1921 / 126 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 02 Jun 1921 18:00:01 GMT) scan diff

Bestellgeld ift seitdem in die vom Absender vorauszuzahlende Be- förderung8gebühr eingereMnet. Bestimmungen, wonach die Zustellung von Paketen nah Landorten gemäß diefen Vorschriften einzuschränken wäre, find vom Reichspostministerium nicht getroffen worden. Wenn troßdem beobachtet worden ist, daß die Paketbestellung nach dem Lande niht mehr im bisherigen Umfange geschieht, so dürfte es damit folgende Bewandtnis haben: Den Landbestellern wird seit 1. April 1921 eine besondere Vergütung für das Abtragen von Paketen

nach Landorten (früher 40 § für ein mehr als 21 kg s{hweres Paket, bei Landbestellern zu Fuß außerdem 20 für ein Paket bis 23 kg im Falle der Ueberschreitung der Belastungsgrenze von 10 ks) nit mehr gewährt,

weil diese Nebenbezüge nah der Ueberführung der Land- briefträger in die Besoldungsgruppe II1 (Postschaffner) mit Nücksicht auf die grundsäßlihen Vorschriften des Besoldungsgeseßzes vom 30. April 1920 wegzufallen hatten und daher im Haushalt 1921 Mittel hierfür uiht mehr vorgesehen sind (Haushalt des Reichspost- ministeriuums für 1921, Kapitel 1, Titel 36). Die Nebenbezüge ver- anlaßten die Besteller, für die Abtragung aller vorliegenden Pafete auch bei erheblicher Ueberschreitung der Belastungsgrenzz unter Heran- ziehung von Hilfskräften nah Möglichkeit Sorge zu tragen. Das Reichspostministerium stellt Erhebungen darüber an, wie einer Ver- s{lechterung des Bestelldienstes vorzubeugen ist, und wird nötigenfalls geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen.

Für Reisende, die zwishen Wien und Triest die D-Züge Nr. 3 und 4 benugen, ist die vorherige Einholung des süd|lavischen Visums niht mehr erforderlih. Dies wird viel- mehr gegen Zahlung einer Gebühr von 10 Dinar bei der Paßrevision E, No Zügen von den Beamten in Marburg (Maribor) oder Rakek erteilt.

Der A.B.C.-Code nicht verboten. Das Reilhspost- ministerium sfoll die Benußung des „A.B.C.-Code, 6. Ausgabe“ ver- boten haben. Das is unzutreffend. Es besteht überhaupt kein Verbot von Telegrammschlüsseln. Ein fol{es Verbot kann weder von einer Telegraphenanstalt noch vom Reichspostministerium aus- gesprochen werden, denn nah dem Siune der internationalen Bestim- mungen, die auch für die Neichstelegraphenverwaltung bindend sind, darf zur Abfassung von Telegrammen in verabredeter Sprache jeder Tele- grammschlüfsel benußt werden, sofern nur die ihm entnommenen Wörter den internationalen Bestimmnngen über die Telegramme in verabredeter Sprache entsprechen. Dabei ist die Frage, welchem Telegrammschlüssel fie entstammen, ohne Belang. Das Ae O für die verab- redeten Wörter ist, daß ihre Silben si. nach einer der im Art. VIII 2 des Internationalen Telegraphenreglements aufgeführten Sprachen Deuts, Englis, Spanisch, Französisch, Holländisch, Italienisch, Portu- giesish, Lateinish ausfprechen lassen. Um den Beteiligten die Gewißheit zu verschaffen, daß die in den Telegrammschlüsseln enthaltenen Wörter diesen Bestimmungen entsprehen, hatte der Welttelegraphenverein es übernommen, die Telegrammschlüssel zu prüfen. Für geprüfte Telegrammschlüssel, deren Schlüsselwörter als den Bedingungen genügend angesehen werden konnten, ist eine Prüfungsbescheinigung erteilt worden. Verabredete®Wörter aus solchen Telegrammschlüsseln werden von den Telegraphenanstalten bei der Annahme der Telegramme niht weiter geprüft. Dagegen prüfen die Telegraphenanstalten alle Sd(blüsselwörter aus Telegramm|\chlüsseln, für die eine Prüfungs- bescheinigung niht vorliegt. Hierzu gehört auch der A. B. C. - Code, 6. Ausgabe. Die Telegraphenanstalten werden bei der Prüfung mit der durch die Verhältnisse gebotenen Rücksicht verfahren.

Von Kießlings Berliner Verkehr is soeben die Sommerausgabe 1921 erschienen. Sie enthält die Fahrpläne der Stadt-, Ring- und Vorortbahnen, der sehr vermehrten Fernbahnen, der neuaufgenômmenen Kraftwagenpersonenposten, Dampfer sowie der Straßenbahnen, Omnibusse usw. Beigefügt sind eine neugezeihnete Cisenbahnkarte, eine Karte des Vorortverkehrs und der Stadt- und Ninabahn. Preis 5 M. ; ¿

Auch cim Kurs8bucch für die Provinz Brandenburg ist im Verlag von Alexius Kießling, Berlin SW. 11, erschienen. (Mit 3 Plänen 3,50 4.) Es enthält den Berliner Vorortverkehr in praktisher und ausführliher Darstellung, sämtlihe Haupt-, Neben- und Kleinbahnen der Provinz Brandenburg sowie der Verbindungen nach Nord-, Ost- und Mitteldeutshland unter besonderer Berück- sichtigung des Neiseverkehrs nah dem Harz, Thüringen, Riesengebirge, der Ostsee, Mecklenburg usw. Auch die Kraftwagenpersonenposten in der Mark Brandenburg sind mit aufgenommen.

