1921 / 158 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 09 Jul 1921 18:00:01 GMT) scan diff

Und nun fragen Sie: Wie steht es in Oberschlesien? Sie werden fragen : Hat die Berliner Regierung gens getan, um den Gedanken über Oberschlesien in der Welt zu verbreiten? (Zurufe: Nein !)

Glauben Sie, daß wir in den lezten Monaten nicht fieber- baft gearbeitet haben? Glauben Sie, daß unsere Hände un- tätig gewesen sind, um in Oberschlesien helfend einzugreifen? Glauben Sie nicht, daß in persönlihen Rücksprachen hundertfältiger Art, allen Vertretern der alliierten Mächte kein Zweifel darüber gelassen ist, daß das Schicksal Oberschlesiens mit dem des Deutschen Reichs auf Gedeih und Verderb verbunden ist ? Unsere Botschafter in Rom, Paris und London, alle unsereVertreter auf dem Erdenrund sind seit Monaten tätig,um denGe- danken des Nechts für Oberschlesien vor der ganzen Welt aufzurichten. (Beifall.) Nur eins müssen Sie nit mehr denken: wir können das Srthikfal Oberschlesiens im Herzen Europas nicht mit der Waffe in der Hand entscheiden. (Zustimmung.) Das is unmöglich, aber, meixe Damen und Herren, wenn ih diesen Satz ausspreche, fo füge ih einen zweiten hinzu, und ih habe ihn in den lezten Tagen manch- mal auch Fremden gegenüber mit Nachdruck betont: So wenig wir daran denken, auf neuen Schlachtfeldern mit Stab und Stecken fann man dort nicht auftreten Europa zu beunruhigen, ebenso wenig kann jemand in der Welt annehmen, daß unsere oberslefisden Brüder und wir etwa dastehen sollen, wie es die anderen meinen, um uns ruhig den Hals abschneiden zu lassen. (Lebhafte Zustimmung.) Jedes Tier in der Natur und jeder freie AOT ist berechtigt, fh um die Heimat, um Haus und Hof, Weib und Kind zu wehren. Jeßt handelt es si aber um Oberschlesien, niht um eine isolierte Frage, die, losgelöst von der ganzen Politik, einer Lösung entgegengeführt werden kann. Nein, das Schicksal Oberschlesiens ist das Schicksal unseres ganzen deutshen Vaterlands. (Sehr richtig.) Vor einigen Tagen, als noch er Aufruhr tobte, und darauf in Deutschland manche Faust sich fkrampfhaft ballte, habe ich in einem Ge- \präh mit den französishen Botschafter in Berlin auf die großen Gefahren hingewiesen, und ich habe aus jenem Munde gehört, daß die Haltung Frankreihs bei einem Angriff der Neichswehr niht mißzuverstehen sein werde. (Pfui-Rufe.) Keine Pfui-Nufe, meine Damen und eien Mit Pfui-Nufen löfen Sie die Probleme der Politik nicht (sehr rihtig), sondern, meine Damen und Herren, diese großen Fragen europäischer Politik, sie werden nicht gelöst, indem wir tagen: Ihr in Berlin tut eure Pflicht nicht. Nein, wir müssen die großen Linien unserer Politik einhalten. Diese Linien waren allerdings in der Vergangenheit, wo wir eine Macht dar- stellten, unbekannt im Reiche der Politik.

Jett ist es der Gedanke des Willens zur Gerechtigkeit, des Willens zur Freiheit, des Willens zum großen Gedanken der demokratishen Selbstbestimmung Europas, der unserem Volke noch die Freiheit retten kann. Ich weiß nit, wie man sich beim Zustandekommen des Friedensvertrages von Versailles in den alliierten Kreisen den Gedanken des Rechtes vorgestellt hat. Jst das nur leerer Schein gewesen, daß in Oberschlesien ab- gestimmt werden sfolltes Hat man nicht gerade polnischen Wünschen willig ein Ohr geliehen, als man gerade diejes Stü zur Abstimmung herauêgeschnitten hat? Nein, meine Damen und Herren, solange in Schlesien im kommenden Jahrhundert noch der Gedanke der Freiheit einen Klang hat, nnd er wird ihn immer haben, werden die Alliierten niemals das Ergebnis der Abstimmung, das über- wältigend für Deutschland ausfiel, aus der elt schaffen können. (Bravo!) Niemals wird irgendein Volk der Welt über dieses Plebiszit zur Tagesordnung übergehen können. Das ist der Ausdruck des demokratishen Willens gewesen, und wer daran rührt, wer an diesem Selbstbestimmungsrecht Oberschlesiens rührt, der legt die neuen Keime eines neuen großen europäischen Brandes, der seßt den Todeskeim hinein in eine wiederaufblühende europäische Kultur und Zivilisation. Laßt die Finger davon! rufen wir heute den alliierten Machthabern zu, laßt die Finger von dem obers{lesishen Volk und von seiner Freiheit, sorgt für Ruhe und Ordnung, das ist die Pflicht der alliierten Mächte und dexr inter- alliierten Kommission in Oberschlesien. Sie haben die \roße, die heilige Pfliht vor der ganzen Welt übernommen, Treuhänder dieses deutsckden Landes zu fein. . Man wird in ‘en europäischen Geschichtsbüchern einstens fragen, ob die interalliierte ®ommission ihre Pflicht als Wahrerin und Behüterin des deutschen

‘echtêgedankens erfüllt hat. Der Gedanke der Selbstbestimmung izn nit aus der Welt ges{chafft werden. Das oberschlesische Volk t gesprochen. Dieser Ruf muß beachtet werden. Diesen Nuf [ten wir beute, indem wir dem oberschlesis{en Volk unsere Hände chen, erweitern zu dem großen Chor der deutschen Volksgemein]|chaft, E den {weren Schiksalsschlägen wohl gebeugt, aber nicht erzweifelt ist.

