1831 / 55 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

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an den beiden lesten Tagcri in der Hauptstadt zugetragen. ¿„Dhne Zweifel//, äußerte er, „werden Sié, m. H., die Be- sorgnisse theilen, die diese Ereignisse mir einflôgen , und Sie werden es einem Deputirten des Seine-Departements nicht úbel deuten, wenn er sih bei diesem Anlasse zum Dollmet- scher der Kammer macht. Da die Unruhen noch fortdauern, so beschränke ih mich darauf, einige Notizen über den Ver- lauf derselben zu verlangen. Sobald aber die Ruhe wieder hergestellt seyn wird, werde ih. auf ausführlichere Mitth-i- lungen über die Ursachen jener Ereignisse antragen und auf die Maaßregeln hinweisen, die man hätte ergreifen sollen,

um ihnen vorzubeugen. ‘“ Der Minister des öffentli- | 10 Minuten fehrten aber alle wieder zurü, und man erfuhr | jeßt, daß ein Detaschement der National-Garde einen Volks-

chen Unterrichts besileg hierauf, mic zwei Zeitungsblättern in 4 Hand» die Rednerbühne und äußerte sich folgender- maßen :

¿Die Aufforderung des vorigen Redners veranlaßt mich zu folgender kurzen Erklärung. Zwei Fournale, die Quotidienne

und die Gazette de France, hatten dem Publikum angekündigt,

vas die Regierung schon aus guter Quelle wußte, daß man näm- lich den Pfarrer an der St. Rochus= Kirche ersucht hatte, eine Todtenfeier zum Andenken des Herzogs von Berry zu veranstal- ten. Eine Regierung, meine Herren, die von ihrer Nationalität durchdrungen is, wird gewiß. nicht danach streben, eine strenge Herrschaft Über irgend eine religidse Feier auszuüben; doh war es erwiesen, daß der Parteigeist und der Haß gegen unsexe Fa- stitutionen sich jener Feier nux als eines Vorwandes bedienen wollten, um die politischen Leidenschaften aufzuregen und den Samen der Zwietracht auszustreuen; die Regierung mußte sich also in die Sache einmischen ; da indessen das Gese ihr nicht er- laubte, irgend eine Präventiv-Maaßregel zu ergreifen, so schritt sie in moralischer Weise ein. Jch wandte mich an den Erzbischof, um ihm begreiflich zu machen, von welchen nachtheiligen Folgen die in den Zeitungen angekündigten Vorbereitungen für die öffentliche Ruhe seyn könnten; ih wies darauf hin, wie es augenscheinlich sey, daß. man nicht sowohl eine religidse Feier, als einen Aufruf an die politischen Leidenschaften im Sinne habe. Hiermit noch nicht zufrieden, ließ ih den Pfarrer an der St. Rochuskirche zu mir kommen und machte ihn mit meinen Ansichten vertraut. Dieser Geistliche, ih muß es zu seinem Lobe sagen , fühlte yoll- kommen, daß, wenn ér sein Gebet denen {uldig sey, die cin solches von ihm verlangen, er doch seine Hände dazu nicht bie- ten dürfe , sobald dieses Gebet den Charaïter cinex dentlichen Herausforderuug annehme. Was geschah hierauf? Diese Da- pu entun fe: der Regierung in den Gränzen des Geseßes wurde entlich betanut, und am folgenden Tage las man in der Quo- tidienne folgende Anzeige: -//-Die Regierung hat die jährliche Dodtenfeter verbieten lassen, die heute in der St. Rochus-Kirche dem Andenken des Herzogs von Berry gehalten werden - soUte. Wir weisen diesen Akt der Behörde vor den Richterstuhl des dentlichen Gewéssens.//// An demselben Tage erblickte man an den Thüren der St. Rochus = Kirche {wei Fndividuen, die den Ankommenden anzeigte , daß sie sich nach der Kirche Stk. Ger- main l'Auxerrois zu begeben hätten. Hier zerriß der Parteigeisi den Schleier, womit er sich bis dahin bedeckt hatte. Strafbare Handluttgen wurden begangen, und sofort ercilte auch die Macht

