1899 / 136 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 12 Jun 1899 18:00:01 GMT) scan diff

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eladen. Nachmittags besuchten Jhre Majeftät die Kunst-

usstellung und kehrten später nah dem Neuen Palais zurü.

Heute Morgen besichtigten Jhre Majestät die Ausstellung

{fe Krankenpflege in der Philharmonie und statteten hierauf em Zufluchtshause Sichar bei Plögensee einen Besuch ab.

Der Bundesrath ver)ammelte sh Heute zu einer Plenarsizung. Vorher beriethen die vereinigten Ausschüsse für Justizwesen und für Handel uüd Verkehr.

Nah der im Reichs -Eisenbahnamt aufgestellten Nas weisung der auf deutschen Eisenbahnen ausscließ- lich Bayerns im Monat April d. J. vorgekommenen Betriebsunfälle waren zu verzeichnen :

Entgleisungen auf freier Bahn . 6 (davon 1 bei Personenzügen) in Stationen . (davon 4 bei E Zusammenstöße auf freier Bahn . 2 (davon 1 bei Personenzügen) in Stationen . . 10 (davon 2 bei Personenzügen) sonstige Vorkommnisse . ._…. . 121 zusammen 152

Die Betriebslänge betrug 41 055 km, an Zugkilometern wurden geleistet 30 750 372, sodaß je ein Unfall auf 270 km Betriebslänge oder auf 202305 Zugkilometer entfällt.

ver-

Vei den Unfällen wurden: t leßt MNeiletidess 1a lls Zu dun ASdenS 9 Bahnbeamte und Bahnarbeiter im Dienst . .} 283 66 Post-, Steuers-, Telegraphen-, Polizei-Beamte 2c. M E 2 srerzde Personen, cinschließlich der niht im Dienst befindlihen Beamten und Arbeiter, aver ausschließlich der Selbstmörder

zusammen

Der bei der Königlichen Ansiedelungskommission zu Posen beschäftigte Regierungs - Assessor Dr. Hugenberg ist dem Königlichen Ober-Präfidium in Caffel zur weiteren dienstlichen Verwendung überwiesen worden.

Der Regierungs-Afessor Dr. jur. Henneberg ist bis auf weiteres dem Landrath des Kreiscs Wehlau, Regierungsbezirk Königsberg, zur Hilfeleistung in den landräthlichen Geschäften zugetheilt worden,

Bayern.

Der Landtag ist vorgestern Mittag in feierliher Weise durch Seine Königlihe Hoheit den Prinz-Regenten ge- {lossen worden. Nachdem Höchstderselbe vor dem Throne Aufstellung genommen hatte, verlas der Ministerial-Kommissar, Ober-Regierungsrath Kraßen stein den Landtags-Abschied. Jn demselben wird der wichtigen Reformen gedacht, welche in der abgelaufenen Legislatur-Periode auf den verschiedenen Gebieten durchgeführt worden sind, insbesondere auch der großen Arbeiten, die mit der Einführung des Bürgerlichen Geseßbuches zusammenhängen. Der Abschied berührt ferner die günsiige Finanzlage, die Erweiterung des Eisenbahn- nezes, die Förderung der landwirthschaftlihen Jnteressen und die Hebung der Jundustrie sowie die Bewilligung nam- hafter Mittel zur Pflege der Kunst u. a. Der Landtags-Ab- schied spricht sich schließlich dahin aus, daß es ein wohlthuendcs Gefühl sei, dur fortdauerndes Zurücktreten der Parteigegen- säße jenen inneren Fricden gestärkt und garantiert zu sehen, welcher die Vorbedingung zu einer ersprießlichen Entwickelung der Verhältnisse des Landes bilde. Nach Verlesung des Ab- chieds sprach Seine Königliche Hoheit der Prinz-Negent mit lauter Stimme:

„Ih erkläre die Sißung der zum gegenwärtigen Landtag ver- sammelten Mitglieder der Kammer der Neichsrätke und der Kammer der Abgeordneten im Namen Seiner Majestät des Königs für ge:

\ch{lofsen.“

Der Erste Präsident der Kammer der Reichsräthe Graf von Lerchenfeld brachte darauf cin Hoh auf den Prinz- Regenten aus, in welches die Mitglieder der beiden Kammern und die übrige Versammlung begeistert einstimmten. Der Prinz-Regent dankte huldvoll, stieg sodann die Stufen des Podiums herab, \sprach noch mit einigen Herren und verließ hierauf den Saal.

Die Urwahlen zum Landtag sind auf den 10. Juli und die Abgeordnetenwahlen auf den 17. Juli anberaumt worden.

Heffen,

__ Seine Königliche Hoheit der Großherzog ist_niht, wie anfangs angenommen wurde, an den Masern, fondern an Varioloiden erkrankt. Nach dem gestern von der „Darmstädter Zeitung“ veröffentlihten Bulletin nimmt die Krankheit einen normalen Verlauf, das Allgemeinbefinden is gegenwärtig befriedigend.

Oesterreich-Ungarn,

Die vorgestrige Konferenz der österreihishen und ungarischen Minister hat zu einem vollen Einver- ftändniß in der Ausgleihsfrage geführt. Der ungarische Minister - Präsident von Szell, welher am Sonnabend von dem Kaiser empfangen wurde, theilte Allerhöchstdemselbe: die Thatsache mit, daß ein Kompromiß zu ftande gekommen sei. [le in den Blättern über den Anhalt desselben erschienenen Angaben sind jedo, dem „W. T. B.“ zufolge, unzutreffend. Authentisches is nicht vor den Mittheilungen zu erwarten, welche der Vinister-Präsident pon Szell im ungarischen Unterhause machen wird.

Großbritaunieu und JFrland, Vorgestern ist eine Kompagnie Pioniere von Southampton nach Natal abgegangen.

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j Frankreich.

