1875 / 63 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 15 Mar 1875 18:00:01 GMT) scan diff

Das Haus trat diesen Anträgen bei, nachdem __ der Geh. Finanz-Rath Michelly die Angriffe des Abg. Windthorst (Meppen) unter großem Beifall des Hauses zurückgewiesen hatte.

Nachdem das Haus dann noch einen Nachtragsetat, der mehrere einmalige und außerordentlihe Ausgaben, unter andern au die erste Rate von 225,000 zum Neubau eines Ge- \{chäftshauses der Abtheilung des Stadtgerichts für Untersuhungs- fahen und zum Neubau von Untersuchungsgefängnissen für die- selbe zu Berlin, einshließlich zur Erwerbung eines Privatgrund- ftückes, enthält, bewilligt hatte, war die Etatsberathung in zwei- ter Lesung beendet. Schluß 114 Uhr.

In der heutigen (30.) Sißung des Hauses der Abgeordneten, welcher am Ministertische der Vize-Präsident des Staats-Ministeriums, Finanz-Minister Camphausen, die Staats-Minister Graf zu Eulenburg, Dr. Achenbah und Dr. Friedenthal mit zahlreihen Kommissarien beiwohnten, ging von dem Finanz-Minister und dem Justiz-Minister ein Geseßent- wurf, betr. das Stempel- und Taxwesen in den Hohenzollern- \hen Landen, ein. Dann trat das Haus in die dritte Lesung des Staatshaushalts-Etats für 1875 ein, und zwar unter Verzicht auf die Generaldiskussion sofort in die Spezialdiskussion. Im Etat des Handels-Ministeriums erregte der Titel 76 des Extraordinariums: „450,000 4 als erste Rate zum Neubau einer Gewerbe-Akademie in Berlin“ eine längere Debatte; das in zweiter Lesung eingegangene Schreiben des Präfidenten des Herrenhauses, welches gegen die Hineinziehung eines Theiles des Gartens des Herrenhauses protestirte, war der Budgetkommission überwiesen, die leßtere {{hlug nunmehr folgende Resolution vor:

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: Statt der in zweiter Lesung angenommenen Resolution in Betreff des Baues der Gewerbe-Akademie - nachstehende Resolution anzunehmen: 1) Das Haus billigt die Wahl des für den Bau der Gewerbe-Akademie in Aussicht genommenen Grundstückes, seßt aber dabei voraus, daß die Königliche Staatsregierung darauf Bedacht nehmen - werde, daß das Gewerbe-Museum, eventuell unter Ankauf des der St. Lukasgemeinde gehörigen Grundstückes, in der Nähe der Gewerbe-Akademie errichtet werde. 2) Dur diesen Beichluß die in dem Schreiben des Präfi- denten des Herrenhauses erhobenen Bedenken für erledigt zu erklären.

Der Abg. v. Diederichs beantragte: S

Das Haus der Abgeordneten wolle bescließey “18Bau der Ge- werbe-Akademie auf dem Grundstücke der früheren s; Praanmanufaktur nur für den Fall zu genehmigen, daß dies Gr&Bstück nicht ferner zum Bau des neuen Reichstagsgebäudes in Anspruch genommen wird.

Der Abg. Windthorst (Meppen) empfahl diesen leßteren Antrag, dem jedoch der Handels-Minister Dr. Achenbach wider- \sprah. Auch der Referent der Budgetkommisfion Abg. Rickert empfahl die Ablehnung des Antrages. Das Haus nahm den Antrag der Budgetkommission an und lehnte den des Abg. v. Diederichs ab.

Zu Titel 77. Zum Umbau des Welfenshlo}es für die poly- tehnishe Schule in Hannover, erste Rate 600,000 4, kam Abg. Dr. Windthorst (Meppen)-wieder auf seine Ansicht, daß dieses Schloß dem Könige Georg gehöre, zurück, wurde jedoh vom Regierungs- Kommissarius Geheimen Regierungs-Rath Dr. Stüve, zurück- gewiesen. Nachdem dann noch der Handels-Minister Dr. Achen- bach auf Anfragen der Abgg. Wisselin und Berger hinsichtlich der Weichsel- resp. Weserregulirung zuftimmende Antworten ertheilt, wurde der Etat für Handel, Gewerbe und Bauwesen ohne weitere Diskussion genehmigt.

Der Etat des Finanz-Ministeriums war bis zum Schlusse des Blattes in seinen ersten drei Kapiteln ohne erheblihe De- batte erledigt.

Ein von einer Privatperson zur Vornahme gottesdienst- licher Handlungen in seiner Privatkirche angestellter Ge iftlicher, welcher niht zur Vornahme geistliher Amtshandlungen gemäß der maigesezlihen Bestimmungen befugt ift, "ist, nah einem Erkenntniß des Ober-Tribunals vom 25. Februar cr. strafbar, wenn dem Publikum der Zutritt zu jener Privatkirhe gestattet ist, und vor diesem in der That auch die gottes dienstlichen Hand- lungen vorgenommen worden sind.

Der Kaiserlih rufsfishe General - Adjutant Für t Alexander Wass ilt\chikoff ist nah Paris abgereift.

Laut telegraphischer Meldung wird S. M. S. „Ar- coua“ am 20. März cr. von Nangasaki nah Yokohama gehen, um von dort aus die Rücreise via Cap Horn anzutreten.

Stettin, 11. März. Der Wirklihe Geheime Rath und General-Landschafts-Direktor v. Köller eröffnete heute als Vor- fißender den 46. Kommunal-Landtag von Altpommern mit einem dreifahen Hoh auf Se. Majestät den Kaiser und König, zu welchem die Versammlung fich einstimmend erhob. Es waren 35 Abgeordnete anwesend. Der Vorsißende theilte hierauf /mit, daß sowohl der Abgeordnete v. Wedell-Vehlings- dorf, sowie auch sein Stellvertreter, Rittergutsbesißer Ruuge auf Altdamerow, ihr Nichterscheinen während der Dauer des Landtages angezeigt hätten.

Ferner wurde mitgetheilt, daß der Abgeordnete, Bürger- meister Staegemann zu Cammin, am 9. Juli 1874 gestorben sei; der Vorsizende widmete dem Andenken desselben einige Worte und forderte die Versammlung auf, fich zum Zeichen des Ein- verständnifses von den Sigzen zu erheben; dies geschicht.

Zum Censor wurde heute der abwesende Abgeordnete v. Putt- kamer-Versin ernannt, für die heutige Sitzung dies Amt aber dem Abgeordneten Coste übertragen.

