1875 / 102 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 03 May 1875 18:00:01 GMT) scan diff

v“

Entgleisung von 2 Wagen, wodur das eine Geleise zeitweise gesperrt wurde.

Telegraphischer Meldung zufolge haben S. M. S. („Augusta und „Albatro ß“, ersteres auf. dem Wege nah Lissabon, leßteres, um die Heimreise anzutreten, gestern San- tander verlassen. S. M. S, „Nautilus“, welhes in den spanischen Gewässern verbleibt, wird heute vou Santander nah Lissabon resp. Gibraltar in See gehen.

Posen, 3. Mai. (W. T. B.) Der Neopresbyter Goebel in Szoldry bei Czempin (Kreis Kosten) is wegen Verdachtes, die Exkommunikation des Propstes Kik (Kaehme) in Kwilz vorgenommen zu haben, verhaftet und unter polizeiliher Es- korte hierher gebracht worden. Der Dekan Rzezniewski, welcher gegenwärtig \teckbrieflich verfolgt wird, ist heute von dem hiefigen Appellationsgerichte wegen Verkündigung der Exkom- munikation gegen den Propst Kubeczak in Xions zu 18 Mo- naten Gefängniß verurtheilt worden.

Gnesen, 1. Mai. (W. T. B.) Der Weihbischof Cy- bihowsfi, der am 22. v, M. wegen unbefugter Ausübung bishöfliher Rechte zu einer neunmonatlihen Gefängnißstrafe verurtheilt wurde, ist da dieses Erkenntniß bis jeßt die Rechtskraft nit erlangt hat aus der Provinz ausgewiesen und heute durch einen Polizeibeamten aus Posen über die Grenze der Provinz gebrahcht worden. L

Bn 2 Mi (V S B.) Fürstbischof Förster ist, wie die „Schlesische Volkszeitung“ meldet, zum 13. d. M. vor das Kreisgeriht Birnbaum vorgeladen. Der Vorladung liegt, wie hinzugefügt wird, die Anschuldigung zu Grunde, edaß der Fürstbishoj+auf Grund der päpstlichen Ency- Tila vom 5. Februar d. J. die Exkommunikation gegen den Propst Kick in habe.

Bayern. München, 1. Mai. Se. Majestät der König hat sich vorgestern Nachmittag 3 Uhr mit dem Königszuge vom Haidhausener Bahnhofe aus nah Prien begeben. Se. Majestät wird in den auf den Herrnchiemsee-Inseln befindlihen, unlängst restaurirten Königlichen Gemächern bis Dienstag verweilen und an diefem Tage wieder hierher gurückehren. Ihre Majestät die Königin-Mutter traf gestern Abends mit dem Prinzen Otto von Hohenshwangau hier ein. Die Taufe der neu- geborenen Prinzessin wird am Sonntag Vormittags 115 Uhr im Palast des Prinzen Leopold an der Schwabinger Landstraße durh den Erzbishof vorgenommen werden, und hierbei die Königin-Mutter die Pathenstelle übernehmen. Die neugeborene Prinzessin wird die Namen Maria Friederike Fran- ziska Augusta Hedwig erhalten. Erzherzog Albrecht von Oesterreich, welcher jüngst im Auftrage des Kaisers der Beerdi- gungsfeierlihkeit des verstorbenen Prinzen Franz Ioseph von Nassau in Hohenburg beiwohnte, ist heute Mittag von Hohen- burg hier eingetroffen, um dem morgen stattfindenden feierlihen Taufakte beizuwohnen. Der Erzherzog wurde am Bahnhofe von dem Prinzen Luitpold in österreichischer Uniform empfangen und in dessen Palais geleitet, wo heute Nachmittag eine größere, um 3 Uhr beginnende, Tafel stattfindet, wozu, außer dem Erz- herzog, Ihre Majestät die Königin-Mutter und Prinz Otto ge- laden find. 4

Sachsen. Dresden, 1. Mai. Se. Majestät der König hat den zum Königlich schwedisch-norwegishen General-Konsul in Dresden ernannten Banquier Arthur Rosencranßtz hierselbstt in dieser Eigenschaft anerkannt.

Tfürttemberg. Stuttgart, 29, April. Der „St. A. f. W.“ meldet: Heute Nachmittag um 3 Uhr fand die Taufe des neugeborenen Sohnes Sr. Königlichen Hoheit des Herzogs Eugen und Ihrer Kaiserlichen Hoheit der Frau Herzogin Wera von Württemberg in dem von Höchstdenselben bewohnten Pavillon des Schloßnebengebäudes statt. Der Taufe wohnten an: Ihre Majestäten der König und die Königin, die gegen- wärtig hier verweilende Mutter der Herzogin Wera, Ihre Kaiser- liche Hoheit die Frau Großfürstin Constantin von Rußland, hre Königlichen Hoheiten die Prinzessinnen Marie und Katha- rine von Württemberg und die Prinzessin Auguste zu Sachsen- Weimar, der aus diesem Anlasse von Karlsruhe hier cein- getroffene Prinz Wilhelm von Baden, Großherzogliche Hoheit und Höchstdessen Gemahlin Frau Prinzessin Marie, geb. Prinzessin von Leuchtenberg, Kaiserlihe Hoheit, sowie der als Vertreter Sr. Hoheit des Herzogs von Sachsen- Altenburg hieher gesandte persönlihe Adjutant Höch stdesselben, Major Freiherr von Esebeck. Außerdem waren zur Theilnahme an dem Taufakt eingeladen: der Minister des Königlichen Hauses, die Mitglieder des Hofstaats und der Kaiserlih Russishen Ge- sandtschaft, der griechische Probst von Basaroff, der Königliche Leibarzt Ober-Medizinalrath Dr. von Kornbeck und der Ober- Meédizinalrath Dr. von Haußmann, sowie Offiziere des Ulanen- Regiments König Karl Nr. 19, welchem Se. Königliche Hoheit der Herzog Eugen angehört. Die Taufhandlung selbs wurde von dem Ober-Hofprediger Prälaten von Gerok vorgenommen, und erhielt der neugeborene Herzog die Namen: Karl Eugen Alexander Constantin Ernst Adolf. Die Path n Höch ftderselben find: Se. Majestät der Kaiser Alexander von Rußland, Se. Majestät der König Karl von Württemberg, Se. Hoheit der Herzog Ernst von Sachsen - Altenburg, Se. Durchlaucht der Fürst Adolf zu Schaumburg-Lippe, Ihre Kaiserliche Hoheit die Frau Großfürstin Konstantin von Rußland, Ihre Königliche Hoheit die Frau Her- zogin Helene von Württemberg, Ihre Königliche Hoheit die Frau Herzogin Mathilde von Württemberg und Ihre Hoheit die Prin- zessin Therese von Sachsen - Altenburg. Nach beendigter Tauf- handlung nahmen die Durchlauchtigsten Eltern die Glüdwünsche der Anwesenden entgegen.

