1875 / 113 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 18 May 1875 18:00:01 GMT) scan diff

Berliner Kün aus lten gen.

m Salon des Künstlervereins nimmt abermals vor allem eine Reibe Porträts M Aufmerksamkeit des Beschauers in Anspruch. Von ihnen sei an erster Stelle das Sr. Majestät des Kaisers in der Uniform des Garde-Kürassier Regiments genannt, —- ein Kniefstü, welches Konrad Dieliß dort neben dem bereits an dieser Stelle be- sprochenen, von Steffeck gemalten Bildniß in ganzer Figur ausgestellt hat. Bei, nicht minder wahrer, vorwiegend den militärischen Zug in dem Wesen des Dargestellten betonender Auffassung und bei wesentli vers{chiedener malerisher Haltung behauptet fich diese Arbeit von Dieliß neben jenem vortrefflichen Bilde, ohne irgendwie in ihrer Wirkung beeinträchtigt zu werden. Die gesammte sichere und sorg- fältige Ausführung der Gestalt, die sich in ungesuchter, charakteristi- scher Stellung, die rechte Hand im Handschuh einfach herabhängend, mit der Linken den Helm gegen die Hüfte stüßend, vor einem dunkel- getöuten Hintergrund lebendig und plastisch absett, vorzüglich aber die markige und durhaus klare Modellirung des mit ruhig ernstem Ausdèruck vor sich hinblickenden Kopfes offenbart eine nicht geringe malerische Tüchtigkeit. Für die Behandlung der militärischen Tracht, namentlich der Details des spiegelnden Panzers mit dem darüber- liegenden breiten Ordensbande hat dabei unverkennbar H. v. Angeli's vielbewundertes Porträt Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen das unübertrefflihe Muster gegeben, dessen eingehen- des und erfolgreihes Stuoium in den verschiedensten Partien des Bildes deutlich zu Tage tritt. Die unbedingt günstige malerische Wirkung desselben würde übrigens noch gesteigert worden sein, wenn es dem Künstler gelungen wäre, in dem weißer, blaubesetzten Waffen- rocke eine gewisse trübe Schwere des Tons gänzlih zu überwinden.

Von Gustav Graef find drei Bildnisse ausgestellt. Das eine zeigt die Dargestellte, eine in stolzer, sicherer Haltung langsam dahin- Ichreitende elegante Fraueñgestalt, in hohem Kleide mit Sammet- Überwurf von gleicher olivengrüner Modefarbe und rundem s{chwar- zem Federhut vow einem fein abgetönten Parkhintergrund. Die schrei- tende Bewegung der nur bis zu den Knien sichtbaren Figur ist treff- lih wiedergegeben, der nah rets gewandte, den Beschauer ankl: dende Kopf ebenso ausdrucksvoll und individuell bezeichnend wie die ge- sammte Haltung und besonders die Art, in der die gesenkte Rechte vornehm lässig den Handschuh, die ein wenig erhobene Linke ein zier- lihes Veilchenbouget zwischen den Fingerspiten hält. Fn erster Linie jedoch imponirt das Bild durch “seine ein- fache foloristishe Stimmung, durch die Feinheit feines ruhi- gen und neblen Tons. Jn einer verwandten, nur etwas reiche- ren Farbenskala bewegt sich das zweite Porträtsiük des Malers, die Gruppe eines jungen, \{chwarzgekleideten Manaes, der, auf ein Konfol gelehnt, mit vershränkten Armen dasteht, und seiner Gattin, wie es scheint, einer jugendlihen Gestalt von eigenartigem Reiz der Züge, die, in tief ausgeschnittener, im Ton dem Kostüm des eben besprochenen Porträts fast gleicher Robe auf einem niedrigen Polster- sessel ruhend, in den s{lanken Fingern eincn halbentfalteteu Fächer hält und den feingeschnittenen dunkeläugigen Kopf _dem Beschauer entgegen leiht zur Seite wendet. Dadurh, daß sich Nadcken und Arme in warmer, leuhtender Karnation hervorheben, ge- winnt das Bild einen entschiedenen und lebendigen Kontrast gegen den tiefgestimmten Ton des graubraunen Fonds und der Übrigen Partien der durchweg delikat vollendeten Malerei, deren foloristisher Reiz eine vielleiht noh größere, sicher eine noch unmit- telbarere Wirkung ausübt als das vorhin erwähnte Porträt. Dabei ist allerdings in der Gruppirung beider Gestalten ein leiser, immer- hin aber noch fühlbarer Rest des künstlich gemachten Arrangements übrig geblieben, an das man sonst gerade in Graefschen Bildnissen in keiner Weise erinnert zu werden Pflegt. Ein Selbstporträt des Künstlers endlich, ein Brustbild von \chlichter Anspruchslosigkeit der Auffassung und Malerei, das den charakteristischen, hellblonden Kopf mit spißgeschnittenem Vollbart vor einem dunklen Fond si abseßen läßt, bildet ebenso in der Tonstimmung, wie in der breiten, einfachen Behandlungsweise einen interessanten Gegensaß zu jenen beiden Ar- beiten, ohne an Tüchtigkeit hinter ihnen zurückzustehen,

Zwei Porträts von Paul Spangenberg, der bärtige Kopf eines jungen Maunes und das Brustbild einex jungen Dame in einfah s{chwarzer Kleidung, fordern weder durch äußere Größe noch dur ein interessantes Arrangement, weder dur eine glänzende Farbe noch durch irgend eiu anderes Reizmittel die Aufmerksamkeit des Be- shauers heraus. In ihrer seltenen Prunklosigkeit aber sind beide Vilder von unmittelbar überzeugender Wahrheit der gesammten Er- scheinung. Jeder Zug in ihnen erscheint so selbstverständlich und natürli, so das echte ungeschminkte Leben wiedergebend , daß man kaum der Mittel dieser Wirkung gewahr wird, der frischen und breiten Behandlung, der s{chlichten, gesunden Wahrheit des Tons, der absolut unbefangenen Objektivität der Auffassung, die namentlich in dem eigenartig individuellen Ausdruck des weiblichen Porträts einen in seiner Absichtslofigkeit den besten Werken der Bildnißmalerei verglzich- baren Eindruck hervorbringt.

