1875 / 83 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 09 Apr 1875 18:00:01 GMT) scan diff

Spazierfahrt unternommen. Diò „Korr. Hoffmann“ \chreibt: Die Nathricht, daß Se. Majestät der König neuerdings und zwar wegen Augenleiden seine Appartements niht verlassen könne, war übertrieben, da der König, der allerdings ein un- bedeutendes Augenübel Hatte, keineswegs genöthigt war, das Zimmer zu hüten, sondern seine gewohnten täglihen Spazier- fahrten bisher ununterbrochen fortsezte. Die Kammer der Reichsräthe beharrte bezüglih des Gesezentwurfes über die Kompetenzen der Polizei und des Ma istrats in München bei dem Beschlusse, wonach die Gesund jeitspolizei der Polizei- Direktion zusteht. Damit is das Nichtzustandekommen des Geseßes ausgesprochen.

Waden. Karlsruhe, 6. April. Wie die „Karlsr. Ztg.“ mittheilt, find im leßten Jahre in Summa 418 junge Leute. aus dem Großherzogthum als Freiwillige eingetreten, welhe Zahl die des Vorjahres etwa um ein Drittel übersteigt. In dem Bericht über die am 31. März in Heidelberg stattgehabte Versammlung von Geistlichen i eine Aeußerung des Ober- Kirchen - Raths Schellenberg ungenau wiedergegeben. Hr. Stellenberg hat nicht die Zusage der Regierung, 100,000 F. zur Aufbesserung der Pfarrgehälter in das nächste Budget auf- nehmen zu wollen, gegeben, sondern nur erklärt, daß der Ober- Kirchen-Rath der Regierung gegenüber die Nothwendigkeit einer solhen Summe zu dem gedachten Zweck betont habe, und daran den Wunsch geknüpft, die Regierung möge auf die Intentionen des Ober-Kirchen-Raths eingehen.

Sessen. Darmstadt, 7. April. In der heutigen (27.) Sizung der Ersten Kammer wurde zunächst Freiherr Schenck zu Schweinsberg zum ztveiten Präsidenten gewählt. Alsdann wurde die Regierungsproposition betreffs des Aufbaues des Hof- theaters konform den Beschlüssen der Zweiten Kammer ange- nommen. Bezüglich des Antrags des Abg. Möllinger und des Antrags des Abg. Allmann auf Aufhebung des Geseßes vom 14. August 1867, die Aufbringung der Kosten für das zur Erbauung von Eisenbahnen erforderliche Gelände betr., resp. dahin gehend, daß die Staatskasse 1/; der den Gemeinden ent- ftandenen Lasten übernehme und die Regierung ersucht werde, die Eisenbahnbauunternehmer zum Verzicht auf !/; ihrer Forde- rungen an die Gemeinden zu bewegen, wurde der Zweiten Kam- mer insofern beigestimmt, als der Antrag AUmann zur Zeit für erledigt erklärt und die Regierung ersucht wurde: auf gütliche Festsezung der den Gemeinden auf Grund des Geseßes vom 14. April 1867 zur Laft fallenden Beträge “möglichst hinzuwirken ; dagegen wurde dem Beschluß der Zweiten Kammer: die Regie- rung zu ersuchen, demnächst die Frage, ob die den Gemeinden zur Laft fallenden Beträge definitiv auf die Staatskasse über- nommen werden sollen, zu erwägen, nicht beigetreten. Bezüglich des Antrags der Abgg. Goldmann und Genossen wegen des Oktrois wurde dem Beshluß der Zweiten Kammer auf Auf- hebung des Oktrois von Brodfruht, Mehl, Bawaaren, Schlachtvieh, Fleisch, Fleishwaaren und Brennmaterial mit Wir- kung vom 1. Januar 1876 an fich nicht konformirt. Der An- trag der Abgg. Dumont und Oechsner guf Errichtung einer Handelsakademie in Mainz, sowie mehrere andere minder wih- tige Anträge und Petitionen wurden abshläglih beschieden. Der Antrag des Abg. Heinzerling auf Erlaß einer Gesinde- ordnung wurde mit Rücksicht darauf, daß die Regierung mit Ausarbeitung eines bezüglichen Gesezentwurfs beschäftigt ist, für erledigt erklärt.

8. April. (W. T. B,) Die Erfte Kammer nahm in ihrer heutigen Sizung die Kirchengeseßze gemäß den Be- \{chlüssen der Zweiten Kammer an; alsdann gelangten die Eisen - bahnvorlagen zur Annahme.

Sachsen - Weimar - Eisenach. Weimar, 8. April. Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Groß- herzogin von Baden sind heute zum Besuch am hiefigen Hofe eingetroffen.

Elsaß-Lothringen. Straßburg, 5. April. Heute haben die Bezirkstage für Ober- und Unter-Elsaß und für Lothringen in Colmar, Straßburg und Meß getagt und die Wahlen in den Landesaus\{chuß für Elsaß- Lothringen vorgenommen. In Straßburg sind, der „AUg. Ztg.“ zufolge, für Unter-Elsaß gewählt worden: Julius Klein, Apo- theker in Straßburg, Präsident des Bezirk3tags, mit 29 Stimmen; Advokat Schneegans mit 28 St.,, Baron Zorn von Bulach mit 29, Banquier North mit 24, Goguel mit 22, Fabrikant Reuß mit 20, Bürgermeister Flurer mit 19, Banquier Ascher mit 18, Ringeisen mit 19, Pasquay mit 5 Stimmen. Zusammen 10. Erfagmänner: Wehrum, Mayer und Rack. Die Wahlhand- lung ging ohne Schwierigkeit vor \fich. Die Gewählten gehören sämmtilih der elsässishen Partei an. Im Be- girkstag des Ober - Elsaf}ses zu Colmar wurden zurn Landesausschuß von 25 Mitgliedern folgende Herren gewählt: Baron v. Reinah, Gutsbefiber in Hirzbah, 22 St.; Mieg Köchlin, Bürgermeister von Mülhausen, 21 St.; Köhlin, Fabri- kant in Weiler, 21 St.; Kempf, Gutsbesißer in Kößzingen, 21 St.; I. Schlumberger, Fabrikant in Gebweiler, 18 St.; Rizenthaler, Gutsbesißer in Horburg, 17 St.; Kiener, Gutsbesißer in Winzenheim, 16 St.; Dr. Duclout, Arzt in Markirh, 14 St.; Baudry, Bürgermeister von Senn- heim, 16 St.; Rudolf, Gutsbesiger in Ensisheim, 13 St. Als Ersaÿmänner wurden gewählt die Herren: Krafft, Notar in Sulz, 16 St.; Speckel, Bürgermeister von . Habsheim, 16 St. und Böhler, Bürgermeister von Pfirt, 14 Stimmen, In Meg fiel die Wahl auf folgende Mitglie- der: Adam, Notar in Aumeß und Vorsizender des Bezirkstags ; Thomas, Bürgermeister von Albesdorf; Lorette, Notar in Ke- dingen ; Fulter, Bürgermeister in Brülange; Bichelberger, Kauf- mann in Saaralben : Abt, Notar in Falkenberg; Ditsh, Notar in Finstingen; Antoni, Bürgermeister von Pfalzburg ; Richard Nicolas, Notar in Réchicourt; Firmery, Notar in Wollmünster. Als Stellvertreter wurden gewählt die Herren: Bozon, Bürger- meister von Tincry; Grumbach, Banquier in Saargemünd ; Barth, Rentner in Rohrbach.