Lassen Sie, verehrte Damen und Herren und liche Volks- gencssen, mich {ließen mit dem Wunsche: Wir wollen mit der preußischen Staatsregierung besorgt sein, die Wunden ras zu heilen. Wir wollen dankbar anerkennen, was in Oberschlesien Großes ge- schehen ist an Heldenmut, an Ausdauer, an Gottvertrauen, an Ver- trauen zu unserem lieben deutshen Vaterlande. Was ist denn das Größte in all diesem unerträglichen Leid, das über uns gekommen ist? Schauen Sie nah dem Rheiu, {hauen Sie nach Ostpreußen, und jeßt nah Oberschlesien : der Jammer des Bürgerkrieges, die Drang- fale dres am Rhein, alles wird \chließlich doch übertönt und überwur den durch die große, mächtige Liebe unseres teutschen Volkes zur nationalen Einheit. Dieje Lebe, die wir vielfah in den Stürmen der Umwälzung versunken glaubten, diese Liebe zum Volke, diese Liebe zur Freiheit ist mächtig wiederaufgelebt. Diese Vebe, und einzig sie, wird alles überwinden. Sie wird groß und mächtig sein und uns einst wieder der Freiheit, einem neuen Glü und neuer Wohlfahrt entgegenführen. Schlesishes Volk, Glüdckauf! Nicht verzweifeln, in Einigkeit zusammenstehen, die Stimme erscallen lassen über die Erdenrunde zu allen Völkern hin: Gerechtigkeit auch für das besiegte Volk! In Eintracht wollen wir dem Gedanken der Menschheit dienen. Glückauf! Jhr Oberschlesier, verzweifelt niht, das deutsche Vaterland hofft auf Euch und reicht Cuch die Hand, die Hand der Dankbarkeit und unverbrüchlicher Treue !

Nach Meldungen des „Wolffshen Telegraphenbüros“ find die aus Anlaß der Vorgänge in Beuthen, in deren Verlauf der französishe Major Montalègre zu Tode gekommen ist, seit einigen Tagen in Haft gehaltenen Geiseln gestern von den Engländern aus der Haft entlassen worden, bis auf den Ersten Bürgermeister, Dr. Stephan, dem mitgeteilt wurde, daß er aus dem Abstimmungszgebiet ausge- wiesen werde. Es ist bezeihnend, daß man von den Geiseln vor der Entlassung die Unterzeihnung einer Er- flärung verlangt hat, daß sie während der Haft human be- handelt worden seien. Ein Teil der Geiseln hat die Unter- zeichnung dieser“ Erklärung grundsäßlich abgelehnt. Der Magistrat der Stadt Beuthen hat auf die Ergreifung des Täters, der den Major Montalègre erschossen hat oder auf die Veibringung von Angaben, die geeignet sind, eine restlose Auf- fläing des Vorfalls herbeizuführen, eine Belohnung von 15000 M ausgeseßt.

Württemberg. Die Konferenz der Ernährungs- und Landwirt- a itsm inister der Länder, . die gestern in Stuttgart unter ven Vorsiß des Reichsministers Dr. Hermes zusammentrat, ¿lte den Stand der Kunsitdüngerversorgung und Maßnahmen, die zur Hebung der Produktion zu er- areifen find. In sachliher Aussprache wurde die erhöhte Ver- nung von Kunstdünger für landwirschaftlihe Zwecke als ; der ersten und wichtigsten Mittel zur Förderung der land- ifilichen Erzeugnisse von allen Seiten anerkannt. Die ¿nahme der Konferenz wurde laut Bericht des „Wolfsschen

Telegraphenbüros“ in folgenden Leitsäßen festgelegt, denen alle Teilnehmer zustimmten: j

Die Konferenz ist übereinstimmend der Anschauung, daß die ver- mehrte Kunstdüngerverwendung das wichtigste Mittel zur Förderung der landwirtscaftlihen Erzeugung ist. Es sollen deshalb in enger Zusammenarbeit von Reih und Ländern, von Landwirtschaft, Sndustrie und Handel alle Wege, die zu diesem Ziele führen, be- schritten werden. In erster Linie is der Weg fortdauernder Auf- flärung zu beshreiten, wobei Veranstaltungen von landwirt- \chaftlihen Versuchen, die alle Kunstdüngerarten berücksichtigen, in möglichsst weitem Umfange in Frage kommen. Ferner ist der Weg der Anlage von Beispielswirt]haften zu wählen, die neben der Anwendung von Kunstdünger die Vorteile einer rationellen Bewirtshaftung überhaupt (bessere Bodenbearbeitung, Anwendung von ausgewähltem Saatgut) vor Augen führen. Dazu sollen vom Reih im Benehmen mit den LUndern einheitlite Richtlinien aufgestellt werden, während die Auffklärungsarbeit felbst an Hand dieser Richtlinien von den einzelnen Ländern zu leisten und den verschiedenen Verhältnissen ihrer Landwirtschaft an- zupassen wäre. Wegen der Ausführung der Versuche in den einzelnen Ländern scheint eine Regelung in dem Sinne zweckmäßig, daß den Hochschulen die Bearbeitung der wissenshaftlihen Grundlagen vor- behalten wird. Daneben sollen die etwa vorhandenen provinziellen Forschungsinstitute alle prafktishen Wirkungen feststellen, vornehmlich jedo die landwirtschaftlihen Schulen und landwirtschaftlihen Be- rater die Durhführung der Maßnahmen übernehmen. Die dem Reich zur Verfügung stehenden Mittel sollen an die Länder nah einem Maßabe verteilt werden, der den Bedürfnissen der Aufklärung in den einzelnen Ländern eutspriht und möglichst allen den Erfolg sichert.

Die Konferenz hat weiter einen Beschluß angenommen, daß die zurzeit E bestehende Negelung für den Verkehr mit Kaffeeersaßmitteln mit dem 1. August d. J. außer Kraft treten soll, und mit überwiegender Mehrheit den Vorschlägen des Reichswirtschastsministeriums und des Reichsernährungs- ministeriums über die Aufhebung der Verordnung über den Handel mit Lebens- und Futtermitteln vom 24. Juni 1916, über den Handel mit Tabak vom 8. Juni 1917 und mit Wein vom 31. August 1917 zu- gestimmt. Der Erlaß einer entsprechenden Verordnung wird demnächst erfolgen. Der Großhandel mit Lebens- und Futtermitteln, mit Tabak und Wein wird damit von den Vorschriften befreit, die den Beginn des Groß- handels von einer behördlihen Genehmigung ab- hängig machen.

Auf Anregung der württembergishen Regierung gab der Präsident der Reichsgetreidestelle eine Uebersicht über die grundsäßlihen Aenderungen im Verkehr mit Getreide. Die Umlage von 25 Millionen Tonnen, das heißt der achte Teil nah dem Durdch- schnitt der Ernteergebnisse der leßten fünfzehn Jahre, der sechste Teil der Ernte des Vorjahres und nur zwei Drittel der im vorigen Jahre von der E erfaßten Getreidemengen bedeute - cine Abkehr von der bisherigen Für die Ablieferung hafte der Erzeuger, Kom- munalverband und das Land. An der Reisebrotmarke müsse festgehalten werden. Die Brotversorgung für die Uebergangszeit sei durch Einfuhr sichergestellt. Eine Erhöhung der Kochmehlration könne augenblicklich ‘nit in Frage kommen.