Das Porträt einer Dame in mittleren Jahren von Wider steht in allseitiger Sorgfalt der Durchführung den früheren Arbeiten des Künstlers in keiner Weise nah, sticht aber in seiner frischen far- bigen Wirkung gegen manche derselben um so vortheilhafter ab, da der sonst oft harte und ängstlich penible Vortrag dieses Malers hier mit vielem Glück gegen eine angenchm freie und breite Sicherheit der Zeichnung und Modellirung vertauscht is. Jn der lebensgroßen Porträtfigur eines kleinen Knaben in rothbraunem Kostüm von Streckfuß, einer außerordentlich sorgsam auègeführten Aquarelle von großem Format, ist der unbefangene, echt kindlihe Azsdruck des hübschen blonden Kopfes und die znanglos natürliche Stellung, die nirgends an eine gesuhte Pose anklingt, des besten Lobes werth. Nur die Modellirung der in eng anschließenden hohen Strümpfen steckenden Beine des Knaben läßt einigermaßen zu wünschen übrig, und dem in hellem Grün gehaltenen landschaftlichen Hintergrunde mangelt die wünschens- werthe Tiefe des Tons, die allerdings in der Aquarellmalerei nur selten gefunden wird. Eine andere große, ziemlich breit und kräftig behandelte Aquarelle von Otto Heyden, die Kniefigur einer ,Rhein- länderin“, die, mit ihrer an dem fris{chgeschnittenen Grase \chnuppern- den Ziege von der Wiese heimkehrend, die gefüllte Shürze mit der Linken zusammenfaßt, während sie mit der Rechten einen auf dein Ropfe getragenen Korb unterstützt, erfreut durch eine einfache und stylvolle Zeichnung, welche die \{önbewegte Gestalt doch aber keines: wegs gemacht und affektirt erscheinen läßt.

__ Ein fkostbares kleines Kabinetstück wohl ein genreartig be- handeltes Porträt hat Gustav Richter ausgestellt. Unter dem Titel „Beim Abstäuben“ zeigt es die Gestalt einer Dame-in elegantem braunen Morgenkleide, die, in einem komfortable ausgestatteten In- terieur mit nachlässig übergeschlagenen Beinen auf einem niedrigen Polfterfiß ruhend neben welchem verschiedene Kunstgegenstände und ein bunter Federwedel den prächtigen Teppich bedecken, und einen Augen- blick alles Uebrige vergessend, in die Betrachtung eines kleinen Rund- bildes mit breitem Goldrahmen versunken ift, das fie mit beiden Händen auf ihrem Schooße hält. Die ebenso delikate wie energische und geistreiche Malerei, der Reichthum der brillanten Farbe und die gesättigte Kraft des Tons erscheint in diesem kleinen-Meisterwerke niht minder bewunderungswürdig als die außerordentlich feine Beobachtung des individuellen Wes-ns, die bei dem geringen Format um so erstaunlichere, in jeder Linie dem intimsten Leben abgelauschte, im Ausdruck der Züge wie in der Bewegung der Gestalt gleich über- zeugende Wahrheit der psychologishen Schilderung. Ein treffliches Kabinetstück von Ehrentraut, die Figur einer Italienerin, die fich, mit der hohlen Hand den Wasserstrahl auffangend, über das aus einer grauen Wand auëéspringende runde steinerne Becken eines Brun- nens vorbeugt und fich dabei in ihrem buntfarbigen Kostüm lebendig von der hellen Mauer abhebt, würde neben dem Richterschen Bilde einen noch shwierigeren Stand haben, wenn ihm nicht eine gefällige Zeichnung und eine breit und fest jeden einzelnen Ton hinsetzende Malerei troß des minder tiefen und satten Tons der Farbe die ver- diente Beachtung zu sichern wüßte.

_ In dem noch geringeren Maßstabe seiner Figuren \chließt \sich dicsen beiden Arbeiten ein Bildchen von Boppo an, das in eigen-

thümlih origineller Weise in Anlehnung an Goecthe's „Faust“ die Scene nah dem Zweikampf mit Valentin schildert, der auf der schneebedeckten, von bläulihem Mondschein matt erhellten Straße tödtlich getroffen niedergesunken ist und den um ihn versammelten Personen, der zusammengebrochenen Schwester, dem entseßt sih vor- beugenden Faust, der herbeieilenden Marthe und den übrigen mehr oder minder Betheiligten mit vorgestreckter Hand seine leßten Worte zuruft. Die lebendig und natürlich bewegte, auch ohne die Kenntniß der Dichtung in ihren gegenseitigen Beziehungen klar verständliche Komposition beweist ebenso entschieden ein beachtenswerthes Talent wie die malerishe Anschauung, mit welcher der unheimliche nächtliche Vorgang aufgefaßt ist, und dic in mehreren der kleinen, beinale staffageartig behandelten Figuren mit nicht geringer Bestimmtheit ausgesprochene, wenn auch hier und da etwas theatralisch gefärbte Charakteristik.

Von Höfer ist das in seinen Farben mit vielem Geschick zu- sammengestimmte, in sämmtlichen Theilen sorgfältig ausgeführte Salonbild einer P, etwas fkränklih dreinschauenden Dame in weißem Sommerkleide ausgestellt, die, vor einer gelben Tapete si abhebend, an einem hochaufgeschossenen, in einer gemalten uiedrigen Por- zellanvase auf der blaugemusterten Tischdecke stehenden Nelkenbusch riet.

Mit ziemli derbem Humor scilderte endlih Kret \chm er noch in seiner bekannten Weise ein junges ländliches Ehepaar, einen Bauer mit feinem vershämt blickenden vollwangigen Weibe, die auf dem Markte bei einem seine Waare mit verständnißvollem Lächeln anprei- senden Händler eine buntbemalte Wiege zu kaufea im Begriff sind.

Verein für Geshichte der Mark Braunvenburg. Sißung vom 14, April 1875. Hr. Major a. D. A. von dem Knesebeck überreichte als Ge- \henk mehrere Exemplare des von ihm auf Grund der reichen in Tylsen angesammelten Urkunden- und Aktenbestände verfaßten Werkes : „Aus dem Leben der Vorfahren vom Schlosse zu Tylsen in der Alt- mark? (Berlin 1875. 242 Seiten gr. 8.). Die Worte, mit denen Hr. von dem Knesebeck seine Gabe begleitete, führten zu einer längeren Be- sprechung des Gegenstandes, in welcher einzelne besonders hervortretende Gefichtépunkte zur Erörterung kamen: die eigenthümliche Stellung der Knesebeck in dem westlichen Grenzgebiete, welche den kriegerischen Geist der mittelalterlichhen Geschlehtsgenossen von der Privatfehde auf die höhe:en Aufgaben der Landesvertheidigung ablenkte: die Be- deutung des Thomas v. d, Kn. für die Einbürzeruug des reformirten Bekenntnisses in der Mark, die hervorragende Thätigkeit, welche namentlich während des 17. Jahrhunderts die Kn. im Hof- und im Staatsdienst, sowie in der ständischen Verwaltung geübt haben u. #. w. Ausführlicheren Nachweis des Gewinnes, den die Geschichtsforshung diesem Buche zu danken hat, behielt sich Hr. Professor Holßtze für eine der nächsten Sißungen vor. Sißung vom 12. Mai 1875.

