1875 / 107 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 10 May 1875 18:00:01 GMT) scan diff

und Amtsverwaltunig an gehen alle damit yerbundenen Nußzüiigeén, Gerechtsame und Lasten auf den Staat Über. y

Die bei den aufgehobe-eu Gerihtsbe®5rden angestellten und in Foige dieses Geseßes dispoarbel werder gen standesherrlichen Beamten nd mit Beibehaltung ihres Gehalt%, Dienstalters und Ranges bei Gerichtsbehörden wieder anzu.[cellen. Auf die richterlichen Beamten finden hierbei die Vorscriftea des §. 41 des hannoverschen Gerichts- verfassungsgeseßes vom 31. März 1859, beziehungsweise des Gesehes über die Anstellung im höheren Justizdienste (G.-S. S. 482) vom 12. März 1869 und der Verordnung, betreffend die Ausdehnung der ge Diszilinargeseße auf die Beamten in den neu erworbenen N vom 23. September 1867 (G.-S. S. 1613) entsprechende

nwendunz,

Die vei den aufgehobenen Aemtern disponibel werdenden standes- herrlichen Beamten sind mit ihrem derzeitigen Gehalt, Dienstalter und Rang in den unmittelbaren Staatsdienst zu Übernehmen, oder geeigneten Falls für Rechnung- der Staatskasse mit Wartegeld oder Pension in den Ruhestand zu verseßen. :

Lehnt ein standesherrlicher Beamter die anderweite Anstellung ab, so ift er mit Pension in Ruhestand zu setzen.“ i

Der Regierungs-Kommissar Geheimer Ober - Justiz - Rath Droop erklärte sih gegen die Aenderungen der Kommission, während Graf zur Lippe diese vertheidigte. Dagegen stellte der Justiz-Minister Dr. Leonhardt als Mitglied des Hauses den An- trag, in dem Alinea 2 die Worte von „beziehungsweise“ bis „S. 1613“ zu streihen. Dieser Antrag wurde mit 38 gegen 34 Stimmen und mit dieser Streihung der ganze §. 3 in der von der Kommission vorgeschlagenen Fassung angenommen. j

: Die §8. 4—7 wurden ohne Diskussion nah den Anträgen der Kommission angenommen. S E

Zu §. 8 beantragte die Kommission, die beiden ersten Ab- säße folgendermaßen zu fassen: , /

„ZU den Vorzugsrechten und besonderen Gerechtsamen, welche in anderweiten Geseßen anerkannt sind (§. 6 zu 2), gehören insbeson- dere: a, die Mitgliedschaft im preußischen Herrenhause in Gemäßheit der Verordnung vom 12. Oktober 1854;*

Hiergegen beantragte Herr Wever den Absaß a. zu fassen:

„a. die Mitgliedschaft im Herrenhause (8. 9 des Geseßes vom E E 1867 und S. 2 der Verordnung vom 12. Oktober

)

Dieser Antrag wurde ohne Diskussion angenommen und dann die §8. 9 und 10 nach den Beschtüssen des Abgeordneten- Us genehmigt. Der Geseßentwurf wurde sodann mit diesen

enderungen durch Namensaufruf mit 44 gegen 27 Stimmen angenommen.

Es folgte als siebenter Gegenstand der Tagesordnung die einmalige Shlußberathung über den von Herrn v. Kleist-Rezow in Vorschlag gebrahten Gesehentwurf, betreffend eine Ergänzung des Gesetzes über die Auflösung des Lehnverbandes in Alt-Vor- und Hinterpommern vom 4. März 1867 (G.-S. S. 362). Der Referent Herr v. Wedell empfahl; dem Geseß folgende Fassung zu geben:

„Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen 2c. verordnen unter Zustimmung beider Häuser des Landtags der Mon- arhie in Ergänzung des “über die Auflsjung des Lehnverbandes in Alt-Bor- und Hinterpommern 2c, unter dem 4. März 1867 erlassenen Geseßes (G.-S. S. 362 ffff.) was folgt:

Einziger Artikel, Die Bestätigung der aus den gezahlten Allodi- fifkationssummen zu bildenden SON Len tén erfolgt durch das Ge- richt erfter Instanz, bei welchem die Allodifikationssummen deponirt as Ist die Deposition der Allodifikationssummen für Lehne der- elben Familie bei mehreren Gerichten erfolgt oder soll die Allodifika- tionsfumme der bei einem anderen Gerichte errichteten Familienstif- tung zugeschlagen werden, so ist das Appellationsgeri ht und, wenn die Gerichte in verschiedenen App-llationsgerihtsbezirken liegen, der Justiz-Minister ermächtigt, die Vorbereitung und Bestätigung der Familienstiftung auf Antrag des Vorstandes der Familie Einem der Gerichte zu übertragen.“

Nachdem der Referent \einen Antrag befürwortet und der Regierungskommissar, Geh. Ober-Justiz-Rath Herzbruh, eben- falls die Annahme des beantragten Geseßes empfohlen, wurde der Antrag des Referenten ohne Diskussion vom Hause ange- nommen, und hierauf die Sizung um 41/; Uhr '‘ges{hlos}sen. Nächste Sizung 20. Mai, Vormittags 11 Uhr.

Im ferneren Verlaufe seiner Sizung vom 8. Mai er- Tedigte das Haus der Abgeordneten zunähst die ziveite Berathung des Geseßentwurfs, betresfend die Orden Und ordensähnlihen Kongregationender katholischen Kirche. Zum §. 1 ergriff noch der Abgeordnete Dr. Virchow das Wort, um sein Amendement zu vertheidigen. §. 1 wurde darauf unverändert genehmigt. Die übrigen §8. 2— 5 wurden ohne erheblihe Debatten genehmigt; nur zu §. 4 nahmen außer den Abgeordneten des Centrums noch der Abgeordnete Dr. Gneist und der Ministerial-Direktor Dr. Förster das Wort. Die Para- graphen lauten:

S. 2. Niederlassungen der Orden oder ordensähnlichen Kongre- gationen, welche sich ausf{ließlich der Krankenpflege widmen, bleiben fortbestehen; fie können jedoch jederzeit durch Königliche Verordnung aufgehoben werden ; bis dahin find die Minister des Junern und der

eistlihen Angelegenheiten ermächtigt, ihnen die Aufnahme neuer Mitglieder zu gestatten.

5. 3. Die fortbestehenden Niederlassungen der Orden und Nen Kongregationen sind der Aufsicht des Staates unter- worfen.