Baden. Karlsruhe, 30. April, lihe Hoheit der Großherzog gestern Jagdausflug aus dem Murgthal wieder in Karlsruhe eingetrof- fen ist, gedenkt Höchstderselbe morgen früh Sih zum Besuch Sr. Majestät des Deutschen Kaisers nach Wiesbaden zu bege- ben, und nächsten Montag, den 3. Mai, mit Ihrer Königlichen Hoheit der Großherzogin von dort in die Residenz zurückzukehren. Geftern Abend fand bei dem Kaiferlich russischen Geschäfts- träger, Staatsrath Koloszyn, ein Diner zur Feier des Ge- burtstags Sr. Majestät des Kaisers von Rußland ftatt, zu welchem Mitglieder des Staats-Ministeriums, der Königlich preußishe Gesandte, Graf von Flem- ming, der Kommandant des XIV, Armee-Corps Ge- neral der Jnfanterie von und Beamte geladen waren.

Kähme angedroht und zur Ausführung gebracht

Nachdem Se. König- Vormittag von einem

herzog und Sr, Majestät dem Deutschen Kaiser verbinden, und der werthvollen Beweise dieser Freundschaft, welche Deutschland in ernster, \{hwerer Zeit einpfangen habe. Staatsrath Koloszyn antwortete mit einem Toast auf Se. Königlihe Hoheit den Großherzog und Se. Majestät den Deutschen Kaiser. Die beiden Rhein-Kanonenboote „Rhein“ und „Mosel“ haben die Thalfahrt von Straßburg aus -angetreten und trafen am 28. um 124 Uhr in Maxau ein, wo sie anlegten und etwa Stunden Halt machten,

Sachsen:Coburg-Gotha. Gotha, 1. Mai. Vom gemeinschaftlichen Landtag wurde heute der Gesetzentwurf wegen Errichtung öffentlicher, ausschließlih zu benugzender Schlachthäuser mit einigen minder vesentlichen redaktionellen Ab- änderungen gegen Eine Stimme angenommen, die Diskussion des Gesegentwurss über die Schonzeit des Wildes dagegen, dessen Nothwendigkeit Seitens der Abgeordneten aus Coburg bestritten war, weil man dort \chon ein solches. Gese habe, auf Vorschlag des. Staats-Ministers vorläufig ausgeseßt.

Anhalt. Dessau, 1. Mai. Die Geseß-Sammlung ver- öffentliht die Verordnung, den Haupt-Finanz-Etat des Herzogthums Anhalt für das Jahr 1875, betreffend. Der Etat \chließt mit eigener Einnahme von 7,442,000 e und ebensoviel eigener Ausgabe.

Desterreih-Ungarn. Wien, 1. Mai. Der Kaiser be- gab sich am 30. v. M. von Ragusa nach Lacroma und Ombla. Heut hält derselbe Rasttag in Ragusa, morgen soll die Reise nach Cattaro angetreten werden, L S A

“—— In Graz? wo” mehrerê Tage hintereinander Erzesse stattgefunden hatten, haben sich dieselben heut nicht wiederholt, (Die Nachricht von der Abreise des Don Alfonso nah Salz- burg is dem „W. T. B.“ zufolge unbegründet. Don Alfonso und seine Gemahlin haben Graz noh nit verlassen.)

Die Landtage zu Troppau und Salzburg find bereits ges{chlo}en worden.

Cattaro, 3. Mai. (W. T. B.) Der Kaiser Franz Josef ist gestern Mittag hier eingetroffen 1nd von der Bevöl- kerung mit überaus \ympathischen Kundgebungen begrüßt wor- den. Gestern Nachmittag empfing der Kaiser den diplomatischen Agenten Rumäniens, Prinzen Stourdza, von welchem er im Namen des Fürsten Carl begrüßt wurde. Die Ankunft des Fürsten von Montenegro wird ebenfalls hier erwartet.

Pest, 30. April. In der heutigen Sißung des Ab- geordnetenhauses wurde beschlossen, den Budgetgeseßentwurf Montag zu verhandeln. Ferner wurde das Indemnitätsgeseß promulgirt und der Gesezentwurf über den Vertrag mit Ruß- land betreffs gegenseitiger Auslieferung gemeiner Verbrecher in dritter Lesung angenommen.

1. Ma}, (W. L. B) ‘In Erwägung und zur Erklä- rung der von hiesigen Zeitungen vorgenommenen Vergleichung der bis ultimo März c. eingegangenen Staatseinnahmen gegenüber dem Voranschlage wird nunmehr darauf hingewiesen, daß die Haupteinnahme der Staatskassen stets auf die leßten Quartale fällt und daß dem entsprehend der faktische Eingang in den ersten drei Monaten des Jahres feinen Anhalt für die Beurtheilung des ganzen Jahres bietet. Stelle man die Ein- nahmen des ersten Quartals 1875 den faktishen Einnahmen des Jahres 1874 in der gleichen Zeit gegenüber, so ergebe fih eine Mehreinnahme pro 1875 gegenüber 1874 von 400,000 Fl.

Belgien. Brüssel, 2, Mai. (W. T. B.) Wie das ¿ournal de Liège“ erfährt, sind gleichzeitig mit Zustellung der Antwort der belgischen Regierung auf die leßte deutsche Note an den deutschen Gesandten Grafen Perponcher Abschriften dieser Antwort an die belgischen Gesandten in Lon- don, Paris und Wien mitgetheilt worden.

(W. T. B) Dies vielfachen Mittheilungen über den Inhalt der von der belgischen Regierung auf die leßte Note der deutschen Regierung ertheilten Antwort sind, wie von gut unterrichteter Seite versichert wird, auf bloße Ver- muthungen und Gerüchte zurückzu*ühren. Die belgishe Ant- worlsnote wird, wie bereits gemeldet, wahrsheinlih morgen der Deputirtenkammer vorgelegt werden.