Als neu eingetreten wurden dem Landtage vorgestellt: 1) der Kaufmann Herrlinger, 2) der Fabrikbesißer Lippold, 3) der Staats-Minister a. D. v. Selchow, Ersterer als Abgeordneter, Letztere beide als Stellvertreter. Í 2 has

Demnächst wurde mitgetheilt, daß als Stellvertreter für be- hinderte Landtags-Abgeordnete einberufen seien: 1) der Bürger- meister Zingler für den Bürgermeister Müller, 2) der Fabrik- befißer Lippold für den Mühlenbesiger Stege, 3) der Rittmeister v. Schöning-Megow für den Landrath v. Wedell, 4) der Kauf- mann Nippfow für den Kommerzien-Rath Hemptenmacher, 5) der Staats-Minister a. D. v. Selhow für den Kreis-Deputirten v. d; Osten-Jannewiy, 6) der Kaufmann v. Stade zu Anclam für den Konsul Wendorff, 7) der Brauercibesiger Bergemann zu Pyritz für den Pofthaltereibefißer Thiem, 8) der Kreis-DepU- tirte v. Schwerin - Neuendorf für den Grafen v. Schwerin-

ugßar. E E iernächst wurde die. fernere Mittheilung gemacht, daß der

Land-Syndikus, Justiz-Rath Calow, erkrankt und durh den

Justizrath Pibshky vertreten werde, daß Legterer für heute ent- \chuldigt und deshalb die Führung des heutigen Tages-Proto- folles dem Direktor v. Heyden-Linden übertragen sei. Hierauf wurden die eingegangenen Proponevda Seitens des Vorsitzenden vertheilt, und endli a. ein Schreiben der Direktion der Kasino-Gesellshaft über das am 20. d. M. zur Feier des

Geburtstages Sr. Majestät -des Kaisers und Königs stattfindende 7 Diner, und b. ein Schreiben des Ober - Präsidenten, nah welchem die damit übersandten Werke zur Geschihte Pommerns zur Vertheilung gelangen werden, zur Kenntniß der Versamm- lung gebraht. i

Darauf i die heutige erste Sizung geschlossen und die nächste Sibung auf Freitag, den 12. März cr., Mittags 12 Uhr, anberaumt. :

Der Erste Appellationsgerihts-Präfident Korb in Stettin feierte am 11. das 50jährige Amtsjubiläum. Von Sr. Majeftät dem Kaiser und König wurde der Jubilar zum Wirklichen Geheimen Ober-Justizrath mit dem Range eines Rathes 1. Klasse ernánnt. Das bezüglihe Patent nebst einem Gratulationsf\s reiben des Justiz-Ministers überreihte im Auftrage des Ministers der Unter-Staatssekretär Dr. Friedberg. Se. Kaiserlihe und Königliche Hoheit der Kronprinz hatte als Statthalter von Pom- mern ein eigenes Glückwunshschreiben an den Jubilar gerichtet. Die juristische Fakultät der Univerfität Breslau übersandte dem Jubilar das Diplom als Ehrendoktor beider Rechte.

CSEREEE Z T R S L L E E L T L E EEREL E E R T E Pa R S T E i: B A V E E P RIEGE G E E

Münster, 13.¿März. (W. T. B.) Der Bischof von Münster, dessen Verhaftung heute niht vollzogen werden konnte, da er auf Reisen gegangen war, \oll fich nach Cleve begeben haben. Nach anderweitigen Meldungen soll der Bischof zu einer priesterlosen «Gemeinde gefahren s\cin, die „er an jedem Sonnabend zu besuchen pflege. Ueber den Zeitpunkt seiner Rückkehr if nichts bekannt.

Bayern. München, 13. März. Se. Majestät der König hat genehmigt, daß ein das Geseh vom 1. Juli 1834, be- treffend die bayerishe Hypotheken- und Wechselbank abändernder Gesezentwurf ausgearbeitet werde. Dem in München beste- henden Comité für Errichtung eines National-Denkmals auf dem Niederwalde is Allerhöhsten Orts die Erlaubniß zu öffentlihen Aufrufen und Sammlungen für den Umfang des Königreiches bis zum 1. Dezember l. Is. ertheilt worden. Der Abg. Pfarrer Mahr hat sich mit einem Gnadengesuch um Ummwandlung der gegen ihn erkannten ahtmonatlihen Zellen- gefängnißstrafe in Feftungshaft und beziehungsweise um Ver- minderung der Dauer derselben an Se. Majestät den König gewandt, es ist das Gesuch aber abshlägig beshiedeu worden. Zu der Generalversammlung der bayerishen Ostbahnen hatten fih bis gestern erst gegen 200 Aktionäre angemeldet, unter denselben aber viele mit sehr bedeutendem Aktienbesiß.

Hessen. Darmstadt, 12. März. Der Großherzog empfing heute Vormittag #11 Uhr in dem Residenzschlosse den ehemaligen Kaiserlih russishen Botschafter .am Londoner Hofe, Grafen von Brunnow, in Privataudienzg. Wie der „Darmst. Ztg.“.aus Mainz, 12. März, gemeldet wird, sind, gutem Vernehmen nah, nunmehr offizielle Bestimmungen ge- troffen in Beziehung auf die Feier des Allerhöchsten Gez burtstages Sr. Majestät des Kaisers, und zwar in der Art, daß die für den 22. März, weil derselbe in die Char- woche fällt, üblichen außerkirhlihen Festllihkeiten am 20. März stattfinden.

Mecklenburg. Schwerin, 13. März. (W. T. B.) Der Großherzog hat u. d. 12. den Antrag der Ritterschaft auf Einleitung weiterer Verhandlungen in der Verfassungs- angelegenheit / zwis Kommissarien der Regierung und ständishen Deputirten “abgelehnt. In dem Reskripte moti- virt der Großherzog seine Ablehnung des Antrages der Rit- terschaft auf weitere Verhandlungen über die Verfassungsangele- genheit zwishen Regierungskommissarien und ständischen Depu- tirten damit, daß der Antrag nur von einem Stande gestellt ift.

Sachsen-Coburg-Gotha. Gotha, 13. März. Der 26. März 1675 war der Todestag des Herzogs Ernst des Frommen. Höchster Entschließung zufolge soll dieses Tages am 26. März -des laufenden Jahres in sämmtlichen Kirchen des Landes in der Weise gedaht werden, daß die Geistlihen nach der am genannten Tage stattfindenden Charfreitagpredigt Worte der Erinnerung an den höchseligen Fürsten, an sein Wirken und sein Hinscheiden in angemessener Weise anknüpfen.

