1831 / 19 p. 3 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Wed, 19 Jan 1831 18:00:01 GMT) scan diff

dei i R O m R R A Zie M n C R o O: Ci R Arn O I S u

158

nicht übereilen, es sey vielmehr nothwendig, erst über Alles, was derselben vorangehen müsse, im Klaren seyn, und, stimm- ten endlich dem Antrage der Central - Section bei; weil in Gemäßheit desselben erst genaue Erkundigungen bei- den ver- schiedenen Höfen eingezogen werden sollen.

Jn der geftrigen Lana trug ein Bittsteller darauf au, daß die Herrschaft Über Belgien dem Papste Übertragen wer- den môge. Man schritt darauf zur Fortsesung der Diskus- sion vom vorhergehenden Tage, bei der zunächst Hr. v. R o- baulx das Wort nahm und sih gegen die Erwählung des Prinzen Otto von Baiern aussprach, weil man jet einer starken und fräftigen Hand zur Führung des Staatsruders, nicht aber einer Fortsebung des Provisoriums bedürfe, das nur seinen Namen ändern und si „„Regentschaft‘/ nennen würde. Er tadelte das Verfahren des Grafen v. Celles, der ohne Wissen der Versammlung in Paris über den Her- zog von Leuchtenberg habe Erkundigungen einziehen lassen. Man hâtte, sagte er, mit etwas mehr Würde in Bezug auf Franfreich zu Werke gehen sollen. Die gegen den Köbuig Ludwig Philipp - begangene Unschick.¿chfkeit sey nur dadurch wieder gut zu machen, daß der Kongreß eine Deputation an den König der Franzosen sende, die sih amtliche Kenntniß von den Gesinnungen Sr. Maj. zu verschaffen suche. Herr Gendebien, Mitglied der provisorischen Regierung, trat abermals zur Rechtfertigung derselben auf. Er zählte Alles her, was die Regierung bisher gethan habe, und nahm alle Handlungen derselben in Schuß. Alsdann fuhr er fort: „Ich kehre zur Sache zurück und will die eigenen Worte des Königs anführen, obgleich es niht parlamentarish ist; aber ih habe Sie von einem volfsthümlichen Könige, von dem ersten Dürger einer großen Nation zu unterhalten und will Ihnen also seine eigenen Worte mittheilen. Als ich davon sprach, daß einer seiner Söhne vom National-Kongresse mit großer Majorität oder gar einstimmig erwählt werden könnte, erwiederte er: ;, „Herr Gendebien, Sie sind Vater einer Fa- milie, die fast eben so zahlreih ist, als die Meinige, Sie kfônnen also beurtheilen, wie sehr Mich dieser Be- weis des Vertrauens rühren wúárde. Als Familien-Vater würde Jh Mich dadurch geschmeichelt fühlen, als Bürger fönute Jh Jhnen die Versicherung geben, daß feine bessere Wahl getroffen werden töunte. Die freisinuige Er-

ziehung Meines Sohnes, so wie scin Charakter, würde das -

Glück und die Unabhängigkeit Belgiens - verbürgen; aber Meine. politische Stellung verpflichtet Mich, diese Wahl un- widerruflich abzulehnen, wenn Jch nicht cinen allgemeinen Krieg entzünden und von Meinen Zeitgenossen, so wie von der Geschichte, des Ehrgeizes beschulzigt werden will.//// Der König fügte hinzu: „„„„Um Jhnen einen Beweis von der Sym- pathie Frankreichs für Belgien, die Jch theile, zu geben, sage

