Stimmen be- chlossen. Lasies nahm auf die Aufforderung des Präsidenten das Wort „Feiglinge“ zurück. Die Kammer genehmigte \o- dann ohne Diskussion die vom Senat bereits angenommene Vorlage, nah welh:r in kriegsgerichtlihen Voruntersuhungen den Angeschuldigten der Beistand eines Advokaten zu theil werden fol, und trat hierauf in die Berathung des Geseßzes über die Unfallversicherung ein. In Toulon fand gestern der Stapellauf des Panzer- schiffes „Jeanne d’Arc“ statt.

Rußland.

Der General-Adjutant Graf a Schuwalow empfing gestern, eirer Meldung der „Russishen Telegraphen-Agentur“ aus St. Petersburg zufolge, zu seinem 50 juhrigem Offiziers- jubiläum ein Reskript Seiner Majestät des Kaisers, in welchem es u. a. heißt: „Mein unvergeßliher Vater, der Jhre shönen Talente hohschäßte, ernannte Sie zum Bolschafter bei Seiner Majestät dem Deutschen Kaiser und König von Preußen. Jn_ dieser hervorragerden Stellung erwarben Sie die allgemeine Sympathie und trugen viel dazu bei, die auf gegenseitiges Vertrauen gegründete Freundschaft mit der be- nahbarten Großmacht fester zu gestalten.“

.____ Ftalien.

Jn der gestrigen Sißung des Senats gab, dem ,W. T. B.“ zufolge, der Schaß-Minister Boselli bei der Berathung des berihtigten Budgets die Erklärung ab, das Budget wcrde mit eincm Uebershuß von drei Millionen ab- shliezen. Der Minister wies einerseits darauf hin, daß es unumgänglich nothwendige Auegaben gebe, und stellte andererseits jede Absicht, neue Lasten zu schaffen, in Ab- rede, trat für wirklihe fortgeseßte Sparsamkeit ein und betonte, daß sich Symptome eines mwirthschaftlihen Auf- s{chwungs des Landes bemerkbar machten. Jn Bezug auf die

agdad nah Bassora und dem Persishen Golf.

Lage des Staatsschazes hob Boselli die eingetretene Besserung hervor und erklärte, daß die disponiblen Bestände für die Bedürfnisse genügten; es sei also gegenwärtig nicht nöthig, zu neuen Maßnahmen zu reiten. Alles, so fuhr dec Minister fort, lasse glauben, daß der wirtbschaftlihe Aufshwung anhalten werde. _Zwei Ge- fahren könnten die Entwickelung des wirthschaftlihen Lebens beeirträhtigen: Machenschaften der Spekulation und unkluge Sinanzwirthschaft. Wenn wieder ein Defizit eintreten sollte, werde der jeßt anerkannte sichere Kredit wieder vershwinden. Der Kurs der Staaispapiere sei in natürlihem Ausfsteigen be- griffen. Jtalien müsse sich einer ‘ernsten Finanzwirthschaft befleißigen, dics sei das einzig geeignete Mittel, die Schaß- verhältnisse cines großen Staais wieder in Ordnung zu bringen. Das Finanzprogramm. sei kein unternehmendes, sondern ein befestigendes. Boselli bemerkte sodann, er werde der Reform der Steuern ernste Aufmerksamkeit zuwenden, aber unter drei Bedingungen : erstens daß für Konsolidierung des Budgets und des Staatsschaßes ausreichend gesorgt werde, zweitens, daß durch die Reformen kein Nachtheil für den Staaisshag entstehe, auch nicht bei der ersten Einführun derseiben, und drittens, daß die Reformen derart seien, da sie thatsächlich die Schwere der bestehenden Lasten erlcichterten. Boselli betonte, das Kabinet werde allen Eifer darauf ver- wenden, daß die erste Periode seincs Wirkens dazu diene, das Budget zu stärken und den Frieden unter den Steuerzahlern zu sichern; er werde die öffentlichen Dienste nicht außer Acht lasscn, die zur Vertheidigung und Größe des Landes notÿ- wendig seien. Das Budget wurde sodann genehmigt.