Nr. 23 des Zentralblatts für das Deutsche Reich, herausgegeben im Reichsministerium des Innern am 27. Mai 1921, hat folgenden Inhalt: 1. Allgemeine Verwaltungs\sachen: Aenderung der Veilage C der Verordnung, betreffend die Ausführung des Geseßges über die Kriegsleistungen. 2. Konsulatwesen: Ernennung; Grequaturerteilungen. 3. Bankwesen: Status der deutschen Notenbanken Ende April 1921. 4. Marine und Schiffahrt: Be- fanntmahung, betreffend die Musterungsgebühren der Seemanns- ämter innerbalb des Reichsgebiets. 5. Medizinal- und Veterinär- wesen: Erscheinen einer zn-citen Ausgabe der Arzneitaxe 1921. 6. Steuer- und Zollwesen: Pauschentshädigungen der Gemeinden für persönliche Aufwendungen bei der Mitwirkung bei der Ver- aues von Reichssteuern; Aenderungen des Des zum Zolltarife; Neudruck des Zolltarifgesetzes vom 25. Dezember 1902. 7. Polizeiwesen: Ausweisung von Ausländern aus dem

Reichsgebiete.

Theater und Musik.

Kammerspiele des Deutschen Theaters.

Labic es aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts stammender Schwank „Der Strohhut“, der dur seine Situations\cherze einst für eines der komischsten und wirkungsvollsten Stücke galt, ve agte bei dem gestrigen Versuch einer sommerlihen Wiederbelebung im Kammerspielhause. Der Wiß is {hal und abgestanden geworden, und man sehnte das Ende der tollen Jagd nah dem Damenstrohhut herbei, den der junge Bräutigam Fadinard drei Stunden lang fortführen muß. Sein Reitpferd hat nämli im Boulogner Wäldchen den Strohhut einer fremden Dame gefressen, ohne den sie niht zu ihrem Gatten zurückzukehren wagt. Ein einziges gleihartiges Exemplar dieses Strohhuts ist in ganz Paris vorhanden; dieses gilt es sofort aufzu- treiben und zur Stelle zu schaffen, und das just in dem Augenbli, wo Fadinards Braut, sein cholerisGher Schwiegervater und die ganze Hochzeitsgesellshast ihn zur Trauung erwarten, fo daß ein ganzer Troß ihn auf der Suche nah dem Hut in acht Droschken begleitet, in der Meinung, es gehe zum Standesamt. Immer neue unwahrsheinlihe Ausflühte und Notlügen seinerseits müssen ihn über die gehäuften Nengste und Verlegenheiten Aeg bis das endliche Finden ihn und die Zuschauer erlöst. An der Aufführung lag es nit, wenn die Wirkung fast völlig ausblieb. Die Liebens- würdigkeit des zungenfertigen Herrn Edthofer als Fadinard und Herrn Diegelmanns drollige NReizbarkeit in der Nolle als dessen Schwieger- vater erregten zeitweise Heiterkeit. Am komis{sten aber war der Vertreter einer nebensählihen Episodenfigur, Gustav Adolf Hendels, mit seiner treuherzig wiederholten und bei der hohen Temperatur im Saale außerordentli echt klingenden Beteuerung: „Gott, ist mir heiß, das Hemd klebt mir am Leibe.“ Aus der großen Schar der übrigen Mitwirkenden seien noch die Damen Jäger und Nevill, die Herren Delius und Döblin anerkennend genannt.

Im Opernhau se wird. morgen, Freitag, im Richard Strauß- yflus als vierter Abend „Die Frau ohne Schatten“ unter des omponisten eigener Leitung mit den Damen Kemp, van Endert, Branzell, Hansa, Marherr, Mane, Iäger-Weigert, Ernesti und den HerrenHutt, Armster, Hakih, Sommer, Lücke und Krasa besetzt, aufgeführt. Anfang 6 Uhr. In der Aufführung von „Margarete“ am Montag, den 6. Juni, sind Fräulein Artôt de Padilla sowie die Herren Hutt, Schügtendorf und Schlusnus in den Hauptrollen beschäftigt. Dirigent ist der Kapellmeister Otto Urack. h Bei dem morgen im Schauspielhaus stattfindenden „Heiteren Abend“, bestehend aus der dreiaktigen Komödie Stroh“ von Hanns Jobst und dem einaktigen Schwank „Fliege“ von Leo Schriel, sind in den Hauptrollen die Damen Conrad, Hoff, Pategg und die Herren Cichholz, Florath, von Ledebur, Leffler, Legal, Mannstaedt, Pohl, Rafael, Werner, Witte, Wolfgang und Zimmerer beschäftigt.

Mannigfaltiges.

Amtlich wird mitgeteilt, daß in einer gestern mit Vertretern der Berliner Straßenbahn und der Hoh- und Unter- grundbahn bei dem Reihskommissar für die Kohlen- verteilung abgehaltenen Besprechung vereinbart wurde, zunächst nur die von diesen Verwaltungen bereits in Ausficht genommenen Verkehrseinschränkungen, vor allem Beschränkungen in der Zahl der Beiwagen, alsbald durchzuführen. Weitere Maßnahmen müssen jedoch vorbehalten bleiben, fofern die Stockung der Stein- foblenzufuhr aus Schlesien anhält. (W. T. B.)

