1899 / 275 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 20 Nov 1899 18:00:01 GMT) scan diff

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sondern die Entscheidung der Krone überlassen. Die Krone werde niht wieder die alte Quote feststellen, sondern die zwishen den Deputationen vorhandene kleine Differenz aus- gleihen. Einer getroffenen D gemäß werde, wie das Blatt weiter meldet, die österreichische Regierung in den nächsten Tagen 10 Millionen, die ungarische Negierung am nächsten Montag 9 Millionen in Gold an die Bank abführen, um Silbergulden zur Ausprägung von Fünf-Kronenstücken zu erhalten. De ; Gestern haben in Prag «und in verschiedenen größeren czechischen Städten Böhmens Demonstrationsversamm- lungen stattgefunden, an denen die Obmänner der Bezirk3- vertretungen, die Bürgermeister, Gemeindevorsteher u. |. 1. theilnahmen. Jn cllen Versammlungen wurde eine inhaltlih übereinstimmende Resolution angenommen, 1n welcher der staatsrechtlihe Standpunkt der Czechen dargelegt, gegen die Aufhebung der Sprachenverordnungen protestiert, als Mindestmaß der Genugthuung für das dem czechishen Volke angethane Unrecht die Entlassung des Kabinets Clary und die Beteiligung des von dieser Regierung am czechischen Volke verübten Ünrechts verlangt wird. Solange dies nicht der Fall ci, würden die autonomen Korporationen bei der Durch- führung der Aufgaben der öffentlihen Verwaltung feine Unterstüßung finden. Jn der Versammlung in Prag, die im Altstädter Rathhause stattfand, referierte der Jungczeche Herold. In der vorgestrigen Sizung des ungarischen Unterhauses führte der Finanz - Minister von Lukacs in Beantwortung einer Interpellation des Abg. Ugron, betreffend die Weigerung der öster- reihishen Staats\huldenkommiision, Gold zu Valutazwecken an die öfterreihisch-ungariïide Bank zu übergeben, aus: der Beschluß der erwähnten Kommission habe geringere Bedeutung, als man all- gemein annehme; der Beschluß könne nicht die Verzögerung der Valutaaktion bewirken; das zuständige P sei der Reihs- rath, der sich noch nit geäußert habe; die österreihische Regierung sei willens und sei auch fädtg, die Bestimmungen der Valutagesege durhzuführen, man könne noch niht von etner, Vzr- Tegung der in den AuzgleihSgefeßen festgeseßten Reziprozität sp:eh2n. Der Minister fügte hinzu, er habe vorsichtshalber für alle Fâlle die Uebergabe des auf Ungarn entfallenden Goldes einstweilen eingestellt gehabt, nahdem jedoŸ die öôsterreichishe Regierung spâter fich bereit erklärt babe, troß des Beschlusses jener Kommission, der geseß- lien Vorschrift gemäß die Herausgabe von Gold an die österreiwisch - ungarishe Bank zu bewerkstelligen, so stehe nunmebr aub von seiten Ungarns der Goldbinterlegung nihts im Wege. Was die Geldtheuerung betreffe, so habe die Regierung, deren Einfluß in diejer Richtung begrenzt sei, manches zur Befferung der Verhältnisse gethan, namentlich seien Geldinftituten ansehnliche Beträge aus den Kassenbeständea zur Verfügung geftellt worden. Auch seien den Wasserregulierungsgesellshaften, welch? gegen- wärtig nur unter {weren Bedingungen Anleihen bâtten aufnehmen können, Vorschüsse gewährt worden. Ferner bakte die Regierung dur rößere Bestellungen verhindert, daß gewisse Unternehmungen den Betrieb einschränkten und Arbeiterentla}jungen vornähmen. Die Aatwort des Finanz-Ministers wurde nah einer Erwiderung des Avg. Ugron zur Kenntniß genommen. Im weiteren Verlaufe dzr Sißzung stellte der Abg. Rakovszky an den Minister-Präsidenten die Frage, ob er troß der verweigerten Golderlegung und troßdem das Ueber» weisungsverfahren noch nicht zum Gesetz geworden sei, noch immer die Neziprozität für gesichert eradte und ob er gegen eventuell? Ueber- raschungen gesichert sei. Der Minister-Präfident v on Szell ent- gegnete: „Ueber die in Rede stehenden Punkte habe ih mi bereits wiederholt geäußert. Seither hat sid die Lage nicht geändert. Das gegenwärtige Regime bat au biéther dem Lande keine Ueber- rashungen bereitet. Ueberras@ungen können nur in Oesterreich eintreten. Was für Vorkehrungen ib dagegen treffen werde, darüber kann man von mir keine Aufklärung verlangen. JI-?nseits der Leitha sind die Parteiverbältnisse sebr verwickelt. Die Regierung, weldie vom besten Willen erfüllt ift, hat noch keine Majorität er- balten. Die Wolken, die sich dort noch aufthürmen werden, bis h die Vzrhältnifse befestigt baben, haben uns aber nit zu fümmern. (Nufo auf der äußersten Linken : Aber sie begraben uns!) Sie haben urs nit bearaben und werzen uns au nie begraben können. Die Konirol- kommission hat die Pflicht, darüber zu wachen, daß die Geseye inne- gebalten werden, sie kat aber nidt das Recht, die Durchführung von Gesetzen zu hinderz, wie dies thatfählid gesceben ift. Die Kaifer- li? Verordnung auf Grund des S 14 ist nämli solange Seleß, als sie vom Reichérath niht abgeändert wird. Die ôsterreihish- Utegte- gierung hat si bereit erkiärt, das Gold zu erlegen; woher 112 es nimmt, ist ire Sache und kann uns niht kümmern. Man dar? also nit in jedem Zwischenfall eine Verletzung der Reziprozitat erblicken ; wenn eine solde wirfli% eintreten follte, dann werden IwIr son zur Stelle sein. Ob nun die Verordnung, betreffend das U-der- weisungs8verfabrea, \chon jeßt erlafen, oder ob dies erst sväter geshehen werde, die Bestimmungen derselben träten doh erst am 1. Januar ins Leben. Ih bin über- zeugt, daß das Uebterweisungsvarfaßhren am 1. Fanuar 1900 ins Leben treten wird.“ (Rufe auf der außerlien Linken : „Auf Basis des § 14?*) „Heute besteht die Äbsiht“, erwiderte der ‘Minister- Präsident, „das Verfahren auf parlamentarishem Wege in Krast treten zu lassen. Wenn der Ausgleih in feinem Gesammtumfanz am 1. Januar nit ins Leben treten wird, dann is die Reziprozitat ver- leßî. (Rufe auf der äußersten Linken: „Gut! Das werden wir uns merken !“) Was wir in diesem Falle thun werden, tit im Se!eß vorgesehen, dazu bedarf es keiner grofen Vorkehrungen.“ Die Antwort des Minist:r-Präsidenten wurde vom ganzen Hause gege die Sttmmen der äußersten Linken zur Kenntniß genommen.

