1899 / 274 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 18 Nov 1899 18:00:01 GMT) scan diff

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f R His E E a6: A R A _

in Sekchmigung seines Abshied2gesußes mit der geseßlihea Pension zur Ditp. geîtellt. Kaiserliche Schußtruppen.

Graf Fugger v. Glöôtt, Königl. Bayer. Oberlt. im Bayer. B. Inf. Regt. Pranckh, nah -rfolatem Ausscheiden aus dem Königl. Bayer. Heere mit dem 29. November d. J. als Oberlt. mit einem R 25. Mäcz 1899 in der Schußtruppe für Deutsh-ODitafrika «angestellt.

Nichtamtliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, den 18. November.

Jhre Kaiserlichen und Königlihen Majestäten trafen gestern Nachmittag 21/4 Uhr in Kiel ein. Seine Majestät der Kaiser und König wohnten nach der Ankunft der Vereidigung der Rekruten der Kaiserlichen Marine im Sérzierbause der ersten Matrosendivision bei, während Jyre Majcstät Sich in das Schloß und bald darauf an Bord der Yacht „Hohenzollern“ begaben. Seine Majestät der Kaiser nahmen nah der Vereidigung im Marineoffizier - Kasino das Diner ein, statteten diee Jhrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Heinrih von Preußen einen Besuch ab und fuhren um 51/5 Uhr unter dem Salut der Flotte an Bord der Yacht „Hohenzollern“. |

Heute Vormittag 9 Uhr erfolgte bei schönem Wetter die Abfahrt der „Hohenzollern“ durch den Kaijer Wilhelm-Kanal nach Brunsbüttel.

Jn der am 16. d. M. unter dem Vorsiß des Staats- Ministers, Staatssckretärs des Jnnern Dr. Grafen von Posadowsky-Wehner abgehaltenen Plenarsißzung des Bundesraths wurde dem Entwurf einer Verordnung wegen Einführung des Gesehes über die Beurkundung des Personenstandes 2c. in Helgoland, ferner der Vorlage wegen Verleihung von Korporationsrehten an die Kolonial- gesellshaft Nordwest - Kamerun sowie der Vorlage“ be- treffend die Einführung des Postscheckverk:hrs im Reich3- Postgcbict, die Zustimmung ertheilt. Genehmigt wurden die Spezial-Etats auf das N-chnungztjahr 1900 für das Schußzgebiet Kiautschou, für die Einnahmen an Zöllen 2c. und an Stempelabgaben, für die Post- und Telegraphenverwaltung und dic Einführung des Scheckverkehrs im Reichs-Postgebiet, für die Verwaltung der Eisenbahnen, für die Reichs- Justizverwaltung, für den Reichskanzler und die Reichs- kanzlei, für das Reichs-Schaßamt, für das Reichs-Eisenbahn- Amt, für den Rehnungshof und für die Reihsdruckerei. Den zuständigen Ausschüssen wurden überwiesen : der Antrag Braunschw:igs, betreffend die Ausführung des Jnvaliden- varsiherung8gesches, der Entwurf einer Verordnung übec die Formen des Verfahrens und den Geschäftsgang des Reichs- Versicherungsamts in den Angelegenheiten der Jnvaliden- versicherung, die Uebersihten über die Einnahmen und Ausgaben der Schußgebiete für 1896/97 bis 1898, der Entwurf von Vorschriften über die Ver- einnahinung und Verrehnung der gemäß Artikel TV des Ge- seßes vom 17. Mai 1898 über Aenderungen des Gerichts- verfassungsgeseßes 2c. in die Reichskasse fließenden Kosten, sowie die Vorlagen über die von dem Landesausshuß von Elsaß-Lothringen zu ‘einigen Justizgeseßgen gefaßte" Beschlüsse. Außerdem wurde über die Vorlage, betreffend die Erweiterung einer Erlaubniß zur Beförderung von Auswanderern, sowie über vetschiedene Eingaben Beschluß gefaßt.

Heute hielten die vereinigten Ausshüsse des Bundes- raths für Handel und Verkehr und für Justizwesen eine Sißung.

Das Staats-Ministerium trat heute Nachmittag 3 Uhr unter dem Vorsiß des Minister-Präsidenten, Fürsten zu Hohenlohe im Reichstagsgebäude zu einer Sitzung zusammen.

Nach der im Reichs - Versiherungsamt eter en Zu-

sammenstellung, welche auf den Mittheilungen der Vorstände der Jnvaliditäts- und Altersversiherunasanjstalten und der zu- gelassenen Kasseneinrichtungen beruht, betrug die Zahl der seit dem Jnkrafttreten des Jnvaliditäts- und Altersversichherungs- eseßes bis eins{chl. 30. September 1899 von den 31 Ver- ticherungsanstalten und den 9 vorhandenen Kasseneinrichtungen Den Quali benLetlen L A409

Davon sind infolge Todes oder Auswanderung

der Berechtigten, Wiedererlangung der Erwerbs- fähigkeit, Bezugs von Unfallrenten oder aus anderen Gründen weggefallen Bo sodaß am 1. Oktober 1899 liefen . 310 453

“gegen . . 294883 am 1. Zuli 1899.

Die Zahl der während desselben Zeitraums Dein Ne STe nten bea ia Davon sind infolge Todes oder Auswanderung der Berechtigten oder aus anderen Gründen weg- gefallen . s e ROEDOO

sodaß am 1. Oktober 1899 liefen . 196 863

“gegen . . 198070 am 1. Juli 1899. : Beitragserstattungen sind bis zum 30. September

1899 bewilligt i E a. an weiblihe Versicherte, die in die Ehe getreten E N eie OOBODS

gegen . . 362032

3591 198

sind

þ. an die Hinterbliebenen von Det a a e 4 s 00990

gegen . . 83140 zusammen . 480 897 gegen . . 445 172 bis zum 30. Juni 1899.

Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „See- adler“, Kommandant: Korvetten-Kapitän Schack, gestern in Aden angekommen und seßt am 24. November die Reise nah Ceylon fort. G)

S. M. S. „Jlti3“, Kommandant: Korvetten-Kapitän Lans, beabsichtigt, am 20. November von Shanghai nach Tsingtau in See zu gehen. A Der Ablösungstransportfür S.M.S.S. „Kaiserin Augusta“, „Hertha“ und „Gefion“, Transportführer: Kapitänleutnant Weniger, ist am 16. November mit dem Dampfer „Prinz P in Colombo (Ceylon) einge- troffen und hat gestern die Reise nach Penang (Halbinsel Malacca) fortgeseßt. :

Baden. Der Landtag ist zum 26. d. M. einberufen worden.

Heffen. Seine Königliche Hoheit der Großherzog hat sich gestern wieder nach Coburg begeben.

Sachsen-Altenburg.

Dem Landtag, welher am Donnerstag eröffnet wurde, sind Vorlagen, betreffend die Gewährung von Beihilfen für ehemalige Kriegstheilnehmer und deren Angehörige, die Er- rihtung eines zweiten Landrathsamts für den Ostkreis in Nonaneburg und die geologishen Aufnahmen des Landes, zu- gegangen.

Schwarzburg-Sonders8hausen.

Der Landtag ist vorgestern durch den Staats-Minister Petersen eröffnet worden. Derselbe konnte eine schr günstige Darstellung der Finanzlage des Fürstenthums geben, welche gestattet, für Einkommen bis 1500 #6 Erleichterungen hin- Ahtlich der Einkommensteuer und für Staatebeamte und Volksschullehrer eine Erhöhung der Besoldung vorzuschlagen. Die Bestimmungen über die Kautionsbestellung der Beamten sollen aufgehoben werden. Jn Aussicht genommen sind ein neues Staatsdienergeseß und die Erweiterung des Eisenbahn- neßzes.

Oefterreich-Ungarn.

Der Kaiser ist heute früh von Budapest wieder in Wien eingetroffen. :

Jn den gestern wiederholt abgehaltenen Konferenzen der Quotendeputationen is eine Einigung über die Quoten nicht erzielt worden. Die Differenz, um die es sih {ließlich handelte, beträgt, den Budapester Blättern zufolge, 0,27 Proz, indem die ungarishe Quotendeputation 3425 Proz. anbot, während die österreihishe 3452 Proz. verlangte.

In der gestrigen Sitzung des österre!chischen Abgeordneten hauses betonten, wie „W. T. B.“ berichtet, bei der Berathung der Borlage, betreffend die Aufhebung des Zeitungs- und Kalenderstempels, mehrere Redner die Nothwendigkeit einer Reform der Preßgeseßgebung. Der Abg. Graf Dzieduszycki griff die Regierung an und erklärte, das Votum des Polenklubs für die Vorlage bedeute kein Vertrauenévotum für die Me- gierung, Au der Abg. Eh wandte sich gegen die Regierung und sagte, dieselbe wolle die Aufbebung des Zeitungsstempels nur, um die Majorität zu unterdrücken. Während der MRede des Abg. Eb entstand infolge von Zwischenrufen der Antisemiten und der Anbänger Schönerezr?s ein großer Lärm. Nach weiterer Debatte wurde die Vorlage in zweiter und dritter Lesung angenommen. Sodann beantwortete der Minifter des Innern von Körber die Interpellation des Abg. Dr. Lueger, betreffend den Pestfall in Triest, und erflärte, die bakteriologishe Untersuchung der mikroskcpischen Prä- parate nach der Obduktion d-8 verstorbenen Bootsmanns des türkishen Dampfers „Polis3s Mytilene“, Bzrbarissa, habe den Verdacht der Pest bestätigt. Alle Versihtêmaßregeln seien getroFen worden. Seit scinem Tode sei kein neuerlicher Pestfall vors gekommen. Nachdem nunmehr die zehntägige Inkubationszeit ohne jeden neuen verdächtigen Fall verstrichen sei, dürfe jedec weitere An- laß zur Beunruhigung als beseitigt erahtet und die Hoffnung ausge- srrohen werden, daß die unbedingte Offenheit und Objektivität, mit welcher die österrcihisGe Sanitätsverwaltung, getreu den Beschlüffen der internaticnalen Konferenzen in Dresden und Benedig, beim Auftreten von epidemischen Gefahren grundsäßlich vorgebe, auch ira Ausland zur Vermeis- dung jedweter unmotivierten Störungen des Verkehrs aus Anlaß dieses vereinzelt gebliebenen, von außen einges{leppten Pestfalls beitragen werde. Nach den erwähnten internationalen Vereinbarungen? dürften übrigens nur einhcimische Infelticnéherde, jedoch niemals vereinzelt ecingesckleppte und wirksam beseitigte Infektionsfälle Anlaß zu Ver- kehréfiörungen bilden. Bei der Berathung des nächften Puntktes der TageSordnung, des Antrags auf Verseßung des Ministeriums Thun in den Anklagezustand, führte der Abg. Dr. Hofmann von Wellenhoff aus, die Regierung des Grafen Thun sei ledig- li& ein Versuch gewesen, das Parlament überflüssig zu machen, und cine Häufung von Unrecht auf Unrecht, um das erste Unreht nicht cingestebhen zu müssen. Redner sagte, die Thätigkeit des Grafen Thun vnd des Dr. Kaizl bilde eins d:r dunkelsten Kapitel der österrcihiswen Geschihte. Mit dem § 14 sei Mißbrauch ge- trieben worden, da Verordnungen erlassen jeien, welhe eine dauernde Belastung des Staatsshatzes bildeten. Das Haus möge daher ohne Unterschied der Partei für den Arklageantrag stimmen, denn das ganze Haus sei an der Sache interessiert. Der Ábg. Dr. Funke bob bervor, das Gese über die Verantwortlichkeit der Minister bilde den Gruntftein des Korstitutionalismus und des Parlamentarismus. Graf Thun habe die Verfassung durch Mißbrauch des Paragraphen 14 ent- würdigt. Bei dem Grafen Thun sei böse Absiht vorhanden gewesen, da er die Sistierung und Aenderung der Verfaffung an- gestrebt babe. Der Mißbrauch des Paragraphen 14 habe nur diesem Zwecke gedient. Die Partei des Redners habe die Anklage namens des deutschen Volkes auf Grund des Nechtsbewußtseins aller Deutschen