Schaumburg-Lippe. Bückeburg, 13. März. Das heut ausgegebene 6. Stü der Landesverordnungen vom Jahre 1875 enthält: Geseh, betreffend die Entschädigung für gewisse nah §. 7 der Bundesgewerbeordnung weggefallene Ge- werbeberechtigungen. Vom 3. März 1875; Gesey über das Bolks\hulwesen im Fürstenthume Schaumburg-Lippe. Vom 4. März 1875

Oesterreich - Ungarn. Wien, 13. März. Das „Fremdenblatt“ erklärt \fich heute in der Lage, authen- tische Daten über die Kaiserreise nach Dalmatien mit- theilen zu können. Se. Majestät werde die Residenz am 2. April verlassen und in Triest sich sammt Gefolge nah Venedig ein- \chifen, wo am 4. April die Begegnung der Monarchen von Oefterreih-:Ungarn und Italien stattfinden werde. Von Venedig aus soll dann die Reise über Pola und Fiume nach Dalmatien forigeseßt werden.

Jm Herrenhause, auf dessen Tagesordnung eine Reihe von zweiten Gesezeslesungen stand, widmete der Präfi- dent Fürst Karl Auersperg gestern einen mit Beifall aufge- nommenen warmen Nachruf dem verstorbenen Mitgliede dieses Hauses, Grafen Haller v. Hallerkedò. : |

Heute erledigte das Herrenhaus in dritter Lesung den Gesetzentwurf über die Organisirung der Börsen in der Fassung der Kommission, sowie die weiteren Gegenstände der Tagesordnung.

Das Abgeordnetenhaus beendigte gestern die Be- rathung über das Gebäudesteuergesezg. Eine Interpellation an den Minister des Jnnern betraf die Gewährung eines unver- zinslihen Darlehens an Steiermark anläßlih der vorjährigen Elementarereignisse.

Das Abgeordnetenhaus lehnte heute den Antrag des Abg. Brandis auf Einseßung einer Kommission zur Be- rathung der Erweiterung des Wahlrehtes mit 72 gegen 50 Stimmen ab und agnoszirte die Wahl des Dr. Blaas in Bozen, worauf die Regierungsvorlage betreffs der Gehaltsftufe der Pro- fessoren der Czernowiger Universität berathen wurde. Czarkiewicz beantragte eine Resolutioi betreffs Errichtung einer ordentlihen Lehrkanzel für die ruthenische Sprahe. Gomperz -brahte eine Resolution ein wegen Errichtung einer Universität in Mähren. Das Abgeordnétenhaus nahm A längerer Generaldebatte die Regierungsvorlage betreffend die Gehalte der Professoren an der Czer- nowigzer Universität an, unter Ablehnungdes Amendements Dumbus, wonach an der theologishen Fakultät nah Erforderniß der Vorträg

auch in einer anderen als der deutshen Sprache zugelassen wer-

den sollte, sowie des Antrages Tomasczuks, welcher lautet: Die

Geschäftssprahe und Unterrichts\prache an ‘den weltlihen Fakul- täten der Czernowizer Universität isst die deutsche. Der Unter- rihts-Minifter erklärte, er wolle nur festgehalten haben, daß der Charakter der Czernowigzer Univerfität ein deutsher sei; dies \hließe keineswegs aus, daß gewisse Gegenstände in einer ande- ren Unterrichts\sprache vorgetragen werden. Der verlangte Nach- tragsfkredit für 1875 für diese Universität wurde bewilligt. Die Resolutionen der Abgg. Charkiewicz und Gomperz wurden an- genommen. Pfeiffer und Genossen interpellirten, weshalb der Bischofsfig in Laibach seit zwei Jahren unbeseßt sei. | Pest, 12. März. Das Abgeordnetenhaus seyte die Spezialberathung des Budgets des Unterrichts-Ministeriums fort. Der Finanzaus\{huß beantragte, die Kosten für Errichtung einer höheren Töchtershule niht zu votiren, Der Unterrihts-Minifter Tréfort \prah für die Votirung dieser Post, welhe nah längerer Debatte von der liberalen Partei acceptirt wurde; die oppo- sitionelle Rehte und ein Theil der äußersten Linken stimmte dagegen. Alle andern Posten, au die Kosten für die Errichtung einer Musikakademie, im Sinne“ der Anträge des Finanzaus- \{hu}ses votirt. Es folgte hierauf die Verhandlung über das Honvedbudget. Referent Moricz empfahl die Annahme der An- träge des Finanzausschusses. Nikolaus Jankovics, gewesenes Mitglied des linken Centrums, reichte einen Antrag ein, bezüglich Anerkennung und Versorgung der 1848er Honveds, den bisher immer Varady eingereiht hatte. Minister Tisza ersuchte das Haus, s\ich jezt in eine meritorishe Verhandlung über diesen Antrag nicht einzulassen, und reihte ohne Moti- virung einen hierauf bezüglihen Antrag ein. Der Präsi- dent stellte die Frage, ob das Haus diese den Uebergang zur Tagesordnung beantragende Resolution annehme. Hierauf entspann sih eine lange, von der äußersten Linken heftig ge- führte Debatte über die Fragestellung. Der Antragsteller for- derte, daß früher sein Antrag und erst dann der Antrag des Ministers zur Abstimmung komme. Minister -Tisza hielt es für völlig inforrekt, über einen Antrag zuerst meritorisch zu beschlie- ßen und dann erst über einen Antrag abzustimmen, der die me- ritorishe Verhandlung vertagt. Damit beweise die äußerste Linke nur, daß ihr niht an der Säche selbst, sondern an etwas Anderem gelegen sei. Es wurde hierauf über den Antrag Tisza's und zwar über Forderung der äußersten Linken nament- lih abgestimmt und der Antrag mit 182 gegen 31 Stimmen angenommen. Ernst Simonyi meinte, Tisza habe, nachdem er

jezt kein Abgeordneter sei, nicht das Recht, einen Antrag einzu- bringen. Tisza erklärte, ex habe den Antrag im Auftrage des Die Sizung, wurde hierauf ge-

ganzen Ministeriums geftellt. \{chlo}sen. N

13. März. Das Abgeordnetenhaus. erledigte heute den Gesezentwurf über den Kataster und Über die Aenderung des Wirkungskreises der Gerichtsexekutoren und Zustellungs- organe. Montag wird die Spezialdebatte des Budgets fort- esett. M ien allen Gegenden des Landes langen Vertrauengadressen an die Regierung ein. A6

Bei dem Bankette, welches heute anläßlih der 25 jährigen Fubiläumsfeier des Bestandes des „Pesti Napló“ abgehalten wurde und an welchem 100 Gäste, die Minister Tisza, Szell, Trefort und zahlreihe Mitglieder der liberalen Partei Theil nahmen, toastirte Minister Koloman Tisza in sehr \sympathischer Rede auf die Presse, welche in Vertheidigung der ungarischen Staatsidee immer einig und: in jeder Hinsicht überzeugungs-

treu sei.