S. 4. Das Vermögen der aufgelösten Niederlassungen der Orden und ordensähnlichen En unterliegt niht der Einziehung durch den Staat. Die Staatsbehörden haben dasselbe einstweilen in Verwahrung und Verwaltung zu nehmen.

Der mit der Verwaltung beauftragte Kommissarius ist nur der vorgeseßten Behörde verantwortlih; die von ihm zu legende Rech- nung unterliegt der Revision der Königlichen Oberrechnungskammer in Gemäßheit der Vorschrift des §. 10 Nr. 2 des Geseßes vom 27. Môrz 1872. Eine anderweite Verantwortung oder Rechnungs- Jegung findet nicht ftatt.

Aus dem Vermögen werden die Mitglieder der aufgelösten Niederlassungen unterhalten. Die weitere Verwendung bleibt gesetz- lia\er Bestimmung vorbehalten,

S. 9. Dieses Geseß tritt am Tage seiner Verkündung in Kraft. Die Minister des Jnnern und der geistlichen Angelegenheiten sind mit der A,1sführung desselben beauftragt. Dieselben haben insbesondere die näh eren Bestimmungen über die Ausübung der Staatsaufsicht im Falle de.3 § 3 zu erlassen. E

Dann genehmigte das Haus in dritter Berathung den vom Abg. Dr, Petri vorgelegten Geseßentwurf, betreffend die Rechte der altkatholischen Kirhengemeinschaften an dem kirchli Qs Vermögen, in allen seinen einzelnen Para- graphen; für Oenselben ergriff Niemand, gegen denselben in der Generaldebatte der b Dr. von Gerlach, in der Spezialdis- kussion die Abgg. Windthorst (Meppen), Iba, Thissen, Bo- rowski und Menk..n das Wort. Das Gesey wurde darauf im Ganzen mit 202 ge,gen 75 Stimmen angenommen. Schluß

51/, Uhr.

In der heutigen (65.) Sigung des Abgeordneten- auses, welcher am Ministertische der Vize-Präsident des Staats- inisteriums Finanz-Minister Camphausen, die Staats-Minister Dr, Galf, Dr. Ahenbach und Dr, Friedenthal, sowie mehrere

Regierungs-Komm:7 8: unter d dér Ministerial-Direktor Dr. Foerster Leiwohnten, wurde in dritter Berathung der Ent- wurf eines Geseyes über das Vormundschaftswesen ohne Debatte angenommen; der Entwurf eines Geseyes, betreffend den Ankauf und die Vollendung der Pommerschen Central- Eisenbahn und der Berliner Nordeisenbahn, \owie die Verwendung der verfallenen Kautionen für die bezeichneten Eisen- bahnunternehmungen auf den Vorschlag des Abg. von Benda an die Budgetkommission verwiesen. Hierauf trat das Haus in die dritte Berathung des Entwurfes eines Geseßes, betreffend die Orden und ordensähnlichen Kongregationen derx katholishen Kirche, ein.

Zur Generaldiskussion waren für die Vorlage die Abgg. Dr, v. Sybel, Windthorst (Bielefeld) und Iung, gegen dieselbe die Abgg. Graf Praschma, Thissen, Dr, Respondek, Frhr. von Heereman und Dr. v.“ Gerlah gemeldet. Der Abg. Graf Praschma äußerte sein Bedauern darüber, daß die Orden, zu welhen auch Miiglieder hochadeliger Geschlehter gehörten, auf- gelöst würden, Der Abg. v. Sybel \prah die Hoffnung aus, daß auch das irre geleitete katholishe Volk zur Einsicht kommen werde, wenn es die guten Wirkungen des jeßigen Kampfes ge- sehen haben werde und wies sodann in längerer Rede die Staatsgefährlichkeit der Orden der katholischen Kirhe nah. Bei Schluß des Blattes \sprah der Abg. Thissen gegen das Geseh.

Die auf Verlangen des Beleidigten, Verleßten und Be- \hädigten an ihn zu entrihtende Buße i, nah einem Er- lenntniß des Ober-Tribunals vom 8. Upril 2; im Sinne des Reichs-Strafgeseßbuhes und der später erfolgten Reichs- geseße uicht als Sirate sondern als eine Entschädigung für den Verleßten aufzufassen. Es kann demnach auf die Berufung eines Verurtheilten gegen das erstinstanzlihe Urtheil, in welchem neben der Strafe auf eine Büße nit erkannt worden, d@ Appellationsrihter nahträglich auf eine Buße erkennen. Anderer- seits unterscheidet fich die Buße von der gewöhnlichen Civil- entshädigung, daß jene nur neben einer Strafe und im Straf- verfahren zuerkannt werden kann. ¿Ra it führt das Ober - Tribunal diese Entscheidung aus, „daß im gemeinen Leben der Ausdruck „Buße“ eine Strafe für ein geringes Vergehen und zwar vorzugsweise eine solhe bedeutet, die in Erlegung einer Summe Geldes besteht. Dem entsprehend pflegten in älteren Geseßen die Worte „Geldstrafe“ und „Geldbuße“ für gleihbedeutend erachtet und abwehselnd für eine in Geld bestehende Strafe gebraucht zu werden. Dagegen hat das Reichs-Strafgescßbbuch in den SS. 188, 231 zweimal den Ausdruck „Buße“ für sih allein (ohne Zusammenseßung mit dem Worte „Geld“) gebrauht, und dasselbe ist dann in späteren Reichsgeseßen, \o im S. 18 des Geseßes vom 11. Juni 1870 über das Ürheberrecht an Schrift- werken 2c., und im §. 15 des Geseßes vom 30. November 1874 über Markenschug, geshehen. Es ergiebt sh hieraus, daß das in den neuesten Reichsgesegen gebrauhte Wort „Buße“ einen anderen Sinn, als den einer gewöhnlichen Strafe haben müsse, und* dieser Sinn ist auch nit zu verkennen, wenn man den Wortlaut der betreffenden Geseze ins Auge faßt. Denn alle diese Gesezge sagen übereinstimmend, es könne auf Ver- langen des Beleidigten (bezw. des Verleßten, oder Be- \{hädigten) neben der Strafe auf eine an diesen zu entrichtende Buße erkannt werden, für welche die etwa zu ver- urtheilenden mehrere Thäter als Gesammtshuldner haften, und welche, wenn auf fie erkannt worden sei, die Geltendmachung eines weiteren Entschädigungsanspruches aus\{chließe. Insbesondere bestimmt der hier zur Anwendung kommende 8. 231 des Reichs- Strafgeseßbuchs, daß in allen Fällen der Körperverlezung auf Verlangen des Verlehten neben der Strafe guf eine an denselben zu erlegende Buße erkannt werden könne. Damit ist deutlich ausgesprochen, daß die Buße keine Strafe, sondern eine Ent- shädigung für den Verleßten sein soll, Ift dieselbe aber keine eigentliche-Strafe, \o folgt von \elbs, daß die vom Appellations- rihter in Bezug genommenen Grundsäße von der relativen Rechts- kraft folcher Straferkenntnisse, gegen welche der Verurtheilte allein ein Rechtsmittel eingelegt hat, auf dieselbe keine Anwen- dung finden können. Auf der anderen Seite unterscheidet sich die Buße von der gewöhnlichen Civilentshädigung, abgesehen davon, daß ihre Zuerkennung oder Nichtzuerkennung, vorbehalt- lih der Geltendmachung der Entschädigung im Civilwege, ledig- lih dem Ermessen des Richters überlassen is , insbesondere ‘da- durch, daß ihre Zuerkennung nur im Falle der Verhängung einer Strafe, und in Strafverfahren, und zwar auch da erfolgt, ivo nach den geltenden Strafprozeßgeseßen der Verleßte weder befugt ist, als Civilkläger aufzutreten, noch \sich der öffentlichen Klage des Staatsanwalts anzuschließen, noch felbst ein Rechts- mittel einzulegen. Mit Rücksicht hierauf is anzunehmen, daß, sobald der erforderlihe Antrag des Verleßten vorliegt, die Ver- folgung auch insoweit, als es sich um die Buße handelt, der Staatsanwaltschaft zusteht.