des In- und Auslandes erhoben. Die Verhandlung wurde hierauf abgebrochen. Der Abg. von Forcher richtete sodann an den Prä- fidenten die Anfrage, warum das Budgetprovisorium noch niht auf die Tagesordnung gest:[lt worden sci, und beschwerte sfih über die Auf- nabme einer czechischen Petition in czehisher Sprache in das Pro- tokoll. Ler Präsident Dr. von Fuchws erwiderte, er babe das Budgerprovisorium nicht auf die Tagesordnung seten können, da dringende Gegenstände gemäß den Borfchriften der &e- \{chäftsordnung auf der Tagesordnung ständen. Er hoffe, daß er das Budgetprovisorium vielleicht auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung werde ftellen können. Er bereite den Regierungévorlagen Teine Schwierigkeiten. Bezüglich der czechischen Petition berief ih der Präsident auf die Geschäftsordnung, welche kein diesbezüglihes Verbot enthalte. Der Abg. Dr. Steinwender verwies Femegegenbber auf den biéherigen Brauch. Selbst der Präsident Abrahamowicz habe die Aufnahme cichilber Petitionen in das Protokoll verweigert. Der Präsident Dr. von Fus erflärte, er halte es für einen Akt der Gerechtigkeit, den der deutshen Sprache nicht mächtigen Petenten die Möglichkeit zu bieten, in ihrer Muttersprache eine Petition einzubringen. Nachdem

hierauf das Haus den Antrag des Abg. Kozakiewicz (Sozial-

demokrat), die Verhandlun zen des Legitimations8aus\{chu}es für öffentli E B dem Lärm der Linken abgelehnt hatte, wurde die ung geschlossen. -

Jn der gestern Abend abgehaltenen Sißung des Aug- \husses für die Abänderung des Paragraphen 14 sprachen si{ch sämmtlihe Redner gegen die gegenwärtige Fassung des Paragraphen aus. Der Abg. Graf Dziedus zycki regte die Bildung eines ständigen Ausschusses beider Häuser des Parlaments an, dessen Zustimmung zum Erlaß von Nothverordnungen erforderli. sei. Die Abg. Kaiser Dr. Kramer und Sufklje verlangten die Streichung des Paragraphen 14, der Abg. Graf Hau E auch eine Aenderung der Geschäftsordnung des Hauses. Der Abg. Baron Di Pauli {lug eine besondere Fassung des Paragraphen vor, nah welcher das Reichsgericht über die Voraussezung der wirklihen Erfolglosigkeit der parlamentarischen Erledigung vor Erlaß einer Nothverordnung entscheiden solle. Die Ver- handlung wurde sodann abgebrochen.

Frankreich.

Die Minister traten, wie „W. T. B.“ meldet, gestern Abend im Etysée unter dem Vorsiß des Präsidenten Loubet zusammen und erörterten das Programm für die am nächsten Sonntag ftatifindende Enthüllung des Denkmals „Triumph der Revolution.“ Der räsident Loubet wird dei der Feier von den Ministern Waldeck-Rousseau, Leygues, Millerand, Baudin und Decrais begleitet sein. Der Ministerrath beschloß sodann, am Montag in der Deputirtenkammer das Verlangen zu stellen, daß die Berathung des Staatshaushalts-Etats mit der Berathung der Budgets des Aeußern und dcs Junnern beginne. i

Gestern Nachmittag begab sich der Minister-Präsident Waldeck- Rousseau nah dem Palais Luxembourg zu einer Besprehung mit dem Amnestie - Ausschusse. Nach dem Vorshlag des Minister - Präsidenten soll die Amnestie die mit dem rozeß Dreyfus in Ver- bindung stehenden Angelegenheiten, d. h. die Afairen Zola, Henry und Picquart, umfassen. Ein Senator beantragte, auch den Kemplottprozeß in die Amnestie einzubegreifen. Der Minister-Präsident hielt dem entgegen, daß der Augenblick hierzu nicht geeignet sei. Die Beschlußfassung wurde vertagt.