Led! 12. März. In der gestern unter Vorsiß des Landtags-Präsidenten Krestic abgehaltenen Konferenz der in Agrant befindlichen Reichstagsmitglieder wurde beschlossen, daß die lezieren ehebaldigst zu den Budgetverhandlungen nah Pest abreisen sollen, wo erft der kroatishe Club entscheiden wird, ob die Mitglieder desselben fich einer Partei äánshließen, oder eine unabhängige Stellung einnehmen. i Î

Die Konferenz berathschlagte \{chließlich über den Wieder- zusammentritt des kroatischen Landtages.

Niederlande. Haag, 10. März. Die Regierung hat den Generalstaaten einen mit dem Orauje-Freistaate ah- ge\hlossenen Handelsvertrag zur Genehmigung vorgelegt, durch den die gegensei!'ige Bezandlung auf dem Fuße der meist begünstigten fremden Nation zugesichert wird.

Großbritannien und Jrland. London, 15. März. (W. T. B.) Der hiesige russische Botschafter Graf Shuwa- loff hat sich heute zu einem kurzen Aufenthalte nah St. Peters- burg begeben.

Frankreich. Paris, 13. März. Das „Journal officiel“ enthält die Ernennung des Hrn, Dufeuille, bisher Kabinets: hef des Hrn. Buffet, so lange dieser Präsident der National- versammlung war, zum Kabinetshef desselben Hrn. Buffet in seiner gegenwärtigen Eigenschaft eines Vize-Präsidenten des Ministerrathes und Ministers des Innern. /

Versailles, 13. März. (W. T. B.) Nationalver- sammlung. In dêr heutigen Sizung wurde die dritte Be- rathung des Geseßes über die Cadres der Armee beendigt. Die Wahl des Präsidenten ward auf Montag festgeseßt. Die Linke wird, dem Vernehmen der „Agence Havas“ zufolge, für dieg Präsidentshaft Audisfret-Pasquiers stimmen, wenn das rechte Centrum \sich für Duclerc (Linke) als Vize-Präfidenten erllären sollte. |

14. März. (W. T. B.) Die Bureaus der Linken

aben einstimmig die Kandidatur des Herzogs von Audiffret- Aidnte für die Präsidentschaft der Nationalversammlung ge- nehmigt, ohne vom rechten-Zentrum die Zusicherung zu verlangen, für die Wahl von Duclerc als Vize-Präsidenten zu stimmen.

Spanien. (W. T. B.) Nach über Bayonne, 14. März, Abends, eingegangenen Meldungen von der spanischen Grenze hat die Division des Generals Salamanca gestern die Position von Monte Gerante bei Portuga!ete besezt, welche das Thal von Somorrostro und die Straße nah Bilbao beherrscht.

Ftalien. Rom, 13. März. (W. T. B.) Der Senat nahm in seiner heutigen Sizung die Artikel desStraf ge seßes, betreffend den Miß brauch der geistlihen Amtsgewalt, uh Der Berichterstatter empfahl die Annahme der Artikel besonders wegen der gegen dieselben von den Bischöfen von Turin, Genua, Vercelli und Novarra eingelegten Proteste. Die* Nachricht, daß der Erzbishof Graf Ledohowski in dem nächsten Konsistorium zum Kardinal ernannt werden solle, wird hier mit großer Bestimmtheit ausrent erhalten. i;

14. März. / (W. T. B.) Gutem Vernehmen nah wird ein italienishes Geshwader den Kaiser von Desterreih von Venedig nah Pola begleiten.

Griechenland. Athen, 8. März. Die Kammer is auf den 17, März neuen Stils einberufen. Die Einberufung

wird von Seiten der Regierung durch wichtige und dringliche Gesehvorlagen motivirt. Dazu gehören Unter Andern die im lezten Postkongreß getroffenen Vereinbarungen. Werden diese jeßt nicht ratifizirt, so bleibt Griehenland von allen Vortheilen der Vereinbarung ausges{chlo}sen.

Türkei. Konstantinopel, 13. März. (Wien. 3.) Alle heute erschienenen Journale, mit Ausnahme des „Courrier d’Orient*, find mit dem Zeitungsfstempel von zwei Paras versehen. Der „Courrier d’Orient“, welher ohne Stempel erschien, wurde mit Beschlag belegt.

- Nußland und Polen. .(St. Pet. Ztg.) Die „Gegen- wart“ weiß aus guter Quelle zu melden, daß auf Aller- höchsten Befehl beim Ministerium des Innern eine Kom- „mission eingesezt werden soll zur Prüfung von Maßregeln für Verminderung der Feiertage und zur Abstellung der Vergnügungssuht unter dem Volk. Zu Mitgliedern dieser Kommission find ernannt worden: von Seiten des Ministeriums des Jnnern Wirklicher Staatsrath Kapnist ; von Seiten des Ministeriums der Reichsdomänen der Landwirthschafts- Inspektor, Wirkliher Staatsrath Skworzow ; von der 2. Ab- theilung Sr. Majestät Eigener Kanzlei Wirklicher Staatsrath Kalugin und von Seiten des geistlichen Ressorts das Mit- glied des Unterrichts-Comités beim Synod und Protohierej des Winter-Palais ‘Tolmatschew. Diese Kommission wird ihre Ar- beiten in kurzer Zeit beginnen.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 13. März. (W. T. B.) Die Ratifikation des Berner Weltpostver- trages durch den König ift gestern erfolgt.

Der Staats-Minister und Minister der Justiz, v. Car- [leson, hat dem Könige gestern sein Demissionsgesuch übergeben. Der König hat dasselbe jedoh noch niht angenommen, sondern fich seine Entscheidung vorbehalten. Der Minister bleibt daher vorläufig auf seinem Posten.

Dänemark. Kopenhagen, 13. März. (W. T. B.) Der Berner Weltpostvertrag ist heute von dem Könige ratifizirt worden.

Landtags- Angelegenheiten.

