1875 / 56 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 06 Mar 1875 18:00:01 GMT) scan diff

Budgetkommisfion im Uebrigen unverändert zu genehmigen empfiehlt, soll den einmaligen Ausgaben folgender neuer Titel hinzugefügt werden: „Zu Bauten im Geschäftshause des Hauses der Abgeordneten und zwar zu einem Anbau an die Bibliothek und zur neuen Einrihtung der Glaseindeckung des Sißungs- \faales: 69,500 M“

Das Haus trat diesem Vorschlage bei. Dann trat das Haus in die Berathung des Etats der Eisenbahnverwaltung ein; auf eine Anfrage des Abg. Dr. Hammacher erklärte der Handels- Minister Dr. Achenbah, daß eine Ueberficht über die Betriebs- refultate der Staatsbahnen für 1873 baldigft vorgelegt werden solle. Ueber die Aus\{ließung des nihtreisenden Publikums von den Wartesälen und Perrons beschwerte fich der Abg. Windthorst (Bielefeld) und wurde darin von dem Abg. Windt- horst (Meppen) unterftüßt; die Abgg. Rickert und Dr. Ham- macher, sowie der Ministerial-Direktor Weishaupt traten jedo für die Nothwendigkeit dieser Maßregel ein. Im Uebrigen wur- den die Einnahmen und Ausgaben anstandslos bewilligt; doch wurde die Berathung der Ausgaben nicht beendet.

In der heutigen (24.) Sigung des Hauses der Abgeordneten, welher am Ministertishe der Vizepräfident des Staats-Ministeriums, Staats- und Finanz-Minister Camp- hausen, der Handels-Minister Dr. Achenbach, der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Falk und mehrere Kommis- \farien beiwohnten, wurde die zweite Berathung des Staats- haushalts-Etats für 1875 und zwar zunähst die des Eisenbahn-Etats fortgeseßt. Der Abg. Schmidt (Sagan) beschwerte fih über die ungleihmäßigen Vorschriften, welche hin- fichtlih der Retourbillets bei den verschiedenen Bahnen bestehen. Der Abg. Miquel erklärte fih gegen die von dem Abg. Schmidt gewünschten Erleichterungen bezw. der Retourbillets, weil dadurch die Einnahmen der Bahnen noch mehr verringert würden. Auch der Ministerial-Direktor Weishaupt hielt die Vorschläge des Abg. Schmidt für nicht durchührbar. Abg. Dr. Hammacher richtete die Auf- merksamkeit auf die Stellung des Staates zu den Privatbahnen, für welche er die Zinsgarantie übernommen hat und brachte in dieser Hinsicht verschiedene Beschwerden vor. Von dem Abg. von Benda wurde der Ausbau der Nordbahn durch den Staat empfohlen. Die Initiative in dieser Angelegenheit müßte noth- wendigerweise die Regierung ergreifen und dem Hause eine Vor- lage machen. Der Handels-Minister Dr. Achenbach erklärte, die Regierung sei mit der Erwägung beschäftigt, ob sie bei dem Verkaufe der Nordbahn als Käufer auftreten solle, und ant- wortete sodann dem Abg. Dr. Hammacher, gegen dessen Aus- führungen namentliG in Bezug auf die Berlin - Stettiner Bahn fich auch Abg. Schmidt (Stettin) wandte. In Angelegenheiten der Nordbahn sprahen noch die Abgg. Kieshke, Dr. Loewe, Dr. Petri, Richter (Sangerhausen) und Windthorst (Meppen). Bei Kap. 33 der dauernden Ausgaben (Centralverwaltung und Eisenbahn-Kommissariate) befürwortete der Abg. Lipke die Beauffihtigung der sämmtlihen Eisenbahnen durch das Reich und die Annahme folgenden Antrages:

Kap. 33 der dauernden Auéëgaben zwar zu bewilligen, zuglei aber auszusprechen: a. daß die weitere gejseßlihe Regulirung und Beaufsichtigung des gesammten Eisenbahnwesens durch das Reich ein dringendes Bedürfniß ist, b, daß die Verbindung des Amtes eines Eisenbahn-Kommissars mit dem eines Eisenbahn-Direktoxs nicht ver- träglich erscheint.

Der Handels - Minister Dr. Achenbach erklärte \fich gegen diese Resolution. Der Abg. Donalies wünschte die Herstellung eines direkten Güterverkehrs mit Rußland, und richtete die Aufmerksamkeit auf die in dieser Hinsicht seitens des Vorstandes der Königsberger Kaufmannschaft längst geäußerten Wünsche. Der Re- gierungs-Kommissar, Geh. Regierungs-Rath Rapmund, versprach, daß die Regierung die von dem Abg. Donalies angeregten Fra- gen im Auge behalten werde. Der Abg. Windthorst (Meppen) erklärte fich gegen die “von dem Abg. Lipke befürwortete Refolution hauptsählich aus dem Grunde, weil fie zu allge- mein gehalten sei. Nachdem hierauf noch die Abgg. Miquel und Lipke für die Resolution eingetreten waren und der Han- dels-Minister Dr. Achenbach fih nochmals gegen dieselbe erklärt hatte, wurde dieselbe bei Schluß des Blatts in ihrem ersten Theile (Punkt a.) abgelehnt, in ihrem zweiten Theile (b.) an- genommen.