Auf den Zufahrtsstraßen zum Bois de Boulogue, in diesem selbst und in Longhamps waren, wie „W. T. B.“ meldet, bereits gestern Mittag alle Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Ordnung getroffen worden. An der Caseade, am Ein- gang zum Rennplagß, hatten sich viele Sozialisten angesammelt, wei: an der rothen Rose im Knopfloch kenntlich waren. Die Wagen der Minister wurden mit Beifallsrufen begrüßt; beim Passieren der übrigen Equipagen wurden Rufe gegen die Geistlich- feit laut. Beim Beginn der Rennen versammelten sich die Minister und die Mitglieder des diplomatishen Korps nah und nah auf der Präsidententribüne. Auf dem Wiegeplag bemerkte man eine große Zahl von Mitgliedern aller Parteien des Parlaments und der Gemeindeverwaltung von Paris. Der Präsident Loubet wurde auf dem Wege vom Es nah Longhamps von der dicht gedrängt stehenden enschen- menge mit den sich immer wiederholenden Rufen

„Es lebe Loubet!“, „Es lebe die Republik!“ bes

grüßt. An der Cascade, wo die Menge am dichtesten war, wurden Loubet begeisterte Ovationen bereitet. Als der Prä- sident auf der Tribüne erschien, ertönte es aus der ungeheuren Menschenmenge wie ein einziger Ruf „Es lebe Loubet!“, „Es lebe die Nepublik!“; nur ganz vereinzelt wurden einige Rufe „Es lebe die Armee!“ laut. Als der Präsident Longchamps verließ, ertönten überall auf dem Rennplaß Hochrufe auf Loubet, die Nepub!ikf, auf Zola und Picquart; die Menge shwenkte Hüte und Taschentücher und bereitete dem Präsidenten eine groß- artige Ovation. Als die Menge des Wagens des Ministers des Aeußern Delcassé ansichtig wurde, brach sie in die Rufe aus: „Nieder mit Rochefort!“ „Es lebe Delcassé!“ „Es lebe

: die Republik!“ „Nieder mit Déroulède!“ Auch den übrigen

Ministern, besonders dem Kriegs-Minister Kranßÿ, wurden ähnliche Ovationen bereitet. Dem Präsidenten Loubet wurde die wärmste Ovation vor der Cascade zu theil, wo die Menge die von Polizisten gebildete Sicherheitskette durch- brach und unter Hochrufen auf Loubet, die Republik und auf Picquart den Wagen des Präsidenten umringte. Auf dem Rennplagz selbst kamen nur einige persönliche Streitigkeiten vor. Kurz vor ö Uhr traf der Präsident wieder im Elysóe ein, nahdem er auch auf dem ganzen Rückwege fort- während mit den Rufen „Es lebe Loubet!“, „Es lebe die Republik!“ begrüßt worden war. Bald nach 5 Uhr fam es vor dcm Pavillon Armenonville zu einem lärmenden Zusammenstoß. Jn dem dicht beseßten Eta- blissement machte einer der Gäste mißfällige Be- merkungen über den Präsidenten Loubet; andere Gäste nahmen für oder gegen ihn Partei, und es fielen be- leidigende Worte, welhe bald in Thätlichkeiten ausarteten. In demselben Augenblick begann eine große Volksmenge E auf die Republik und Schmährufe auf die Geistlichkeit auszustoßen, und s kam zu einem regelrehten Angriff auf den Pavillon. Mehrere Tausend enschen rotteten sch zusammen und zertrümmerten die Scheiben,

während im Jnnern der Kampf seinen Fortgang nahm. -

Mehrere Personen, darunter ein D E: wurden ver- wundet. Schließlih flüchteten die Gäste, und das Lokal wurde geschlossen.

Um 6 Uhr zog ein Trupp von mehreren Tausend Personen über die Champs Elysées zum Elysée und brachte Hochrufe auf Loubet und die Republik aus. Bald darauf hatte der dortige Stadttheil sein gewohntcs Aussehen wicdergewonnen. Um 7 Uhr wurde eine große Menge, die vor dem „Jutransigeant“ cine Kundgkbung veranjtaltete, von der Polizci zurückgedrängt; es kam zu einem Zusammenstoß, bei welhem mehrere Journalisten, die übel zugerihtet waren, verhaftet und bis auf weiteres auf der Polizeiwache behalten wurden. Auch vor der „Libre Parole“ wurde eine Kunds gebung veranstaltct. Dort wurden gleichfalls mehrere Personen verhaftet. Bei den darauf folgenden Zusammenstößen erlitten mehrere Personen Verlezungen. Die Polizei-Präfektur giebt an, daß im Laufe des Tages etwa 30 Personen verhaftet und etwa 10 Polizisten verwundet worden seien.

In Poitiers wurde gestern der Acerbau - Minister Viger bei seiner Ankunft daseibst von vielen Seiten mit den Rufen: „Es lebe Loubet!“, „Es lebe die Republik !“ begrüßt. Eine Anzahl dem „Cercle catholique“ angehörender Personen machte cine Gegenkundgebung. Zwölf von ihnen wurden verhaftet.

tach ciner Meldung aus Nizza wurden dort am Sonn- abend Abend zwei Jäger-Offiziere verhaßtet, welche beim Zapfenstreih eine Kundgebung des Publikums für die Revision des Dreyfus-Prozesses mit den Rufen: „Es lebe das Heer, nieder mit den Verräthern!“ beantwortet hatten. Man brachte die Verhafteten zu dem Polizeiposten und sodann in ihre Kajerne, wo sie interniert wurden.

Das „New York Journal“ meldet aus Cayenne, daß der Kreuzer „Sfax“ mit Dreyfus an Bord am Freitag von dort dirett nah Brest abgegangen sei.

K Rußland. Der persishe Minister des Auswärtigen Muschir-ed- Daulceh ist, wie dem „W. T. B.“ gemeldet wird, in St. Petersburg eingetroffen.

: Ftalien.

Der König hat, wie „W. T. B.“ meldet, geflern Dekrete unterzeichnet, durch welhe Strafen für Vergehen gegen die E gerne und gegen die öffentlihe Sicherheit sowie Strafen ür Desertionen aus der Handelsmarine erlassen werden. Auch für Personen, welche fih der Wehrpflicht in der Armee oder der Marine entzogen haben, ist cin Amnestie-Erlaß ergangen, der die Zahresklassen 1859 bis 1878 umfaßt.