Veber die noch im Ausland befindlihen deutschen Kriegsgefangenen teilt das Auswärtige Amt anläßlich einer Anfrage der Abgeordneten D. Mumm (deutshnat.) und Ge- nossen dem Reichstage mit: Nah den dem Auswärtigen Amt zu- gegangenen Nachrichten befinden \fich in ganz Nußland zurzeit A ungefähr 3600 bis 4000 deutsche Kriegsgefangene. Hiervon entfallen auf Sibirien etwa 200, von denen der rößte Teil “auf Heimschaffung verzichtet hat. Ein ver- schwindend kleiner Teil von diesen war bei der allgemeinen Heimbeförderung auf Arbeitskommandos und so weit von der Eisenbahn entfernt, daß ihre Heranschaffung nicht möglich war. Für diese hat die deutsche Fürsorgestelle in Moskau bereits Schritte unternommen, um ihre Heimschaffung noch im Laufe dieses Sommers durhzuführen. Außerdem befinden sich jeßt deutsche Kriegs- efangene nur noch in Ziskaukasien und in der Ukraine. Die Heim- FhaNtns derin Ziskaukasien befindlichen Gefangenen, etwa 1800 bis 2000, erfolgt unter dem Schuße des Internationalen Roten Kreuzes auf Dampfern, die vom Vs kerbund zur Verfügung gestellt worden sind. Der erste Dampfer trifft in den nächsten Tagen in Noworofsisk ein, wo eine Unterstele der Moskauer Fürsorge- stelle {hon vor einigen Wochen eingerichtet worden ist. Weitere Dampfer werden nah Noworossisk gesandt werden. Es ist zu hoffen, daß alle in Ziskaukasien befindlichen Kriegsgefangenen bis zum Herbst . J. abtransportiert sein werden. Durch den Abschluß eines Ab- kommens mit der Ukraine vom 23. April ist jeßt die Möglichkeit geschaffen worden, auch die noch in der Ukraine befindlichen deutschen Kriegsgefangenen, deren Zahl rund 2000 REN in nächster Zeit heimzubefördern. Zu diesem Zwecke richtet die Fürsorgestelle in Mos au in allernähster Zeit zwei Ünterstellen in Charkow und Odessa ein, wobei vorgesehen ist, daß die in Odessa gesammelten Gefangenen mit den LTransporten aus Noworossisk heimbefördert werden. In Avignon in Frankrei werden auf Grund des Artikels 219 des Vertrags von Versailles zurzeit noch 130 deutsche Kriegsgefangene zurückgehalten. Unsere vielfahen, nachdrücklihen Schritte in dieser Angelegenheit haben der franzöfischen Regierung keinen Zweifel darüber elassen, daß nah Auffassung der deutschen Regierung die ange ¿Freigabe dieser Unglücklichen ein unabweisbares Gebot der Mensch- lichkeit ist. Die französishe Regierung hat \sich indessen bisher nur dazu bereit gefunden, die 14 bayerischen Staatsangehörigen unter den Gefangenen zu entlassen. Der im Interesse der Freigabe aller Ge- fangenen gerihtete Appell an die französische Regierung ist ungehört verballt, Irgendein Mittel, die französishe Regierung zum Ver- Gin des bon ihr bisher eingenommenen Standpunktes zu bewegen, stehen der deutshen Regierung nicht zu Gebote. Sie wird aber troß alledem niht nachlassen, die Angelegenheit mit dem größten Nachdruck zu verfolgen, und gibt die Hoffnung nicht auf, daß die Pete im Sinne der unverzüglichhen Heimschaffung der Gefangenen chließlich doch noch gelöst werden wird.

Ueber die Witterung in Deutshland im Monat April 1921 berichtet das preußishe Meteorologische Institut nah den Ergebnissen der einzelstaatlihen Beobachtungsneße in der „Stat. Korr.“ : Der April 1921 zerfiel in eine Anzahl von Abschnitten recht verschiedenen Witterungscharakters, die sih deutlich im Temperatur- verlauf ausprägen: drei Wärmeperioden, deren erste gleih zu Anfang, deren leßte nahe dem Schluß des Monats lag, wurden getrennt dur zwei Kälterückfälle, die etwa. vom 5. bis 8. und vom 15. bis 24, bezw. in Ostpreußen bis zum 22. April dauerten. Die Wärme- perioden waren zugleiß solche größtenteils heiteren, trockenen Wetters, während in die kühlen Zwischenzeiten die hauptsäch- lichsten Niederschläge des Monats fielen. Weder ungewöhn- lih hohe noch ungewöhnlich niedrige Temperaturen - waren im April zu verzeichnen ; die h{sten Werte, in Norddeutschland über- wiegend der dritten, in Süddeutschland der zweiten Wärmewelle an- gehörend, bewegten sich zwishen 19 und 239 C., die tiefsten lagen nur wenige Grad unter Null; die Zahl der Fröste war, von einzelnen Stellen des Westens abgesehen, auffallend gering, Eistage fehlten ganz. Im Monatsmittel der Temperatur O ch für ganz Nord- deutschland, und zwar nun {hon im vierten Monat nacheinander, eine positive Abweichung, die ähnli wie im Vormonat mit 3 Grad am höchsten in Ostpreußen war, nah Westen und Süden hin abnahm; in Süddeutschland lagen die mittleren Apriltemperaturen teilweise schon etwas unter den Normalwerten. Entsprehend dem niedrigen Durchschnitt der Bewölkungszahlen bra zie der April in seiner Gesamtheit befriedigende Sonnenscheindauer. In manchen Gegenden wurden 200 Stunden erreiht oder überschritten, und nur in Ausnahmefällen blieb die Monatssumme unter 1/2 der möglichen Dauer oder unter dem langjährigen Mittelwert. Am sonnigsten waren für den überwiegenden Teil Deutschlands die Tage um den 11. und 28. April, als echtes Hochdruckwetter mit trockenen östlichen Winden herrschte, so daß die um diese Zeit eingetretenen Höchstwerte der Temperatur vornehmlich auf Strahlungswärme beruhten. Im Gegensaß dazu waren die Fröste durchaus nicht allein auf Rechnung der Ausstrahlung zu setzen; denn die erwähnten kühlen Perioden waren von Zufuhr kalter Luft durch Wind verursaht. Sie waren außerdem die Begleitersheinung auch sonst \{chle{chten Wetters. Ihnen gehörten alle bemerkenswerten Regenfälle an: so die am 9. und 7. April in Sachsen und Süddeutschland, die vom 14. bis 19. April im ganzen Reich und au die am 23. April in Schlesien. In zahlreichen Gegenden stellten 8 die ersten Frühjahrsgewitter ein; von Schneefällen wurde im April merkwürdigerweise der Westen ver- hältniêsmäßig noch am meisten betroffen, und zwar naméntlich vom 15. bis 18. April. Ein erwähnenswertes Ereignis war beispiels- weise, daß Cassel nah starkem nähtlißen Schneefall am 16. Äpril, morgens, eine 14 cm hohe Schneedecke hatte. Die höchsten Monats- summen des Niederschlags finden sich im Osten: zwishen 50 und 70 mm hatte die binnenländische Hälfte Ostpreußens, und noch mehr gab es in Schlesien, namentlich in Oberschlesien, wo zwei besonders ergiebige Niederschlagstage vorkamen. Im «größeren Teile Nord- deutschlands hielten \ich die monatlichen Niedershlagshöhen zwischen 29 und 950 mm; Trockengebiete mit weniger als 2mm entwidelten sih im mittleren Norddeutschland und im Südwesten; am weni sten, nämlich unter 10 mm, hatten manche Gegenden am unteren Main sowie im Gebiet der Nahe und- der oberen Mosel.