In der Woche vom 14. bis 20. Februar 1875 find geprägt worden an Goldmünzen: Mark Doppel- kronen, 3,182,800 Mark Kronen; an Silbermünzen: 1,423,775 Mark 5-Markftücke, 1,067,095 Mark 1-Markstücke, 212,260 Mark 60 Pf. 20-Pfennigstücke; an Nickelmünzen: 133,751 Mark 25 Pf. 10-Pfennigstücke, 107,487 Mark 80 Pf. 5-Pfennigstücke; an Kupfermünzen: 29,741 Mark 95 Pf. 2-Pfennigstüce, 27,741 Mark 60 Pf. 1- Pfennigstücke. Vorher waren geprägt: an Goldmünzen : 884,540,800 Mark Doppelkronen, 232,986,870 Mark Kronen; an Silbermünzen: 14,514,085 Mark 5-Mark- ftüde, 38,306,709 Mark 1-Markstücke, 11,226,323 Mark 40 Pf. 20-Pfennigstücke; an Nickelmünzen: 5,401,683 Mark 43 Pf. 10-Pfennigstücke, 2,334,712 Mark 65 Pf. 5 - Pfennigstüke; an Kupfermünzen : 2,149,473 Mark 47 Pf. 2-Pfennigstücke, 874,065 Mark 9 Pf. 1-Pfennigfücke. Mithin find im Ganzen geprägt: an Goldmünzen: 884,540,800 Mark Doppelkronen, 236,169,670 Mark Kronen; an Silbermünzen: 15,737,860 Mark 5-Mark- ftüde, 39,373,804 Mark 1-Markftüdcke, 11,438,584 Mark Pf. 20- Pfennigstücke; an Nickelmünzen : 5,535,434 Mark 68 Pf. 10-Pfen- nigstückde, 2,442,200 Mark 45 Pf. 5-Pfennigftücke; an Kupfer- münzen: 2,179,215 Mark 42 Pf. 2-Pfennigstücke, 901,806 Mark 69 Pf. 1-Pfennigstücke. Gesammtausprägung: an Goldmünzen : 1,120,710,470 Mark; an Silbermünzen: 66,550,248 Mark Pf. ; an Nickelmünzen: 7,977,635 Mark 13 Pf. ; an Kupfermünzen: 3,081,022 Mark 11 Pf.

Durch den Staatshaushalts-Etat für das Iahr 1875 ist die Errihtung von 21 neuen Richterftellen und zwar 18 beim Stadtgericht in Berlin, 2 beim Kreisgeriht in Posen, 1 beim Kreisgeriht in Shroda fowie von 3 neuen Gehülfen- stellen bei den Staatsanwaltschaften in Breslau, Danzig und Altona in Ausfiht genommen. Es liegt, wie das Justiz-Mini- sterialblatt mittheilt, im dienftlihen Interesse, diese Stellen, sobald dieselben durch den Etat definitiv genehmigt find, alsbald zu beseßen und wird deshalb denjenigen Justizbeamten, welche fich um dieselben bewerben wollen, die \{leunige Ein- reihung ihrer Gesuche nach Maßgabe der allgemeinen Ver- fügung vom 20. März 1874 (Iuft. Minist. Bl. S. 86) anheim- gegeben.

Zur Beglückwünschung des in St. Petersburg garniso- nirenden Kaiserlich russishen Leib-Husaren - Regi- ments, welches am 3. d. M: das hundertjährige JIubi- läum seines Bestehens beging, war vom Garde-Hufaren-Regi- ment in Potsdam der Major v. Krosigk nah St. Petersburg gesandt worden. Am Festtage langte an das Offizier-Corps

| stellt sei, - werden könnten, die „Jahrtage“ aber an und für fich in Bälde

des Garde-Husaren-Regiments folgende Depesche des Comman- deurs des rusfishen Leib-Husaren-Regiments an: St. Petersburg, den 3. März 1875. Potsdam, Garde-Husaren !

Das Leib-Husaren-Regiment sendet seinen innigsten Dank den braven Kameraden aus den tapferen Garde-Husaren für ihre berz- lihen Glückwünsche zum heutigen Fest. Wir freuen uns, hente Abend bei unserer Husaren-Zusammenkunft mit Major v. Krosigk auf das Wohl unserer preußishen Kameraden trinken zu können.

Baron von Mayendorff.

Der General-Major von Kloeden, Inspecteur der Infanterie-Schulen, hat sih behufs Inspizirung der Unteroffizier- Schulen zu Jülih und Ettlingen auf Dienstreisen begeben.

Der Siß des Königlih preußischen Untersteueramts zu Herbern im Haupt-Amtsbezirke Münster wird vom 1. April d. Is. ab nah Drensteinfurt verlegt.

Der Königlih bayerishen Aufshlag-Einnehmerei Schil- lingsfürst, Hauptamtsbezirks Nürnberg, is die Funktion einer Uebergangssteuerstelle mit den unbeshränkten Befugnissen einer solhen übertragen worden.

Die Großherzoglich hesfishen Uebergangsftraßen von O ffftein nah Obrigheim, sowie von Offftein nah Groß- Niedes heim find aufgehoben worden. 7 S

Die Hafengesellshaft (barbour company) in Blyth hat in den legten Jahren wesentlihe Verbesserungen in der Hafen- einrichtung des Ortes veranlaßt, so daß da, wo vor 12 Jahren Schiffe von niht über 300 Tonnen Größe kaum anzulegen ver- mochten, gegenwärtig Segelschiffe von 600 bis 700 Tonnen Größe und ‘von 15 bis 16 Fuß Tiefgang, sowie Dampfer bis zu 1000 Tonnen Größe bequem laden und lôöshen können. Auch Kohlenschiffe finden jezt in Blyth zu Verfrahtungen nah den verschiedensten Gegenden Gelegenheit.

Bayern. München, 4. März. Se. Majestät der Kö- nig ließ am 1. d. den Stiftsprobst Dr. v. Döllinger zu s\ei- nem 76. Geburtstag, welchen derselbe an diesem Tage feierte, beglückwünschen.

Die Kammer der Abgeordneten hat heute die erste Lesung des 168 Artikel umfassenden Gesezentwurfs bezüg- lih der Rechtsverhältnisse der Militärbeamten vollendet und be- \chlossen, daß am kommenden Montag zur zweiten Lesung ge- schritten werden solle. Der Abgeordnete Freiherr von Fuchs hat sein Referat an den Finanzaus\{chuß über den Hauptetat der Militärverwaltung für 1875 vollendet, ebenso der Abgeordnete Edel jenes über den Geseßentwurf, Aus\heidung der Zuständig- keiten der Polizei-Direktion und des Magistrates München bezüg- lih der Polizei- und Distrikrsverwaltung. Auf die unter Lärm und anhaltendem Gelächter der rechten Seite verlesene Interpellation Dr. Sepps wegen Entlaftung der Kirhe von den unausführ- baren ferneren Stiftungen (f. unten) auf dem Wege der Administration wird der Kultus-Minister Luß nächste Woche antworten. Auf die Interpellation Ponshabs wegen Erhaltung des Lokal-Cen- tralbahnhofes in Ingolstavt wird der Minister-Präsident von Pfrehschner in nächster Sißung Antwort ertheilen. Die nächste Sizuug wird am künftigen Montag stattfinden.