Die soeben erschienenen „Bildex aus der brandenburgish-preußi- schen Geschichte (Berlin 1875. 107 Seiten gr. 8.), welche der Ver- fasser, Hr. Gymnasial-Direktor Dr. W. Schwarz in Posen, den beiden Berliner Vereinen für Geschichte der Mark Branden- burg und für die Geschichte Berlins gewidmet hat, wurden vor- gelegt; eine Reihe von Vorträgen und Aufsäßen ans den Jahren 1863—1874, gruppirt um die Forschungsergebnisse des Ver- fassers über die Schlacht bei Fehrbellin, giebt sich das Buch zunächst nur als eine Festschrift für die bevorstehende Jubelfeier des Siegestages vom 18, Juni 1675, in der That aber gewährt es eine in großen Zügen entwickelte Uebersicht über die vaterländische Ge- schichte von ihren Anfängen bis zur Gegenwart,

Darauf las Hr. Archiv-Nath Reuter den ersten Theil einer größeren Arbeit über das General - Ober - Finanz - Kri-gs- Und Domänen - Direktorium. Aus den bisher theils bruchs{ückweile gedruckien, theils noch ganz unbekannten Kabinets - Ordres und Instruktionen Közig Fricdrich Wilhelms I. * gab der Vortragende die Geschichte der Entstehung dieser Behörde und ein Bild ihres Geschäftsbetriebes während der erstcn Monate ihres Be- stehens. Er zeigte dann die wesentlihe Veränderung, die der König jecit dem Jahre 1727 in seinen Berwalungsgrundsäßen eintreten ließ, und {loß mit der Vorlesung des eingehend motivirte, keineswegs günstig lautenden Urtheils, welches der König gegen Ende seiner Re- gierung über die Leistungen seiner cigensten Scchpfung fällte.

Die juristische Gesellschaft

hielt am Sonnabend unter dem Vorsiß des Stadtgerichts-Raths Graf von Wartensleben ihre Monatésitzung ab. Der Vorsitzende theilte zunächst mit, daß die Kommisston zur Prüfung der von der Gefell- schaft ausgeschriebenen Preisaufgabe die mit dem Motto , Frisch gewagt“ versehene Arbeit als die beste erklärt habe, welcher der von der Ge- sellschaft gestiftete Preis zu ertheilen. Als Verfasser ergab ih nah Eröffnung des Couverts der Konsistorial - Präsident Mommsen in Kiel. —- Hierauf hielt der Stadtrichter Dr. Rubo einen längeren Vortrag über den Entwurf einer deutschen Strafprozeß- Ordnuag. Die Redaktion des vorliegenden Entwurfes ist als eine mustergiltige zu bezeihnen, der Redner zuweilen etwas mehr Kasuistik wünsht, während er der Sprache und der Formen- \{önheit hohes Lob zollt. Dieselbe Humanität, das Streben nah objeftiver Gerechtigkeit, das im Strafgesekbuch zum Ausdruck kommt, findet sih auch in der Strafprozeßordnung. Selbstverständlih sind die neuesten Forschungen in ausgedehnter Weie berüdsichtigt, etwa ab- weichende Ansichten finden ihre Begründung in den beigefügten Motiven. Der Entwurf ist insofern nicht als ein selbständiges Ganze zu bezeichnen, als er! die Gerichtsverfassung völlig unberücksichtigt läßt; der Grund hierzu liegt bekanntlich darin, daß nach den von der Reichs» regierung vorgelegten Entwürfen die Gerichtäverfassung für Civil- prozeß und Strafprozeß eine einheitlihe sein foll. Redner ging dar- auf zu den einzelnen Paragraphen über und fand nur bei wenigen Veranlassung, eine abweichende Meinung konstatiren zu müssen. Er erwähnte zunächst die Lehre vom Gerichtstande, die Ausschließungs- und Ablehnurgsgründe und die Verweigerung- der Zeugenausfage, ging auf die Vorschriften über Beschlagnahme und Untersuchung über und berührte die Untersuchungshaft und die Vertheidigung. Der spezielle Theil des Entwurfes regelt das Verfahren und unterscheidet hierbei zwischen öffentlicher und privater Klage. Als Nechtsmittel sind im Entwurf nur Beschwerde und Revision angege- ben, Redner wünscht hierbei Beibehaltung des alten Instituts der Ap- pellation zu Gunsten des Angeklagten. Der Vortragende erklärte \chließlich den Entwurf für einen außerordentlichen Fortschritt iz Fn- teresse objektiver Rechtspflege und hofft, daß cin durch die Justiz- kommission zu erwartender weiterer Ausbau des Entwurfes ein wahr- haft mustergiltiges Werk {afen werde.

Der in Leipzig versammelt gewesene Aus\huß des deutschen Journalistentages beschloß, daß der diesjährige zehnte Jour- nalistentag in Bremen vom 21. bis zum 23. August stattfinden soll. Es wurde ferner beschlossen, den Antrag, betreffend eine die Straffreiheit wahrheitsgetreuer Berichte über öffentliche Gericht8- verhandlungen sihernde Deklaration des Preßgeseßes und die Frage wegen des Zeugnißzwanges gegen den Redacteur und den Heraus- geber von Zeitungen als ersten Gegenstand auf die Tagesordnung zu seben.

Das 2d5jährige Jubiläum des ersten Deutschen Vorschußvereins und damit der an Schulze-Delitzsch's Namen ge- knüpften deutschen Genossenschaftsbewegung ist am 10. und 11. Mai in Delißsch in Gegenwart des Stifters dieses Vereines, des damaligen Kreisrichter Schulze, einfah gefeiert worden. Mit der Feter war der diesjährige Verbandstag desjenigen Provinzialverbandes, zu welchem der Delißsher Vorschußverein gehört (Verband der Vor- \hußvereine vom Regierungsbezirk Merseburg und von Anhalt), in Verbindung geseßt worden. Heute sind an Vorshuß- und Kredit- vereinen (Bolksbanken) in Deutschland mehr als 2500 in Wirksamkeit, die jährlich mehrere Milliarden Mark ausleihen.

Das Centralcomité für das V, Bundesshieß: n hielt unter dem Vorsiße Sr. Königlichen Hoheit des Herzogs Eugen von Württemberg und des Ober-Bürgermeisters Dr. Hack am 14. d. M. Abends in Stuttgart eine längere Sißung, in welche; u. A, über Errichtung des Gabentempels , das Programm der F-stt- lihkeiten und Vergnügungen, die Herausgabe einer Festschrift, das Erscheinen einer Festzeitung Beschluß gefaßt wurde. Der Festzug, welcher am 1. August stattfinden wird, wird eine der glänzendsten Schau: stellungen werden, welche Stuttgart seit lange gesehen hat. Neben fostümirten mittelalterlihen Gruppen Ritter, Kaappen, Armbrust- schüßen, Landsknechte werden die ländlichen Trachten des König- reis Württemberg im Zug vertreten sein. Auf dem Festplaß wird an einem Abend eine große Gesangsprodufktion, an cinem andern ein großes Infstrumentalkonzert, an einem dritten eine Aufführung leben- der Bilder stattfinden, wozu die Vorbereitungen in lebhaftem Gange find. Die Beleuchtung des Stadtgartens is an einem weiteren Abend in Ausficht genommen. Ferner werden den Shüßengästen die Königlichen Schlösser Wilh-:lma, Rojenstein und Villa geöffnet werden, und am 8. August werden zwei Festausflüge gemacht, der eine nach dem Hohenzollern mit Aufenthalt in Hechingen, Tübingen und Reutlingen, der andere nach Weinsberg, Weibertreu und Heilbronn, Die Fest- schrift aus der Feder des Herrn Professor Klaiber erhält in der Hall: bergerschen Buchdruckerei ihre Ausstattung; sie wird den Shüben, welche sich zum Fest anmelden, an ihren Wohaort zugesendet, und soll ihnea schon vorher ein freundliches Bild der Feststagdt gewähren, und für später ein werthes Andenken an das Bundesfest in Württem- bergs Hauptstadt sein.