Die Bevollmächtigten zum Bundesrathe Großherzoglich mecklenburg-{hwerinsher Öber-Zolldirektor Oldenburg, Groß- herzoglih sähfisher Geheimer Finanz-Rath Dr. Heerwart, Herzoglih sachsen-altenburgischer Regierungs-Rath Schlippe, Fürstlich reußisher Staats-Minister von Harbou und Senator der freien und Hansestadt Hamburg Dr. Schröder find in Berlin eingetroffen.

Der General - Major Freiherr von Meerscheidt- Hüllessem, Commandeur der 11. Jnfanterie-Brigade, Bat fih zur Besichtigung des Brandenburgischen Füsilier-Regiments Nr. 35 nach Brandenburg a. d. H. begeben; der General-Major von Gottberg, Chef des Stabes der 4. Armee-Inspektion, ift auf einige Tage von Cassel hier eingetroffen.

Der für die Berlin-Anhalt ise Eisenbahn am 15, d. Mts. in Kraft tretende Fahrplan liegt der heutigen Nummer d. Bl. bei.

S: Mi Knbt, „Nautil 3" {f am 8, Mai ex. in Lissabon angekommen. An Bord Alles wohl.

S. M. Knbt. „Meteor“ hat am 5. d, Mts. Konstan- tinopel verlassen und ankerte am 7. cr. Nachts in Galaß.

Lauenburg. Raßeburg, 8. Mai. veröffentliht das Gesey über die Enteignung von Grundeigenthum vom 28. April 1875,

Bayern. München, 6. Mai. Se. Majestät der König wird in den ersten Tagen der kommenden Woche das Schloß Berg am Starnberger See beziehen, und voraussihtlich den zrößern Theil des Sommers daselbs verweilen. Se. Majestät hat dem bayerishen Verein zur Pflege und Unterstüßung im Felde verwundeter und erkrankter Krieger die Summe von 1000 a gespendet, desgleihen Se. Königliche Hoheit Prinz Otto 500 f, Jhre Königlichen Hoheiten die Prinzen Luitpold,

Das „Off. Wochbl.“/

Ludwig, Leopold und Arnulph je 100 Fl. und Se, &öônigliche Hoheit Herzog Max 200 #. Gegenüber den verschiedenen Terminen, welche bayerische Blätter für die Vornahme der neuen Wahlen zur Kammer der Abgeordneten bezeichnen, hört die „Allg. 3tg.“, daß diese Wahlen wohl kaum vor der zweiten Hälfte des Monats August werden angeordnet werden.

Desterreich-Ungarn. Wien, 9.* Mai. Der Kaiser hielt gestern seinen Einzug in Casftelnuovo und begiebt \ich heut auf der dur türkisches Gebiet führenden österreichischen Straße nach Ragusavecchia.

Die Landtage zu Brünn und Bregenz sind gestern geschlossen worden.

Das Reichsgeseyblatt veröffentliht die Erklärung der K, und K. österreichisch - ungarishen Regierung und der Kaiserlih russishen Regierung vom 5. Februar (24. Januar) 1874 betreffend den wechselseitigen Shuß der Handelsmarken. (Vereinbart zu St. Petersburg am 5. Februar [24. Januar] 1874,

‘ratificirt von dem K. und K. Minister des Aeußern am 7. März

1875 und mit den beiderseitigen Ratisikationen ausgewechselt zu St. Petersburg am 31. März 1875). Ferner das Geseß vom 1. April 1875, betreffend die Organisation der Börsen; dgs Geseg vom 4. April 1875, betreffend die Handel smakler oder Sensale; die Verordnung der Ministerien der Finanzen, des Handels und der Iustiz vom 19. April 1875, betreffend die Be-

_ stimmung einer Frist für die Börsen in Wien, Triest und Prag

zur Aenderung ihrer Einrichtungen im Sinne des Gesehes vom 1. April 1875 über die Organisirung der Börsen.

Pest, 7. Mai. In der gestrigen Siyung des Abge= ordnetenhauses überreichte der Referent des Eisenbahnaus- \husses den Bericht über die Geseßentwürfe, betreffend die An= sprüche dec Bauunternehmer der Nordoskbahn und der ersien ungarish-galizischen Eisenbahn, ferner über die Ertheilung der Generalvollmacht, betreffend die Regelung der Angelegenheit der nothleidende:— Eisenbahnen. Es wurde beshlo}en, über diese Vorlagen nächsten Montag zu verhandeln.

Nah der hierauf fortgeseßten Generaldebatte über die Ap- propriation des Budgetgeseßzes wurde die Budgetvorlage mit großer Majorität angenommen.