Desfterreich-Ungaru. Pola, 8. April. (W. T. B.) Der Kaiser Franz Josef begab fih heute Morgen auf der Yacht „Fantafie! nah dem Canale fasana, um das aus dem Kasematt\chiff „Kaiser“, der Fregatte „Radetzky“, der Korvette „Brundsberg®“ und dem Schraubenschooner „Nautilus“ - beste- hende Geschwader unter dem Contreadmiral v. Sterneck zu be- sichtigen. Der Kaiser inspizirte zunächst den „Radeßky“ und verweilte sodann, während mehrere Schiffsübungen gemacht wurden, auf dem Kasemattschiff „Kaiser“. Das Diner wurde nach der Rückkehr in Miramare eingenommen. Das Geschwader hat fich nach Zara begeben.

Niederlande. Haag, 5. April. Der König und die Königin werden morgen Nachmittag aus dem Haag in Amster- dam eintreffen, um der Hauptstadt des Landes, wie um diese Zeit herkömmlih, einen mehrtägigen Besuch zu machen. Sie werden von dem Prinzen Heinrich, des Königs Bruder, begleitet sein. Die Erste Kammer der Generalstaaten hat in ihrer heutigen Sipung mit Stimmeneinhelligkeit den Gesezentwurf angenommen, der die Bedingungen feststellt, unter welchen von der Regierung Aus lieferungsverträge sollen abgeshlossen werden dürfen. Dem „Middelburgshe Cou- rant“ ist aus dem Haag die Mittheilung zugekommen, daß bei dem Staatsrathe nunmehr ein Gesetzentwurf anhängig ist, nah welchem das Projekt der Trodckenlegung der Zuidersee zur Ausführung gebracht und der niederländischen Bodenkredit - Gesellshaft die Konzesfion für dieses großartige Unternehmen mit einer Subsidie von 150 Millionen Gulden er- theilt werden soll. Es find bis zum 27. Februar reichende Postberichte aus Batavia hergelangt. Die neuesten privatbrief- lichen Mittheilungen, welche man dort aus Atchin erhalten hatte,

führen in sehr bestimmter Weise an, daß die Kriegspartei in-

Groß-Atchin fih nun mehr und mehr entmuthigt zeige und die große Masse des Volks des Krieges müde sei. Fortwährend werden neue Unterwerfungen aus den Küstenländern Nord- \sumatras gemeldet.

Belgien. , Brüssel, 8. April. (W. T. B.) Die Gräfin von Flandern ist heute von einem Sohne ent- bunden worden.

Großbritannien und Jrland. London, 7. April. Prinz Leopold, der jüngste Sohn der Königin, trat heute in sein 22. Lebensjahr. Jn Windsor wurde das Ereigniß mit den üblihen Ehrenbezeugungen festlich begangen. Mr. I ay, der

ehemalige Gesandte der Vereinigten Staaten in Wien, is in London angekommen und set am 10. ds. seine Heimreise nah den Vereinigten Staaten fort. Die „London Gazette“ notifi- girt die Niedersezung einer Königlihen Kommission unter dem Präsidium des Parlamentsmitgliedes Hrn. Childers, die Erhebungen über die Ursachen der Selbfstenizündung von Kohlen an Bord von Stiffen anstellen und Mittel zur Verhinderung derselben vorschlagen \oll. i

Die „A. A. C.“ meldet: Kardinal Manning hielt gestern in der erzbishöflihen Refidenz in Westminster seinen ersten Empfang nah seiner Rückkehr von Rom. Sämmtliche engli- hen römish-katholishen Bischöfe, 12 an der Zahl, waren in ihrem Amtsornat zugegen. Unter den Laien, die erschienen waren, um der neuen Eminenz ihre Glückwünsche darzubringen, befanden sich der Herzog von Norfolk, der Marquis von Ripon, der Earl von Denbigh und andere Mitglieder des katholischen Adels, sowie viele katholishe Parlaments-Deputirte. Gestern wurde auch unter dem Vorfiß des Kardinals Manning die alljährlih in der Quasimogeniti-Woche abgehaltene Konferenz der Mitglieder der römisch-katholischen Hierarchie in England eröffnet. Die Sigzungen, die im Hause des Kardinals in Westminster stattfinden, werden bis Ende dieser Woche dauern.

Von den Handelsplägzen an derWestküsteAfrikas find jüngst im Kolonialamte so viele Beshwerden über das Be- nehmen der Eingeborenen gegen britishe Kaufleute eingelaufen, daß, wie der „Globe“ erfährt, einige Wahrscheinlichkeit dafür vorhanden ist, daß das Geshwader in jenen Gewässern verstärkt werden wird, um den britishen Interessen einen besseren Schuß zu sichern. i:

Spanieu. Madrid, * 8. April. (W. T. B) Die Regierung hat, dem Verlangen des Gouverneurs von Cuba entsprehend, die Absendung von 15,000 Mann nah Cuba angeordnet. General Martinez Campos hat Ripoll besegt.

9. April. (W. T. B.) Der laut amtliher Bekannt- machung vom 7. d. von der Regierung für die Bedürfnisse des Kriegs - Ministeriums angewiesene außerordentkiche Kredit von 81,600,650 Pesetas is dazu bestimmt, das von der vorhergehenden Regierung hinterlassene Defizit und die Equi- pirungsfkosten der neuen Regimenter zu deken.

Italien. Rom, 8. April. (W. T. B.) Die Grundlagen zu einem neuen österreihisch-italieni\chen Handelsver- trage find, wie hier verlautet, entsprehend den wirthschaftlichen und Handelsinteressen beider Länder in Venedig endgiltig fest- gestellt worden.

Venedig, 8. April. (W.- T. B.) Der österreihishe Mi- nister des Aeußern, Graf Andrassy, wird noh einige Tage hier verweilen. Derselbe empfing heute Vormittag den Besuch des Minister-Präsidenten Minghetti, der hierauf mit den Ministern Visconti-Venosta und Cantelli, sowie „mit dem General Menabrea die Rückreise antrat. E

Griechenland. Athen, 8. April. (W. T. B.) Die zur Minorität der Kammer gehörigen Deputirten haben eine Erklärung veröffentliht, in welcher sie die Beschlüsse der Majorität und die Handlungen des Ministeriums als illegal bezeihnen und gegen dieselben entschiedene Verwahrung einlegen.