Breslau, 1. Juni. (W. T. B.) Zur Vorbesichtigung

e echnischen Messe und des landwirtschaftlichen

r Tech Maschinenmarktes, die die Breslauer Messegesellschaft vom Juni in Gemeinschaft mit den Landirtscha]tsvereinen ver-

d 2, bis d.

anstaltet, sind der preußishe Handelsminister Fi\chbeck und der Miri taldirtoe von Schönebeck als Vertreter des Neichswirtschafts- ministeriums hier eingetroffen. Gegen 5 Uhr verfammelte si ein Kreis geladener Gäste, darunter u. a. der Oberpräsident . Zimmer, der Re- gierungspräsident Jaenicke, Vertreter von Handel, Industrie, Landwirt- schaft und Handwerk, im Vortragssaal der Jahrhunderthalle. Der Vor- sigende der Messegesellschaft Stadtrat Leß, vegrüßte den Handelsminister und den Vertreter des Neichswirtschaftsministers fowie die Vertreter der Neichs- und Staatsbehörden. Trotz der Kämpfe in Oberschlesien, so führte der Nedner etwa aus, habe sich die Messegefellshaft ent- \{lossen, die Messe stattfinden zu lassen als Zeichen des Erstarkens unserer wirtschaftlihen Kraft und unseres unbeugsamen Willens, wieder emporzukommen. Das könne nur durch Zusammenfassen und Zusfammenarbeit aller Kräfte geschehen. Was hier geschehe, sei nicht im Interesse Breslaus oder Schlesiens, sondern zum Wohle des ganzen Vaterlandes, und dazu sei eine weit- gehende Unterstüßung des Neichs nötig. Beantragt sei für die Breslauer Messe eine einmalige Zuwendung von 10 Millionen Mark für ihre dringend nötige Erweiterung und eine jährliche Unterstüßung von einer Million Mark. Er bat um Unterstüßungdieser An träge dur die Neichsbehörden. Der Direktor W olf gab einen geschicht- lichen Ueberblick über die Messe und Erläuterungen der gegenwärtigen Veranstaltung. Dann folgte ein Nundgang. durch die reich beschickte Ausstellung. Beim Eintritt in die Jahrhunderthalle begrüßte die

Gâste Breslaus Orgelspiel.

Gießen, 1. Juni. (W. T. B.) Der Kongreß des Ver - bandes Deutscher Bergarbeiter lehnte heute den kommunistishen Antrag auf Anschluß an die Moskauer Internationale mit überwältigender Mehrheit a b, 200 Vertreter sprachen sich für das Verbleiben beim Amster- damer Gewerkschaftsbund aus, sieben stimmten für Moskau. Im Verlauf der Verhandlungen fagte der Vertreter des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes Umbreit, daß die Einführung der Frankenwährung im Saargebiet eine ungeheure Verteue= rung aller Lebensmittel und vor allem der Kohle hervorgerufen habe. Die politische Seite der Frankenwährung sei in einem möglichst engen Anschluß des Saargebiets an Frankreich zu exrblicken. Die Frankenwährung mache eine Ausfuhr der Saarerzeugnisse nah Deutschland unmöglich. Die Saarindustrie sei daher gezwungen, sich auf den westeuropäischen Markt einzustellen. Vor einiger pee hätten Vertreter der Amster- damer Internationale das Saargebiet zu Informationszwecken bereist, und es sei bezeichnend, daß der französische Gewerkschaftsführer Merrheim erklärt habe, wenn die Saararbeiterschaft französisch werden wolle, dann müsse fie sich für die Frankenwährung ein- seßen, wenn sie deutsch bleiben wolle, dann für die Markwährung. Der Vertreter des internationalen Arbeits8amts in Genf Baumeister sprach über die Zwecke und Ziele dieses Amts, das eine überstaatlihe Organisation für Sozialpolitik sei und den Arbeiters{chutz in allen Ländern einheitlih gestalten wolle. Das internationale Arbeitsamt habe auch eine mehr|prachige Denk- chrift ausgearbeitet. Die Zweigstelle des Amts wird von dem früheren Gewerkschaftsfübrer S chl i ck e geleitet. Es wurde u. a. eine CGntschließung gefaßt, die sih gegen die „wahnsinnigen Putsche“ der Kommunisten in Mitteldeutshland und gegen die „feige Flucht“ der Führer im kritishen Moment richtet, aber auch die Vfottins Aufhebung des Belagerungszustandes und die Beseitigung der Sondergerichte fordert. |

Altwasser, 1. Juni. (W. T. B.) Die Firma Tiels ch u. Co. mußte wegen Kohlenmangels 450 Arbeiter und Arbeiterinnen entlassen. j ;

Paris, 1. Juni. (W. T. B.) Laut Havasmeldung ist in Aberdeen (Maryland) eine Bombe explodiert, die j Mas auf einem Flugzeug angebraht werden sollte. Zwei Per-

onen wurden getötet und 13 verlegt. Einer weiteren Meldung aus Oklah oma zufolge beträgt die Zahl der bei Zu - sammenstößen- zwishen Weißen und Negern in Tulea Getöteten 75. Mehrere Teile des Negerviertels stehen in Flammen. i

Aceronuautisches Observatorium. Lindenberg, Kr. Beeskow. 1. Juni 1921. Drahenaufstieg von 5} a bis 71 a.

