1899 / 150 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 28 Jun 1899 18:00:01 GMT) scan diff

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gewiesen; Hier habe ih es deshalb nicht gethan, weil dieser Dr. Voigt von verschiedenen Seiten als ein in jeder Beziehung tüchtiger und zuverläfsiger Herr empfohlen wurde, von dem ein Mißbrauch nicht zu befürhten sei. Um fo mehr bin ih meinerseits erstaunt gewesen, als ganz zu meiner Ueberrashung vor einigen Monaten nun die hier viel erörterte Broschüre erschienen ist. (öt, hört! links.) Die Ge- nehmigung der Justizverwaltung ift zu dieser Veröffentlichung niht nacgesucht; ih kann das nur mißbilligen, habe auc daraus die noth» wendigen Konsequenzen gezogen. Au den Werth diefer Broschüre veranshlage ich für meine Person nit fehr bech. (Sebr gut! links.) Fedenfalls liegt aber die Sache fo, daß aus dem Erscheinen dieser Broschüre irgendwelche Vorwürfe gegen die Königliche Staatsregierung nicht hergeleitet werden können.

Die Königliche Staatsregierung if weit entfernt, eine Kampf- Fellung einnehmen zu wollen, wie sie der Herr Abg. van der Borght am S@lusse seiner Rede der konservativen Partei imputiert hat; es handelt si für uns niht um den Kampf zwiscken modernem Bürger- thum und altem Feudalismus, sondern um ganz einfae sachliche Fragen. (Bravo! rechts.)

Nun ist der Herr Abg. van der Borgbt, auf dessen Aeußerungen ich nur “infoweit eingehen will, als sie ih gegen meine geftrigen Darlegungen richteten, oder als fie unmittelbar mein Resort berühren, wieder darauf zurückgekommen, in eingehender Weise die Sicherheit der Hypothekenpfandbriefe zum Gegenftand der Beweis- führung zu machen. Fh kann nur wiederholen, was ih gestern {on sagte: es wird garnicht bezweifelt seitens der Königlichen Staats- regierung, daß die Pfandbriefe der preußishen Hybotheken-Aktienbanken zu den besten und fthersten Anlagepapieren gehören; es wird gar nicht behauptet seitens der Königlichen Staatsregierung, daß sie irgendwie an ihrem inneren Werth zurückständen gegen die Pfandbriefe der \üd- deutshen Hypothekenbanken und derjenigen mitteldeutshen Hypotheken- banken, denen von ihren Staatsregierungen für ihr Staatsgebiet die Mündelsicherheit verliehen ift. Der Herr Abg. van der Borght hat gemeint : ja, diese Erklärung bedeute nihts, die sei ledigli platonischen Gharakters, nur eine platonisdhe Liebe für die Hypothekenbanken hätte ih damit zum Auédruck gebraht. Ja, meine Herren, die Liebe i etwas Höft Persönliches (Heiterkeit), das gilt auch in diesem Falle. Wenn es sich um meine per\sönlihen Empfindungen handelte ja, meine Herren, ih würde gar nit ¿ôgern, morgen ein Kapital in Pfandbriefen der preußishen Hypothekenbanken dauernd anzulegen. Ich halte das für ein ganz vortreffliches, gutes Anlagekapital für Leute, die in der Lage sind, die Verhältnisse zu verfolgen, die Beroegung des Geld- marfktes, des Kurézettel8s, die Entwickelung unserer Grundbesißver- Lältnifse im Auge zu behalten. (Sehr richtig!) Das würde die per- sônlihe Stellung sein, die der einzelne von uns, au jedes Mitglied des Staatsministeriums für fich zur Sache einnimmt. Ich würde au, wenn den Pfandbriefen die Mündelfitherheit versagt bliebe, keinen Anstand nehmen, fernerhin eine Kapitalanlage in solhen Pfand- briefen zu versuchen. Ih würde sie vielleiht vorziehen sogar manchen mündelsicheren Papieren, von meinem persönlichen Standpunkt, für meine persönlihen Zwette. Ih würde dabei ganz rubig s{lafen.

Aber darum handelt es \ich nicht, meine Herren, was einer von uns für sih auf sein Risiko, auf seine Verantwortlichkeit thut; hier handelt es sih darum, ob die heißere Liebe, die der Herr Abg. van der Boraght

bei mir für die Pfandbriefe vermißt, niht nur uns imputiert werden soll, sondern ob wir fie auch den Vormündern im Lande imputieren sollen (sebr richtig!), welhe verantwortlich über die Gelder zu dis- ponieren haben. Da liegt die Sache doch ganz wesentli anders. Stellen wir uns doch einmal vor, wie es bei einem Durhschnitts- vormund in der Provinz geht. Der Mann hat ein Kapital mündel- Ker anzulegen, er sucht vergebens in seiner Gegend nah ‘einer guten möndelficheren Hypothek diese werden bekanntlich immer seltener —, er findet also keine; da wendet er sih an einen ibm emvfohlenen Banquier und schreibt ihm: ih habe so und so viel Geld anzulegen, kaufe dafür mündelsihere Papiere. Der Banaguier, ein gewissenhafter Mann, feht sh um, welche von den mündelsicheren Papieren im Augenblick am vortheilhaftesten sind; er Fauft das Beste, was er finden kann. Er kauft die Pfandbriefe von der Zentralbodenkreditbank, zweifellos gute Papiere; er \{@ickt sie dann an den Vormund. Der Vormund hat vielleiht noch nie von dem Namen eines solhen Instituts gehört, er kann es aug nit fon- trolieren: als vorsihtiger Mann \{neidet er die Zinsscheine ab, legi die Pfandbriefe an die Hinterlegungéftelle und legt fich rubig shlafen. Alle Betheiligten baben vollftändig ihre Pfliht gethan, und daher gereiht es niemandem zum Vorwurf. Aber was weiter nun aus der- artigen Papieren wird, entzieht ih der Kontrole des Dur@schnitts- vormundes vollftändig und er verläßt h ganz einfa darauf, daß der Staat diese Papiere für mündelsicher erklärt hat, und meint, wenn er solhe Papiere gekauft bat, hat er alles gethan, was er für seinen Mündel thun muß. (Sehr richtig !) Wenn später die Verbältnisse fih ändern, so erfährt der Mann nichts davon; oder er erfährt es erft dann, wenn die Sache zu spät ift. Das ift für die Staatsregierung der große Unterschied, wenn es sich darum handelt, ob die Papiere des Staates und die Papiere öffentlicher Korporationen zu mündelsicheren Papieren erklärt werden sollen oder ob dieses Privilegium ausgedehnt werden soll auf die Papiere privater Erwerbsgefellshaften. (Sehr gut!) Ih trete in keiner Weise diefen privaten Erwerb8gesellshaften zu nabe, wenn ih behaupte, es ergiebt si aus der Natur der Sache, daß fie in ibrer Geschäftsführung ven anderen Gesihtspunkten aus- gehen, daß ihre Ziele und ihr Geschäftsbetrieb nicht dieselben sind wie bei einer öôffentlihen Behörde, die lediglich öffentlidje Interefsen zu vertreten hat.