Jn der gestrigen Sißurg des Staatsgerichtshofes

verlas der Vorsißende Fallières den Beschluß, durch welchen die Anträge Guérin’'s auf Vorlegung der Bewcisstücke ah- gelehnt werden. Sodann wurde der Präsident des Vereins „Royalistishe Jugend“ Godefroy verhört. Dieser sagte aus, der Verein habe keine ungeseßlihe Handlung begangen. Godefroy gab zu, daß er an den Kundgebungen vom 25. Oktober v. J. theilgenommen habe, doch sei dies nur geshehen, um gegen die Nufe „Nieder mit der Armee!“ zu Ppiotestieren, und erklärte dann . weiter, es habe kein Bündniß zwischen dem Verein „Royalistishe Jugend“, der Antisemiten - Liga und der Patrioten - Liga be- standen. Gleichwohl habe er seine Freunde ermuthigt, in die Patrioten-Liga einzutreten, denn die Ligen hätten einen gemeinsamen Berührungspunkt gehabt, den Patriotismus und die Licbe zur Armee. Hierauf wurde Sabran-Pontevès vernommen. Derselbe sagte aus, er habe stets in loyaler Weise Propaganda für die Wahl von Royalisten gemacht; bei den verschiedenen Kundgebungen, bei denen er zugegen gewesen sci, habe er nur Hochrufe auf die Armee ausgebracht; er habe niemals jemand der Partei, welcher er angehörte, zu ent- fremden gesuht und niemals Beziehungen zu den Mit- En der Patriotenliga unterhalten. Später wurde Bourmont verhört, w:lcher aussagte, er habe sich et en JUhé 1897. oon De Poti E gezogen und sprehe sein Erstaunen darüber aus, 0 er der Theilnahme am Komplott beschuldigt werde. Sodann wurde Deramel über die für die royalistishe Propaganda bestimmten Gelder vernommen. Der- selbe gab an, die Gelder seien dazu bestimmt gewesen, ein monarchistishes Blatt ins Leben zu rufen. Deramel ver- sicherte, er habe keinerlei Beziehung zur Patriotenliga unter- halten. Die Sizung wurde sodann aufgehoben.

Rußland.

Der Kaiser und die Kaiserin sind, wie dem „W. T. B.“ aus St. Petersburg gemeldet wird, mit den Kaiserlichen Kindern gestern Vormitiag in Zarskoje Sselo eingetroffen. j i

Der Minister des Auswärtigen Graf Murawjew ist nah St. Petersburg zurückgekehrt.

Der Oberst Sumarakow is zum Militär-Attaché in Cetinje ernannt worden.

Ftalien.

In der gestrigen Sißgung der Deputirtenkammer legte, wie „W. T. B.“ berichtet, der Minister - Präsident Pelloux den Entwurf für die Umwandlung des König- lihen Dekrets, betreffend die politishen Maßnahmen, in ein Gesetz vor und beantragte die Ueberweisung desselben an die einzelnen Bureaux.

Niederlande.

Der Minister des Auswärtigen de Beaufort gab, wie „W. T. B.“ meldet, gestern in Beantwortung der im Aus- \huß der Zweiten Kammer über cine Jntervention in dem Kriege zwischen der Südafrikanischen Republik und Groß- britannien gemahten Bemerkungen folgende Erklärung ab:

eDie niederländishe Regierung bedauert ten blutigen Krieg unendlih. Man wird sie stets gern bereit finden, wenn die Umftände Gelegenheit dazu geben, alle Mittel anzuwenden, welhe dazu führen können, diesen Krieg zu beendigen. Dieser gute Wille ift den Kcieg fübrenden Parteien nicht unbekannt. Die Regierung bält es indeffen nicht für erwünscht, in diesem Augenblick der Oeffentlichkeit Über die Schritte Aufschluß zu geben, welche sie bereits gethan hat oder welhe in der Zukunft gethan werden können. Die britis@e Regierung hat erklärt, daß sie eine Intervention der aut- wärtigen Mächte niht wünsche, und alle Mächte haben si bisher jeder Einmischung enthalten.“

Türkei.

Der bulgarische Handels-Minister Nathowitsch, welcher nah Konstantinopel gekommen war, um den Abschluß von Konventionen, betreffend den Handel, das Paßwesen, das Post- und Telegraphenwesen und die Handelsagenten, zu betreiben, wurde, dem „W. T. B.“ zufolge, gestern nach dem Selamlik von dem Sultan in Audienz empfangen.

Der E Gesandte in Brussel Karatheodory E ist auch für den neugeshaffenen Gesandtschaft s- posten in Bern accreditiert worden.

Eine Depesche des Korps-Kommandos in Erzingjan meldet, die türkishen Mitglieder der Grenzkommission an der russischen Grenze unter Tewfik Pascha seien am 9g. Oktober in Jgdir außerordentlih glänzend empfangen

orden. : s Das Wiener „Telegr.-Korresp.-Bureau“ berichtet aus K on- antinopel: In der vergangenen Woche habe eine etwa 120 Mann starke Bande russischer Armenier die russische Grenze durch den Koessa-Dagh-Paß überschritten und das armenishe Kloster in Dutak (Kreis Aintau, Sand- hak Bajazid, Vilajet Bitlis) besezt. Später sei es zu einem Zusammenstoß mit den * türkishen Truppen ge- fommen, bei welhem auf beiden Seiten ungefähr 12 Personen getödtet oder verwundet worden seien. Zwei Armenier seien gefangen genommen, die übrigen engacmolen worden; nah anderweitigen Mittheilungen wären dieselben bereits aufgerieben. Die dortige armenishe Bevölkerung habe sih ruhig verhalten. Der Patriarch habe auf Wunsch des Sultan san die dortigen Bisthümer telegraphisch die Mahnun

gerichtet, die Aufständischen niht zu unterstüßen. Na

den neuesten Meldungen hätten auch die Kurden auf die Nachricht, daß der Sohn eines kurdishen Paschas im Kampfe gefallen sei und eine armenishe Bande unter dem Revolutionär und angeblihcn Kronprätendenten Serop stehe, die Verfolgung eingeleitet und dabei Ausschreitungen gegen die armenishe Bevölkerung begangen, bei denen 20 Personen etódtet worden seien, Türkische Truppen hätten weitere Aus- chreitungen verhindert. Zur Zeit sei die Bande theils zerstreut, theils sei sie über die ru!sishe Grenze geflüchtet.

Dänemark.

