1875 / 99 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 29 Apr 1875 18:00:01 GMT) scan diff

“ter eum tei nerSch Dew HA ote iren

._ Ina Erwägung, daß eine Aufhebung der Prúüfungsgebühren bei einem einzelnen Zweige der Staatsverwaltung unzweckmäßig erscheint, Über den Antrag der Abgg. Werner und Genoffen zur Tagesordnung überzugehen.

Der Aniragsteller trat nohmals für seinen Antrag ein; der Regierungs-Kommissar, Geh. Justiz-Rath Rindfleish, empfahl jedoch dringend die Annahme des Kommisfionsantrages, den das Haus auch zum Beschluß erhob.

Eine Reihe von Petitionen der Kur- und Neumark wegen Uebernahme der Kriegs\hulden auf die Staatskasse oder Ge- währung einer Beihülfe ¿u Tilgung und Verzinsung derselben wurde durch Uebergang zur Tagesordnung erledigt, während die Abgg. Roestel, von Saldern und Lehfeldt folgenden Antrag geftellt hatten :

Die Staatsregierung aufzufordern, den Kommunalverbänden der Kur- und Neumark zur Verzinsung und Tilgung der kur- und neu- märkischen Kriegs\huiden vom 1. Januar 1876 ab bis zur plan- mäßig vollendeten Tilgung eine jährliche Beihülfe zu gewähren, welche dem durch den Etat für 1874 der Stadt Königsberg zu diesem Zwecke bewilligten Zuschüsse entspricht.

Schluß 44 Uhr. M

In der heutigen (56.) Sizung des Hauses der Ab geordneten, welher am Ministertische der Justiz-Minister Dr. Leonhardt und als Regierungs-Kommissarius der Geh. Ober- Regierungs-Rath Wohlers beiwohnte, stand die zweite Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Verfaffung der Ver- waltungsgerihte und das Verwaltungsf|treitver- fahren als einziger Gegenstand auf der Tagesordnung. Die

- 1—8 wurden ohne Diskussion angenommen; dieselben han- deln von den Verwaltungsgerihten und den Kreisverwaltungs- gerihten. In den §8. 9—17 find die Bestimmungen über die Provinzialverwaltungsgerichte enthalten. §. 9 lautet:

Jedes Provinzialverwaltungsgeriht besteht aus fünf Mitgliedern.

Zwei diefer Mitglieder, von denen eins zum Richteramte, eins zur Bekleidung von höhern Verwaltungsämtern befähigt sein muß, werden vom Könige auf Lebenszeit ernannt. Aus der Zahl dieser Mitglieder ernennt der König gleichzeitig den Direktor des Provinzial- verwaltungsgerihts. Für jedes derselben ernennt der König ferner aus der Zahl der am Siße des Provinzialverwaltungsgerihts ein richterlihes, beziehungsweise ein höheres Verwaltungsamt bekleidenden Beamten einen Stellvertreter; die Ernennung der Stellvertreter erfolgt auf die Dauer ihres Hauptamtes am Size des Provinzialverwal- tunngsgerihts.

Die drei anderen Mitglieder des Provinzialverwaltungsgericts werden auf drei Jahre aus den Einwohnern seines Sprengels durch die Provinzialvertretung gewählt. Jn gleiher Weise wählt leßtere für jedes Mitglied einen oder webßrere Stellvertreter. Die Dauer er ahlperiode fann durch das Provinzialstatut anders bestimmt werden.

A Der Abg. v. Kardorff beantragte, den S. 9 wie folgt zu assen :

Das Provinzialverwaltungsgeriht wird durch den vom Könige ernannten Vorfißenden, die Mitglieder des Bezirksaus\{usses und ein zum Richteranzte befähigtes Mitglied gebildet.

Das richterliche Mitglied, sowie dér Stellvertreter desselben wird vom Könige ernannt.

Dié Ernennung des riterlichen Mitgliedes erfolgt in der Regel auf Lebenszeit, jedoch Eann bei geringerem Geschäftsumfange des Provinzial-Verwaltungsgerites die Ernennung desselben au auf die Dauer des Hauptamtes erfolgen, welches das betreffende Mitglied am Sigte des Verwaltungsgerichtes bekleidet.

Die Erneanung des Stellvertreters erfolgt auf die Dauer des von ihm bekleideten Hauptamtes.*

Der Abg. v. Saucken beantragte: Sas des Alinea 3 dahin zu fassen:

„In gleicher Weise wählt leßtere drei bis se{chs St ellvertreter, über deren Einberufung das Geschäftsregulatiy bestimmt.“

2) Dem §. 9 am Schluß hinzuzufügen: „Wählbar ist ; mit Ausnahme der Ober-Präsidenten, Regierungs-Präfidenten und Bize- Präsidenten, der Vorsteher Königlicher Polizeibehörden und der Land- e jeder zum Proviziallandtage wählbare Angehörige des Deutschen

eichs.“

Die Abgg. Dr. Gneist und Miquel und der Referent Graf von Winßzingerode empfahlen die Kommissionsvorlage. Der Regie- rungskommifsar Geheimer Ober-Regierungs-Rath Wohlers be- kämpfte das v. Kardorffsche Amendement. Leßteres wurde vom Hause abgelehnt, dagegen wurden die Anträge des Abg. von Saucken-Tarputshen und mit diesem bei Shluß des Blattes 8. 9 angenommen.

Bei einem Vergehen, zu dessen gerichtlicher Verfolgung ein Strafantrag nothwendig ift, braucht die Stellung des Strafantrages, nah einem Erkenntniß des Ober-Tribunals vom 6. April cr., dem Angeklagten niht förmlich mitgetheilt zu werden ; auch bedarf es keiner Rekognition der Unterschrift des Antragstellers Seitens des Angeklagten: „Daß die Stellung des Strafantrages einem Beschuldigten förmlich mitgetheilt oder be- kannt gemaht werde, ift nirgends vorgeschrieben, und einet Re- kognition der Unterschrift des Antragstellers von Seiten des An- geklagten bedarf es nicht, wenn von dem erkennenden Richter kein Zweifel in die Richtigkeit derselben geseßzt wird“.

Der zweihundertste Jahrestag der Schlacht bei Fehrbellin, der 18. Juni d. I., wird in festliher Weise dur die Grundsteinlegung zu einem Denkmale auf dem S{hhlachtfelde begangen werden.