Nun if au heute seitens des Herrn Abg. van der Borgbt, wie schon geftern, die Rede gewesen von den verhängnißvollen Folgen, welche die Versagung der Mündelficherbeit für die Hypothekenbanken haben mus. Ih weiß in der That nicht, ob es klug ift von den Hypothekenbanken, nahtrüdlich bier hervorzuheben, daß ihr Wobl und Wehe von ter Gewährung der Mündelsicherheit abLängt. (Sebr richtig?) Sie diékreditieren sih daturŸ ganz ohne Noth und Grund. Fh behaupte, die Vorenthaltung der Mündelsicherkeit wird gar nicht die Folgen baten, die von jener Seite befürchtet werden. Wenn und soweit die Hrpothekenbanken fortfahren, fich einer nah jeter Richtung soliden Geschäftsführung zu beflzifiigen, fi von den vorsihtigften Beleihung8grundsätezn leiten zu laffen, werden fiz au în Zukunft vollftändig konkurrenzfähig bleiben, sowohl gegenüber den füddeutschen, mit Mündelficherheit ausgestatteten Hypothekenbanfen, als gegenüber unseren Landschaften und unseren Staatspapieren, Darüber habe ih für meine Person gar feinen Zweifel. Freilih werden Sie mir darauf

entgegnen: die Hypothekenbanken [selbst müssen das ja besser wissen.

Wenn sie es au anders beurtheilen: ih kann- mich diesem Urtheil nit unterwerfen; ih glaube nit daran. Bis jeßt haben die Hypothekenbanken die Konkurrenz der Süddeutschen troß ihrer Aus- stattung mit diesem Privilegium überstanden; ih bin überzeugt, sie werden es auch ferner thun. (Sehr richtig ! rets.)

Dann, meine Herren, hat man noch den Standpunkt der Gerechtigkeit ins Feld geführt, und das ist ja derjenige, der mein Ressort an erster Stelle berührt. Man sagt, es sei eine Forderung der Gerechtigkeit, den Hypothekenbanken die Mündelsicherheit niht vorzuenthalten, und zwar unter einem dovpelten Gesihtepunkt: zunächst unter dem Gesichtspunkt, weil andere deutshe Staaten ihren Hypothekenbanken das gleiche Privilegium verliehen hätten, und zweitens unter dem Gesichtspunkt, weil die Erweiterung des Erfordernisses der Mündelsiherheit für zablreiche andere Anlagen nunmebr, falls das Privilegium unseren Banken vorenthalten werde, die Folge haben werde, daß nun auch zablreihe andere Anlagegebiete den Banken -in Zukunft verschlossen bleiben. Meine Herren, ich vermag der Logik dieser Ausführungen nicht vollständig zu folgen.

Was zunächst den Hinweis auf das Verkalten anderer deutschen Bundesstaaten angeht: ja, meine Herren, angenommen einmal ih bin weit entfernt, das zu behaupten oder nur anzudeuten aber an- genommen einmal, diese Staaten bätten nit klug gehandelt, indem sie ihren Hypothekenbanken die Mündelsicherheit gewähren: würde es dann eine Forderung der Gerechtigkeit sein, daß Preußen dem Beispiele dieser Staaten folgte? Würde die Prüfung, die diese anderen Staaten für ihren Bereich ihren Banken gegenüber angestellt Haben, und die sie zu dem Ergebniß geführt hat, das Sie für uns herbeiwünschen, würde diese Prüfung die preußische Staatsregierung der eigenen ge- wissenhaften und verantwortlichen Selbstprüfang überheben? Kann mán davon reden, daß es ein Unrecht fei, nicht dem Beispiele dieser anderen Banken zu folgen, weil dadurch möglicherweise den anderen Banken eine gewisse Vorzugsftellung in Deutschland eingeräumt werde ? Ja, meine Herren, wenn diese Folge eintritt, wenn in höherem Maße als bisher vielleit diese süddeutshen Banken nunmehr in Preußen den preußishen Hypothekenbanken Konkurrenz bereitén würden, dann ist das ein Erfolg, den wir bedauern, den wir aber nicht verhindern können, und der uns nicht verpflihten kann, von unferer Neberzeugung abzugehen und gegen unsere Ueberzeugung hier etwas geseulih fest- zulegen, was wir nit für zutreffend balten.