Frankreich. Paris, 30. April. von Audriffet-Pasquier den Mitgliedern des &Ferienaus\chusses mitgetheilten Uebersicht entnimmt das „Journal des Debats“ folgende Daten: Die Nationalversammlung n am 12, Februar 1871 zum ersten Mal in Bordeaux zusammengetreten. Seit jenem Zeitpunkt sind ihr 1390 Gesezentwürfe oder Anträge unterbreitet worden. Davon wurden 988 ange- nommen , 74 verworfen, 118 zurückgezogen; 46 liegen in Gestalt von Berichten über den Hauptgegenstand, 26 von summarischen Berichten vor; 78 sind der Prüfung der Spe- zial-, 39 derjenigen dr Jnitiativ-, 18 derjenigen der Lokal- tommissionen unterzogen, 3 Projekte oder Anträge von den Burcaus niht geprüft worden. Für die Prüfung dieser ver- schiedenen Geschäfte bildeten sih 410 Aus\{hü}e, nämlich 289 mit der Prüfung eines einzelnen Entwurfs oder Antrags be- traute, 34 Jnitiativ-, 34 Petitions-, 32 Lokal-, 5 Budget-, 4 Buchhaltungs-, 9 Enquêtekommissionen und je ein Heeres-, ein Dezentralisirungs-, ein Begnadigungsaus\{chuß. Von den 489 mit der Prüfung eines einzelnen Entwurfs oder Antrags betrauten Kommissionen haben 219 ihre Arbeiten vollständig zu Ende gebraht, 33 ihre Berichte eingerciht, 37 find mit ihrer Untersuhung noch, niht fertig. Von den 94 Jnitiativkommissionen haben 19 ihre Berichte eingereicht, 15 noch Anträge zu prüfen, 26 von den 34 Lokalausshüssen ihre Aufgaben erledigt, 8 sind noch in Thätigkeit begriffen. 7085 Gesuche sind an die Petitionsaus\hü}e verwiesen worden, welche über 2594 davon Bericht erstatteten, 2245 an Spezial- Kommissionen abgaben, 457 als der Legalisirung entbehrend be- seitigten. 1789 liegen nah den Ausschüssen zur Prüfung vor und von diesen harren 381 nur noch der Berichterstattung, Die Budgetkommission von 1871 hat 33, die von 1872 94, von 1873 46, von 1874 61, ‘von 1875 53, die neun Enquête- Kommissionen haben zusammen 122, der Dezentralisirungs- und der Verfassungsaus\huß je 3 Berichte erstattet.

—_— Ma (W S B.) Die „Agence Havas“ mel- det als positiv, daß die Ernen nung des Marquis d'Harcourt (seither Botschafter in Wien) zum Botschafter in London, des Grafen v. Vogué (feither Botschafter in Konstantinopel) zum Botschafter in Wien und des Barons de Bourgoing zum Bot- schafter in Konstantinopel fest beschlossen sei.

Spanien. Nah in Biarriß vom 1. Mai eingegangenen Nachrichten hat ein Theil der carlistishen Truppen an der Grenze von Navarra unter dem Rufe: Frieden und die Fueros! revoltirt. General Aguirre hat sich auf ihr Verlangen an ihre Spie gestellt, :

Der von dem Herzog

Italien. Rom, 1. Mai. (W. T. B.) In der heutigen Sißung der Deputirtenkammer rihtete der Deputirte La Porta eine Interpellation an die Regierung betreffs der Beziehungen zwishen dem Staat und der Kirche, indem er zunähs an die Bestimmungen des Garantiegeseßes erinnerte, sodann über die ganze Kirchenpolitik der Regierung sih mißbilligend äußerte und namentlich hervorhob, daß die bez stehenden Geseße von den Geistlihen und hauptsächliy) von den Mitgliedern des höheren Klerus ganz ungestraft verleßt würden. Insbesondere laufe die Art und Weise, in welcher den Bischöfen das Exequatur von dem Ministerium ertheilt werde, den Geseßen durchaus zuwider. Schließlich wünschte der Redner zu wissen, aus welchem Grunde das Geseß über die Verwaltung der Kirchengüter der Kammer bis jezt niht vorgelegt worden sei, Der JIustiz- und Kultus= Minister Vigliani wies in seiner Antwort darauf hin, daß in jüngster Zeit Unbotmäßigkeiten des Klerus gegenüber den Staats= gesehen nicht vorgekommen seien, sicherte die Vorlegung des Ge= seßes über die Verwaltung der Kirchengüter zu und betonte, daß das Verfahren der Regierung sowohl mit den Gesetzen, wie mit den Interessen des Landes im Einklang stehe. Minghetti hob hervor, daß Seitens der Oppositionspartei ein Wunsch auf Abänderung des Garantiegesezes nicht aus- gesprohen worden sei, daß dieselbe \ich vielmehr auf die Behauptung beschränkt habe, daß nicht in Gemäß- heit des Garantiegeseßes verfahren worden sei und erklärte, daß er hierüber eine Diskussion annehmen könne. Er gebe zu, daß es zwischen der Kirche und den freisinnigen Elementen der

"Rouf tion erjenigen Mittel bedienen, die ihr von ihren Ueberlieferungen, Geseßen und Interessen vorge- schrieben würden. La Porta og hieranf den Antrag zurü, den er an seine Interpellation geknüpft hatte. Der Deputirte Mancini erklärte, daß er über den nämlichen Gegenstand am Montag eine weitere Interpellation an die Regierung rihten werde.

Türkei. Belgrad, 3. Mai. (W. T. B.) Der Fürst Milan hat heute den bisherigeu rus\sishen Vertreter in Serbien, Staatsrath Schischkin, in einer Abschiedsaudienz und darauf den neuernannten diplomatishen Agenten Rußlands, Skwarzoff in einer Antrittsaudienz empfangen und die Akkreditive desselben entgegengenommen.

Dänemark. In der heutigen

Ma, (W S. B) Folkethings wurde die. Budgetdebatte eröffnet. Der Konseils - Präsident und Finanz - Minister Fonnesbech erklärte, wenn das Folkething gegen die Regierung stimmen würde, so sei zu erwarten, daß die Versammlung si dadurch zugleih in eine gegenfäßlihe Stellung zum Landsthinge bringen würde. Der Minister hob ferner hervor, daß die Regierung sih genöthigt sehen würde, das Folkething aufzulösen, falls es nicht gelingen sollte, das Budget auf normalem Wege vor Pfingsten (zu welcher Zeit das provisorish festgestellte Budget abläuft) zu Stande zu bringen. Die Regierung werde alsdann ein weiteres provisorishes Budget aufstellen, welhes den nah ihrer Auf- fassung vorhandenen Bedürfnissen des Staates entsprehen würde, Voraussi{chtlich wird die Regierung bei der Abstimmung über 80 Stimmen von 101 im Folkething gegen \ih haben.

Amerika. New-York, 1. Mai. (W. D. B Die Staats\chuld der Vereinigten Staaten hat fich im

Monat April ca. um 2,325 000 Dollars verringert. Im Staats- schaze befanden \ich

Kopenhagen, 1. Sißung des

am Ende des Monats 94,625 000 Dollars in Gold und 1,096,000 Dollars an Papiergeld.