Die Deputirtenkammer sehte vorgestern die Be- rathung der innerpolitishen Maßnahmen fort. Der Deputirte Colajanni (Sozialist) hielt eine Rede zum Zwecke der Obftruktion; darauf ergriff der Deputirte Morgari (Sozialist) das Wort und sagte, er habe den Vorsag, bis 1/77 Uhr zu reden. “Der Präsident S Ra erhob gegen dieses un- gehörige Benehmen Einspruh. Morgari fuhr fort, er sehe niht die Nothwendigkeit eines Gejeßzes ein, das gegen das Versammlungsreht gerichtet sei, da die Polizei unzählige Vorwände finde, um Vezsammlungen der extremen Parteien zu verbieten. Redner verlas Zeitungsartikel über verbotene Versammlungen. Der Präsident Chinaglia rügte dies und forderte den Redner auf, niht von dem vorliegenden Gegenstande Ee ES sondern seine Anträge zu Artikel T zu erläutern. or gari erwiderte, er glaube, das Recht zu haben, Zeitungsartikel zu verlesen, welhe Thatsachen enthielten, die mit dem Gegenstande der Erörterung in Zusammenhang ständen. Der Präsident Chinaglia erklärte nunmehr, er

‘auf die Jnstruktionen anzuwenden, die den

rverde“ diese Art, die: Erörterung fortzuseßen, nicht länger dulden ‘und: hebe daher die Sißung auf. Die Sißung wurde hierauf geschlossen. |

Spauieu.

_Die Deputirtenkammer berieth, wie „W. T. B.“ berihtet, vorgestern über die Wahl Morayta's. Mehrere Redner verlangten die Ungültigkeitserklärung derselben, weil die Freimaurerei auf den Philippinen von Morayta organisiert worden sei, was den Aufstand auf denselben zur Folge gehabt habe. Der Minister - Präsident * Silvela erklärte auf

. eine Anfrage, er wolle sih enthalten, seine Ansicht zu äußern.

Die Kammer verlangte namentilihe Abstimmung. Hierbei stimmten 50 für und 15 war die Gültigkeit der Wahl. Heute wird der Minister-Pr sident im Senat die Vorlage, betreffend die Abtretung der Marianen-, Carolinen- und Palau- Inseln an Deutschland, einbringen.

Portugal.

Bei der Berathung des Gesezentwurfs, betreffend die Reorganisation des Heeres, in der Pairskammer verließ die konservative Minorität unter Führung von Hinze Ribeiro den Saal. Der Gesezentwurf wurde alsdann angenommen.

Jtiederlanude.

Aus dem Haag berichtet das „Reutershe Bureau“, daß die Sektion der Konferenz, welche sih mit der Brüsseler Konferenz-Akte von 1874 zu beschäftigen hat, am Sonn- abend zu einer Sißung zusammengetreten Hs Artikel 2 sei in neuer Redaktion, Artikel 3 und 5 in der bisherigen Fassung angenommen und Artikel 4 gestrihen worden. Der britische Delegirte Sir Joh n Ardagh erklärte, Großbritannien könne sich durh Unterzeichnung eines aus der Brüsseler Kapferens von 1874 hergeleiteten Abkoinmens nicht binden, aber es behalte sih vor, sich nach den Abmachungen P ar S und nah den Arbeiten der gegenwärtigen Konferenz bei den allgemeinen Instruktionen zu richten, die es scinen Heeren im Falle eines Feldzuges ertheilen würde. Der Präsident der Sektion, Pro- fessor von Martens erwiderte, Rußland begehre nicht, daß die Mächte ein auf Grund der Brüsseler Konferenz-Akte aufgestelltes Abkommen unterzeichneten ; es wünsche eldor daß die Mächte ih verpflichteten, die gegenwärtig festgestellten Abmachungen Truppen beim An in den Feldzug ertheilt würden. Sir John Ardagh bemerkte hierauf, er habe in seiner Erklärung nur Ine persönliche Ansicht U Spra und werde über diesen o wichtigen Punkt seine Regierung alsbald befragen. Vorgestern S bei dem Präsidenten, Botschafter von Staal auf A es Botschafters Grafen zu Münster eine Versammlung der Hauptdelegirten statt, um die Frage wegen der Mittheilungen an die Presse zu regeln. Eine Entscheidung wurde nicht getroffen, da die Versammluug nicht vollzähli wac. Heute sollen die Berathungen hierüber wieder Quse genommen und alsdann festgestellt werden, welche Mittheilungen den Berichterstaitern der Zeitungen zugänglih gemacht werden

könnten. Türkei.

Nach einer Meldung des Wiener „Telegr. - Korrcsp.- Bureaus“ aus Konstantinopel vom 10. d. M. sind zur Vertheidigung der Küste von Tripolis verschiedene Maße nahmen getroffen worden. Jnsbesondere sollen die wichtigsten Punkte vertheidigungsfähig gegen Angriffe von der See- seite gemacht werden, zu wée Zwecke Festungsgeschüge und andere Krieagstaterialien sowie Festungs - Artillerie- Truppen von Konstantinopel dorthin entsandt werden sollen. Ucber den Antrag des Vali und des Militär-Kommandanten von Tripolis auf Verstärkung der dortigen Division und über die analogen Anträge, welhe von verschiedenen maßgebenden Faktoren in Konstantinopel gemacht und in lezter Zeii be- rathen wurden, ist bisher keine definitive Entschließung erfolgt.

Griechenland.

Bei den Ersazwahlen zur Kammer wurde, dem „W. T. B.“ zufolge, der ehemalige Minister des Aeußern Skuzes gewählt, während dezr General Smolenski unterlag.

Schweden uud Norwegen.

Nach einer dem „W. T. B.“ zugegangenen Meldung aus Christiania ist dajelbst gestern der frühere norwegische Minister Bischof S verdru p gestorben.