Die Fnterpellation des Abg. Dr. Sepp geht, nah der „Allg. Ztg.“ dahin: ob die Staatsregierung auch ferner allen Meß-, Jahrtags- und ähnlihen frommen Stiftungen fo ohne weiteres die Genehmigung ertheilen wolle, nachdem festge- daß die gestifteten Messen bei weitem nicht gèlesen

einshlafen. Jn der Motivirung wird hervorgehoben, daß sogar eine päpstlihe Bulle bestehe, welche gestattet, von 100 (bezahlten) Messen nur 10, von 10 nur eine zu lesen. Der JInterpellant will wissen, ob die Staatsregierung die nöthige Entlastung der Kirche nicht lieber auf adminifstrativem Weg vornehmen wolle.

Württemberg. Stuttgart, 2. März. Der}; evan- gelische Synodus, das durh die 6 Generalsuper- intendenten des Landes verstärkte Königliche Konsistorium, hat heute seine Berathungen über die Vorlagen für die Landes- \ynode geshlossen. Seine Berathungen galten zunächst einigen Aenderungen, vornehmlich liturgisher Art, die durch die Einfüh- rung der Civilehe nothwendig geworden find, f\odann aber der großen organischen Geseßesarbeit, durch welche eine Reform der evangelishen Kirchenverfassung beabsichtigt wird. Zwei Gesehe find diesem Zwecke gewidmet, das eine beabsichtigt die Bildung selbständiger Kirhengemeinden, deren Organe gewisse finanzielle Befugnisse, wie die Umlage von Steuern, Verwal- tung der kfirhlihen Stiftungen u. \. w. in die Hand bekommen sollen, das andere geht auf die Ausgestaltung der Synodalver-

faffung.

Baden. Karlsruhe, 3. März. Schweizer Blätter lassen die Großherzogin von Baden auf ihrer Durchreise nah Rom mit Gefolge in Genf ankommen und im „Hotel de la Métropole* absteigen. Es iffst dies eine Verwechselung mit der Prinzessin Elisabeth, welhe, wie gemeldet, am 23. v, M. eine Reise nach Italien zum Besuh der Städte Florenz, Rom und Neapel angetreten hat.

Mecke&lenburg. Schwerin, 5. März. Der Groß- herzogliche Hof feiert heute den Geburtstag des Herzogs Wilhelm.

Se. Königlihe Hoheit der Großherzog hat an seinem Geburtstage sämmtlihen Kriegervereinen des Landes nachfolgendes Reskript zugehen lassen: „Friedrih Franz, von Gottes Gnaden Großherzog von Mecklenburg u. s. w. Wir haben Uns zur Förderung der von den Kriegervereinen Unseres Großherzogthums verfolgten Zwecke bewogen gefunden, jedem dieser Vereine aus dem von Uns gestifteten Invaliden-Unter- ftüßungsfonds ein Kapital von 300 4 zu überweisen mit der Bestimmung, daß dies Kapital als eiserner Fonds des Vereins erhalten bleibe und is den Ortsbehörden von Uns der Auftrag ertheilt, über die Innehaltung dieser Bestimmung zu wachen. Die Kommisfion zur Verwaltung des Invaliden-Unterstühungs- Fonds hieselbst ist angewiesen, nach Maßgabe ihrer verfügbaren Mittel dem Kriegerverein zu N. N. die Summe von 300 # durch Vermittelung der Ortsbehörde auszuzahlen. Gegeben durch Unser Ministerium des Innern. Gez. Friedrih Franz. von Müller.“

Malchin, 2. März. Bei Eröffnung der heutigen Land- tags-Sizung bemerkt Landrath v. Rieben, daß die gestern abgebrochene Generaldebatte über die Stolgebühren wieder auf- zunehmen sei, worauf v. Oergzen-Kotelow erwiderte, daß dieselbe bei den divergirenden Anfichten resultatlos bleiben werde, man möge die Vorlage an ein Comité geben. v. Oerßen-Roggow: Ob Stände nicht die Erwartung aussprehen wollten, daß die Regierungen noch auf diesem Landtage ein Einführungsgeseß zu dem Civilstandsgesez vorlegen. Stegemann - Parhim: Man müsse abwarten, ob der Bundesrath nit selbst die erforderlihen

Ausführungsbestimmungen erlafse, da er sie in Ausfihht ‘“ge- stellt habe.

Nunmehr entspann fich eine lange Debatte, an welches Comité die Vorlage über die Stolgebühren gegeben werden solle. Schließlich wurde dieselbe an das zur Verwendung der Kriegs- koften-Entshädigung gewählte und durch 6 Personen verstärkte Comité gegeben.

Sachsen-Meiningen-Hildburghausen. Meiningen, 4. März. (L. 3.) Dem proponirten Entwurf des Straßen - baugesegzes ift mit mehreren Modifikationen vom Landtage die verfassungsmäßige Zustimmung ertheilt worden. Nach diesem Entwurfe gehen die zeither noch niht überwiesenen Staatsstraßen im Allgemeinen auf die betreffenden Gemeinden über. Es haben jedoch die Kreise, so weit die Gemeinde zur Tragung der Last unvermögend if, angemessene Beiträge zu leisten. Auch der Staat hat, jedoch nur nach Maßgabe der verfüglihen Mittel, eine desfallsige Verpflichtung bei Neubauten nach den seither bei dem Bau wichtiger Vicinalstraßen beobahteten Grundsägen. Wegen Aufhebung des einstweilen noh beibehaltenen Wegegeldes werden vorerst weitere Erörterungen angestellt. Die landstän- dishe Berathung des Volks\chul-Geseßentwurfs, der 87 Artikel in sechs Abschnitten enthält, is beendigt und folher mit nicht unwesentlihen Modifikationen angenommen ; die Publikation wird baldigst erwartet, so daß das Geseß \{hon mit dem 1. April d. I. in Kraft treten kann. Die Organisation nah diesem Entwurf is ähnlih, wie die in Weimar und Gotha. Die Schulgemeinde wird durch einen Orts\hulvorstand vertreten, welcher einen Vorsißenden aus seiner Mitte wählt. Geistliche find niht geseglich geordnete Mitglieder des Schulvorstandes, können aber als solche gewählt werden. Die zweite Instanz wird durch vas aus dem Landrath und dem Kreis\{hul-Inspektor bestehende Kreis- \chulamt gebildet. In den größeren Städten tritt an Stelle des Landraths der erste Bürgermeister und bildet mit dem Kieis\hul- Inspektor den Stadtshulvorstand. Die Schulpatronate find auf- gehoben, die Wahl- und Präsentationsrechte der Stadtgemein- den aber erhalten. Die Einrihtung der Fortbildungs\chulen ist erweitert. Ein Antrag auf Revision des Lehrplanes für das Landes\chullehrer-Seminar i| von dem Landtage angenommen. Dur ein Geseh vom 3. Februar 1875 find die Gebühren der Zeugen und Sachverständigen erhöht und is bei der Erhöhung wesentlich auf den Zeitaufwand Rücksicht genommen. Nach dem soeben veröffentlihten Rechenschaftsberiht des provisorischen Vorstandes des Meiningenschen Landesvereins der Kaiser- Wilhelms-Siüiftung besteht dessen Vermögen in 47,307 Fl. 39 Kr. Se. Hoheit der Erbprinz ist Protektor und Präsident des Vereins. Es erhielten im Iahre 1872 71 Invaliden und 29 Hinterbliebene von Invaliden 3712 F[l. 4 Kr. und im Jahre 1873 80 Personen, unter ihnen 25 Wittwen, Unterstüßungen.