Frankreich.

Gestern Nachmittag fand, wie „W. T. B.“ berichtet, in Paris auf der Place de la Nation die Enthüllung des Denkmals „Triumph der Republik“ statt. Gegen 1 Uhr Nachmittags fuhr der Präsident Loubet, begleitet von den Ministern Waldeck-Rousseau, Millerand, Leygues und Decrais, vom Elysée nach dem Plate. Die Mitglieder des Stadtraths und zahlreiche Bürgermeister aus der Provinz begaben sih zu Fuß vom Rathhause dorthin. Die verschiedenen Abordnungen und die Arbeitervereine versammelten sich um die Mittagsstunde mit ihren Bannern und Fahnen und mit Musikkorps auf der Place de la République und dem Boulevard Nichard-Lenoir zum Buge nah dem Denkmal. Der Präsident Loubet wurde auf der ganzen Fahrt von der Bevölkerung warm begrüßt und

besonders herzlich auf der Place de la Nation, wo eine ge- waltige Menschenmenge versammelt war; auch dem Minister- Präsidenten wurden Ovationen dargebracht. Umgeben von den Ministern, Senatoren, Deputirten und Gemeinderäthen, wohnte der Präsident dem Vorbeimarsch von mehreren

hundert Korporationen, Abordnungen der O aao uldigu

mit seiner Begleitung den Plaß um 21/4 Uhr Nachmittags unter den Beifa srufen Abfahrt wurde der Vorbei- marsch der verschiedenen Gruppen an dem Denkmal fort- Bei dem Fest- mahl, welches Abends im Hôtel de Ville zu Ehren der Minister und der zu dem Fest erschienenen Bürgermeijter

Schulen u. \. w. bei, die ihm und den Ministern darbrachten. Der Präsident verließ der Menge. Nach seiner

geseht, der um 61/4 Uhr noch fortdauerte.