Regelung.

Großbritannien und Frland.

Auf der vorgestrigen Sißung der Reichskonferenz wurde Blättermeldungen zufolge die Haltung des britischen Neiches gegenüber den europäishen Angelegenheiten erörtert. Beionders kam die Frage der französisch-englischen Beziehungen ausführlih zur Sprache. Der „Daily Telegraph“ teilt mit, daß die bisherigen Sihungen der Reichskonferenz zu einem allgemeinen Einverständnis bezüglich der Reichspolitik ge- führt hätten. Ueber die allgemeinen Richtlinien der im Stillen Ozean und im Fernen Osten zu befolgenden Politik sei eine Einigung erfolgt. Große Hoffnung werde bezüglich der offiziellen Erörterungen zwischen den Mächten des Stillen Ozeans ge- hegt. Die Auffassung der Reichskonferenz sei, daß die be- sondere Freundschaft mit Japan mit der freien Entwicklung Chinas und mit der engen Zusammenarbeit mit den Ver- einigten Staaten in Einklang gebraht werden müsse. Zum english-japánishen Vertrage verlaute, daß er ent- sprechend den Völkerbundssaßzungen abgeändert werde. Ueber die Frage der Reichsverteidigung seien sehr wichtige Be- \prehungen abgehalten worden. Ferner habe ih die Reichs- fonferenz mit der allgemeinen Politik der Regierung im nahen Osten hinsichtlich Mesopotamiens und Palästinas einver- standen erflärt. Die Premierminister würdigten vollauf die Schwierigkeiten der Regierung bezüglih Europas und billigten den Geist, in dem diese Schwierigkeiten behandelt wurden. Bei der Erörterung der auswärtigen Politik wurden von seiten der englischen Regierung ausführliche Erklärungen über Oberschlesien, über die Frage der deutschen Garantien und des beseyten Gebietes sowie über den griehisch-türkishen Konflikt abgegeben. Wegen der Einwanderungsfrage und der Ausschlußgesege in den Dominions seien Schwierigkeiten nicht entstanden, da sowohl Indien als auch Japan das Recht der Dominions anerkannt haben, über den Charaëter ihrer eigenen Bevölkerung zu ent- scheiden. Schließlih kam die Frage der Reichs verbin- dungswege zur Sprache, die einem besonderen Aus\{huß unter dem Vorsiß Churchills überwiesen wurde. Man erwartet, daß die Konferenz noch etwa zwei Wochen tagen wird.

Nach einem amtlichen Bericht hat die Reichskonferenz heute die Besprehung über den Völkerbund wieder auf- genommen, Auch Lloyd George und Lord Curzon haben an den Besprechungen teilgenommen. Weiter heißt es in dem Bericht, sämtliche Redner hôötten einstimmig den hohen Wert des Völkerbundes anerkannt und zugegeben, daß er berechtigt sei, die vollständige Unterstüßung des britishen Reichs zu genießen. Man sehe in dem Völkerbund einen wirklichen Fort- \chritt für die Negelung der internationalen Angelegenheiten.

Die Beratungen der irishen Konferenz wurden gestern vormittag fortgeseßt. Ueber die Verhandlungen wird Frengsies Schweigen beobachtet. Nach einer amtlichen Reuter- meldung ist vereinbart worden, daß die Feindseligkeiten in Jrland am Montag eingestellt werden sollen.

Im Unterhause urn HON die Frage des R ee- gierungszuschusses von 10 Millionen Pfund Ster- ling für die Bergleute erörtert. Hierbei kam es zu heftigen Zusammenstößen zwischen Lloyd George und Robert Cecil. Leßterer kritisierte die „heftige und unkluge Rede“, die der Premierminister Ende März gegen die Arbeiterpartei ge- halten habe. Lloyd George erwiderte, er habe nur die Arbeiter- partei, nicht aber die Arbeiterklasse angegriffen. Fn der Arbeiter- partei hätten extreme Elemente, die fih im Hintergrunde auf- hielten, die Vorherrschaft.

“Frankreich.

Die Reparationskommission hat gestern das leßte Protokoll der Restitutionsangelegenheit, das ih auf die Rüg erstattung der Flußfahrzeuge" bezieht, fertiggestellt. liegen jeßt die Protokolle zur Resftitution in nachstehender Nelbento ge vor: 1. Allgemeines Protokoll über die Grundlage der Restitutionen. 2. Restitution von Tieren. 3. Restitution von Jndustrie- und Eisenbahnmaterial. 4. Restitution von Möbeln umd Gegenständen, Geld und Wertpapieren. 5, Resti; tution von Flußsahrzeugen.

2 Gestern brachte der Finanzminister Doumer in dey Kammer das Budget für 1922 ein. Laut Mitteilung dez „Wolff'schen Telegraphenbüros“ sind die außerordentlichen Ausgaben- zum ersten Male seit dem Kriege unterdrückt. Es bleiben neben dem ordentlihen Budget nur noch die Ausgaben für den Wiederaufbau, die gedeckt werden sollen entweder dur kommunale Anleihen oder durch Vor\chüsse des Credit National oder \cließlich durh den Verkauf deutscher Obli- gationen in neutralen Ländern. Das Budget für 1999 schließt in den Ausgaben mit 25 426 000 000 _: res. ab, An Einnahmen weist der Entwurf 25 514 000 000 Fres., also einen Ueberschuß auf. Die Einnahmen sollen bestritten werden aus direkten und indirekten Steuern in Höhe von 19 420 000000 Francs. Jur Deckung des Restes von 6 Milliarden Francs ollen die Einnahmen aus den Verkäufen der Kriegsvorräte der verbündeten Armee und die Einnahmen aus der Kriegsgewinn- abgabe dienen. :

Der Finanzaus\chuß der Kammer verhandelte estern mit dem Kriegsminister Barthou über die Kredite, bit für die französishen Beseßungstruppen in der Levante verlangt werden, und über die finanziellen Folgen der Militärgeseßentwürfe, die jüngst von der Regierung angenommen wurden. pas seiner Ansicht sind Kredite im Betrage von 5 Milliarden für den Effektivstand von 660000 Mann notwendig, den das neue Militärgeseß vor- sehe. Der Ausschuß seßte einen Unteraus\{huß ein, der alle Noudelen Fragen prüfen soll, die die nationale Verteidigung etreffen.