Asien,

Die „Times“ meldet aus Peking von gestern, die dortige britishe Gesandtschaft habe am Sonnabend bei der cinesishen Regierung die Forderung gestellt, den Gouverneur von Kwei-tshou feines Postens zu entheben. Die Ange- legenheit hänge mit der Ermordung des Missionars Fleming in der genannten Provirz zusammen.

Nach einer Meldung desselben Blattes aus Shanghai von gestern hat der Vize-König von Nanking ohne vorherige Ankündigung die Reisausfuhr aus der Provinz untersagt. Der wirkliche Grund zu diesem Vorgehen soll der Wunsch sein, den Markt im Jnteresse der Provinzialbehörden zu kon- trolieren. Ein Gesuch des britishen Konsuls in Shanghai, eine geringe Quantität Reis an die britishe Garnison in Wei-Hai- IPei Fanden zu dürfen, wurde zunächst Gean später aber

enchmigt, als der russishe Konsul für Port Arthur ähnliche Bugeständnisse verlangte.

Afrika.

Die „Agenzia Stefani“ meldet aus Aden: Türkische Küstenwach!schiffe hätten im Rothen Meer Barken, die unter italienischer Flagge fegelten, in Beschlag genommen. Daraufhin sei das italienishe Schiff „Volturno“ eigens von Massowah nah Mokka gekommen. Der Gouverneur von Mokka habe von ¿e Regierung den Befehl - erhalten, dem „Volturno“ die Barken auszuliefern.

Wie die „Agence Havas“ aus Pretoria meldet, machen dort eingetroffene Nachrichten aus Kapstadt es wahrscheinlich, daß. das Ministerium der Kapkolonie, unterstügt von Jean Hofmeyr und der Liga der Afrikander, sih in einem dem Frieden günstigen Sinne aussprechen werde.

Aus Bloemfontein wird dem „NReuter'shen Bureau“ vom 9. d. M. gemeldet, daß man in amtlichen Kreisen zu wissen graue, der Präsident Krüger habe bei dem Volksraad die

bshaffung des Dynamit-Monopols in Vorschag gebracht und der Dranse-Freistaat werde seinen Einfluß in Pretoria für die Erlangung von Reformen geltend machen. Í

%n Johannesburg fand am Sonnabend Abend cine von etwa 5000 U itlanders besuchte Versammlung statt, in welcher die Vorschläge des Präsidenten Krüger als ganz Un?

reichend bezeihnet wurden. Dem Gouverneur der Kap- folonie Sir Alfred Milner sprah die Versammlung ihren Dank für seine Bemühungen aus, die Lage der Uitlanders zu sichern. Das Meeting verlief in vollkommener Ruhe.

Parlamentarische Nachrichten.

Jn der heutigen (90.) Sißung des Reichs1ages, welcher der Staaissekretär des Jnnern, Staais-Minister Dr. Graf von Posadowsky, der Kriegs-Minister, Generalleutnant von Goßler, der Staatssekretär des Auswärtigen Amis, Staatse Minisier von Bülow , der Staatsfekretär des Reichs-Justizamts Dr. Nieberding, der Staatssekretär des Reichs-Postamts von Podbielski und der Staatssekretär des Reichs-Schaß- amis Dr. Freiherr von Thielmann beiwohnten, nahm das Haus zunächst in dritter rathung den Gesezentwurf, betreffend die Gebühren für die Benußung des Kaiser Wilhelm- Kanals, na den Beschlüssen der zweiten Lesun an. Danach wird Seiner Majestät dem Kaiser die Befugni zur Feststellung der Gebühren bis zum Jahre 1902 ertheilt ; nach der Vorlage sollte die Befugniß bis 1904 dauern.

Es folgte die zweite Berathung eines Nachtrags zum Neichshaushalts-Etat für 1899 und zu dem Haushalts- Etat der Schußzgebie te.

Jn der Debatte nahmen außer dem Staatssekretär des Innern, Staats-Minister Dr. Grafen von Posadowsfy und dem Staatssekretär des Reihs-Schaßamts Dr. Freiherrn von Thielmann bis zum Schlusse des Blattes die Abgg, DE. Lieber (Zentr.), Dr. Müller-Sagan (fr. Volksp.), Bebel (Soz.) und Hoh (Soz.) das Wort.

Der Bericht über die vorgestrige Sißung des Hauses der Abgeordneten befindet sih in der Ersten Beilage.

Bei der am Sonnabend im 12. Düsseldorfer Wahl- kreise (Neuß, Grevenbroich) vorgenommenen Ersaßzwahl zum Reichstag wurde, wie „W. T. B.“ meldet, der Rechts- anwalt am Zehnhoff-Köln (Zentr.) gewählt.

Nr. 24 des „Centralblatts für das Deutsche Reich“, herausgegeben im Reichsamt des Innern, vom 9. Juni, hat folgenden Inhalt: 1) Konsulat-Wesen : Grnennung ; Einziehung eines Vize- Konsulats und Bestellung eines Konsular-Agenten; Entlassung; Ableben eines Fousals: Gxequatur-Ertheilungen. 2) Bank- Wesen: Status der deutschen Notenbanken Ende Mai 1899. 3) Allgemeine Verwaltungs-Sachen: Ginreibung der Beamten der Verwoaltung des Reich3beer-s in die nah der Verordnung, betreffend die Tagegeldet X., aufgefüßrten Beamtenklassen; Bekanntmachung, betreffend die Gewährung von Fabrprämien an Lootsen des Kaiser Wilhelm-Kanals. 4) Zell- und Steuer-Wesen: Veränderungen in dem Stande oder den Befugnissen der Zoll- und Steuerstellen. 5) Polizei-Wesen: Ausweisung von Aus)ändern aus dem Reichsgebiet.

Statistik und Volkswirthschaft.

Deutschlands neue Grwerbungen in der Südsee.