Jn der gestrigen Sißung des Folkething brachte, dem „W. T. B.“ zufolge, der Minister des Jnnern de Barden- fleth eine Vorlage ein, betreff-nd die Einrichtung einer Dampffährverbindung zwishen Gjedser und Warnemünde, die im wesen!lihen mit der im vorigen Jahre vorgelegten, aber niht fertig berathenen Vorlage übereinstimmt.

Affien.

__ Nah einer Meldung des „Temps“ hätten sih der fran- sishe Admiral Courejolles und der Vertreter Chinas über eine Grenzlinie in Kwangtshauwan verständigt. Wie dasselbe Blatt aus Sa igon berichtet, wurden infolge des Umsich- greifens der Seeräuberei in der Umgebung von Kwang- sshauwan vier Kompagnien Marine-Jnfanterie zur Verstärkung der Truppen des Admirals Courejolles entsandt.

Afrika.

Der „Times“ wird aus Lourenço Marques vom 15. d. M. berichtet, eine behördlih beschlagnahmte Nummer der „Diggers News“ habe die Nachricht enthalt:n, daß 6000 Buren durch Zululand marschierten. Am 183. d. M. hätten die „Diggers News“ berichtet, nah Aussage eines von Lady- smith gekommenen Deserteurs herrshe unter den britischen Truppen das Bestreben zu entkommen. Nahrungsmittel und Vor- râthe seien zur Flucht bereits auf Wagen verladen. Der „Times“ wird ferner gemeldet, die Gesammtzahl der in Pretoria befind- lihen britishen Gefangenen betrage 1338, einschließlih der Gefangenen von dem 18. Husaren-Regiment, dem Dublin- und dem Gloucestershire-Regiment.

Das „Reuter'she Bureau“ erfährt aus Lourenço Marques vom 16. d. M., aus dem Lager der Buren bei Ladysmith sei folgender Bericht eingetroffen, welcher in Pretoria der Zensur unterworfen worden sei: Bei dem Ge- feht am Dienstag zwischen den Oranjeburen und den Eng- ländern hätten die Buren eine Stellung auf einem kleinen Hügel innegehabt, als eine britishe Batterie aufgcfahren sei und den Hügel etwa eine Stunde lang mit Granaten beschossen habe. Als nunmehr das große Geshüß aus Pretoria das Feuec auf- enommen und gerade in die Mitte der feuernden britishen

atterie hineingeschossen habe, hätten sih die Engländer zu decken gesucht. Ava Buren seien getödtet, sechs verwundet, außerdem zwölf Pferde getödtet und acht verwundet worden. Einige Granaten scien unter den Engländern explodiert, während sie sich auf Ladysmith zurück- sezogen hätten. Jhre Verluste seien indessen niht be- annt. Um Mitternacht hätten alle Geshüßze der Transvaal- buren, welhe rund um die Stadt postiert seien, gleichzeitig das Jeuer eröffnet. Man habe vom Jmbulwana-Berge aus mehrere Gebäude der Stadt in Flammen stehen schen, Jm Laufe des folgenden Tages hätten die britishen Truppen die bombardierte Stadt verlassen und einen Hügelrücken beseßt, um den Granaten ju entgehen.

Nach einer Meldung der „Times“ aus Lourenço Narques vom gestrigen Tage, werde die Stadt Ladysmith ag und Nacht beschossen und sei hart bedrängt. Eine der vrücken über den Tu gela sei zerstört. Die Portugiesen er- lihteten Verschanzungen an der Grenze.

Die Johannesburger „Diggers News“ vom 15. d. M. welden, dem „Reuter'shen Bureau“ zufolge, 4000 Buren hätten am Dienstag die nördlich von Ladysmith gelegenen ugel verlassen, um sih den Truppen bei Estcourt unter ommandant Botha anzuschließen. Der Zweck dieser Be- vegung sei, den General Buller aufzuhalten, der planen solle, sr Unterstüßung der in Ladysmith belagerten Truppen durch atal vorzurüen.

Alle nah Durban gelangten Berichte stimmen, wie das „Reuter’she Bureau“ erfährt, darin überein, daß die Buren 8 abgelehnt hätten, die Fortshaffung der bei dem vorgestrigen usammenstoß mit dem Panzerzuge nördlich von Estcourt \efallenen und verwundeten Engländer zu gestatten. Drei vom Mooi-River gekommene Afrik ander seien in Pieter- narißburg verhaftet worden, weil sie als Nichtortsansässige h entgegen den Bestimmungen des Kriegsgerihts keine pertifikate beschafft hätten. Die Afrikander hätten angegeben, ihnen diese Vorschrift nicht bekannt gewesen sei, fie seien iber do der Militärbehörde übergeben worden. Die „Times i Natal“ veröffentliht eine Depesche ihres Korrespondenten E, Nordwene, welher sich beklagt, daß die iehen Bewohner des Zululandes ihrem Schicksal (erlassen seien. Die Läden in der Natbarschaft würden ge- Mndert und die Einwohner von den Buren gefangen ge- \ommen. Das Benehmen der E werde unverschämt j fh, die Engländer nicht helfen könnten. Man befürchte, daß i eindseligkeit der Eingeborenen gegen die Engländer noh härfer hervortreten werde.

h Der „Times“ wird aus Estcourt gemeldet, daß dort tgestern früh um 2 Uhr aus der Nichtung von Ladysmith

iy mebrere inuten dauerndes heftiges Gewehrfeuer sowie Knall einer Explosion gehört worden sei.

Nach einem Telegramm des „Neuter'shen Bureaus“ aus Estcourt vom gestrigen Tage haben 2000 Buren mit 8 Ge- Ben in Ennersdale, 5 Meilen nordwestlih von Estcourt, Stellung genommen. Wie den „Daily News“ aus Durban vom 11. d. M. berichtet wird, sollen 2000 Buren bei der Temhe-Drift stehen.