Nußland und Polen. St. Petersburg, 8. April. (W, D: B) Die hiex eingetroffene Deputation der Unirten wurde gestern vom Kaiser im Palais em- pfangen, nachdem dieselbe vorher dem Gottesdienste in dér Hof- kapelle beigewohnt hatte, an welhem auch die Kaiserin und die Großfürstinnen theilnahmen. Die Deputation besteht aus sämmt- lihen Pröpften der Sprengel des Gouvernements Lublin, ge- führt vom Administrator Papich, aus 2 Prôöpsten des Gouver- nements Siedlec und aus mehreren eingepfarrten Personen. Administrator Papih hielt eine Anrede an den Kaiser, in der er die Wiedervereinigung mit der Kirche betonte. Der Kaiser ertheilte eine sehr huldvolle Antwort, in welcher er äußerte, daß er die Unirten mit offenen Armen wieder aufnähme.

9. April. (W. T. B.) Die mit der österreihischen Regierun g eingeleiteten Verhandlungen betreffen keine prin- zipiellen Zoll- und Steuerfragen, sondern nur Angelegenheiten, die sich auf die Einrichtung der Zollstellen beziehen. Der Staatsrath Theorner wird fih zur Führung der Verhandlungen nach Wien begeben. Die Gerüchte, daß die Regierung eine neue Eisénbahnanleihe aufzunehmen beabfihtige, werden als un - begründet bezeichnet.

Türkei. Belgrad, 7. April. (Wien. Ztg.) der hier und beim Fürsten von Montenegro akkreditirte diplomatische Agent Rumäniens nah Cattaro abgereist, um Se. Majestät den Kaiser von Oesterreih im Namen des Fürsten Karl zu begrüßen.

Asien. China. Aus Shanghai wird vom 6. d. per

Kabel gemeldet: Ein Versu, Zölle auf Waaren, die Eigen-

_UVeberzeuguüg

Heute ift -

thum von Eingeborenen sind, zu erheben, verursahte eine völlige Sa Rocung in Trientfin, aber die Angelegenheit ist nun gelegt.

__ Nr. 32 des „Amts - Blatts der Deutschen Reichs- Post-Verwaltung“ hat folgenden Inhalt: Verfügungen: vom 4. April 1875: Bezug des Amtsblatts der deutshen Reichs-Pestverwal- tung gegen Bezahlung, vom 6. April 1875: Vernichtung von Post- sendungen durch Carlistenbanden, Postverbindung mit Konftanti- nopel, vom 4. April 1875: Postauftragsverfahren im Verkehr mit der Schweiz. Bescheidung: vom 3. April 1875: Berechnung des Nachshußportos für unzureichend frankirte Sendungen.

Die Nr. 15 des „Justiz-Ministerialblatts" für die Preußische Meleagebnng und Rechtspflege, herausgegeben im Bureau des Justiz-Ministeriums , hat folgenden Inhalt: Bekanntmachung vom 23. März 1875, betreffend die Berechnung der MWittwenkassen- Beiträge in Reichswährung. Allgemeine Verfügung vom 25. März 1875, betreffend die Eheschließung und die Beurkundung des Personen- standes von Reichsangehörigen im Auslande.

Landtags- Angelegenheiten.

Berlin, 9. April. In der gestrigen Sißung des Hauses der Abgeordneten nahm der Justiz-Minister Dr. Leonhardt zur geshäftlihen Behandlung des Vormundschaftsgesetzes und der damit zusammenhängenden Gesezentwürfe das Wort:

Meine Herren! Die Geseßentwürfe, welche unter Nr. 1a, bis d. der Tagesordnung verzeichnet sind, haben bereits in der vorigen Session dem Hohen Hause vorgelegen und passirten die erste Lesung. Ich kann es um jo mehr unterlassen, auf die allgemeinen Gesichtspunkte einzugehen, welche diese Gesetzentwürfe darbieten, als dieselben in der jeßigen Gestalt gegen die früheren wesentliche Aenderungen überhaupt niht und erheblichere Aenderungea nur ín geringer Zahl na- weisen. Die Geseßentwürfe unter a. und b. sind das Er ebniß der Berathungen des Herrenhauses. Diese beiden eseßz- entwürfe haben im Herrenhaus, insbesondere aber in der Justizkommission des Baue bei schr hochgespanntem fcitishen Eifer einer gründlihen Berathung unterlegen. Fh möchte deshalb aunehmen, daß es ohne Bedenken sei, die weiteren Berathungen im Plenum des Hauses stattfinden zu lassen. Es kommt jedoch in Betracht, daß vorausfichtlich in den nächsten Wochen für diese zweite und dritte Berathung Raum nit sein würde, deswegen möchte es sich empfehlen, die Zwischenzeit zu kommiffarischer Berathung zu benußen. Ih glaubte nämli nach der Lage der Sache, daß die kommissarishen Berathungen sehr wohl in der Zwischenzeit erledigt werden können, zumal wenn diese kommissa- rishen Berathungen fi derselben energischen Leitung erfreuen sollten, welche vor wenigen Jahren die bei weitem {wierigere kommissarische Berathung über die Hypothekengeseße zu einem ebenso raschen als glücklichen Resultate führte. Jch glaube überzeugt zu sein, daß das Hohe Haus den dringenden Wunsch der Königlichen Regierung theilt, daß die das Vormundschaftswesen betreffenden Gesetze noch in dieser Session zur Erledigung gelangen.

Auf die Erwiderung des Abg. Kanngießer, welcher die zweite Berathung . sämmtlicher Geseßentwürfe im Plenum he- fürwortete, entgegnete der Justiz-Minister:

Meine Herren! Ich bin der Meinung, daß es die Sache doch mehr fördert, wenn eine kommiffarishe Berathung stattfindet; ledig- li aus dcm äußeren Grunde, weil ich nicht annehmen möhte, daß eine Plenarsißung in den nächsten Wochen wird stattfinden können. Meiner Ueberzeugung nach würden dieGeseßentwürfe sehr wohl im Plenum berathen werden können, daneben muß ich aber annehmen, daß auch die kommissarisheBerathung besondere Schwierigkeiten nicht haben werde. Ih sollte doch denken, daß die von Ihnen zu wählenden Mitglieder der Kommission eine. besondere Ehre darin finden werden, die Sache zu erledigen, nachdem der afilà ava im vorigen Jahre, um mi so auszudrücken, in der Kommisfion ftecken geblieben ist. Es kommt ja nur darauf an, daß nicht Mitglieder gewählt werden, die anderweitig,

etwa in der Reichs-Justizkommission, beschäftigt find, denn wenn-

man derartige Mitglieder wählt, fo is die Kollision und damit Ge- fahr vorhanden, und man muß befürhten, daß die Sache zu einem richtigen Ziele niht kommt. Wählen Sie aber die richtigen Mitglie- der, wird die Leitung der Verhandlungen Jemandem anvertraut, der die Sache energisch betreibt, so, glaube ih, könnte die kommissarische Berathung erledigt sein binnen wenigen Wochen, ih meine in 14 Ta- gen, auch wird die Kommission wahrscheinli in der Lage sein, die Berichterstattung auf die allereinfachste Weise zu erledigen.