(Stat. Korr.) Spanien bat, vorbebaltlich der Zustimmung der Parlamente, die Karolinen-, Palau- und Marianen-Iuseln gegen Geld- entshädigung an das Deutsche Reich abgetreten, deffen Kolonialbesißz in der Südsce daturch erheblich vergrößert und abgerundet wird. Zu den bisherigen deutshen Kolonien im Großen Ozean mit ins- gesammt 252 400 gkm Fläche und 516 000 Bewohnern (Deutsch- Neuguinea mit 252 000 gkm und 500000 Etnwohnern , Marschall-, Broron- und Providence-Junseln mit 400 gkm und 16 009 Einwohnern) treten dur diese neue Grwerbung 2076 qkm mit 37 600 Eín- wohnern binzu. Hiervon entfallen auf die Karolinen 1007 qkm mit 26000 Finwohnern, auf die M Que 443 gkm mit 10 000 Einwohnern und auf die arianen (ab¡üglich der den Vereinigten Siaatèn von Amerika gehörigen südlihsten uud be- deutendsien Insel Guam mit 514 qkm und 8543 Bewobnern) 626 gkm mit 1629 Einwohnern. Die folgenden Angaben sind dem von F. Scott Keltie herausgegebenen Statesmau’s Yoarbook ent- nomtmien.

Die uördliste der neu erworbenen Inselgruppen sind die Mo rianen, früher au Ladronen genannt, welhe 1668 von Spauien in Besig genemmen worden sind und damals diesfea Namen nah der Königin Maria ünna von Oesterreich erbalten haben. G8 sind (ohne die nunmehr amexikanishe Insel Guam) 14 Inseln, von denen die 10 nördli gelegenen vulfanisch find und ohne vorliegende Küstenriffe fteil aus dem Meere aufsteigen; sie sind unbewohnt und \hwer z¿ugänglih. Die vier südlih gelegenen Inseln sind niedriger und bewohnt; ihre böhsten Berge erreichen 800 m Höhe; auch sind Küstenriffe vorhanden Saipan, Hauptort Garapanay (386 Ein- wohner), besißt den brauhbaren Hafen Tanapag; die Fnseln Rota (491 Einwohner) und Tinian mit großer Viebzuht und Export von getrocknetem Fleisch (234 Einwohner), sowie Agrigan (18 Ein- wohner) baben shechte Häfen Die Marianen haben ein gesundes Klima, 279 mitilere Luftwärme und genügende, über das ganze Jahr ziemli gleihmäßig vertheilte Feuchtigkeit, baben daher üppigen Pflanzenwuchs, ausgezeihnetes Weideland und dichte Waldungen. Gs edeiben die Kokos- und Arekapalme, Reis und Zuckerrohr, und die

evölkerung der ganzen Inselgruppe hat eine halbe Million betragen, als die Spanier von ihr Besiß nahmen.

Die Karolinen wurden 1686 von dén Spaniern in Besiy ge- nommen und nach ihrem König benannt. Sie bestehen aus 500 meist flazen, von Korallernriffen umgebenen Inseln; vier davon sind größer, böber und vulkanishen Ursprungs; doch sind die Vullane erloschen. Alle Inseln besißen üppigen Pflanzenwuchs, und auf den bohen Fyseln find selbsi die höchsten Gipfel der Berge (bis zu 900 m boch) bewaldet. Das Klima is tropisch und feucht, die Luftwärme geringen Schwankungen (25 bis 319) unterworfen; aber zur Zeit der Aequinoktien treten bisweilen heftige Stürme, namentlich in ben östlihen Karolinen, auf. Die vier größten Inseln sind Kusaie (112 gkm, 400 G.) mit zwei guten Häfen Chabrol im NO. und Cequilla im SW,, ferner noch die Häfen Börard im Westen und Lottin im Süden, Ponape (347 qkm, 2000 G.) mit den guten Häfen Metalanim im NO., Jokoits im NW., Ronkiti im SW. und Ponatik im S., ausgezeihnet durch die Fruchtbarkeit seiner gut bewässerten Küstenebenen, Ruk (132 gkm, 5000 E.) mit mehreren wegen der oßen Wassertiefe für die Schiffahrt beshwerlihen Häfen und Yap 207 gkm, 2750 E.) mit dem Hafen Tomil im 8O., dessen Zugang durch ein Küstenriff von einer halben Meile Breite führt,

Die Palau- IJuseln sind 1543 entdeckt worden und beftehen aus 6 Inseln, von denen Baobeltaob von 300 gkm Fläche mit rund 8000 Bewohnern die wichtigste ist. Die ganze Gruppe ist von einem breiten Riff umschlofsen, durch welches mehrere Durchfahrten, bie beften im N. und W. führen, vulkanischen Ursprungs, reih bewässert und mit schr gutem Ackerboden, fruchtbar. Gute Häfen sind Korror, Malakol, Erakong und English Harbour.

Zur Konkursftatiftik.

Na der vorläufigen Mittheilung des Kaiserlichen Statistischen Amts zur Konkursstatistik gelangten im ersten Vierteljahr 1899 im Deutschen Reihe 2182 neue Konkurse zur Zählung gegen 2006 im ersten Vierteljahr 1898.

Gs wurden 215 Anträge auf Konkurseröffnung wegen Mangels eines auch nur die Kosten des Verfahrens deckdenden Massebetrages abgewiesen und 1967 Konkursverfahren eröffnet; von den leßteren haite in 1252 Fällen der Gemeinsuldner auss{ließlich die Konkurs- erdffnung beantragt.

Beendet wurden im erften Bierteljahr 1899: 1500 (1. Viertel- jahr 1898: 1430) Konkursverfahren, und zwar durch Swhluß- vertbeilung 982, durch Zwangsvergleich 364, infolge allgemciner Ein- willigung 50 und wegen Mossenmangels 104. In 9507 beendeten Konkureverfahren war ein Gläubigeraus\chuß beftellt.