Ich, daß, wenn ' Jhre Unabhängigkeit jemals angegriffen

werden sollte, Jch keinen Augenbli Austand nehmen würde, Mich an die Spibe Meiner Armce und der Nation zu stellen, vm Jhre Freiheiten zu vertheidigen , sollte auch ein allgemeiner- Krieg die Folge davon seyn. //“/ Herr Gendebien erzählte serncr, welhe Schritte er bcim Minister der auswärtigen Angelegenheiten gethan, der ihn stets auf die Worte des Königs verotesen hätte; dennoch habe er uíchts gegen die beabsichtigte Ernennung - vou Kommissaxien einzu- wenden, denn angenommen, daß Ludwig Philipp nochmals eine abschlägige Antwort ertheile, so würde dieselbe nichts Entehrendes für Belgien haben. Schließlich sprach sich der Red- ner entschieden für den Prinzen Otto von Baiern aus und suchte alle die Vortheile hervorzuheben, welche durch die Vermählung desselben mit einer Französischen Prinzessin und- durch seine Verwandtschaft mit mehreren Deutschen Regenten-

häusern für Belgien um so schneller hervorgehen wür-

den, als an einer baldigen Anerfenuung desselben durch die meisten / der großen Mächte nicht zu zweifeln sey. Der Graf Felix v. Merode betrat die Rednerbúhne, die von Hrn. Gendebien so eben verlassen worden war, und sprach sür die Erwählung des Prinzen Otto von Baiern,

meinte jedoch, daß der Widerwille, ten der Kdnig Ludwig

Philipp gegen die Erwählung des. Herzogs vou Leuchtenberg hege, wohl nicht unüberwindlih seyn dürfte. Er {loß mit einer Beschwerde darüber, daß der Kongreß so viel Mißtrauen gegen die provisorische Regierung zeige. Herr- v. Theux de Meylandt war gegen die Sendung einer Deputa-

» tion” des Kongresses an bie Hôfe von London und Paris,

weil man dadurch ein Mißtrauen in die diptomatischen Abgesandten, die sih bereits dort befänden, zeigen würde, Herr vou Gerlache sagtèé: „, Weder die Ertheilung der Constitution, mit deren Abfassung wir beschäftigt sind, noh die Anwesenheit eines Fürstea, „den wir erwählen wol- len, wird unseren. Veilegenheiten abhelfen, Was uns zu