Seehöhe | Luftdruck| Temperatur C0 Feudtig, a L

m B oben | unten t etn ae: | Ma 3650 | 490 | 25 60 | ONO 8

Bewölkt. Sicht: 12 km.

(Fortseßung des Nichtamtlichen in. der Ersten Beilage.)

R O R L L R E A G R E A R E S E R R

Theater.

Lpernhaus. (Unter den Linden.) Freitag: 137. Dauer- bezugsvorstellung. Nichard-Strauß-Zyklus. 4. Abend: Die Frau ohne Schatten. Anfang 6 Uhr. Ea

E Turandot. Hierauf: Arlecchino. Anfang

Y,

Schauspielhaus. (Am Gendarmenmarkt.) Freitag : 137. Dauer- bezugsvorstellung. Zum ersten Male: Stroh. Die Fliege. Anfang 7 Uhr.

Sonnabend: . Die Räuber. Anfang 62 Uhr.

Familiennachrichten.

Vermählt: Hr. Geh. Legationsrat Dr. Ferdinand v üli

6 Ge R reinen as 4 S estorben: Hr. Rittmeister a. D. Walther von Uecßtri D Steinkirh (Reichwaldau). Hr. Geh. Sanitätsrat L0 Soinris Brock (Berlin - Wei ensee). Fr. Auguste Gräfin von Korff- Schmising, ged. Reichsgräfin von &ürstenberg-Stammheim (Taten- hausen, Westf.).

Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. T y x o.l, Charlottenburg.

Verantwortlich für den Anzeigenteil : Der Vorsteher der Geschäftsstelle echnungsrat engering in Berlin.

Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin.

Druck der Norddeutshen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, Berlin, Wilhelmstr. 32. I

Sechs Beilagen (einshließlid Börsenbeilage )

und Erste, Zweite, Dritte und Vierte. Zentral-Handelsregister-Beilage.

Ir. 126.

Erste VBVeílage

Berlin, Donnerstag, den 2. Funi

Nichtamtliches.

(Fortseßung aus dem Haupitblait.)

Deutscher Reichstag.

109. Sizung vom 1. Juni 1921, Nachmittags 4 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger ®).)

Haus und Tribünen sind schr stark beseßt.

Am Regierungstische sind neben den anderen Mitgliedern des Kabinetts auh die neuen Minister Dr. Rosen und Dr. Rathenau erschienen.

Auf der Tagesordnung steht die Entgegennahme einer Erklärung der Reichsregierung.

Reichskanzler Dr. Wirth: Meine Damen und Herren!k Man erwartet von der neuen Regierung ein Programm. Jh will dieses Programm in eine kurze Form susammenfassen, in drei Worte. Diese drei Worte heißen: Verständigung, Wiederauf= bau und Versöhnung. (Zucuf von den Vereinigten Kommunisten: Und Amnestie? Lachen rechts.) Dies gilt für die äußere, aber auch sür unsere innere Politik. Jn diescr Formel soll au3gedrüdt scin, daß wir alle unscre Kräfte daran seßen wollen, das deutsche Staatsschiff Hherauszuretten aus den flippenreihen Wogen der Krisen und Katastrophen in ein ruhiges Fahrwasser friedlicher Entwiclung.

Durch Werke des Fricdens, durch Aufbau nah außen und nah innen wollen wir zeigen, daß es uns ernst ist mit dem Be- ginn der neuen Zeit, daß wir unseren Verpflichtungen bis zum äußersten nachkommen und durch Arbeit und Leistungen Frei= heit und Vaterland uns erkämpfen wollen. (Zuruf von den Ver= cinigten Kommunisten: Und die Amnestie? Unruhe.)

V beginne mit der äußeren Politik und ihrer Rückwirkung L ank Durch die Annahme des Ultimatums ist für manche bi3= herige Kämpfe ein Schlußstein gescßt und unsere Politik in cine bestimmte Vahn gelenkt. :

Die Absicht der Reichsregierung ist eindeutig und klar: Sie will die übernommenen Verpflichtungen gewissenhaft und loyal erfüllen. Sie will den guten Mut haben und von dem ganzen deutschen Volïe verlangen, daß es sih anstrengt, Leistungen größter Art su vollbringen; denn nue wenn man mit einem solchen Willen an die Leistungen Herangeht, dann kann man Höchstleistungen er= gielen. Hierin erblickt die Reichsregierung die einzige für Deutschland mögliche Politik. Nicht akademische Erörterungen, sondern allcin die praktische Anerkennung des Leistungsprinzips3 wird für Deutschland und seine schwere Lage in der Welt Ver= ständnis erwecken..

Das Ultimatum stet uns kurze Fristen. abgelaufen. Wir haben jie eingehalten.

Auf finanziellem Gebiet ist die bis zum 30. Mai zu zahlende 1 Milliarde Goldmark rechtzeitig trop der äußerst starken Jnanspruhnahme durch laufende Bedürfnisse und die anderen Aufgaben des Fricdensvertrages geleistet. Davon 150 Millionen Goldmark in bar und der Rest durch Schaßwecchsel, die nah dem Wunsch der Neparationskommission - das Jndossament von vier deutshen Großbanken, nämlich der Darmstädter Bank, der Deutschen und Dresdner Bank und der Disconto-Gesellschaft iragen. Jh darf nicht unterlassen, zu erwähnen, daß die ge- nannten Bankinstitute in äußerst dankenswerter Weise der Regic- rung ihre Unterschrift zur Verfügung gestellt haben. Dic Schaßz=- wcchsel sind bis zum 31. August cinzulösen. Das Reichsfinanz- ministerium hat die erforderlichen Vorbereitungen und Anord- nungen getroffen, um die Einlösung innerhalb dieser Frist sicher= öustellen. Am 31. Mai sind der Reparationskommission weitere 50 Millionen Goldmark in Devisen angeboten worden.