Der Minister des Innern, Graf zu Eulenburg, er- klärte fih gegen den von der Kommission vorgeschlagenen S 1A, der Provinzial-Ordnung (Trennung der Provinz Preußen) 2

Meine Herren! Die Regierung wünscht, daß Sie den Kom- missionsantrag ablehnen. Sie befindet sih zwar nicht in der Lage zu sagen, sie werde niemals ihre Zustimmung zu einer Theilung der Provinz Preußen geben; aber die Regierung kann fie niht jeßt geben und niht bei dieser Gelegenheit! Die Geseßgebung in Bezug auf die Provinzen und ihre Verwaltung, sowie in Ansehung der Dotation ist ausgegangen von den jeßt be- stehenden kommunalen Bezirken; sie hat dieselben vorauêgeseßt, und ih denke, es ist nicht zweckmäßig, daß diese if ruslegung an dieser Stelle durchbrochen wird. Wenn nicht gewiß, so ift es doch sehr wahrscheinlih, daß die Ausführung der vorliegenden Gesetze Finger- zeige geben wird, nach gewissen Richtungen Korrekturen in den Bezirken eintreten zu lassen. Allein, ich glaube, gerade weil in den Geseßea der Keim dazu liegt, so muß die Wirk- samkeit dieser Geseße abgewartet werden. Graf von Bethusy - Huc betonte, wenn ich nit irre, ganz besonders, daß es unzweifelhaft sei, daß aus der Anwendung der Provinzialordnung und des Dotations- geseßes Aenderungen in den Verwaltungsbezirken hervorgehen würden z dem kann man nicht von vornherein widersprechen ; Vdenfalls aber kann man die Forderung stellen, daß die Wirksamkeit der Gesetze ab- gewartet werde, um auf praktishem Boden das Neue zu ordnen.

Dies ist der Gesichtspunkt, von welchem die Regierung ausgeht, wenn sie bittet, das Amendement der Kommission abzulehnen.

Dazu kommt aber eine zweite, wesentli praftishe Seite der Frage: Wäre die Nothwendigkeit der Theilung der Provinz Preußen fo klar, g darüber wirklich kein Zweifel sein könnte, so könnte man fih auch allenfalls entschließen, die Theilung in diesem Geseß aus- zusprechen; allein, meine Herren, in dieser Beziehung stimme ih dem Herrn Abg. Virchow vollständig bei nou liquet,

Wenn wir kommunale Bezirke bisher getheilt haben (i denke namentlich an Kreise), is der Grund davon die der Regierung gewesen, daß die Geschäftslast für den Beamten des Kreises fo groß geworden ist, daß er dieselbe nicht mehr hat bewältigen fönnen, oder es ist der Regierung die Nothwendigkeit der _Theilung des Kreises klar geworden, entweder durch die sehr große Majorität der dafür Stim- menden, oder dur das große Gewicht der Gründe, die von einer vielleicht kleinen Majorität, vielleiht auch von einex Minorität ange- führt worden find. Jn dem vorliegenden Falle ift eine Klage der Ver- waltungsbehörden der Provinz, namentlich des _Ober-Präsidiums, darüber, daß die Geschäfte nicht zu bewältigen seien, niht in dem Grade Tundgegeben worden, daß die Regierung daraus einen ¿wingenden Grund zur Theilung herleiten könnte. Die Majo- ritäten haben sich in dieser Angelegenheit aber gegen den Antrag der Kommission ausgesprochen, und die Gründe für die Wünsche sind so gleihwiegend, daß, wenn Jemand berufen wird, ein Urtheil zu fällen, er do heute sehr \chwer in der Lage sein würde, das Richtige zu treffen. Jch glaube, meine Herren, daß die Frage, die einmal angeregt ift, doch ciner durchgreifenden Prüfung wird unterliegen müssen, ehe man bei ‘dem großen Widerstreben der Ostpreußen, sich von ihren west-

preußischen P attendern zu trennen, darüber einen Beschluß gegen sie zu fassen im Stande sein wird. Die einzige Rücksicht, die uns bestimmen fönnte, schon. jeßt die Frage zur Entscheidung zu bringen, wäre die, daß man zu der Ueberzeugung käme, daß, wenn die Provinzialorduung erst auf den ganzen Bezirk der jetzigen Provinz ansgedehnt sei, es hinterher unmögli sein werde, eine Theilung her- beizuführen. Jch habe diesen Gefichtepunkt woh! andeuten, aber nicht als das Hauptmotiv für die Trennung hinstellen hören; ih glaube auch, daß dies nicht richtig wäre. Wenn Sie jeßt die Pro- vinz Preußen in den , Bestandtheilen, aus denen sie zusam- mengeseßt i dexr Provinzialordnung unterwerfen, so können Sie nur zweierlei Erfolge davon haben: entweder es wird das getrennte Wesen, welches bisher zwishen den beiden Theilen bestanden hat, zusammenschinelzen, man wird sehen, daß die gemeinschaftlichen Fonds und die gemeinschaftlihe lebendige Vertretung bewirken, daß das bisherige gegenseitige Abwägen niht mehr Plaß greifen wird, man wird aus einem Topfe {öpfen und essen, und es wird eine Ge- meinschaft eintreten, die bisher dort vermißt wurde, oder es wird die Unmöglichkeit dieser Gemeinschaft in grellen Farben und mit’ sehr praktishen Beispielen erläutert hervortreten, und man wird dann sagen können, jeßt zeigt es ih, daß die Befürchtungen, welche die Westpreußen haben, daß fie uicht in guter Gemeinschaft mit den Ostpreußen leben können, berechtigt waren wir beweisen es mit Zahlen dann, meine Herren, glaube ich, wird der Zeitpunkt gekommen sein, diese Frage zu entscheiden, und dann wird die Regierung in der Lage sein, Ihnen eine ent- sprechende Vorlage zu machen. So lange das nicht der Fall ist, so lange, glaube ih, thun Sie besser und die Regierung bittet darum lehnen Sie diesen Kommissionsantrag ab.

Statistisché Nachrichten.