Grunde richtet, das ist die Ungewißheit, in“ der unsere Zu-,

funft schwebt, die" Sperrung der Schelde und die Stockung des Handels. Wird die Schelde nicht bald- geöffnet, und be- lebt jh unser Gewerbfleiß niht wieder, so ist Belgien auf ewig verloren. Was is also das Wichtigste für uns, was zunächst zu thun? Die Blokade der Schelde müssen wir aujheben! Die Erwählung eines Souve- raias, besonders aber die des Prinzen Ôtto, dúrfte noch fein Beweggrund für Holland seyn, uns diesen Strom frei- zugeben. Man schlägt den Herzog von Leuchtenberg vor, al- lein Frankreich würde uns niche anerfenuen, wenn wir ihn erwählten; man will dem Känige der Franzosen , dem Her- zoge von Nemours die Krone anbieten, allein unsere Aner- bietungen werden zurückgewiesen. Man verlangt endlich sogar die Zurückberufung des Prinzen von Oranien. Nur die Lang- jamkeic unsers diplomatischen Comité hat alle diese Wünsche hier und dort ausfommen lassen. Dieser Langsamkeit muß endlich ein Ziel geseßt werden, und aus diesem Grunde spreche ich mich gegen den Antrag der Central - Section aus.‘ Der Abt von Foere sprach sich ebenfalls gegen die Ab- sendung von besondern Kommissarien aus, welcher Meinung später auch der General-Prokurator van Meenen beitrat. Derjelbe Deputirte äußerte auch, eine Vereinigung dex Bel- gier mit den Franzosen halte er schon deshalb für unzwe- mäßig, weil unter beiden Nationen eine große Verschieden-- heit von Sitten und Charakter statcfände; auch würde die Französische Regierung, auf Belgien angewandt, nichts werth seyn. Gegen die Erwählung des ‘Prinzen Otto von Baiern erklärte er sich, weiler die Regentschafren nicht liebe undargivöhnen müsse, day Franfreich noch etwas im Hintergrunde habe, wenn es diejen Prinzen empfähle. Auch protestirte er gegen alle Beschrän- kung der Wahl von Seiten Frankreichs und empfahl daher die Ecwählung des Herzogs von Leuchtenberg. Der Baron von Stassart fam auf seinen frühern Vorschlag zur An- schließuüg Belgiens an Frankreich unter, einer besondern Ver- fassung und einem besoudern Vice-Könige zurü, und meinte die Französische Regierung könnte vielleiht sehr bald ihre dermalige Ansicht ändern. Hr. Maclagan (aus Ostende) versuchte es, darzuthun, daß einzig und allein die Erwählung des Prinzen von Oranien dem Lande zum Heil gereichen könne. Kaum atte er es j2doch ausgesprochen, als von mehreren Seiten der Ruf: „„Zur Ordnung!“ und „Herunter, heruncer mit ihm“ ersol. Der Präsident sagte: ¿Herr Maclagan hat wahrscheinlich vergessen, daß der Kongreß die Familie Nassau [ur {mmer auëgeschlossen hat.‘/ Herr Rodenbach rief: ¡Herr Maclagan ijt ein Engländer; man muß ihn zur Ord- nung verweisen“ Der Präsident that dies, gestattete jedoch dem Herrn Maclagan, sich näher expliciren zu dürfen. Als diejer uun sagte, es sey nothwendig, daß der Kongreß: auf seine frühere Entscheidung zurúcffomme, damit die ab- zujeudeuden Kommissarien ganz freie Wahl hätten , be- gann das Geschrei aufs neue, und: der Redner stieg von der Tribune herab. Nach ihm sprachen sih noch die Herren David, Raifem, Pirson, Joseph v. Hoog- vors, v. Haerne, v. Huddeghem, Meeus und De- vaux in sehr verschiedenem Sinne aus, ohne daß es jedoch zu einer Entscheidung fam. Der lebte Redner empfahl die Erwählung des Prinzen Leopold von Sachsen-Koburg.

Die provisorische Regierung hat angeordnet, daß die Zin- sen derjenigen Junscriptionen der Niederländischen wirklichen Schuld, welche im Nebenbuche von Brüssel eingetragen find und daher in Amsterdam nicht bezahlt werden, vom 1. Febr. ab in Brüssel ausgezahlt werden sollen.

l 1 0 1.1, Krakau, 13. Jan. Der hiesige Courier meldet:

/ 7-Dieser Tage ist auf Verlangen der von den drei Shubmäch-

ten hier befindlichen Residenten das Kuratorium der Kras fauer Schulenverändert und der hohe Universitäts-Rath , in welchem “als Regierungs - Kommissarius“ der Senator Gro- dzicki präsidiren joll, wiederhergestellt worden. Die hiesigen Akademiker haben-auf die Nachricht , daß unter ihrem Na- men eine Kollekte zur Absendung nah Warschau gesammelt werde, öffentlich erklärt, daß sie. Niemand aus ihrem Schooß "fauisvagt hätten, sihch einem solchen Geschäft zu unter- ziehen. i S g Demselben Blatte zufolge hat sih der dortige Kai- serl. Russische Konsul Zarzecki von dort nah Wien begeben, wo er auch bereits angelangt ist. j

Eben dieses Blatt. enthält folgenden Artikel: „Am.