In der Abrüstungsfrage haben wir uns durch die Annahme des Ultimatums den Entwaffnungsbestimmungen der Pariser Note vom 29. Fanuar auf dem militärischen Gebiete wie auf dem der Marine und des Luftwesens gefügt. Die Noten, die zur Ausführung des Ultimatums mit der von General Nollet geleiteten Militärkontrollkommission und den anderen Koms- missionen gewcchselt sind, werden in der üblichen Weise dem Auss{uß für auswärtige Angelegenheiten zugehen.

Die bishex abgelaufenen Fristen sind auch auf diesem Gebiet innegehalten. (Bravo! bei den Soz.) Die Reichsregierung ist einmütig der Ansicht, daß die Frage der Entwaffnung zu keinen weiteren Reibungen führen, geshweige denn Anlaß zu Sank- tionen geben darf. Was an uns is, werden wix deshalb tun, um unser Versprehen in voller Loyalität einzulösen. (Abg. Hoffmann-Berlin: Erst können vor Lachen!) Für diesen Zwischen- ruf haben Sie die Amnestie. (Heiterkeit.)

Bisher ist von der deutschen Regierung in Erfüllung der Entwaffnungsbedingungen untex anderem folgendes veranlaßt worden: Die von der Miklitärkontrollkommission festgeseßten Höchstbestände für die Bewaffnung und Ausrüstung des Hundert- tausendmannheeres sind unter Aufgabe des bisherigen deutschen Widerspruchs von uns anerkannt worden; die Befehle zur Ab- lieferung des dadurch übershüssig werdenden Materials sind erteilt, die Ablieferung ist im Gange. Die sofortige Abgabe der von der Kontrolllommission niht zugestandenen Bestückung und sonstigen Ausrüstung der Landfestungen einschließlich Königs- berg, Lößen-Boyen und Küstrin ist angeordnet und wird un- verzüglich durchgeführt. (Hört! hört! rechts.) Das gleiche gilt für die Küstenbefestigungen. Die von der Kommission aufgestellte Liste der zur Herstellung des Geräts für das Hunderttausend- mannheer ermächtigten Fabriken ist anerkannt; die niht zu- gelassenen Fabriken werden geschlossen.

Ebenso sind die in den Pariser Beschlüssen enthaltenen Forderungen, die sich auf die Marine und die Luftfahrt be-

aufs

Einige find schon

*) Mit Ausnahme dex durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind,

ziehen, zum Teil bereits erfüllt, zum Teil in shleuniger Durch- führung begriffen.

Das Geseß, durch das der Bau von Flugzeugen und Flugzeugmotoren jeder Art verboten wird, liegt im Entwurf vor und wird in den nächsten Tagen dem Reichsrat zugehen. Ein Verbot der Ausfuhr von Luftfahrtmaterial jeder Art ist erlassen. Dem Verbot der Verwendung von Flugzeugen bei deutschen Polizeiformationen ist stattgegeben. Der Kontrollkommission ist mitgeteilt, daß die deutshe Regierung die ihx in Aussicht gestellte Definition zur Unterscheidung der zivilen Luftfahrt von der im Friedensvertrag untersagten militärishen Luftfahrt an- erkennen wird.

Die Ablieferung der überschüssigen Waffen der Polizei ift durchgeführt. Die erforderlichen Anordnungen dahin, daß die Gesamtstärke der deutschen Polizei die in der Boulogner Note gugestandene Zahl von 150000 Mann nicht überschreitet, sind erlassen.

Die in den Pariser Beschlüssen geforderten geseßlihen Maß- nahmen zur Aenderung des Wehrgéseßes und des Gesetzes über die Ein- und Ausfuhr von Kriegsgerät sind so weit gefördert, daß sie in den nähsten Tagen dem Reichsrat zugehen werden.

Was die Entwaffnung der Einwohnerwehren angeht, so sind von den Landesregierungen die erforderlichen Anordnungen ge- troffen. Die bayerishe Regierung stand nach ihrer früheren Stellungnahme vor ciner außerordentlich s{chwierigen Situation. Jch habe es nicht für richtig gehalten, dur offizielle, in forderndem Tone gehaltene Schreiben seitens der Reichsregierung diese schwierige Lage der bayerischen Regierung noch zu verschärfen. Aber Sie können mir glauben, daß ih deshalb nicht untätig gewesen bin. Die bayerische Regierung hat inzwischen in Erkenntnis der tatsählihen Lage die Fhnen bekannte Erklärung über die Ent- waffnung der Einwohnerwehren abgegeben. (Zurufe von den V. K. und U. S.) Wenn danach sih die beteiligten Kreise frei- willig zu den Entshlüssen dur&gerungen haben, die unabwendbar geworden sind, so verdienen sie und alle Personen, die troß ihres grundsäßlihen Standpunktes hierfür eingetreten sind, Dank. (Bravo! bei den Mehrheitsparteien. Zurufe bei den V. K. Un- erhört!) J spreche hier namens der Reichsregierung die Hoff- nung und die Erwartung aus, daß die Durchführung der Waffen- abgabe pünktlich innerhalb der geseßten Fristen erfolgt. (Zurufe von den V. K.) Die freiwillige Entwaffnung ist eine wichtige Tat auch für Deutschlands innere Einigkeit, Ein Spiel mit dem Zwang von innen oder außen hätte nur zur Entzweiung unter den deutschen Stämmen führen können. (Schr richtig! bei den D. Dem.) :