Bremen, 3. März. (H. N.) Der Senat hat den Staatshaushaltsplan für 1875 der vielen vorgenommenen Aenderungen halber nohmals übersihtlih zusammenfstellen lassen, und es ergiebt fich daraus ein Defizit. von niht ganz einer halben Million A, das durch den Rest der Uebershüsse früherer «Fahre von 555,000 c gedeckt wird. Eine höhere Abgabe von Lustfuhrwerken und Pferden, meint der Senat, könne zwar er- wogen werden, werde aber niht leiht 60,000 #4 aufbringen, ohne den Verkehr noch \{limmer zu belästigen, als das Weg- geld. Ueber die von der Bürgerschaft gewünschte Verdoppelung der Hundefteuer is die Steuerdeputation angewiesen, zu berih- ten; ebenso über die Erhöhung der Wirthschaftsabgäbe zum Be- huf der Verminderung der Schenken, über welhe der Senat \chon vor dem Bürgerschaftsbeschluß eine Berathung angeord- net hatte.

In der nämlichen Mittheilung an die Bürgerschaft kommt der Senat auf eine gegen die Generalshägzer gerichtete Anzeige des Dr. Adami in der Bürgerschaft zurück, wonach dieselben von Grundeigenthum geseßwidriger Weise sh zu Privatshäßzun- gen hergegeben haben follten. Die Sache ist untersuht w0rden, und es hat fich herausgestellt, daß die genannten beiden Beam- ten lediglich auf gerihtlihe Requisition, wie fie nicht anders fonnten, die gemeinte Schäßung vorgenommen haben. Der Senat fügt hinzu, er habe fich „für verpflihtet erahtet, zur Genugthuung für die Gekränften durch Mittheilung an die Bürgerschaft dem wahren Sachverhalt dieselbe Oeffentlichkeit zu geben, welche der Anschuldigung gegeben worden ist.“)

Desterreich-Ungarn. Wien, 4. März. In der heu- tigen Sizung des Abgeordnetenhauses wurde der Antrag Neu- wirths , allen Abgeordneten zu gestatten, den Verhandlungen des Eisenbahn-Aus\s{hu}ses beizuwohnen, angenommen. Der Antrag Czajkovsky's auf Erbauung von Sekundärbahnen in Nordost-Galizien wurde nah dessen Begründung dem Eisenbahn- Aus\hu}se zugewiesen. Gebäudesteuer richtete der Finanz-Minister in längerer Rede einen dringenden Appell an das Haus, in die Spezialdebatte einzugehen und entkräftete alle gegen den Geseßentwurf vorge- brahten Bedenken. Nachdem noch Plener gesprochen, wurde der beantragte Uebergang zur Tagesordnung abgelehnt, wodur au die Anträge der Minorität abgelehnt erscheinen, und wurde das Eingehen in die Spezialdebatte mit großer Majorität bes{chlofsen. -

.…— 5. Mârz. (W. T. B.) Der Kaiser wird, wie das Neue Fremdenblatt“ meldet, unmittelbar nach Ostern mit dem Erzherzoge Rudolf die Reise nach Dalmatien antreten. Seine Ankunft in Triest is für den 31. d. in Ausficht genommen, die Zusammenkunft mit dem König Victor Emanuel foll in Brindisi stattfinden.

Wie das „Tageblatt' meldet, ist der Vertheidiger Ofen-

_heims, Dr. Neuda, wegen seines Verhaltens gegen den Han-

dels-Minister Banhans von der Advokatenkammer zur Diszi- plinaruntersuchung gezogen worden.

Pest, 4. März. Das Kaiserlihe Handschreiben an den Finanz-Minifter v. Ghyczy hat folgenden Wortlaut:

Lieber v. Ghyczy! In Folge der Dienstesrefignation Meines un- garishen Ministeriuums und über Jhr eigenes Ansuchen enthebe Jh Sie hiermit von der Stelle des Landes-Finanz-Ministers.

Vor einem. Jahre haben Sie diese Stelle mit selbstverläugnender

Opferwilligkeit übernommen.

Indem Sie nun mit dem erhebenden Bewußtfein, Jhre patrio- tische Pflicht treu erfüllt zu haben, ins Privatleben zurüdtreten, wünsche Ih vom Herzen, daß Sie diesen {hönsten Lohn ihrer treuen und ausgezeichneten Dienste noch durch cine Reihe von Jahren ge- nießen mögen; gleichwie es Mein lebhafter Wunsch ift, daß, soferne es die ôffentlihen Angelegenheiten erfordern, Sie denselben im Jn- teresse des Thrones und Vaterlandes Jhre weise Unterstüßung und Mitwirkung au fernerbin uicht gänzli entziehen wollen.

Budapest, am 2. März 1875. i:

Franz Ioseph m. p.

Das in den Sitzungen des ungarishen Reichsraths am

3. d. M. von dem Minister-Präfidenten Baron Wencheim ver- lesene Programm lautet vollständig :

In der Fortseßung der Debatte der -

„Die Regierung hält es für ihre erste Aufgabe, den Staatshaus- halt und in Verbindung damit die Landesverwaltung zu regeln.