Der Kaiserlich russische Botschafter v. Oubril ift gestern früh aus Baden-Baden wieder hier eingetroffen.

Nath einer Mittheilung des Kaiserlichen Vize-Konsulates in Sulina ist seit dem 3. d. M. der Sulina-Kanal vom Eise frei geworden und die regelmäßige Schiffahrt nah der oberen Donau wieder eröffnet.

Ein kürzlih vorgekommener Unglücksfall giebt Beran- lafsung, die Schiffer anzuweisen, daß sie beim Einlaufen in Puerto Cabello ca. 50—60 Faden von deri Fort Liberta- dor entfernt bleiben.

Da ein direktes Einlaufen in Puerto Cabello überhaupt geseßzlih untersagt is, so werden die Kapitäne zugleich amtlih darauf aufmerksam gemacht, daß fie den geseßlichen Besuch der Zollbehörden außerhalb des Hafens abzuwarten haben. /

(W. T. B.) Zufolge der von dem Kommandanten S. M. Schiff „Augusta ‘, Korvetten-Kapitän Freiherrn v. d. Gols, aus San Sebastiañ unter dem gestrigen Tage eingegangenen Meldung ist der Salutaustaush mit der Festung Guetaria dem Programm gemäß erfolgt.

Lauenburg. Raßgzeburg, 28. April. Das „Off. Wochbl.“ veröffentliht das Impf - Regulativ für das Herzogthum Lauenburg, vom 9. April 1875,

Bayern. München, 27. April. (Alg. 3tg.) Se. Majestät der König hat den italienischen Gesandten Dr. Graf v. Greppi, welcher auf seinen neuen Gesandtschaftspoften in Madrid in nächster Zeit von hier abreisen wird und der fich während seines

1) im §. 9 den zweiten

hung des Großkreuzes

führt von ñun an de

Ergänzung: der zum

Württemberg.

,

ohne alle Debatte und die Etatsrubriken: 1)

stattfindet.

Baden. Die von Aufgabe hat, die Rhein

säßlihes Verbot des Fan

Laich und der Hüninger Ansta

Lachseier auszubrü zufegzen.

die jungen Lachse liefern)

ordnung hat hier bereits

ausgezeihnet. Ein heute publizirter A rmeebefehl bestimmt, das 15. Insancle-Megütent vacant König Iohann von Sachsen

Majestät des Königs Albert von Sachsen. Die militärischen Ernennungen, welche die „Allg. Ztg.“ mittheilte, bedürfen -einer

nannte bisherige General-Major Frhr. v. Horn wurde nämlih gleichzeitig zum General-Lieutenant und der zum Commandeur der 8. Infanterie-Brigade ernannte bisherige Oberst Frhr. von Massenbach gleichzeitig zum General-Major befördert.

andtag wieder eröffnet und mit der Berathung für 1875/76 begonnen,

nun ununterbrochen fortführen zu können.

Wittume 265,100 6; 3) Renten 247,528 M

4) Entschädigungen 62,300 M;

Á; 6) Iustizdepartement 3,159,175 # Hier wurde

nur die Ministerbesoldung mit 18,000 M bis morgen ausge- seßt, wo-eine allgemeine Berathung über die Ministerbesoldungen

Lothringen und der Schweiz gebildete Kommission, welche die in ihrer fürzlich in Basel abgehaltenen Sigzung ein grund-

oder vom 15. Oktober bis 25. Dezember, sodann das Verbot der Fallen, welcher Konstruktion fie auh sein mögen, bes{lo}sen. Von erfterem Verbot foll nur in dem Falle eine Ausnahme gemaht werden, daß die Fischer sih verpflichten, den gewonnenen in befruhtetem Zustande den anstalten, namentlich aber der Anstalt Seltzenhof bei Greiburg

hiedurch in den Stand gesezt werden, jährlih drei Millionen

Zur Ueberwachu

werden besondere Beamte angestellt, laihten Fish mit einer Marke zu versehen haben, ohne welche er nicht auf den Markt gebracht werden darf. Laichzeit der Weißfische (welche zugleih reichliche Nahrung für

Ausnahme des Lachsfanges verboten sein. Eine bezüglihe Ver-

des Verdienstordens vom hl. Michael n Namen des dermaligen Inhabers Sr.

Commandeur der vierten Division er-

Stuttgart, 27. April. Heute wurde nachdem die m die Arbeiten in der Plenarberathung Verwilligt wurden ganz nach den Regierungsforderungen Civilliste mit 1,836,683 #4 12 S;

9) Geheimer Ratl

den drei Nachbarstaaten Baden, Elsaß- fishereiverhältnisse zu regeln, hat ges des Lachses während der Laichzeit

naheliegenden Fischzucht- lt zuzuführen. Leßtere Anstalt \oll ase in den Rhein aus-

fruchtung der Lachseier welche zugleih jeden ent- Während der im Frühjahr \oll der Fishfang mit

daran erinnert.

zwei Compagnien türkish ließ dieselben Revue pasfi

gierungsvorlage,

Graz, 29. April.

holten \sih diese Auss\creit

erheblihe Dim: nsionen an nothwendig wurde. haufen, welche fi in der

fanden dabei zahlreihe Ve Um 11 Uhr Abends war Prag, 28. April.

Landtage nit erschienenen

memoria wegen der in de lesen lassen.

Mitgliedern.

Ragusa,

Bevölkerung enthufiastish Hafen anwesende rusfische Kanonensalven.

Gouverneur von Bosnien. Pest, 27. April. In netenhauses reihte der entwurf betreffs Regelung

hauses gelangte ein Gefuch welches wegen der bei der , rungsgesellshaft“ vorgekom

mund Batthyani, verlangt.