Der britische Kommissar im Basutolande hat gestern Maseru verlassen, um mit dem obersten Häuptling der Ba- sutos Lerothods zusammenzutreffen. Man nimmt an, dieser Besuch hänge mit der verdächtigen Haltung des Häuptlings Joël zusammen, von dem berichtet werde, er sei geneigt, mit den Buren gemeinsame Sache zu machen.

Jn Lourenço Marques treffen, dem „Reuter’schen Bureau“ zufolge, beständig Agenten des Geheimdienstes der Südafrikanischen Republik ein. Am Mittwoch Abend sei da- selbst ein Mitglied der Legislatur des Oranje-Freistaats aus Pretoria angekommen.

Der Dampfer „Oreana“ ist mit 1600 Mann britischen Truppen und einer Sanitätsabtheilung gestern in Kapstadt eingetroffen.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Bericht über die gestrige Sizung des Reichs6- tages befindet sih in der Ersten Beilage.

.— In der heutigen (104.) Sißzung des Reichstages, welcher der Staatssekretär des Reichs-Justizamts Dr. Nieberding und der Staatssekretär des Reichs-Postamts von Podbielski beiwohnten, wurde zunächst das Gesuh einer Anzahl Buch- druckereibesizer in Apolda um die Genehmigung der straf- rehtlihen Verfolgung des Abg. Baudert (Soz.) wegen Beleidigung an die Geschäftsordnungsfommission überwiesen.

Die XIV. Kommission hat für die zweite Berathung des Geseßentwurfs, betreffend einige Abänderungen von Bestimmungen über das Postwesen, dem Reichstage folgende Resolutionen vorgeschlagen:

„Den Herrn Reicbékan;ler zu ersuchen, dafür Sorge tragen zu wollen, daß I. möglichst bald das Bestellgeld der Zeitungen neu geregelt wird, und zwar in der Richtung, daß die Häufigkeit des Erscheinens mehr als bisher und außerdem auch das Zeitungs- gewicht berüdsihtigt wird, II. dem Verleger einer im Reichs-Post- katalog eingetragencn Zeitung gestattet wird, für die ven ihm aewonnenen Abonnenten felbst die Bestellung aufzugeben, III. die Beschränkung der zulässigen Ueberweisungsexemplare auf 1009/6 der Pojt- auflage aufgehoben wird, 1V. gegen die für Drucksachen festgesetzte Taxe aub Geschäftspapiere befördert werden können, V. bei der Ent- shädiaung kleinerer Privat - Postanstalten, namentlih s\o- weit folhe den aus\ch@ließlihen Ecwerb einer Familte bildeten, größtmöglihes Entgegenkommen geübt wird.“

Die Resolutionen T, Il und Il[[, welhe gemeinsam be- rathen wurden, sowie Resolution IV gelangten nah kurzer Debatte, an welcher sih außer dem Staatssekretär des Reichs- Postamts von Podbielski die Abgg. Dr. Müller- Sagan (fr. Volksp.), Dr. Dertel-Sachsen (d. kons.), Dasbach (Zentr.) und Singer (Soz.) betheiligten, zur Annahme, desgleichen ohne Debatte Resolution ŸY. Die zu dem Geseßentwurf eingegangenen Petitionen wurden dur die erfolgte Beschlußfassung für erledigt erklärt.

Bei Schluß des Blattes trat das Haus in die zweite Berathung des Entwurfs einer Fernsprehgebühren- Ordnung ein.

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

__ Die Arbeitseinstellung der Ab bruchsarbeiter in Hamburg ist, dem „Hamb. Corresp.* zufolge, nunmehr beendet (vergl. Nr. 273 d. Bl.). Die Arbeit ist überall wieder aufoenommen, der Arbeits- lohn von 40 auf 45 4Z für die Stunde erhöht worden. Gefordert waren 50 - pro Stunde. Viele dortige Abbruchsarbeiter sind durch auswärtige ersetzt

Bezüglih des Arbeiterausstandes am Simplon - Tunnel (vergl. Nr. 269 d. Bl.) berichtet der Berner „Band“, daß die Unter- nehmer erklärt hätten, vom Accordsystem niht ablassen und bas Minimallobnsystem nach den Anträgen der Ausständigen nicht an- nehmen zu können. Sie seten jedoch bereit, bis zum nächsten Zahltag, innerhalb 14 Tagen, eine individuelle Einshäßung fämmtlicher Arbeiter nach ihrer Leistungsfähigkeit in bestimmte Kategorien vor- zunehmen, wobei die bisherigen Löhne als Minimum angenommen werden follten. Der alsdann bei der Klassifizierung sih ergebende Lohnanfatz für den einzelnen solle künftig bei Accordarbeit als täg- liher Mindestverdier\| gelten. Jn einer darauf abgehaltenen Ver- fammlung der Ausständigen wurde die Antwort der Unternehmer für nicht befriedigend e:färt und die Fortseßung des Ausftandes beshlossen. Infolgedessen erließen die Ünternehmer am 16. d. M. folgende Proklamation: „An unsere Arbeiter: Die Unternehmung theilt den Arbeitern mit, daß alle Arbeitsstellen ofen sind. Die- jenigen Arbeiter, welche die Arbeit nicht spätestens bis Montag Abend aufnehmen, sind entlassen. Die Wiederaufnahme der Arbeit erfolgt zu Bedingungen, welche die Kommission gestern der Arbeiterversamm- lung mittheilte,“

Land- und Forftwirthschaft. Getreidemarkt in Genua.