Asien. Baroda, 1. Mai. (W. T. B.) Die hier statt gehabten Ruhestörungen wurden von den Anhängern der Gemahlin des Guicowar, Luxinebai, herbeigeführt, welche unter Benußung der unzufriedenen Stimmung der Eingeborenen einen Sohn derselben als Guicowar ausriefen. Die Truppen stellten unter Verhaftung mehrerer Personen die Ordnung wieder her.

Landtags- Angelegenheiten.

Berlin, 3, Mai. In der Sißung des Hauses der Ah= geordneten am 30. v. M. nahm der Justiz-Minister Dr. Leonhardt in der Diskussion über den Gesezentwurf, betref- fend die Verwaltungsgerichte 2c. zu §. 82 (Kompetenz- tonflikt) nah dem Abg. Dr. Haenel das Wort:

Meine Herren! Ich möchte entgegen dem Wunsche des Hrn. Abg. Haenel das Haus bitten, den Kommissionsantrag für die zweite Lesung abzulehnen mit dem Vorbehalte, in der dritten Lesung einen neuen Antrag in Betracht zu ziehen. Jch will damit aber nicht sagen, daß ein neuer Autrag große Aussicht hätte, der Regierung erwünscht zu sein, wenn er nämlich den Gedanken folgt, welche der Hr. Abg. Haenel entwickelt hat. Jch habe mir wohl denken können, das dasjenige, was i gestern hier vorgekragen habe, Widerspruch erfahren wird, aber von dem Ein- wurfe babe ih mir doch nichts träumen lassen, daß ih die Sache fasuistisch behandele, und im Hohen Hause der Eindruck nit ge- wonnen sei, daß es si hier um eine wichtige staatsrehtliche Frage handelt. Es ist keine fasuistische Behandlung der Sache, wenn ih die verschiedenen Fälle, welche in dem §. 82 behandelt worden find, prüfe, weiter habe ih nichts gethan.

Vielleicht sind die verschiedenen Falle in den Vorschlag der Kom- mission nicht genügend hervorgehoben. Jh werde mich nun auf den Erkurs des Hrn. Abg. Haenel über die Frage, ob Streitigkeiten zwischen der Justiz und Verwaltung mittelst Erhebung des Kompetenzkonflikts zu erledigen seien, gar nit einlassen, es ist dieses eine Frage, welche gelegentlich dieses Gejseßes nit behandelt werden fann. Zch lasse mich deshalb auch auf den Antrag des Hen. Abg. Windthorst (Bielefeld) nicht ein. Ich möchte nur gleihjam prozeßhindernd Folgendes bemerken. Es ist jeßt doch wohl schwerlich der sgeeignete Zeitpunkt, um diese Materie zu behandeln, Will man sie regeln, io wird man doch erst wissen müssen, wie die Organisation die Gerichte n dem Reichsgeseß Über die Gerichtêverfassung sih gestalten wird ; ferner wird die Frage vorab zu prüfen sein wenn man nämlich dafür hält, daß die Gerichte selbst über ihre Zuständigkeit zu erkennen hâtten ob denn nicht eine Reihe von Sachen, die jeßt als Justiz= sachen betrachtet werden, zu verweisen seien an die Ver- waltungsgerihte, insbesondere an das Ober-Verwaltungsgerit. Diese Frage dürfte mit der aufgeworfenen in einem sehr engen Bustnineubaitas stehen. Hat es seine Richtigkeit, wenn der Hr. Abg. Haenel bemerkt, jene Regelung enthalte eine Ver- fassungsänderung, so würde der Antrag des Hrn, Abg. Windthorst in seiner jeßigen Gestalt s{werlich zu einer eingehenden Berathung und Annahme führen können.

Der Hr. Abg. Haenel hat verschiedene Fälle geprüft."/Zuvörderst äußerte er sich über den Kompetenzkonflikt zwischen Verwaltungs- behörden und Verwaltungsgerichten, Er bemerkte, die König- liche Staatsregierung sei hier schon abgewichen von den allgemeinen Grundsäßen und habe sich dazu verstanden, daß über diese Konflikte das oberste Verwaltungsgeriht zu entscheiden habe. Da die König-

|

lihe Regierung jedo erklärt hat, sie wolle, daß. das Ober-Verwal- tungsgeriht unmittelbar angegangen werde, woraus folgt, daß die

Gesellshaft zu einem Konflikte gekommen __s&_aber izedicscuw - Sitzun i Bera] umS Writer u Julktzgeri E müsse jede Îation ih d

Sache nicht im gewöhnlichen Znstanzenzu e der Verwaltungsgerichts- barkeit zu erledigen ist, so hat der Hr. A )9. Haenel dies bemängelt, indem er sagt, ein solches besonderes Verfahren sei bedenklich. Ich weiß niht warum? Den Grund, welcher die Ansicht der Regie- rung bestimmt, daß das oberste Verwaltungsgericht unmittelbar an- gegangen werde, habe ih bereits gestern hervorgehoben. Der König- lichen Regierung muß daran gelegen sein, daß die Hemm- nisse, -welhe der Verwaltung entgegentreten, baldthunlihst erx- ledigt werden, damit sie weiß, ob fie vorgehen kann oder niht. Bedenken Sie doch wohl, daß die Hemmnisse, welche der Verwaltung jegßt entgegentreten, viel erheblicher sind als früher. Früher wurden der Verwaltung in ihrer Bewegung nur Hindernisse bereitet durch die Justizgerichte, jeßt wird ihr ein neues und sehr uinfassen- deres Hemmniß bereitet durch die Verwaltungsgerite. Für die Ver- waltung liegt der Wunsch sehr nahe, daß baldthunlihst darüber entschicÌ den werde, ob ihre Aktion gehemmt ift oder nicht. Die Verwaltung steht unter dem Prínzip der Bewegung die Gerichte unter dem Prinzip der Nube. Dann sagte der Hr. Abgeordnete, die Sache könne im gewöhnlichen Instanzenzuge vor sich gehen, indem keine Veranlassung vorliege, die Behörde desg Geseßes von 1847 eintreten zu lassen. Letzteres will die Königliche Regierung gar niht; die König- liche Regierung will das Ober-Verwaltungsgericht entshei- den lassen. Es wird ferner für bedenklih erachtet, wenn ih recht verstanden habe, der Mangel einer mündlichen Verhandlung. Wenn es nur auf eine mündliche Verhandlung antommt, so fann dieselbe auch vor dem Ober-Verwaltungsgericht eintreten, und nöthigenfalls selbst vcr dem Gerichtshof», wel{er zur Entscheidung von Kompetenzkonflikten berufen ist. Die Bedenken, welche ich geltend gemacht habe zum Alinea 3 in Betreff der Frist, sind nicht berührt; ih will mich deshalb auch nicht weiter darauf einlassen. Der Hr. Abg. Haenel ist [odann Wos ritten eden