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Se, Majestät der Kaiser Abende hintereinander am Sonnabend und am Sonntag im Friedrich-Wilhelmstädtishen Theater, um der Aufführung des „Fiebsko“ durch die Meininger Gäste beizuwohnen, Se, Majestät verweilte bis zum Schluß der Vorstellung. Ihre Köuigliche Hoheit die Prinzessin Friedrich Carl besuchte am Sonnabend das Gastspiel des Herzoglich Meiningens\chen Hoftheaters und am Montag das Friedrich-Wilhelm- städtische Saisontheater und verweilte daselbst bis zum Schlnß der Vorstellung. Se. Königliche Hoheit der Prinz Georg besucht fast tägli die Vorstellungen der Meininger Gesellschaft.

Im Residenz-Theater gelangte am Sonnabend eine größere Novität: „Kaufmann und Seefahrer“, Lustspiel in 9 Aufzügen von J. E. Mand nach einem Reuter \hen Stoffe zur ersten Aufführung und fand eine freundlihe Aufnahme. Der Haupt- Darsteller, Hr. Theodor Schelper, erntete im Verein mit dem Per- sonal des Theaters, namentlich der Damen Baumeister, Ramm, Krössing, sowie der HHrn. Keppler, Schönfeld und Beckmann, reichen Beifal], Boraussichtlih wird das von dem neuen artijtischen Direktor, Hrn, Schwemer, mit Geschick in Scene gesetzte Lustspiel noch viele Wieder- bolunzen erxleben.

leber das Gastspiel der Königlich preußischen Hofopernsängerin Frl. Brandt am Königlichen Hoftheater in Stuttgart schreibt der Referent des „Staats-Anzeigers für Württemberg“ Fol- gendes: „Das Gastspiel der berühmten Altistin Frl. Marianne Brandt nahm am gestrigen Abend, an welchem sie als Azucena in Verdi's „Troubadour“ auftrat, einen überaus glänzenden Fortgang, Sie entfaltete in dieser Partie eine bewundernêwerthe dramatische Gestaltungsgabe, vermöge deren sie aus dieser Zigeunerin, welche vom Dichter und Komponisten vielfa mit grellen, an die Karrikatur ftreis fenden Züges ausgestattet ist, eine fünstlerisch vermittelte, hoch interessante Charaktergestalt zu bilden wußte, die in jeder Bewe- gung und in jedem Blicke “die echte Zigeunernatur auf* das Le bendigîte veranschaulihte und in den dramatishen“ Höhe punkten der Darstellung eine wahrhaft erf{ütternde, groß artige Wirkung hervorrief. Hand in Hand mit diesem eminent dramatischen Spiele ging die künstlerische Vollendung ihres Gesanges, der, was Stimmcarakter und Vortrag betrifft, mit dem Geiste der Roll- in Eins verwoben war und nicht minder in allen Einzelheiten stets den charakteristischen Ausdruck festhielt, wie er im Ganzen genommen als durchaus stilvoll fich erwies. Die in brillanter Koloratur sich kundgebende virtuose Gesangstechnik stellt sich bei ihr nur als Mittel der künstlerish gehobenen Gesammtleistung dar. Wir wiederholen unser bereits aus Anlaß ihrer Fidesdarstellung abgegebcnes Urtheil, daß wir in Frl. Brandt die erste deutsche Altistin der Gegen- wart erkennen. Vortrefflih bei Stimme waren in jener Vorstellung auch Fr. Marlow und die HHrn. Bertram und Grisa, welche sich in die reichlihen Beifall8\spenden des Abends nach bestem Verdienste theilten.“

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Mit Bezug auf den Untergang des „Schiller“ wird der ff „Times“ vom 14. Mai aus Scilly berichtet: Der Dampfer „Lady s

fischte gestern auf seiner Fahrt von Scilly nah Pen- zehn Meilen von den Inseln cutfernt, die Leiche einer

of the Isles“ zance, etwa

fein gekleideten Frau, die eine goldene Uhr nebst Kette, Ohrringe

und Brosche an ihrer Person trug, aus dem Meere. In der Tasche ihres Kleides fand man eine Anweisung auf éine Luzerner Bank für 1500 Francs. Die Leiche wurde nach Penzance gebracht, wo fie der Steuermann des „Schiller“ als die der Frau Xavier Reichlin und

Mutter von vier Kindern, die alle ertrunken sind, erkannte. Es befand si kein Nettungsgürtel um die Leiche. Drei Leichen wurden gestern (Donner- f stag) in Mousehole, gerade außerhalb der Mounts-Bay, ans Gestade ge- A eines Salonpassagiers Namens 5

\pült, die als die des Zahlmeisters, Brunner und des zweiten Zimmermanns exkannt wurden. Dies bringt die Zahl der geborgenen Leichen auf 93 Male ermittelt, daß in der Nach! des Schiffbruhes zwei in St, Agnes stationirte Fischerboote, nachdem sie um 1 Uhr Morgens

die Schüsse des „Schiller“ gehört, ausgingen, aber, nachdem sie unter L den westlihen Klippen zwei Stunden lang gesucht, ohne irgend etwas | | daß fic F bis nach Crebawthen zu gehen. F Die Boote berichteten nah ¡ihrer Rückehr, daß sie nichts fehen daß kein Schiffbruch stattgefunden habe. |

Die war so sehr bewegt,

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zu schen, zurückehrten. weiter als

außer Stande waren,

konnten, und vermutheten, Die Kanonenschüsse hielt man zur Zeit für die Signale eines vor überfahrenden Dampfers, Das ist der Grund, warum Boote aus St. Agans nicht eher als um 8 Uhr ausgingen, zu welcher Zeit, da fich der Nebel verzog, das Wrack von der Insel aus gesehen werden konnte. Um 4 Uhr, ehe die Fischerboote zurückgekehrt waren, war Mr. Obadiah Hicks in seinem Boote ausgegangen, Wrack gesehen und war somit behülflih, Menschenleben zu retten, Die im Matrosfenheim in Plymouth weilenden Schiffbrüchigen wur- den gestern von Admiral Sir W. King Hall mit ciner Geldsumme von 48 Pfd. Sterl. beschenkt, welche die Beamten und Handwerker in der Staatswerft von Devonport für sie gesammelt hatten. Mr. Thomas Jones Stevens, der Agent der Dampferlinie „Adler“ 10 Plymouth, erklärt in der „Times“, daß keiner der Dampfer dieser Linie je beim Passiren von Scilly Kanonenschüsse abfeueute.