Jn der Deputirtenkammer brachte der Schaß-Minister Boselli ein provisorishes Budget für die Zeit bis zum 31. De- zember ein. Der Deputirte Costa beantragte sodann nament- liche Abstimmung über mehrere Urlaubsgesuche von Deputirten, worauf der Präsident Chinaglia sein Bedauern darüber aussprach, daß man die Geschäfte in einer Weise zu behandeln beginne, welche die regelmäßige parlamentarishe Arbeit störe. Die Urlaubsgesuche wurden in namentlicher Abstimmung mit 295 gegen 16 Stimmen genehmigt. Das Haus seßte sodann Politik fort S der Anfragen über Angelegenheiten der inneren

olitik fort.

Jn dem geheimen Konsistorium, welhes auf den 19. d. M. festgeseßt ist, wixd der Papst, wie „W. T. B.“ berihtet, zwölf neue Kardinäle ernennen, námlih den Nuntius in Madrid, die Erzbischöfe von Görz, Toulouse, Turin, Ferrara und Reggio di Calabria, die latei- nischen Patriarhen von ÄAntiohia und von Konstanti- nopel, den Sekretär der Kongregation der Propaganda, den Sekretär der Kongregation der Bischöfe und geistlichen Orden und schließlich den \panishen Kapuziner Llaneras. Dem Nuntius in Madrid und dem Erzbischof von Görz soll der Kardinalehut von Päpstlichen Ablegaten überbracht werden, die übrigen zehn sollen ihn im öffentlichen Konsistorium am 99 d. M. erhalten. Jn beiden Konsistorien werden auch zahlreiche Bischöfe ernannt werden.

2 Schweiz.

Der Nationalrath hat, wie dem „W. T. B.“ aus Bern gemeldet wird,- den Bundesrath eingeladen, zu prüfen, ob nicht dur ein Zusagübereinkommen zu dem Nieder- lassungsvertrag mit Jtalien oder dur eine Revision dieses Vertrags die Ausweispapiere näher vereinbart werden fönnten, welhe zur Ertheilung der Niederlassungsbewilligung a1 die Angehörigen der beiden Vertragsstaaten erforderlich sind.

Niederlande.

Die Kommission der Konferenz, welche mit der Be- rathung der Akte der Brüsseler Konferenz betraut ist, hat, wie „W. T. B.“ aus dem Haag meldet, gestern den Artikel 55 derselben mit folgendem Zusaß angenommen : Die Neu- tralen haben die Befugniß, Kranke und Verwundete ihr Gebiet passieren zu lassen, wenn diese niht auf andere Weise vom Kriegsshauplaß entfernt werden können und unter der Bedin- gung, daß dice Handlungsweise gegen beide Kriegführenden gleihmäßig Anwendung findet; die neutrale Regierung M diese Verwundeten oder Kranken, sobald sie einmal au neutrales Gebiet zugelassen sind, nur dem Lande, dem sie an- gehören, übergeben. Die Sektion derselben Kommission nahm sodann die Berathung über die Frage der militärischen Rechte auf feindlihem Boden wieder auf. Vorläufig wurde nur provisorisch Über die Artikel 3, 4 und 5 ab- gestimmt; die definitive Abstimmung wird erst nach der Beschlußfassung über den gesammten Konventions- vorshlag erfolgen. Bei der provisorishen Abstimmung wurde Artikel 3 aufrechterhalten; Artikel 4 wurde gestrihen; bei Artikel 5 herrshie Stimmengleichheit; dieser Artikel wird demnach in der nächsten Sizung nohmals zur Berathung kommen. Der russische Delegirte Professor Martens begicbt sich nach Paris, um an den daselbst am 15. d. M. beginnenden Arbeiten der Schicds- gerihtskommission über die Grenzstreitigkeiten zwischen Builisch- Guyana und Venezuela theilzunehmen. Nach Beendigung der Arbeiten dieser Kommission wird Professor Martens nach dem Haag zurückehren.

Belgien.

Die internationale Konvention zur Regelung der Einfuhr von Alkohol und des Verkaufs von Spiri- tuosen in Afrika ist, wie „W. T. B.“ meldet, gestern in Brüssel unterzeichnet worden.

Türkei. j Infolge der jüngst getroffenen Vereinbarungen bezüglich der Bezahlung der russischen Kriegsentshädigung sind, wie dem „W. T. B.“ aus Konstantinopel berichtet wird, sechs türfishe Beamte zu Finanz-Jnspektoren der Vilajets Konia, Brussa, Aidin, Adana, Sivas, Angora und;Kastamnai ernannt worden.