ten. Der Re- gierungsentwurf geht davon aus, daß das Verfahren nah dem Geseß von 1847 allgemein Plat greifen solle, wenn es fih handelt um einen Konflikt zwischen den Verwaltungsbehörden und den Jusftizgerichten gleichviel ob die Verwaltung den Konflikt stübte darauf, daß es fich Um eine reine Verwaltungsfache handelt, (oder um eine Vatatinede gerichts\sache, glei{viel ferner, ob die Verwaltungssache bezw. Ver- waltungsgerihtsfache bereits anhängig ist oder niht, Die Kom- mission erkennt nun den Gedanken der Königlichen Regierung insofern an, als es sfich um eine reine Verwaltungs\ache handelt, gleihviel ob dieselbe anhängig ift oder nicht, fie erkennt dagegen den Gedanken insoweit nihts an, als es fich um Sachen der Verwaltungsjustiz handelt, gleichviel ob eine einzelne Sache beim Verwaltungsgerichte bereits anhängig gemacht ist, oder nicht. Der Herr Abg Haenel sagt, es sei gar nit möglich, daß eine politishe Behörde über Streitigkeiten unabhängiger Gerichte entscheide. Ich sehe die Unmög- lichkeit nicht cin; es hat seit so und so viel Jahren die Einrichtung bestanden, daß der Kompetenz-Gerichtshof entschieden hat über die Thätigkeit unabbängiger Gerichte. Wir haben hier nicht zu prüfen, ob die Einrichtung an fih gut ist, vielmehr ob der betreffende Zustand gelegentlich geändert werden soll oder nicht. Auf leßteren können wir uns nicht einlassen, Auch wird der Kom- petenzkonflikt vom Gerichtshof. nit richtig bezeichnet als politishe Behörde; denn ev ift zusammengeseßt aus richter- lichen B-amten und höheren Verwaltungsbeamten , deren Anstellung für die Dauer des Amts erfolgt, jedenfalls ist es keine Behörde, die von Fall zu Fall bestellt wird. Wenn bislang über die Thätigkeit unabhängiger Justizgerihte der Kompetenzkonflikts-Gerihtshof ent- schieden hat, fo wird er au entscheiden können über die Thätigkeit verschiedener unabhängiger Gerichte: denn jedenfalls stehen die Ver- waltungsgerihte in ihrer Unabhängigkeit nicht höher als die Justiz- gerichte. Der Hr. Abg. Haenel hat bemerkt, ih habe meine Be- hauptung, daß der Kowmpetenz-Gerichtshof entscheiden müsse, darauf gestüßt, daß die Kompetenzkonflikte fih mehren würden. Das ift für mi ein ganz unerhebliher Grund, habe auch nicht behauptet, daß die Kompetenzkonflikte sich: mehren würden. Es mag immerhin zweifelhaft sein, ob die Kompetenzkonflikte ihrer Quantität, ihrer Zahl nach sih mehren werden, gewiß ist aber, daß die Kompéetenzkonflikte ihrer Qualität nah si vermehren, Das war meine Behauptung. Wäh- rend es früher nur Koimpetenzkonflikte gab zwisch{en JIustiz- gerichten und Berwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichten, zwishen Verwaltungsgerihten und Justizgerilhten und drit- tens zwischen Verwaltungsbel)örden und JIrustizgerichten. Jetzt giebt es ‘drei - Kategorien von Kompetenzkonflikten, früber gab es uur einen Punkt. Jedenfalls bleiben die Kompetenzkonflikte, sie mögen nun in der Zahl groß oder gering sein, und \ie müsfen ge- Iôft werden.

Der Hr. Abg. Haenel ist dann übergegangen auf den Fall des negativen Kompetenzkonfliktes zwischen Justizgeribten und Berwal- tungêgerichten, er will, wie mir scheint, den Senat von Fall zu Fall nicht aufgeben, Ih weiß in der That uicht, wie ein solcher Senat gerechtfertigt werden kann, Die Königliche Regierung wird fi auf eine solche Einrichtung nicht einlassen, Es ist, wie ich glaube, für sämmtliche Gerichte, insbesondere aber für Kompetenzkonfliktè-Gerichte nothwendig, daß sie auch in der betreffenden Richtung unabhängig gestellt sind, daß es nit in dem Ermessen des Vorsitzenden des Ge- richts liegen darf, für den einzelnen Fall das Gericht zu komponiren,

Der Hr. Abg. Haenel meint, es sei nichts anderes übrig geblieben. Ich sollte doch meinen, daß einer so organisirten Behörde der Kom- petenzkonflikts-Gerichtshof bei Weitem vorzuziehen sei; diese ist doc eine ständige Behörde. Ich habe gestern behauptet, es widerspräche allen Traditionen nicht allein in tex preußischen Monarchie, \ondern auch in Deutschland, die Gerichte zu beseßen für den einzelnen Fall, Man i} selbst so weit gegangen, daß im Verhinderungsfall eines Richters nicht etwa dem Ermessen des Prädsidenten anheim gestellt sein soll, aus den nicht behinderten Richtern eine bestimmte Persön- lihfeit auszuwählen, fondern den Vertreter na ciner vorher be- stimmten Reilbenfolge zu berufen,

&Serner äußerte der Hr. Abg. Haenel sich über den positiven Kom- petenzkonflikt zwischen dem Justizgericht und dem Verwaltungsgericht. Nach den Ansicht:n Ihrer Kommission soll die Verwaltung nicht be- fugt fein, den Kompetenzkonflikt zu erheben, wenn eine Sache vor dem Justizgericht anhängig ist, welche ihre Ansicht nah der Verwaltungs- jurisdifktion angehört.

Meine Herren! Ueber diesen Gedanken kann gestritten werden. Er mag wohl Manches für fi haben, wenn man erwägt, daß die Organisation der Behörden, wesentlich dicselben sind, daß sie wesentlich nah gleihen Formen verfahren und nach Rechtsgrundsäßen zu ertheilen haben. Was kommt es darauf an, mag man fragen, ob unter diejen Umständen ein Justizgericht entscheidet oder ein Berwaltungs- geriht? Die Sache kommt jedoch ganz anders zu liegen, wenn das Verwaltungsgericht auch thätig wird, und nun Justizgericht und Ver- waltungsgeziht thätig find. Es fann das in sehr verschiedener Weise vorkommen; die Sache kann bei beiden Behörden gleichzeitig angebracht werden, oder zuerst beim Verwaltungsgeriht oder umgekehrt. In diesem Falle treten sich zwei Behörden gegenüber, welche beide unabhängig über ihre Zuständigkeit urtheilen ; nah allgemeinen Grundsätzen wird weder das Justizgericht vorgehen, noch das Verwaltungsgericht,

Der Hr. Abg. Haenel sagt nun, dieser Kompetenzkonflikt mache keine Schwierigkeiten; es handle sih hier der Regel nah nur um eine Schädigung der öffentlichen Interessen, nit der Partei-Interessen. Das ist \chon rihtig, wenn Sie annehmen, daß in verschiedenen Sachen geurtheilt wird; dann liegt aber überhaupt kein Kompetenz- fonflikt vor, dieser Fall scheidet also vollständig aus.

