1875 / 124 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 31 May 1875 18:00:01 GMT) scan diff

ließ en Sich viele der Anwesenden vorstellen und besahen Sih einige Räumlichkeiten in der oberen Etage des Neuen Palais.

Um 5 Uhr begann die Fahrt dur die Königlichen Gärten. Im ersten Wagen saßen die Beiden Monarchen, im ziveiten vier- \pännigen Ihre Majestät die Königin von Schweden und die Kronprinzlihen Herrschaften. Die Prinzen und Prinzessinnen sowie das Gefolge schlossen sich in einer Reihe von Wagen an. Die Fahrt ging nah Charlottenhof, von da nah dem neuen Orangeriegebäude, nah Schloß Sansfouci, durch die neue Plantage, nah dem Pfingstberge, durch den Neuen Garten, am Marmor - Palais vorüber, durh Glinike nah Schloß Babelsberg, wo ebenfalls eine Umfahrt durch den Park gemacht wurde. Bis dahin haite der Garten Direktor Jühlke die Führung übernommen; in Babelsberg machten Se. Majestät der Kaiser und König Allerhöchstselbst den Führer. Auf dem Pfingstberg und an der Sieges\säule auf Babelsberg wurde ein kurzer Halt gemacht, um die Landschaft, die sh an diesem Nachmittage in ihrem ganzen Reize entfaltete, zu betrachten. In Babelsberg waren zwei Musikcorps aufgestellt ; im Innern des Schlosses war ein Gouter servirt. Die Allerhöhsten und Höchsten Herrschaften bewegten Sih zwei Stunden lang im Schloß und auf der Terrasse und begaben Sih gegen 84 Uhr nah der Station Neuendorf, von wo die Abfahrt nah Berlin in einem Extrazug erfolgte. Auf dem Wege dur die Parks wurde der

Königliche Zug überall von den enthusiastishen Kundgebungen

des Publikums begrüßt. 5

Heute Morgen fuhren Ihre Majestäten der Kaiser und König und der König von Shweden mit Extrazug nach Potsdam «und kehrten von dort, nahdem Allerhöchstdiesel- ben einem Erxerzieren der kombinirten 1. Garde-Infanterie-Bri- gade im Feuer beigewohnt, gegen 1 Uhr nach Berlin zurück. Nachmittags 4 Uhr wird ein Paradediner im Weißen Saale des Königlichen Schlosses und den angrenzenden Gemächern ftatt- finden, zu welhem gegen 300 Einladungen ergangen sind.

Ihre Majestät die Königin von Schweden be- suchte im Laufe des heutigen Vormittags in Begleitung Ihrer Kaiserlihen und Königlichen Hoheit der Kronprinzessin einige Sehenswürdigkeiten der Stadt. Allerhöchstdieselbe verließ heute Nachmittag um 3 Uhr Berlin mit der Anhaltishen Bahn, um Sich in Begleitung des Kammerfräulein Gräfin von Rosen, der Hofdame von Eketràä, des Ober-Kammerherrn Grafen von Cronstedt, des Kammerherrn von Lagerberg und des Leibarztes Professor Abelin nah Dresden zu begeben, woselbst die Anfunft um 6 Uhr erfolgen wird.

Der Bundesrath hielt am Sonnabend, den 29. Mai, die 16. Plenar-Sizung unter Vorsiy des Staats-Ministers Dr. Delbrü.

Eine Vorlage, betreffend die zu erlassenden Bestimmungen über die Aufnahme der Gewerbestatistik im Deutschen Reiche, wurde den betreffenden Ausschüssen überwiesen. Demnächst wurde eine Mittheilung gemacht, betreffend den Ab\ch{chluß einer Uebereinkunft mit Belgien über den Markenschut.

Hierauf wurden - Anträge gestellt, betreffend: a. das Ab- fommen mit Luxemburg wegen der Uebergangsabgabe vom Branntwein; þ. die Außercourssezung verschiedener Landes- münzen,

Es folgte die Beshlußfassung über den Abschluß einer Uebereinkunft mit Desterreih-Ungarn, betreffend den Marken- {huß, und über die bei der Pensionirung eines Militärbeamten in Anrechnung zu bringende, im Gemeindedienste zurückgelegte Dienstzeit.

Ausshußberihte wurden erstattet über a. die Prägegebühr, die Prägung von Goldmünzen für Privatrechnung u. \. w.; h. eine Petition wegen Bewilligung eines neuen Termins zur Einlösung von Kupfermünzen; c. die Erbauung eines "deutschen Krankenhauses in Konstantinopel; d, die Wahl der Mitglieder von Disziplinarkammern; die Beseyung einer Rathsftelle beim Reichs-Oberhandelsgericht.

Endlich wurden mehrere Eingaben vorgelegt.

Die vereinigten Aus\{hüsse des Bundesraths für Zoll- und Steuerwesen und für Rechnungswesen, sowie der Aus\huß für ZoU- und Steuerwesen hielten heute Sizungen.

Die vom Reichskanzler berufene Kommission von Sachverständigen für die Enquête über die Eisen- bahntarif-Reform hat heute im Reihs-Eisenbahnamt mit dèr Vernehmung der weiteren Sachverständigen begonnen.

Im weiteren Verlauf der Sißung des Herrenhauses vom 29. d, M. zogen nach dem Beschlusse über den §. 65 die Antragsteller sämmtliche zu Abschnitt V, des Entwurfes der Provinzialordnung vorliegenden Anträge zurück, wonächst die 88. 66—T71 ohne Diskussion nah den Kommissions-Vorschlägen genehmigt wurden. §. 72 lautet nah der Fassung der Kommission :

S. 72 (jeßt §. 67). (Zusammenseßung des Bezirksraths.) Der Bezirksrath besteht aus dem Regierungs-Präfidenten, beziehungsweise dessen Stellvectreter, als Vorsißendem, aus zwei vom Minister des Innern auf die Dauer ihres Hauptamts am Sitze des Regierungs- Präsidenten ernanntén höheren Verwaltungsbeamten und vier vom Provinzial-Landtag gewählten Mitgliedern. In gleicher Weise und in gleicher Zahl werden für die Mitglieder Stellvertreter ernannt be- ziehungsweise gewählt.