Rumänien.

® Nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Bukarest

wurden bei den gestrigen Wahlen zur Deputirtenkammer

im ersten Wahlkollegium, soweit die Resultate'bis jeßt bekannt

sind, 41 Konservative, 3 Junimisten und ein Liberaler gewählt.

Eine Stichwahl ist nöthig geworden. Cantacuzino wurde

in drei Distrikten gewählt. Es herrschte überall völlige Ruhe. Asien,

Aus Peking meldet das „Reuter’she Bureau“, daß die Franzosen in sechs Bezirken von Sztshwan, insbesondere in Huanhsien, Chienweihsien und Tukaesiatu, Minenkonzessionen erhalten hätten. Der britishe Geschäftsträger beabsichtige dem | Vernehmen nach, Protest einzulegen.

Afrika.

Das „Reuter'she Bureau“ verbreitet folgende Depesche aus Matjesfontein (Kapkolonie) vom gestrigen Tage:

Die Konferenz in Bloemfontein ift ergebnißlos verlaufen. Den hauptsählihsten Berathungsgegenstand bildete die Bürgerrechts- frage. Der Gouverneur Sir Alfred Milner {lug vor, alle Aus- länder follten nah fünfjährigem Aufenthalt in Transvaal nah bloßer Ablegung des Bürgzreides das volle Bürger- reht erhalien, und dicse Bestimmung solle rücklwirkende Kraft baben; ferner {lug Sir Alfred Milner vor, daß dem Rand-Gebiet einige weitere Sitze in der Volksvertretung zugestanden werden sollten. Der Präsident Krüger machte Gegenvorfchläge, welche ¡war liberaler waren, als alle bizher von ibm unterbreiteten, aber doh nicht im stande waren, Sir Alfred Milner zu befriedigen. Auf das Drängen des leßteren bot dann Präsident Krüger dret weitere Parlamentssiße für das Goldfelder-Gebiet an. Bei der Besprebung des abgeänderten Krüger'shen Reformplans machte Sir Alfred Milner den Präsidenten auf die Unzulänglichkeit seiner lezten Vor- shläce aufmerksam. Er sagte, er sei zu der Konfereni in der Reaung gekommen, daß er seiner Regierung werde mittheilen können,

rüger sei bereit, den Ausländern eine liberale Abhilfsmaßnahme zu- zugestehen, welche es denselben ermöglihen werde, sih selbst zu helfen und die britishe Regierung von der Pflicht des Einschreitens zur Abstellung privater Beschwerden zu befreien. Seiner Ansicht nah erfüllten die Vorschläge Krüger?s diese Bevingungen nicht. Die Lage set daher unverändert. Während des ganzen Verlaufs der Be- rathungen suhte Präsident Krüger die Vorschläge - bezüglich des Bürgerrechts als Mittel zu gebrauchen, um das Versprechen zu erlangen, die nah Maßgabe der Londoner Konvention entstandenen Streitig- keiten durch [chiedsgeritlihe Entscheidung zu regeln. Sir Alfred Milner lehnte es ab, die zwei Gegenstände als von einander avbängig zu behandeln. Die innere Reform in Transvaal sei in jedem Fall nöthig, um die Unabhängigkeit der Republik zu bewahren. Was die Sciedsgerihttfrage betreffe, so beständen gewisse Fragen, bei welchen eine hizdsrihterlihe Enticheidung nicht zugestanden werden könne; bei anderen fônne sie möglicherweise zugestanden werden, vorausgeseßt, daß cin passender Schiedegeriht8bhof in Anregung gebraht werde, der niht die Heranzizhung einer fremden Macht involviere ; letzteres werde die britishe Regierung nie zugeben. Sir Alfred Milner verlangte, daß alle naturalisierten Ausländer, welhe fünf Jahrr im Lande ge- wohnt hätten, das Wablreht erhalten follten und daß diese Be- stimmung rückwirkenbe Kraft habe, daß ferner der neu hinzuge- kommenen Bevölkerung eine angemessene Zabl von Sizten in der