Der Hr. Abg. Haenel meint, der Konflikt seße immer vershie- dene Ansprüche voraus, das ist nicht richtig; richtig ist nur, daß ver- schiedene Petita vorliegen, der Kläger verlangt die Verurtheilung des Beklagten, der Beklagte seine Freisprehung, ein und derselbe Anspruch kann bei den Verwaltungsgerihten wie bei den Justizgerichten einen Konflikt herbeiführen,

Der Hr. Abg. Haenel meint, die Vorschriften der Prävention und Rechtsanhäagigkeit, welche der Entwurf nicht enthalte, werden dur die ¿ulässigen Einwände der Unzulänglichkeit gedeckt, Das kommt meiner

S

Ueberzeugung nach gar nicht in Frage, denn der Konfliktsfall seßt voraus, daß einerseits dgs Justizgerit und andererseits das Verwaltungs- gericht fich für zuständig erklärt. Mags soll nun werden ? Beide Behörden bis zur obersten Instanz erklären fih für zuständig? Soll gewinnen, wer potior tempore ift, oder Derfenige, wer posLerior terapore ift, Es entsteht zwischen den beiden Behörden ein Krieg, der nux beendigt werden kann dur eine neue Geseßgebung.

__ Der Abg. Haenel meint {ließlich, der Konflik{sfall kann nit leicht vorkommen. Wenn das so ist, so köanen Sie ja um so unbedenklicer durch den JInkompetenzkouflikts-Gerichtshof die seltenen Fälle ent- \cheiden lassen.

Ich glaube, daß nach Lage der Sache ih den Wunsch, welch{en ih am Anfang auêgesprochen habe, wiederholen darf.

._ Nach dem Abg. Windthorst (Bielefeld) erklärte der Ju stiz- Minister:

Ich möchte einem Mißverständniß meiner Worte entgegentreten. Der Hr. Abg. Windthozst (Bielefeld hal angeführt, ih habe gesagt, man möôge díe Regelung des Kompetenzkonflifts der Reichs - Geseßze gebung überlassen. Das habe ih nicht gesagt, vielmehr, man könne die Regelung des Kowpcetenzkonflikts niht wohl früber in die Hand nehmen, bis die Reorganisation der Gerichte s-ststeht. Daneben hebe ih noch hervor: Von der Ansicht bin ih allerdincs nicht auêgegangen, daß unter den beiden unabhängig bestehenden Gerichten, dem Justiz- und dem Verwaltungs- gerichte, das Justizgeriht dem Berwaltungsg-richt vorgeht. Sobald man annimmt, das ordentliche Gericht stehe unker dem Verwaltungs- gericht ift allerdings von einem positiven Kompetenzkonflikt nicht die Rede, ebenfowenig aber auch von einem negativen Kompetenzkonflikte, wo- mit eben auch die besondere Einrichtung des Senats von Fall Zu Fall Jih_ erlediaey würde, _- D- A A

„Ver Burschlag, auch den Regierungdsentwurf dürfte doch leine großen Bedenken haben, Wenn Eie den Regierungsentwurf ablehnen, so lehnen Sie auch das- lentge ab, was der Hr. Ubg. Gneist sehr «richtig als eine der großten Errungenschaften bezeihnet hat; denn nah der Stellung, welche den Ve waktungsgerichtea gegeben ift, wäre die Regierung be- rechtigt anzunehmen, daß die Verwaltungsgerichte auch im Sinne des Gesetzes über den Kompetenzgerichtshof- Gerichte seien, so daß also bei einem Konflikte zwischen der Benwaltungsbehörde und dem VBer1wal- tungsgericht die Vorschrift des Gefeßes vom Jahre 1874 Anwen- dung fände. Jch glaube nicht, daß diefer in Ihren Intentionen liegt,

abzulehnen,

Verecinswefen.

Die Generalversammlung der preußisch{en Vereine zur Pflege im Felde verwundeter oder erkrankter Krieger, welche statutenmäßig alljährlich zusammentreten soll, hat für das Jahr 1874 erst vor Kurzem einberufen werden können, weil der vom Centralkomité über den Hauptgegenstand der Verhandlung geführte Schriftwe{f\el nicht eher zu erledigen war. / |

Die Bersammlung fand am 30. April cr. statt und waren in derselben auch die Vertreter des vesfischen und hannoverschen Pro- vinzialvereines erschienen.

_ Zunächst wurde der Bericht der Kassenkommission und des Re- vifionSsauê\{husses über die Jahresrechnung von 1873 entgegengenom- men. Die Rechnung ergab, daß der Ausgabe-Etat sowohl a!s auch der Vermögensstand derfelbe geblieben war wie im Vorjahre. Nach ertheilter Decharge wurden die Revisionskommissarien für das folgende Jahr gewählt, dessen Rechnung ebenfalls {on abgeschlossen vorliegt.

Der zweite Gegenstand der Tagesordnung war die Veränderung es §. 3 Alinea 3 des Statuts des Hauptvereins vom 3. April 1868.

Jenes Alinea lautete : e Die Staatsregierung ernennt drei Kom- missarien, welche als solche Mitglieder des Centralcomités find, um demselben berathend zur Seite zu stehen und zu vermitteln, daß die Thätigkeit des Vereins den diesfälligen Bedürfnissen der Militär- verwaltung entsprechend und im Anschlusse an die staatlichen Feld- Lazareth-Einrichtungen geregelt werden,"

An Stelle dieser Bestimmung wurde bes{lossen, im Sinne Der dieserhalb ergangenen Allerhöchsten Ordre vom 22, September 1874 ie folgende zu setzen: f

„Der Kaiserliche Kommissar und Militär-Fnspecteur derx frei- willigen Krankenpflege fungirt bei dem Central-Comité als alleiniger beigeordneter Vertreter der Staatsregierung. Die bezüglichen Funktionen werden vorkommenden &alles durch einen von ihm dem Kriegs-Ministerium zu präfentirenden und von diesem zu beftätigen- den Stellvertreter wahrgenommen.“

Im Ansc{luß an die Verhandlungen der Generalversammlung der preußischen Vereine fand an demselben Tage (30. April) eine Sitzung des Deutschen Central-C omités statt. Zur Berathung stand eine Allerhöchste Proposition Ihrer M ajestät der Kaiserin- Königin, wonach zu einer Kommission von Fahmännern, welche in der zweiten Hälfte der Pfingstwoche bier zusammentreten wird, um sich über anzulegende Musterdepots der freiwilligen Krankenpflege zu besprechen, Seitens des Central-Comités Delegirte zu entsenden sind. Nach eingehender Erörterung der Aufgabe dieser Delegirten wurden dieselben sofort gewählt.