In der heutigen Sizung des Abgeordnetenhauses über- reichte der Minister des Innern einen Gesezentwurf über die gerechte Vertheilung der Kosten der Militärbequartierung. Das Haus erledigte und votirte hierauf einen Gesezentwurf über die Aenderung einiger Paragraphen des Gemcindegeseßes. Schließlich wurde der Bericht über die 1870er Shlußrechnungen und über den Stand des Eisenbahnanlehens unverändert angenommen,

Im Oberhause wurde der Geseßentwurf über den mit Rußland abgeschlossenen Auslieferungsvertrag mit dem Bemerken angenommen, daß die Regierung zur Einbringung eines Aus- lieferungsgeseßes zu verhalten sei, was Staatssekretär Csemeghy im Namen der Regierung acceptirte. Es folgte die Verhandlung des Handelsgeseßentwurfes, welhen Graf Johann Cziraky im Namen der Kommission empfahl, indem er bemerkte, daß der- selbe den ähnlichen Gesezbüchern der anderen europi.i hen Staaten würdig an die Seite gestellt werden könne. Der Gesezentwurf wurde einhellig als Basis für die Spezialberathung und sodann auch in der Spezialberathung angenommen.

Sehweiz. Bern, 4. Mai. Der Austausch der Ra- tifikationen des Weltpostvertrags, welher auf heute Vormittag 10 Uhr angeseßt war, fand im Ständerathsf\aal des Bundespalais statt. Der Vertrag wurde von 21 Staaten unter- zeichnet; für diejenigen, welche ständige Geschäftsträger in Bern, haben dur diese, so Deutschland, Desterreih-Ungarn, Belgien, Spanien, Vereinigte Staaten, Frankre'ch, Großbritannien, Ita- lien, Rußland, für die übrigen durch spezielle Delegirte, nämli: Dänemark durch Konsul Galiffe in Genf; Aegypten dur General- Postdirektor Muzzi-Bey; Griechenland durch Betant, Konsul in Genf; Luxemburg dur de Robe, General-Direktor der Finanzen ; Portugal dur Graf d'Alcosca ; Niederlande durch General-Konsul Suter in Lausanne; Rumänien dur Christian Varanas, ersten Se- kretär und Gerant der diplomatishen Agentur in Paris ; Scer- bien durch Constant Zukitsh, Vertreter bei Oesterreih-Ungarn ; Schweden und Norwegen durch Ritter von Shäch, Konsul in Genf, und die Türkei durch Yanko Effendi Macridi. Die Schweiz war vertreten durs) die HH. Bundes-Präsident und Vize-Präsi- dent Scherer und Borel. Als Sekretäre fungirten Hr. General- Postsekretär Höhn und Hr. Sutter, Sekretär des politishen De- partements. Vorher hatten \sich die Vertreter der Vereinsftaaten sämmtli mit den Bedingungen, welche Frankreich für seinen Beitritt gestellt hat, einverstanden erklärt. Dieselben lauten wörtlih: „1) Die Ratifikation der Nationalversammlung wird vorbehalten; 2 Frankreih kann dem Postverein ers am 1. Januar 1876 statt am 1. Juli 1875 beitreten; 3) die Transittaxen werden nah der wirklih durchlaufenen Strecke (im Gegensaß zu der geraden Linie) bemessen, immerhin in dem Sinne, daß die Taxen selbst nah dem Vertrage vom 9. Oktober 1874 festgesetzt bleiben ; 4) die durch den Postvereinsvertrag vom 9. Oktober 1874 aufge- stellten Tarife können nur auf einstimmigen Beschluß der am Kongreß vertretenen Staaten abgeändert werden.“

Belgien. Brüssel, 8. Mai. (W. T. B.) In der De- putirtenkammer wurde heute die Diskussion über den Schriftwechsel in der deutsch-belgischen Angelegen- heit fortgeseßt. Der Minister des Auswärtigen erklärte im Laufe der Debatte die Nachricht, daß die deutsche Regierung eine neue Note an Belgien gerichtet habe, für unbegründet. Der Regierung sei keine weitere Mittheilung zugegangen. Der Mi- nister wandte ih davauf gegen die gestrige Rede von Frère Orban und je Aeußerungen über die Artikel der katholischen Journale, indem er dabei besonders betonte, daß die Regierung nur für das veranziwortlich gemacht werden könne, was sie felbst in der Angelegenheit Duchesne gesagt und gethan habe. Die Re- gierung habe alle möglichen Anstrengungen gemacht, um in derselben ein befriedigendes Resultatherbeizuführen. Ueber den Ausgang könne sie noch kein Urtheil fällen, da die Untersuchung erst begonnen habe. Erst nah beendigter Untersuhung könne man beurtheilen, ob auf den Fall Duchesne das belgische Strafgeseßbuch an- wendbar sei. Wenn die diesseitige Gesehgebung hierbei eine Lücke zeige, so sei dieselbe nicht allein in dem belgischen Strafgeseß- bu vorhanden. Die belgishe Geseßgebung gehöre zu den voll- ftändigsten Werken dieser Art. Die einshläglihen Fragen wür- den jeßt in mehreren Staaten einer Prüfung unterzogen. Wenn das Resultat derselben vorliege, werde die Regierung ihre Pflicht thun. Auf eine Anfrage von Bergé erwiderte der Minister, daß Belgien im Januar 1874 deutscherseits keine Vorstellungen zu- gegangen seien. Er habe è amals nur eine Unterredung mit dem deutschen Gesandten in Betreff der Maßnahmen gehabt, welche gegen die aus Deutschland nah Belgien auswandernden katholi- schen Priester zu treffen sein würden, Die Regierung habe es