Schweden.

Der Verwaltungsrat des Jnternationalen Arbeits: büros erörterte vorgestern die Verbindung, die zwischen den internationalen Arbeitsorganisationen und dem Völkerbund ge Ge werden soll. Die Arbeitgebergruppe übergab eine Ent \{ließung, in welcher dem „Wolffschen Telegraphenbüro“ zu: folge erklärt wird, daß die Bildung anderer offizieller Ver: bindungen als solcher, die im Friedensvertrag ausdrüdli vorgesehen sind, gegen den Vertrag sei. Der Direktor des Arbeitsbüros wurde ermächtigt, an den Sigungen des Völkerbundes teilzunehmen, um die Gesichtspunkte dez Verwaltungsrais in den Erörterungen über die internationalen Arbeitsorganisationen zu verteidigen, Ferner wurde beschlossen, ‘in das Programm der Generalkonferenz im Fahre 1922 Fragen über die Auswanderung aufzunehmen und einen: internationalen Ausshuß für die C frage nah Genf auf den 2. August einzuberufen. Scließlih wurde A Antrag Englands beschlossen, ‘daß das Büro die Systeme der geseßlihen Lohnregelung, die in den ver ena Ländern Hagn sind, besonders mit Bezug auf

ie niht oder nur unbedeutend. organisierten Jndustrie- und Gewerbezweige, untersuchen soll. Die nächste Sigung des Nats findet am 19. Oktober in Genf statt.

Türkei.

Blättermeldungen zufolge hat Mustapha Kemal Pasa den englischen Befehlshaber vor eiaigen Tagen um eine direlle Unterredung über die zwishen ihm und den Allierten \hwebenden Fragen ersucht. Der General Harrington er widerte, er sei bereit, mit Mustapha Kemal Pascha in jedem beliebigen Hafen des Schwarzen Meeres zusammenzutreffen. Eine Antwort auf diesen Vorschlag ist noch nicht eingetroffen.

Der amtliche türkische Bericht vom 8. d. M. dh daß die Türken die Griechen im Süden von Sundburg 1) angegriffen und gezwungen haben, sih zurückzuziehen. Jsmidabschnitt haben die Türken die Verfolgung der Griechen fortgeseßt, die sich nah Westen zurückziehen.

Asien. i

Nach einer Meldung des „New York Herald“ hat dit

japanische Regierung, entgegendem Worilaut ihres.Mandats,

auf den ehemals deutshen Marianen-Jnseln und auf

den Bonin-Jnseln große Befestigungsarbeiten be gonnen.

Preußischer Landtag. 37. Sißung vom 8. Juli 1921, Mittags 12 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger*))

Den Vorsiß führt Vizepräsident Garn ich.

Auf der E stehen zunähst vier kleine An- fragen. Eine Anfrage der Deutschen Volksparte! bringt zur Sprache, daß von dem Betrage von 2 Millionen Mark, um welhen im Haushalt des Ministeriums für et anl Kunst und Volksbildung die Dienstaufwand- entschädigungen für Kreisschulräte durh Beschluß der Preuß!- schen T: erhöht worden sind, das Fina! ministecium nur eine Million angewiesen hat und si weigert, die zweite Million zu zahlen. j

Geh. Rat Kaestner: Durh den Staatshaushaltsplan für 1920 waren für den Dienstaufwand der Kreisshulräte im Ordinarium 705 296 M, im Extraordinarium 668 000 M bereitgestellt. Da s diese Beträge bei der Steigerung aller Kosten, wie bei den andere! Staatsbeamten, auch hier als unzulänglich ertiesen, sind dur den Nachtragsetat 20 Millionen für alle beteiligten Beamten na gefordert und bewilligt worden. Hiervon hat der Finanzminister der Unterrichtsverwaltung eine Million für Kreisschulräte zur Vet- fügung gestellt. Dieser Betrag entspriht niht nur dem Verhält- nis ju den übrigen elten Beamten, sondern er is shon n! Rücksicht auf die von den Kreis\hulräten übernommenen Geschäfte der Ocrtsschulinspektion über den Verhältnissay erhöht. Außerdem hat sih der Finanzminister bereiterklärt, in dem Staatshaushalts plan für 1921, dem Antrag des Ministers für Wissenschaf un und Volksbildung E end, einen Betrag von dur chnittli 8000 M als Dienstauswandsentshädigung für jede Kreis\chulrats- stelle einzustellen. Unter diesen Umständen hat sich die Unte richtsverwaltung damit einverstanden exklärt, daß die nacträglide Verstärkung der erwähnten Fonds für das Fahr 1920 mit einer Million Mark als ausreichend bezeihnet wurde.

*) Mit Ausuahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Redett der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind,

Abg. Biester (D.-Hann.) fragt an, ob dem Staatsministe- rium bekannt ist, daß eine Anzahl von Kreistagen die Wahl zu Mitgliedern der Ea ohne Rücksicht auf sachliche Fenntnisse, einzig na parteipolitishen Gesichtspunkten durh- eführt hat. Ein solches Vorgehen, wie es u. a. im Kreise Linden S im Landkreise Hannover beliebt worden ist, lasse eine För- derung der Viehzucht nicht erwarten. . E i

Der Regierungsvertreter erwidert, daß ‘die Staats- regierung Veranlassunÿ genommen hat, durch den Regierungs- räsidenten auf Remedxx hinwirken zu lassen. :

Auf eine kleine Anfrage der Deutschen Volkspartei, die auf die steigende Unsicherheit auf dem Lande, insbesondere in Nassau und im Kreise Weßlar Bezug nimmt, wird von dem Ver- treter des Staatsministeriums erwidert, daß Maßnahmen in der Durcführung begriffen sind, einen weitergehenden Schuß der Abbe erung gegen Raubüberfälle und dergleihen zu

aghrleijten. gewä Sozialdemokratische Partei hat den Umstand, daß nach verbürgten Nachrichten aus dem Kreise Westprigniß der Pegierungspräsident Schleusener dem Landrat Willigmann in Perleberg untersagt haben soll, an politishen Versammlungen und Reranstaltungen teilzunehmen, zum Gegenstand einer kleinen An- frage gemacht.