Sodann fam die in Brüssel in Aussicht genommene große Aus- stellung von Gegenftänden der Gesundheitëpflege und des Rettungs- wesens (vergl. das heutige Beuill.) nah Anleitung der inzwischen eins gezogenen näheren Nachrichten zur Erörterung und wurde die Betheili- gung an diesem wichtigen interiat onalen Unternehmen befchlossen.

Endlich gelangte noch eine Reibe von Anträgen der Landes- und Provinzialvereine zur Verhandlung und günstigen Erledigung.

Statistische Nachrichten.

Das soeben ausgegebene I. Heft der ZeitschGrift des Königlich preußisch{en statistishen Bureaus, Jahrgang 1875, [Verlag des Königlichen statistishen Bureaus (Dr. Engel) in Berlin] hat folgenden Inhalt: Alter, Familienstand, Beruf und soziale Stellung im Berufe, sowie Art des Zufammeulebens der Be- völkerung des preußischen Staates nach der Zählung vom 1. Dezem- ber 1871 nebst einer Vilanz der Soll- und Istbevölkerung. Allge- meine Wiederholung der hauptsächlihsten und auf den ganzen Staat bezüglihen Ergebnisse der Volkszählung in der preußischen Mon- archie am 1. Dezember 1871. Die finanziellen Verhältnisse der Eisenbal;nen Deutsch!ands für die Jahre 1867 bis 1873, mit einem Blicke auf die finanziellen Verhältnisse der preußischen Privateisen- bahnen von 1857 bis 1874 Die religiösen Orden und Kongrega- tionen der katholischen Kirche in den w chtigsten Ländern Europas ; von A. Schwießzke, Städtische Verwaltungsberihte, mit beson- derer Berüsichtigung derjenigen des Magistrats zu Altona für die Jahre 1871 und 162, von E. Hasse. = \ Die Klassensteuer und klasfifizirte Einkommensteuer und die Einkommensvertheilung im preu- ßishen Staate in den Jahren 1857 bis 1874, von Dr. Engel. Statistische Korrespondenz. Als besondere Beilage ist die- sem Hefte beigegelen : Verlagsverzeichniß des Königlichen statistischen Bureaus. Wir behalten uns vor, auf den Juhalt einzelner Artike! dieses Heftes gelegentlich zurückzukommen.

Der Magistrat zu Berlin steht mit dem Regierungs-Rath B oeckh, dem die Stelle des ersten Direktors des städtischen atistischen Büreaus übertragen werden soll, in Unterhandlung, Der Stadt- verordneten-Versammlung hat diese Angelegenheit in ihrer leßten ge- heimen Sißzung vorgelegen. Das „Kommunalblatt" theilt hierüber aus dem Protokoll Folgendes mit: Die Versammlung erklärt, daß sie gegen die Perfon des Königlichen Regierungs-Raths Boeckh, welhem der Magistrat die Stelle des Direktors des Königlichen statistischen Büreaus zu übertragen beabfichtigt, nichts zu erinnern findet, auch geneigt sein würde, das beantragte Gehalt zu bewilligen, daß fie aber eine definitive Bewilligung nit eintreten lassen kann, bevor ihr der Spezialetat für das statistishe Büreau, um dessen Vorlegung fie den Magistrat dur Beschluß vom 9. April 1874 ersuht hat, zuge- gangen ift.

|

Das Friedrich-Wilhelms-Hospital vervflegte im Jahre 1874 628 Personen, gegen das Jahr 1873 mit 574 E Aale mehr verpflegt 54. Es starben 1874 davon 124: 1873 143 P Der größere Theil der Verstorbenen genoß nur kurze Zeit die Ver- pflegung im Hospital, da viele Personen erst in fehr s{chwachem Zyu- stande Aufnahme finden, weii bei dem beschränkten Raume nur die dringendsten Jälle eine Berücksichtigung erfahren, Die neu Aufge- nommenen waren ihrem Stande nach 4 Kaufleute, 40 Handwerker, 28 Arbeitsleute, 112 Wittwen, 22 unverehelichte, 1 verehelihte und 7 separirte Personen, zusammen 142 Frauen und 72 Männer. Von diesen standen 4 Männer und 17 Frauen im 81.—90,, 20 Männer und 56 Frauen im 71.—80, und 25 Männer, 39 Frauen im 61.—70. Lebentjahre 2c. Wegen Betrinkens wurden bestraft 53 Männer und 10 Frauen. Als ganz unverbesserlihe Branntweintrin- ker mußten 3 Männer und 2 Frauen na dem Silialhospital des Arbeits- hauses verseßt werden. Von den Verstorbenen erreichten 6 Männer und 7 Frauen das 66.—70., 14 Männer und 18 Frauen das 71.—75., 6 Männer -und 25 Frauen das 76.—80., 5 Männer und 14 Frauen das 81.—85. und 1 Mañ und 7 Frauen das 86.—90. Lebensjahr. Die Verpflegungskosten betrugen 229,162 Thlr. welches täglich pro Kopf 4 Sgr. 5 Pf. repräfentirt. Das Kapitalvermögen des Hospi- tals betrag ult. 1874 daffelbe als ult. 1873, und zwar 140,174 Thlr. 19 Sgr. 4 Pf., da neue Legate und Geschenke dem Hospital nicht zugewendet worden sind.

Die amtlichen Erhebungen über den Umfang der Auswan- derung aus dem Regterungsbezirfe Potsdam (Berlin aus- genommen) für das Jahr 1874 haben ergeben, daß im Ganzen 311 Personen ausgewandert find, darunter 170 auf Grund ertheilter Ent- lafsungswfkunden, 44 oh1e dielglbexu. Zuf den Kreis Prenzlaa koi mên von obiger Zahl 92, auf Angermünde 97, Templin 14, West- priegniß 13, Ober-Barnim 92, Ostpriegnitz 48, während die übrigen 939 sich auf die andern acht Kreise und die Städte Potsdam und Brandenburg in unerheblichen Eirzelbeträgen zersplittern. Von den mit Entlassungsurkunden ausgewanderten 170 Personen waren 37 Fa- milicnväter, und standen im Alter unter 10 Jahren 37, von 10 bis 17 Jahren 14, von 17 big 201 16, Von 20. Bis 204 21, von 29 bis 50:68, und über 50 Jahre 14 Personen. Von jenen 170 Personen hatten nahweisbar bereits einen bestimmten Beruf 80, davon gehörten hauptsächlich zum ländlicen Gesinde und Tagelöhnern 45, zu den Sabrifarbeitern, Handwerksgesellen und Gehülfen 11. Die übrigen zersplitterten sich auf andere Berufsarten. Das Hauptziel der Auswanderung waren wie gewöhnlich die Vereinigten Stgaten von Nordamerika, wohin von den mit Entlafsungsurkunden aus- gewanderten 170 Personen 122 ausgewandert find. Gegen das Vor- jahr (1873) hat die Zahl der mit Entlassungsurkunden ausgewan- derten Personen von 706 bis auf 170, also um 536 Personen, die Zahl der obne Entlassungsurkunden auêgewanderten Personen von 243 bis auf 141, also um 102 Personen, im Ganzen alfo die Zahl sämmtlicher Auswanderungen von 949 bis auf 311, also um 638 abgenommen.

unst, Wissenschaft und Literatur.