1 Volksvertretung zuaestanden werde. Krüger's Vorshläge waren

in der Hauptsahe folgenten Inhalts: 1) Die Ausländer, welhe im Lande {hon vor dem Jahre 1899 gewohnt baben, sollen naturalisiert werden und das Waßlreht nach Berlauf von zwei Jahren erhalten. 2) Die große Masse der übrigen Ausländer foll au in zwei ‘Jahren naturalisiert werden und das Wakblrecht fünf Jahre sväter, also in fieben Jahren, von heute an gerechnet, erhalten. Während des Zeitraums, der sich von dem Augenblick der Natuüralisierung bis zur Erlangung des Wakhlrechts erstreckt, würden die Ausländer ihre eßige Nationalität aufzugeben haben und keine BürgerreWßte in Transvaal besigen. Krüger machte sein Anerbieten auch von gewissen Bedingungen - ab- bânaig bezüglih der materiellen Lage der Ausländer und des Nachweises von Bürgerrehten in den Ländern, von welchen die Ausländer gekommen seien. Es sei dagegen noch nit flar- gestellt, ob man auf der weiteren Bedingung bestehen werde, daß die Zweidrittel- Majorität der Bürger zur Bestätigung des erlangten Wablrechts erforderlih sei. Krüger gab seine Einwilligung dazu, daß die Vertretung der Minendistrikte um drei Mitglieder vermehrt werde, sodaß diese Distrikte in der Volksvertretung von 31 Sigen fünf er- halten würden. Nach diesen Vorshlägen würde für die nächsten zwei Jahre keinerlei Aenderung in der jeßigen Sachlage eintreten und dann au nur für eine kleine Minorität von Ausländern, die 11 Jahre in Transvaal gewohnt hätten.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Berichte über die gestrigen Sißungen des Rei chs- tages und des Hauses der Abgeordneten befinden fich in der Ersten Beilage.

Jn der heutigen (89.) Sißung des Reichstages, welher der Staatssekretär des Jnnern, Staats-Minister Dr. Graf von Posadowsky beiwohnte, wurde die zweite Be- rathung des Entwurfs eines Jnvalidenversicherungs- gese ßes fortgeseßt.

Zum S 143 liegen ein Antrag des Abg. von Salisch (d. kons.) und ein sozialdemofkratischer Antrag vor, eine Strafe für diejenigen Arbeitgeber einzuführen, welche aus- ländische Arbeiter beschäftigen, ohne für dieselben die Hälfte der Beiträge zu entrichten.

“Aba. von Salisch empfiehlt die Annahme feines Antrages, weil derielbe seiner Fassung nah auch die Nichtbeahtung der über diese Frage zu erlassenden Auéführungsöbestimmuügen mitumfassen würde.

Abg. Haase (Soz.) erklärt das Einverständniß seiner Freunde mit diesem Antrag und zicht den sozialdemokcatishen Antrag zurü.

8 143 wird mit dem Antrage des Abg. von Salish an- genommen.

Zu 147 hat der Abg. Freiherr von Richthofen- Damsdorf (d. kons.) beantragt, die von der Kommission ge- strihenen Bestimmungen der Regierungsvorlage wiederaufzu- nehmen, wonach Verträge zulässig sein sollen, die den Arbeitern die Verpflichtung auferlegen, die Beiträge selbst zu entrichten.

Der Antrag wird abgelehnt und § 147 nah den Be- {hlüssen der Kommission angenommen.

Jm übrigen gelangt der Rest des Gesehes ohne Debatte

nah den Beschlüssen der Kommission zur Annahme. (Schluß des Blattes.)

Jn der heutigen (73.) Sißung des Hauses der Abgeordneten, welher der Vize-Präsident des Staats- Ministeriums, Finanz-Minister Dr. von Miquel untd der Minister des Jnnern Freiherr von der. Necke beiwohnten, elangte der Gesehentwurf, betreffend die Bildung der M ählerabtheilungen bei’ den Gemeindewahlen, zur ersten Berathung.

ur Einleitung der Debatte nahm zunächst der Minister des Jnnern Freiherr von der Necke das Wort. Alsdann sprahen bis zum Schluß des Blattes. noch die Abgg. Dr. von Heydebrand und der Lasa (kons.), Hero ld (Zentr.) und Dr. Sattler (nl.).

Bei der gestern im 1. Hannoverschen N

(Emden, Norden, Leer, Wehner) vorgenommenen Ersaßwahl zum Reichstage wurde, wie der „Hann. Cour.“ meldet, Graf Edzard zu Jnn- und Knyphausen (kons.) mit 8302 Stimmen gewählt. Auf Agena (nl.) fielen 7202 Stimmen.