Wie Londoner Büättern aus Scilly weiter gemeldet wird, waren am 14. Taucher vier Stunden lang mit der Juspektion des „Schiller“ beschäftigt. Sie fanden das Schiff zerbrochen und in einer wirren Masse vor, Die unteren Verdecke hängen von Klippe zu Klippe. Sie konnten weder einen Kiel noch einen Schaft finden und der Schiffsboden ist gänzlih verschwunden. Die Taucher haben zwei Kisten geborgen, von denen eine sechs Nähmaschinen enthält. Kein Theil der Baarschaft wurde geborgen und von der Ladung ist keint Spur mehr vorhanden. Die Passagiere des am 15. in Plymouth ar gekommenen Hamburger Dampfers „Lessing“, von der Adler Linie, veranstalteten, als sie von dem schrecklichen Untergange des „Schiller“ Kenntriß erhielten, eine Kollekte für die Schiffbrüchigen, die in kurzer Zeit über 700 Dollars ergab,

_Redactteur: F, Prehm. Verlag der Expedition (Kessel). Druck W. Elsone1, Drei Beilagen (einschließlih Börsen-Beilage).

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Landtags- Angelegenheiten.

Die dem Hause der Abgeordneten eingereichte etition des land- wirthschaftlihen Kreisvereins zu Ee vdde der Agrar- kommission zur Begutachtung vorlag, betrifft in ihrer dritten Forderung (c) die Gründung einer Landeskultur-Renten- bank für den preußischen Staat, und zwar, wie namentlich aus den der Petition beigegebenen Motiven hervorgeht, vorzüglich um die Ausführung und Verbreitung der Drainage zu fördern und zu er- leitern. Dieselbe Forderung ift seit einer Reihe von Jahren regel- mäßig an das Haus der Abgeordneten herangetreten, aber-bisher ohne Erfolg zu haben.

Ueber die hohe Bedeutung der Drainkultur für Land- und Bolks- wirthschaft fand in der Kommission, wie der Kommissionsbericht mit- theilt, auch diesmal keinerlei Meinungsverschiedenheit statt. Es wurde hervorgehoben, daß gerade in gegenwärtiger Zeit die volkswirl{hschaft- liche Bedeutung der Frage im höchsten Grade Beachtung verdiene. Jn einer Zeit, wo unsere Handelsbilanz eine so ungünstige, und wo es Thatsache, daß die Produkte der einheimischen Landwirthschaft weit- aus nicht mehr zur Ernährung der eigenen Bevölkerung ausreichen, wo von Jahr zu Jahr die Einfuhr an Gerate rcpide Wo die Mie fuhr daMbn rapi® abfitmmt. Jun “einer solchèn Zeit sei es ernsteste Pflicht des Volkswirths, ein so wichtiges Mittel, wie es sih in der Drainkultur für erhebliche Vermehrung der inländischen Produktion an den unentbehrlichsten Nahrungsmitteln und gleichzeitig zu nicht unerheblichen Herabminderungen der Summen, die für diese dem Aus lande bisher gezahlt werden mußten, darbietet, durh zeitgemäße Ein- richtungen möglichst allgemeine Ausbreitung zu geben, namentlich auch den ärmereu Landestheilen zugänglich zu machen. Zu solchen zeitge» mäßen Einrichtungen werden in erster Linie Landeskulturrentenbanken gehören. Durch ihre Gründung wird gleichzeitig einer seit längerer Zeit vielfach wiederholten Forderung der Landwirthschaft genügt , und man dürfte einer fo gerechten Forderung wohl um so willfähriger sein, wenn man erwägt, daß unsere einheimische Landwirthschaft seit einer Reihe von Jahren und zwar weaiger in Folge der neueren Geseßgebung, als in Folge der allgemeinen Entwickelung, welche unjere moderne Kultur genommen hat, si den meisten anderen Er- werbszweigen gegenüber in einer schr ungünstigen gedrückten Lage be- findet, indem bei ihr die so überau3 gesteigerten Betriebskosten in der Preissteigerung ihrer Produkte, namentli des Getreides, weitaus keine Entschädigung finden. Gerade die Preise der leßteren stehen mit der Steigerung fast aller anderen Lebensbedürfnisse und anderer- seits mit der Entwerthung des Geldes in keinem Verhältniß.

Welche hohe Bedeutung die Drainkultur für die flimatisch un- günstig gelegenen Landestheile noch erlangen wird, dürfte in der zu- versichtlichen Behauptung, daß dort Nothstände wie 1847 in Ober- \chlefien, 1867—68 in Ostpreußen, in ihrer Ausdehnung und in ihren beklagenswerthen Folgen nicht möglich gewesen wären, wenn nur die Hälfte des dort drainirungsbedürftigen Bodens bereits damals drai- nirt gewesen wäre, am augenscheinlihsten Ausdruck finden.

Daß alle diese angedeuteten Gründe für möglichste Förderung der Drainage sprechen und eine solche Förderung am btestimmtesten durch zweckmäßig eingerichtete Kulturrentenbanken zu erreichen sein werde, auch darüber fand in der Kommission kgum eine Meinungs- verschiedenheit statt, Die Besprehung wendete sich denn auch vor- herrshend der Frage zu, wie sind diese Rentenbanken einzurichten, um ihrer Bestimmung am besten zu genügen. Von allen Spezia- litäten konnte dabei abgesehen werden. Der Mehrheit der Kom- mission erscheint es zweckentsprehend, keine neuen Rentenbanken zu gründen, fondern die bereits bestehenden, in ihrer bisherigen Wirk- jamfkeit so bewährten, nach dem Vorgang im Königreich Sachsen, nur nch dieser Seite hin angemessen zu erweitern. Dem entsprehend würde nicht eine Landeskultur - Rentenbank, son- dern es würden Provinzialkultur-Nentenbanken einzurihten fein. Dies Verfahren dürfte sich um so mehr empfehlen, als das Bedürfniß in den verschiedenen Provinzen ein sehr verschiedenes ist, So wurde von Westfalen angeführt, daß dort die Drainage auch in den kleinen Wirthschaften {on eine solche Ausdehnung gefunden und andererseits die Kreditverhältnisse dort so günstige sind, daß in dieser Provinz ein Bedürfniß nah einer derartigen Rentenbank kaum mehr vorliegen dürfte. Die Gründe, die für eine einheitliche Landeskultur-Reuten- bank dahin geltend gemacht wurden, daß die von ihr auszugebenden Rentenbriefe cinen höheren Cours haben dürften als diejenigen der ve: schiedenen Provinzial - Rentenbanken, konnten , ohne ihnen jede Berechtigung abzusprelen, um so weniger als durchs{la- gend erachtet werden, da der Cours der heutigen Prco- vinzial - Rentenbriefe ein hoher, ja erbeblich lböhkerer als der der Pfandbriefe zu gleicher Zinshöhe der betreffenden Provinzen ist. Als der wichtigste und s{chwierigste Punkt der ganzen Frage, von dessen rihtiger zweckeutsprechender Lösung die ganze Wirksamkeit der Rentenbanken wesentlich bedingt sein wird, wurden von der Kom- mission einstimmig die Bedingungen, die für Ausgabe der Renten- briefe und namentlich die, welche für die Eintragung der Renten im Grund- und Hypo: hekenbuhe maßgebend fein sollen, anerkannt. Wie sehr auch nach der Ansicht des Ministers für Landwirthschaft diese leßte Frage“ den Kernpunkt enthält, ging daraus hervor, daß er die Kommission aufforderte, sich darüber zu äußern, ob sie der Gründung von Kulturrentcnbanken, ohne ihren Renten ein Voreintragungsrecht den anderen Hypothekenshulden gegenüber zu gewähren, überhaupt Werth beilege. Die Kommission war denn au in ihrer großen Ma- jorität der Ansicht, daß ein solches Boreintragungsreht unerläßlich, wenn der ganzen Einrichtung der erwünschte Erfolg nit unerreit bleiben solle. Nur über die Grenzen und Bedingungen bei diesem Voreintragungsrecht gingen die Ansichten uicht unerheblih auseinander.