Berlin, 15. März. In der Sizung des Herren- hauses am 13. d. M. äußerte sich der Justiz - Minister Dr. Leonhardt in der Generaldiskussion über das Vormund- \chaftsgesez wie folgt:

Meine Herren! Jch werde mir erlauben, zuvörderst über die Stellung, welche die Königliche Regierung zum Geseh einnimmt, mich zu äußern, und sodann näher zu prüfen, ob das legislative Vorgehen im Vormundschaftsrechte opportun ist.

Die Königliche Regierung ift der Elften Kommission sehr dank- bar für die eingehende und gründlihe Prüfung des Geseßentwurfes ; sie ist der Kommission insbesondere zu großem Dank verpflichtet, daß fie in einer verhältaißmäßig kurzen Zeit, in langen, tagtäglichen Sitzungen die Arbeit gefördert hat. Die Königliche Regierung er- kennt an, daß der Bericht cine Reihe von Verbesserungen enthält, welche nicht allein die Fafsung, sondern auch die Sache selbst be- treffen. Andere Punkte des Berichtes sind für die Königliche Regie- rung indifferent und einzelne habea für sie Bedenken; allein die Königliche Rezierung wird- im Allgemeinen und Wesentlichen allen Anträgen Jhrer Kommisfion beitreten. Die Königliche Regierung uimmt auch eine neutrale Stellung ein zu den Anträgen, welche heute vertheilt worden sind unter Nr. 2, während fie den Antrag unter Nr. 1 aus formellen und materiellen Gründen bekämpfen wird.

Meine Herren! Wenn ih mich zu der Frage der Opportunität wende, so bin ich dazu veranlaßt durch den Bericht der Kommission, nach welchem diefe Frage erörtert und gegen deren Bejahung von dieser Seite für die Opportunität Bedenken geltend gemacht worden sind. Ganz besonders aber werde ih veranlaßt, mich zu äußern durch den Umstand, daß von den vierzehn Mitgliedern Jhrer Kommission fünf fih gegen den Entwurf der Vormundschaftsordnung überhaupt erklärt haben. ;

Meine Herren! Darüber, glaube ih, kann gar kein Zweifel be- ftehen, daß das landrehtlihe Vormundschaftsrecht und seine Uebung der Reform dringend bedürftig ist. Wer die gegentheilige Ansicht hat, wird sich sagen müssen, daß das eine sehr individuelle Ansicht ist: denn jene Ansicht ist seit Jahrzehuten von den Gerichten immer von Neuem wiederholt in den Berichten ausgesprochen. Es ist eine Re- form des Vormundschaftswesens dringend verlangt worden; eine sehr wichtige Anzeige für das=Bedürfniß der Reform des landrechtlichen Vormundschaftsrechts liegt darin, wie von dem Herrn Vorredner be- reits hervorgehoben ist, daß das an sih keineswegs ungefährliche Jn- stitut der befreiten Vormünder einen so außerordentlichen Beifall im Lande gefunden hat. Dieser Gedanke, der niht Theorie ist, sondern dem Leben angehört, sollte wohl leitend sein für die Frage, wohin denn die Wege zu richten seien. Auch hat die Königliche Regierung zu wiederholten Malen den Versuch gemacht, die so dringend erforder- lihe Reform durchzuführen immer vergeblich. /

Wenn die Königliche Regierung von Neuem diesen Versuch ge- macht hat, so war dieser schon an sih gerechtfertigt; aber die Haupt- retfertigung liegt in dem äußeren Unstande, daß im Jahre 1866 große. Provinzen der preußischen Monarchie einverleibt wurden. Es ist eines großen Staates niht würdig, daß in ihm Mannigfaltigkeit des Rechts gilt in indifferenten Rechtsmaterien. Es giebt aber für die Geseßgebung keine indifferentere Rechtsmaterie, als das Vormund- E es Unter indifferenten Rechtsmaterien verstehe ih aber olche, die allgemein zu regeln sind nah allgemeinen Rechtsprinzipien, nach der allgemeinen Sitte, nah den realen Verhältnissen des Lebeus und des Verkehrs. Von provinziellen Eigenthümlichkeiten und son- Boe besonderen Rücksichten ist im Vormundschaftswesen überall keine

ede.

Nun, meine Herren, ist die Opportunität des legislativen Vor- \hreitens im Vormundschaftswesen in dem Berichte aus verschiedenen Gründen in Abrede gestellt. Sie finden dieselben auf Seite 3 und 5 des Berichts.

Zuvösrderst berühre ih hier zwei unter b. und c. aufgeführte Gründe ganz nebenbei. Man hat gesagt, es sei zur Zeit nicht oppor- tun, vorzugehen, weil zwei Nebengeseße uiht vorgelegt wären. Es handelt sih hier um ein paar Nebengesebße, die allerdings mit der Vormundschaftsordnung im Zusammenhange stehen, freilich in einem schr losen Zusammenhange.

Diese Nebengeseße find vorgelegt, und zwar dem Abgeordneten- hause ; sie konnten dem Herrenhause nicht vorgelegt werden, weil dies verfassungêwidrig gewesen wäre. Prinzipiell am richtigsten wäre es gewesen, wenn alle drei Geseßentwürfe einem Hause vorgelegt wor- den wären, das war dann aber das Abgeordnetenhaus; so ist es im vorigen Jahre auch O Nun, meine Herren, erinnern Sie sich doch, daß aus diefem ub von Mitgliedern desselben mehrfach leb- hafte Klage darüber geführt worden, daß die Königliche Regierung nit gleich im Anfang n E Hause die erforderlichen Arbeiten überweise. Wenn die Königliche Regierung, diesem Wunsche ent- sprechend, die Vormundschaftsordnung diesem Hohen Hause vorgelegt hat, so ist es doch nicht entsprechend, wenn man auf folche rein äußere Gründe Opposition fstüßt. Y