Der Ober-Bürgermeister von Elberfeld, Geheime Regie- rungs-Rath Jaeger, Mitglied des Herrenhauses, ist gestern gestorben.

Nr. 23 des „Centralblatts für das Deutsche Reich“, berausgegeben im Reichsamt des Innern, vom 6. Juni, enthält Aenderungen der deutschen Wehrordnung.

Nr, 23 des „Eij2nbahn-Verordnungsblatts", heraus- gea im Ministerium der öffentlihen Arbeiten, vom 95. Juni, at folgenden Jnhalt: Bekanntmachung des Reichékanzlers, betreffend die dem internationalen Uebereinkommen über den Eisenbahnfrahtverkehr beigefügte Liste, vom 13. Mai 1899. Erlasse des Ministers der öffentlihen Arbeiten: vom 19. Mai 1899, betreffend Ergänzung der Geschäftsanweisung für die Rehnungs-Direktoren; vom 20. Mai 1899, betreffend Beschleunigung des Enteignungsverfahrens; vom 21. Mai 1899, betreffend NReiseentshädigungen der Vertreter von Inspettions- vorständen u. |. w.; bom 22. Mai 1899, betreffend Erläuterung des Begriffs „Ort“ für die Berehnung der Reise und Umzugskosten der preußishen Staatsbeamten; vom 29. Mai 1899, betreffend Unter- haltung von Fenstermarkisen und Jalousien an Dienstwohnungen ; vom 30. Mai 1899, betreffend formlofe Prüfung zum Bahnsteiz- scchafner. Nat§richten.

Kunst und Wissenschaft.

In der Sitzung der pbysikalisch-mathematischen Klaf?e der Akademie der Wisjsenshaften vom 1. Juni las Herr Frobenius über „die Darstellung der endlihen Gruppen durch lineare Substitutionen“ (zweiter! Theil). Jedem der Charaktere einer endlichen Gruppe entspricht, wie in der Abhandlung dargelegt wird, eine und nur eine primitive Darstellung der Gruppe durch lineare Sub- stii utionen. Zur Berechnung ihrer Koeffi,zienten genügt die Kenntniß einer einzigen Lösung eines béstimmten Systems linearer und quadratisher Gleihungen. Aus den primitiven Dar- stellungen der Gruppe läßt sich jede ihrer Darstellungen zusammen- segen, und zwar nur auf eine Weise. Herr von Bezold überreichte die neucsten Veröffentlihung-n des Königlicher Meteorologischen Instituts: Ergebnifse der Beobachtungen an den Stationen I[. und Ill. ODrd- nung im Jahre 1894, Berlin 1898 ; Ergebnisse der Meteorologis{@en Beobachtungen in Potèdam im Jahre 1897, Berlin 1899; Bericht über die Internaiionale Méteorologische- Konferenz in Paris 1898, Berlin 1899; Negeukarte der Provinz Schlesien, bearbeite: von G. Hellmann, Berlin 1899.

In der Sigung der philosophisch-historischen Klasse der Akademie von demselben Tage (vorsißender Sekretar: Herr Diels) las Herr Brunner über „die Vergabungsfreiheit im westgotbishen, burgundishen und salfränkishen Rechte.“ Seine Ausführungen lauteten dahin: Im westgothishen Rechte sei das Wartrecht der Descendenten niht erf durch Chindasvind geschaffen, sondern nur wieder hergestellt worden, nahdem Eurich die unbeschränkte Verfügunfsfreiheit eingeführt hatte und diese bereits von Leovigild der Frau übér Gaben des Mannes extra dotem beschränkt worden war. Auch nah burgundis{em und fal-

fränkishem Rethte habe ter Vater nur über enen Freitheil durch - V

Vergabungen verfügen können.