Neben der Frage der Waffenabgabe steht die Frage der Auf- [fung der Organisationen. Die bayerische Regierung ist der Ansicht, daß zum mindesten nah erfolgter Waffenabgabe die bayerischen Einwohnerwehren niht mehr unter die Artikel 177 und 178 des

Kommunisten. Sehr richtig! rechts), welhe von der Auflösung gewisser näher bezeichneter militärisher Organisationen sprechen. Das bayerische Oberste Landesgericht hat denselben Standpunkt aus- führlih dargelegt. (Hört, hört! bei der Bayerifchen Volkspartei.) Aber die Reichsregierung stand nit mehr allein vor den Artikeln 177 und 178 des Friedensvertrages, sondern vor dem Ultimatum vom 5. Mai, das in dieser Hinsicht auf die Pariser Note vom 29. Januar Bezug nimmt, Darin is cine gewisse Interpretation des Friedensvertrages gegeben, die es der Reichsregierung nicht er- möglichte, die Einwohiterwehren von der Liste der aufzulösenden Organisationen auézunehmen. Diese Liste, die wir überreicht haben, mußte offen und klar sein, sie mußte deshalb die Einwohnerwehren und die Organisation Escherih enthalten. Sie können sicher sein, daß die Reichsregierung diefen Eingriff in ihr eigenes Vereinsrecht nur unter dem Drucke der Alliierten vorgenommen ‘hat. Die Reichs- regierung ift sih des Ernstes der grundsäßlichen Frage wohl bewußt. Sie hat die Anschauungen der hauptbeteiligten Landesregierungen und ihre Unterlagen den Alliierten mitgeteilt, um eine Nachprüfung von der alliierten Seite vornehmen zu können.

Jch komme nunmehr zu den Aufgaben, die sh aus den wirt- schaftlihen Teilen des Ultimatums für Deutschland ergeben.

Das Programm, dessen Erfüllung unser harrt, ist weitausladend und auf lange Sicht gestellt, Es gliedert sih in drei Teile. Die Aufgabe, die unmittelbar vor uns steht, ist das finanzielle Programm. Im engsten Zufammenhang damit steht das Wirtschaftsprogramm und die sozial-ethishe Aufgabe. Die finanziellen Leistungen sind im Ultimatum genau umrissen durch den variablen Faktor von 8 % der Ausfuhr und die Fir-Summe von 2 Milliarden Jahresannuität. Dazu kommen dann noch die Befabßungskosten.

Wenn wir im- Jahre 1921 dieselbe Ausfuhr haben wie im Jahre 1920, so würden wir insgesamt über 34 Milliarden Goldmark zu leisten haben. Diese Summe is} außerordentli groß, besonders weil sie von einem Lande mit entwertetem Gelde gefordert wird. Jeßt aber haben wir niht mehr darum zu streiten, ob die Summe unserer Leistungsfähigkeit angepaßt ist. Manche sagen, wir können die Summe nicht aufbringen. Diefer theoretishe Streit führt aber zu nihts. Wir müssen zu Taten schreiten und versuchen, dur die Tat und durch Einseßung unseres besten Willens zu beweisen, wie groß unsere Leistungsfähigkeit is. (Sehr richtig! bei den Sozial- demokraten.) Jeder Weg, der si bieten kann, und wenn er au mit Opfern für das ganze Volk oder für einzelne Kreise verbunden sein mag, ist aufs eingehendste zu prüfen, denn die Sache der Freiheit ist selbst mit den s{wersten finanziellen Opfern nicht zu teuer erkauft. (Sehr rihtig! im Zentrum und bei den Deutschen Demokraten, Lachen und Zurufe rechts.) Unsere nähste und dringendste Aufgabe wird es sein, für die Abdeckung der Verpflichtungen aus dem Ultimatum einen forfältigen und genauen Zahlungsplan aufzustellen. Der Artikel 7 des Ultimaiums, welcher diese Materie behandelt, gibt nur eine allgemeine Richtschnur. Er läßt der deutshen Regierung ausdrücklid die Möglichkeit offen, mit bestimmten Vorschlägen an das Garantie-

komiiee hevanzutreien und im Verein mit ihm einen endgültigen

Friedensvertrages fallen (Hört, hört! und Zurufe bei den Vereinigten,

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zum Deutschen Reichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger

1921

Zahlungsplan festzustellen. Dieser Plan wird einerseits den Gesamt- betrag und die Eingelheiten der Sachleistungen borzuschen haben, welche wir den Allüierten voraussihtlich in Anrechnung auf die jähr- lihen Reparationsderpflihtungen mahen werden, Soweit diese Ver- pflihtungen nicht durh Sachleistungen erfüllt werden, ist nachzus weisen, wie wir im Innern die Mittel aufbringen wollen, um den in bar, d. h. in Devisen zu zahlenden Restbetrag der Annuitäten zu deten. Es werden bestimmte namhafte Steuerquellen bezeichnet werden, welhe wir als Deckung für die Neparationszahlungen zur Verfügung stellen und in dem Zoahlungsplan dem Garantiekomitee gegenüber nachzuweisen haben. Der Gesamtbetrag dieser als Sicher- heit gestellten Steuern muß hinreichend sein, um den. voraussichtliŸ in Devisen aufzubringenden jährlihen Barbetrag zu deken. Wir haben uns bereits an die Arbeit gema§t und werden binnen kurzem die nähere Fühlung darüber mit dem Garantickomitee aufnehmen.