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in dieser Angelegenheit für ihre Pflicht gehalten, nux dur Gel- tendmachung ihres Einflusses zu wirken und in Folge davon seien nur wenige Priester nah Belgien gekommen. Nachdem der Deputirte- Bergé hierauf \fich über das den Beziehungen zwischen dem Staat und der Kirche in Belgien zu Grunde lie- gende System verbreitet hattc, erk: “¿nanz - Minister Malou, nah seiner Ansicht könne der Zweck der Debatte do nur der sein, zu erfahren, ob das Verhalten der Regierung ein korrektes ge- wesen. Die Stunde der Verantwortung sei gekommen, er könne aber sagen, daß die Ansicht des Ministeriums jeder Zeit der 1g- tionalen Stimmu.,, entsprochen habe. Was den Fall Duhhesne an lange, so köônze c denselben nur als eine verabsheuenswerthe Sache betracht.n und alle seine Wünsche gingen dabin, daß der Tag bald kommen möge, wo ein gemeinsames Einverständniß aller Regierungen die Unterdrückung derartiger Handlungen er- mögliche. Die Minister könnten nur für ihre Handlungen ver- antwortlih sein, man habe fie aber als Feinde der belgischen Institutionen dargestellt, während dieselben doch diese Institutio- nen jederzeit verthcidigt häiten. Als das Ministerium wahr- genommen habe, daß das Verhalten der Bischöfe Schwierigkeiten bereiten könne, habe dasselbe durch Rathertheilung einzu- wirken gesucht, mehr zu thun habe das Ministerium nicht ver- mocht, denn die Diéner des religiösen Kultus seien keine Staats= beamte. Die Regierung sehe die Religionsgenofsenschaften und Kulte als gegebene Thatsachen an und nichts weiter und er, als Minister des Königs, habe den Bischöfen keine Befehle zu geben, habe aber auch nichts von denselben zu befürchten. Die von dem Ministerium befolgte Politik habe unter den \chwierigsten Um- ständen in denen das Land sich befunden, mit Ehren bestanden. Belgien habe mit dem Auslande in Frieden gelebt, die dunkeln Wolken am politishen Horizonte hätten fich zerstreut. Den bel- gishen Freiheiten müsse bei ihrer Anwendung eine gewisse Vor- sicht und Klugheit zur Seite stehen, die Regierung habe diese Vorsicht und Klugheit denen stets anempfohlen, die irgendwie in die Lage gekommen seien, Angelegenheiten zu behandeln, die das Ausland angehen. Möchten die Gegner des Ministeriums, falls sie zur Regierung gelangen sollten, sich von der nämlichen nationalen Politik leiten lassen. Der Deputirte Orts fordert die Regierung auf, sich ihrer Verantwortlichkeit zu entschlagen und zu erklären, daß gewisse individuelle von gewissen Mit- gliedern der ministeriellen Partei geäußerte Ansichten nicht die- jenigen des Ministeriums feien. Derselbe \chlägt folgende Ta- gesordnung vor: „Die Kammer \chließt sih den Erklärungen des Ministeriums und dem von demselben übec die fraglihen Vorgänge geäußerten Bedauern an und geht zur Tagesordnung über.“ Jacobs (von der Rechten) beantragt eine Tagesordnung, welche ih einfah den Erklärungen des Finanz-Ministers Malou anschließt. Nach eincr längeren von Orts, Frère Orban, Guillery, Kervyn und Malou geführten Debatte wird folgende Tagesordnung: „Die Kammer geht, indem sie die Erklärungen des Ministeriums vollständig billigt und dem von dem- selben geäußerten Bedauern über die fraglichen Vorgänge \ih anschließt, zur Tagesordnung über“, vorgeschlagen und ein- stimmig angenommen. M Lüttich, 8. Mai. (W. T. B.) Der hiesige Kommunal- rath ist zu einer dringlihen Sißzung behufs Mittheilung eines Veschlusses über die Jubiläums-Prozessionen für heute Abend zusammenberufen. Zur Aufrechterhaltung der Ordnung für die morgen erwarteten Prozessionen \oll die Garde civique konfignirt werden.

Gent, 8. Mai. (W. T. B.) Wie dem „Bien public“ aus Lüttich telegraphisch gemeldet wird, hat der Bürgermeister daselbst beschlossen, die Jubiläumsprozessionen zu untersagen.

Spanien. Maorio, 9, Mil, (W. T. B) Wie die „Epoca“ mittheilt, is die Regierung in Folge der dur den Krieg veranlaßten großen Ausgaben niht im Stande, die fälli- gen Zinszahlungen zu leisten, sie werde aber bestrebt fein, die 1874 und 1875 fälligen Coupons durch Theilzahlungen ein- zulösen. Die ministeriellen Zeitungen versichern, daß die Re- gierung entschlossen sei, den Krieg gegen die Karlisten energish fortzus( en und daß fie der Armee des Centrums den Befehl gegeben habe, dieselben aus der Umgegend von Teruel zu vertreiben.

Italien. Rom, 8. Mai. (W. T. B.) In der heutigen Sißung der Deputirtenkammer wurde die Diskussion der Interpellation des Deputirten Mancini über das Verhalten der Regierung gegenüber dem Klerus beendigt. Die Kammer nahm eine von dem Deputirten Barazzuoli beantragte Tagesordnung, durhch welhe das Verhalten der Regierung ge- billigt wird, mit 219 gegen 149 Stimmen an.

9, Mai. (W. T. B.) Ueber die gestrige Sizung der Deputirtenkammer, in welcher die Diskussion der Inter- pellation des Deputirten Mancini bezüglih des Ver- haltens der Regierung gegenüber dem Klerus beendigt wurde, wird weiter gemeldet: Die Deputirten Micelli, Toscanelli, Tucci, Mussi, Baraz zuoli, Palladini, Nicotera und Bertani motivirten die verschiedenen von ihnen eingebrahten Tagesordnungen. So- dann erklärte der Ministerpräsident Minghetti im Verlaufe seiner Rede, die deutshe Regierung habe “der italienischen bezügli, der ftirhlihen Frage feine Note zugesandt, die Beziehun- gen Deutschlands zu Italien seien stets die besten ge- wesen, Der Minister bemerkte \{chließlich, daß er die von der Linken beantragte Tagesordnung ablehnen müsse, weil die Regierung das Garantiegeseß stets loyal in An- wendung gebracht habe, Dagegen könne er sh mit der von dem Deputirten Bacazzuoli eingebrachten Tagesordnung éinver- standen erklären. Dieselbe lautet, indem die Kammer von den Erklärungen des Ministeriums bezüglih seiner Kirchpolitik Akt nimmt, hat sie das Vertrauen, daß die Regierung die Gesetze zur Wahrung der Rechte des Staates mit Festigkeit handhaben und ein dem Artikel 18 des Garantiegeseßz:s entsprehendes Gesetz der Kammer vorlegen werde und geht zur Tagesordnung über. Die meisten der beantragten Tagesordnungen werden hierauf zu- rückgezogen und wird \{ließlich, wie bereits gemeldet, die Tages- ordnung Barazzuolis mit großer Majorität angenommen.