des Gesehes diejenigen, die ofenkundig_ an jenen Haudlungen

Theil genommen hatten. Weil nun Verhaftungen siattgefunden habet und ein F UIG e Verfahren eingeleitet worden ist, S fe S Se, LRE vet f tuch anu fle cs sich mcht versagen, Jhüen, m. H. , bemerklich zu máächen , daß dite im Juli überwundene Partei K aufs neue Lk regen. beginut , daß ste das beharrliche Ea etten der Regie- rung auf dem Wege. des Geseßes für Schwäche hält, während sie darin allein das Gefühl der National - Kraft und den. festen Willeit exkennen sollte, | ¡e geseßlichen Gränzen niemals zu über- schreiten. Wenn die Aufrührer mir neuen Pläuen. exrvortreten sollten, so mögen fie erfahren , daß die Regierung von dem Ge- ché nie verlangen wird ,' was das Geseh ihr verweigert; daß sie lich aber auch mit all der_ Macht bekleiden wird, die das Geseß ihr verleiht. “Es sind Frevel“ begangen worden, und sie werden aicht_unbéfirgft bleiben. Dies war dié Erklärung, die ih abzu- eben hatte; die Neg) rang kenut den ganzen: Umfang ihrer Pflichten und wird. sich „bemühey, sie zu exfillen,-/

__ Als: nah „Beendigung. dieser Rede Hr. Mauguin das Wort verlangte, bemerfteder Präsident, es sey gebräuchlich ah „daß, wenn ein, Deputirter von dem Ministerium Ausschlä}e, perlangen wolle, er vorhex_ den. Tag ankündige, an „weichem er solches. zu thun beabsichtige. Da nun. Hr. Salverte exklärt habe, daß er zur gelegenen Zeit ausfühuli- chere, Erklärungen gls die jeßige, pon den'Ministern begehrea; wolle, so môchte es. wohl, angemessen. seyn, diesen Zeitpunkt abzuwakten, bevor man. ih in eine, Erörterung über den be- regtén Gegenstand einlasse. Diese Aeußerung veranlaßte zwei Mitglieder der linken Seite zu der Bemerkung, daß. der: Prô-. sident“ ge\ Blich ¡feine Meigung abgeben und nicht. mit berath-. ichlagen dürfe Hr. Cas. Périer erwiederte, daß dies- auch: nicht seine Absicht sey; er- habe nur die Versammlung darauf aufmerksam machen. wollen, ob es nicht besser“ sey, Hrn. Mauguin erst an dem. Tage das Wort zuzuerkennen, wo

Hr. Salverte „neue Auf]chlüße verlangen und das Ministe-.

ung eigentlich Stillschweigen beobachten; doch |

rium darauf vorbereitet seyn würde. Hr. Mauguin begnüate sich hierauf mit der Erklärung, die Kammer das die Debares nieht als geschlossen, sondern nur als vertagt betrachten; er behalte sih vor, sobald die Ruhe wieder hergestellt worden, ausführlichere Mittheilungen von dem Ministerium zu' for- dern. Die Berathungen über das Municipal-Geseß wur- den jeßt wieder aufgenommen, bald aber durch ein großes Geräusch auf der Straße aufs neue unterbrohen. Mehrere Deputirte der linken Seite verließen ihre Pläbe und begaben sich nah dem anstoßenden Konferenz-Saale, um zu- erfahren, was es draußen gebe, Die Minister entfernten sich ebenfalls, auch der General Lafayette und Hr. Odilon - Barrot. Nach