Auf die gewählten Mitglieder des Bezirksraths finden die Be- stimmungen des §8, 47, Absaß 4 und 5, sowie der §8 48—51 sinn- gemäße Anwendung.

8. 68, (Geschäfte des Bezirksraths in der allgemeinen Landes- verwaltung.) Der Bezirksrath hat bei der Beauffichtignng der Kom- munal-Angelegenheiten der Kreise, Amtsverbände und Gemeinden, bei der Beaufsichtigung der Schulangelegenheiten und des Wegebaues nach näherer Vorschrift der Kreis-, Gemeinde-, Schul- und Wege- ordnungen mitzuwirken. QVasselbe gilt von denjenigen Angelegenheiten der allgemeinen Landeëverwaltung, welhe durch besondere Gesetze dem Bezirksrathe überwiesen werden.

Sodann beantragte die Kommission, die §8. 73 bis 78 zu sireihen. Hierzu beantragte Herr v. Bernuth, diese Zusammen- sezung des Bezirksraths (§. 72) aus zwei Regierungsbeamten und drei Laien unter dem Vorsiß des Regierungs-Präsidenten eintreten zu lassen. Herr Brüning beantragte einen Zusaß, nah welchem Mitglieder der Provinzialregierung nicht Mitglieder der Bezirksregierung sein können. Obgleich der Finanz-Minister Camphausen (S. unter Landtagsangelegenheiten) den Antrag v, Bernuth befürwortete, wurde derselbe dennoch abgelehntj, dagegen der Antrag Brüning und mit diesem der §. 72 an- genommen. Die §8. 73—97 wurden ohne weitere Diskussion nach den Vorschlägen der Kommission genehmigt, ebenso au 8. 98, nahdem zuvor der Referent Herr Elwanger die Stel- lung, welche das Geseß dem Landes - Direktor zuertheile, klar gelegt hatte. Ohne Diskussion wurden ferner die §8. 99 bis 116 nach den Vorschlägen der Kommission genehmigt.

Für §. 117 beantragte die Kommission folgende Fassung :

(8. 117 (jeßt §. 106) (Grundsäße über die Vertheilung und Aufbringung der Provinzialabgaben.) Die Vertheilung der Provin-

zialgaben erfolgt auf ‘die - einzelnen Land- und Stadtkreise nah dem Maßstabe der in ihnen aufkommenden Klassen- uud klassifizirten Ein- kommensteuer, der halben Gewerbesteuer, mit Auss{luß der Gewerbe- steuer vom Hausirgewerbe, so wie der halben Grund- und Gebäude- steuer. E

Ferner beantragte die Kommission für die §8. 118 und 119 folgende von dem Abgeordnetenhause angenommene Fassung:

«S. 118, Bei dieser Nertheilung kommen die Behufs Aufbhrin- gung dér Kreis- beziehungsweise der städtischen Kommunalabgaben in den einzelnen Land- und Stadlkreisen nach den Vorschriften der S8. 14—16 der Kreisordnung vom 13. Dezember 1872, beziehungs- weise des §. 4 Absatz 3 der Städteordnung vom 30. Mai 1853 be- sonders veranlagten Steuerbeträge mit in Anrechnung. Dagegen bleiben die von einer Belastung mit Kreis- und Gemeindeabgaben ganz oder theilweise befreiten Steuerbeträge (§8. 17 und 18 der Kreisordnung, §. 4 Absaß 7 ff. der Städteordnung) mit Einschluß der Steuerbeträge der Militärpersonen außer Ansatz.“ h

„§- 119, Jn den einzelnen Land- uud Stadtkreisen erfolgt die Aufbringung der auf sie treffenden Antheile an den Provinzialabgaben gleih den übrigen Kreis- und beziehung\weise Gemeindebedürfnissen nah den Vorschriften der Kreisordnung vom 13. Dezember 1872, be- ziehentliß der Städteordnung für die jechs östlichen Provinzen vom 30. Mai 1853 und des Geseßes, betreffend die Verfassung der Städte in Neuvorpommern und Rügen vom 31, Mai 1853,“ ' j

Hierzu beantragte Herr Becker (Halberstadt), den §. 117 in der Fassung des Abgeordnetenhauses, jedoch unter Weglassung der Worte: „vom Hausirgewerbe“ wieder herzustellen. Sodann: ir J. 128 den ften Abfay zur fireihen, das Wort: „dagegen“ in „Ingleithen“ umzuändern und zwischen den Worten; „Steuer- beträge“ und „mit in Aurechnung“ die Worte: „auf Höhe der Staatssteuer, welche von dem ihnen zu Grunde liegenden Einkommen gzu entrichten are“ einzuschieben.

Das Haus beschloß, diese drei Paragraphen bei der Dis- kussion zusammen zu fafsen. Bei derselben betheiligten \sih die Herren Bredt und Becker (Halberstadt) gegen die Kommissions- vorschläge, eben so au der Regierungs-Kommissar, Geheimer Ober- Finanz-Rath Rohde, der die Beschlüsse des Abgeordnetenhauses zur Annahme empfahl. Baron v. Senfft-Pilsach stellte den An- trag, die Provinzialabgaben nur nah dem Maßstabe der in den Kreisen aufkommenden Klassen- und klassifizirten Einkommen- steuer zu vertheilen und Herr Hasselbach empfahl die Annahme des folgenden Antrages:

den 8. 117 tvié folgt zu fassen: „die Vertheilung der Provinzial- abgaben crfolot auf die einzelnen Land- und Stadtkreise nah dem Maßstabe der in ihnen auffommenden direkten Staatssteuern. Hier- bei bleiben sedoch a. die Gewerbesteuer vom Hausirgewerbe, b. die von einer Belastung mit Kreis- und Gemeindeabgaben ganz oder theilweise befreiten Steuerbeträge (§8. 17 und 18 der Kreisordnung, 8. 4 Absatz 3 der Städteordnung) mit Einschluß der Steuerbeträge der Militärpersonen außer Ansaß“, den §. 118 aber ganz zu streichen.

Dann wurde um 4 Uhr 5 Minuten die Diskussion auf heut vertagt.