Nach dem kürzlih veröffentlichten 2. Theil der Statistik des Handels und der Sch Jahre 1873 betrug der Gesammtwerth des auswärtigen Handels 1196,7 Mill. Fl., gegen 1103,7 Mill. Fl. in 1872. Hiervon entfallen auf die Einfuhr zum Verbrauch 682,1 Mill. Fl. (1872: 617,8 Mill. *Fl.), auf die Ausfuhr aus dem freien Verkehr 514,6 Mill. Fl, (1872: 485,9 Mill. Fl.). Hierbei steht in erster Linie der Verkehr mit Deutschland, welhes an dem Gesammtwerth mit 376,8 Mill. Fl. (1872: 340,4 Mill. Fl.) und zwar an der Einfuhr mit 138,3 Mill. Sl. (1872: 120,9 Mill. Fl.), an der Ausfuhr mit 238,5 Mill. Fl, (1872: 219,5 Mill. Fl.) partizipirt. Die Stu der Nieder- lande über*Preußen repräsentirte einen Werth von131,180,433 Fl. gegen 112,921,200 Fl. in 1872; Hauptgegenständederselben waren nament- li: Kartoffelmehl 440,969 Fl., Bücher 666,730 Fl, Butter 496,233 Fl, Chemikalien 1,738,373 Fl., Eier 591,602 Fl., Baumwollengarn 1,008,561 Fl., Wollengarn 411,642 Fl, Glas und Glaswaaren 732,676 Fl, gemünztes Gold 1,130,410 FL., gemünztes Silber 10,347,801 Fl, Weizen 3,815,560 Fl, Roggen 479,500 F[,, Gerste 1,062,411 Fl., Erbsen und Linsen 621,733 Fl, Mehl 4,197,616 Fl., Haare aller Art 8,599,388 Fl., Hanf 801,416 Fi, Holz aller Art 3,952,907 Fl,, Roheisen 4,058,881 Fl., Stabeisen 1,570,382 Fk., Eisengußwaaren 686,760 Fl., Eisendraht 1,193,623 F1., Kleidungsstüde 1,101,618 Fl, Steinkohlen 14,603,052 Fl, Blei in Blöcken 2c. 2,308,461 Fl, Seidenwaaren 871,626 Fl, Baumwollen- waaren 3,352,932 Fl, Wollenwaaren 3,664,777 Fl., andere Manu- fakturwaaren 3,182,177 Fl., Pferde 755,200 FL., Papier aller Art 923,811 Fl., Schafe 551,620 Fl, Rohzink 1,182,281 Fl, Stahl 889/124 Fl., Pflastersteine 3,867,786 Fl, Nohzucker 1,693,131 FL, Rohtabak 845,986 Fl, Uhren 808,779 Fl., Bettfedern 754,826 Il, Farbewaaren 8,835,880 Fl, Schafwolle 4,702,229 F[,, Raps und Rübsaat 3,739,594 Fl., Leinsaat 1,389,483 F.

Die Ausfuhr der Niederlande an der Grenze gegen Aen hatte einen Werth von 229,566,427 Fl. gegen 200,688,052

l, in 1872 und kommen hierbei hauptsählich folgende Artikel in Betracht: Pott- und Waidasche 1,118,526 F[., Chemikalien 4,218,618 Sl, Droguerien 30,924,524 Fl., Baumwollengarn 16,673,975 Fl., Wollengarn 6,520,545 Fl., Gemüse 2,795,529 Fl. Haare 1,094,646 Fl, Harze 882,262 Fl., rohe Häute und Felle 4,120,861 Fl, Etsen- erze 1,237,262 Fl., Roheisen 26,723,137 Fl, Gußwaaren aus Eijen 7,962,281 Fl., Indigo 6,071,070 Fl., rohe Baumwolle 21,387,019 FL., Kaffee 23,929,591 Fl., Rohkupfer 5,478,232 Fl. , Wollenwaaren 831,570 Fl., Guano 1,378,717 Fl., Rüböl 2,895,364 F[,, 6 1,998,779 Fl., Pferde 937,400 Fl.,, Reis 4,740,851 Fl, g 2,633,843 Fl., Salpeter 2,452,553 Fl., Rindvieh 1,952,360 F[,, Schweine 1,096,180 Bl Stahl 963,789 Fl., Stahldraht 912,638 Fl, raffinirter Zucker 2,268,630 Fl., Rohtabak 909,170 Kl, Tabaks- fabrikate 725,230 Fl, Zinn 2,993,919 Fl., Thran 1,083,730 SL., Sarbewaaren 2,923,170 Fl, Heringe 947,996 FL., Flahs 894,672 Bl., Schafwolle 3,048,897 Fl., Rohseide 665,508 Fl.

Von einiger Bedeutung war auch der Verkehr der Niederlande seewärts mit Hamburg; er bcziffert ih für 1873 auf 12,408,421 Fl. (1872: 22,947,476 Fl.) und zwar in der Eirfuhr auf 4,335,556 SL. (1872: 5,052,210 Fl), in der Ausfuhr auf 8,072,865 Fl. (1872: 17,895,266 Fl.). Die Einfuhr von Hamburg na den Niederlanden beftand u. a. in: Cacao 335,129 Fl., Droguen und Chemikalien 345,149 Fl., Getreide und Hülsenfrüchten 299,993 Fl., Kaffee 263,714 Fl., Salpeter 255,241 Fl., Tabak und Tabaksfabrikaten 201,684 Sl Thran 132,002 Fl,, Sämereien 485,834 Fl., Talg 129,568 Fl. Aus-

eführt wurden dagegen nach Hamburg namentlich: Rum, Arrak 2c.

32,695 Fl., Glaswaaren 191,393 Fl, Häute und Felle 436,599 F[., Lichte aller Art 2,048,320 Fl., Käse 310,439 Fl., Kaffee 1,057,722 SL., Rohblei 332,623 Fl., Manufakturwaaren 684,209 Fl., Oel 254,946 Fl., raffinirter Zucker 263,382 Fl., Zinn 239,814 Fl., Schafwolle 134,651 Fl. Die Einfuhr der Niederlande aus Breme n, welche vorzugsweise in Droguen, Oel, Reis, Rohzucker und Rohtabak bestand, beziffert fich für 1873 auf 2,770,110 Fl. gegen 2,861,860 Fl. in 1872, - wogegen die Ausfuhr nach Bremen nur einen Werth von 837,190 Sl (1872; 950,916 Fl.) repräsentirt. Der direkte Verkehr der Niederlande mit den übrigen deutschen Küstenstaaten war nur unerheblich) ; er beziffert sich in Ein- und Ausfuhr zusammen für: Mecklenburg auf 49,987 Fl. (1872: 2075 Fl.), Oldenburg auf 28,122 Fl. (1872: 64,430 Fl.) und Lübeck auf 4250 Fl. (1872: 5735 Fl.). i

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Berlin. Am Sonnabend, 10. April 1875, Abends 7 Uhr, findet im Poppenberg-Saale (Charlottenstr. 37) eine Versammlung der Juristishen Gesellschaft statt. Außer ges{chäftlichen Ange- legenheiten, darunter Vorstaudswahl pro 1875/76, steht auf der Tages- ordnung ein Vortrag des Hrn. Stadtgerichts-Direktors Anton über den neuen Entwurf der Vormundschaftsordnung.