7tea d. M. gegen 9 Uhr Abends zeigte sih an der mitter- nächtlichen Seite unseres Horizonts ein ungewöhnliches Phá-

Beilage

159 Beilage zur Allgemeinen Preußishen Staats-Zeitung F 19.

nomen ; Feuersäulen von brennender dunkelgelber Farbe er-

füllten in verschiedenen Gestalten den Himmel, veränderten

“ihre Lage uñd nahmen zuleßt eine blutrothe Farbe an. Das

Volk sah dies als ein Wahrzeichen großen Unglücks an, stúrzte sich shaarenweise nah dem Florians - Thor zu und flehte s{hluhzend vor dem Bilde der heiligen Jungfrau um Rettung Polens aus der gegenwärtigen Bedrängniß.//

Am 9ten d. ging hier durch Esfaffette eine Ab- \chrift des von den Reichskammern bestätigten Polnischen Manifestes ein, welches in einer Sißung vorgelesen wurde; der Landbote Swidzinsfki soll der Verfasser davon syn. Der Courier vom gestrigen Datum theilt dasselbe vollständig mit.

Heinrich Dembinski, Befehlshaber der beweglichen Garde

in der Wojewodschaft Krakau, und Graf Anton Lanckoronsfki,

welcher ein Corps freiwilliger Kavallerie organisirt, haben im Courier Proclamationen an ihre Mitbürger erlassen, worin

sle diesclben zu thätiger Unterstüßung auffordern.

Das genannte Blatt giebt auch cinen kurzen Lebens- abriß des Dichters und Staats-Secretairs Julian Ursin Niemcerwoicz, welcher anfangs Mitglied der provisorischen Regierung war, nachher aber durch eine Krankheit, von der er

‘jedoch jeßt wiederhergestellt ist, verhindert wurde, ferner an

den Staatsgeschäften Theil zu nehmen. Seine politische Laufbahn begann derselbe als Landbote für die Stadt Liw,

in der Wojewodschaft Masowien , auf dem Reichstage von

1788. In der Sißung des 27sten Januar 1792 sprach er sehr heftig gegen die Vertheidiger der Conföderation von Targowica und diente dann im Jahre 1794 in dén Reihen Kosciuszko’'s. Jn der Schlacht bei Maciejowice gefangen ge-

nommen, wurde er nach Petereburg abgeführt, wo er in der Fe- |

stung zu Stk. Peter u. Paul bis zum J. 1796 als Gefangener blieb, Kaiser Paul T. begnadigte ihn, und nun folgte er Kosciuszko nach Amerika. Als er im Jahre 1802 wieder nah Warschau zu- rückgekehrt war, bereicherte er das von Mostowsfi herausge-

gebene Werk: „Auswahl aus Polnischen Autoren// mit zwei / maud sei J Theilen seiner poetischen und prosaischen Geisteserzeugnisse. | peinlichen Fällen , entzogen werden , es sey denn auf dem “e at

In Paris, wo sich. Niemcewicz im Jahre 1803 aujhielt, wurde ihm von dem Gesandten des Kaisers von Rußland

ein Amt angeboten, welches er jedoch damals ablehnte und

1804 noch einmal nach Amerika reiste, wo er mehrere Jahre blieb, bis er, nah der Besiknahme Polens durch Napoleon, wieder in die Dienste seines Vaterlandes zurückkehrte. Nach- dem Alexander das Königreich Polen wiederhergestellt hatte, wurde er zum Staats-Seeretair befördert, erwarb sich jedoch von nun an mehr als Dichter, denn als Beamter, seine Be- rühmtheit. Jeßt befindet er sich außerhalb Warschau?s, um durch Ruhe und Entfernung von Staats -Geschäften seine gestôrte Gesundheit wieder zu beleben.

Deutschland.

Kassel, 14. Jan. Gestern Abend hatte im hiesigen Abend-Verein- auf dem Stadtbau zur Feier der verkündigten Verfassung ein glänzender Ball statt, welhen Jhre Königl. Hoh. die Kurfürstin und Jhre Hoh. die Prinzessin Karoline mit Jhrer Gegenwart zu beehren geruhten.

Se. Hoheit der Kurprinz ist nach Fulda abgereist.