8&n der heutigen, um 114 Uhr durch den Präsidenten Graf Dtto zu Stolberg-Wernigerode eröffneten (28.) Sizung des Herrenhauses wurde die am Sonnabend vertagte Debatte über die §8. 117, 118 und 119 der Provinzialordnung fortge- seßt. Am Ministertish wohnten den Verhandlungen der Vize- Präsident des Staats-Ministeriums, Finanz-Minister Camphausen, der Minister des Innern Graf zu Eulenburg, der Minister für die landwirth\schaftlihen Angelegenheiten Dr. Friedenthal und die Regierungs-Kommissarien Geheimer Ober-Regierungs-Rath Persius und Geheimer Ober-Finanz-Rath Rohde bei.

Zu den am Sonnabend bereits gestellten Anträgen lag noch dexjenige des Herrn H'obræcht vor, welcher die Verwerfung der Kommissionsvorshläge zu §. 117 und Wiederherstellung der Beschlüsse des Abgeordnetenhauses beantragte. An der Dis- kussion betheiligten fih die Herren O. v. Kleist-Reßgow, v. Mirbach und der Referent Dr. Ellwanger für die Vorschläge der Kommission, während Herr Dr. Baumstark sich gegen dieselbe und für die Beschlüsse des Abgeordnetenhauses erklärte, die Herren Bredt und Becker (Halberstadt) den von dem leßtgenann- ten Herrn gestellten Antrag vertheidigten und Herr Hasselbach scinen Antrag zur Annahme empfahl. Auch der Finanz-Minister Camphausen und der Regierungs-Kommissar Geh. Finanz-Rath Rohde nahmen Veranlassung, in die Debatte einzugreifen und die Annahme der Beschlüsse des Abgeordnetenhauses recht warm zu empfehlen.

Bei der Abstimmnng wurden sämmtliche Anträge zu 8. 117 abgelehnt (der Antrag Hobrecht auf Annahme der Be- {chlüsse des Abgeordnetenhauses in namentliher Ab- stimmung mit 47 gegen 44 Stimmen). Zu §. 118 wurden die Anträge des Herrn Beer (Halberstadt) und mit ihnen der Antrag der Kommission angenommen. Die §8. 119 bis 141, sowie Titel und Eingang des Gesehes wurden ohne jede Diskussion nah den Anträgen der Kommission genehmigt, ebenso auch das dem Geseg angehängte Wahlreglement, Dadurch wurden die vorliegenden Petitionen für erledigt erachtet.

f ee Schlußabstimmung über das ganze Geseh soll morgen erfolgen.

Bei Schluß des Blattes begann die Generaldiskussion über den Bericht der XI[. Kommission über den Ge- sehentwurf, betreffend die Ausführung der §8. 5 und 6 des Geseßes vom 30. April 1873 wegen der Dotation der Provinzial- und Kreisverbände.

Im weiteren Verlauf seiner Sizung am 29, d. M. ge- nehmigte das Haus der Abgeordneten den Gesetzent- wurf, betreffend die anderweite Regelung der Ver- pflihtung zur Leistung von Hand- und Spann- diensten für die Unterhaltung der Land- und Heer- straßen in der Provinz Posen in zweiter Berathung mit der einzigen, von dem Abg. Rickert beantragten Aenderung, daß die Worte: „nah Anhörung des Provinzial-Landtages der Pro- vinz Posen? in der Einleitung des Geseßzes gestrihen wur- den. Es genehmigte ferner in erfter und zweiter Be- rathung den Geseyentwurf, betressend die Einlösung und Präklusion von Staatspapiergeld, nah wel- chem die noch in Cirkulation befindlihen fkurhessishen Kassenscheine, die Noten der Landesbank zu Wiesbaden und die Darlehnskassenscheine nur noch bis zum 31. Dezember d. I, bei den von dem Finanz-Minister bestimmten Kassen zur Einlösung angenommen werden; doch wurden auf den Antrag des Abg. Dr, Petri auch die Scheine der vormaligen Landeskreditkasse in diese Maßregel mit eingeschlo}en. Desgleichen wurde der Geseh- entwurf, betreffend eine Abänderung des Gesches vom 24. März 1873 über die Tagegelder und Reisekosten der Staats- beamten in erster und zweiter Berathung angenommen, ebenso in zweiter Berathung der Gesetzentwurf, betreffend die Auflösung des Lehnsverbandes der nach dem Lehnreht der Kurmark, Altmark und Neumark zu beurtheilenden Lehne, zugleich mit der Resolution, die Königliche Staatsregiez

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rung aufzufordern, die Auflösung des Lehnsverbandes in allen preußischen Provinzen durch weitere Vorläge von Geseßentwürfen möglichst bald herbeizuführen. Endlih wurde in erster und

zweiter Berathung der Gesetzentwurf, betreffend eine Ergänzung des Geseßes über die Auflösung des Lehnsverbandes in Alt-, Vor- und Hinterpommern Die Sigzung

vom 4. März 1867, ohne Debatte genehmigt. {loß um 3 Uhr.

Inder heutigen (69.) Sizung des Hauses der Ab- geordneten, der am Ministertishe der Justiz-Minister Dr. Leonhardt, der Seer Dr. Achenbach und der Mi= nister für die landwirth\chaftlihen Angelegenheiten Dr. Frieden- thal 2c. mit zahlreihen Kommissarien beiwohnten, wurden die in dem voranstehenden Bericht zuleßt erwähnten fünf Geseßent- würfe in dritter Berathung definitiv genehmigt. Nur wurde der Einführungstermin in §. 5 des Gesetzentwurfs, betr. die an- derweite Regelung der Verpflichtung zur Leistung von Hand- und Spanndienften für die Unterhaltung der Land- und Heerstraßen in der Provinz Posen auf den Antrag des Abg. Wisselink unter Zustimmung des Handels-Ministers vom 1. Januar 1876 auf den 1. Juli 1875 verlegt. Ferner wurde ohne Diskussion in erfter und zweiter Berathung der Gesetzentwurf, betr. die Abänderung einiger Bestimmungen des Forstgeseßes für das chemalige Amt Olpe im Kreise Olpe, Regierungsbezirk Arnsberg, vom 6. Januar 1810 genehmigt. Der Gesezentwurf, betreffend einige Abänderungen der Vorschriften für die Ver - anlagung der Klassensteuer, wurde ebenfalls in zweiter Berathung genehmigt, jedoch Artikel 11. in folgender Fassung nah den Beschlüssen der Kommission, die jedoh heute zwei Ab- änderungen erfuhren, angenommen.