Was zunächst die 26 prozentige Ausfuhrabgabe anlangt, so muß darauf hingewiesen werden, daß ihre dauernde und gänzlihe Rüd- vergütung an die deutshen Exporteure finanzpolitisch nicht in Frage fommen fann. (Sehr rihtig! be den Sozialdemokraten.) Die Wahl des Ausfuhrinder ist zweifellos keine glücklihe, Dieser Aus- fuhrinder ist brutal, ist roh. Die Wirkung auf die Weltwirtschaft, wie auf unsere eigene Wirtschaft wird sich zeigen. Es soll nach eirem besseren Inder gefors{t werden; ob er gefunden wird, kan heute noch nit gesagt werden. Arbeiten nah dieser Richtung sind im Gange. Auf die nähere Begründung, weshalb die 26 prozentige Ausfuhrabgabe vom finanzpolitishen Standpunkt aus nicht voll rück- vergütet werden kann, will ih jeßt niht eingehen; das wird Sache der späteren Beratungen sein. Jedenfalls müssen wir dahin streben, auf irgendeine Weise eine Summe an Einnahmen zu schaffen, welche gleih hoch ist, wie die {hwankende Ausfuhrabgabe.

Wäre die Angleihung an die Weltmarktpreise nicht soweit fort- geschritten, so wäre die 26 progentige Abgabe vielleiht zu gewinnen aus der Spannung zwischen Julandswert und Auslandswert der Mark. Sie würde dann eine reine Valutagewinnbesteuerung sein. Auch heute besteht noch eine starke Spannung zwischen der Kaufkraft des Geldes im Inland und im Ausland, wenn auch nicht auf allen Gebieten. Diese Spannung muß, soweit es wirtschaftlich irgend- möglich ist, ausgenußt werden. Es wird Sache des Reichswirt- schaftóraies sein, zusammen mit der Reichsregierung Vorarbeiten nach dieser Richtung hin zu leisten.

Dann aber gilt es, die zwei Milliarden Gold firer Annuitäten aufzubringen. Die Aufbringung dieser Summe wird teilweise in Sachlieferungen und teilweise in Geldzahlungen zu erfolgen haben. Aber au für die Sachlieferungen muß Deutschland erst die nötigen Geldsummen aufbringen, denn es geht nicht an, daß wir auf die Dauer zu Anleihen greifen, um das Budget der Kontributionen zu erfüllen. Die Erfahrungen, die wir nah dieser Seite hin während des Krieges gemacht haben, shrecken. (Sehr richtig! bei den Sozial- demokraten.) W=*c müssen sehen, wenigstens in möglichst naher Zeit die Reparationssumme tatsählih als jährliche Auflagen aufzubringen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Hält man Ausshau nah neuen Steuerquellen, so rihtet sich das Auçcenmerk des Steuer- politikers unwillkürlih auf die Kohle, Der deutsche Kohlenpreis ist heute noh viel niedriger als der Weltmarktpreis. Das wäre nit der Fall, wenn man in der Kohlenwirtshaft die Fr&wirischaft durh=z geführt hätte und die Preisbildung sih hätte frei entwideln lassen. Dann müßte unsere Jndustrie auch bercits längst den Weltmarkt- preis für Inlandkohle bezahlen. Durch die nah nationalwirtschaft- lichen Gesichtspunkten eingerihtete Kohlenwirtshaft haben wir bisher der deutshen Industrie cine erhebliche Vergünstigung in demn Produktionskosten verschafft. Hier aber liegt zu gleiher Zeit auch eine Reserve vor, bei welcher, soweit notwendig, eingeseßt werden kann für die Aufbringung der Reparationslasten. Man wird die bestchende Preisspannung zwishen JInlandpreis und Weltmarktpreis ausnüßen müssen. Die Frage ist nur, auf welhe Weise das am besten geschehen foll. (Zurufe von der Deutschen Volkspartei: Wie Tange die Valuta es aushält!) Diese Frage wird in der näthsten Zeit in der öffentlichen Diskussion und in Besprechungen zu klären sein. Es muß allerdings ein Weg gefunden werden, der es gestattet, daß cine Differenzierung zwishen Hausbrandkohle und Industrie- kohle gemacht wird. Dieser Weg ist zu finden.

Es gilt dann weiter, die übrigen Steuern so auszubauen, daß sie hinreichend sind, um die ctwa noch fehlenden Beträge in der Reparationsfrage und andererseits die Ausfälle, welhe durch das Reparationsbudget im eigentlihen Reihsbudget geschehen, zu decken.

Das Bestreben der Reichsfinangverwaltung muß dabei von folgenden Gesichtspunkten geleitet sein: Wo noch Besißsteuern dura zuführen sind, die ohne Schädigung des Wirtschaftsprozesses durch- geführt werden können, müssen sie selbstverständlich eingeführt werden. Jh denke dabei an folgende Steuern. Es kommen in Frage:

1, Ein Ausbau der Körperschafts\teuer, die praktish ciner Be- steuerung der hohen Dividenden gleihkommt,

2, cin starker Ausbau der Börsensteuer, um vor allem die Spekulation an der Börse auf diese Weise zu erfassen,

3, und darauf lege ih besonderen Nahdruck —: nit. allein das Schaffen neuer Steuern kann Gegenstand der Vorsorge sein (sehr richtig! im Zentrum), sondern die Durchführung der bereits verabschiedeten Steuern (lebhafte Zustimmung im Zentrum, bei den Deutschen Demokraten und Sozialdemokraten) die Schaffung von Einrichtungen innerhalb der Finanzverwaltung, welche ein möglichst vollkommenes Aus\höpfen der bisher verschlossenen Besibsteuerquellen ermöglihen. Jch glaube, daß gerade dur diese Organisation, die bald aufgebaut werden soll, mehrere Milliarden Mehrbeträge aus den bestehenden Besißsteuern gefördert werden. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.)

Gestatten Sie mir ein offenes Wort. Es hat ein großes Maß von Geduld dazu gehört, um im Laufe eines Jahres die Ver- anlagung der Besißsteuern und der Einkommensteuer zu überwachen.

Wir sind vorwärts gekommen. Wenu Sie die Steuereingänge nachsehen, werden Sie mir zustimmen, daß gerade in den leßten