Weit wichtiger, meine Herren, ist das Verhältniß zur Reichs- geseßgebung. Man hat gesagt, es sei die Zuständigkeit der Reichs- geleßgebung für das Civilreht hergestellt, es sei eine Kommission niedergeseßt, um ein allgemeines Civilgeseßbbuch zu bearbeiten; des- halb empfehle es sich nicht, daß die Landesgeseßgebung vorgehe mit dieser legislativen Neuerung. Nun ist das ja bekanntlich Alles ganz

rihtig, aber daraus folgt an fich noch recht wenig, selbs wenn ich annehmen wollte, was ih nicht annehme nach Lage der Verhältnisse, daß das Allgemeine Deutsche Civilgeseßbuch in dem nächsten Jahre ins Leben treten werde. Man hat gesagt, es sei doch sehr bedenklich, wenn die Geseßgebung wehsele, chwanke; es sei anzunehmen, daß im Reichsgeseße ein neues Recht entstehen werde. Nun- erkenne ich aller- maßen an, daß das Schwanken der Gesetzgebung in ihren Prinzipien ein großer Uebelftand ift, aber davon fann meiner Ueberzeugung nah gar keine Rede sein, daß die Reich8geseßgebung von anderen Prin- zipien ausgehen sollte bei Regelung des Vormundschaftérechts, als von denjenigen, welche in dem Entwurfe niedergelegt worden find. Meine Herren! In ruhigen Zeiten läßt die Geseßgebung in Justizsachen sih nicht beeinflussen durch Launen und Einfälle, sie geht vielmehr ihre bestimmten, dur die Geschichte angewiesenen Wege; fie chaft niht neues Recht, sondern stellt nur klar, was sich gebildet hat im Volke, was sich gebildet hat unter der Einwirkung der realen Verhältnisse des Lebens und des Verkehrs. Wenn man hiervon ausgeht und geschihtlich Üüberblit den Weg, welchen die Deutsche Geseßgebung, insbesondere im Vormundschaftswesen, ge- nommen hat, so wiederhole ich noch einmal: das Reichsgeseß wird in den wesentlihen Prinzipien dieselbe Geftalt haben, wie die Vormund- schaftêordnung, welche Ihnen jeßt vorliegt. Jch gehe sogar so weit, zu sagen: das Reichsgeseß in dieser Materie wird nichts Anderes n als eine Revision der Vormundschaftsordnung, die Ihnen vor- iegt. Dann, meine Herren, finden Sie auf Seite 5 des Berichts die Behauptung, es wäre die erforderlihe Rücksicht auf die Reichsgeseßz- gebung niht genommen, man präjudizire der Reichsgeseßgebung. Meine Herren! Es ist Ihnen gewiß bekannt, daß die Königliche Re- gierung aus sachlichen und politishen Gründen die Reichsgeseßgebung in Justizsachen in aller Weise zu fördern sucht. Deshalb wird fie sih nie einer Rücksichtslosigkeit gegen die Reichsaefeßgebung schuldig machen, und wird auch- nicht präsudiziren, wo überhaupt zu präju- diziren is, Präjudizirt werden kann der Reichêgeseßgebung nur in solchen Fragen, welche viel bestritten sind und insbesondere politische Bedeutung haben, Die Königliche Regierung würde es nie wagen, wenn die Reichsgeseßgebung sich mit dem Strafgeseßbucbe beschäftigte, im Wege der Landesgeseßgebung die Frage über die Abschaffung der “Todesfraçe zu lösen; jeßt, meine Herren, wo das Reich eine Straf- prozeßorduung beräth, würde die Königliche Regierung nicht darauf fommen, sich zu entscheiden über die Frage, ob die Schwurgerichts- verfassung zu beseitigen, ob_ sie zu vertauschen sei mit der Schöffen-

erihtsverfassung, ob die Kompetenz der Geschworenen auszudehnen fei auf Preß- und politishe Vergehen. Das find“ Fragen, in welchen die Landesgeseßgebung präjudiziren kann der Reichsgesetgebung.

Meine Herren! Die Königlich preußishe Regierung hat in der Reichsgeseßgebung in Justizsachen bislang großen Einfluß geübt, und die Kniglich preußishe Regierung ist durchaus auch niht Willens, diesen Einfluß aufzugeben. Sie wird denselben vielmehr thunlichst zur Geltung zu bringen suchen. Jch bin überzeugt, wie das auch bereits hervorgehoben ist, daß die Reichsgeseßgebung der Königlich preußischen Regierung nur dankbar dafür sein wird, wenn diese jener vorarbeitet, wozu fie in allem Maße berechtigt und berufen is wegen der hervorragenden Intelligenz des preußischen Juristenstandes. So glaube ich denn au, daß die Reichégesezgebung in der besonderen Richtung dankbar sein wird, als, wenn jeyt die preußische Regierung vorgeht mit der Regelung des Vormundschaftswesens, mehrere Jahre fommen werden, in denen dieses Geseß in seinen Einzelheiten sich praktisch erproben kann. Dann wird die Reichsgeseßgebung auf Grund praktischer Erfahrung in der Lage sein, mit glücklichem Erfolge zu revidiren.

Meine Herren! Es ist in dem Berichte gesagt, der Geseßent- wurf hätte dem Reichstage vorgelegt werden müssen. Der König- lih-n Geseßgebung standen zwei Wege offen: entweder die Voclage aa die Landesvertretung zu bringen, oder den Versuch zu machen, im Wege der Reichsgeseßgebung die Sache zu regeln.

Bislang ist der Königlichen Regierung nicht der Gedanke ge- kommen, den leßteren Weg einzuschlagen, und hätte ihr nur kommen können, wenn in ihr überhaupt der Gedanke asfgeftiegen wäre, daß die Regelung der Sache im Wege der Landesgeseßgebunz Schwierig- keiten finden werde. "Die Sache im Wege dèr Landesgeseßgebung zu regeln, lag nahe. Einmal war die Sache bereits früher in diesen Weg gelenkt; man hatte die Sache \chon lange in Vorbereitung ge- nommen, zu einer Zeit, als die Zuständigkeit des Reiches in Juftiz- sachen eine ganz andere, eine viel beschränftere war. Und dann, meine Herren, wer hat denn überhaupt an der vorgängigen Regelung der Sache ein Interesse als die Königliche Regierung? Und diese auchz nicht einmal für ihre sämmtlichen Landesbezirke, sondern nur für die landrechtlihen Provinzen!