In der am 31. März abgehaltenen Sißung der philofophisch- historischen Klasse der Wiener Akademie der Wissenschaften iprach das wirkliche Mitglied Professor Sickel in einem längeren E über die Handschriften der Briefe Alkuins, mit deren Studium er sih, jelbst durch die neueste Ausgabe derselben nicht vollständig befriedigt, durch längere Zeit beschäftigte. Jn den Vordergrund treten tif den ersten Blick drei Original-Sammlun- en. ie eine in der Umgebung des Abtes Adalhard von Corbin ald nach 814 entstanden, befindet sfich als ein Kodex Har- leyanus zu London; die beiden anderen, entschieden noch um einige Jahre älteren, sind aus Salzburg in die Wiener Hof- bibliothek übergewandert, Die eine is ein sehr merkwürdiger Kodex, welcher auf der zehnmonatlihen Reise des Salzburger Erzbischofs Arno nach Rom und von dort an das Hoflager Karls im Dae 798 von seinen Begleitern zusammengestellt wurde und eine Jülle von Thatsachen enthält, welhe auf der Reife ihr Interesse in Anspruch nahmen, Hierunter erscheinen sehr wichtige Beiträge zur Topographie Roms und Briefe Alkuins, sowie anderer Zeit- genossen an Arno. Die zweite Wiener Handschrift enthält nebst einer weitverbreiteten Kompilation von Briefen Alkuins, eine Anzahl solcher aus deu Jahren 802—807, welche wegen ihres poli-

iffahrt- der Niederlande im

| hier war der Markt damit nicht überführt.

tishen Jnhalts als vertrauliche behandelt wurden. Eine weitere Sammlung ist diejenige Angilberts, welche nur theilweise eine größere Verbreitung erlangte; die Schüler und Gefährten Alkuins legten Sammlungen seiner Korrespondenz mit Personen auf dem Kontinent und in England an, welche an verschiedenen Orten mancherlei Zusäße erhielten; endlich bestand eine offizielle Samm- lung, die vo: Tours aus über das ganze Reich verbreitet wurde, aber die Briefe au theilweise abkürzt oder umredigirt. Eine Mosaik aus Briefen Alkuins bildet endlich den langen Brief Vizo's, welcher als Gehülfe Arno's in der Heidenbekehrung die Grundsätze bei der Christianifirung der Avaren entwickelt.

Am 31. v. M. ift der Königlich \chwedische Hofgraveur und Kupferstecher, Mitglied der Kunstakademie, t pg Ruben, im Alter von 57 Jahren in Stockholm gestorben.

Das „Korrespondenzblatt des Niederrheinishen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege in Cöln“ (Red. Dr. Lent) beginnt mit dem uns vorliezenden 1, Vierteljahrs- heft für 1875 seinen 4. Band. Dasselbe enthält u. A. einen um- fangreichen interessanten Aufsaß über Geschichte, Statistik, Bau und Einrichtung der Krankenhäuser, von Dr. Frie d- rich Sander in Barmen, mit 3 Tafeln Zeichnungen.

Nr. 6 der Annalen des Deutschen Reichs für Gesetz- gebung, Berwaltung und Statistik, Materialiensammlung und Reform- Zeitschrift, herausgegeben von Dr. Georg Hirth in München, Verlag von G. Hirth in Leipzig hat folgenden Inhalt: Das Recht der Staatsangehörigkeit im internationalen Verkehr. Mit Rüdcksicht auf die deutsche Geseßgebung von Dr. F. von Martißz. Materialien zum Bankgeseß: Bericht der Reichstags - Kommission (Berichterstatter Dr. L. Bamberger). Gesetzentwurf über gewerßb- liche Hülfskassen. Die Entwickelung der Geseßgebung und Ver- waltung der Zölle und Verbrauchsfteuern des Deutschen Reichs im Jahre 1873/74. Von O. Frhrn. v. Aufseß. Statistische Ueber- sihten hierzu. Das Familienbudget in der Volkswirthschaft. Von Dr. Georg Hirth. Miscellen. Ein deutscher Eisenbahn-Reform- verein. Die Bibliothek des Königlich statistishen Bureaus in Berlin: Fragen zur Enquête über das Gewerbewesen, Spezial- handel Frankceichs mit Deutschland 1873.

Die am 3. April ershienene Nr 1657 der „Jllustrirten Sinn, enthält u. A. folgende Aufsäßé: Das häusliche Leben des Deutschen Kaiserpaares (beigegeben ist ein prächtiger Holzschnitt eines in Marmor von Prof. Joseph Kopf in Rom ausgeführten Reliefyor- träts Jhrer Majestät der Kaiserin-Königin Augusta). Die Wacht am Rhein, Skizze für ein Kolofsalmonument vom Bildhauer Prof. B Roth in München. Die Marmorbrüche bei Carrara. Der Hamburger Jungfernstieg (mit einer großen zweiseitigen Jllustra- g Die Brüder vom deutschen Hause, Gustav Freitags neuester

oman.

,_— Die „Oldenburger Zeitung“ vom 24. März berichtet von Lindern: Dieser Tage ist hier „beim Umpflügen einer Haidefläche zwischen Marren und Klein-Ging ein merkwür diger Fund gemacht. Etwa F Fuß tief in der Erde Fnd man ein Stück eines Schwertes, etwa 1 Fuß lang und ziemlich stark, sowie mehrere Stücke Eisen, welche vielleiht Theile des Shwertes waren. Mehrere andere Theile scheinen zu cinem Ringe oder vielleiht Griffe des Schwertes zu ge- bôren. Ferner fand man zwei kupferne oder bronzene Figuren; die eine trägt einen Helm. Dec Helm hat einen nit sehr starken Büschel und ist mit den Zügen eines Gesichts geziert ; doch läßt sich nit er- kennen, welcher Art Gesicht es darstellen soll. Die rechte Hand ist boch erhoben, die linke etwas vorgestreckt vor der Brust. Beide scheinen etwas gehalten zu haben, denn fie sind halb geshlossen. Der rechte Suß tritt fest auf, der linke wird zum Schritt aufgehoben. Das Geficht ist sehr fein und jugendlich. Es scheint ein Bild des Merkur zu fein. Die Figur if etwa 4 Zoll hoh. Etwas größer ist die zweite Figur und mit Helm, Panzer, doppeltem Rote und Bein- schienen bekleidet. Der Helm trägt einen fehr starken Büschel und ist mit Gesichtszügen verziert, wie der andere. Der Panzer ist auf der Brust mit einem kreuzförmigen Degen und an {jeder Seite daneben durch eine Schlangenlinie ges{müdckt. - _Die Bein- schienen sind mit Schnüren befestigt, die Füße beschuhet. Die Oberarme sind halb bedeckt, die Hände etwas beschädigt. Das Gesicht ist ebenfalls das eines Jünglings, aber nit so jugendlich, wie das der andern Figur. Ein anderes Stück scheint das untere Ende einer Vase, oder vielleiht Lampe zu sein, ebenfalls von Bronze oder Kupfer. Es ist ein viereckiger Topf, der etwa 1} Zoll nach beiden Seiten breit ist. - Der Boden des Gefäßes ist an zwei Stellen in der Mitte durchlöchert und steht an beiden Seiten etwa & Zoll über die Seiten hinaus. Etwa 1 Zoll hoh bauchen die Seitenwände in einem ftumpfen Winkel nach allen Seiten aus, sind aber dann abgebrochen. An der einen Seite fiudet man eine drei- zeilige Inschrift, deren Buchstaben, durch Punkte gebildet, zum Theil unleserlich find. Endlich is noch ein Deckel gefunden, ebenfalls aus Bronze oder Kupfer, rund, etwa 2 Zoll im Durchmesser, der das Gesicht eines Löwen darstellt. An der Fundstelle \ollen fich viele runde, reichlich faustgroße Steine gefunden haben.