Pechy, einen Gesezentwurkf, \hädigungsforderungen der

erhoben hätten und daß vo

vierjährigen hiefigen Aufenthalts allgemein die Sympathie der | mit ihm geschäftlihch Verkehrenden erworben, durch die Verlei- !

seien. Die Begleihung d einer verhältnißmäßig gerin

nister legte endlih die Nothwendigkeit dar, den Eisenbahnen zur

Desterreich-Ungarv. reiste gestern zu Wagen von Metkovic durch das Narentathal über die Enclave von Klek nach Slano, wieder an Bord des „Miramar“ begab. Bei Klek spielte eine türkishe Musikbande die öfterreichische Volkshymne, und waren

Kapitän Komplimente über die vortreffliche Haltung der Soldaten. Der niederöfterreihische Lan dtag nahm die Re- betreffend die Umwandlung der in den gegen- wärtig bestehenden Landesgesegen Gewichtsansäße in metrisches Maß und Gewicht ohne Debatte an.

vorhergehenden beiden Tagen Seitens der Studenten und der Ar- beiterbevölkerung gegen den fih hier aufhaltenden Don Alfonso von Spanien und feine Gemahlin Blanka mehrfahe Kundge- bungen stattgefunden hatten, öu deren Unterdrückung das Ein- schreiten der Polizei und einige Verhaftungen genügten, wieder-

stärktem Maße und nahmen in den späteren Abendstunden fo Die meist aus Arbeitern bestehenden Volks-

nung massenhaft angesammelt hatten , Susfarenpatrouillen und ein Batcillon Infanterie zerstreut und

tages theilte der Oberst-Landmarschall mit, daß er von 71 im

ten habe, welches keine Rechtfertigung des Ausbleibens der Ab- geordneten, \ondern vielmehr Anschuldigungen gegen alles bisher verfassungsmäßig Durchgeführte enthalte.

Sladkowsky gab zu, Oberst-Landmarschall formell forrett sei, lehnte ferner im Namen seiner Partei jede aus der Politik der Passivität entspringende Verantwortlichkeit ab, glaubte aber, daß die materiellen Ausfüh- rungen des Promemoria beahtenswerth seien, und beantragte deshalb die Verweisung desselben an eine Kommission von 15 Nach lebhafter Debatte wurde der Antrag Slad- fowsfy's abgelehnt, und wurden darauf die altczehishen Ab- geordaeten ihrer Mandat für verlustig erklärt.

28. April. (W. T. Oesterrei ist heute Nachmittag hier eingetroffen und von der

Im Laufe des Nachmittags empfing der Kai- ser die Spigzen der Behörden, das Konsularcorps, die Offiziere des russishen Schiffes und später in feierlicher Audienz den

nen Städte-Ordnungen ein. geseßentwurf bis 8. 502 ohne Veränderung. 28. April. In der heutigen Sitzung des Abgeordneten-

des früheren Präsidenten dieser Gesellschaft, des Grafen Sig-

klärte bei Motivirung des Geseßentwurfes, daß die seit 1867 ge- bauten Eisenbahnen Forderungen im Betrage von 90 Millionen

Wien, 28. April. Der Kaiser

wo der Kaiser fih

er Soldaten aufgestellt.

Der Kaiser ren und defiliren und

machte dem

vorkommenden Maß- und

W.: T. B.) Nachdem bereits an den

ungen am gestrigen Abend in ver- , daß ein Einschreiten des Militärs

Umgebung von Don Alfonsos Woh- wurden durch ftarke

rwundungen und Verhaftungen statt. die Ruhe wieder hergestellt. In der heutigen Sißzung des Land-

Abgeordneten ein Promemoria erhal-

Er werde das Pro- mselben geführten Sprache niht ver- daß das Verfahren des

B.) Der Kaiser von

begrüßt worden.

Die im hiefigen Korvette begrüßte

den Kaiser mit

der heutigen Sißung des Abgeor d- Minister des Innern einen Gesehz- der mit Jurisdiktionsrehten versehe-

Das Haus erledigte den Handels-

des Pester Gerichtshofes zur Verlesung, Allgemeinen Internationalen Verfiche- menen Mißbräuche die Auslieferung

Darauf legte der Verkehrs-Minister, betreffend die Begleihung der Ent- Eisenbahnen vor. Der Minister er-

n diesen bereits 43 Millionen geordnet er übrigen Forderungen würde mit

"d

Beschaffung von Betriebsmaterial die Aufnahme von Darlehen ôu gestatten. Hierauf wurde dieser Geseßzentwurf, \owie ein weiterer, betreffend die Regelung der Angelegenheiten der Nord- ostbahn-Gesellschaft einer Kommisfion überwiesen. Der Minister beantwortete sodann die Interpellation über die Sprachenfrage bei den Eisenbahnen. Der betreffende Regierungserlaß \ei be- reits bei fünf Bahnen thatsählih durchgeführt, bei den übrigen Bahnen seien deswegen energische Schritte geschehen. Ï übrigens in dieser Frage seit dem Jahre 1857 erhebliche Fort- schritte zu konstatiren. Das aus erledigte darauf den Ent- wurf des Handelsgesezes vo ständig nah den Anträgen des Aus\chus}ses.

Schweiz. Bern, 28. April. (W. T. B.) Der Bundes-= rath hat auf das von 36 ultramontanen Nationalräthen ange- E Gesuch um Einräumun in der Bundes-

a Ö - i - hiefigen Regierung erstatteten cheidung gefaßt.

Das Central-Comité des \{hweizerishen Volksvereins hat in einer Proklamation die Annahme der Bundes geseße, betreffend die Ebeshließung und das politishe Stimm- recht, empfohlen.

zialem Belange, welhe von der Regierung eingebracht worden find, beschäftigt. Der eine bezweckt die Gewährung von Steuer- freiheit auf eine Reihe von Jahren (es ift ein Maximaltermin von 16 Jahren vorgeschlagen) für die Neubauten, die von Ver- einen behufs Beschaffung zweckmäßiger und gesunder Arbeiter- wohnungen errichtet werden. Der andere betrifft die Regelung der Rechtspersönlichkeit der kooperativen Genossen} chaften. Der- selbe besteht aus nur einigen wenigen Artikeln. In der Haupt- sache beruht er auf dem belgishen Systeme. Den Géüvssen- haften soll die Wahl zwischen der jedes Mitglied treffenden und der beshränkten Verantwortlichkeit völlig freigestellt werden. Ferner soll fo viel wie möglih die Regelung der Details dem Gutbefinden der Errichter überlassen werden. Dem Vernehmen nah hat der erstere dieser beiden Gesezentwürfe eine ungünstige, der leßtere eine günstige Aufnahme gefunden.

Velgien. Brüssel, 28. April. (W. T. B.) Wie aus Charleroi gemeldet wird, hat der daselbst ausgebrochene Strike der Kohlengrubenarbeiter einen sehr ernsten Cha- raïter angenommen. Die Arbeiter versuchten in einer Grube die Strike der Kohlenwagen abzuschneiden und die Wagen in den Schacht zu stürzen. Die Gensd'armerie konnte nur mit Mühe der Aufrührer Herr werden. Herbeigeholte Verstärkungen haben endlih weiteren Ausschreitungen vorgebeugt.