haufen, dessen Absichten (wie das Journal ‘des Débats be: hauptet) von der bedenklichsten Art gewesen, auseinander ge- jagt habe. Es wurde eíne blau und grüne Fahne, auf deren Knopf man eine rothe Müke geseßt hatte, umhergetragen ; des Fahnenträgers selbst, der in der andern Hand eine Art von Dolch führte, hat than nicht habhaft werden fönnen. Der 19te Artikel des Geseh - Entwurfes wurde unter einer ungemeinen Bewegung in nachstehender, von Hrn. Prunelle vorgeschlagener und von Hrn. Gillon modificirter Abfassung angenommen : : j „Art. 19, Die Municipal- Conseils treten jährlich Amal, am 15. Februar, Mai, August und November, zu- sammen; jede Session kann 10 Tage dauern. Erheischen die zu verhandelnden Gegenstände eine Verlängerung, #0 seßt der Maire den Präfekten davon in Kenntniß. Au- ger jenen 4 Sessionen kann der Maire; sowohl ‘aus eigner Bewegung, als auf den Antrag von mindestens dem vierten Theile der Gesammt-Miktglieder des Conseils, eine außeror- dentliche Versammlung zusammen berufen. Der Maire hat den Práäfeften von dem Zeitpunkte und den Gründen solcher außerordentlichen Versammlungen zu unterrichten.“ __ Herr Marchal trug auf folgenden Zusabs zu diesem. Ar- tifel an: „Die Sibungén der Municipal-Confeils sind dffent- lich, es sey denn, daß 3 Mitglieder die geheime Berathung verlangen. Die Prüfung des - Budgets und des jährlichen Abrethnungs - Abschlusses muß - immer in dffentliher Sißung gejchehew.// Dieser Antrag ‘wurde indeß verworfen: Die 3 nachstehenden - Artikel: gingen -ohne irgend - eine erbebliche

Debatte dur{.

_ ¿Ar t. 20. Der Präfekt oder. der Unter-Präfekc ver- fügt. die außerordentliche Zusammenberufung -der Muníci- pal::Conseils oder giebt auf: den Antrag des Maire seine Zustimmung dazu, so oft das Interesse. der Gemeinde eine jolche Zusammenberufung erheis{cht. In seinen gewöhn- lichen Sißbungen kann. das _Municipal.- Conseil: sich mit al- len Gegenständen beschäftigen, diezu seinem- Ressort gehö- ren. Bei einer außerordentlichen Versammlung darf es sich aber uur denjenigen Gegenständen widmen , wozu es besonders zusammenbevrufen- worden ist. Die Zusammen- berufung fann auch fúr: einen: besondern und bestimmten Zweck auf den Antrag .des - dritten Theils“ der Mitglieder der Municipal: Conseils. verfügt: werden ; ein solcher Äntrag muß direft an den Präfekten gerichtet werden , der ihn uur „mittelst ¿eines motivirten ‘Beschlusses verweigern-darf, und von welchem die Reklamanten an den König: appelli- ren fônneu. Der Maire -führt-in dem Municipal-Con- seil deu Vorsis. Die-Functionen-eines Secretairs- versieht eines der Mitglieder des Conseils, das bei der Erdffnung s die Stimmen «Mehrheit durch ‘Kugelwaht erhält. Art. 21, Das Municipal:Couseil kann nur beratlz- schlagen, wenn die Majorität der Mitglieder zugegen ‘ist. Keinem der in der Gemeinde ansässigen Bürger darf eine Esusicht gu Ort: und Stelle--von den Verhandlungen der Municipal-Conseils verweigert werden“ ¿Ar t. 22. Die Präfekten; Unter - Präfekten , Gene- ral: Secretaire und Räthe der Präfekturen , ferner die in der Gemeinde im Amte befindlichen Geistlichen der verschie- denen Konfessionen, 'die Rechnungsfährer ‘der Gemeinde, so wie, jeder von derselben salaxirte Beamte, kôtinen -nihtr

Miktglieder-:der, Municipal „Conseils ‘seyn: Auch“darf’ -

Niemand zu gleicher! Zeit Mitalied- zweier Municival-Con- feils Rom ‘icher: Zeit Mitglied zweier Miinicipal-Con- ; Die: Versammlung war- während der Berathungen úber diese drei lebten Artikel so aussließlich ‘mit den Auftritten; die fich. um diese Zeit in den Sttaßen der Hauptstadt zutru- en. beschäftigt, daß sie den Rednern fast gar keine Aufmerk- amkeit widmete, Die meisten Bänke waren leer; die Dé: putirten bildeten einzelne Gruppen, die si“ unter einander sehr lebhaft, unterhielten, und. bald“ war dèr Saal so leer;

samsten-FeindenWäff}ff

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daß der Präsident sich genöthigt sah} die Sißbung aufzuhe- e n folgenden Tage: sollte die Diskussion fortgeseßt werden.