Die Durchschnittspreise der wichtigsten Leben8- und Futtermittel

betru in den bedeutenderen vreußischen Marktorten (aus- \licblich von Trier) im Monat Mai 1899, der „Stat. Korr " zufolge, für 1000 kg: Weizen 158 « (im April d. Ï. 156, im Mai des Vorjahres 234 46), Roggen 145 (139 bezw. 169) 6, Gerste 142 142 bezw. 164) 4, Hafer 141 (139 bezw. 171) 4, Erbsen zum oen 224 (224 brzw. 228) M, Speisebohnen 252 (251 bezw. 267) 4, Linien 419 (421 bezw, 413) &, Eßkartoffeln 49,2 (49,3 bezw. 56,5) A, Richtstroh 35,8 (36,2 bezw. 40,7) #&, Heu 51 2 (51,6 bej. 54.4) Æ, Rindfleish im Großhandel 1066 (1059 bezw. 1051) 4; im Kleinbandel für 1 kg: Rindfleisch von der Keule 1,35 (1,34 bezro. 1,36) A, vom Bauch 1,15 (1,15) #6, Schweinefleish 1,34 1,34 bezw. 1,36) f, Kalbfleish 1,33 (1,32 bezro, 1,28) 4, Hammel- eis 1,29 (1,27) 4, inländisher geräucherter Speck 1,58 (1,60 bezw. 1,59) A, Gßbutter 2,18 (2,19 bezw. B #6, inländishes Schweine- {malz 1,57 (1,57 bezw. 1,59) «6, Mehl zur Speijsebereitung aus Weizen 30 (31 bezw. 39) 4, aus Roggen 26 (25 bezw. 30) ; für ein Schock Eier 2,86 (3,03 bezw. 2,83) M :

Die meisten Preisänderungen gegen den Monat April d. J. weisen die vier Getreidearten auf, besonders der Roggen, für welWen an allen Marktorten Preiserhöbungen stattfanden. Am größten if die Preissteigerung: beim Weizen in Stralsund um 6, in Gleiwiy und Kiel um je 5, in Bromberg, Magdeburg, Hannover, Paderborn, Neuß und Aachen um je 4 4, beim Roggen in Köslin um 11, in Stralsund um 10, in Königsberg i. Pr. um 9, in Kiel um 8, in Danzig, Bromberg und Stettin um je 7, in Halle a. S, und Caffel um je 6, in Posen, Gleiwitz, Berlin, Hannover, Osnabrüd, Hanau und ALahen um je 5 , bei der Gerste in Paderborn um 17 und in Königsberg i. Pr. um 8 M, beim Hafer in Köaig8berg i. Pr. um 10, in Aachen um 5, in Breslau und Kiel um je 4 An Preisermäßigungen sind beim Weizen 2, bei der Gerste 7 und beim Hafer 1 eingetreten.

Zur Arbeiterbewegung.

In Viersen sind, der „Köln. Ztg.“ zufolge, 300 Arbeiter der Seidenweberei von Schiffer u. Hamers ausfiändig.

Aus Leipzig berichtet die „Lpz. Ztg.“ zum Ausftande der

Youmer und Gießereiarbeiter der Firma Becker u. Co. in eus, daß die zwischen dem Comité der Ausftändigen und dem Fabrikinhaber gepflogenen Verhandlungen gescheitert find. Der Arbeit- geber verlangte die bedingungslose Wiederaufnabme der Arbeit am 12. Junt und erklärte sich bereit, mit 20 seiner ältesten Arbeiter zu verbandeln. Die ausftändigen Gehilfen lehnten dieses Anerbieten aber mit der Begründung ab, daß die Geschäfte der Gehilfen aus- \chließlich das Ausstands-Comitó zu führen babe. Inzwischen baben die Former von Leipzig und Umgebung in einer Versammlung be- \chlossen, gegen die Arbeitgeber entsprehende Gegenmaßregeln zu er- greifen, insbesondere Lars Aufstellung neuer Forderungen und event. durch Eintritt in eine Lohnbewegung, wenn der Verbandder Metall- industriellen im Bezirk Leipzig seinen Beschluß aufrecht erhalten und durchführen sollte, wonach die bei der D Becker u. Co. in den Aus- stand getretenen Arbeiter auf zwei Fahre ausgesperrt werden sollen, wenn fie niht bis zum 12. Juni die Arbeit wieder aufnchmen follten. Zugleih wird der Fabrikleitung als legter Termin für die Bewilli- gung der Gehilfenforderungen der 15. Juni geftellt.

Hier in Berlin haben die aus\ständigen Ier den Ver- gleich8vorshlag des Sn (vgl. Nr. 135 d. BL) einftimmig angenommen. Die Arbeitgeber lehnten die Ferderungen der Gesellen und deren Lohntarif aufs neue ab. Der Ausstand der Steinseßzer ist damit auf unbestimmte Dauer verlängert. Das Einigungsamt des Gewerbegerihts wird, der „Voss. Ztg." zufolge, am Mittwoch einen Schiedsspruch fällen. -

In Verviers haben die Arbeiter der Aktien-Kammgarn- spinnerei La Verviétoise die Arbeit eingestellt; sie verlangen 15 9/0 Lohnerhöhung.

Kunst und Wissenschaft.