Was aber den zweiten Gesichtspunkt angeht, meine Herren, ja wenn auch in Zukunft für manche anderen Institute, die bisher freie Bewegung hatten in der Anlegung von Kapitalien, die mündel- sichere Anlegung zur Pflicht gemacht wird, dann kann man das vielleicht anfechten. Ich für meine Person würde geneigt gewefen sein, gerade den großen geschäftskundigen, geschäft8gewandten Ver- waltungen unserer Versiherungzarstalten eine weitere Bewégung®2- freibeit einzuräumen als unseren unkundigen Dur(hschnittsbormündern. FH würde es für unbedenklih gehalten baben, wenn man diesen An- stalten in den betreffenden Geseßen gestattete, auch über den Kreis der mündelficheren Papiere unter gewissen Voraussetzungen hinauszugeben, während die Reihsgesetgebung ih habe es nicht verfolgt in der Entstehung, es ift mir ers nacträglich klar geworden sih auf den entgegengeseßten Standpunkt geftellt hat und für diese Anstalten, wenigstens für die Invaliditätsversiherungsanftalten nicht einmal die Ausna hmebestimmung zuläßt, die der § 1811 des Bürgerlichen Geseß- buchs für Vormünder dahin giebt, daß mit Genehmigung des Vor- mundschaftêgerihts auch andere Anlagen gewählt werden können. Das ift der Invaliditätsversicherungsanstalt vorenthalten. Na meiner Meinung läßt sich darüber streiten, ob das richtig war. Für andere Anstalten, namentli für die Privatversiherung2anstalten baben wir ja bisher derartige Vorschriften nicht, das Geseg ift ja noch in der Vorbereitung begriffen; ich würde es durchaus für gerecht balten, wenn an diesem Punkte eingeseßt und, falls das Gefeß eingebra(t wird, dabin gestrebt würde, daß diesen Anstalten eine größere Be- wegungsfreiheit zuzrtheilt würde.

Aber, meine Herren, man kann nit sagen: weil nun einmal das Reich2geseß bestimmt bat, daß auch solche Anstalten ihre Gelder nur in mündelsiheren Papieren anlegen sollen, deshalb ist es eine Forde- rung der Gerechtigkeit, auch die Anlegung von Mndelgeldern folen Anstalten zu gestatten, die wir nicht als mit derjenigen absoluten Sicherheit ausgestattet erkennen, die wir für eigentlide Mündelgelder- anlagen verlangen müssen; und, meine Herren, enn bier von der Gerechtigkeit die Rede ift, ja, in allen Dingen müssen wir Ge- rehtigkeit üben; aber an dieserStelle \{ulden wir in erster Reihe die Gerechtigkeit unseren Mündeln. (Bravo! rechts.)

Abg. von Ar nim (kons.): Wer Vieles bringt, wird Mancem etwas bringen, und ih glaube, der Abg. van der Borgbt hat Allen etwas gebracht. Er hat uns lebhaft angegriffen, er bätte si aber über alle Verbältniffe orientieren sollen, ehe er einen solchen Angriff vor- brahte. Die Voigt’he Broschüre habe ih nit getannt. Die Zahlen wurden von unbetheiligter Seite mitgetheilt. Herr van der Borght hat von einem Kampf des modernen

alien Feudalismus gejsprohen. Jn

Bürgerthums mit dem kat er als Berichterstatter aber

dem Kommissionsberichte diese Frage als eine rein wirthshaftliche ezeihnet. Die

Anwesenden werden si ihre Anficht wahrscheinlich sämmtlich gebildet baben, und es wird feinem Redner gelingen, jemand zu bekehren. Die Hypothekenbanken, welche ledigli hohe Gewinne für ihre Aktionäre erzielen wollen, können durhaus nicht. mit den Landschaften, die nur für die ibnen zugehörigen Landgüter arbeiten und keine Ge- winne erzielen wollen, verglihen werden. Die Sicherheit bei länd- lihen Grundfiücken ist größer als die bei s\tädtisWen Grundstücken, die von den Hypothekenbanken vorzugsweise beliehen werden.

Vize-Präsident des Staats-Ministeriums, Finanz-Minister Dr. von Miguel:

Meine Herren! Ich habe bisher in der Frage noch kein Wort gesprochen; dennoch hat der Herr Professor bitte um Entschuldigung der Herr Abg. van der Borght son vorher gewußt, daß ih bei dieser Frage, wie gewöhnli, nur kleine und engherzige Gesichtspunkte habe. (Heiterkeit! rehts.) Meine Herren, ih bin viel zu bescheiden um diese Behauptung des Herrn van der Borght zu bestreiten; was ih aber bestrèif if, daß er seinerseits uns große neue Gedanken gebraht hätte. (Heiterkeit ! rechts.) Meine Herren, wenn man gewisse Redner natürlih niht hier im Hause (Heiterkeit) bört, so fällt einem unwillkürlih der Goethe’she Sah ein:

Da kommt jest wieder einer ver Neu”ften, Der wird sich ja Gewaltiges erdreuften, (Heiterkeit.) Meine Herren, gehen wir nun im EGrafte an unsere Sache ! Der Herr Justiz-Minister hat die einstimmig vom Staat?-Minifterium

eingenommene Stellung so klar, so bestimmt, so sicher, so. unwider- leglih dargelegt (sehr wahr! rechts), daß ih mich auf sehr Weniges beshränken fann.

Meine Herren, beim rubigen Anhören sien es mir, als wenn die Debatte si etwas - in Abwege verlor, und der Kern der Sache troß der Erklärungen des Herrn Justiz-Ministers noch nicht so recht in den Vordergrund getreten ist. Wenn man - bestebende- geseßliche Einrichtungen verändern will, entweder dur Aufhebung bestehender oder durch Hinzufügung neuer Bestimmungen, fo ‘ist do für jeden verständigen Gesetzgeber die erste Frage die: hat ih bither dazu ein öffentliches Bedürfniß herausgestellt? Wie steht nun die Sache? Der Herr Justiz-Minister, der ja gewissermaßen der Shußpatron der Waisen und Minderjährigen ist, erklärt: - ein solches Bedürfniß ift nit vorhanden. 20 Milliarden stehen den Vormündern der preußischen Waisen zur Beleihung ihres Vermögens zur Dispofition, die Staats- und Kommunalshulden wachsen jahraus, jahrein vielleicht um mehr als eine halbe Milliarde, die Pfandbriefe der Landschaften desgleichen: wo soll nun ein Bedürfniß zur Vermehrung der mündelsicheren Papiere hergeleitet werden? Meine Herren, wenn Sie diese Frage aber verneinen müssen und wir haben au garnicht von den Gegnern behaupten bören, daß ein soldes allgemeines Bedürfniß zur Vermehrung der mündelsiheren Papiere vorhanden sei, wir haben immer nur von den Hypothekenbanken und deren Intereffen und Wünschen gehört (hört! höôri! rechts) dann frage ih: wie kommen wir denn überhaupt daju, hier im vorliegenden Falle Aenderungen zu machen? Man hat -bebauptet: diese Aenderungen find nothwendig durch die inzwischen getroffenen, reiderechtlid" getroffenen Bestimmungen über die hypothekensiheren Papiere geworden. Das muß ih vollständig mit dem Herrn Justiz-Minister bestreiten. Das Bedürfniß ist dadur niht ein anderes geworden; es ist nur gesagt: in Zukunft ift die Kompetenz der Erklärung von Obligationen als mündelsicher zu ändern; sie wird den einzelnen Staaten entzogen und auf das Reih übertragen. Also die Bedürfnißfrage, wenn i von privaten Interessen absehe, die wir doch nicht zu vertreten haben, ist in keiner Weise berührt. Aber die Reichsgesetzgebung könnte doch bier in anderer Weise in Frage kommen. Allerdings find wir formell rehtlih befugt, mittels Partikulargeseggebung bis zum 1. Januar 1900 noch solche neuen Bestimmungen über die Mündelsicherheit zu treffen; ih bin aber der Meinung, daß es dem Geiste der Reichs8gesetgebung und der Loyalität, die die Partikularstaaten der Reichsgeseßgebung gegenüber beobahten müssen, faum ganz entspricht. (Sehr richtig!)