Die Staat8regierung läßt erklären: Es ist. nit rihtig, daß der Regierungspräsident Schleusener dem Landrat Killigmann ‘die Teilnahme untersagt hat. (Heiterkeit rechts.)

Dex Entwurf eines Gesetzes über Aende- eunga) der Verordnung, betreffend. ein verein - fahtes R GELELT KIAT N, vom 11. Sep- ‘ember 1914, b) des Gesetzes, betreffend die Be- fanntmahung landesherrliher Erlasse durch die Amtsblätter vom 10. April 1872 geht nah einer kurzen, vom Vertreter des Handels3ministers gegebenen Begründung ohne weitere Erörterung an den Rechtsaus\chuß.

Dex Gesetzentwurf über den Stiaatsver- trag, betreffend den Uebergang der Wasser- straßen von den Ländern auf das Reich, wird abermals an den Hauptausschuß zu erneuter Berichierstattung zurückverwiesen. ;

Es folgt die zweite Beratung des Gesetent- wurfs, durxh den die Bewilligung weiterer Staatsmittel im Betrage von 168 Millionen Mark für die Erweiterung und Einschleu- sung des Fishereihafens Geestemünde ange- fordert worden ist. Der Hauptausshuß hat die Vor- lage angenommen und die Bewilligung empfohlen.

Berichterstatter Abg. Dr. R o \ e (D. Vp.) legt in ausführ- lihem Vortrage die Notwendigkeit dieser Bewilligung dar.

Das Geseß wird in zweiter und sofort auch in dritter Lesung angenommen.

Die Besprechung der großen Anfrage der Sozial demokraten über die Kündigungen von Heuer- lingspahtverträgen in Westfalen undimRe- gierungs8bezirk Osnabrüdck wird fortgeseßt.

Abg. Meyer - Rheine (Soz.): Die Heuerlinge sind ‘nichts anderes als landwirtschaftlihe Arbeiter, wenn auch besonderer Art. Die Pacht spielt bei den Verträgen keine aroße Rolle, sondern die Lute werden zur Arbeit angenommen. Sie schLeien täglich nah einer Pachtshubordnung, denn die großen Landbesißer, wie die Serzöge von Croy und die Fürsten Salm-Horstmar und Salm- Salm, nehmen thnen unerhört hohe Pachtpreise ab; sie begründen das damit, daß die Fürsten so viel Steuern und das Reichsnot=- opfer zu tragen haben, dabei werden aber die Realstenern von den Pächtern geleistet. Einem Pächter, der seit 1740 in sether

Pacht saß, ist jeßt gekündigt worden, und Seine Fürstl. Durch-

laut hat ihm als Gnade eine andere ganz verfallene Stelle ge- geben. Die Antwort der Regierung befriedigt uns 'niht; wenn auch eine Novelle zur Pahtschubordnung in Aussicht gestellt ist, so muß \sich doch der Landwirtschaftlihe Aus\{|ß mit dieser Frage eingehend befassen; und ih beantrage, unsere Anfrage dem Landwirtschaftlihen Ausschuß zu überweisen. Fn vielen Fällen ist die Kündigung aus politishen Grürtden exfolgt, und dabei hat der Heuerlingverband bei den Wahlen das Zentrum, die Demokraten und die Sozialdemokraten, also die Koalition, empfohlen. Wir müssen die Leute aegen den Wucher und die Dranasalierungen durch die großen Landbesiber hüben. Wenn Sie unseren Antrag ab- lehnen, so beweisen Sie, daß es nur die sozialistishen Parteien sind, die auch diesen Proletariern zu ihrem Recht verhelfen wollen.

Abg. Schulz - Neukölln (Komm.): Herr Kaufhold möchte die alte Gesindeordnung von 1838 wieder gelten lassen, wonach das Gesinde mit Zwang und unter Strafandrohung- wieder zur Arbeit zurückgeholt werden kann. Das ist die reine Sklaverei. Nath dieser Gesindeordnung kann der Dienstbote seinen Dienst nur verlassen, wenn er von der Herrschaft „ungebührlich mißhandelt“, also halbtot geschlagen worden ist. Das ist das Jdeal der Rechten. (Viderspruch des Abg. Kaufhold.) Jch erinnere daran, wie der Hohenzollernlump Friedrich Wilhel:n 11. (Pfui! rets) ja, ih sage auch Pfui! er war ein Lunp! --- das Auspeitshen des Gesindes mit ledernen Peitshen empfohlen hat. Das ist Jhre Funkerkultur. Dadurch is der preußishe Staat in den Ruf gekommen, der unkulti- bierteste Staat der Welt zu sein. Mit diesem - verkommenen und verrufenen Staat wollen Sie das Praoletariat wieder beglücken. VEL Abgeordnete v. Papen hat das Vorgehen der Kirchengemeinde gegen den Küster verteidigt. Herr v. Papen scheint auf dem Stand- punkte derer zu stehen, die die Shwängerung von Mädchen für ein Vorreht der Junker erklären, die das Recht der ersten Nacht für sich in Anspruch nahmen und bei Nichtausübung desselben ein Bettgeld von 6 bis 8 Talern erhoben. Wer das billigt, ist alles andere eher als ein Ehrenmann, diese ganze Pfaffenbagage mit Einschluß des Papen und dergleichen Gesindels sind in meinen

ugen ehrlos, (Sturm der Entrüstung auf der ReHten; immer iiederholte Rufe : Unverschämtheit! Lümmel! Vizepräsident arnich: Jch nehme an, daß Sie mit dem Ausdruck Paven- \esindel kein Mitglied des Hauses gemeint haben, ih müßte sonst andere Maßnahmen ergreifen.) Jch nenne alle, die es aut heißen, man einen Mann wie diesen Fisher aus Amt und Würden aebraht hat anch den Herrn v. Papen, ehrloses Gesindel! (Stür- mische Pfuirufe rechts), und nun können Sie, Herr Präsident, geeinetweaen Fhre anderen Maßnahmen ergreifen. (Vizepräsident gemi: Sie haben auch den Abgeordneten v. Vavyen unter den 2 eariff „chrloses Gesindel“ mitaenannt; ih rufe Sie dafür zur Vrdnung. Ruf links: Der Abaeordnete Kanfhold hat Lümmel erufen. Vizeyräsident Garni. ruft den Abg. Dr. Kaufhold enfalls zur Ordnung.) Ein Mann wie Dr. Kaufhold kann mi gt beleidinen, so einen Mann tun wir mit Verachtung ab. ore Kaufhold \prach von dem idealen Verhältnis zwischen Ver- püdtern und Heuerlinaen. Fm § 7 des neuen Vertraaes erklärt Far Jervächter, im Falle von Brandschaden keine Verpfsli%tung A bdah und Unterkunft des Väichters zu übernehmen. Darin „mmt ja anscheinend das allerHristli®ste Mitgefühl der Zentrimms- ente zum Ausdruck, zu denen ia wohl auch Herr v. Papen achört. tgeier Paragravh 7 carakterisiert die ganze Hevchelei der bürger-