Deutsche Kunstausstellung der Berliner Sezession. L L. K. Es wäre voreilig, aus dem andauernd [lebhaften Besuch der Sezessions-Ausftellung auf einen plöylihen Umschlag der all- gemeinen Meinung zu Gunsten der modernen Kunftrichtung zu ließen. Mode, Neugier und Sensationsbedürfniß führen sicher die Mekbrzahl der Besucher in die AussteKung hinein ; wenn aber au nur die Hälfte sie mit dem Bewuktsein verläßt, daß die hier zum Ausdruck kommende Sonderbestrebung lediglih auf eine s{härfere Betonung des echt Künstlerishen im Kunstwerk gerichtet ist, dürfen die Veraustalter bercits mit dem Erfolg ihres Unternehmens zufrieden sein. Urtheils- fähigkeit bildet und vertieft sich nur dur ruhiges und unbefangenes Betrachten sorgsam ausgewählter Kunstwerke. Dazu bietet eine kleine Ansftellung, die Minderwerthiges und Gleichgültiges ausschließt, günstigere Gelegenheit als die Massenaufbäufung ungleihwerthiger Arbeiten, ebenso wie eine stilvolle Kammermusikaufführung den musikaliihen Geshmnack des Hörers eher läutern wird als ein Monstrekonzert. f Man hat in dieser ersten Ausstellung eine programmatische Ver- ständigung mit dem Publikum angestrebt über das, was man für echte deutshe Kunst und als ihr Ziel ansieht. Daher sind auch etne Reihe älterer Arbeiten ausgestellt, an denen sich dies besonders gut demonstcieren läßt. Fünfzehn Bilder des Bauernmalers Wilhelm Leibl rückden die Bedeutung dieses konsequenten NRealisten stark in den Vordergrund. Leibl ift zwar in Köln geboren, stammt aber aus einer bayerischen Fa und lebt seit langer Zeit in bäuerliher Abgeschlossenheit in dem oberbayerishen Gebirgsflecken Aibling. Gr if völlig mit seiner Um- gebung verwahsen und malt außer Bildnissen faft nur Geftalten und Scenen aus dem bayerishen Bauernleben. Das Bild, mit dem Leibl 1878 allgemeines Aufsehen erregte durch die minutiôfe Realistik in Auffaffung und Technik, „die Dorfpolitiker", ist am Tage der Er- öffnung der Sezessions-Ausstellung für 83 000 4 an etnen Berliner Kunstsammler verkauft worden und damit fürDeutschland wiedergewonnen, nachdem es sih lange Zeit in amerikanishem Besig befunden hatte, Son der ungewöhnlich hobe Preis lenkt die Aufmerksamkeit der Besucher auf diese SSdpfung, Verwunderliher als der Preis aber ift das Bild selbst: eine Meisterleiftung exaktester Naturwiedergabe, etragen von feinstem malerischen Ewpfinden. Die „Malerei an sich a nicht weiter getrieben werden als hier. Ein Bild, an dem der Handwerker wie der Künstler stets neue Feinheiten entdeckt, an dem man jahrelang studieren kann, ohne damit fertig zu werden, und troßdem vder deshalb? ein Kunstwerk, das mit dem ersten Anblick packt und sich unaus1ös{lich in die Erinnerun eingaräbt. Man hat gelegentlich in Leibl's Köpfen den Ausdru seelishen Lebens vermißt, thnen eine gewisse Starrheit vorgeworfen; angesichts dieses Bildes richten sh fsolhe Bedenken felbst. Das, was der Maler hier schildert, is nicht nur beobachtet, sondern mits- erlcht. Und wie sprühen niht sein?®Bildnißköpfe, die oft nur aus

wenigen Pinselhieben entstanden s{chzinen (Nr. 103, 99, 107) von innerem Leben, welch ein echter und doch nit aufdringliher Humor lebt in einzelnen seiner Intecieurs, z. B. dem _Sparviränig“ (104)! Andere Proben von Leibl’'s Feinmaleret, wie das Bauernmädchen im weißen Kopftuh (103), rechtfertigen, wie wenige andere moderne Bilder, das oft mißbrauhte Schlagwo:t von holbeinischer Glätte und Durch- sichtigkeit. Die malerische Delikatesse, mit der nur ein Streifen des ge Mieders noch in den Bildrahmen einbezogen ist, die große Wirkung dieser kleinen und \{einbar zufälligen Ursache, das alles sind Wunder der Gentalität, die immer wieder und wieder den Sinn und die Gedanken des Beschauers gefangen nehmen und festhalten. Gerade weil der Gegenftand keine besondere Anforderung an den Geist des Betrachters stellt, kann dieser fih mit den rein künftlerishen Qualitäten eingehend beschäftigen. Wenn es gälte, den Begriff des Malerishen in allen Tinzelheiten zu erläutern, könnte man kein besseres Beispiel wählen, als eine Arbeit Leibl)s. Von seinen Pariser Studien, aus denen Ribera, Frans Hals und Goya hervorblicken, sind besonders das Bild einer alten Frau (96) und der franzbsishe Revolutionsheld (97) zu nenxen, und es dat einen besonderen Reiz, zu verfolgen, wie der Maler allmählich auf dem Cte Wege, den ihm seine Begabung vorschreibt, zum Ziele IMreitet.

An Leibl haben sich obwebl er niemals Schüler haite -— zahl- reihe Münchener inspiriert und gebildet, und man kann in dem Atelier- ton, den fast keiner der Münchener Sezessionisten ganz zu über- winden vermag, die guten und bösen Wirkungen des großen Vorbildes ftudieren. Am engsten {ließt fich ihm Wilhelm Trübner an, dessen weiblicher Studienkopf (173) dafür als Zeuge aufgeführt werden kann, Trübner ift derber und flotter, sein Fleishton röthlich durhleuchtet, im übrigen die Gesammthaltung seiner Bilder mit fast eigensiuniger Vorliebe auf ein dunkles Grün gestimmt. In seiner gelegentlich recht brutaïen Technik (171) kommt ein starkes, vom Augenblick infpiriertes Tewperament zum Ausdruk. Sehr ernst, fast \chroff und dennoch durÞ seine Größe und JInnigkeit des Naturgefühls fefselnd wirkt die Landschaft von Charles Tooby (179). Auh Hugo Frei- herrn von Habermann?'s weiblihè Bildnisse mit ihrem grün- lichen Phblidrei und ihrer pariserishen Pikanterie, geistreich bet aller äßlihkeit, verleugnen den Münchener Dunstkreis, in dem sie entstanden, nit. Trotz aller Selbständigkeit, deren man stich rühmt, is bier doh mehr Gemeinsames, mehr Zusammenhang mit den alten Meistern, ja auch eine gewisse Gleichartigkeit im Aufnehmen fremder Ginflüfse wahrnehmbax als an anderen Kunststätten. Die Porträts von Garl Marr (1228) Leo Samberger (143 -145), die zierlihen Erapire-Interieurs von Hans Borchardt (19), aber auch die handfertigen, in ihrer Phantastik etwas Fußerlihen Bacchanalien von Franz Stuck (164, 163), ebenso wie die des noch weniger geschmadckvollen, aber geshickten Louis Corinth (31, 32): fie alle kann man sich s{chlechterdings nur in München entstanden denken. Auch der Parisismus eines Schlittgen (146), an dem sich Ferdinand Melly (224), Robert Breyer (23) und Hierl Deronco (70)

ebildet baben, behält immer einen Stich ins spezifisch Münchnerische.