Genua, ten 10. November 1899. Die Situation hat si im Oktober nicht geändert. Der Geschäftsgang bleibt s{chleppend bei eringem Umsaß und langsam weichenden Preisen. Der Konsum auft nur das Nothwendigste bet sofortiger Lieferung. Die Spekulation möchte verkaufen auf die Wintermonate, findet aber keine Nehmer, weil man der Ansiht ift, daß die Preise noch weiter zurückgehen werden, Der Bedarf für November dürfte fo zienlih gedeck: sein, dagegen ist auf Lieferung per Dezember/Februar bis R nur wenig gehandelt worden, wobei jedoch der Umstand zu berück|ichtigen ist, daß im Winter die Mühlen ihre Fabrikation bet- nahe auf die Hälfte reduzieren.

Nußland verlangt für Dur Taganrog u. O. Noworossysk 9,38 P. November-Dezember 18,50 Fr., für 10,06 P. 19,00 Fr.; hier wollen die Käufer- 18,25 Fr. respektive 18,75 Fr. anlegen. Ghirka-Ulka, Nicolajeff-:Odessa 9,30 P. werthet 16,25 Fr. bis 16,00 Fr., Azyew 10,05/10 P. 17,25 bis 17,50 Fr., Mais RCNan 10,75/50 Fr., Nicolajeff-Ddessa Hafer 43/44 kg Naturalgewiht 11,50 Fr.

Vom Azow meldet man bereits ziemlih starke Kälte, und wenn der Frost anhält, wird die Schiffahrt in wenigen Wochen gesVloien sein.

Am 31. Oktober d. J. stellten sich in Genua die Getreide- vorräthe und die Preise für den Doppel-Ztr., wie folgt:

Weichweizen. . 17000 dz zu 15,50 bis 25,50 Lire Hartweizen . . . 18000 , 17,50 ,„, 29,00 , Mais. è e «400007 ¿980 1000

D oe 6000 / „1060. O.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.

Das Erlöschen der Maul- und Klauenseuche ist dem Kaiserlihen Gesundheitsamt gemeldet worden vom S ble bi Biebbofe zu Dresden am 17. November und das Erlöshen der Maul- und Klauenseuchße unter dem Rindviehbeftande vom Seuchenhofe zu Nürnberg an demselben Tage.

Triest, 17. November. (W. T. B.) Die General - Direktion des ôsterreihishen Lloyd erhielt eine Depesh2 aus Porto Praya (Cap Verdishe Inseln), welhe meldet, der Dampfer „Be- renice” babe am 15. d. M, die Weiterreise nah Gibraltar angetreten ; das Befinden des erkrankten Stewarts sei unverändert. Die Behörden von Porto Praya hätten die Ausschiffung des Stewarts nit zugelassen, derselbe fei dechalb an Bord verblieben. Das Befinden der übrigen Mannschaft sei ein gutes (vgl. Nr. 271 d. Bl.). Wie die , Wiener Abendpost* meldet, ist auc in den letzten 24 Stunden keinerlei pest- verdächtige Erkrankung in Triest vorgekommen.

Theater und Musik.

Theater des Westens.

Die seit längerer Zeit angekündigte Oper „Hermann und Dorothea“ von I. Uri, welche gestern zum ersten Mal in Scene ging, errang einen freundlichen Erfolg, Wenn das Werk dennoch feinen tieferen Eindruck hinterließ, so tcifft dafür den Verfasser des Textes Dr. Müller -Rastatt eben so sehr die Schuld wie den Komponisten. Der erstere hat ih damit begnügt, aus der Goethe’shen Dichtung eine Reihe von gänzli undramatishen Bühnenbildern herauszugreifen etwa diejenigen, die ein Zeichner, der das Werk zu illustrieren übernommen bätte, aus- wählen würde —, die episch breite Erzählung in Dialoaform und die Hexameter in gereimte Zweizeiler umzuwandeln, anstatt von dem Vor- ret des Dramatikers Gebrau zu machen, den gebotenen Stoff nach anderen künstlerischen Prinzipien neu und frei zu gestalten. Durch dieses handwerksmäßige Vorgehen machte er sich die Arbeit leiht, dem Komponisten aber doppelt shwer, wenn dieser es etwa bätte unternehmen wollen, seine Musik ergänzend und belebend dem Worte anzufügen. Aber auf die Lösung diefer \{wi-rigen Aufgabe hat auch Herr Urih verzichtet; er bleibt in den von dem Textverfasser vorgezeihueten Grenzen und bietet einen zwar gefälligen, aber auf die Dauer etwas ein- töônig wirkenden deklamatorischen Stil, der, sih in seinen Höhepunkten zur Melodie oder zur geschlossenen Liedform steigernd, leider fo wenig Eigenart ¡eiat, daß es selbst dem Laien niht shwer fällt, bekannte Anklänge zu entdecken. Die Aufführung, unter Kapellmeister Doebber's Leitung, konnte nit in allen Theilen befriedigen. Hervor- ragendes leistete, soweit der geringe Umfang der Rolle es zuließ, nur Fräulein Brackenhammer als Mutter. Fräulein vom Scheidt zeichnete die Gestalt der Dorothea nicht mit jenec Schlichtheit, in der sie uns in der Goethe’shen Dichtung entgegentritt, sondern machte aus ihr zu sehr eine Opernheldin. Gesanglich bot sie dagegen, von einigen Jn- tonationsf{wankungen abgesehen, recht Gutes. Herr Borgmann entsprach in der Rolle des Hecmann zwar äußerlih dem Bilde, welches das Epos von diesem Jüngling entwirft, sein Spiel war aber, da er mit den Vlick?en zu sehr am Stabe des Dirigenten hing, nob etwas unfrei. Andrerfeits kam jedo die Schönheit seiner, an das mächtige Organ des Hof-Opernsängers Kraus erinnernden Stimme voil zur Geltung. In den Rollen des Vaters, des Pfarrers und des Apothekers kornten die Herren Schwabe, Philler und Holy befriedigen. Ganz unzulänglich war „dagegen Herr Hobbing als Richter, und auch der Chor fang vielfa sehr unrein. Der anwefente Komponist dankte persönli für den freundlih gespendeten Beifall.