Eine Feststellung der von einander abweichenden Stimmen fanb nicht statt, da ja darin Einstimmigkeit vorhanden, daß bei Be- rathung des zu beantragenden Geseßes es Hauptaufgabe sein werde, diejenige Form zu finden, die möglihst erleihtecrte Kreditentnahme, zum Behuf der Draiuage, mit berechtigter Sicherstellung der vor- handenen Hypothekengläubiger vereine.

Bei Erlaß eines solchen Geseßes werden dann auch die Erfah- rungen, die man nach dieser Seite hin in andern Ländern gemacht, wohl zu berücksihtigen sein.

In Frankreih wurde bereits 1856 ein Draingeseßz erlassen, und zugleich 100 Millionen Frauks zur Erleichterung - von genossenschaft- lichen Drainunternehmungen zu 4 Prozent Zinsen und in 25 Fahren zu amortisiren, zur Verfügung gestellt. Die hypothekarish eingetra- genen Meliorationsdarlehne haben die Priorität vor allen anderen Schuldforderungen.

In England stellte das Geseß vonr 28. August 1846 die allge- meinen Grundsäße. für die Ausführung von Bodenverbesserungen, gegenüber den Rechten der Hypothekengläubiger, der Pächter und Jonstigen Grundberechtigten fest. /

Sn Jrland sind durch die Geseße vom 8. Juni 1847, 24. Mai 1849 und 15, Juli 1850 nach und nach 2 Miklionen Pfund Sterling Staatsdarlehne bewilligt. Die Darlehne werden in 22 Fahren mit 62% amortisirt und verzinst, Das bewilligte Darlehn hat gescßliche Priorität vor den gewöhnlichen Hypotheken, jedoch nach den Kron- renten, den Zehnten und Erbzinsen, Dem Pächter wird eine ange- messeue Erhöhung seiner Paht nach der Melioration von der Be- hörde auferlegt. i:

In England und Schottland sind in den Jahren 1846 bis 1850 circa 4 Millionen Pfund Sterling Staatsdarlehne zu Bodenverbefse- rungen, vorherrschend in Drainage bestehend, an einzelne Gutsbesißer bewilligt worden, Diese Staatsdarlehne haben jeßt aufgehört, da-

Erste Beilage Preußischen Staats-Anzeiger.

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_Berlin, Dienstag, den 18. Mai

gegen ist durch ein Geseß vom 1. August 1849 den Privatdarlehnen zu gedachten Verbesserungen die vorerwähnte geseßliche Priorität, unter der Bedingung, daß die Verwendung unter Koatrole der Regie- rung erfolgt, bewilligt.

In Sachsen hat seit der durch das Geseß vom 26. November 1861 begründeten Landeskulturrentenbank, welches sich dem Geseß vom 15. August 1855 anschließt, die Drainage sehr erheblih an Ausdeh- nung zugenommen. Auch das sächsishe Ge)eß räumt für gewisse Meliorationen den Renten für die dazu bewilligten Nentenbriefe cin Prioritätsrecht ein, ohne daß den Hypothekengläubigern ein Recht zu- steht, gehört zu werden.

__ Bezüglich der Draindarlehne findet ein solches Einspruchsrecht innerhalb gewisser Grenzen noch statt. Doch lag in Bezug hierauf eine Mittheilung des Hrn. Chefs der Sächsischen Landeskulturrenten- bank vor, dahin gehend, daß nah den dort gemachten Erfahrungen fih bei Aufstellung einer neuen Gesetzgebung kaum erhebliche Gründe für Beibehaltung dieses Einspruchsrechts geltend machen ließen. Nach diesen Erfahrungen sei es für unbedenklich zu erachten, wenn die auf ländlihe Ent- und Bewässerungsanlagen festgestellten Renten ohne vorgängige Einwilligung der Hypothekengläubiger im Grund- ir Stor Lerbwhs 2, ay yeèrarhi icn, ch2 2 e-ch

Auch nah Berücksichtigung dieser Vorgänge und Erfahrungen muß dic Forderung nah Begründung von Landeskulturrentenbanken als eine berechtigte und zeitgemäße anerkannt werden, dem ent|prehend einigte sh die Kommission zu dem folgenden Antrage:

Antrag der Kommission: Das Haus der Abgeordne:en wolle beschließen: die Petition des4 landwirthschaftlichen Rreisvereins zu Chodziesen der Königlihen Staatsregierung bezügli der Punkte a. und b, zur Kenntnißnahme, bezüglich des Punktes c. zur Berück- sichtigung zu überweisen, mit der Aufforderung: Königliche Staats- regierung möge fo bald wie möglih dem Landtage eine Geseßzvor- lage, bezüglih der Bildung von Landeskulturrentenbanken, zur Sörderung der Entwässerung mittelst Drainage oder offenen Gräben zugehen lassen.

Statistische Nachrichten.

In Nr. 78 d. Bl. sind bereits die Hauptergebnisse aus den vom Kaiserlichen statistishen Amte aufgestellten Uebersichten über die Produktion und Besteuerung 2c. von Tabak im deutshen Zollgebiete für die Zeit vom 1. Juli 1873 bis 80. Junt 1.874 mitgetheilt worden. Im Anschluß daran geben wir die nachfolgende vergleihende Uebersicht, welhe ersehen läßt, wie sich die Anbau- und Ertragsverhältnisse von Tabak in Deutschland während der leßten Jahre gestaltet haben :

Mit Tabak bebaute Menge des gewonnenen Fläche in Hektaren Tabaks überhaupt 14,251 394,339 Ctr. 15,614 435,193 21,501 682,051 23,693 676,140 23,885 767,149 21,939 663,418 19,704 530,946 17,939 530,303 17,273 449,937 16,662 481,636 22,673 717,907 1872/73; 26,490 902,604 34 01