Art, 11. * Zum Zwecke der Klassensteuerveranlagung können: 1) Gemeinden und selbständige Gutsbezirke, welche eine örtlich verbun- dene Lage haben, miteinander, 2) Gemeinden und selbständige Guts- bezirke von abgesonderter Lage mit weniger als 500 Einwohnern mit benachbarten Gemeinden durch die Bezirksregierung (Finanzdirektion) unter Zustimmung der Kreisaus\{hüsse, beziehentlich in denjenigen Landestheilen, wo solche noch nicht vorhanden find, der Kreisvertre- tungen bez. in den Hohenzollernschen Landen der Amtsversammlungen, sowie nah vorangegangener Anhörung der Betheiligten zu einem Ein- \häßungsbezirke vereinigt werden.

Die Einwohnerzahl des kombinirten Einshäßungsbezirks darf in der Regel 1200 Seelen nicht übersteigen.

Für jeden solcher Eins{häßungsbezirke wird nur eine Einshäßungs- fommission (§. 10 a. a. O.) gebildet.

Den Vorfiß in derselben und die hiermit nach 8. 10 Litt. a. a. a. D. verbundenen Obliegenheiten hat der von der Bezirksregie- rung (Finanzdirektion) zu bestimmende Gemeinde- oder Gutsvorsteher beziehungsweise Amtmann oder Bürgermeister zu übernehmen.

Die Mitgliederzahl der Kommission wird auf die einzelnen Ge- meinden nnd Gutsbezirke nah Verhältniß der Einwohnerzahl ver- theilt, mit der Maßgabe, daß mindestens ein Mitglied jeder Gemeinde und jedem Gutsbezirke zugetheilt wird. Für Gutsbezirke treten die Vorsteher derselben oder deren Stellvertreter, beziehungsweise ein von dem Gutsvorsteher zu ernennender Einwohner des Einschäßungsbezirks als Mitglied in die Kommission ein. Sofern auf einen Gutsbezirk mehr als ein Mitglied entfällt, werden das zweite und die ferneren Mitglieder durch den Gutsvorsteher ernannt.

Die sonstigen Obliegenheiten der betheiligten Gemeindevorstände und Gutsyorsteher bezüglih der Klassensteuerveraulagung erleiden keine Aenderung.

Nachdem darauf das Haus den Rechenschaftsbericht über die Ausführung des Geseßes vom 26. Mai 1874, betref- fend die außerordentliche Tilgung von Staats\{hulden zu seiner Kenntniß genommen, genehmigte es bei Schluß des Blattes den vom Herrenhause in verändcxrter Fassung zurückgelangten Ent- wurf eines Gesehes, betreffend den fstandesherrlihen Rechtszustand des Herzogs v. Arenberg wegen des Herzogthums Arenberg-Meppen unter Zustimmung des Iustiz- Ministers Dr. Leonhardt.

Vis Ende April 1875 sind für Rehnung des Deutschen Reichs zur Einziehung gelangt: An Landes - Silber-=- müngen: 1) Thalerwährung: 86,892,150 /4 2) Süddeutsche Guldenwährung: 104,018,299 M 94 „Z. 3) Kronenthaler : 7,278,721 M 16 „S. 4) Konventionsmünzen des Zwanziggulden- fußes: 1,903,634 M 78 S. 5) Speziesthaler \{chleswig- holsteinishen Gepräges 1,530,000 # 6) Mecklenburgische Währung: 123,996 4 30 F. 7) Hamburgishe Kurantwäh- rung: 621,217 50 S Z. 8 Lübishe Kurantwährung: 217,663 a 20 „S. Gesammtwerth 202,585,732 M 88 _.

An Lande s- Kupfermünzen: 1) Thalerwährung : 368,813 M 45 Z. 2) Süddeutsche Guldenwährung: 69,867 46 38 _Z. 3) Mecklenburgishe Währung: 26,130 M Gesammtwerth 464,810 M 83 -.

Summe 203,050,543 M 71 S.

« Der Minister des Innern hat die Ober-Präsidenten er- mächtigt, den Königlichen Bezirksregierungen und Landdrosteien zu gestatten, die Standesamtsregister und Formulare zu den Register-Auszügen für das Iahr 1876, je nah Umständen, im Wege der beschränkten Submission oder frei- händig zu beschaffen, dabei aber bemerkt, daß die den Re- gistern 2x. nah Maßgabe des Reichs8geseßes vom 6. Februar cr. zu gebende Gestalt zur Zeit der Feststellung durch den Bundes -= rath unterliegt (§. 83 a. a. O.), daß daher bis zum Erlasse der bezüglihen Verordnung dem definitiven Abschlusse über die Herstellung der Standesamtsregister Anstand zu geben sein wird.

Die Bezirksregierungen und Landdrosteien sind Seitens des Ministers des Innern angewiesen worden, dem Wunsche des Königlichen Central-Direktoriums der Vermessungen hierselb|t entsprehend, der genannten Behörde fortan von jeder in ihren resp. Bezirken eintretenden Ortsnamen-Veränderung un=- mittelbar nach deren erfolgten staatlihen Genehmigung direkte Mittheilung zu machen.

Der Bundesraths-Bevollmächtigte, Senator der freien und Hansestadt Hamburg Dr. Schroeder, is von Berlin ab- gereist.

Der General der Jnfanterie von Blumenthal, kom- mandirender General des 1VY, Armee-Corps, welher auf einige Tage von Magdeburg hier eingetroffen war, hat fich dorthin zurückbegeben.

Der Oberst von Sodenstern, Abtheilungs-Chef im Kriegs-Ministerium, hat fich mit längerem Urlaub nah Gastein und dem Enghadin begeben.

Die zum Besuch des 15. Cursus der Artillerie-Schieß= \{hule kommandirten Königlih bayerischen Hauptleute find nach Beendigung des Cursus in ihre resp. Garnisonen zurückgekehrt, i

Der bisherige Spezial-Kommissarius in Frankfurt à. O., Regierungs-Rath Wulsten, ist in das Kollegium der Generala Kommission zu Cassel berufen worden,

Der in Aurih stationirte Oekonomie-Kommissar Krüger ist als Hülfsarbeiter in das Kollegium der General-Kommission zu Hannover eingetreten.