. Triumph der Prinzipien der Revo

Maldeck-Nousseau eine Rede, in welder er, dem 2 Di a1 zufolge, Folgendes ausführte: Die republikanishe Staatsform fei die Frankreich vom Schicksal bestimmte. Das, was die Revolution geleistet En umfasse alle großen philosophischen, politischen und ozialen Reformen, die das 19. Jahrhundert durch uführen sih bemüht habe, und ihr Vermächiniß an das nächste Jahr- bundert sei die Aufgabe, die volle Entwickelung dieser Reformen zu vollenden. Der Minister {loß seine Rede mit den Worten: „Jm Gefühl tiefster Dankbarkeit für das von unseren Vätern vollbrachte Werk und mit unerschütter- lihem Vertrauen zu dem Werke der Zukunft trinke ih auf das moderne Frankreich, auf seine Bestimmung, ferner darauf, daß die Aufgabe qua S in E P ARUAE A pad e i die Nepublik erfullt werde, un

Se O h On Der Präsident des Stadtraths Lucipia feierte sodann den Präsidenten Loubet und beglückwünschte die Minister, welche ungeachtet der drohen- den Reaktion ihre Aemter übernommen und dadurch ein Beispiel von Bürgermuth gegeben hätten. Lucipia sprach sodann den bei der Enthüllung vertretenen Gemeinden feinen Dank aus, welche da- durch, daß sie der Republik ugejubelt, ein Unterpfand für das Band gegeben hätten, , das Paris und ganz Frankreich um- shlinge. Er begrüßte die Arbeiter und Frei enker und betonte die Pflicht der Vertheidigung der Republik. Sein Trinkspruch galt „dem republikanischen Frankreih, von „welchem dem Menschengeschleht die Befreiung kommen werde“.

Der Staatégerichtshof sezte vorgestern die Vernehmung der Angeklagten fort. Devaux gab zu, Präsident einer Gruppe gewesen zu sein, welche sih mit royalistisher Propa- ganda befaßt habe, doch habe er feinerlei Beziehung zur PNatriotenliga oder zur Antisemitenliga gehabt. Déroulède versicherte seine Liebe zur Republik und sprach sich in scharfen Worten gegen das parlamen- tarische Regime aus. Als er hierauf den Präsidenten der Nepublif angriff, erklärte der Vorsigende Fallières, er fönne ihm nit gestatten, jo zu sprechen, und fordere ihn auf, scine Wortezurückzunehmen. Dérou [ède weigerte sich; vonseiten der übrigen Slacklagtén wurden verschiedene Rufe laut. Déroulède verwahrte sich gegen die Behauptung, daß er das Land habe auf- wiegeln wollen, er wolle nur dem Vaterlande und der Armee Achtung verschaffen. Der Staatsanwalt Bernand verlangte, daß gegen Déroulède das Gese von 1881 zur Anwendung gebracht werde, welches Bel ge des Präsidenten der epublik bestraft. Déroulède erklärte, Loubet sei in seinem Privat- leben ein Ehrenmann, im übrigen halte er, Déroulède, jedoch seine Wort? aufrecht. Nach einigen Bemerkungen des Advokaten Falateuf wurde die öffentliche Bethle unter- brochen, und der Staatsgerihtshof schritt zur Be chlußfassung über den Antrag des Staatsanwalts. Nah der Wiederaufnahme der öffentlihen Sißung verlas der Vorsißende Fallières den Beshluß de- Gerichtshofes wegen der von Déroulède gegen den Präsidenten der Republik gerichteten Angriffe. Nach diesem Beschluß wird Déroulède wegen Beleidigung des Präsidenten Loubet zu drei Monaten Gefängniß verurtheilt. Der Anwalt Déroulède's verlangte das Wort. Da der Vor- sizende dies verweigerte, echoben die Angeklagten lärmend Einspruh. Die Sißung wurde alsdann aufgehoben.