Die gestrige „Schles. Ztg.“ enthält folgende Meldungen: Glogau, 7. April. Das Wasser in der O der steigt noch immer. Die Wiesen oberhalb des Hafens stehen zum großen Theil unter Wasser. Der Pegel an der Dombrücke zeigte" gegen Mittag eine Stromhöhe von nahezu 104 Fuß. Ratibor, 7. April. Die Oder hat ihre Ufer verlassen und überströmt mit reißender Gewalt das benachbarte Terrain, Der Weg an der Eisenbahnbrüde ist eben- falls schon theilweise überfluthet.

Gewerbe und Handel.

Leipzig, 7. April. (D. A. Z) Unsere Ostermesse eröffnete zu Anfang dieser Woche, begünstigt von schönem Frühlingswetter, unter einem starken Fremdenzuzuge. Troß der vielfachen Klagen der Auswärtigen über den Geschäftsgang in der Heimath waren die beiden ersten Tage im Meßverkehre niht unbelebt, es steht jedoch betreffs der meisten Branchen ein Urtheil über den Gang des Me geschäftes noch nicht fest und so kann nur vorerst über die edermesse, die man für den fremden Verkehr als beendet betrahtet, be- rihtet werden. Im Allgemeinen haben _die Preise auf der Ledermesse etwas nachgeben müssen, da einestheils die Schuh- macherkundschaft nicht jo zahlrei vertreten war, weil dieselbe infolge des ruhigen Wintergeschäftes geringeren Bedarf hatte, anderntheils blieben diesmal die franzöfischen Einkäufer, welche in die leßten Messen so tüchtig eingriffen, aus.! Ueberdies übten große Vorräthe von Hamlock, ohne großen Umsaß zu erzielen, einen Druck auf die anderen Artikel, Sohlleder seßte mit den früheren Preisen ein und ging dann, als die Stimmung etwas ermattete, einige Tha- ler niedriger; nur gute starke Waare blieb gefragt und gab au den Preisen nichts nach. Ein großer Theil von starker guter Prima- waare war an den Bezugsquellen in französische Hände Übergegangen, Vacheleder ist wenig zurückgegangen, namentlich leichtes wurde zu Militärzwedcken verlangt, während Mittelgewichte vernachläjsigt blievden, Deutsches Rindleder war {wach vertreten, während mit Kipsen der Markt nicht über- führt war und die Preise sich anfangs behaupteten, Braune Kalh- felle hatten ebenfalls bei geringen Vorräthen keine weiteren Rück- gänge. Braune Schaffelle behaupteten ihre Preise gut.

In der Generalversammlung der Norddeutschen See- und Fluß-Verjsicherungsgesellschaft erstattete der Vorsitzende Bericht über das leßte Rechnungsjahr. Die Schäden bewegten sih Moe in geringeren Beträgen, der höchste betrug 3250 Thlr. Seit ihrem nunmehr 5t{ährigen Bestehen hat die Gesellschaft an Dividenden vertheilt 514 und fernere 40 % der Kapitalreserve (dieselbe beträgt jeßt 40,000 Thlr.) ¿ugefährt, so daß den Aktionären verdient stnd zusammen 914 %. Die Versammlung ertheilte Decharge und genehmigte die Vertheilung der vor eshlagenen Dividende von 13 %. Der aus dem Verwaltungsrath \heidende Hr. E. Allendorf wurde wiedergewählt.

In Roftock, Sternberg, G üstrow, Wilhelms- haven haben die Zimmerleute gestrikt.

, Die „New-Yorker H. Ztg.“ {reibt in ihrem vom 26, Mär datirten Wochenbericht u. A: Seit nahezu 15 Fahren seit Ausbruch der September-Panique von 1873 hat der Handelsftand mit Widerwärtigkeiten aller Art zu kämpfen gehabt. Wir haben nie zu denjenigen gehört, welche unermüdl:ch von Woche zu Woche prophe- zeiten, daß Alles binnen Kurzem in das alte Geleise zurückehren müsse, vielmehr haben wir uns stets der Auffassung zugeneigt, daß die Genesung lange Zeit in Anspruch nehmen wücde, wel{che Ansicht sich leider als die richtige erwiesen hat. Nachgerade sind aber Handel und Industrie auf einem Standpunkt angelagt, von dem aus ein wei- terer Rückgang kaum möglich; wir stehen am Wendepunkt und fortab ist jede Aenderung gleihbedeutend mit einer Besserung. Faßt man die Lage nur im Großen und Ganzen ins Auge, ohne fi durch einzelne Erscheinungen irre führen zu lassen, so ist wohlbegründete Hoffnung für einen baldigen Aufs{wung vorhan- den. In allen Kreisen der Bevölkerung hat man si seit 14 Jahren nothgedrungener Weise einer früher niht gekannten Sparsamkeit be- fleißigt. Von Eisenbahn-Korporationen bis abwärts zum Tagelöhner hat fich seit der Panique ein Jeder auf das Allernothwendigste be- \chränkt. Falls nicht unvorhergeschene Ereignisse eintreten, find keine neue Störungen in nächster Zukunft zu befürchten. Wenn gewisse Aktienspekulanten, wie ihnen folhes zugeschrieben wird, wirklih mit der Absidt umgegangen find, einen fknappen Geldstand herbeizuführen, so ist ihnen solches bisher in keiner Weise gelungen. Auch in dieser Berichtswohe war Geld willig; Durchschnittsraten für call Ioans gegen Depct gemischter Sekuritäten stellten sich niht höher als 33—47 %, und gegen Hinter- legung von Bundespapieren in keinem Fall über 3 %. Auf dem Goldmarkt eröffuete tas Agio am Sonnabend à 16, wurde noch an jenem Tage bis 152 geworfen und avancirte bis Dienstag langsam auf 162. Nach abermaliger durch starke Verkäufe bewirkter Rückbewegung. bis auf 15è, {loß es fest zum Course von 16. Für Eisenbahn-Gold- Bonds war gute Stimmung vorherrsckend. Central-Pacific gewannen L % z von deren Zweigbahnen avancirten California und Oregon 1} % und San Joaquin 1 %. Union Pacific {lossen mit einem Avance von F % gegen die Vorwoche. Die Hoffnung, daß mit der Oster- woche auch der Frühling seinen Einzug halten werde, hat fi leider nicht erfüllt und blieb demzufolge am Waaren- und Produktenmarkt das Geschäft in den meisten Importen von wenig befriedigendem as: während in der Export-Branche fih etwas regeres Leben entfaltete.