S. M. Knb. „Nautilus“ is am 28. cr. von Lissa- bon in Gibraltar eingetroffen. An Bord Alles wohl.

Dex heutigen Nummer dieses Blattes liegt der Fahr - plan bei, welcher füx die Rheinische Eisenbahn am 15. d. M. in Kraft getreten ift.

Der bleibende Aus\chuß des Handelstages hat als- bald nah Bekanntwerden des gegen die Handelsgerichte gehenden Beschlusses der Reichs-Iustizxommission die Berufung einer außer- ordentlichen Generalversammlung des Deutschen Handelstages be- \{chlossen. Am Sonnabend Vormittag trat im Oberlichtsaale des Rathhauses diese außerordentlihe Generalversammlung zusam- men, um den von der Reichs-Justizkommission gefaßten Be- \{luß, die Handelsgerichte zu streichen, zu erwägen. Nach- dem der Präsident des Deutschen Handelstages, Kommerzien- Rath Delbrück, darauf hingewiesen, daß niht nur der Deutsche Handelstag in mehreren seiner Versammlungen, sondern auhch der Deutsche Juristentag (1864) und der volkswirth\schaftliche Kongreß (1864) entschieden für Handelsgerichte eingetreten wären, entspann sich eine äußerst lebhafte Debatte. Der Versammlung war von Seiten des bleibenden Aus\{hus}ses folgende Resolution vorgelegt, die von der Versammlung angenommen wurde:

„Der Deutsche Handelstag hält auch nah Kenntnißnahme der Protokolle der Iustiz-Kommission des Reichstages und der gegen die Einführung von Handelsgerichten daselbft vorgebrachten Gründe an seinen auf dem ersten, dritten und vierten Deutschen Handelstage in Uebereinstimmung mit dem fünften Deutschen Juristentage und dem siebenten Kongreß deutscher Vokswirthe in Betreff der Handelsgerichte gefaßten Beschlüssen fest, da die für die Leßteren maßgebend gewesenen, in den stenographischen Ver- handlungen und Denkschriften des Handelstages und seines Aus- \chu}ses ausführlih niedergelegten Gründe in vollem Maße fort- bestehen.

| Der Deutsche Handelstag spricht daher die Erwartung aus, daß die deutshe Reichsregierung, wie ingleihen auch der Reichs- tag, dem ablehnenden Beschlusse der Justizkommission keine Folge geben werde.

Insbesondere vermag eine Einrihtung, der zufolge für die Beurtheilung gewisser Klassen von Rechtsfstreitigkeiten kauf- männische Beisißer zu den Amts- und Landgerichten zugezogen werden, die Einsezung selbständiger Handelsgerihte nicht zu ersetzen.“

a E waren bei der Versammlung 108 Handelsvereine und Handelskammern, darunter drei aus dem Elsaß.

Posen, 31. Mai. (W. T. B.) Der Rittergutsbefißer v. Mankowski, der erwiesenermaßen die Person, welche die Exkommunikation des Propstes Kick in Kaehme verkündet hatte, vom Bahnhof Samter nah Kwilcz beförderte, ist vom Kreis- geriht zu Samter wegen verweigerten Zeugeneides in Haft genommen worden.

Breslau, 26. Mai. Bezüglih der Ausführung des Ge- seßes, betreffend die Einstellung der Leistungen aus Staatsmitteln für die römisch-katholishen Bis- hümer und Geistlichen, ist Seitens des Ober-Präsi- diums der Provinz Schlesien an die Königlichen Regie- rungen der Provinz eine Instruktion erlassen worden, deren allgemeine Bestimmungen wir im Folgenden zusammenfassen :

Was die Einstellung der Leistungen anlangt, so führt der §. 1 des- Geseßes vom 22. v. M. diejenigen Diszesen, Dekegationsbezirke und Diszesan-Antheile auf, für welche die Bestimmungen zur Anwen- dung zu bringen sind. Danach bleibt der Diszesanverband des Bischofs Reinkens in Bonn ausgeschlossen. Ferner sind von der Maß- regel der Einstellung diejenigen Leistungen ausgenoinmen, welche für die Anstaltsgeistlihen bestimmt sind. Unter den Anstaltsgeistlichen sind die an offentlichen Anstalten fest angestellten Geistlichen, insbe- sondere die Strafanstaltsgeistlichhen zu verstehen, welche ihr Amt als ein Staatsamt bekleiden und deshalb selbst Staatsdien-r find. Diese erhalten dahec ihre Bezüge aus Staatsfonds unverändert fort. Eben- sowenig fallen die Religionslehrer an den öffentlihen Schulen unter das Gesetz, auh wenn sie Priester sind, da das Amt, welches sie be- fleiden, Überhaupt kein geistliches ist. Sofern diese Lehrer jedoch außer dem bezeichneten Amte noch ein besonderes geistliches oder Kirchenamt, z. B. cin Pfarramt, inne haben, so findet das Geseh auf das Einkommen aus diesem leßteren Amte selbstverständlich seine An- wendung.

Die Einstellung umfaßt die Leistungen, welche direkt oder in- direkt für den Episkopat, die von ihnen dependirenden Behörden und Institute, sowie für den Klerus bestimmt find. Von der Einstellung werden daher betroffen die Bischöfe selbst, die bischöflichen Stühle, die bis{chöflichen Behörden und Beamten, ferner die Domkapitel, Kollegiatstifter, déren Zubehörungen, fowie die Diszesaneuanstalten, als Priejter- und Kierikalseminare, Emeriten- und Demeritenanstal- ten und endlich die gesammte Geistlichkeit.

Was die Leistungen für die Geistlichen betrifft, so find darunter alle Aufwendungen, welche für den Klerus bestimmt sind, zu verste- hen, gleichviel ob die Bewilligungen direkt an die Geistlichen oder an Kirchen, Kirchengemeinden und Kirchenkassen erfolgt sind, sobald sie nur zum Unterhalt der Geistlichen dienen. Es gilt dies daher auch dann, wenn die Bewilligung eines Zuschusses ohne jede nähere Be- zeichnung des Zweckes erfolgt ist, und muß in folhen Fällen der Staatszushuß in Höhe des Betrages eingezogen werden, den die Geistlichen aus der Kasse, zu welher der Zuschuß flièßt, beziehen.