Fh will Ihnen sagen, wie diese Bestimmung entstanden ift. Im ersten Entwurf des Bürgerlichen Rechts war kurzweg gesagt: Mündel- siherheit kann nur ertheilt werden dur einen Beschluß des Bundes- raths. Ieyt kam unser Landes-Oekonomie-Kollegium, wandte ih an die zweite Kommission und sagte, man möge doch, da die Land- schaften so lange bestanden und fich in allen Richtungen bewährt hâtten, fie von dieser Verpflichtung nah Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die Genehmigung der Fortdauer der Mündelsicherbeit der Landschaften nahzusuchen, enibinden. Darauf erklärte die Kommission : dazu ist gar kein Grund vorhanden; gewiß wird der Bundesrath ja zweifellos den altbewährien Landschaften die Fortdauer der Mündel- siherheit ihrer Papiere gewähren, aber eine Gremption hier zu machen, ist kein Grund. Jet wandte sih das Landwirthschafts- Ministerium bei der Berathung des Bürgerlichen Geseßbuchs direkt an den Bundesrath, und auf diese Instanz hin erklärte der Bundesrath: Die Papiere von Kreditinstituten, die gegenwärtig schon die Mündel- siherheit haben, sollen dispensiert sein, an den Bundesrath zu gehen. (Hört, hört!)

Meine Herren, wenn wir nun unter diesen Umftänden die Zwischen- zeit benußen, um den entscheidenden Grundsaß des Reich8gesezbuhs, daß diese Mündelsicherheit gleihmäßig für ganz Deutschland nach ein- heitlihem Gesichtspunkt ertheilt werden dürfe, um eine wirkliche Gleichheit in der Sicherheit herzustellen, allein vom Bundes8raih aus- gehen soll wenn wir in der Zwischenzeit, bis das Bürgerliche Recht in Kraft tritt, hier noch partikuläre Aenderungen machen, so sage i doh nicht zu viel, wenn ih sage: das kann nur im Drange der Ver- bâltnifse, unter Anerkennung eines dringenden Bedürfnifses, gereht- fertigt sein. (Sehr richtig !)

Meine Herren, wir haben ähnlihe Fälle im Staats-Minifterium gehabt, beispielsweise für die Autonomie der westfälishen Ritterschaft. In Zukunft können neue Autonomierehte für die Ritterschaften nicht mehr ertheilt werden. Es ist aub hier gesagt: die „bestehenden Autonomierechte der Ritterschaft sollen beftehen bleiben. Nun kam die westfälishe Rittershaft mit der Bitte, ihr noch die Autonomie zu geben, und bei der lagen sogar besondere Verhältnisse, die einen solchen Antrag rechtfertigen konnten, vor. Das Staats-Ministerium erkannte: es ist dem Geist des Reichsrehts zuwider, wenn wir gegenüber einem solchen fkategorishen Verbot des Bürgerlichen Rechts jeßi noch einer Ritterschaft die Autonomie ertheilen durch Königliche Verordnung. Das ift also ein ganz ähnlicher Fall.

Ich gehe ja natürli niht so weit, um nicht anzuerkennen, daß bier vershiedene Meinungen sein können; ih gehe auch nicht so weit, daß ih die formelle Befugniß der preußishen Gefepgebung persage. Aber ih meine: gerade die Juristen in diesem Hause sollten sih do am allerersten auf den Gedanken stellen, daß gerade Preußen ein gutes Vorbild allen anderen Staaten geben muß in der Beachtung der eigentlichen gesetgeberishen Intentionen der Reichsbehörden. Soviel biervon.

Wenn ih nun kein Bedürfniß aus der bisherigen Praxis herleiten kann, welche Motive können denn hier vorgebraht werden, um diesen Schritt, namentli gegenüber einer solhen Sachlage, wie ih sie eben bezeichnet babe, zu thun? Meine Herren, ih erkenne mit dem Staatê- Ministerium und insbesondere mit den Ausführungen des Herrn Justiz-Ministers vollständig an, daß die Konzessionierung von Hypo- thekenbanken eine wirthschaftlihe Nothwendigkeit war, daß fie cin großes wirthschaftlihes Bedürfniß befriedigen, welches die Landschaften nicht befriedigen können: sie find eine nothwendige Organisation namentlich für den ftädtishen Realkredit, welche Aufgabe die Land- schaften eten niht erfüllen können. Ih gebe au zu, daß, wena zwar durch diese Kredite, welhe diese Banken gewähren, der Bau großer Häuser mehr als der Bau kleiner Häuser gefördert ift, denno au in dieser Richtung sehr viel Nüßliches von den Hypothekenbanken geleistet ist, und es liegt mir vollständig fern, mit der Frage der Nothwendigkeit und Wirksamkeit und Erfolge der Hypothekenbanken die bier vorliegende Frage zu verwechseln oder zu verquicken, ob c rihtig ift, ihren Pfandbriefen Mündelsicherheit zu geben. Auch die Frage der Sicherheit steht für mi niht einmal in dem Vordergrund ;