en Lumpen. Nicht die Sozialisten, sondern die kapitalistischen ‘ofitgeier à la Stinnes sind es, die den Proletarisierunasprozeß ardern. Die Erklärung der Regierung genügt nicht. Das 4 eile der Besißlosen ist der Reaierung offenbar schnuppe. Die C uug der Regierung ist ein Skandal und eine Unvershämt- t, die si der: Landtag nit gefallen lassen sollte (Zurufe rechts). en eine. Unvershämtheit habe ih keine Schmeicheleien, sondern Aer eine grobe Antwort. (Vizepräsident Garnih: Sie dürfen neußerungen der Regierung nicht als Unvershämtheiten bezeich- U das entspricht niht der Würde des Parlaments, ih bitte Sie, “9 Wu mäßigen.) Dann begreift aber der Herr Präsident hoffent-

lich au, daß er der Würde des Hauses nicht entspricht, solhe Ant- worten von dem Regierungstish entgegenzunehmen. (Erneute Zu- rufe rechts.) Die Würde des Parlaments ist bei den Parteien der Rechten s{hlecht aufgehoben, aber ih streite darüber mit Fhnen nicht, denn ih will niht Perlen vor die Säue werfen. Nicht ein ausgezeihnetes Verhältnis, wie Herr v. Papen meinte, nicht ein ideales, wie Dr. Kaufhold es nannte, sondern ein niederträchtiges Ausbeuterverhältnis besteht zwishen Verpächhtern und Heuer- lingen, das zu beseitigen die Aufgabe des roten Heuerlingsverban- des ist. Die bürgerliche Gesell\haft einshließlich der aufrechten Demokraten mit dem Männertroß in der zottigen Männerbrust fühlt sih heute noch als Fürstenknehte. Nur das gesamte Prole- cariat wird die Aufgabe lösen, die Räuber endlih aus ihrem Be- siß hinauszutreiben. Blicken Sie nah Leipzig hin. (Vizepräsident Garnich: Es steht hier der Heuerlingsvertrag und niht das Reichs- gericht in Leipzig zur Verhandlung.) Sie haben Recht, Herr Prä- fident, das Rei zericht steht unter jeder Besprehung. Es hat die Verachtung aller anständigen Menschen auf sih geladen. (Stür- mische, langandauernde Untecbrehung und Unruhe.) Das Drei- männerkollegium v. Pape, Stendel, Kaufhold hat sich heraus- genomtinen, von sozialdemokratisher Verheyung zu reden. Wie arbeiten dénn die Agrarier? Die Profite, die sie durch die Arbeiter haben zu verjubeln, das ist ihre Arbeit. Herr Escherich hat mit der ihm eigenen Offevheit erklärt: Wir haben die Leute exst in Slamntus en zu überzeugen gesuht und dann nos einmal in Versammlungen zu überzeugen gesucht, und wenn das nicht geholfen hat, haben wir sie verdroshen. Aber diese Methode der Escherihe und Drescheriche, der Kaufholde und Saufbolde wird nicht immer vorhalten. Nieder mit solchen Leuten, mit den Aus- beutern, mit solchen Burschen wie Kaufhold, Papen und Stendel! (Beifall bei den Kommunisten. ; i Abg. Bubert (O4) Der Hauptstoß unserer Anfrage rich- tete sih nicht gegen die Regierung Stegerwald, sondern gegen die Pachtshußordnung, die dringend der Aenderung bedarf. Eine ganze Anzahl Heuerlinge müssen am 1. Oktober ihre Pacht ver- lassen, ohne. eine neue Existenz N zu können. Herr. Kauf- hold hat in niederträhtiger Weije eine sozilistishe Schrift über die leßten Wahlen, worin auf die Versprehungen einer Landauf- teilung in Ostpreußen hingewiesen war, falsch zitiert, und ih frage, ob Herr Kausfhold noch der anständige Parlamentarier ist, der anderen Vorwürfe machen darf. Der Fürst v. Bentheim hat so wenig soziales Verständnis, daß er seinen Arbeitern ihren Lohn vorenthalten hat. Alle diese Dinge müssen wix im landwirt- \chaftlihen Auss{chuß besprehen. Die Bauern gehen darauf aus, die Heuerlinge aus. ihrer Pacht zu bringen, weil sie selbst deren Land bewirtshaften möchten. Die ganze Bewegung zur Kündigung der Heuerlingsverträge geht von dem Reichstag8abgeordneten der Deutschen Volkspartei Harte aus. Fh fordere die Herren Kaufhold, Papen und Stendel auf, einmal in eine Gege inge eann fommen. Sofort in den nähsten Tagen muß der landwirtschaftli Ausschuß zur Revision der Pachtschußordnung zusammentreten. Z den Pachteinigungsämtern müssen die Organisationen der Pächter hinzugezogen werden. Wir haben Jeßt feine _Pachtshuß- ordnung für die Pächter, sondern * für die Herren. Abg. Logemann (D. Nat.): Diese Debatte zeigt, wohin wir mit dem Parlamentarismus gekommen sind; wix sollten uns über diese Frage zu einigen suhen. Fm hannoverschen Land herrsht durchaus ein patriarchalisches Verhältnis zwischen Bauern und Häuslingen. Das verdanken wir dem Bund der Landwirte. Wir wären mit - der Seßhaftmachhung der Landarbeiter schon weiter, wenn die Sozialdemokraten früher dafür zu haben A wären. Schon viel früher haben die Herren v. Riepenhaujen und v. Bodelshwingh das Heimstättenwesen betrieben, aber erst jeßt haben sih die Sozialdemokraten zur eimstättengeseßgebun bekehrt. Jn einem Streitfall zwishen Großgrundbesißern und Pächtern, in dem der Landrat und der Vorsißende des Schiedsgerichts zu- gunsten. der lehten entschieden hatte, entschied auf Anrxufen der Pachter der frühere Landwirtschaftsminister Braun: die Groß- grundbesizer haben das Land. (Per Bui Die Gesindeordnung von 1838 kennt fein Hannoversher Bauer. Wenn er davon Gebrauch mate, so bekäme er keinen Dienstboten. Denn heute läßt sih doch kein Arbeiter mit der Peitsche behandeln, ah dex Revolution wurde große Unzufriedenheit in die Arbeiterkreise A man sprach vom Achtstundentag und hohen Löhnen. Wenn die Arbeitervertreter den Arbeitern die Wahrheit gesagt hätten, so hätten sie sagen müssen: Wir haben den Krieg ver- oren und sind ein acmes Volk geworden, deswegen müssen wir mehr arbeiten. Die Arbeiter sind aufs Land zurücgekommen, weil sie troß der hohen Löhne in der Stadt nicht leben können. Bei uns können \ih die Landwirte auf die Häuslinge verlassen, diese sind mit dem Hofe verwachsen. Wir hatten früher Häuslinge, die 25 000 Mark bar Geld hatten. Wenn der Bauer sih bewußt ist, a er den Häusling gut halten muß, dann ist der Häusling kfolossal viel wert; umgekehrt wissen die A e sie nur vorwärtskommen, wenn der Bauer gut gedeiht. Das Berhältnis zwischen beiden ist bei uns sehr gesund, und die Häuslinge wollen ihx Verhältnis gar nicht in ein Pachtverhältnis umgewandelt haben. Herr Schulz sprach unter Hinweis auf meine arische Phioten wi von Orenstierna. Wenn wir Arter nicht solche