Trotz der vorgerückten Jahreszeit war die Juni- Sißung der Archäologishen Gesellichaft ungewöhnlich stark besuht. Auf der Tagesordnung ftand ein Vortrag des Herrn Wiegand, der über die von den hiesigen Königlichen Museen unternommenen und unter seiner Leitung ju einem gedeihlihen Abschluß gebrachten Aus- grabungen in Priene Bericht erstattete. An der Hand treff- liher Projektionsbilder gab der Redner einen Ueberblick über die Gesammtanlage der Stadt, ihr Straßenneg und ihre wichtigsten Bauten und ging dann des näheren auf die Ge- staltung des hellenistishen Wohnhauses ein, das in Priene, wie die ausgestellten Grundrifse zeigten, an zabhlreihen typishen Bei- spielen studiert werden kann. In überzeugender Weise wies der Vor- tragende nah, daß in dem Hauptraum des hellenistishen Hauses, dem großen quadratishen Dekus mit seinem Altar und feiner Vor- halle, dietelbe Plandisposition vorliege, mit der wir aus dem Megaron myfkenischer Palastanlagen vertraut sind. Borher hatte Herr Winter, dur zablreihe Abbildungen unterstützt, über die Silbershäge von Boë:co Reale und Hildesheim gesprohen und in einer anziehenden Parallele die Uebereinstimmungen und® Verschiedenheiten beider dar- gelegt. Die Vergleihung fällt zu Gunsten des Hildesheimer Schatzes aus, der dur die Eleganz und Vornehmheit vieler seiner Stücke dem von Bosco Reale überlegen ift.

Theater und Musik.

Theater des Westens,

Auch die zweite Aufführung des Opernensembles unter der Leitung des Herrn Heinrich galt einem Meisterwerke Mozart?s, und zwar ging „Figaro's Hochzeit“ mit dem Köaiglich bayerischen Hofopern- sänger Herrn Theodor Bertram in der Rolle des Grafen als Gast in Scene. Der Verlauf des ersten Aufzugs, in welhem nicht alles ganz nah Wunsch gelang, ließ vermuthen, daß auf die Proben zu dieser Oper nicht soviel Zeit und Sorgfalt hatte verwendet werden können, wie zu der fo glänzend gelungenen Eröffnungsvor- stellung. In den na(folgenden drei Akten wuchs indeß das Vertrauen der Mitwirkenden zu ihren Aufgaben, sodaß man auch hiec nit umhin konnte, die trefflichen Eigenschaften der darstellenden Sänger, die Regie- kunst des Herrn Shertel und die musitalishe Sicherheit und Fein- fübligkeit des Kapellmeisters Grimm anzuerkennea. Um zunäwst mit dem Gaste zu beginnen, so {ft seine kü-stlerisch vornehme Art zu singen und zu spielen von seinem ehemaligen Auftreten an derielben Stätte ber bereits bekannt. Seine fstattlihe Er- scheinung ließ ihn für die Verkörperung des Grafen be- sonders geeignet „ersheinen, und auch stimmlich war er gestern vorzüglih dióponiert. Gleiches Lob darf man Fräulein Rüfche ‘als Gräfin spenden, welche das günstige Urtheil, das man über ihre Wiedergabe der Pamina fällen konnte, nur bestätigte. Zur Dar- tellung des beweglihen Figaro ist die Wuchtigkeit der Stimme sowohl wie die Erscheinung des Herrn Blaß nicht sonderlich geeignet ; er entledigte fich indessen seiner Aufgabe rechi befriedigend. Cigein RÎita Neemann (Susanna) schien im ersten Aft unter einer Befangenheit zu leiden, die abec im Laufe des Abends wih; sie bewährte fih gefanglich namentli in dem Brief- duett des dritten und ganz besonders in der s{chwierigen Arie des gan Aktes. De lia i verdient ferner Fräulein Schoene (Bärbchen) für ihre völlig einwandfreie Wiedergabe der Kavatine „Unglüdsel’ge kleine Nadel“. Auth die Leistungen der Damen Otty (Cherubin), Bergmann (Marzelline), der Herren Lieder (Basilio), Nadow (Bartolo) seien mit Anerkenuung genannt.

Im Königlichen Opernhause geht morgen F. von Flotow?’s Oper „Martha“ in Scene. In der Titelrolle gastiert Fräulein Frißi Scheff vom Hof - Theater in München auf Engagement, die Nancy singt Fräulein Rothauser, den Lord Tristan Micklefort Herr Knüpfer, den Lyonel Herr Carl Burrian vom Stadt-Theater in Hamburg als Gast, den Plumket Herr Mödlinger.

Im Königlihen Schauspielhause geht morgen zum ersten Male „Auf Strafurlaub“, Lustspiel von Gustav voa

P E E E 224

R Ea S R E E e L M L EAEHE Ie