aber ih sage : es giebt sehr viele andere fichere Papiere, die, wenn wir

die alte Grenzé überfchteiten: mündelsiher sollen in Preußen nur die Papiere öffentlih-rehtliher Institute sein, dann ebenso gut für ihre“ Papiere Mündelsicherheit verlangen können. (Sehr richtig! rets.) Fch wüßte niht, nah welhen Gesichtepunkten wir dann z- B. ‘die Obligätionen von Gesellshaften für den Bau der Kleinbahnen abweisen sollen. Das sind doch auch höchf nüßliche An- ftalten; wir find alle überzeugt, daß ein großes Kulturmoment in der Herstellung von Kleinbahnen liegt. Aber wte viele andere sichere Papiere zirkulieren, \zlbs solhe, die zwar niht formell den Charakter des papièr a porteur baben, aber da fie à ordre find, bekanntli fast genau so behandelt werden und sch genau so im Verkehr bewegen wie die eigentlihen papiers au Porteur! Eine folH§e Grenze, wie wir sie haben, die, niemand zu Leide, niemand zu Gunsten, alle Be- günstigungen aus\{ließt, die bither vollständig genügt hat, zu über- schreiten, dafür muß man doch sehr dringende Gründe haben. Schon nah dieser Richtung hin würde ih abratben, privaten Erwerb8- gesellschaften ieder Art das bleiben die Banken doch immer solche Privilegien zu ertheilen.

Was nun die Sicherheit betrifft, so glaube ih, daß in diefer Beziehung doch noch Mißverftändnifse vorliegen. Der Herr Land- wirthshafts-Minister, gegen den soeben Herr von Arnim si einiger- maßen gewendet hat, Hat allerdings einmal gesagt: ich kann für die Zukunft für absolute Sicherheit niht einftehen. Ein anderes Mal hat er aber einen andern Ausdruck gewählt; meines Erinnerns fagte er: für die erförderlihe Sicherbeit, für die Zukunft kann ih keine Verantwortlichkeit übernehmen. Ich glaube, vielleiht wird der Herr Landwirth\chafts-Minister geneigt sein, in dieser Beziehung noch näher seine eigentlichen Gedanken hier festzulegen. (Große Heiterkeit.) Was mich betrifft, so will ih die Sicherheit wie man im allgemeinen von Sicherheit spricht der jetzigen Pfandbriefe der Hypotheken- banken in keiner Weise bestreiten. Aber ih bitte Sie zu erwägen, ob der Staat eine Verantwortlihkeit den Mündelkindern gegenüber dafür übernehmen darf, ob solche Papiere, und zwar von allen Gesellschaften denn wir geben ja hier nicht dieses Privilegium nach Prüfung der Beschaffenheit und Geschäftsführung jeder einzelnen gegenwärtig be- stehenden, soadern mit einem Stlage allen Gesellschaften und in aller Zukunft, daß diese aber diefe selbe Sicherheit in aller Zukunft behalten. Dafür auf den Staat und die Staatêregierung gegen ihre Ueber- ¡eugung durch Benußung einer möchte ih sagen Zwangslage, die infolge der Nothwendigkeit der rehtzeitigen Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegt, die ganze Schwere der Verantwort- lihkeit formell zwar auf si, aber notariell in aller Zukunft auf die preußishe Staatsregierung zu werfen, was das beifit, das bitte ih Sie wohl zu bedenken! Wer von uns kann dafür einstehen, welche neuen Gefellshaften noch entstehen! Jeden Tag können néue kommen. Wer kann dafür einstehen, daß die alten Gesellschaften die gegen» wärtigen soliden Prinzipien und Verwaltung8grundsäte beibehalten ? Der Herr Landwirthschafts-Minister sagt selbff: Durh meine Beauf- sichtigung kann ih das nit feststellen und kontrolieren. Nun wollen Sie uns zwingen, für ewige Zeiten eine folche Verantwort- lichkeit zu übernehmen! Sie haben fich ja ein Ventil geschaffen; Sie haben felbst wohl daran gezweifelt, ob es richtig wäre, die Mündel- siherheit ohne Bedingung für ewige Zeiten zu gewähren; Sie haben der Regierung die Möglichkeit in die Hand gegeben, diese Mündel- sicherheit zu widerrufen.

Wenn der Herr Landwirthschafts-Minister felbst sagt: Durch eine Kontrole, dur einen Kommiffar, der dieselbe ausübt, kann ih nit voll verantwortlih sein für die wirkliche Geschäftéführung solher Ge- sellschaften im Einzelnen, was für ein zweischneidiges Schwert und welhe folofsale Nerantwortlihkeit geben Sie dann der Königlichen Staatsregierung gerade durch diese Ausnahme in die Hand! Greift der Kommissar zu früh zu, fo kann er die Mündel auf das extremfte schädigen, die im Vertrauen auf die Erklärung der Staatsregierung in Betreff der Mündelsicherheit ihre Gelder da angelegt haben; denn daß der Kurs folher Papiere, wo nur das Gerücht ent- steht, daÿ die Staatsregierung Mißtrauen hat, sofort herunterpurzelt, ist do gar kein Zweifel. Greift man aber, in der Besorgniß, verkehrt zu bandeln, zu spät ein, so ift das Unbeil noch \{limmer. Wenn wir nun von der Staatsregierung aus sagen, wir können eine folhe Verantwortung nicht wohl tragen, wir fühlen uns nit gewachfen dazu, wenn wir das übernehmen, kann das do die bedenklichsten Folgen haben, so muß das do für ein Abgeordnetenhaus, welches ja nicht selbst formell diefe Nerantwortlichkeit trägt, sondern fie auf das Staats-Ministerium überwälzt doch {on sonderbar liegen, wenn man sh trotz alledem dazu entshließt.