Und pun komme ih auf die, meiner Ueberzeugung nah, ganz durchs{chlagenden Gründe, welche eine Regelung des Vormundschafts- wesens erheischen. Meine Herren, wenn man von Rüesicht gegen die, Reichsgescßgebung redet, so darf man da nicht blos das Civilgeseßz- buch für das Reich ins Auge fassen. Viel näher liegt die Rücksicht auf die Gerichtsorganisation, welche in Aussicht steht. Die Gerichts- organisation tritt jedenfalls viel früher ins Leben, als das Civilgeseßz- buch für das Reich. s,

Meine Herren! Meine Kommissäre haben in der Justizkommis- sion schon bemerklich gemacht, es sei eine Durchführung einer der Gerichtêorganisation vorgängigen Regelung des Vormundschaftswesens wünschenswerth. Ich muß diese Erklärung verschärfen. Für mich ist die vorgängige Regelung des Vormundschaftêwesens eine legislative conditio sïne qua non. Die Regelung des Vormundschaftswesens ist zwar feine logische, aber doch eine legislative Nothwendigkeit, und das aus zwei Gründen. Die neue Organisation mag vielen Streit her- vorrufen. Eins aber glaube i, ist ganz siher: es wird das selbst- ständige Einzelrichteramt eingeführt, und die Folge des selbständigen Einzelrichteramtes ift die Bildung großer Landgerichtsbezirke. Wenn die neue Organisation ins Leben tritt und für die alten Provinzen noch die landrechtliche Geseßzgebung in Vormundschafts\sachen besteht, so werden die Vormundschaften abgegeben werden müssen an die großen Landgerichte. Jst das nun möglich? Würden es nicht völlig unerträglihe Zustände werden, wenn so etwas geschehen sollte? Die Landgerichtsbezirke, wie sie geboten find gegenüber dem Einzelrichteramimte, werden ganz andere Gerichte sein, als die jeßigen Kreisgerichte. Hinzu kommt Folgendes: es würde eine neue Organisation erforderlich werden, jedenfalls dann, wenn das Reichs- gesez Über das Civilrecht ins Leben tritt. Denn darüber bin ih auch nicht einen Augenblick zweifelhaft, daß das Reichsgeseß über das Civilrecht die Führung der Vormundschaft nicht an Kollegialgerichte verweisen wird, sondern vielmehr an Einzelrichter. So verhält sich die Sache in dea deutshen Staaten, so auch in großen Länderstrecken der preußischen Monarchie. Die einzige Aus- nahme bildet das landrechtlihe Gebiet. Wenn nun die Gerichte dar- über einverstanden sind, daß die kollegiale Berathung solcher Sachen f nicht empfiehlt und wenn die preußishe Staatsregierung der- elben Meinung is, wie sollte es wohl möglich sein, daß das Reichs- geseß etwas Anderes enthalten follte? Wir würden also neu organisiren müssen; wer jemals mit Organisationen zu thun gehabt hat, wird die großen Bedenken kennen, welche jede Organisation, ins- besondere die Organisation der Gerichte, nothwendig mit sih führt.

Ich habe aber noch einen anderen Grund, welcher dafür spricht, daß alsbald und auf das Schleunigfte. die Regelung des Vormund- \chaft3wesens erfolgt. Meine Herren! Es ift Jhnen bekannt, wie es mit der Rechtspflege sih verhält. Es steht eine Reihe von Gerichten offen, weil sich Niemand dazu meldet; die Geschäfte wachsen immer mehr, die ganze Entwickelung des Staats drängt dahin, ueue Funk- tionen den Gerichten zu überweisen. Wie soll das enden? Jch glaube, ein preußischer Justiz-Minifter muß das Programm haben und ih habe es {on lange mit aller Kraft dahin zu streben, daß die Rechtspflege geübt wird von einer verhältnißmäßig geringen Zahl von Justizbeamten. Das wird ‘die Folge haben, daß auf Tüchtigkeit noch mehr Rücksicht genommen werden kann, wie bisher, zweitens aber, daß es möglich wird, dem Richter eine Besoldung zu gewähren, die den heutigen Verhältnifsen entspricht. :

Aber, wie läßt fih in diefer Richtung helfen? Jn keiner anderen Weise, als daß wr die Gerichte von einer fie erdrückenden Geschäfts- last befreien, daß insonderheit die viele Schreiberei und was damit zusammenhängt, aufhört. Ju dieser Richtung wird durch die Vor- mundschaftsordnung ein sehr bedeutender Schritt gethan. Die preu- ßishe Staatsregierung ist niht in der Lage, ihr Haupt mit einem Schleier oder einem Tuche zu umhüsllen, um die Gefahr nicht zu sehen: sie sieht die Gefahr und thut Alles, um ihr entgegenzutreten. Der Verantwortlichkeit ift sie sich völlig bewußt, sie will diese nicht vou fih ablehnen, aber fie wünscht doch au, daß von anderer Seite diese Verantwortlichkeit mitgetragen werde. Jh muß Sie nah allem diesem bitten, den Entwurf der Vormundschaftsordnung anzunehmen.

Dem Herrn v. Dechend entgegnete der Finanz-Minister Camphausen:

Ich. glaube, daß der geehrte Herr Vorredner die Frage, mit der sih seine Rede beschäftigte, doch niht nach allen Seiten hia erwogen hat. Jch bitte, nicht zu übersehen, daß mit dem 1. Januar 1876 die Preußishe Bank aufgehört- haben wird zu existiren, und mit diesem Termin die Reichsbank an ihre Stelle treten wird. Wie es auch mit den Depositen gehalten werden mag, unter allen Umständen wird die Nothwendigkeit vorliegen, dieses Verhältniß demnächst anderweitig zu ordnen. Von vornherein würde eine unbedingte Verpflichtung der Reichsbank, die Depositen unter den biéherigen Bedingungen zu behalten, nicht behauptet werden können. Andererseits unterliegt es keinem Zweifel, daß gerade bei dem Zusammenfallen dieses Termines mit den anderweit von dem Herrn Vorredner geschilderten Anforderun- gen die Bank das größte Interesse haben wird, in dieser Beziehung ein den gegenseitigen Interessen gehörig ficherndes und wahrendes Ab- kommen zu treffen. Jh glaube, daß auch die Besorgniß, die der -Herr Vorredner äußerte, als wenn in der Unterstellung, daß ein und dieselbe Bank fortdauerte, es unerträglich sein würde, von der Staats- regierung in Bezug auf die kürzere oder längere Belafsung der Depositen völlig abhängig zu sein, nihl begründet wäre.

Es würde in der Natur der Sache liegen, daß man auf beiden Seiten si zu verständigen suchte, und daß man über die Versftän- digung ein Ubkommen herbeiführte, denn so sehr wie es der Bank lästig sein würde, am 1. Januar 1876 eine Summe von 26 Mil- lionen Thalern zur Disposition zu halten, ebenso sehr würde es um- gekehrt für den Staat lästig sein, an diesem Tage eine solhe Summe übernehmen zu müssen, und also die Zinjsen sofort vollständig zu ent- behren, die ihr die Bank zu zahlen hätte. Wenn ih angeben soll, wie ungefähr vorzugehen wäre, so kann ich mir das nicht anders denken, als daß im wohlverftandenen Interesse beider Theile mit der Abhebung der Depositen nur allmählich, in mäßigen Raten vorgegan- gen wird. Im Uebrigen aber, felbst wenn zu unterstellen wäre, daß die Bank sich bereit halten müßte, am 1. Januar 1876 diese Anfor- derung auf einmal zu befriedigen, so würden die Verhältnisse doch, giaube ich, nit so s{limm liegen, als der Herr Vorredner gedacht hat. Am 1. Januar 1876 wird für das Deutsche Reich die Verpflich- tung entstehen, seine Kassenvorräthe bei der Bank zu halten ; es wird mit demselben Zeitpunkt, wo der preußische Staat eine große An- forderung an die Bank erheben könnte, das Reih in der Lage sein, muthmaßlih wenigstens, . höchstwahrscheinlih sogar ansehnliche Be- träge der Bank zu übergeben und es würde in diesex Weise auf der cinen Seite ein Zufluß, auf der anderen Seite ein Abgang entstehen.