as bedeutet keine Shwäche des Einzelnen, sondern zeugt von der Intensität der dortigen Kunftatmosphäre, der sch auch Frit eoa Uhde (175) nit ja entziehen vermag. Nur die starke An- lebnung an Whistler unterscheidet das weiblihe Porträt von Winternitz (185) augenfällig von seinen Genossen. Hubert von Heyden (69) und Franz Grä fsel (54) vertreten die Münchener Thiermalerei mit vielem Glück, Geshmack und koloristischem Können. Gin nech wenig abgeklärtes, aber starkes Talent ofenbat Marx Slevogt in seinem Triptyhon des „verlorenen Sohnes“ und in einem Todtentanz“: herausfordernd häßlich, übertrievea in der Betonung des Charakteristischen, sodaß der Bes&zauer zuerst \ih abgestoßen fühlt, dabei aber vou einer staunens8werthen Kraft farbiger Jllusion und einem Temperament der Ginbildungskraft, das \ließlich auch den Widerstrebenden mit in seinen krausen Wirbel reißt. Man darf auf diz Entwickelung dieses noch ungeberdigen Talents gespannt sein.

Am Donnerstag, den 8. d. M,, ift hier in Berlin der Maler, Profesor Otto von Kameke plöylih verstorben. Gr war am 2. Februar 1826 zu Stolp in Pommern geboren, widmete sich An- fangs dem Militärdienst und hatte bereits den Dienstgrad eines Haupt- manns erreicht» als er sich im Jahre 1860 ganz der Kunst ¡uzuwenden beschloß. Gr fsiedelte zunächst nach Rom übcr, um dort ¡wei Jahre dem Studium der Natur objuliegen, und trat dann in die Kuostihule zu Weimar ein, wo er eine Zeit lang Schüler von Bödcklin und Michaelis und später des Grafen Kalckreuth wurde, nach dessen Landschaften er si am meisten bildete. Er malte vorzugsweis2e Gegenden aus dem Hoch- gebirge in Oberbayern, der Schweiz und Tirol, aber auch aus dem norddeutschen lachland. Seine Auffassung hatte den Chas rakter des Großartigen, Srhabenen; seine Pinselführung war kräftig und breit. Zu den bedeutenderen seiner Landschaften gehören: „Um Obersce bei Berchtesgaden“, „St. Bartholomä am Königesee“, „Der Vierwaldstätter See“, „Das Wetterhorn“, „Wengern- Scheide“, „Der Hintersee mit Alpenglühen*, „Der Urirotbstock*, „VCisenhammer bei Kufstein“, „Große Scheideck“, „Am Genfer See*, „Die Gngsteler Alp“, „Die St. Gott- bardstrafie“ (1879, in der Berliner National-Galerie), „Trafoi und das Stilfser Jod, „Die drei Zinken im Ampezzo- thal“, „Schloß Runkelstein im Sarnthal“, „Blick ins Chamonirthal“, „Via mala“ und ,Bernina*.— Der Verstorbene, welcher seinen Wohnsiy in Berlin hatte, erhielt im Jahre 1879 die kleine goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft, wurde im Jahre 1886 Mitglied der Akademie der Künste und tim Jahre 1889 zum Professor ernannt.

Theater und Musik.

O _ Königliches Opernhaus. Fräulein Frißzi Schef vom Hoftheater in München eröffnete am Sonnabend in ber Titelrolle von Friedrich von Flotow?! s Oper „Martha“ ein auf Engagement abzielendes Gaftspiel. Jhre zie:lie Gestalt und ihre muntere Beweglichkeit im Spiel ließen sie für die Darftelung der Rolle der Üübermüthigen Lady Durham äußerlih rechi geeignet ersheinen; gefanglich war fie ibrer Aufgabe dagegen weniger gewachsen, denn weder reite ihre nihi besonders ausgiebige Stimme für den weiten Naum des Opernhauses aus, noch konnte ihre Art zu singen, ins- besondere die Neigung, die Koloraturen zu verwischen, recht befriedigen. Auch den Lyonel gab ein Gast, der hier bereits bekannte Herr Burrian vom Stadt-Theater in Hamburg, welcher aufs neue von seinen gesang- lichen und darstellerishen Vorzügen Zeugniß ablegte. Die Beseßung der übrigen Partien war die hier übliche. Königliches Schauspielhaus.

Die erste Aufführung des Lustspiels „Auf Strafurlaub“ von Gustav von Moser und Thilo von Trotha fand am Sonn- abend die freundliche und fröhlihe Aufnahme, welche den Arbeiten Moser's erfabrung8mäßig zu theil zu werden pflegt, Wenn der greife Luftspieldichter auch nit mehr viel Neues zu fagen hat, so weiß er, im Verein mit seinem jkngeren Mitacbeiter, die alten ihm eläufigen Lustspielmotive fo geschickr zu variieren und den heiteren Theaterfiguren immer neue belustigende Charaktereigenthümlichkeiten zu verlethen, daß die Zuschauer ihm flets mit Interesse folgen. In kluger Selbstbeshränkung halten sich die Verfasser au in dem neuen Lustspiel innerhalb der Grenzen der gewohnten Erfolge Moser's, der hier wieder jene Kreise der Gesellschast zeihnet, in denen er s voll- ständig heimish fühlt, und welche er mit feinem Blick vorurtheilöfrei beobahtet hat. Dadurch gewinnen seine Bühnenhelden und -Heldinnen, die verabschiedeten und aktiven höheren Offiziere, die Leutnants und ihre Burschen, die gutmüthigen Tanten, fürsorglihen Mütter und kecken ungen Pläddien höherer Stände eine anheimelnde Natürlichkeit und Frishe des Wesens, dur welhe sie den Zuschauern immer wieder gefallen. Am Sonnabend war es nament- lih der lieben8würdige Leutuant Waldy von Felsen, der die Herzen der Zuschauer für fih gewann, obgleih er seiner Schulden wegen

„auf Strafurlaub" auf das väterlihe Gut geshickt wird, Der kecke

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