Die „A. A. C.* vom 7. April meldet: Die Ausweise des britishen Handelsamtes für den Monat März lauten abermals ungünstig und zeigen deutlich, daß der Handel Englands Rüefschritte mxt. Der deklarirte Exportwerth im vorigen Monat betrug 18,606,223 Pfd. St., d. i. 1,494,591 Pfd. oder über 7% we- niger als im März 1874 und 3,137,990 Pfd. St. oder über 14% we- niger als im Parallelmonat von 1873. Für die am 31. März d. J. beendeten drei Monate belief fich der Gesammtwerth der Ausfuhr auf 93,060,239 Pfd. St. gegen 57,802,084 Pfd. St. im gleichen Zeitraum von 1874 und 62,376,366 im ersten Quartal von 1873. Der Total- werth der Einfüßhr für den vergangenen Monat betrug 39,920,747 Pfd. St, gegen 29,748,844 im März 1874, und für die ersten drei Monate dieses Jahres 89,221,940 Pfd. St. gegen 92,373,404 Pfd, St. im entsprehenden Quartal von 1874.

Verkehrs-Anstalten.

Im Verlage des Berliner Lithographishen Infti- tuts (Julius Mofer) ist soeben eine im Coursbureau des Kaiserlichen General-Postamts bearbeitete „Uebersits- karte der bedeutenderen, zu Postzwecken benußten Dampfschifflinien na außereuropäishen Ländern“ erschienen. Die Karte if durch sämmtliche Buchhandlungen zu be- ziehen und beträgt der Verkaufspreis pro Exemplar 75 S

In der vergangenen Woche ist der Richtstollen des großen St. Gotthard-Tunnels auf der Nordseite bei Göschenen um 22,60, auf der Südseite bei Airolo um 22,35 Meter vorgerückt; täg- licher Fortschritt also durchschnittlich 6,42 Meter. :

“_ Drtest, 9. Avril. (W. T. B) Der Lloyddämpfer „Ve stt a * ist mit der ostindisch-cinesischen Ueberlandpost heute früh um 82 Uhr aus Alexandrien hier eingetroffen. : \ Aus Stockholm, 3. April, melden die „H. N“: Es ift kaum Ausficht vorhanden, daß die Schiffahrt noch hier vor dem Monat Mai eröffnet werden kann, da das Eis ftellenweise 2—3 Fuß stark ist, Zwischen Barholm Stadt und Festung wurde in dieser Woche eine Rinne gesägt, eine Stelle, die onst nur selten zufriert, da der Strom sehr stark, und doch wurde das Eis durchschnittlich 14 Zoll dick befunden. Die Nachtzüge sollen, wie verlautet, erft mit dem Anfang des nächsten Monats wieder abgelassen werden, auch foll der diesjährige Sommerfahrplan vielfachen Veränderuxgen unterzogen sein. In voriger Nacht hatten wir wieder starkes C E, doch hatte dasselbe keinerlei Betriebs\törungen zur olge.

Se L

Im Friedrich-Wilhelmsftädtishen Theater hatte die Wiederaufnahme der Straußschen Operette: „Der Karneval inRom“ am Dienstag ein zahlreihes Publikum versammelt, welches der anmuthigen Komposition die größte Theilnahme widmete und den Leistungen der Damen: Frl. Meinhardt (Marie), Frl. v. Csep- csanyi (Gräfin), Frl. E. Schmidt (Sofronia), sowie der Herren; Swo- boda (Arthur), . Schulz O Bollmann (RNaphaeli), Broda (Hesse), ungemein lebhaften Beifall spendete. Die nächste Wieder- holung der Operette findet am Sonntag statt.

Am Sonnabend, 10. April, findet im Residenztheater das Benefiz für den Oberregisseur Hrn. Georg Schönfeld statt. Die Direktion hat demselben in Anerkennung seiner Verdienste um das Institut eine Novität hervorragenden Ranges, und zwar das ebenso geistvolle wie pikante, im Theatre Gymnase in Paris über 100 Mal zur Darstellung gelangte Lustspiel „Die Wittwe“ von Meilhac und Halévy zur erstmaligen Aufführung bewilligt ; das dieser Novität vorangehende plattdeutsche kleine a „Jed' Pott find sin Deckel ‘, ebenfalls neu, giebt namentlich Fr. Mende wieder Gelegenheit, ihre Virtuosität in Gestaltung weiblih komischec Charakterrollen zu be- thätigen, doch find anch die gesammten übrigen Mitglieder und zwar in beiden Stücken mit hervorragenden Rollen bedacht. Auch Hr. Di- rektor Rosenthal wird aus Gefälligkeit für den Benefizianten in einer Scene aus „Julius Caesar“, die zwischen Brutus und Cassius Bei diesem interessanten

Programme und seiner persönlichen Beliebtheit wird es dem Benefizianten an einem vollen Hause nicht fehlen.

Im Garten des Kroll’ schen Etablissements herrscht

spielt, mitwirken.

augenblicklich rege geschäftige Bewegung. Man rüstet fiß zum Empfang der Sommergäfste, denen am Sountag das erste große Gartenkonzert dargeboten wird. Im Saale findet die Auffüh- rung der trefflichen Jacobson’ sen Del „Lockere Zeisigë statt, mit der die Direktion den glücklichsten Wurf gethan hat.

Aus Straßburg, 6. April, wird geschrieben: Seit zwei Tagen ragt ein Gerüst in der gewaltigen Höhe von ca. 120 Metern aus einer der Seiten der Thurmspiße des Münsters hervor. Auf die- sem Gerüste bcfinden fich Steinhauer, welche die vom Bombarde-

“ment beschädigten Zierrathen wegnehmen und dieselben, nachdem sie

in den Werkstätten des Frauenhauses wieder hergestellt worden, wie- der auf diese chwindelnde Höhe heben und einseßen. Diese schwierige und gefahrvolle Arbeit bildet einen Theil des Werkes der Wieder- herstellung des Münsters, welches mit der Aufstellung der Kaiser- statuen an der Vorderseite vollendet werden soll.