Großbritannien und Irland. London, 28. April. (W. T. B.) Heute fand die feierlihe Einführung des Prinzen von Wales als Großmeister der Frei- maurerlogen zu. Albert Hall ftatt. Mehr als 12,000 Personen waren gegenwärtig. Aus Schweden, Iktland und Schottland waren Deputationen eingetroffen. Von der großen Loge in Genua waren Glückwunshtelegramme eingegan- gen. Die Ceremonie dauerte zwei Stunden. Abends fand ein Banket ftatt.

Frankreich. Paris, 27. April. Der General-Gouverneur von Algerien, General de Chanzy, hat an den Kriegs- Minifter folgendes Schreiben gerichtet :

Al gier, 3. April.

Herr Minister! Mit lebhafter Entrüstung lese ich in der Enquéête über die Handlungen der Regierung der nationalen Vertheidigung betreffs Algeriens (Bericht des Herrn de la Picoterie) die Stellen der Ausfagen des Herrn Du Bouzet, in welchem er die Militär behörde, ein ganzes Offizier-Corps, und in Folge dessen die Armee in der heftigsten und gröbsten Sprache beschimpft. Wenn in den Urtheilen, denen sih der außerordentliche Erkommissar überläßt, nur die Unrih- tigkeiten und Injurien enthalten wären, deren Anwendung er für nügßlih erachtet, um die Thatsache na seiner Weise und die Rolle, die er zu seinem Nußen spielte, zu erklären, so würden sie nur die Verachtung verdienen. Es liegt aber mehr vor; sie entha!ten eine klar formulirte Anklage gegen Offiziere, in der Armee sowohl in Frankreich -als in Algerien, und die zum größten Theile noÞ mit den Aemtern betraut find, denen fie diese Beschimpfungen zu verdanken haben. Da ich als General-Gouverneur von Algerien das Recht habe, denen, die sih mit so vieler Selbstverleugnung den Interessen des Landes widmen, Ah- tung zu verschaffen, und darauf zu halten, die Würde der von mir befeh‘igten Offiziere sicher zu stellen, erhebe ih gegen die Verleumdung des Hecrn Du Bouzet ents{chlofssenen Einspruh; ic verlange von der Nationalversammlung, daß die, welche deren ‘Opfer find, durch einen öffentlihen Aft gerächt werden, und ih verlange, daß dieser Brief hinter dem Bericht des Ausschusses abgedruckt werde. Wollen Sie 1.

Spanien. Madrid, 28. April. (W. T. B.) Der päpstlihe Nuntius, Simeonis, ist hierselbst angekommen, Sagasta und feine Parteigenossen haben es abz gelehnt, der U eb ereinkunft beizutreten, welche von Alonso Martinez behufs Ausföhnung der beiden Fraktionen der kon- stitutionellen Partei in Vorschlag gebraht war. Die Verhand- lungen find daher einstweilen abgebrohen worden. Dem Ver- nehmen nah wird in nächster Zrit eine Zusammenkunft aller früher der forstitutionellen Partei angehörigen Senatoren und Deputirten stattfinden, in welcher man die Fragen, welche die Spaltung der Partei herbeigeführt haben, zu erledigen hofft.

Portugal. Die „K. 3.“ meldet, daß der Schieds\spruh Frankreihs wegen der Delagoa-Bai zwischen England und Portugal zu Gunsten Portugals ausgefallen ift.

Italien. Neapel, 28. April. (W.T.B.) Wie die hiesigen Journale übereinstimmend melden, war der Abschieddes Königs und des Kronprinzen ein überaus herzliher und freund- \chaftliher. Der König überreihte dem Kronprinzen ein werth- volles Geschenk (eine imitirte etruskische Vase) für die Kron- Pein und bat ihn, ihr dasselbe in seinem Namen zu über- geben.

Griechenland. Athen, 29. April. (W. T. B.) Dem

König if von fieben Professoren der juristischen Fakultät ein

Gutachten übergeben worden, welches die Rechtsgiltigkeit der in der außerordentlichen Session der Deputirtenkammer getroffenen Beshlü\ \e bestreitet. Der König lehnte die An- nahme desselben ab.

Türkei. (A. A. C.) In der inKonftantinopel am 4. ds. ab- gehaltenen Sigung des Comités zur Linderung der Hungers- noth in Kleinasien wurden Briefe verlesen, welhe mit- theilten, daß in gewissen Bezirken das Wetter sehr \{chlecht und die Kommunikation dur Schnee unterbrohen war, Ein Brief aus Sivri-Hifsar meldete, daß daselbst und in der Nachbarschaft etwa 6000 Personen dem Verhungern nahe find. Gekochte

gen Summe möglih sein. Der Mi-

Kräuter, welche die Weiber und Kinder in den Feldern sammeln, bilden ihre einzige Nahrung. Ein anderer Brief drückte die

Meinung aus, daß in einigen Distrikten die Hungersnoth noch ein ganzes Iahr anhalten dürfte.

Numänien. Bukarest, 21. Ypril. (Allg. Ztg.) Gestern feierte Fürst Karl seinen 36. Geburtstag und gleihzeitig den 10. Jahrestag seiner Wahl zum Fürsten der Rumänen. Troß der doppelten Feier fanden jedoch der Charwohe wegen keine äußerlihen Festlichkeiten statt, In den lezten Wochen hat der Fürst beinahe tägli Kasernen und andere öffentliche Ge- bäude inspizirt. Vorgestern besuchte Se. Hoheit die Ministerien des Innern und des Aeußern, die Poft- und Telegraphendirek- tion, die Staatsdruckerei, die Direktion des amtlihen „Monitor“ und die Polizeipräfektur der Hauptstadt.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 24. April. In Gegenwart der Königlichen Familie, Staatsräthe, höherer Beamten und Militärpersonen und der Mitglieder beider Kain- mern fand heute Mittag in der Schloßkapelle die Konfirma- tion des Kronprinzen statt. Dem Vernehmen nah be- giebt fich die verwittwete Königin von Schweden am 10. Mai nah Deutschland. Des Königs Reise nah St. Petersburg wird aller Wahrscheinlichkeit nah im Juli am Bord der Fregatte „Vanadis“, eskfortirt von einem anderen \{chwedishen Orlogs\chiffe und von der norwegischen Fregatte eSt. Olaf“, stattfinden. -