(W. T. B.) Von den der Konspiration mit den Mit- gliedern der Internationalen Angeklagten wurden 5 zu 10jäh- riger Zwangsarbeit, 2 zu 10 jähriger, einer zu 7jähriger Zucht- hausstrafe, einer zu 3monatliher Gefängnißstrafe vom Assisen- hofe verurtheilt,

Griechenland. Athen, 9. Mai. (W. T. B.) Das Ministerium Bulgaris hat seine Entlassung ge- geben. Die Bildung eines neuen Ministeriums hat Trikoupi (von der Uultrademokratishen Partei) übernom- men, der als Präsident des Ministeriums und zugleih als Mi- nister des Aeußern und des Innern fungirt. Das Ministerium des Kultus und provisorisch auch dasjenige der Marine hat Arhallji, dasjenige des Krieges Gennatas, das der Justiz Lom- bardos und das der Finanzen Petmezas übernommen,

Türkei. Konstantinopel, 8. Mai. (W, T. B) Der deutsche und der österreichishe Botschafter sind heute in Beglei- tung des Baron Hirs von hier abgereist, um die rumelischen Bahnen zu besichtigen.

__ Numánien. Bukarest, 9. Mai. (W. T. B.) Bei der hier vorgenommenen Deputirtenwahl ist der Kandidat der Opoe®t'onsgpartei Vernescu gewählt worden. Sein Gegenkan- did ar Demeter Ghika. Von den Großgrundbesizern, welche ® „eputirte zu wählen haben, sind zu twa drei Viertheilen

andidaten der konservativen Partei gewählt wurden.

Ein weiteres Telegramm vom 9. Mai Nachmittags mel- det: Bei Geleo?nheir der heute beginnenden Wahlen des kleinen Grunödbesizes zu der Deputirtenkammer versuchte die Umsturz- partei bezügih der vor hundert Iahren erfolgten Abtretung der früher zur Moldau gehörigen Bukowina an Oesterreich öffentlihe Kundgebungen ins Werk zu seßen und von einem Volkshaufen wurde sogar der Versuch gemacht, das Stadthaus zu stürmen. Das Militär war in Folge dessen zum Einschreiten genöthigt und stellte nah Vornahme mehrerer Ver- haftungen die Ruhe wieder her. Gegen die Wiederkehr von Unruhen sind die entsprehenden Vorkehrungen getroffen.

Nufßland und Polen. St{t. Petersburg, 8. Mai. (W. T. B.) Se. Majestät der Kaiser ist heute Abend 8 Uhr nah Berlin abgereist. Auf dem Bahnhofe hatten \ih sämmtlihe Großfürsten zur Verabschiedung eingefunden. In der Begleitung des Kaisers befinden sich der Minister Graf Adlerberg, der Flügel-Adjutant General Potapoff und der Ge- neral à la suite v. Werder. e

__ Schweden und Norwegen. Stockholm 10. Mai. (W. T. B.) Der Minister des Innern, Bergstroem, der Kultus-Minister, Wennerberg und der Minister ohne Portefeuille, Berg, haben heute ihre Demissions gesuche eingereiht. Man erwartet, daß bereits morgen ein neues Ministerium gebildet werden wird.

Dänemark. Kopenhagen, 4, Mai. Ihre Majestäten der König und die Königin von Schweden werden hier am 25. Mai, 3 Uhr Nachmittags ankommen und bis zum 27. Nachmittags hier verweilen. Um 8 Uhr wird ein \chwedis{chès Geschwader die hohen Reisenden von Korför nah Kiel führen. In der gestrigen Sißung des Folkethings wurde die Fie nanzgeseßberathung begonnen. Der Kouseilspräsident hob hervor, es stehe Regierung und Landsthing auf einer Seite, das Folkething auf der andern, die Regierung habe nicht mit proviso- rischen Finanzgeseßen gedroht, sondern nur extraordinäre Maßre- geln angedeutet, eine Prolongation des vorläufigen Finanzgeseßzes \ei {hon extraordinär. Aber wenn das Folkething eine Situation herbeiführe, wo die Staatsmaschine in Stillstand gerathen würde, sofern kein provisorishes Finanzgeseß gegeben werde, so werde es gegeben werden. Die Regierung werde ihren Plat nicht verlassen, so lange ihr Ausharren als Nothwendigkeit er- scheine, d. h. so lange das Landsthing feststehe, denn es sei Pflicht, diese Kammer nicht im Stich zu lassen.

9. Mai. Das Landsthing ist den Vorschlägen seines Budgetauss\chusses ohne Diskussion mit großer Majorität beigetreten. Der Berichterstatter, tellemann, {lug darauf, weil in einer so wihtigen Sache alle Stadien durhzulaufen seien, einen gemeinsamen Aus\chuß von 18 Mitgliedern vor, was ein- stimmig genehmigt wurde.

Amerika. New-York, 8. Mai. (W. I. B.) Hiesige Blätter melden aus Kingston“ von “gestern, daß die auf „den Umsturz der bestehenden Regierüg gerichte Vershwöru ng in Port au Prince am vorigen Sonnabend entdeckt wurde. Die Truppen wollten sich des General Brice und der übrigen Häupter der Umsturzpartei bemächtigen, die leßteren leisteten aber Widerstand. General Brice wurde bei dem entstandenen Kampfe verwundet und starb in Folge seiner Wunde im englischen Konsulat, wohin man ihn gebraht hatte. Erf am Montag wurde die Ruhe wieder vollständig hergestellt. Bei dem ftattge- habten Kampfe haben auch 2 Ausländer das Leben eingebüßt.

Die Nr. 9 des Armee-Verordnungs-Blattes (heraus- gegeben vom Kriecgé-Ministerium) hat folgenden Inhalt : Gewährung des Servises beim Eintritt des Kriegszustandes. Kompetenz der Kommando-Behörden 2c. auf Geschäftézimmer. —- Bekanntmachung der Lebensversicherungs-Anstalt für die Armee und Marine. Justi- fikation der von den Militärkassen an Privatempfänger im Wege des Postanweisungs-Verkehrs bewirkten Zahlungen. Bekauntmachung, betreffend die Ergänzung des unter dem 1. April d. F veröffent- lihten Nachtragsverzeichnisses solher höheren Lehranstalten, welche zur Ausstellung gültiger Zeugnisse über die wissenschaftliche Qualifi- fation zum einjährig-freiwilligen Militärdienste berehtigt sind. Kosten für den Sing- und Schwimu-Unterricht, Nachweisung der im 1. Quartal 1875 vorgekommenen Veränderungen im Bestande der Kaiserlich deutschen Reichs-Telegrapheustationen. Abänderung von Impflisten. Verrechnung der Kosten füx die Uebungen des Be- urlaubtenstandes im Jahre 1875, Beseßung von Ober-Roßarzt- stellen bei den Remonte-Depots. «!