Die Baulichkeiten, welche sih auf der Stelle des alten Kaiserpalastes zu Nieder-Ingelheim befinden, werden wahr- sheinlich demnächst bedeutende Umgestaltung erfahren; wie die „Darmst, Ztg * vernimmt, hat der jeßige Eigenthümer Baron de Bary ein Projekt ‘zum Umbau des Borhandenen und beträchtlicher Erweiterung ausarbeiten lassen.

Das Gerüst auf dem Dom zu Cöln, welches für die nächsten Steinschichten aufgeschlagen wurde, ist fertig und hat bereits von der Sohle des Domes eine Höhe von etwa 270 Fuß. Die voll- endeten beiden Thürme werden etwa 500 Fuß Les werden. Der Weiterbau erfordert {eßt {on weit weniger Material, denn die Thürme verjüngen ih bei dem Anfang des jeßt {on vorschreitenden Ofktogonus an jeder Seite um etwa 8 FUß.

Am 29. April Abends verstarb in Folge des vorausgegangenen Schlaganfalls der Professor der Nationalöfonomie und ordentliches Mitglied der staatéwirthshaftlichen Safultät Dr. v. Schüz in Tübingen im Alter von 66 Jahren.

Da Corwell auf einer früheren Luftfahrt ohne Lebens- gefahr durch die Luftverdünnung eine Höhe von 34,000 Fuß (10,900 M.) erreichte, fo hat man die Ansicht aufgestellt, daß nicht nur die Individualität, sondern auch die Schnelligkeit oder Langsamkeit des Aufsteigens maßgebend sei und beim raviden Emporflug der Druck des Blutes Gehirnbetäubung, wenn nicht Apoplerie herbeiführe. Es ist unwahrscheinlich, daß Sauerstoffeinathmung davor bewahrt. Der Franzose Paul Bert beschäftigt fich jeßt viel mit diesen Fragen.

In Pompeji hat man am 23. April berichtet der „Pun- golo“ ein Gemälde entdeckt, welches man für das bedeutendste hâlt, das man bis jeßt ans Tageslicht gebracht hat. Dasselbe stellt Laokoon nach der Schilderung Virgils dar. Der Opferstier ist dabei. Der gute Zustand, in welchem sich die Farben erhalten haben, läßt hoffen, daß dieses Gemälde in das Museum geschaft werden kann.

Aus Hirschberg, 20. April, {reibt man der „Schles. Ztg. *: Der Schnee auf dem Gebirge liegt noch in einer kaum glaublichen Mächtigkeit. Zur neuen \chlesishen Baude wandert man zwischen Schneewänden von 6—9 Fuß Hôhe. Noch bedeutender ist die Schnee- anhäufung darüber hinaus.

Gewerbe und Handel,

Vom Berliner Pfandbrief-JInstitut sind April 1875 19,539, 300 M4 43 % und 6,456,600 M 5 % , zusaminen 29,995,900 Æ Pfandbriefe ausgegeben. Es find zugesichert, aber noch nicht abgehoben 4,577,600 M in der Feststellung beßriffen, 9 Darlehnsgesuche auf Grundstücke zum Feuerversicherungs-Werthe von 970,575 f, im Laufe des Monats April angemeldet 11 Grund- stüde mit einem Feucrversiherungs Werth von 1,080,975 Æ. :

Die Vilanz der Vereinsbrauerei Berliner Gast- wirthe {lit bei einem Grundkapital von 1,000,000 Thir. mit einem Verlust von 205,553 Thlr. Auf Bier-Conto wurde nur Fn Gewinn von 33,440 Thlr. erzielt, während für gezahlte Zinsen 44,290 Thlr., für Eisverbrauch 10,774 Thlr., für Handlungs- und Vertriebs- kosten 24,627 Thlr. 2c. in Anspru genommen wurden. Für Minder- werthe der Immobiliar- und Mobiliarwerthe gegenüber der Ge- sammtrechnung des General-Enir preneurs mußten 946,970 Thlr. abgeschrieben werden, während für Mehrwerthe der Grundstücke in die Vilanz 230,021 Thlr. eingestellt worden find. Das Gewinn- und Verlust-Conto {ließt im Debet mit 238,993 Thlr., denen gegenüber im Credit die Einnahme von 33,440 Thlr., sowie der Verlúst von 205,553 Thlr. die gleiche Höhe erreichen. A

Paris, 1. Mai. (W. T. B) Die Journale veröffentlichen einen Brief Philiparts an den Staatsprokurator, in welhem er denselben ersucht, ein gerichtliches Verfahren einzuleiten wegen der gegen ihn erhobenen verläumderisc{en Beschuldigung, daß er in unerlaubter Weise über 14,000 Stück Obligationen der Eisenbahn- gefellshafi Orleans-Rouen disponirt habe. Philipart bezieht fich auf die Verhandlungen der betreffenden Generalversammlungen, welche ihn zur Emission der erwähnten Stücke ermächtigt hätten, er verfichert, daß sein gan- zes Verfahren ein vollkomnuen gesezmäßiges gewesen fei. Sodann weist er auf die unberehenbaren Kalamitäten hin, welche entstehen könnten, wenn die Lage, in die man ihn gebracht babe, länger andauere. Schließlih ersuht er den Staatsprokurator dringend, ihm Gelegen- heit zu weiteren Aufklärungen und zur Beibringung von Beweisen für scine Anführungen zu geben.

Verkehrs-Anstalten.

Cöln, 3, Mai. (W. T. B.) Sicherem Vernehmen nah hat die Direktion der Cöln-Mindener Eisenbahngesellschaft dem Königlichen Eisenbahn-Kommissariat in Coblenz angezeigt, taß der Geshäftsabshluß der Cöln-Minde1:er Eisenbahngesellschaft eine Dividende von 6% % ermögliche. Ueber die Höhe des hiervon zur

bis Ende