1) Mit Rü&sicht auf die Erreichung dieses Zieles hält sie es vor Allem für nothwendig, zuerst auch innerhalb des Rahmens des gegen- wärtigen Systems die. mögli größte Sparsamkeit ohne Gefährdung der Aufgaben des Staates durchzuführen ;

2) vom Centrum angefangen bis zur Gemeinde hinab, die im engeren Sinne genommene Administration zu regeln und in Verbin- dung damit die Finauzverwaltung und einige Agenden der Justiz- pflege innerhalb gewisser Grenzen und betreffs bestimmter Angelegen- S zu regeln, damit die Harmonie in der Verwaltung zu Stande omme, und die Reduktionen in größerem Maßstabe durhgeführt wer- dei

3) die Modifikation der ¿progeßordunng, des Konkursverfahrens, der Erekutoreninstitution, die Regelung des Disziplinarverfahrens und andere ähnliche Verfügungen, um dahin zu wirken, daß die Justiz- pflege im Allgemeinen rascher und besser weide und auch den Staats- haß in geringerem Maße belaste ;

_4) die Regelung des Eisenbahnwesens im Allgemeinen, die zweck- mäßigere Eintheilung unserer Eisenbahnen, die Vereinigung der fleincren, die Ordnung der Tariffrage und eine zweckmäßigere Kon- trole, damit dadur die Zinsengarantiesumme kleiner werde;

5) die Regelung der Frage der öffentlichen Arbeiten, damit der Staats\haß auch auf diesem Wege von einem Theile seiner Aus- gaben entlastet werde;

6) die Steigerung der Einnahmen ohne Erhöhung der Steuersäßze

a. durch Verfügungen, welche die Schädigung des Aerars bei den bestehenden Steuern und Gefällen verhindern ;

b. durch die Steigerung der Rentabilität der Staatsbahnen wenn nicht anders möglich durch theilweise oder ganze Verpach- tung derselben; S

c. durch eine zweckmäßigere Verwaltung der Staatsforsten :

d. durch eine derartige Verwaltung der Bergwerke, der bei ein- tretender Möglichkeit zu verkaufenden oder zu verpahtenden Eisen- werke, der Kohlenbergwerke und Fabriksunternehmungen, daß sie den Staatsschaß wenigstens nit belasten.

Außerdem betrachtet es die Regierung als ihre Aufgabe, daß sie

7) die Domestikalkassen ins Leben rufe die, wenn fie auc bei dem gegenwärtigen Stande der Staatëkasse den Staatsbürgern neue Lasten auferlegen, gleichzeitig den Anforderungen der Autonomie entsprehen und der so nothwendigen Sparsamkeitsrihtung bis in die untersten Verwaltungsshichten Geltung verschaffen ;

8) indem fie das bezüglich des Zoll- und Handelsbündnisses ge- seblih gegebene Recht unverzüglih zur Geltung bringt, dahin zu wirken, daß auch injolaage, bis die verwickelte und binnen Kurzem nit zu lôsende Frage des allgemeinen Zollsystems erledigt werden fönnte, die auf die Berzehrungsfteuern bezüglihen, im Interesse des ungarischen Staatsshaßes gelegenen und der Billigkeit und Gerechtigkeit ent- sprechenden Verfüg!ngen getroffen werden;

9) indem fie die Bankfrage sofcrt in die Hand nimmt, dieseïbe, dem von Niemandem in Zweifel gezogenen Rechte und den Interessen des Landes entsprehend, möglichst bald zu lösen;

10) zur Refundirung, resp. zur Tilgung des 153-Millionen- Anlehens einen Vorschlag betreffs Verwerthung der Staatsgüter vor- zubereiten.

-— „Hon“ theilt über die neuen Minifter ausführliche biographish? Angaben mit, denen wir Folgendes entnehmen:

Koloman Tisza, de neue Minister des Innern, ist am 10. Dezember 1830 zu Geszk im Biharer Komitat geboren als Sohn des Obergespans-Stellvertreters Ladislaus Tisza, der ihm und seinen drei Brüdern eine sorgfältige Erzichung zu Theil werden licß. Im Jahre 1848 wurde Koloman Tisza, welcher der rcformirten Konfession angehört, im Kultus-Ministecium verwendet. Hierauf reiste er auf andert- halb Jahre ins Ausland und kehrte nah Geszt zurück, wo er sich in gänz- licher Zurückgezogenheit seinen Studien widmete. Seine öffentliche Wirk- samkeit begann er auf fonfessionellem Gebiete, wo er als Hülfskurator des Groß-Szalontaer Kirchendistriftes cine Rede gegen das Patent vom 1, September 1859 hielt, welche von entscheidender Wirkung war. Jm Jahre 1861 wurde er mit Afflamation zum Reichstagsabgeord- neten der Stadt Debreczin gewählt und als solcher auch zum Vize- Präsidenten des Hauses. Nach dem Ableben des Grafen Ladiélaus Teleki übernahm er und Ghyczy die Führerschaft der „Beschlußpartei". Während des Proviforiums nahm er an dem öffentlichen Leben nur auf publizistischem Gebiete Theil. 1865, wie seither stets, sendete ihn die Stadt Debreczin einstimmig als ihren Repräsentanten in den Reichêtag. Seit 1867 if er auch Oberkurator des reformirten Kirchendistrikts jenseits der Donau.

Der Präfident des Abgeordnetenhauses Béla Perczel, der das Justizportefeuille übernimmt, wurde am 15. Juni 1819 zu Börzsöny im Tolnaer Komitat geboren. Er war seit 1840 in verschiedenen rih¿erlihes und Vecwaltungsämtern thätig und wurde zuerst 1863, und darauf 1867, 1869 und 1872 in das Unterhaus gewählt, welches ihn 1572 zum ersten Vize-Präfidenten und darauf, als Bitto Minifter wurde, zum Präsidenten wählte; er hat auch eine Zeit lang dem Deak-Klub präfsidirt.

Thomas Pechy, der neue Minister für Kommunikation, ist 1529 zu Räsmark geboren, wurde 1867 Vizegejspan des Abaujer Ko- mitats und 1868 ins Unterhaus gewählt.

Baron Ludwig Simonyi, der neue Minister für Handel und Ackerbau, ist 1824 zu Tarnopal in Galizien geboren, wo sein Vater al3 Oberst in Garnison stand; kaum 24 Jahre alt, wurde er 1848 im Kis-Jenöer Bezirk zum Abgeordneten gewählt, der ihn auch 1862 wieder in den Reichstag ichickte. / :

Koloman Szell, der neue Finanz-Minister, ist am 8. Juni 1843 zu Goßtony im Eifenburger Komitat geboren; seit 1868 hat ihn der St. Gottharder Wahlbezirk ins Unterhaus ge\&hickt.