Meine Herren, man bat gesagt, wir begingen ein Unrecht gegen unsere preußishen Hypcthekenbanken, wenn wir sie nit konkurrenzfähig halten gegenüber den süddeutschen. Der Herr Minifter der Justiz hat {on auéführlich darauf geantwortet. Ih lege immer entsheidendes Gewicht darauf, daß die Differenz in den Rechten \süddeutsher und preußischer Hypothekenbanken {on bestanden bat, und daß troy dieser Verschiedenheit wir in kurzen Jahren in Preußen durch die Hypotheken- banken zwei Milliarden Pfandbriefe ausgegeben haben, daß die Hypothekenbanken auch in ihren finanziellen und wirthschaftlichen Er- gebnifsen blühend gewesen sind, und daß daher garnicht abzusehen ist, warum das in Zukunft anders sein follte.

Meine Herren, die Hypothekenbanken sollen nur, wie das viele von ibnen gethan haben, dur ihre ganze Geschäftsführung fi das allgemeine Vertrauen in der Kapitaliftenwelt gewinnen und erhalten; dann werden fie genug Pfandbriefe los werden. äIch glaube garnit, daß das Publikum in Preußen, welches seine Gelder anlegt, irgend wie Gewicht auf eine kleine oder größere Hypothekenbank in Süd- deuts{land legt, weil fie dort für mündelficher erklärt ist. Bei uns liezen obendrein, wie das {hon mehrfah gesagt ift, die Dinge ganz anders. Die süddeutshen Hypothekenbanken sind allein da, sie müssen den ftädtishen und ländlichen Kredit befriedigen; hon dadur ist ihre ganze Stellung und Aufgabe eine andere, als die der preußischen Hyvotbekenbanken, welhe wenigstens nicht allein für den ländlichen Kredit zu sorgen haben. Ih habe mich gefreut, daß der Herr Justiz- Minister gesagt hat: unsere Gesetzgebung müssen wir nah unseren eigenen Verhältnissen einrihten, aber nihi nah den Verhältnissen kleinerer Staaten. (Bravo! rechts.) Preußen if Manns genug, seine eigene Gesezgebung zu machen. (Bravo! rechts. Zuruf links ; Heiterkeit.)

Meine Herren, einer der Herren Redner hat mich im Verdacht gehabt i glaube, es war Herr Shmiß —, daß meine Stellung ¿u der Frage aus\s{chließlich wiederum mal durch fiskalishe Gesichtépunkte

bedingt wird. Ich will ihm darauf kurz antworten. Wenn“ mir ein Bedürfniß der Einführung der Mündelsicherheit der Papiere der Hypothekenbanken für die Mündel in Preußen náähgewiesen wird und es fi nicht bloß um die Befriedigung eines Wunsches der Hypothekenbanken handelt, fo versichere ih: allgemeine Staatsinteressen finanzieller Natur würde ich au nicht einen Augenblick dem Wohl und Webe unserer Mündel und Waifen vorziehen. (Bravo! rets.) Aber ich sehe das hier nicht. Daß allerdings, wenn aus dén S Milliarden 5 und 10 werden sollten, wenn die Gesammtschuld, die in den Pfandbriefen fteckt, größer würde wie die preußishe Staat?- \{uld, daß da ein wefentlihes “nteresse des preußishen Staatskredits und des Kurses der Konsols in der Frage stecken würde, das leugne ih garnicht und nit bloß ein Interesse der Staatspapiere, fondern ebenso der Kommunalpapiere ohne Ausnahme; sie find vielleicht noch mebr in dieser Beziehung berührt. Nun, gegenüber großen anderen öfentlihen Interessen muß solche finanzielle Rüesicht oft zurücktreten. Aber folhe anderen größen döfentlichen Interessen sehe ih hier nit, und da wird die Frage allerdings auch von Bedeutung: steht hier nit allgemeines Staatsinterefse gegen Privatintere}se? (Sehr richtig! rechts.) Also dieser Vorwurf, wenn es ein solcher sein sollte heute muß man, wenn man überhaupt von „Interesse des Staats“ spriht gegenüber anderen Interessen, ja eigentli jedesmal um Verzeihung bitten (Heiterkeit rechts) —, trifft mich nicht. Wenn Sie den Vorschlag der Kommission ablehnen, nicht allen Hypothekenkanken ohne Ausnahme die Mündelsicherheit gewährt wird, und wenn das Bedürfniß dazu in Zukunft sich berausftellt und für alle oder einzelne anerkannt if, fo haben wir die gegebene Kompetenz im Bundesrath ; der wird ja dann die Sache entscheiden können, wenn die Hypothekenbanken das in ihrem Interesse finden.

Aber wenn uns nun gesagt wird: wir wifsen doch niht, wie der Bundesrath entscheidet; möglicherweise könnten dann auch in Preußen die Hypoibekenbanken der süddeutschen Staaten Mündelsicherheit be- kommen, so frage i: wäre das an und für ih für das Publikum ein Unglück, wenn der städtische Realkredit billiger würde? Wenn ich die Wabl habe: sollen die Hypothekenbanken höhere Dividenden haben oder dem Gesammtwohnungsbau einen billigeren Kredit in den Städten bewilligen, so würde ih doch das leßtere vorziehen (sehr gut! rechts); wenn man au, vollkommen naturgemäß, bei Ges sellshaften das Streben nach angemessener Verzinsung ihrer Anlage- fapitalien in vollem Maße für berechtigt halten muß, fo ift do die Frage, ob die Hypothekenbanken in ibrem wahren Interesse handeln, wenn sie so sehr auf die Gewährung der Mündelsicherheit der Papiere aller Banken drängen, doch wohl noch ret zweifelhaft. (Hört! hört! rets.) Ob es nicht richtiger ift, bei der Gewährung der Mündel- siherheit den einzelnen Fall ins Auge zu fassen, als generell alles über einen Kamm zu seren? ob- niht die Hypothekenbanken welche durhaus solide arbeiten in Zukunft mehr Interesse haben können, nicht mit “allen anderen über einen Kamm geschoren zu werden, is ers zu erwägen. Mir {cheint rihtig, das Publikum zu gewöhnen, zu unterscheiden: mit Pfandbriefen welcher Hypothekenbank habe ih es zu thun? während, wenn generell alle gegenwärtigen und zukünftigen Hypothekenbanken die Mündelsicherheit hätten, that- sählich alle dem Publikum gegenüber gleich sein würden. Ich weiß nit, ob das geshäftlich überhaupt richtig ift; aber wenn das der Fall wäre meine Herren, wir können dana unsere Entscheidung niht treffen; wir müssen unsere Entscheidung treffen nah dem ein- fahen Saß: wohin führt uns das SInteresse der Mündel, wohin führt uns das allgemeine Interesse? Von diesem Standpunkt aus bitte ich Sie, den Antrag der Kommission abzulehnen und es bei der Regierungsvorlage zu belassen. (Lebhafter Beifall rechts.)

__ Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer- stein:

Meine Herren! Die Grklärung, die ih hier gestern {riftli festgestellt und dann verlesen babe, wurde in ihrem wesentlichsten Theil während der Verhandlungen präzisiert. Als ih geftern Abend den stenographishen Bericht dursab, fiel mir son auf, daß ih zwei verschiedene Ausdrücke gebraucht hatte, Ich hatte einmal von einer „absoluten“ Garantie und zweitens von einer „erforderlichen dauernden“ Garantie gesprohen. Das Wort „absolut ist selbstverständlih nur in dem aus dem Zusammenhange s\ih ergebenden Sinne zu verstehen. (Lachen bei den Freisinnigen.) Ich weiß nicht, meine Herren, weshalb Sie darüber lachen ; es ist mir das vollkommen unverständlich! Außerdem ist durch den zweiten Ausdruck präzise zum Ausdruck gelangt, was unter dem ersten Ausdruck zu verstehen war. Ich kann dem Herrn Finanz-Minister nur durchaus Recht geben, daß er das, was ih mit den beiden Ausdrücken babe sagen wollen, richtig zum Ausdruck gebracht hat. Im übrigen weise ih darauf hin, daß heute auch von anderer Seite in derselben Bedeutung der Ausdruck „abfolute Garantie“ gebraucht worden ift.

Ic kabe dann kurz einzugehen auf die Erklärung des Herrn Abg. ven Arnim; er führte aus, daß er nit glauben könne, daß es möglich gewesen sei, 40 Nachprüfungen rücksichilich der Gebäude- einschätzungen in ca. 14 Tagen unanfechtbar auszuführen. Durch einen sachverständigen, beamtetén Herrn, dem ein größeres Bureau zur Seite gestellt worden ift, sind diese Nachprüfungen nach unserer Ueberzeugung sorgfältig und gewissenhaft ausgeführt. Der Herr hat zunähft den Werth der Area geprüft und festgestellt und dabei unter andern diejenigen Kaufs- preise zu Grunde gelegt, die in derselben Lage und Nachbarschaft gezablt wurden. Er hat dann den Bauwerth der Gebäude, wesent- lich den Werth des Baumaterials, zu Grunde gelegt und hat in der sorgfältigsten Weise die bither gezahlten Miethen ermittelt. Darauf- bin hat er sein Gutahten abgegeben. Wir haben diese Ermittelungen, soweit sie uns vorlagen, nachgeprüft und find zu der Meinung ge- kommen, daß, weil sie von sahverständiger Seite ausgeführt find, fie wobl eine sichere Unterlage für die Prüfung der Angemessenheit der Beleihungen geben.

Aba. Peltas ohn (fr. Vgg.) empfiehlt die Aufrechterhaltung des Kommissionsbeshlufses unter Streihung der Worte „unter staatlicher Aufsicht stehenden“. Ursprünglich waren, führt er aus, in die Vorlage die Hypothekenbanken aufgenommen; nachher hat man sie herausgelafsen, und die Begründung \priht ja auch davon, daß die Entscheidung dieser Frage vorbehalten bleiben soll. Es liegt aber kein Grund vor, diefe Entscheidung hinauszuschieben, Die Regierung hat au in der Kommission zuerst gar keinen Widerspruch dagegen erhoben, daß die Hypothekenbank - Pfandbriefe für mündelsicher erklärt werden sollen. Weshalb naher eine Aenderung eingetreten is, darüber ift nichts bekannt geworden. Redner wendet sich gegen die übrigen Anträge, die auch diejenigen Pfandbriefe träfen, welche von nihtôffentlihen

rechtlihen Vereinigungen von Grundbesigern ausgegeben werden, deren Sicerheit aber von niemandem bezweifelt werde.

Darauf wird die Debaite®gezchlossen.

Foy, Gamp erklärt, daß er zu seinem Bedauern, da ihm das Wort “hgt sei, seinen Antrag für die zweite Lesung zurüd- ziehen müsse.

In namentlicher Abstimmung wird die Mündelsicherheit für die Pfandbriefe der Hypothekenbanken mit 159 gegen 127 Stinimen abgelehnt. Für dieselbe stimmen die bei Es Gruppen und die Nationalliberalen eshlofsen, erner die wenigen anwesenden Polen und der atólare Theil des Zenirums; gegen die Mündelsicherheit stimmen die Konjer-

vativen und die Freikonservativen mit wenigen Ausnahmen.

„Zu ¡Mrke 75, betreffend den Gemeindewaisenrath , be- antra

Abs Dr. Wiemer (fr. Volksp.) einen Zusaß, wona au Frauen zu diesem Amte berufen werden können, wie se schon zur Unter- stüßung der Gemeindewaisenräthe als Waisenpflegerinnen berufen werden fönnen. Die Auffiht über die Erziehung der Kinder liege viel besser in der Hand von Frauen als in der von Männern.