Amerika. Aus New-York wird vom 25. ds. Mts. per Kabel gemeldet: Eine amtliche Depesche meldet, daß die Bundes- truppen ein Cheyenne - Indianerlager in Kansas erobert haben. Zwei Soldaten und 27 Indianer wurden bei der Gelegenheit getödtet. Ueber den Brand der drei Dampfboote in New- Orleans am Freitag wird der „Times“ gemeldet: „Dasjenige Boot, welhes Feuer fing, trieb gegen zwei andere, auf welchen sih viele Zuschauer versammelt hatten. Leßtere konnten fich nur retten, indem fie über Bord sprangen, wobei viele er- tranken. Der Verlust an Menschenleben ist unbekannt, aber er wird auf 20 bis 100 geshägt. Die Legislatur von Vi rgi- nia hat den Staats-Schazmeister ermächtigt, 4 pCt. Zinfen auf die Staats\{huld zu zahlen, wenn Geld dafür disponibel ist, und man glaubt, daß die im Iuli v. I. fällig gewesenen 2 pCt. sofort und die 2 pCt. vom 1. Januar 1875 im näch- ften Juni oder Juli gezahlt werden dürften. Das Schaÿs- Departement der Vereinigten Staaten bereitet als einen Beitrag zu der Jubiläums-Ausfstellung in Phila- delphia einen die finanziellen Transaktionen der amerika- nishen Regierung während der legten 100 Jahre dar- legenden Band vor. Das Werk wird eine vollständize finan- zielle Geschichte der Regierung während des ersten Jahrhunderts der Unabhängigkeit enthalten. : i

New-York, 29. April. (W. T. B.) Nah hier einge- gangenen Nachrihten aus Havanna hat der General-Kapitän Valmaseda denjenigen Insurgenten, welche sich bis zum 30. Mai d. I. der Regierung unterwerfen, Amnestie an- geboten. j I

Brasilien. Nah einer Depesche aus Rio de Janeiro is das gelbe Fieber daselbst im Abnehmen begriffen.

Hayti, Im Port-au-Prince sind, wie eine Kabel- depeshe aus Kingston (Iamaika) vom 22. ds. meldet, Unruhen ausgebrochen. : /

Aus Vera-Cruz in Mexiko, 30. März, meldet die A. A Q |

Die Indianer plündern die Niederlassungen in Osft-Yucatan und begehen unerhörte Gewaltthaten. Fn Yucatan fordern die Pocken täglih 10 bis 12 Todesopfer. Die Zeitungen in Vera-Cruz führen darüber Beschwerde, daß die Ultramontanen in der Prefse und in Abendversammlungen aufreizende Anreden verbreiten und- daß sie die Unfälle Yucatans durch den auf ihm ruhenden Zorn erkläre. Bei Tampool, im Staate Vera-Cruz, sind Kohlenminen entdeckt worden. Die Kohlen sollen den Cannelkohlen an Güte nicht nachstehen.

T E H R E E A E EEE A E E OR

Asien. China. Die chinesishe Regierung hat, wie aus Shanghai gemeldet wird, Snuypa Oumwla, eine Person von untergeordnetem Range, zum Kommissär für die Untersuchung des Exzesses in Yunnan, bei welcher Gelegenheit der Engländer Margary ermordet wurde, ernannt. Die cchinefs ishen Schiffsbau-Etablissements in Foohow sollen, wie man aus Hongkong \chreibt, dem Bau von Panzerschiffen angepaßt werden, und während dies geschieht, sollen zwei Dampfer in England beftellt werden. Vier chinesische Kommodore sowie 26 Offiziere und Ingenieure werden demnächst in einer Fregatte unter chinefisher Flagge nah England segeln, um sih in den eng- lishen Marine- Arfenalen eine praktische Kenntniß der See-

, i . rei F E wt T Ae mannskunf| anzueignen.“ - L E E

Afrika. Sir Garnet Wolsey begab fich am 24. d, an Bord des Kriegs\chiffes „Raleizh“ nah Natal. Die Census- ausweise geben die Bevölkerung der Kapkolonie auf 129,000 Seelen an. / ;

Marocco. Nah Berichten aus Tangier kehrte Sid Abd Es Sulam, der Sherif von Wazan, nah längerer Abwesenheit am 6. April dahin zurück Es scheint, daß es Sr. Hoheit gelang, ein gutes Einvernehmen zwischen seinem Vetter Abd El Gebar, dem Gouverneur der Stadt Wazan, und deren Einwohner- schaft, die fih gegen ihn empört hatte, herzustellen, in Folge dessen der Sultan es nun nit nöthig hat, cine Expedition ab- zusenden, um Wazan zum Gehorsam zurückzuführen. Die neulih in Tangier ausgehobene und nah Fez gesandte Miliz (Asfkar) ift in ihre Heimath entlassen worden und dasselbe foll mit den Aushebungen anderer Städte geschehen. Dem Ver- nehmen nach wünsht der Sultan, daß die Miliz in Zukunft nicht wie bislang aus den ärmeren Klassen, sondern auch aus den besseren Klassen in jeder Stadt refrutirt werden und zu Hause bleiben solle, bis ihre Einstellung in den aktiven Dienst nothwendig wird.

Australien. Nach Berihten aus Sydney findet eine starke ana von Chinesen in das nördliche Queensland ftatt und weitere Einwanderer werden erwartet. E Eine Kabel- depeshe meldet die Entdeckung ausgedehnter Nickelminen in

Neu-Caledonien.

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m E fut Daa 0 E E E i E t q H E E Wi N) e P EDS A E N "E - --

Landtags- Angelegenheiten.

Berlin, 29. April. In der gestrigen Sißung des Hauses der Abgeordneten beantwortete der Justiz-Minister Dr. Leonhardt die Interpellation des Abg. Windthorst (Meppen), betr. die VoUziehung der Gefängnißstrafe gegen Per- sonen, die wegen politischer Vergehen verurtheilt sind, wie folgt:

Meine Herren! Ih werde selbstverständlich meine Erklärung beschränken auf den Gegenstand der Interpellation, indem ich Ein- zgelheiten um so mehr dahingestellt sein lasse, als ich dieselben gar nicht zu übersehen vermag.