Ka sel, 9. Jan. Nachstehendes ist die Fortseßung der in Nr. 16. der Staats-Zeitung abgebrochenen Verfassungs- Urkunde für Kurhessen :

Achter Abschnitt. Von den obersten Staats -Be-

drden. §. 106. Für die Staats - Angelegenheiten werden als

dchfie Behbrden nur bestehen das Gesäammt-Staats-Ministerium.

und die Vorstände der Ministerial - Departements. Durch diese wird der Regent in der unmittelbaren AusUbung sciner Regie- rungsrechte unterstüßt. §.-107. Die einzelnen Zweige der Staats - Verwaltung: die Fustiz, das Fnnere, worunter auch die

olizei - Verwaltung in ihrem ganzen Umfange begriffen ist, das

inanzwesen, das Kriegswesen, so weit solches niet für den Lan- desherrn als obersten Militair - Chef Ee eS gehört , und die en Angelegenheiten sind hinsichtlich dexr Kompetenz fiets sorgfältig von einander abgegränzt zu halten. Keines dieser Departements darf jemals ohne einen verantwortlichen Vorstand seyn. Ein solcher kann zwar zwei Ministerial - Departements, jedoch nicht mehrere zugleich verwalten. Er bleibt aber stets für jedes derselben besonders, so wic überhaupt hinsichtlich der zum Staats-Ministerium kommenden Angelegenheiten seines Departe- ments (vergleiche §. 110), auch dann, wenn er darüber nicht selbs den Vortrag gehalten hat, verantwortlich. §. 108. Der Vor- stand eines jeden Ministerial-Departements hat die- vom Regen- ten in Bezug auf die Regierung und Verwaltung des Staates ausgehenden Anordnungen und-Verfügungen, welche in sein Depar-

tement cinschlagen, zum Zeichen, daß die betreffende Angelegenheit auf É A DIER Cie Weise behandelt worden sey, zu kontrasigniren und ist für die Verfassungs- und Geschmäßigkeit ihres Fnhalts persönlich verantwortlich. - Hinsichtlich derjenigen Angelegenheiten , welche mehrere oder sämmtliche Departements betreffen, haben deren Vorstände gemeinschaftlich zu kontrafigniren, und zwar mit per- sönlicher Verantwortlichkcit eines Jeden für die Gegenstände sei- nes Departements. Durch die gedachte Kontrasignatur erhalten solche Anordnungen und Verfügungen allgemeine GlaubwÜrdig- keit und Vollziehbarkeit. §. 109. Für die wichtigeren Ange- legenheiten der Geseßgebung können Vorstände der oberen Staats- behörden oder sons vorzüglich geeignete Staatsdiener durch das einshlägige Ministerial - Departement außerordentliche Aufträge zur Vorbereitung der Entwürfe 2c. erhalten, auch von demselben zu den betreffenden Berathungen zugezogen werden. F§. 110. Die Vorstände sâmmtlicher- Ministerial - Departements, zu wel- chen nach Ermessen des Landesherrn noch andere besonders be- rufene Staatsdiener hinzutreten, bilden das Gesammt - Staats- miniferium. Dieses hat alle Staats - Angelegenheiten , welche der landesherrlichen Entschließung bedürfen , oder in scinen Siz- zungen wegen ihrer Wichtigkeit von Seiten der Ministerial - De- partements zum Vortrage gebracht werden , zu berathen. Fn au- ßerordentlichen und zugleich dringenden Angelegenheiten des aus- wärtigen so wie des“ Kriegs - Departements können die betreffen- den Vorfiände die landesherrliche Beschlußnahme, ohne vorgängige Berathung im gesammten Staatsministerium, einholen. §. 111. Das Gesammt -Staatsministerium hat Über die Beschwerden ge- en Ministerial- Beschlüsse und Über erhobene Zweifel hinsicht- briden gegenseitigen Kompetenz einzelner Ministerten zu ent- »ciden. Neunter Abschnitt. Von der Rechtspflege. §. 112.