Der Einstellung unterliegen sämmtli ch e Leistungen aus Staats- mitteln an die Geistlichen. Es kommt hierbei weder auf den Rechts- grund an, auf welhem die Lea beruhzn, noch auf den Termin der Fälligkeit. Es unterliegen daher auch diejenigen Leistungen der Einstellung, welche auf rechtlicher Verpflichtung beruhen, und ebenso wenig dürfen nachträglih diejenigen Leistungen gewährt werden, welche yor dem Termin der Einstellung {on fällig waren, aber aus irgend welchem Grunde noch nicht abgehoben sind. Jede Leistung hört mit dem 26, April auf. :

Unter sämmtlichen Leistungen aus Staatsmitteln sind ferner nicht nur haare Besoldungen und Zuschüsse, fondern auch alle sonstigen materiellen Beihülfen zu begreifen, welche der Staat bisher zu den angegebenen Zwetten gewährt. Jnsbesondere fallen auch darunter alle Naturalpräfiationen an Getreide und Holz, ferner die Gebrauchs- und Nutungsrechte an Gebäuden und sonstigen Realitäten, sowie an Mo- bilien jeder Art. Bei den „besonderen Fonds“, deren der §. 1 des Ge- seßes gedenkt, wird für die Provinz Schlesien vornehmlich der Frei- kurgelderfonds in Betracht kommen.

Was die Wiederaufnahme der eingestellten Leistungen anlangt, fo ist dieselbe für den Umfang des Sprengels nach §. 2 des Gesehes davon abhängig gemacht, daß der.-im Amt befindlihe Bischof oder Bisthumsverweser der Staatsregierung gegenüber durch {\chriftliche Erklärung sich verpflichtet, die Geseße des Staates zu befolgen. Daneben i} für dên einzelnen Empfangsberechtigten in Gemäßheit des §. 6 die Wiederaufnahme der einzelnen Leistung von der Abgabe der schriftlichen Erklärung, dem Geseß zu gehorchen, abhängig gemacht. Da neben der schriftlihen Form vom Geseß sonstige Erfordernisse nit aufgestellt sind, so genügt jede“ einer amtlichen Stelle gegenüber abgegebene \chriftliche Erklärung des geseßlich vorgeschriebenen Juhalts.

Endlich werden die Königlichen Regierungen der Provinz seitens des Ober-Präsidiums ersucht, diejenigen Staats- und Kommungl-

behörden, welche bei der exekutivishen Beitreibung der Abgaben und Leistungen an die Geistlichen betheiligt find, auf die Befolgung des 8. 10 des Geseßes wegen Sistirung der administrativen Exekution a der Dauer der Einstellung der Leistungen aufmerksam zu machen.

__ 81. Mai. (W. T. B.) Der Weihbishof Wlodarski ist in der vergangenen Nacht gestorben.

Hannover, 29. Mai. (N. Hann. Ztg.) Das Provinzial- Konsistorium hat die Kirhen-Kommissarien, Kreis-Schulinspek- toren 2c. beauftragt, die Vorschläge zu Bewilligungen staatlicher Dienstalterszulagen 2x. für Volks\chullehrer bis zum 1. k, M. einzureihen. Zur Ausfüllung sind Formulare mitge- sandt, von denen für jeden Steuerkafsenbezirk eins bestimmt ist. Da die Zulagen vom 1, Januar 1875 an gewährt bezw. fortgewährt wer- den sollen, so soll wegen Bemessung der Dienstalterszulagen die Zahl der am 1. Januar 1875 vollendeten Dienstjahre eingetragen werden, z. B. 12, wenn der Lehrer im Laufe des Jahres 1862, 22, wenn er im Jahre 1852 angestellt is. Nach der Mit- theilung des Konsistoriums stehen zu den einmaligen persön- lihen Gehaltszulagen nur geringe Mittel zur Verfügung, keinenfalls mehr als pro 1874. Danach sollen die Vorschläge eingerihtet werden, bei welchen übrigens nur ältere Lehrer von mindestens 20 Dienstjahren und nur in besonderen Fällen auch Lehrer von 12 bis 20 Dienstjahren zu berücksichtigen sind. Nur folche Lehrer, welche mindestens 12 Jahre gedient haben, sind überhaupt aufzuführen, diese aber auch sämmtlih, soweit sie nicht bestimmungsmäßig von den Dienstalterszulagen aus- geschlossen und zu sonstigen persönlichen Zulagen nicht vorzu- \chlagen sind. Hat einer der aufzusuchenden Lehrer pro 1874 keine Dienstalterszulage empfangen, so foll der Grund davon kurz angegeben werden.

Magdeburg, 29. Mai. Der Ober-Präsident der Provinz Sachsen, Freiherr von Patow, Staats-Minister a. D., ist von seiner Urlaubsreise nah Italien wieder hier eingetroffen,

Hechingen, 26. Mai. Man schreibt dem „Schw. M.*: Gestern Abend kam General v. Werder hier an und wurde am Bahnhofe durch den Kommandanten der Burg Hohenzollern, durch den Oberamts- und Stadtvorstand und die Vertreter der Bürgergemeinde, sowie durch den Männerchor des Musikvereins, welcher einige patriotishe Lieder vortrug, empfangen. Der Ge- neral dankte für die ihm zu Theil gewordene Ehre und fuhr durch die beflaggte Stadt nah der Burg Hohenzollern, woselb|t er übernachtete und heute die Besichtigung der Burg und die Inspektion der Garnison vornahm. Mit dem Mittagszuge fuhr der General nach Karlsruhe zurü.

Bayern. München, 29. Mai. Prinz Otto wird aus Gesundheitsrüdcksihten seine projektirte Reise an den Rhein vor- läufig nicht antreten.