1873/74. 30600 1.081307... B

In vorstehenden Zahlen hat, was bei der Vergleichung nicht außer Acht zu lassen, die Produktion Mecklenburgs erst vom Jahre 1868, diejenige Elsaß-Lothringens erst voin Zahre 1871/72 ab berück- sichtigt werden können. Jm Uebrigen läßt die Zusammenstellung er- sehen, daß der deutsche Tabaksbau während der Jahre 1861 bis 1865 in ununterbrochener rascher Zunahme, von da an bis zum Jahre 1870 in kaum geringerer stetiger Abnahme begriffen gewesen, wäh- rend seit 1871 fih wiederum eine rashe Zunahme ergeben hat. Das Jahr 1873/74 zeichnet sih nicht allein durch den Umfang des Tabaks- baues, sondern auch durch die Höhe der Erträge vor {jedem der 12 früheren Jahre in bemerkenswerther Weise aus. Gleichwohl if der Geldertrag der Ernte des Jahres 1873 hinter derjenigen des Vor- jahres niht unerheblich zurückgeblieben; er berechnet \sich für das ganze Zollgebiet auf 7,857,475 Thlr. oder 257 Thir. vom Hektar, während er im Jahre 1872/73: 10,470,670 Thlr. oder 295 Thlr. vom Hektar betragen baite, Der bedeutende Preisrückgang erklärt si theils aus der zu Anfang des Jahres 1873 stattgefundenen, den Be- darf der Konsumenten weit überschreitenden Anhäufung von Tabaks- vorräthen, theils durch das in Folge vermehrten Anbaues vergrößerte Angebot der Waare, welchem keine genügende Nachfrage begegnete. Der Preisabschlag war so bedeutend, daß der Rohtabak nicht allein um mindeftens 4 Thlr. pro Centner billiger als im Vorjahr geworden war, sondern nicht einmal die Preise des Jahres 1871 erreichte.

Nach dem neuesten „Bolletino Ufficiale“ des italienischen Unterrichts-Ministeriums beträgt die Zahl der Hörer an den ita- lienishen Staats- oder Königlichen Universitäten im laufenden Schuljahr 6553, darunter 5208 alanni effettivi (immatri- kulirte Studenten) und 1345 uditori (hospitirende Hörer). Nach der Universität von Neapel, an der keine Inskpriptionen stattfinden, hat Turin die zahlreihsten Hörer, nämlich 1292, dann folgen Padua mit 1217, Pavia mit 619, Bologna mit 557, Pisa mit 532, Rom mit 470, Genua mit 412, Palermo mit 340, Modena mit 278, Parma mit 205, Catania mit 191, Siena mit 113, Macerata mit 106, Messina mit 94, Sassari mit 66 und Ca- gliari mit 61. Die vier sogenannten fr-ien Universitäten haben zu- jammen 264 Schüler, nämlich Ferrara 88, Perugia 74, Urbino 71 und Caerino 31. Von sämmtlichen Studirenden gehören 2254 den juristishen, 1829 den medizinischen, 1167 den mathematisch-physika- lischen, 178 den philofophishen Fakultäten an. 710 machen die Apo theferkurse, 380 die Kurse für Landwirthshaft und Thierheilkunde, 74 die Notariats- und 41 die niederen Chirurgiekurse durch.

Land- und Forstwirthschaft.

Am 8, d. M. fand im Bezirks - Präsidialgebäude in Metz unter dem le des Bezirks-Präsidenten v. Puttkamer die Sißung einer Kommission von aht landwirth\chaftlichen Sach- verständigen behufs Berathung der Mittel zur Hebung der Rindviehzucht in Lothringen statt. An der Sißung nahmen Theil die Herren Gutsbesißer Lamaille zu Sabré, Gutsbesißer Reiter zu Gauwiese, Bürzermeister Bancon zu Salmey, Gutsbesißer Anthony zu Saarburg, Gutsbesißer Esch zu Walschbronn. Die der Kom- mission vorgelegten Fragen ae e Rg geprüft und insbesondere hinsichtlih der Zuchtstierhaltung eine |treng reglementäre Einrichtung beantragt.

St, Petersburg, 8s. Mai. Der erste veröffentlichte Bericht der Regierung über den Stand der Wintersaaten, sowie über die Fortschritte, welhe die Feldarbeiten für die Sommerfaaten in den Provinzen zur Zeit gemacht haben, ergiebt, daß die Wintersaaten in dem Gesammtgebiete des centralen Rußland noch unter Séehuee liegen und an Vorbereitungen zu den Sommersaaten is dort noch gar nichts geshehen. In den Gouvernements Minsk, Tula, Cherson und Mohilew treten die Wintersaaten noch sehr {wach hervor, stärker find fie in den Gouvernements Witebsk, Kiew, Kursk und Orel.

pro Hektar 24,86 Ctr. 27 87 91,79 28,54 32,12 30,24 26,95 29,56 26,05 28,91 31,07

1861. 1862. 1863 . 1864. 1865. 1866. 1867 . 1868. 1869. 18/04 18TL/T2,

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Gewerbe und Handel.

In der Generalversammlung der Magdeburger Lebens- versiherungs-Gesellschaft theilte der Vorsißende des Aufsichts- raths mit, daß das in der Generalversammlung vom Jahre 1873 beschlossene revidirte Statut na längeren Verhandlungen mit éinigen unwesentlichen Abänderungen durch Ministerialreskript vom 2. Dezem- ber 1874 die staatliche Genehmigung erhalten habe und nach exfolg- ter Eintragung in das Handelsregister in Kraft getreten, also den heutigen Verhandlungen und Beschlüssen zu Grunde zu legen sei. Es kamen hierbei namentlih in Betracht die Vorschriften des 8. 35, wo- nach nit, wie bisher, der Besiß von je 5 Aktien, sondern {hon der Besiß von je einer Aktie eine Stimme gewähre, fowie der 88 16 ff. resp. der Schlußbestimmung, wonach die Zahl der Mitglieder des Aufsichtsraths allmähliGz auf neun herabgemindert werden, „die Wahl selbst auf brei. niht, wie bisher, auf se{ch8 Jahre erfolgen soll, die Wahl von Stellvertretern gänzli fortfalle und in der heutigen Ver- sammlung eine Neuwahl des gesammten Aufsichtsraths in der Stärke, N derselbe augenblicklih besiße, stattzufinden habe“. Es seien Wu den Herren Stadtrath Pershmann und Hauptmann Roh durch den Tod, ein drittes der Hr. Hauptmann Schrader, dur freiwillige Niederlegung seines Amtes, und ein “viertes, der Hr. Ober-Direktor W. C. Schmidt, durch seine Wahl zum Borstandsmitgliede, aus dem Aufsichtsrathe ausgeschæden, also zur _Zeit noch elf vorhanden und zu wählen, Nach diefer Eröffnung trat die Versammlung in die Tagesordnung ein. Auf Vorlesung des Rechenschaftéberichts, der sich gedruckt in den Händen der ktionäre befand, wurde verzihtet und demnächst den Verwaltungsorganen für das Rechnungsjahr 1874 Decharge ertheilt. Sodann wurde die Wahl von 11 Mitgliedern des Auffichtsraths vorgenommen. Hierbei wur- den gewählt die Hecrrn Dr. med. Bette, Kaufmann Jof. Dietz, Kauf- mann Ernst Friedeberg, Präsident v. Gerhardt, Kaufmann August Kalkow, Kaufmann Lorenz Lippert, Direktor A. Mars, Kaufmann Otto Petshke, Geri&ts-Rath Stubenrauch, Stadtrath Voigt, Kauf-

mann Warnecke.