Die „Pester Korrespondenz“ \{hreibt: Die Wirkung der gestrigen gemeinsamen Konferenz beider großen Parteien und der so imposant vollzogen Fufion und Konstituirung der libe- ralen Partei is eine außerordentlißhe und allseitig fühlbare. Unter dem Eindrucke dieser Konferenz hielten heute die Anhänger des Grafen Lonyay eine Berathung, welcher, auf An- suchen der Partei, Lonyay beiwohnte. Einige dreißig Abgeord- nete waren erschienen, ebenso viele abwesende Abgeordnete er- klärten brieflih, den Beshlüssen der Partei fih in jeder Hinsicht anzuschließen. i

Graf Lonyay führte aus, daß er zwar das Finanzprogramm der neuen Regiérung nit billigen könne, sowie er die von der Regierung bezüglih der nächsten Agenden aufgestellte Reihen- folge niht für rihtig hält. Er halle es aber deshalb nit für nothwendig, eine besondere Partei zu bilden. Er werde der neuen Partei zwar niht beitreten und einen unabhängigen Standpunkt einnehmen, er könne aber keineswegs fich der Sennyey-Partei anschließen, da er seine dreißigjährige Vergangen- heit, die ein ununterbrohener Kawpf für den Liberalismus ge- wesen, nicht verläugnen könne. Er ersuche seine Freunde, nah ihrer eigenen Ueberzeugung vorzugehen, er wolle Niemanden binden. Lebhafte Zustimmung folgte diesen Worten. Die Anwesenden, mit Ausnahme eines Abgeordneten, beschlossen hierauf, \fih der liberalen Partei anzuschließen. |

Es it außer Zweifel, daß auch jene Mitglieder der früheren Majorität, welche eine zuwartende Stellung einnahmen, fich un- bedingt anshließen werden, und die Regierung sodann von einer imposanten, kompaften einheitlihen Partei von 330 bis 350 Mit- gliedern unterftüßt wird. /

5. März. In der heutigen Sizung des Unterhauses wurde der ehemalige Finanz-Minister Ghyczy zum Präsidenten gewählt.

Velgien. Brüssel, 5. März. (W. T. B.) Der Erz- vLishof Deschamps von Mecheln würde, wie das „JIour-

nal de Bruxelles“ wissen will, in dem am 15. d. M. in Rom stattfindenden Konsistorium zum Kardinal ernannt werden.

_ Srofßbritannien und Jrlaud. London, 4. März. Die Königin empfing gestern auf Windsor den japanischen Gesandten, der seine Akfreditive überreihte. Dann wurde der Monarthin der Major Robert Stuart anläßlih seiner Ernennung zum Agenten und General-Konsul bei Hayti und St. Domingo vorgeftcllt. Der Prinz von Wales gab gestern in Marl- borough House ein Diner, bei welchem Graf Beust, Mr. Disraeli, Graf und Gräfin Sydney, sowie mehrere andere Mitglieder der hohen Aristokratie zugegen waren, In Prussia House, dem deutshen Botschaftshotel, fand gesiern ein diplomati\sches Diner statt, bei welchem der französishe Botschafter, Graf Iarnac, mit seiner Gemahlin, der Earl von Roßlyn, Viscount und Viscounteß Torrington, Viscounteß Combermere, Lady Malesworth, Lord Colville und andere Personen von Distinktion die Gäste des Grafen Münster waren.

,_— Die „Times“ meldet die Ernennung von Mr. Pope Hennessy, dem bisherigen Gouverneur der Bahama-Inseln, zum Gouverneur en chef der windwärtsgelegenen Inseln (Barbadoes, St. Lucca, St. Vincent, Grenada und Tabago) an Stelle von Mr. Rawsor, dessen Amtszeit am 20. April abläuft.

9. März. (W. T. B.) Unterhaus. Der Präfident des Handelsamtes, Adderley, erklärte auf eine bezüglihe Anfrage Price's, er werde demnächft die diplomatische Korrespondenz mit den auswärtigen Mächten über Einführung einer inter- nationalen Schonzeit für den Seehundsfang im ark- tishen Meere vorlegen. Er bezweifele, daß im Laufe dieses Jahres noch die Schonzeit allgemein eingeführt werde und hoffe vorläufig nur auf deren Einführung für Grönland. Göschen stellte zu der Bill über den Stellentausch in den Regi- mentern der Armee ein Amendement, wona im Falle eines StellentausYes keinerlei Entshädigung gezahlt werden soll. Das Amendement wurde nah langer Berathung mit 282 gegen 186 Stimmen abgelehnt. Von Smyth wurde eine auf Aufhebung M “t zwischen England und Irland gerihtete Vorlage ein- gebracht.

6. März. (W. T. B.) Bei der Nahwahl zum Parlament in Norwich wurde der liberale Kandidat Tillette gewählt. In Saint Ives hat die konservative Partei ihren Kandidaten Praed durhgebracht.

Frankreich. Paris, 5. März, Mittags. (W. T. B.) (Telegramm der „Agence Havas“.) Die Verhandlungen mit dem linken Centrum darüber, daß au ein Mitglied der Mi- norität in dem neuen Kabinet Plaß finde, sind gestern abgebrochen worden. Buffet soll in diesem Punkt sowohl, wie auch in Betreff der anderen auf die Zusammenseßung des neuen Ministeriums be- züglichen Fragen fich neuerdings mit dem Marschall-Präsidenten in Einverständniß befinden, hat aber auf die Durhführung des Auftrages zur Bildung des neuen Kabinets verzihtet und mit dem Marschall-Präfidenten seit gestern keine weitere Unterredung gehabt. Unter den verschiedenen Gruppen der Linken finden Besprehungen ftatt, um zu einer Einigung betreffs der Minifter- frage zu gelangen.

9. März, Abends. (Telegramm der „Agence Havas.) Buffet und Dufaure find, nahdem der Letztere prinzipiell zu- gestanden hat, daß auch die Minorität der Nationalversammlung in dem neuen Kabinet vertreten sei, aufs Neue mit ein- ander in Verhandlung getreten, um fich definitiv über ein politishes Programm, namentlich in Bezug auf die Maires und den Personenwehsel im Verwaltungspersonal zu verständigen. Der Marschall-Präsident hat heute Nahmittag mit Buffet und später auch mit Dufaure eine Unterredung gehabt. Dem Ver- nehmen nach will Buffet dem ihm ertheilten Auftrage zur Bil- dung eines neuen Kabinets fich nur dann aufs Neue unter- ziehen, wenn er mit Dufaure über das Programm zu einem vollständigen Einverständniß gelangt if. Ueber die für das neue Ministerium in Ausficht genommenen Persönlichkeiten hat bis jezt noch feine Erörterung stattgefunden.