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dioten wären, dann hätten wir Sie (nah links) längst aus dem ande heraus. (Heiterkeit.) Wir werden das gute Verhältnis wischen den Bauern und den Häuslingen aufrechterhalten. (Lebh. Beifall rechts.) :

Damit schließt die Besprehung und die große Anfrage wird an den landwirtschaftlichen Ausschuß Überwiesen.

Von den Sozialisten ist unterm 13. Mai folgende große Anfrage eingereiht worden:

„Namhafte Vertreter der G T in Preußen haben seit Jahrzehnten S eine tiefgreifende Reform der akademischen U Da Ul De N wärter des höheren FJustiz- und Verwal- tungsdienstes geforderdt, Eine vor Jahresfrist von der Lt und T Fakultat der Universität Halle - Wittenberg einberufene Us von Delegierten aller deutschen rechts- und \taatswissenschaftlichen Fakultäten hat si erneut energish in diesem Sinne ausgesprochen. Ueber eine Er- weiterung und Umgestaltung des Studienplans ist vor allem eine gründlihe Revision der veralteten Prüfungsordnung verlangt worden. Sie ist um so dringender, als sich auch die höheren Beamten dex inneren Verwaltung und des auswärtigen Dienstes überwiegend aus solchen lückenhast und einseitig vorgebildeten Juristen rekrutieren. Was gedenkt das Staatsministerium zu tun, um die fachliche Durchbildung der erwähnten Anwärter in einer den neuzeitlihen Bedürfnissen entsprehenden Weise sicherzustellen?"

Die F itage wird in eingehendem Vortrage von dem Abg. Geh. Pa at Prof. Dr. Waentig- Halle (Soz.) begründet, der besonders auf die Bemühungen von Franz v. Liszt und Gold- {midt um eine Reform in dieser Richtung verweist und die oßen Nachteile schildert, die dem Volke vor dem Kriege aus dem

ersagen dex Diplomatie und im Kriege aus der Unzulänglichkeit der theoretishen und praktishen Durchbildung der Staatsbeamten- schaft erwachsen sind. Die Studienzeit müsse von drei auf vier Fahre verlängert, der Studienplan gründlih umgestaltet werden. Üeber das Wie gingen die Meinungen noh auseinander. Eine baldige Entscheidung der maßgebenden Stellen sei erwünscht, damit an das Reformwerk selbst herangetreten werden könne. Es handle sich hier um eine im eminentesten Sinne nationale Frage, in der au der Landtag mitzureden habe.

Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung Dr. Beer: Meine Damen und Herren! Die Reform der akademi- {hen Vorbildung für die Anwärter des höhereu Justiz- und Ver- waltungsdienstes wird auch von der Regierung für wichtig und für in hohem Maße dringlih erahtet. Auch für uns handelt es sih hier um eine Frage von der größten nationalen Bedeutung,

und gerade deshalb kann sie natürlih niht vom Standpunkt eines

einzelnen Ressorts aus und auch nicht im Rahmen einer einzelnen Regierung und eines einzelnen Landes entschieden werden. (Sehr richtig! rechts.)

Diese Reform ist zum leßten Male ausführlich in der Oeffent- lichkeit im Fahre 1910 besprochen worden. Damals stand die Frage der Reform des höheren Fustiz- und Verwaltungsdienstes schon einmal im Mittelpunkt der allgemeinen Erörterung. Dann hat vor etwa 114 Jahren das Kultusministerium von sih aus die Frage erneut in Fluß gebracht durch eine Rundfrage an die rechts- und s\staatswissenschaftlihen Fakultäten der Universitäten. Fn Verfolg dieser Anregung aus dem Ministerium hat nachher die Ksónferenz in Halle stattgefunden, die hier in der großen Anfrage erwähnt worden ist, und es ist dann die Frage weiter insbesondere unter der Führung der Hallenser juristishen Fakultät verhandelt worden.

Auch die Regierung ist der Frage weiter nahgegangen und hat sich ihrerseits mit den studentishen Organisationen in Ver- bindung gesebt, die ja, da es sih jeßt nah dem Kriege um lauter reife Studenten handelt, ein ganz besonders lebhaftes Fnteresse dieser wihtigen Frage entgegengebracht haben. So ift es dann zu einem ständigen Gedankenaustaush mit allen diesen Stellen, vor allen Dingen mit den Führern der Reformbewegung in der Professorenschaft selbst, gekommen, und ich kann heute sagen, daß die Vorberatungen, wenigstens was das juristishe Studium betrifft, im wesentlichen abgeschlossen sind. Da aber nur ein einheitliches Vorgehen aller deutshen Hochs{chulver- waltungen in Frage kommen konnte, so hat die Unterrichts8ver- waltung diese Angelegenheit auch auf den regelmäßigen Konfe- renzen der Vertreter der Unterrichtsverwaltungen der Länder zur Sprache gebracht. Es hat vor etwa 14 Tagen eine abs{hließewde Verhandlung auch da stattgefunden, so daß die Sache nunmehr soweit gefördert ist, daß jebt die einzelnen Staatsministerien in die Erörterung eintreten und daß wir in absehbarer Zeit wirklich zu einem endgültigen Resultat konnen können.