| Die Rechtspflege soll von der Landes-Verwaltung fernerhin auf

immer getrennt scyn. §. 113. Niemand kann an der Betretung und Verfolgung des Rechtsweges vor den Landes - Gerichten ge- hindert werden. Die Beurtheilung, ob eine Sache zu Gerichts- Verfahren sich eigne, gebührt dem Richter nah Maaßgabe der

| allgemeinen Rechtsgrundsäße und solcher Gesetze, welche mit Bei- | flimmung der Landfiände werden erlassen werden. §. 114. Nie-

maud darf scinem geseßlichen Richter, sey es in bürgerlichen oder

inäßigen Hege nach den Grundsäßen des beftchenden Re durch das zusländige obere Gericht. Es dürfen demnach gußer- ordentliche Kommissionen oder Gerichtshdfe, unter welcher Be- nennung es sey,-nie eingeführt werden. Gegen Civil - Personen findet die Militair - Gerichtsbarkeit nur in dem Falle, wenn der Kricgs-Zustand erklärt ist, und zwar nur innerhalb der gescblih bestimmten Gränzen , statt. Würde die Zahl der gewöhnlichen Mitglieder des zuständigen C erichts für außerordentliche und dringende Fälle (z. B. bei dôffentlichen M E nicht hin- reichen, um solche gehôrig und mit der nöthigen Beschleunigung zu behandeln; #0 soll alsdann durch das Justiz - Ministe- rium die erforderliche Beihülfe durh hinzutretende Mitglieder anderer Gerichte verschaft werden. §. 115. Riemand darf anders, als in den durch die Gesetze bestimmten Fällen und For= men, zur gerichtlichen Untersuchung gezogen, zu gefänglicher aft gebracht, darin zurückgchalten oder gestraft werden. Jeder Ver- haftete muß, wo möglich, sofort, jedenfalls binnen den nächsten 48 Stunden,- von der Ursache sciner Verhaftung in Kenntniß escht und durch einen Gerichtsbeamten verhört werden. Ge- \ ah die Verhaftung nicht von der zum weiteren Verfahren zu- ständigen Gerichtsbehörde; so soll der Verhaftete ohne Verzug an diese abgeliefert werden. §. 1i6. Jeder Angeschuldigte soll, wofern nicht dringende Anzeigen eines schweren peinlichen Verbrechens wider ihn vorliegen, der Regel nach gegen Stellung einer angemessenen, durch das Gericht zu bestimmenden Caution seiner Haft ohne Verzug entlassen werden. Alle Urtheile Über politische und Preß- Vergchen sollen mit den Entscheidungsgrün- den dffentlich bekannt gemacht werden, o weit niht etwa eine Begnadigung des Verurtheilten erfolgt , oder etn ivat - Belei- digter dagegen Widerspruch einlegt , auch nicht ein dffentliches Aergerniß daraus entsichen würde. §. 117. “Die Haussuchung findet nur auf Verfügung des u Gerichtes oder der Orts - Obrigkeit in den acseblich estimmten Fällen und Formen siatt. §. 118. Keinem Angeschuldigten darf das Recht der Be- \{chwerdeführung während der Untersuchung, das Recht der Vertheidigung oder der verlangte Urtheils\spruh versagt wer- den. §. 119. Der Verhaftete ist berechtigt, unter der ceigneten gerichtlichen Aufsicht mündlich oder orie Über seine Familien - Angelegenheiten mit seinen Angehdrigen sich zu enchmen, auch während der Untersuchung aus seinen eigenen Mittela bessere, als : die gewdhnliche, Kos sich zu verschaffen. Wegen Mißbrauches oder aus sonstigen wichtigen Gründen kaut diese Berechtigung vom Gerichte untersagt werden. §. 120. Damit eine unparteciische , e uo unverzögerte Rechtshülfe erwartet-werden könne, soll die Zahl der Mitglieder der Gerichte eschlih bestimmt und jedes Gericht vollständig been Jenn. L 121. - Das Ober- Appellationsgericht wird nur aus w rflichen Râthen bestehen, die Ober - Gerichte sollen wenigstens zu zwei