Das zweite Zela aus der Sudenburger Mas schinenfabrik hat einen verhältnißmäßig günstigen Verlauf ge- nommen. Die Produktion der Gießerei betrug 513,503 Ko. Guß- waaren, fast ausschliezlich Maschinenguß, welche in der Maschinen- fabrik zur Verarbeitung gelangten. Die Lieferungen der leßteren be- standen u. A. in 90 Patent-Schnitelpressen, 54 Dampfmaschinen, zum Theil mit Luft- und Wasserpumpen, 12 Knochenkohlen-Waschs maschinen, 11 Centrifugen, 2 Diffusions-Einrichtungen für Zucker- fabriken. Der Gesammtumsaß für abgelieferte Fabrikate 2c. ftellte fich auf 182,141 Thlr. Der erzielte Bruttogewinn beziffert sich auf 69/978 Thlr. Von diesem Betrage kommen in Abzug 1) die per 1874 gemachten Abschreibungen (2% auf Gebäude, 10% auf Ma- schinen, Werkzeuge ‘und Utensilien, 10 4 auf Modelle, 25 % auf Bücher-, Zeichnungen- und Patent-Conto) mit im Ganzen 14,500 Thlr., 2) Bankier-Provision mit 163 Thlr., 3) Hypothek- 2c. Zinsen 9743 Thlr., 4) Assekuranz-Prämien 882 Thlr., 5) für Verbrauch an Gas und Wasser 837 Thlr. Mithin hat fih ein Nettogewinn von 43,853 Thlr. er- geben; welcher, wenn man ein Aktienkapital von 350,000 Thlr. in Ansaß bringt, ca. 123% desselben darstellt, Die in 1873 begonnenen Bauten eines neuen Maschinen- uud Kesselhauses sind in dem ver- flossenen Jahre fertig gestellt, wie auch während desselben ein neuer Kessel gelegt ist. Die 300,000 Thlr. Aktien, welche die Gründer c. nach Maßgabe des in der Generalversammlung vom 29. Juni 1874 getroffenen Uebereinkommens gratis zu gewähren hatten, wurden der Berwaltung am 3. November 1874 eingeliefert. Die in {enem Uebereinkommen vorgesehene Aenderung der Hypotbekenverbältnifse ist inzwischen vollzogen und eingetragen. Die Hypothek von 200,000 Thlr. steht. nunmehr unkündbar in der Weise, daß dieselbe dur jährliche Theilzahlungen von 10,000 Thlr. bis zum Jahre 1894 getilgt wird. Eine besondere Erwähnung verdient der Umstand, daß die Gesell- haft über ein reihliches Betriebskapital verfügt. Am 31. Dezember 1874 waren außer dem Aktienkapital uud-der unkündbaren Hypothek an Pasfiven nur 6011 Thlr. Kreditoren vorhanden, dagegen an Aktien u. A.: 23,622 Thlr. Guthaben beim Banquier, 70,461 Thlr. sonstige Debitoren, 8048 Thlr, Kassa und Wechsel, 8668s Thlr. Materialien, 15,223 Thlr. fertige und halbfertige Fabrikate.

In Salzwedel, dessen Name bereits eine eins{lägige Vermuthung nahe legt, ist neuerdings, wie das dortige Wochenblatt berichtet, ein bedeutendes S alzlager entdeck worden. Der Geheime Kommissions-Nath Grundmann aus Kattowiß läßt seit dem Spât- herbst des Jahres 1872 auf dem am südlichen Abhange in der Nähe des Dorfes Altmersleben belegenen Kalkberge Bohrungen vor- nehmen. Die Muthung war auf Steinkohle gerichtet. Das zum Bohren ungünstige Erdreih, namentlich das dort befindliche harte Kalkgebirge, hat das Eindringen in die Erdtiefe nur langsam von Statten gehen lassen. Anfangs dieses Jahres förderte die Bohrung die exsten Proben von Steinsalz zu Tage. In vergangener Woche hatte der Bohrer eine Tiefe von etwa 980 Fuß erveicht, Die Tiefe des bis jeßt erschlossenen Salzlagers beläuft sih Gon auf 259 Fuß. Die Bohrungen sollen bis auf 2000 Fuß Tiefe fortgeseßt werden.

Aus den in der gestrigen Generalversammlung der Geselï- \chaft für Spinnerei und Weberei in Ettingen gehaltenen Vorträgen der Direktion und des Aufsichtsrathes ist Folgendes zu be- richten: Der Reingewinn, nach Abzug aller Auslagen und Lasten, be- trägt 215,466 Fl. Davon wurden zur Tilgung von Obligationen 81,800 Fl. verwendet, die Aktienäre erhalten 6 % Dividende und der übrig bleibende Reft des Reingewinns wird auf das Konto für Ver- vollkommnung des tehnishen Betriebs übertragen. Die Obligationen- huld, welche ursprünglich etwa 1,800,000 Fl. betrug, ist durch Til- gung aus den jährlichen Reingewinnsten nunmehr auf 258,600 Fl. herabgemindert. Die Vorschläge des Aufsichtsraths bezüglih der Er- neuerung der Karderie und die Deckung der Koften durch das Er- gänzungsfkonto wurden einstimmig von der Generalversammlung ge-

nehmigt. 5 Washington, 16, Mai. (W. T. B.) Schatz-Sekretär Bristow hat abermals für 5 Millionen Dollars Coupons Obliga-

tionen der */2cr Bonds von 1862 einberufen.

Verkehrs-Anstalten.

Cöln, 15. Mai. Die Betriebseinnahmen der Côln- Mindener Eisenbahn ergaben im Monat April c. eine Mehr- Einnahme von 589,096 4, wovon 405,143 ( auf die Strecke Venlo- Po fallen. Bisherige Mehr-Einnahme seit dem 1. Januar d. J.

222,531 M e ;

Die Betriebs einnahmen der Rheinischen Eisen- bahn ergaben im Monat April c. eine Mehr-Einnahme von 306,995 A Bisherige Mehr-Einnahme vom 1. Januar bis 30, April d. J. 1,001,286 M R ;

Die Generalversammlung der Aktionäre der Elisabeth- bahn vom 15. d. M,, bei welcher 75,000 Aktien vertreten waren, hat der Direktion nah Anhörung des Geschäftsberichts Decharge er- theilt und einen Zusaß zu den Statuten, betreffend das Verbot des Kostgeschäfts, genehmigt. :

Plymouth, 15. Mai. Der Dampfer „Lessing* von der A dlerlinie ift heute hier eingetroffen.

New-York, 17. Mai, Der Dampfer des norddeutschen Lloyd „Oder“ ift hier eingetroffen.

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