Der Hr. Abg. Windthorst (Meppen) fragt, ob die Königliche Staatêregierung Anordnungen erlassen habe wegen Vollziehung von Gefängnißstrafen an solchen Personen, welche politische Vergehen be- gangen haben. Namens der Königlichen Staatsregierung habe ih diese Frage zu verneinen.

ch könnte mi auf diese Erklärung beschränken, trage aber kein Bedenken, offfen und ohne Reserve mi über die Gedanken auêzu- sprechen, welche der Jaterpellation zu Grunde liegen,

Die betreffende Anordnung würde nur dahin haben gehen Fön- nen, daß beim Strafvollzuge zwischen politischen und nicht politischen Verbrechen nicht zu unterscheiden sei. Eine Unterscheidung beim Strafvollzug nach politischen und nicht politischen Verbrechen würde nach der Ansicht der Königlichen Staatsregierung eine geseßwidrige sein. Eine solche Unterscheidung würde zuvörderst den Vorschriften des Strafgeseßbuchs widersprechen; sie würde zweitens eine unprafk- tische sein, weil der Begriff des politischen Vergehens ein völlig unbe- stimmter, für die Anwendung ganz unbraucbarer ist ; es würde drittens dur eine solche Anordnung eine Neuerung eingeführt werden nit allein gegenüber den deutschen, fondern au allen übrigen, sowohl europäischen wie außereuropäishen Staaten. Es ift Sache des Geseßgebers, mit Rüfsicht auf die Qualität der strafbaren Handlun- gen die eine oder die andere, oder auch mehrere Strafen wahlweise anzudrohen. Es ist Sache des Richters, die Individualität einer strafbaren Handlung zu würdigen, insbesondere von mehreren wahl- weise angedrohten Strafen die dem Staate entsprecheude Strafe zu erkennen. Dagegen muß der Strafvollzug sich richten nach der Ver- schiedenheit der Strafen unter Berüesihtigung der Individualität nicht der That, sondern des Thäters. Die Berücksichtigung der Qua- lität und Individualität der strafbaren That bei dem Strafvollzuge führt zur Willkür, während der Strafvollzug niht weniger wie 2 as Strafurtheil selbst, gerecht sein fofl.

Auf die Entgegnung des Abg. Windthorst, der Iustiz- Minister habe erklärt, es fei nihts geshehen, erwiderte dieser : Zuvörderst bin ich mit Demjenigen, was der Hr. Abg. Götting bemerkt hat, vollkommen einverstaaden. Es ist gar nit nothwendig, die erwähnte Empfehlung zu wiederholen, weil von der Staatsregie- rung bei der Berathung des Budgets das Erforderliche bereits erklärt worden ift, nämlich, daß eine Referm des Strafvollzugs in der Vor- bereitung begriffen sei und bald \hleunigst erfolgen werde.

Dem Hrn, Abg. Windthorst bemerke ih aber, daß er von der Interpellation vollständig abgeht, und mir etwas vorwirft, wozu ich auch nicht die allermindeste Veranlassung gegeben habe. Ich frage den Hrn. Abg. Windthorst: ift denn im Reichstage oder im Abge- ordnetenhause ein Beshluß dahin gefaßt, daß die Reichsregierung oder die Königlich preußische Regierung den Strafvollzug von Gefängnißstrafen für politishe Verbrecher regeln solle? Davon ist kein Wort geredet. Es ift beantragt im Reichstag, daß von Reichswegen der Strafvollzug ge- regelt werden soll. Daß dieses nicht geschehen solle, habe ich nit behauptet. Es handelt sich hier um einen ganz anderen Gegenstand; da der- he jedoch einmal zur Sprache gebracht wird, jo will ich mich darüber äußern.

Die Reform des Strafvollzuges im Reich8wege ist in der neueren Beit, wie ih weiß, in der 4. Atheilung des Reichskanzler-Amtes in Angriff genommen worden. Die Königlich preußische Regierung hat denselben Gegenstand bereits vor vielen Monaten in Angriff ge- nommen. Da3 Material is gesammelt in der Ausarbeitung. Die Arbeit is weit vorgeschritten. Die Königlich preußische Regierung wird hier, wie in anderen Dingen, der Reichsgeseßgebung vorgearbeitet haben. Sie werden si darauf verlafsen fönnen, daß in dieser Rich- tung durchaus gar nichts verabsäumt wird. Ueberhaupt kann ih dem Hrn. Abg. Windthorst erklären, daß er mir doch wohl zutraut, wenn ich eine Sache in Angriff nehme, auf dieselbe auch den erforderlichen Fleiß und Eifer verwende. Das habe ih seit 8 Jahren genügend bewiesen.

Gegen den Abg. Dr. Eberty bemerkte der Justiz-Minister:

Meine Herren! Dem Hrn. Äbg. Eberiy gegenüber will ich kurz bemerken, daß ich flar und deutlich gesagt hatte: der Vollzug der Strafe müsse erfolgen nah der Versc)iedenheit der Strafen unter Berücksichtigung der Individualität des Thäters, wenn au nit der That.

Nach dem Abg. Frhrn. v. Schorlemer-Alft nahm der Minister des Innern Graf zu Eulenburg das Wort L /

Meine Herren! Ich habe dem Hrn. Abg. Windthorst allerdings Auskunft zu ertheilen, was dem gegenüber, was ih bei der damaligen Interpellation gesagt habe, geschehen ist. Jch habe damals gesagt, ich sei im Begriff, eine Instruktion zu erlassen wegen der Beköstigung und Beschäftigung von gewissen Kategorien von Gefangenen. Das war auch der Fall; ich bin zu gleicher Zeit damals mit dem Jujtiz- Ministerium in Verbindung getreten und habe, wie der Hr. Abg.

Die Folge davon is gewesen, daß ih mi veranlaßt fah, meine aa wie ih sie entworfen hatte, zu ändern. Jh bin im Begriff, die veränderte Verfügung als Cirkularanweisung an die Gefängnißverwaltungen herausgeben zu lassen.