Justiz-Minister Schönstedt:

Meine Herren! Ih bin mit dem Herrn Vorredner der Ansicht, daß die Frauen auf dem Gebiet der Waisenpflege die trefflichsten Dienste leisten können, und ich habe die Ueberzeugung, daß sie die Aufgabe, die ihnen der Entwurf zuweist, zur Unterstüßung des Waisen- raths als Waisenpflegerinnen wirken zu können, in verdienstvoller Weise lösen werden. Aber ich möchte doch aus den Gründen, die in der Komnmission erörtert worden find, und die heute der Herr Antragsteller wiederholt hat bei der vorgerüdten Zeit enthalte ih mich, weiter darauf zurückzukommen —, bitten, es bei dem Kommissionsbes{lufse zu be- lassen. Ih meine, wir müssen, wenn wir die ersten Schritte thun, die Frauen auch in das öôffentlihe Leben einzuführen, doch dabei nicht gar zu rash vorgehen und erst weitere Erfahrungen auf diesem Gebiet sammeln. Gegenüber ‘einer Besorgniß, die der Herr Antragsteller an- gedeutet hat, möchte ih glauben, daë, wenn wir nachher zu Hause unseren Frauen erzählen, der Gntwurf sei aufrecht erhalten, unsere Frauen uns das niht zum Vorwurf machen werden. (Heiterkeit)

Abg. Bröse (kons.) empfiehlt die Annahme des Kommissions- beschlusses; die Frau gehöre nicht in das öffentliche Leben.

Abg. Dr, Langerhans (fr. Volksp.) hält es für zweckmäßig, die Frauen zu vollberechtigten Mitgliedern der Waisenräthe zu machen.

Abg. Broemel (fr. Vag ) bedauert, daß man hierbei dem Grund- saße huldige: Nur immer langsam voran. Zur Gewerbe-Inspektion habe man in anderen Staaten längst Frauen herangezogen, ehe man in Preußen überhaupt nur den leisesten Versu damit gemaht habe.

Justiz-Minister Schönstedt:

Meine Herren! Der Entwurf der Kommission ift nicht, wie der Herr Verredner meinte, von Mißtrauen gegen die Frauen ein- gegeben, sondern er ist im Gegentheil ein Zeichen und Beweis eines weitgehenden Vertrauens. Es wird hier der Frau ein Recht verliehen, was sie bis dahin niht hatte, und wenn der Herr Abg. Dr. Langerhans vorhin erwähnt hat, daß diese Bestimmung eine Beschränkung des bestehenden Rechts bringe, so befindet er sih damit in einem Irrthum. Nach der bestehenden Vor- mundshaftsordnung war es nicht zulässig, weibliche Personen zu Waisen- räthen oder Waisenpflegerinnen zu ernennen. Dies is} der erfte Schritt auf diesem Gebiet, und wenn der Herr Abg. Broemel dabei den Vor- wurf gegen die preußische Regierung erhoben hat, daß sie immer in der- artigen Fragen rückständig set, sih von anderen Staaten übertreffen laffe, dann glaube ih, auch diesen Vorwurf zurückweisen zu dürfen, und ganz speziell in der Anwendung auf die vorliegende Bestimmung. Gerade der preußishe Entwurf ist es gewesen, der den ersten Schritt gethan hat, diese Mitwirkung der Frauen in der Waisenpflege herbeizuführen und zu ermöglihen. Wenn nicht der preußishe Entwurf mit diesem Beispiel vorgegangen wäre, dann würde wahrs{einlich kein einziger anderer deutsher Staat eine solhe Beftimmung in seinem bezüglichen Gntwurf aufgenommen haben. Jeßt ift ihm eine Reihe anderer Staaten gefolgt; aber kein einziger Staat is weiter gegangen als Preußen. * (Bravo ! rehts.)

Abg. Lohmann-Ottweiler (nl.) spricht seine Verwunderung darüber aus, daß man auf der rechten Seite des Hauses gegen den Antrag sei.

Der Antrag Wiemer wird darauf gegen die Stimmen der Freisinnigen und der meisten Nationalliberalen abgelehnt. Artikel 75 wird unverändert angenommen.

Artikel 84 betrifft die Gerichtskosten. Abg. Schmiß- Düsseldorf (Zentr.) beantragt, für die Eröffnung einer Ver- fügung von Todeswegen nur 5 Zehntheile der bollèn Gebühr zu erheben.

Justiz-Minister Schönstedt:

Ih bedaure, dem Antrage widersprehen zu müssen. Er ist vielleicht aus einer guten Idee hervorgegangen, aber er dürfte fich zur Annahme kaum empfehlen. Die Frage ist in der Kommission ein- gehend erörtert worden. Die Königliche Staatsregierung hat gerade auf dem Gebiete der Gebühren für leßtwillige Verfügungen ganz ers hebli&2 Konzessionen gemacht, und sie war der Meinung, daß damit genug gesehen sei, daß innegehalten werden müsse. Wir sind in der Nichtbekämpfung der Kommissionsbeshlüfe weiter gegangen, als der grundsäßlihen Auffassung der Staatsregierung bei Einbringung des Entwurfs entsprach. Für die Errichtung und Eröffnung öffentliher Testamente sind die Gebühren bereits herabgeseßt worden, für die Eröffnung .auf die Hälfte.

Für die Eröffnung eigenhändiger Testamente hat man die vollen Gebühren beibehalten aus einem doppelten Grunde: einmal aus dem Grunde, der von dem lebhaftesten Gegner der eigenhändigen Testamente mit besonderem Nachdruck vertreten wurde, weil man sie nicht begünstigen wollte mit Rücksicht auf die Gefahr, die darin liege; zweitens auch des halb, weil, vom fiskalishen Standpunkt aus betrachtet, das öffentliche Testas- ment der Staatékasse ohnehin eine größere Einnahme bringt, wie das eigenhändige Testament. Bei dem öffentlichen Testament fallen der Staatskasse shon die Beurkundungsgebühren zu, die beim eigenhändigen Testament entfallen. Deshalb glaubte man au in der Kommission, daß kein Grund vorliege, die Herabseßung der Eröffnungsgebühren, die für die öfentlihen Testamente zugestanden ist, auf die eigen händigen Testamente auszudehnen.

Meine Herren, ih möchte bitten, mit Rücksicht - auf die auch. von der Kommission anerkannte grundsäßlihe Stellung, daß Aenderungen in den Kostensäpßen, die niht in unmittelbarem Zu-- sammenhang mit den Neuerungen des Bürgerlichen Geseßbuchs stehen, in das Gesetz nicht hineingebraht werden sollen, den Antrag abzu-. lehnen. Im allgemeinen darf ih dazu bemerken, daß auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit nah den statistishen Grmittelungen

der Staat nit mit Nugen arbeitet, sondern au da noch zuseßt.