Paris, 16. Febr. Vorgestern Abênd und gestérn früh hielt der König cinen mehrstündigen Minister-Rath. Gestern ertheilten Se. Majestät dem Polizei-Präfekten, Hrn. Baude, cine Privat - Audienz. Im Laufe des Nachmittags gingen Se. Majestät mehrere Stunden lang mit den Ministern der Marine, der Justiz und des Krieges auf der Terrasse des Palais - Royal spazieren.

Ueber die Vorfälle des gestrigen Tages enthält der M0- niteur unterm 15. einen Artikel folgenden wesentlichen Ju- halts: „Strafbare Gedanken zu Gunsten der vorigen Dy- nastie haben cinen allgemeinen Unwillen erregt; die Aufreizer

sind sogleich verhaftet worden, und wenn unsere Gesebe und

Juúisstitutionen schwer“ beschimpft worden sind, so sollen ste ge- rächt werden. Juzwischen hat die gestrige Aufregung Unord- nungen herbeigeführt, welche diejenigen , die sich durch etnen gerechten Unwillen haben irre sühren lassen, bald selbst be- dauern werden. Diesen Morgen um 112 Uhr begab sich ein Volkshause, nachdem er die Kirhe St. Germain l’Auxerrois verwüstet und alle dieser Kirche angehörige Gegenstände im Louvre niedergelegt hatte, nah der Himmelfahrts - Kirche in der Straße St, Honoré, um das auf derselben befindliche Kreuz mit den Lilien zu vernihtéèn. Die Natioual - Garde kam noch zur rechtér Zeit herbei, um dieser Haufen zu zer- streuen. Um Mittag zog ein anderer Haufen nach dem erz- bischöflichen Palaste, drang ins Junere dieses Gcbäüdes und warf die Möbel, das Getäfel und Alles, was die Zim- mer desselben schmückte, in den Fluß. Die Menge begann sogar das Dach und die Schornsteine abzutragen. “Heute

Abeñd ist die Stadt ruhig, und Alles läßt füx morgen

vollkommene Ruhe erwarten. Die National - Garde, die den ganzen Tag über auf allen Puikcen versammelt war, wo die Ordnung gefährdet wurde, zeigte sich unermüdlih. Sie be-

woies durch ihre Sprache und ihr festes Benehmen, wie sehr

sie vom Gesühle ihrer Pflichten durchdrungen war ; sie fühlt Umvpillen über ein verrvegenes Attentat, weiß aber auch, daß Gefséße vorhanden sind, daß die Regierung auf strenge Voll ziehung derfelben hält, und daß der entfesselte Zorn des Volts stets Unordnungen erzeugt, welche die cinzige Hoffaung unse- rer ‘Feinde sind. Einige durch h:frige Leidenschaften irre ge: führte ‘junge Leute regen sich, träumen von Umwälzungen und glauben, auf die: Erbitterung einex Bevölkerung rechnen zu dürfen, deren Einsicht sie nicht vollkommen würdigen. Mô- gen heilsame Warnungen sie. am Rande eines Abgründes noch zurückhalten, mögen sie einsehèn, wie viel Verstand und wahren Muth diese National Garde besibt, welche diè Reprä- sentantin unserer großen Stadt" ist. Wie fkfönkten sie hoffen, dieselbé“auch ‘nur einèn' Augenblick zu täuschèn? Die Partei der votigen Régierung, die zur Unobtdnung aufreizt, und die Rußéstdrer , die gerechten Unwillen gern zu ihrem Voöttheil

bemßken möthten, werden dié National - Garde stets ihren |

Pflichteti ‘getreu “befiden. Auf diese \ estßt, fônuen unsere E 6A ‘niemals’ in wirkliche Gefähr ‘geräthen.'/