Im Königlihen Opernhause beginnt morgen die Ge- sammt- Aufführung bon Richard Wagner's Bühnenfestspiel „Der Ring des Nibelungen" mit dem ersten Abend „Das Rheingold“. Die Beseßung lautet: Wotan: Herr Bachmann; Donner: Herr Mödlinger; Froh: Herr Philipp; Loge: Herr Sommer; Albecich: Herr Krasa; Mime: Herr Lieban; Fafolt: Herr Wittekopf; Fafner: verr Knüpfer; - Fricka: Fräulein Reinl; Freia: Fräulein Weit; Erda: Frau Goeße; Woglinde: Fräulein Dietrich: Wellzunde: Fräulein Rothauser; Floßhilde: Fräulein Krainz. Dirigent ist Kapell- meister Dr. Muck. Am Montag folgt als zweiter Abend „Die Walküre“ in nachstehender Beseßung: Siegmund : Herr Kraus; Hunding : Herr Mödlinger ; Wotan: Herr Bachmann ; Sieglinde: Fräulein Hiedler; Brünnhilde: Fräulein Reinl; Fricka: Frau Goeße; Walküren : die Damen Dietrich, Kopka, Weiz, Destinn, Krainz, Pohl und Rothauser. Kapellmeister Dr, Muck dirigiert.

Im Königlihen Schauspielhause wird morgen Ludwig Fulda’s Märchenshwank „Schlaraffenland“ zum ersten Vèale wieder- bolt. Am Montag geht Paul Lindau?s vieraktiges Lustspiel , Der Herr im Hause“ in Scene. Die Damen Schramm, Sandow, Hausner, Tauma, die Herren Kraußneck, Keßler und Boettcher sind darin beschâftigt.

__ Im Neuen Königlichen Opern- Theater findet morgen eine einmalige Vorstellung der Mitglieder des Lessing-Thbeaters statt. Zur O ori (O Vlumenthal's und Kadelburg?s dreiaktiger Shwank „Van udebein“.

_Im Deutschen Theater findet morgen Abend die erste Wiederholung des neuen Schauspiels „Der Probekandidat“ von Marx Dreyer statt, welches außerdem noch am Dienstag und Donnerstag nächster Woche, sowie am nächstfolgenden Sonntag Abend zur Aufführung gelangt. Am Montag wird „Cyrano von Bergerac“ gegeben. am Mittwoh bleibt des Bußtags wegen das Theater geschlossen, am Freitag geht „Rosmersholm“ in Scene, am Sonnabend „Der Meister von Palmyra“. Als Nat- mittags-Vorftellung werden morgen „Die Weber“ gegeben.

Im Berliner Theater wird das Volksftückl „Die Herren Söhne“ morgen, am Dienstag, Donnerstag und Freitag nächster Woche (11. Abonnements-Vorstellung) wiederholt. Am Montag wird „Göß von Berlichingen“ und am nächsten Sonntag (Todten-Sonntag) „Der Pfarrer von Kirchfeld“ gegeben. Am Sonnabend geht zum ersten Male „Advokat Patelin“, Schwank in zwei Aufzügen, nah einer Farce des fünfzehnten Jahrbunderts, bearbeitet hon Brueys und Palaprat (1706), deutsch von Wilhelm Wolters, und ,„Tartuffe“, Lustspiel in fünf Akten, von Molidre, deutsch von Ludwig Fulda, in Scene. Am Mittwoh (Bußtag) bleibt das Theater geschlossen. Morgen Nachmittag aeht „Wilhelm Tell“ in Scene.

Im Schiller-Theater wid morgen Nachmittag „Die Hauben- lere“, Abends Sudermann’'s Schauspiel „Die Ehre“ gegeben. Am Montag findet die legte Wiederholung von „Nora“ statt, am Diens- tag geht „Der Richter von Zalamea“ in Scene. Am Mittwoch fällt des Buß- und Bettags wegen die Vorstellung aus. Am Donnerstag wird „Die Jungfrau von Orleans" gegeben, für Freitag und Sonn- abend find die ersten Aufführungen von „Cyprienne* angeseßt. Jm Abe ees Rathhauses findet morgen ein „Ferdinand Freiligrath-

end“ statt.

Im Theater des Westens geht morgen Nahmittag Lortzing?s Oper „Zar und Zimmermann“, Abends und am Montag „Hermann und Dorothea“ in Scene. Am Dienstag gastiert Fräulein Prevoftt in Bize1’s Oper „Die Perlenfisher“ und am Freitag in „La Travtata*. Am Mittwoch findet eine Oratorium- Aufführung statt. Am Donners- tag wird „Martha“, am Sonnabend „Der Freishüßz“ gegeben.

Im Lessing-Theater geht morgen sowie am Montag, Dienstag, Donnerstag und Sonnabend nächster Wohe Oscar Blumenthal’'s und Gustav Kadelburg?s Lustspiel „Als ih wiederkam“ in Scene. Am Freitag wird E. von Keyserling's Schauspiel „Früh- lingsopfer“ aufgeführt. Am nähsten Sonntag findet die Premiòre von Philipp Langmann's Drama „Gertrad Antleß“ ftatt. Am Mittwoch bleibt des Bußtags wegen das Theater geschlossen. Morgen Nachmittag wird Max Dreyer's Schwank „Großmama“ zu ermäßigten

Preisen gegeben.