Abermals muß ich dagegen protestiren, daß aus dem Munde des Herrn Abgeordneten für Meppen immerfort wiederholt wird, es finde eine nicht gerechtfertigte s{lechte Behandlung der Gefangenen statt, Der Herr Abgeordnete sagt immer: es werde ihm versichert und er erhalte Berichte darüber, daß so und so verfahren werde. Ich muß vorausseßen, daß, wenn irgendwo eine Behandlung stattfände, die mit den Geseßen und der Humanität unvereinbar wäre, eine Be- shwerde derart an mich gelangen würde; bis zu diesem Augenblick ift dies aber, wie ih wiederhole, auch nicht ein einziges Mal geschehen. Mir macht aber die Schilderung von Leuten, die selbst im Gefängniß gesessen haben, mehr Effekt, als die Erzählun- gen, die hier von irgend einem der- Herren Abgeordneten über das Schicksal der armen Gefangenen vorgetragen werden. Ein Hr. Paul Lindau hat eine 14tägige Gefängnißstrafe hier im Gefängniß am Plôötensee verbüßen müssen. Er äußert sich darüber in Briefen an einen seiner Freunde, die zur Publizität gelangten. / i

Wenn der Herr Präsident es gestattet, so werde ih blos zwei

assus daraus vorlesen. E s e sagt in Bo auf die Beköstigung, nachdem er beschrieben hat, wie dieselbe eingerichtet wäre, es sei cine ziemli {were Kost und eine solche, die Eiaem, der nicht gerade an dieselbe gewöhnt sei, nicht besonders behagez aber er fährt fort: j \ Außerdem wurde mir wie den Herren Majunke und Most 1nd allen anderen Gefangenen, deren Konstitution die derbe Gefängniß- kost nicht verträgt, von dem vortrefflichen Gefängnißarzt Dr. Bär die sogenannte Mittelkost verschrieben, welche darin besteht , daß ih Vormittags um 11 Uhr Bouillon mit einem Stück allerdings gründlich ausgekohtem Rindfleisch und Abends einen Kübel Milch erhielt. i:

E hat, ehe er die Gefängnißhaft antrat, sich in dem Lokale umgesehen, welches zu seinem Aufenthalte für die 14 Tage bestimmt war. Dabei hat er Hrn. Majunke besucht und sagt: :

Ih traf mit Hrn. Kaplan Paul Majunke zusammen und unterhielt mich wohl eine halbe Stunde lang mit ihm. Er sah sehr wohl und vergnügt aus und sprach sih Über seine augenblicklichen Ver- hältnisse mit großer Besriedigung aus. Den im Kloster Erzoge- nen drückt die Entziehung der Freiheit, die unglaubliche Dürftigkeit der äußeren Verhältnisse, die mir entjeßlihe Gleihmäßigkeit und Gleichartigkeit der Verpflegung augenscheinlich sehr wenig. Abends, wenn das Glöcklein tôönt, sagte mir Majunke, ist mir-noch heute so zu Muthe, als ob ih im Kloster wäre.

Hierauf ergriff der Justiz - Minister Dr. Leonhardt das Wort :

Meine Herren! Was soll man dazu sagen, wenn der Hr. Abg. Windthorst Da bemerkt hat, ih habe gesagt, ih hätte nichts gethan. Wer hat denn wohl im Hause diese Aeußerung vernommen, es wäre denn Hr. Abg. Windthorst (Meppen) ? Ich habe vielmehr geäußert, ih hätte sehr viel gethan; ih habe seit Monaten die Reform des

Windthorst sagt, „Schreibereien“ mit dem Justiz-Ministerium gehabt. -

weit vorgeschritten, daß die Bearbeitung des preußischen Justiz-Mini-

steriums dienen könnte als Vorarbeiten für die Reichsgeseßgebung.

Meine Herren! Die Königliche Staatsregierung ift mit dem

Hause in dem Grundgedanken vollkommen einverstanden, sie will die

Reform des Strafvollzuges und greift diese an. Der Hr. Abg. Windt-

horft verdunkelt, verdreht, möchte ih sagen De

(Rufe im Centrum: Zur Ordnung! . . . Präsident: Dieser Ausdruck . . )

Dann faun ih den Ausdruck zurücknehmen.

(Präsident: Ich kann nicht wünschen, daß hier ein socer Ausdruck gebraucht wird, er ist zu meinem Bedauern _von Abge- ordneten auch schon gebraucht worden, ich darf als Präsident das mittheilen.) L

Auch id habe son öfter gehört,, daß der Ausdruck gebraucht ist. Die Sache kommt dadur in eine ganz andere Lage, daß hier hinein gemischt wird der Begriff des politischen Vergehens, ein Begriff, der ohne allen und jeden Halt ift, obne allen Halt in dem Strafgeseßz- buche und ohne alle und jede Bedeutung beim Strafvollzuge.

Nun hier liegt das Bedenken oder der Streit, der uns trennt. Hr. vou Schorlemer hat bemerkt, ich hätte gebilligt, was der Hr. Abg. Götting gesagt habe, fönne demgemäß mir das anziehen, was er dagegen bemerken werde. Ex hat sich dann bitter darüber bekiagt, daß der Hr. Abg. Götting Jemanden, der unterschlagen und Jemanden, der die Maigesete übertreten hat, parallelifirt habe. Ih glaube, der Hr. Abg. Götting ist hier völlig mißverstanden. Was der Hr. Abg. Götting wollte, ist ganz rihtig und wird von mir auch anerkannt. Die Jn- dividualität des Thäâters kann bei den Kafsenbeamten ganz dieselbe Rücksicht in Anspruch nehmen wie bei dcn Geistlichen, welche die Maigesetze übertreten. Die Individualität der That ift verschieden, bei dem Strafvollzuge kommt es jedo darauf nicht an, sondern nur auf die Individualität des Thäters.