Der Minister. des Junnern ‘hat* folgende zwei Proclama- tioneuerlassen: -„, Bürger von-Päkis! Achtung vor den öffentlihéèn Denkmälern! Diese Worte werden, an cin: civilisirtes ‘Volt gerichtet , nicht vergebens“ ausgespröthën seym. : Das durch“ feiudselige Denonstrationen gege? unsern

Búrgerkönig und die: Revolution des Juli beleidizte Parifet

Volk“ wird den- so oft erprobten Adel seiner Gesinnungen nicht'verläugnen. Es wird“in die Régierung Verträuen ez- zen, die heute früh mehrere der Hanpttheiltrehßttier*an der ge- stern in der Kirche St. Gexmain l’Auxerrois stattgesundenen, vom Parteigeëist' einigegebênèn, Feier verhaftèt ‘und ken Hän-

den- der: Gerechtigkeit überliefért lat.

P aris; denck15: Februar 1831: i Montalivet.‘ , „Einwohner:-von: Paris ss:

Einw leider nur’ zu begründeter Uniwille - hat: betrübende

Unordnungen veranlaßt. - Die Gerechtigkeit des Königs“ ver-

gessend): haben: Bärger sich? durch fle) selbst Gerechtigkeit: zu

verschaffen zu: müssen?geglaubtund'dadurch nur: unsern grau- i ffen in die: Hände gégeben. Nicht auf solche Art müssen die Erobevuitgen dés Juli vertheidige werde. Achtung vor ‘dem? Gesche “und- Liebe zur Ordnung sind die wahren: Schußwälle der Freiheit. Die Haupt: Anstifter der aufrühverischen, in der KircheSt. Getinain l’Auxerroîis statt- gefundenen Feier sindin den Händen der Gerechtigkeit ; unser Allèr Pflicht? ist jest, das Urtheil,“ das diese‘bald aussprechèn wird, ruhig zua erwarten. Heute fann feine neue Unordnung mehr Entschuldigung finden. Wackere Mitbürger, haltet Euch al!o

fern von den-Gruppen der Aufrührer, die es etwa versuchen möchten, sich auf eivigen Punkten zu bilden. Es is Zeit, daß unaufhörlich erneuerten Aufregungen endlich ein Ziel e- seßt werde, und daß die Energie der bewaffneten Nation, díe durch die bewundernswerthe Pariser National-Garde \o wür- dig repräsentirt wird, mit allen denen, welche den populairen Thron Ludwig Philipp's gern erschüttern möchten, nah Ge- bühr verfahre.

Paris, den 16. Februar 1831.

Montalivet.“

Eine in demselben Sinne abgefaßte Proclamation is auch vom ‘Polizei-Präfekten, Herrn Baude, erlassen worden.