Statistische Nachrichten.

Nr. 18 der „Statistishen Correspondenz“ (heraus- gegebcn von Dr. E. Engel in Berlin) hat folgenden Inhalt: Die Klassen- und klassifizirte Einkommensteuer und die Einkommenverthei- lung. Die Arealvertheilung näch Kulturarten im Großherzogthum Hessen.

Der physikalische Verein in Frankfurt a. M. hatte im Rechnungejahre 1873/4 319 wirkliche Mitglieder, außerdem 87 korre- spondirende und Ehrenmitglieder; seine Einnahmen betrugen an Mit- gliederbeiträgen, Zuschuß aus dem städtishen Aerar, Zinsen von Obligationen 2c. 7668 Fl., denen eine Ausgabe von 7076 Fl. gegen- übersteht. Von den beiden Dozenten dcs Vereins wurden im Jahre 1873/4 Vorlesungen über Experiment«l-Chemie und -Physik, Magnctis- mus, Elektricität, Galvanismus, Wärme, Akustik 1c. gehalten, die sowohl von Bereinsmitgliedern, wie von Abonnenten und den Schülern der oberen Klassen der Frankfurter döffentlihen Schulen mit reger Theilnahme besucht worden sind. L A

Der physikalische Verein zu Frankfurt a. M. veröffentlicht in seinem jeßt herausgegebenen Jahresberiht die Hauptergebnisfe der E Beobachtungen zu Frankfurt a. M im Jahre 1874, anah- betrug die mittlere Jahrestemperatur 7,8440 R; dex wärmste Tag im Jahre war der 3. Juli mit 21,000 R, der kälteste Tag der 28. Dezember mit 8,130 R- Die höchste beobachtete Lufttemperatur von 26,7° R. hatte der 9. Juli, die niedrigste der 29. Dezember mit 110° R. Der mittlere Barometer- stand des Jahres war 834,930 Par. Linien; den höwsten beobachteten Barometerstand zeigte der 11. Februar mit 342,30 Par. Linien, den niedrigsten der 9, Dezember mit 323,37 Par. Linien, Die mittlere Windrichtung des Jahres nach Lambert war 8W 109 01 WSW, die mittlere Windstärke des Jahres 1,288. Es betrug die Anzahl der Tage: mit völlig heiterem Himmel 34, mit heiterem Himmel 144, mit trübem Himmel 111, mit bedecktem Himmel 76, mit Regen 120, mit Schnee

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26, mit Regen und Schnee 7, mit Nordlicht 2, mit Höhenrauch 1, mit Gewitter 14, mit Sturm 13, mit Hagel 7, mit Nebel 31, mit Reif 22, mit Treibeis auf dem Main 30, mit Schneedecke um 12 Uhr Mittags 18. Der mittlere Dunstdruck des Jahres war 3,429 Par. Linien, der höchste wurde am 2. Juni mit 11,01 Par. Lin., der niedrigste am 11, Februar mit 0,59 Par. Lin. beobachtet. Die mitt- lere relative Feuchtigkeit betrug 79% ; die böcste relative Feuchtigkeit von 100% beobachtete mau am 5. März uxd 8, Auaust, die niedrigste von 32 am 12. April und 19. Juli. Die Jahressumme der atmo- sphärischen Niederschläge betrug 197,82 Par. Lin. und zeigte den h 6ch- sten Niedershlag an einem Tage der 27. Juli mit 9,08 Par. Lin. Der mittlere Wasserftand des Mains war 26, Ctm.; der höchste wurde am 20. Mai mit 178 Ctm,, der niedrigste am 31, Dezember mit —8 Ctm. beobachtet. Die höchste beobadiie Schneedecke 9 Uhr

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Morgens hatte der 27. Dezember mit 8,0 Par, Zoll,

Die Verwaltung des Landarmen- und Korríi- geudenwesens in der Rheinprovinz, welhe 1873 mit einem Bestande von 25,751 Thlr. abschloß, hat im Jahre 1874 von dem etatsmäßigen Beitrag von 103,700 Thlr. nah Abzug einiger den Re- gierungsbezirken Cöln und Trier zustehenden Posten 101,358 Thlr. bezogen. Weiter traten hinzu an Zinsen und Kapitalabtragungen 1832 Thlr., durch den Antheil an dem Ueberschuß aus den Einnah- men der Rheinischen Deputation für das Heimatlhwesen 286 Thlr., an unvorhergeschenen Einnahmen 798 Thlr. ; die Gesammteinnahme betrug somit 130,027 Thie, Die Ausgaben sellten sih zu- sammen auf 113,513 Ttlr., und zwar kamen auf Diäten und Neisekosten 382 Thlr, auf die den Ortsarmenverbänden der Provinz geleistete Beihülfe 2961 Thlr. Die Zahlungen an landarme Personen, Ortsarmenverbände und Pflegeanstalten beziffern s auf 57,565 Thlr., wobei auf den Regierungsbezirk Aachen 6645, Coblenz 7147, Cöln 5975, Düsseldorf 24,755 nd Trier 13,043 Thlr. Die Kosten für Landarme und Korrizenden betragen im Landarmen: haus Trier 13,604 Thlr., während die Arbeitsanstalt zu Brauweiler einen Zuschuß von 39,000 Thlr. erfordert. Das Landarmenbaus «Trier verpflegte 195 Landarme (darunter 50 in der Irrenabtheilung) an 18,308 Tagen. Die Arbeitsanstalt daselbst 171 Korrigenden an 91,156 Arbeitstagen. Der durhfchnittliche Pflegesaßz stellte sih auf 7 Sgr. 7 Pf. Die Arbeitsanstalt Brauweiler verpflegte 163 Orts- resp. Landarme an 45,721 Tagen und 1105 Korrigenden an 143,836 Tagen; der Durchschuitts\az betrug pro Kopf und Tag 8 Sgr. 8 Pf.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Das 3. (März-) Heft des „Rübezahl, Schlesische Provinzialblätter*“ hat folgenden Fnhalt: Flachenseiffen (mit Croquis) von B, v. W. Holzäpfel und Aprikosen, Sfkizzenreilze aus den Ingenderinnerungen eines alten Schlesiers, herausg. von Ly- kophron (Fortseß. der Ferienreise). Schlefische VBolksfcenen: Schle- sische Rekruten vor der Einkleidung (mit Abbildung), von A. Knöütel. Ueber ein neues Vorkommen von nordischen silurischen Diluvial- geschieben bei Lampersdorf, Kr. Frankenstein. Mitgeth. von Dr. Ottok. Feistmantel. Beiträge zür s{lesishen Ortskunde: Weigelsdorf. Zur Familien- u. Wappenkunde: Biron (mit Wappenbild), von v. P. G. Die Gründung von Grüfsau, Gedicht von Ew. Hensel. Aus Dr. Rud. Dreschers handschriftl, Nachlasse: „Doczeitêgebräuche. Ausftattung armer Weber.“ Außerdem enthält das Heft Mittkeilun- gen über Literatur, Wissenschaft und Kunst, die s{lesische Chronif, die Monatschronik, Vereinschronik, Jahreschronik, sowie den Witte- rungsberiht der Königl. Universitäts-Sternwarte zu Breélau für F:- bruar 1875, von Prof. Dr. Galle.