Die XV. Kommission des Hauses der Abgeordneten hat den Bericht über den Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Befähigung für den höheren Verwaltungsdienfst, erstattet. Bei §. 1 wurde von mehreren Kommissionsmitgliedern die An- ficht ausgesprochen, daß die Vorbildung, welche das zu erlassende Ge- seß vorschreibe, niht nur für Mitglieder der Regierungen, fondern au für andere Beamte im höheren Verwaltungsdienst, insbesondere die Landräthe, sowie die Abtheilungsdirigenten und Präsideaten der Regierungen, welche §. 15 des Gesetzentwurfs ausnehme, obligatorisch sein müsse. Die Vertreter der Königlichen Staatsregierung, fowie ein Mitglied der Kommission traten der Ansicht entgegen. Die Kom- mission beschloß nach kurzer Debatte, diese Frage hier zu vertagen, ftatt der Worte „Zur Bekleiduug der Stelle eines Mitgliedes“ zu seßen: „Zur Erlangung der Befähigung für den höheren Verwal- tungsdienst“ und dabei auf den später einzusaltenden Paragraphen (S. 15) zu verweisen, welcher die Stellen des höheren Verwaltungs- dienstes näher bezeihnen solle. : i Bei der Erörterung von §. 2 wurde von mehreren Seiten die Anficht ausgesprochen, daß die Beschränkung des ersten Eramens ausfcließlich auf die Rechtswissenschaft „und zwar speziell auf das in der ersten juristis{chen Prüfung fast aus\{ließlich in Frage kommende Privatré¿cht, dagegen die Einführung eines besonderen Tentamens in der Staatswissenshaft und Nationalökonomie beim Uebertritt in den Verwaltungsdiens unzweckmäßig fei. : : Der Paragraph wurde deshalb in folgender Formulirung ange- nommen: | : E Die erste Prüfung besteht zu einem Theile aus der ersten jurifti- schen, für deren Ablegung die §8. 1—5 und 14 des Geseßes* vom 6. Mai 1869 (Gesez-Samml. S. 656) maßgebend sind, zum andern aus einer ‘zaatswissenschaftlich - nationalökonomischen Prüfung, in welcher der Kandidat darzuthun hat, daß er sihch mit der allgemeinen Staatslehre und Nationalskonomie vertraut gemacht, sowie eine allgemeine Bekanntschaft mit der Finanzwissenschaft erworben hat. Zur Abhaltung der lettern sind die Prüfungskommissionen für das erste juristische Examen in geeigneter Weise, und zwar mindestens durch je einen Universitätslehrer zu verstärken. i

In Bezug auf §. 6 glaubte die große Mehrheit der Kommission, daß ebenso wie die Gerichtsrefrendarien nicht vom Justiz-Minister, sondern von dem Präsidenten des Appellationsgerichts, bei welchem sie fih zur Beschäftigung melden, ernannt würden, so auch kein Grund vorliege mit der Ernennung der Regierungsreferendare die betreffenden Ressort-Minister zu beauftragen. Es widerspreche in dieser Hinsicht die Regierungsvorlage dem Grundsaße, daß die Central- regierung im Staate von allen ihr nicht nothwendig zukommenden Geschäften möglichf zu entlasten sei. Es wurde daher beschlossen den Ober-Präsidenten in diesem Paragraphen an die Stelle der Ressort-

inister zu seßen. E La 10 L nnd 14. Diese Paragraphen enthalten Bestimmun- gen über die Zulassung folher Beamten zur großen Staatsprüfung und zum höhern Verwaltungsdienste, welche die in dem ersten Theile des Geseßes vorgeschriebene Vorbildung nicht durchgemccht haben.

Nach zwei Richtungen hin wurden Abänderungen dieser Vor- chläge beantragt. E E Von der Zen Seite wurde vorgeschlagen, statt der durchaus unpraktischen Ermächtigung der Minister der Finanzen und des Innern einzelne höhere Justizbeamte nah fünfjähriger Amts- thätigkeit zur großen Staatsprüfung für den Verwaltungsdienst zuzu- lassen, allen denjenigen, welche die Befähizung zum höheren Justiz- dienft erlangt, die Atlegung der leßten Verwaltungsprüfung dann zu gestatten, wenn sie vorher ein Jahr im praktischen Verwaltungs- dienste gearteitet. Man müsse den Justizbeamten einen geordneten Weg zum Uebertritt in die Verwaltung unabhängig von dem Gut- dünken der Minister eröffnen. Von der anderen Seite befürwortete man eine völlig unbeschränkte Ermächtigung der Königlichen Staats- regierung, höhere Justizbeamte im Nerwaltungsdienst zu verwenden. Diese Befugniß habe bis jetzt bestanden und habe fich thatsächlich bewährt. Bei der Abstimmung blieb die erstere Anficht mit 7 gegen 4 Stimmen in der Majorität n demgemäß die 88. 13 und 14 der Regierungsvorlage umgestaltet.

8 15. Gemäß dem bei der Diskusfion von §. 1 gemachten Vorbehalt schritt man hierauf zur Erörterung der Frage, für welche Stellen im Verwaltungsdienst die Befähigung, wie sie dies Geseß vorswtreibt, erforderlih sein solle. Cinstimmig war man der Ansicht, daß außer den Mitgliedern der Regierung noch die Abtheilungs-Dirigenten in diese Kategorie aufzunehmen seien. Mit 10 gegen 2 Stimmen bes{chloß die Kommission- ferner, unter die Stellen des höheren Verwaltungsdienftes die der Regierungs- Präsidenten aufzunehmen. Die eingehendsten Erörterungen wur- den über die Stellung der Landräthe gepflogen. Die Vertreter der Staatsregierung behaupten, daß es dem Sinne des §. 74 der Kreisordnung nicht entspreche, von den Landräthen eine fo berufs- mäßige Vorbildung zu verlangen, wie sie dies Geseß vorschreibe. Das Regulativ vom 13. Mai 1838 habe sich aber auch praktisch bewährt. Endlich aber befürchte die Staatsregierung, wenn fo die Ansprüche an die Qualifikation der Landräthe gesteigert würden, diese Stellen niht mehr ausreichend beseßen zu lönnen. Seit dem 1. Januar 1865 seien 321 Landräthe angestellt. Hiervon hätten besessen: Die Qualifikation für den höheren Verwaltungsdienst 213 oder 66,4 %, die Qualifikation für den höheren Justizdienst 25 oder 7,8 %, frühere Referendarien seien gewesen 32 oder 10 «, ohne eine der bezeichneten Qualifikationen 51 oder 15,6 %. Ob es möglich gewesen, die 83 Landräthe zu finden, welche die höhere Qualifikation nicht gehabt, wenn dieselbe hon geseßliches Erforderniß gewesen, sei sehr zweifelhaft.

Das Resultat der Abstimmung über die Frage war, daß man mit 8 gegen 4 Stimmen He ans die s R die zunk

öhern Verwaltungsdienste gehörigen eamten aufzunehen.

ik Be be T RT 8 18 entschied sih die Kommission da- für, die zur Ausführung des Geseßes erforderlichen Anordnungen dem Staats-Ministerium, statt den Ministern der Finanzen und des Innern, zu übertragen,

Vollzugs der Strafe in Angriff genommen, die Bearbeitung ist so