Unter Vorsiß des Ministers v. Pfeufer werden im Staats-Ministerium des Innern unter Zuziehung der. be- treffenden Referenten des Königlihen Kultus-, Finanz- und Justiz-Ministeriums Geseßentwürfe, betreffend Bestimmungen über die Verfassung und das Verfahren der Behörden der inneren Verwaltung, seit Anfang dieser Woche berathen,

Württemberg. Stuttgart, 29, Mai. Der heutige Staats-Anzeiger für Württemberg enthält eine Verfügung des Finanz - Ministeriums, nah welcher die Umwechselung der Münzen süddeutsher Währung mit dem 7. Juni beginnt, Eine Einlösung von auf süddeutshe Währung lautenden Bank- noten oder nicht württembergishem Staatspapiergeld findet nicht statt.

Die Kammer erledigte heute die Berathung des Ge- meinde-Waldgeseßes. Die Endabstimmung is noch nicht vorgenommen. Nächste Sizung Dienstag. Auf der Tages- ordnung steht u. A. die Berathung des Geseßes, betreffend Ab- änderungen und Ergänzungen des Notenbankgesetzes.

Neuß f. L. Gera, 28, Mai: (Leipz. Ztà) Das heutige Doppelgeburtsfest an unserem Fürstenhofe ist dies- mal besonders feierlih begangen worden. Se. Durchlaucht der Fürst vollendete heute das 43., die Fürstin-Mutter das 75. Lebens- jahr und zwar Beide in erfreulihstem Wohlsein. Zur Vorfeier fand gestern ein Konzert und Ball in der Gesellshaft „Casino“ statt, welcher verschiedene Räume des Fürstlihen Küchengartens zur Benußung überlassen waren. Der Garten war prächtig illuminirt, das Konzert fonnte aber der rauhen Luft halber niht im Freien stattfinden. Die Fürstlihen Herrschaften erschienen gegen Abend in der Gesellschaft, in welcher, nebst dem ganzen hiesigen Offiziercorps, auch die der Truppeninspizirung halber gegenwärtig hier anwesenden General-Major v. Scheffler, Re- giments-Comimandeur Oberst Graf Schlippenbach und andere Offiziere zugegen waren. Später war großer Zapfenstreich in der Stadt. Heute früh eröffnete den Festtag eine Militär-Re- veille. Alle Staats- und anderen öffentlihen Gebäude, fowie verschiedene Privathäuser hatten geflaggt. In sämmtlichen Schulanstalten fand durch alle Klassen eine dem Fest- tage geltende Feier statt. Um 10 Uhr Vormittags be- gann cine Festmusik des Herfurthshen Stadtorchesters vom unteren Rathhausbalkon und bald nachher der Festgottesdienst in der St. Salvatorkirche, veranstaltet vom Oberpfarrer v. Criegern. Mittag folgte große Parade, zu welcher auch die wegen Ein- übung mit dem Mausergewehr einberufene Reserve kommandirt war. Se. Durchlaucht der Fürst ershien, von Hurrahrufen des Militärs begrüßt, Punkt zwölf Uhr am Paradeplaß und wurde hier von den oben genannten fremden Offizieren begleitet, Vom Mittage ab fanden Festessen in verschiedenen Lokalen, sowie Nachmittags Konzerte und Abends Välle statt, während jeßt am Abend die Feuerwehr von Untermhaus mit Musik und Fackelzug sh nach dem Fürstlihen Residenzshlosse Dsterstein hinaufbewegt.

Oesterreich-Ungarn. Wien, 29. Mai. Die Kaiserin und die Erzherzogin Marie Valerie sind am 24. d. M. um 6 Uhr Nachmittags, der Erzherzog Franz Carl is am 25. d. M., Mittags, in Ischl angekommen.

Der Großherzog von Mecklenburg traf, der „Wien. Z.“ zufolge, am 23. d. M. in Gräfenberg zum Kur- gebrauche ein.

Der Reichs-Kriegs-Minister Frhr. v. Koller if heute von seinem Urlaube aus Baden zurückgekehrt und hat die kurren- ten Geschäfte wieder übernommen.

30. Mai. Heute Vormittag 111/24 hat auf dem dazu hergerihteten Festplaÿ unterhalb der Stadtlauer Eisenbahnbrüke die feierlihe Eröffnung des neuen Donau-Durch|ihs dur den Kaiser stattgefunden. Der Kaiser war von den meisten Erzherzogen begleitet. -Die Reichs-Minister Graf Andrassy, von Holzgethan, von Kaler, sämmtliche Mitglieder des österreichischen Ministerraths, viele Mitglieder des diplomatishen Corps, eine große Anzahl von hohen Civilbegmten und Generalen, der

nicderösterreihische Statthalter und Landesaus\chuß, der Bürger- meister Felder und die Gemeindevertreter der Stadt Wien, sowie eine große Anzahl anderer geladener Gäste wohnten der Feier bei. Minister Lasser hob in seiner Ansprahe an den Kaiser hervor, daß das schöpferishe Wort des Kaisers dem Werke die Entstehung gegeben, und daß dieses Wort die Opferwilligkeit aller dabei Betheiligten hervorgerufen habe; er wies sodann auf die großen Vortheile hin, die das Unternehmen für das ganze Reich, besonders aber für Niederösterreih und für die Reichs - Hauptstadt zur Folge haben werde, und {loß dankend mit einem enthusiastisch auf- genommenen dreimaligen Hoh auf den Kaiser. Der Kaiser er- widerte, daß er zu seiner wahren Freude das Werk vollendet sehe, dessen Beginn er erst vor verhältnißmäßig kurzer Zeit durch den ersten Spatenstih inaugurirt habe. Er hoffe, daß die vom Reihe, vom Lande Niederösterreih und von der Stadt Wien dafür gebrahten Opfer dur die in Aussicht stehenden Vortheile reihlih mwürden aufgewogen werden. Dadurch, daß die größte Ader des Wasserverkehrs näher an die Reichshauptstadt gerückt worden, sei zugleih die Bedingung gegeben, daß Industrie, Handel und Verkehr, auf deren Gedeihen er großes Gewicht lege, sh immer mehr befestigten, erweiterten und aufblühten. Nachdem der Kaiser hierauf den Miigliedern der Donau-Regulirungs-Kom- mission seine volle Anerkennung ausgesprohen, auch“ den Bau- unternehmern und Ingenieuren gedankt hatte, bestieg detselbe, von der ganzen Versammlung gefolgt, den festlih ges{chmüdckten Dampfer „Ariadne“ und fuhr auf demselben, von vielen anderen Dampfern begleitet, stromaufwärts durch das regulirte Strom- gebiet bis nah Nußdorf. Die Fahrt dauerte gegen 13 Stunden, und wurde der Kaiser während derselben von der auf beiden Ufern der Donau zusammengeströmten Bevölkerung mit enthu- fiastishen Zurufen begrüßi. Von Nußdorf aus begab \ich der Kaiser mittelst Wagen nah Schönbrunn.