Die „Gazzetta ufficiale" publizirt ein Dekret Sr. Majestät des Königs von Jtalien, welches beim obersten Unterrichtsrath eine Kommission (Giunta) für Archäologie und diebildende Kunst einseßt. Die Giunta besteht aus 12 für j? drei Jahre cr- nannten Mitgliedern in zwei Sektionen unter dem Vorsiße des Mi- nisters oder eines von ihm delegirten Mitgliedes des obersten Unter- rihtsrathes. Die arhäologishe Sektion kann vom Ministerium über alle Fragen vernommen werden, welhe sich auf arhädlogische Aus- grabungen, Museen und Denkmäler und andere Gegenstände der antiken Kunst beziehen; die Kunftsektion aber über die Angelegenheiten, welche die Kunstakademien, Kunstausstellungen und überbaupt die mittclalter- lihe und neuere Kunst betreffen. Ueber die beide Sektionen gleid- zeitig betreffenden Fragen findet gemeinsame Berathung statt. Jede Sektion hält jeden Monat eine ordentliche Sitzung; gemeinsame Sißungen werden nah Bedürfniß vom Minister einberufen. Den Sißungen der archäologischen Sektion können der Centraldirektor und die beiden Kommissäre der beim Unterrichts-Ministerium gegründeten Centraldirektion der Aus8grabunzen uud der Museen beiwohnen, an den Sißungen der Kunstjektion aber nimmt der Abtheilungsdirektor des Ministeriums Theil, zu dessen Ressort die mittelalterlihe und neuere Kunst gehört,

Die \ch{chwed i\sche Expedition nach Nowaja Semlia wird, wie bereits mitgetheilt, Anfang Juni yon Tromss abgehen und fich zuerst mit botanischen, geologischen und ethnograyhischen Untersuchungen im südlichen Theil von Nowaja Semlia beschäftigen und dann längs der Westküste bis zur nördlichen Spitze vordringen und hofft man, leßtere gegen Mitte August zu erreihen, Von hier aus soll der Cours nah Nordost, um diesin noch gänzli un- bekannten Theil des Polarmeeres zu erforschen, genommen werden, und dann nach Süden zu den Müändungen des Obs und Jenisei, welch- Gegend wegen der daselbst bfindlichen fabelhaften Mengen von Ueberbleibsel von Mammuththieren und dergl. für die Geologie von hervorragendem Interesse i. Wenn das Eis keine Hindernisse in den Weg legt, gedenkt Professor Nordenskjöld hier das Schiff zu verlassen und in einem zu diesem Zweck mitgenommenen Norrlands- boot Strom aufwärts zu gehen und dann auf dem Landwege zurück- zukehren. Das Schiff dürfte gegen Ende September oder Anfang Oktober wieder in Tromss eintreffen.

Land- und Forftwirth#schaft.

Im Regierungsbezirk Potsdam haben die Saaten in der zweiten Hälfte des März erheblich gelitten, dagegen läßt sih im Re- gierungsbezirk Frankfurt noch nit beurtheilen, inwiefern der Frost die Pflanzen beschädigt hat. Der Tabaksbau in der Gegend von Vierraden hat dadurh ein Rückschlag erlitten, daß die französische Regie den gelieferten Tabak wegen zu geringer Qualität nicht abge- ncmmen hat. Jn der Neumark nimmt der Kartoffelbau in fast be- denklicher Weise überhand, begünstigt dur die großen Stärkefabriken in Landsberg und Cüstrin.

Im Regierungsbezirk Magdeburg sind die Saaten im Allgemeinen gut durch den Wintec gekommen, nur in den beiden Jerichowschen Kreisen haben dieselben gelitten. Nuf den Wiesen, \o- weit sie niht von der Elbe oder deren Nebenflüssen überfluthet wor- den, macht sih die vorjährige Dürre noch beme:klich. Der Futter- mangel ift in einigen Gegenden recht fühlbar, dagegen hat der Frost der Mäuseplage ein Ende gemacht.

Gewerbe und Handel.

In der Feuersprißenfabrik des Hrn. Johannes Luße in Berlin gelangt jeßt das dritte Tausend seiner Feuersprißen zur Ausführung. Jede größere Spriße wird vor ihrem Abgange aus der Fabrik in Bezug auf den Effekt und den Werth dur einen Köuig- lichen Baubeamten geprüft, welher über den Befund ein am!liches Attest ausstellt, so daß die Spritzen dieser Fabrik im Fall der Noth den Dienst nicht versagen werden.

Der zweite deutsche Gastwirthstag mird am 2. und 3, Juni d. J. in Hannover stattfinden.

Nach dem Geschäftsbericht der Breslauer Wechslerbank für 1874 erzielte die Bank einen Ueberschuß von 76,929 Thlr, Der- sclbe foll zur Vertheilung ciner Dividende von 3; pCt. an die Aktio- näre verwandt und der Rest von 1929 ThUr. auf Gewinukonto pro 1875 übertragen weiden. Der Status der Bank am Ende des Jahres 1873 ergab einen Verluft von 459,160 Thlr. nach defsen theilweiser Decknng durch die mit Genehmigung der Geueralversammlung vom 14, April 1874 erfolgte Herauziehung des Reservefonds von 165,0C0