Ungeachtet der großen Schwierigkeiten, die auf diesem Gebiete liegen, steht die Staatsregierung doch auf dem Standpunkt, daß es mögli sein wird, zu einer einheitlihen Regelung der Frage zu fommen. Wir müssen hier eine grundsäßliche Verbesserung der Ausbildung unserer jungen Juristen und Staatswissenschafikler einführen. Besonders erkennen wir es als Ziel der Reform an, durch Abbürdung entbehrlichen Unterrichtsstoffes Raum zu schaffen für die Einbeziehung neuer wichtiger Rehtsgebiete in den Unter- rit, um diesen durch stärkere Berülsihtigung der Anforderungen der Praxis, um durch eine zweckentsprehende Neuordnung des Studienganges lebendiger und nüßlicher zu gestalten. (Sehr gut! rechts.) Dabei soll auf die Zwecke der Verwaltungspraxis ganz besonders Rücksiht genommen werden. (Bravo! rets.)

Ju gleicher Weise sind wir mit der Frage der Reform des staat3wissenschaftlihen Unterrichts vorgegangen. Auch hier haben wir die Frage bei den Fakultäten in Fluß gebracht, auch hier sind wir an die einzelnen Regierungen herangetreten. Diese Frage ift ¿war noch nicht ganz so spruchreif wie die der Vorbildung der Juristen, aber auch hier steht der Abschluß der Verhandlungen nahe bevor.

Bei dieser Sachlage ist es heutigen Tages für die Regierung unmöglich, hon heute mit einem in allen Einzelheiten ausge- arbeiteten Programm vor dieses Haus zu treten. Es ist das schon deshalb unmöglich, weil eine abshließende Stellungnahme zwischen den einzelnen preußishen Ressorts auch im Staatsministerium noch nicht statigefunden hat.

Die Staatsregierung ist bereit, in einem späteren Stadium der Reformarbeit hier dem Hause darüber Bericht zu erstatten, sobald eine Einigung zwischen den Ressorts stattgefunden hat. Fch kann aber hier nur mit allem Nachdruck die Erklärung abgeben, daß wix diese Reformaufgabe für außerordentlich wichtig und für sehr dringlich halten, und daß ih glaube, in allernächster Zeit oder wenigstens in absehbarer Zeit in der Lage zu sein, hier dem Hause von endgültigen Beschlüssen Kenntnis zu geben. (Bravo!)

Auf Antrag der Soz. wird die Besprehung beschlossen.

Abg. Be ye r - Oberschlesien (Zentr.): Wir begrüßen die An- frage sowohl aus den Erwägungen heraus, die die Antragsteller geleitet haben, als auch wegen der uns gewordenen Auskunft, die sür jegt eine R Etats als nicht angebraht erscheinen läßt. Veber die Dringlichkeit der Reform ist kein Zweifel.

Abg. Prof. Dx. Kähler - Greifswald (D. Nat.): Der Herr Kollege Dr. Waentig hat auch den Landtag als Mitarbeiter an der Vorbereitung der Reform in Anspruch genommen. Das kann abex der Landtag niht ohne weiteres; dazu gehören besondere Sachverständigenkommissionen. Uebrigens Hat gerade am 9. November 1918 der Beamtenkörper den völligen Zusammen-. bruch des Staates aufgehalten, indem er sich den neuen Machte habern zur Verfügung stellte. Wir En dem Gedanken dieser Reform durchaus sympathisch gegenüber. Vor allem wird eine Vorfrage zu Hen sein, nämlich, ob für die rihterlihe und die Beamtenqualifikation die gleihen Vorbedingungen nötig sind. Der JFnterpellant hat auch auf das Zwischenexamen hingedeutet, wie es z. B. England kennt. Für Deutschland erscheint uns eine solche niht in der Volks\sitte verankerte Einrihtung zunächst einiger- maßen fragwürdig; jedenfalls sollten wir alles tun, um uns auf diesem Gebiete vor Enttäushungen zu bewahren. An der akademishen Vorbildung des Berufsbeamtentums muß nah unserer Auffassung festgehalten werden. Unser Prüfungswesen ist durhaus demokratisch eingerichtet. Der Weg zum Höheren Verwaltungsdienst soll durch die Universität bzw. die tehnischen Hochschulen gehen. Für eine Ausgestaltung des staats8wissen- schaftlichen Unterrichts haben wix uns schon früher eingeseßt. Wir bedürfen in Berlin einer außerordentlihen Professur für die Geschichte der Demokratie und des Sozialismus; sie soll keine Professux für Parteigeshichte sein, aber die größte Strömung in der Politik muß auf eine wissenschaftlihe Grundlage gestellt werden. Das dient niht nur der Staatswissenschaft, sondern auch dem juristishen Studium. ür die Prüfung8ordnung muß der Ausgangspunkt der Studienplan sein. Was nüßt aber der beste Studienplan, wenn sich in der Praxis allerlei Schwierigkeiten er- gcben? Es berrsht jeßt eine solhe Unrast und innerlihe Un- ruhe, daß die Muße zum Studium fehlt und der Gedanke an das Brotstudium vorwiegt. Wegen der Ueberlastung der juristischen Professoren mit Vorlesungen und Praktiken bedürfen wir der Vermehrung von Lehrstühlen oder der Anstellung von Assistenten, welch leßtere für die Bildung einer Pflanzshule wertvoll sind. Die Reform des Studiums darf aber niht auf dem Papier stehen bleiben, sondern muß auf das praktishe Leben Rücksiht nehmen, Was die Trennung des juristishen und des Verwaltungsstudiums3 betrifft, so wird die Finanzverwaltung speziell eine überragende Bedeutung bekommen, für die wir besonders geshulte Kräfte brauchen. Die Frage der Trennung während des Studiums ist verschieden zu beantworten, je nahdem das juristishe Studium einen starken Einshlag von Nationalökonomie und Staatswissen- schaft erhält oder allein nah den prozessualen Gesichtspunkten sich rihtet. Jedenfalls muß das Verwaltungsstudium auf eine breiteré Grundlage gestellt werden. Wenn diese breitere Basis im