Lemberg, 28. Mai. Ungeachtet des Widerspruhes der polnischen Abgeordneten gelangte im Landtage eine Zuschrift der Bauern und Ruthenen zur Verlesung, in welcher dieselben erklären, daß sie deshalb an der Berathung und Beshhließung des Propinationsgeseßes nicht Theil nahmen, weil sie mit den Prinzipien des Geseßes niccht einverstanden seien. Die Unter- zeichneten ersuchen \{ließlich, ihre Verwahrung in das Sizungs- protokoll aufzunehmen. Da dies jedoch der Geschäftsordnung zuwiderläuft, \o ließ der Vorfitende darüber abstimmen, ob der Landtag die Erklärung der Opposition einfah zur Kenntniß nehmen wolle, worüber fih eine geringe Majorität erst bei der namentlihen Abftimmung verneinend auss\prach.

Pest, 29. Mai. In einem am leßten Mittwoch abgehalte- nen Ministerrathe hat die ungarische Regierung die Vor- arbeiten für den künftigen Reichstag begonnen und au einige wichtige Fragen der Verwaltung ihrer Lösung zugeführt. Das Hauptinteresse in der öfilichen Reichshälfte konzentrirt sih gegen- wärtig auf die Wahlbewegung, die allenthalben bereits im Zuge ist. Die Wähler der innern Stadt Pest haben in einer am 26. d. M. abgehaltenen Versammlung einstimmig beshlo}sen, Franz Deak abermals zum Deputirten zu wählen.

Agram, 28. Mai. Der Banus theilt im Landtage mit, daß die Gesetzartikel über Abänderung der Strafprozeßordnung, über den Gebrauhch der Presse, über die Zusammenseßung der Geschworenenlisten für Preßgerihhte, über Aufhebung der Ketten- strafe und über die bedingte Beurlaubung der Sträflinge von Sr. Majestät dem Kaiser sanktionirt seien. Nah der Anmel- dung mehrerer Einläufe werden gemeinschaftlihe Reichstagsgeseßze publizirt. Der Aus\huß des kroatishen Juristenvereins hat beshlossen, für den 19. Oktober, als dem Jahrestage der Er- öffnung der Agramer Universität, einen allgemeinen kroatischen Juristentag in Agram abzuhalten.

Schweiz. Bern, 24. Mai. (K. 3.) Nah der offiziellen Mittheilung der Bundeskanzlei weist das Endrefultat jeßt für das Civilstands- und Ehegeseÿß 211,500 Ja gegen 201,733 Nein auf und für das Stimmrechtsgeseß 205,408 Nein gegen 201,401 Ja. Somit ift das erstere Geseß mit einer Mehrheit von 9767 Stimmen angenommen und das leztere Gese mit einer Mehrheit von 4007 Stimmen wver- worfen worden. Das leßtere geht nun an die Bundesversamm- lung zurück, welche sich beeilen wird, dasselbe in verbesserter Auflage dem Volke nochmals zur Vorlage zu bringen. Die Hauptursahe, welhe am Sonntag seine Verwerfung veranlaßt hat, war unzweifelhaft die Bestimmung, daß die Niedergelassenen und Aufenthalter \{chon nach einigen Monaten Niederlassung und Aufenthalt zur Theilnahme an der Abstimmung über Ge- meindeangelegenheiten berehtigt sein sollten.

Bekanntlih hatte der Bundesrath auf die Beschwerde der 94 katholishen Geistlihen des Jura gegen ihre Aus- weisung aus dem Kanton Bern, welche nah der neuen Bundes- verfassung unzulässig is, einen vermittelnden Beschluß dahin gefaßt, ehe er in der Sache selbst verfüge , vorerst von der Re- gierung des Kantons Becn eine {leunige Erklärung darüber zu fordern, was sie in der Angelegenheit zu thun gedenke. Diese Aufforderung erging an die Kantonalregierung unterm 27. März. Nach 5 Wochen antwortete leßtere, daß sie dem demnächst zu- sammentretenden Großeu Rath ein Geseh vorzulegen beabsichtige „Über den Privatkultus der vom Staate niht anerkannten Sekten.“ Der Berner Rath hat \fich denn auch am 10. Mai versammelt, jedoch lediglich eine vorberathende Kommisfion er= nannt, welche in einer der nächsten Sessionen über den Gegen=- stand Bericht erstatten soll. :

Basel, 28. Mai. Den „Basler Nalhrihten“ zufolge ist Marschall Bazaine seit einigen Tagen bei dem Grafen Perfigny am Quai des eaux vives in Genf abgeftiegen.

Belgien. Brüssel, 29. Mai. (W. T. B.) Das hiesige Zuhtpolizeigeriht hat von den Personen, welche wegen der am legten Sonntag vorgekommenen Ruhestörun- gen unter Anklage gestellt waren, zwei zu cinmonatlihem und zwei zu vierzehntägigem Gefängniß verurtheilt.

Großbritannien und Jrland. London, 29. Mai. (K. Ztg.) Lord Sandhurst wird demnächst das irische General-Kommando uiederlegen. Sein Nachfolger wird General Sir John Michel. Bis zum Jahresende werden sämmtliche eingeborne Truppen Indiens mit Snidergewehren bes waffnet sein. Während der Anwesenheit des Prinzen von Wales in Indien wird ein großes Heerlager in Delhi oder Agra versammelt werden; die indische Regierung kauft bereits in Saharunpore Pferde für die Reise des Prinzen.

27. Mai. Die auch von uns in leßter Nummer ge= brate Mittheilung, Gladstone werde in der nächsten Num- mer der „Contemporary Review“ einen Artikel über den „Prinzz Gemahl und Hof der Königin Victoria“ A wird von ihm heute in dex „Times“ dementirt. Prinz Louis K ayoleon besichligt, heute die Chathamer Werfte; die Dffigiers