Versailles, 5. März. (W. T. B.) Die National- Versammlung seßte die Berathung über das Gejez, be- treffend die Freigebung der Fabrikation und des Handels mit Dynamitpulver fort, vertagte die Weiterberathung desselben aber dann auf Montag.

Dänemark. Kopenhagen, 5. März. (W. T. B.) In der heutigen Sißzung des Folkething wurde der ün- trag der Linken berathen, daß die Regierung in geheimer Sizung über ihr Verhalten gegenüber dem Aus- [lande Aufflärung geben solle. Der Führer der Linken, I. A. Hansen, begründete den Antrag und stellte denselben als von einem Entgegenkommen gegen die Regierung zeu- gend dar. Der Konseils-Präsident Fonnesbech erblickte in dem Antrage hingegen einen regierungsfeindlihen Eingriff in die Administrative und erklärte fich zu der gewünschten Aufklärung nur dann bereit, wenn die Form des Antrages geändert werde. Seitens des Ministeriums wurde ferner darauf hingewiesen, daß die beantragte Aufklärung in geheimer Sikzung so aufgefaßt werden könne, als ob die Regierung die Deffeutlichkeit und das Tageslicht zu scheuen Ursache habe; dies sei aber durhaus nit der Fall, die Beziehungen der Regierung zum Auslande könn- ten nur als durchaus gute und freundliche bezeihnet werden und auch für die Zukunft scheine der politishe Horizont von keinerlei Gewitterwolken bedroht. Nach längerer, zum Theil heftiger Diskusfion, wurde dann einstimmig ein vermittelnder Antrag an- genommen, wonach, um die ursprünglihe Form des Antrages zu ändern, eine aus 9 Mitgliedern bestehende Kommisfion nieder- geseßt werden soll.

Amerika. Mit Bezug auf die Revolution in Monte- video theilt der „Buenos Ayres Standard“ vom 1. Februar mit:

e Den blutigen Wahlen für den Stadt-Sherif am 10. Januar folgte in der Naht des 14. ein Pronunciannento auf Seiten von aht Majoren, die Bataillone der Garnison befehligen. Am nächsten Morgen fanden die Bürger den großen Plaß von Truppen und Ar- tillerie’ beseßt; Präsident Ellauri floh und suchte eine Zuflucht an Bord eines britishen Kriegsdampfers. Don Pedro Varela wurde unverzüglich zum proviforishen Präfidenten gewählt. Die Affaire verlief ohne Unordnung oder Blutvergießen. Die Stadt Llieb indeß einige Tage in großer Furt, bis man sah, daß der neue Präsident fest etablirt war, worauf die Banken und Läden wieder geöffnet wurden. Der 29. Januar wurde zu einem allgemeinen Feiertage dekretirt. Der erfte Aft der neuen Regierung war, die Emisfion von 3,000,000 Dollars in 10-Cent- oder 20-Centnoten zu sanktioniren, da der Mangel an Kleingeld feit einiger Zeit große Unbequemlichkeit in der Argentinishen Republik verursachte. Sonst trug fd nichts von Wichtigkeit zu. Nach Berichten aus Buenos- Ayres haben daselbst anti-religiöse Kundgebungen stattgefunden.

Aus Jamaika wird dem „Globe“ gemeldet, daß auf die Nachricht von der Verhaftung und Einkerkerung des Dr, Pigo tft, cines britischèn Unterthanen in Colon, die dortige Marinebehörde

sofort die Schrauben-Korvette „Dryad* dahin abjandte, um den Fall ¿zu untersuchen und die Freilassung von Dr. Pigott zu erwirken.

_ Afrika. Aegypten. Alexandrien, 5. März. (W.T. B.) Die aegyptische Regierung läßt erklären, daß es fi bei der neuerdings erfolgten Aufnahme von 5 Millionen Pfd. Sterl. nicht um den Abschluß einer neuen Anleihe handle. Diese Ope- ration bezwecke nur eine Erneuerung der verfallenen Bonds und Tratten zu bewerkftelligen, so daß die Bestimmung des Ver- trages von 1873, nach welchem der aegyptischen Regierung die Aufnahme einer neuen Anleihe untersagt werde, dur dieselbe nit verleßt werde.

Das Kursbuh der Deutschen Reichs - Poftver- waltung. März 1875, ift soeben im Verlage der Königlichen Geheimen Obec-Hofbuchdruckerei (R. v. Deder) in vier Theilen erschienen. Dieselben umfassen die bis zum 1. März resp, mit dem- selben Tage eintretenden Aenderungen in dem Gange der Eisenbahn-, Poft- und Dampf\schiff-Verbindungen Der Gesammtinhalt ift fol- gender: 1. Theil: Nordöftlihes Deut;land, Dänemark, Schweden, Norwegen und Rußland; 2. Theil; Südöftliches Deutschland, Oesterreih-Ungarn, Türkei und der Orient; 3. Theil: Nordwestliches Deutschland, Niederlande, Belgien, Luxemburg und England: 4. Theil: Südwestlihes Deutfchland, Tirol, Schweiz, Italien, Frankrei, Spanien und Portugal. Jedem dieser Theile ift eine Zusammen- stellung beigefügt, in welher die Fahrpläne der von Berlin ausgehenden Eisenbahnen, die Rundreise-Touren, sowie Tabellen über Wegemaze, Münzen und Zeituntershiede enthalten sind. Durch das neue Format in 4to wird einerseits der Vor: theil erreiht, daß die Eisenbahn - Fahrpläne größerer Routen möglichst üÜübersihtlih auf einer Seite dargestellt - werden fönnen, was bei dem bisherigen kleinen Format nit thunlich war, so gewährt andererseits das bei Darsteklung der Fahrpläne beobachtete System , wonach die Namen der Stationen nur einmal aufgeführt, links derselben die Abgangézeiten für die Tourreise und rechts solche für die Retourreise (von unten nach oben zu lesen) angegeben find, außer der Raumersparniß eine wünsch-nswerthe Ueberficht der An- funft und der Rückfahrt der Züge für jede Station. Für die so dar- gestellten Fahrpläne ist außerdem eine größere Klarheit dadurch erreit, daß die Nachtstunden (von 6 Uhr 2, Min. Abends bis 552 früh) überall durch einen starken Strich unter den Minutenzahlen bezeichnet find. Ieder Theil des Kursbuches wird auf dem farbigen Titel- blatte eine Skizze der Eisenbahnlinien enthalten, deren Pläne den Inhalt bilden. Außerdem find auch an geeigneten Stellen der vier Theile des Werkes Skizzen eingefügt, welche die Lage der Bahnhöfe bei bedeutenderen Städten, wie Berlin, Hamburg, Franffurt a. M,, Wien 2c., anshaulich machen. Man braucht ih nur immer denjenigen Theil zu kaufen, dessen man bei der Richtung der Reise bedarf.