Ich möchte dann das Schreckbild etwas zu verscheuchen suchen, das sich noch an die für dies Jahr bevorstehenden Operationen knüpft. Was die Einziehung der kleinen Banknoten betrifft, so ist diese, schon vor einigen Jahren angenommene Maßregel offenbar diejenige, die in Bezug auf das Bankwesen am tiefsten einshneidend wirken wird. Es wäre die Schuld der Bankverwaltungen, wenn fie auf diesen be- reits- im Mai 1873 festgestellten Termin des 1. Januar 1876 nicht schon längst mehr oder minder Rüsicht genommen hätten. Das Reich ist, und es hat einige Anstrengung gekostet, eiue geseßlihe Maß- regel in diesem Sinne durhzuseßen, dazu übergegangen, den 1. Juli 1875 als denjenigen Termin zu bezeichnen, von wo ab die kleinen Noten, wenn sie demnächst in die Bankkassen zurückströmen, nicht mehr ausgegeben werden dürfen. Jch will hoffen, und nach den Uebersichten, die für Ende Dezember 1874 und Ende Januar 1875 publizirt worden find, muß ih auch annehmen, ‘daß man in diesem Sinne auch schon gewirkt hat, ih will hoffen, sage i, daß die ver- {iedenen Banken schon sehr viel früher ihre Maßregelu treffen, um der Einziehung und Umwandlung der kleinen Bankacten mit Ver- trauen entgegensehen zu können und danach ihre Operationen zu be- messen. Wenn das geschieht, so fällt außerdem der Uebergang in eine Zeitperiode, wie fie zu diesem Zwecke bequemer kaum gedacht werden könnte; gerade im gegenwärtigen Zeitpunkt haben wir müßige Kapitalien aller Art am Geldmarkt. Die Abwickelung älterer Ver- pflichtangen is in großem Umfange bereits crfolgt und überhaupt derzeit leichter denn zuvor, und ih hoffe, daß wenn mit Umsicht Seitens der kleineren Bankanstalten verfahren - wird, namentlich Seitens derjenigen, die so außerordentlich viele kleine Noten aus- gegeben hatten, daß wir auch über diese Operation ohne allzu große Schäden hinwegkommen werden.

Um mit einem Worte noch auf die uns vorliegende Frage zurück- zukommen, fo glaube ih, daß der Termin vom 1, Januar 1876 un- bedenklich beibehalten und daß der Staatsregierung vertraut werden fann, daß sie im Einverständnisse mit der Bankverwaltung wegen Rückziehung der Depositen das Nöthige thun wird.

Nach dem Grafen zur Lippe nahm der Justiz-Minister Dr. Leonhardt noch einmal das Wort:

Ich habe nur ein Interesse, mih mit Herrn von Wedell über einzelne Punkte zu verständigen. Herr von Wedell hat von neuen Prinzipien gesprochen, welche der Vormundschaftsordnung zu Grunde lägen. Es kommt darauf an, was man unter neuen Prinzipien ver- steht. Jch finde die Prinzipien sehr alt; sie gelten und galten seit langer Zeit in ganz Deutschland, abgesehen von den landrechtlichen Bezirken der preußischen Monarchie. Man kann in Einzelheiten Zweifel haben. Aber wie man das allgemeine Prinzip der Vormund- schaftsordnung als ein eigentli neues bezeichnen könnte, vermag ich nicht einzusehen; die Prinzipien, die im Catwurfe niedergelegt sind, sind in ganz Deutschland altbewährte, abgesehen von den landrect- lihen Bezirken, wo sie nicht gelten. Was nun das landrechtliche Vormundschaftsreht anlangt, so will ich darüber nicht urtheilen. Die Gerichte haben seit Jahrzehnten geurtheilt; sie sagten und erflärten daher wiederholt —, daß das Vormundschaftswesen der Reform bedürftig sei. Glauben Sie denn, daß Sie die Sache besser beurtheilen können als die Gerichte? Jch glaube das nicht; die Gerichte haben tagtägliß mit so und soviel Vormund- {haften zu thun und werden demgemäß doch relativ die Sachen besser beurtheilen können, als wir, die wir doch verhältnißmäßig selten davon berührt werden. . Was ist denn im Prinzip eigentlich geändert worden? Jm landrechtlichen Vormundschafisrecht ist durch- gehender Grundsaß, daß der Vormund bevormuntet wird vom Richter, daß der Vormund keine freie Stellung hat, sondern nichts weiter ift, als das Werkzeug des Richters. Im vorliegenden Entwurf ist dieses Prinzip, welches im übrigen Deutschland nie bestand, aufgegeben; dem Vormunde ist eine freiere Stellung gewährt. Jh muß also fagen, von neuen Prinzipien, die ersonnen, die nicht bewährt wären, fann man nicht reden. Dann hat Hr. von Wedell geäußert: aus meinem Vortrage wäre es klar hervorgetreten, daß die Regelung des Vormundschaftswesens beantragt würde mit Rücksicht auf die bevor- stehende Gerichtsorganisation. Jh vermag nicht abzusehen, wie aus demjenigen, was ih gesagt habe, für eine solche Behauptung irgend etwas folgt. Jener Punkt ist ein wichtiges, aber erft später hervorgetretenes Moment, an welches früher nicht gedacht ist, zumal da man preußischerseits den Entwurf der Gerichtsverfassung ganz anders fonstruirt wissen wollte, als das jeßt der Fall is. Für die Königliche Regierung war das Bedürfniß, das Vormundschaftsrecht für die landrechtlichen Ds neu zu regeln, {on vor einem Menschenalter hervorgetreten; bereits in den zwanziger Jahren zog man. eine Revision in Betraht. Jm Jahre 1868 nahm man die Reform wieder auf, einmal mit Rücksicht auf die Mannigfaltigkeit