Folgendes is eine Zusammenstellung der von den hiesï- gen Blättern der verschiedenen Farben gegebenen Details über die Unruhen und Verwüstungen des gestrigen Tages : „Jn der vorgestrigen Nacht war Alles ruhig geworden, und um 1 Uhr hatte die National-Garde sih zurückgezogen. Da- gegen rottete sih gestern früh schon um 6 Uhr das Volt abermals zusammen, drang in die Kirche St. Germain l’Au- rerrois, deren Eingaug nur von einer schwachen Abtheilung der National-Garde vertheidigt wurde, und richtete hier, nach- dem die kostbarsten Gegenstände, Kirchen-Geräthschaften, Ge- mälde und Zierrathen nach dem Louvre gebracht worden w«- ren, die furchibarste Verwüstung an, so daß fast nur die vier Wähde stechen geblieben sind und die Kirche zum Gottesdienst viel: leiht für immer untaugl.ch geworden ist. Die erbitterte Voifsmasse zerciß die geistlichen Gewänder, oder legte diesel- ben zum Theil selbst an, und zertrümmerte, die Parisienne singeud, die Kanzel, stürzte die Altäre um, nahm die Heili- gen- Bilder aus ihren Nischen, zerstörte die Kirchen - Bänke und Beichtsiühle, die zuin Theil mit höchst kunstvollem Schnib- werk verziert waren, riß die reichen Vorhänge des Chors her- ab, furz, sie verschonte nichts. Der Verlust ist auch für die Kunst unerseßlich ; die Gräber, die Bildsäulen, das Gemälde des Haupt- Altars, die prächtigen gemalten Fenster-Scheiben uhd ein Theil der Orgel, sind nebst den vier Wänden Alles, was von dieser im schönsten gothischeu Style gebauten Kirche, einer der ältesten Frankreichs, übrig ist; sie war cin wohl erhaltenes fostbares Denfmal des Mittelalters; die Schönheit der Mauern, die Kühnheit der Spißbböôgen, die Zierlichkeit der Portale war vuvergleichiich; dem Schleier einer Braut vergleichbar ist diese Kirche von obeu bis unten mit Skulpturarbeit durch- brochen. Dieselbe “Verwüstung dehnte sich auch auf die Pfarrwohnung aus, die vollkommen zerstört wurde; alle in den Gemächern vorgefundenen Gegenstände wurden auf die Straße gèworfen. Einigen entschlossenen Natiotial Gardlsten gelang es, aus einem Schranke der Pfarrwohnung 2000 Fr. und ein goldenes. Christusbild, so wie mehrere Kostbarkeiten aus der Sakfristei der Kirche zu retten. Abér erst nachdem die wüthende Volksmasse, untex der sich viele Weiber befan- den, ihr furhtbares Werk vollbracht hatte, schritt die Na: tional-Garde, die bis dahin einen ruhigen Zuschäuer ab ege: ben hatte, ernstlich ein und vertrieb das Volk aús derselben. Um dieselbe Zeit war ein anderer Volkshaufe nah dem erz: bishdflihen Palaste gezogen, um das in der vorigen Nacht unvollendet gelassene Vernichtungswerfk fortzuseßèn. -Allés, was sih in den“ Zimmern dieses erst vor kurzen wie- der eingerichteten Palastes vorfand , wurde “zerstört und aus der Fenstern in die Seine gewörfen, derèn ganze Obektflächs bald von Gegenständen der verschiedensten Art, als Kléidüngsstücken, Wäsche, Mobilièn, Büchern, Ge- máldèn, Betéfedern, die in ‘buntét' bie i ‘durch einan? der“ s{hwämmtn, bedeckt wat. Für die Wissense E: dauern ist hierbei der Verlüst der erzbishdflichen Bibliothek,“ die für die Kirchengeschihte außerordentlich reihhaltig Und wichtig war. Gegèh Mittag versuchte man, auf Fischeëboo? ten, so viel wie mdögli{h von diesen zuin Theil f aste ti Se

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Vée- getiständei zu retén. Sogar das Dat des Palastes wurde' nichk ‘verschont und stürzte mit Gekkaäch zusämmeu. Alles Martnokt : und Täfelwérk und die Vergol i en “dér réichen Geiächer* wurdèn verdichtæ und der erzbischdfliche Garten" verwüstèr. Aehnlithe Scetièn aeaen an andern Pukikten statt- gefutidèn; das Symbödl der Lilien wurde überall, wo es ih den Blicken zeigte, vom Volke“ herabgerissen ; sogar die Lilien, weléhe has” die Statute Ludwigs XIV, auf dem Platé des“ Viétoirès umngebende Gitter zierten, erlitten dieses Schisal. Die Srt. Laurèntius- Kirche “im Fauböürg Saint - Martin, so wie- die Kirche Notré Dame “de Bönùée - Nouvèlle in dexr Nâähé des Thores St. Denis, háben dabei viel gelitten. Vou den meisten andern Kirchen waren de mit Lilien ver- sehenen Kreuze“ auf Befehl der * Regiekung herabgenommen worden. Wähßtend diese Scenci der Zerstörung vor sich gin: gen, gewährten andere Punfte der Hauptstadt einen ganz andetn Anblick. ‘Von dèm schönsten Wetter begünstigt, über-