Kunsi, Wisfseuschaft und Literatur. ___ Die im Verlage von Mitscher und Röstell hierselbst er- \chienene interessante Sammlung von. „Stammbucblättern des norddeutschen Adels" von Ad. M. Hildebrandt ist mit der soeben ausgegebenen 2. Lieferung, enthaltend die Namen von „Ko- now“ bis „Wolpen“, vollständig geworden. Wir gedenken auf das Werk später ausführlicher zurückzukommen.

Zu Blüssen bei Schönberg ward eine kleine, seltene Streitart auf dem Felde beim Pflügen gefunden. Die sonst wohl geformte und erhaltene Streitaxt ist aus jungem, grauen Sandstein , ein sehr sel- tener Fall. Das Schaftloch if noch nicht ganz fertig; es is von beiden Seiten kegelförmig angebohrt.

In der Bibliothek des Kreisgerichts zu Branden- burg a. d. H. befinden fih 109 Foliobände von den Akten des ehemaligen Brandenburger Schöppenftuhles aus der Zeit von 1450—1806. Diese alterthümlichen Schriftdenkmäler enthalten neben manhem Unbedeuten- den vieles der Beachtung Werthe. Zunächst find sie die beste Quelle zur Geschichte des Schöppenstubles selbst, in jenen Zeiten namentli, wo derselbe, als der hochste Gerichtshof im Lande, eines hohen Ansehens genossen hat. Ferner kamen bei demselben interessante Rechtsfälle vor, wie z. B. viele Heren- und Zauberei-Prozesse, die Tödtung eines Hamburgers dur einen Hamburger auf der Insel Jslaud, die Erbtheilung der beiden Töchter des Feldmarschalls von Derfflinger gemäß des in Abschrift beigefügten Testamentes desselben, die vielen Verbrechen zur Zeit des dreißigjährigen Krieges u. s w. Ueberdies vermag manche adelige Familie ihren Stammbaum daraus zu er- gänzen oder durch weitere Zeugnisse zu erhärten.

Der bisherige Professor am Polytechnikum in Darmstadt Dr. Fr. Kohlrausch if zum ordentlichen Professor der Physik in der philosophishen Fakultät der Universität Würzburg ernannt worden.

Eine Beilage unserer heutigen Nummer bringt nähere Mit- theilung über die neue (dritte) Auflage von Meyers Konversa- tions-Lexikon in 15 Bänden. Wir benugßen diese Gelegenheit, unsere Leser auf das anerkannt gute Werk aufmerksam zu machen. Das heftweise Erscheinen erleihtert auch weiteren Kreisen die An- schaffung bei allmählicher Zahlung.

Am 2. d. M. starb in London der Bildhauer Birnie Philip im Alter von 48 Jahren. Zu feinen Hauptwerken gehören das Podium des Prinz Albert-Denkmals im Hydepark, Architektur und Skulptur darftellend und aus 87 lebensgroßen Figuren bestehend, ferner die Geologie, Geometrie, Rhetorif und Philofophie repräsen- tirenden Figuren des Denkmals, der Baldachin der St. Georgskapelle in Windsor, das Krim-Monument in Westminster und aht der Sta- tuen in der Königlichen Gallerie des Westminsterpalastes. Der Ver- ftorbecne lieferte auch eine große Anzahl der Skulpturen für die Aus- \{mückung des ueuen Foreign Office, darunter die kolossale Statue der Königin auf der Façade.

Am 3., Nahmittags 45 Uhr], haben in; Kufftein heftige Erderschütterungen stattgefunden.

Land- und Forftwirthschaft.

Die diesjährige große internationale Pferdeausstel- lung, welche in den Tagen vom 23. bis 25. Mai in Stettin ab- gehalten werden wird, versprihtlißre Vorgängecinnen an Betheiligung Sei- tens der Pferdezüchter 2c. in hohem Maße zu übertreffen. Die An- meldungen zu derselben find bereits so zahlreich eingegangen, da {on jeßt angenommen werden kanu, daß das werthvollste Materia in diesem Jahre sich dort vereinigen wird. Mit der Ausftellung ift au gleichzeitig wiederum eine große Pferdeverloosung verbunden.

In Belgien ist unterm 20. Februar d. J. ein Geseß pu- blizirt worden, our welches die Regierung ermäctigt ist, durch König- lichen Beschluß die Ein- und Durchfuhr der Kartoffeln derjeni- gen Herkunft und über diejenigen Grenzen, welce fie bezeichnen wird, zu verbieten, um die Einshleppung der dem Anbau jener Khnollen- frucht s{ädlichen Junsekten zu verhindern. Sie ist gleicherweise er- mächtigt, durch Königlichen Beschluß die Maßregeln anzuordnen, welche die Befürchtung dieser Einschleppung durch Stoffe oder Gegen- stände, die mit den Kartoffeln verdächtiger Herkunft in Berührung gekommen find, nöthig machen kann.

Verkehrs-Anstc S

Dem Geschäftsberiht der Weser-Dampfshleppschiff- fahrts-Gesellshaft ift zu entnehmen, daß die Einnahmen im vergangenen Jahre 22,165 Thlr., die Ausgaben 21,436 Thlr., der Reingewinn also 729 Thlr. betrugen. Die Aktionäre erhalten nichts- deftoweniger 5 % Dividende aus früheren Ersparnissen und dem Re- servevonds herrührend. In den 19 Jahren des Bestehens der Gesell- E das Geschäft eine Durchschnittädividende von 43 % ab- geworfen.