Ftalien. : Auf eine Anfrage, welche der Deputirte Morandi in der vorgestrigen Sißung der Deputirtenkammer über die Konferenz im Haagan die Regierung richtete, erwiderte der Minister des Auswärtigen Visconti - Venosta: Wenn die er- reihten Resultate auch feine vollständigen esen seien, so bezeichneten sie doh einen sehr bemerkbaren Fortschritt der Zivilisation und Humanität, nicht nur dadurch, daß he die ‘Schrecken der Landkriege wie der Seekriege milderten, sondern auch dadurch, daß das Prinzip der schiedsgerichtlihen Ent- sheidung proklamiert und in dem Organiemus eines ändigen internationalen Schiedsgerichts zum Ausdruck ge- braht worden sei.

Spanien.

Jhre Königlichen Hoheiten der Prinz Albrecht von Preußen, Regent des Herzogthums Braunschweig, und der Prinz Friedrich Heinrich von Preußen sind, wie „W. T. B.“ meldet, am Sonnabend in Cadix eingetroffen und am Bahnhof von den Militäc- und Zivilbehörden sowie einer großen Volksmenge begrüßt worden. Abends fand zu Ehren Zhrer Königlichen Hoheiten eine Fetten im Theater statt. Gestern reisten Höchstdieselben nah Granada ab.

Die Regierung hat auf eine Eingabe der Hande ls- kammern, in welher der Köni gin-Regentin die Wünsche derselben ausgesprochen waren, etne Erwiderung erlassen, in welcher der Minister-Präsident Silvela erklärt: Die Re- gierung sci mit den Handelskammern einer Meinung hin- fichtlich der Dezentralisation und Reorganisation der Ver- waltung. Was die Verlegung der Geseze, wie Verweigerung der Steuerzahlung und Aufreizung zur Gefährdung der nationalen Einheit, betreffe, so stehe vie Regierung jedoch auf einem entgegengesezten Standpunkt. Ï e

Das Panzershiff „Karl der Fünfte“ it nah Barcelona entsandt worden. Die Haupträdelsführer sollen, vie es heißt, an Bord des Schiffes gefangen gesezt werden, wenn die Steuerpflichtigen fortfahren, die Zahlungen zu verweigern.

Amerika.

Der jüngst erschienene Bericht des Adjutant-Generals der amerifanishen Armee über die Landstreitkräfte der Ver- einigten Staaten beziffert dieStärke des stehenden Heeres auf 64 586 Mann, die der Freiwilligentruppen auf 34 574, die Offiziere eingerechnet. Von dieser Gesammtsumme von beinahe 100 000 Mann befinden \sich 32315 auf den Philippinen, und 17 099 sind dorthin unterwegs. Zum 1. Dezember hofft die Armee- leitung dort 2117 Offiziere und 63 608 Mann versammelt zu haben.

Das Schiffbauamt hat, dem „W. T. B.“ zufolge, den Bau von 3 Panzerkreuzern mit je einem Gehalt von 13 500 Tons, von 3 geschüßten Kreuzern von 8000 Tons, sowie von 6 Kanonenbooten- mit geringem Tiefgang von 1000 Tons und 6 anderen Kanonenbooten des gleichen Typus von 800 Tons bestellt. F

Wie das „Neuter’she Bureau“ meldet, hat der bisherige Oberrichter auf Samoá Chambers formell seine Entlassung eingereiht. Der Präsident Mc Kinley hat diese im Namen

n Asien.

Der „Agence Havas“ wird aus Peking gemeldet, die chinesishe Regierung habe darauf verzichtet, Frankreich die beiden Znseln, welhe die Einfahrt zur Bucht von Kwang- tshaumwan beherrschen, streitig zu machen. Der Marschall Sy habe mit dem Admiral Courrejolles die Karte des Grenz gebiets festgestellt.

Afrika.

Aus Kairo wird dem „Reuter'shen Bureau“ gemeldet, daß der Sirdar Lord Kitchener L in Khartum angekommen sei. Die dortige Lage sei unverändert; der Khalif befinde sich westlich von Duem. Ein in London eingetroffenes amtliches Telegramm aus Estcourt vom 18. d. M. besagt, wie „W. T. B.“ berichtet: Heute früh um 8 Uhr meldete der Offizier, welcher die nördlichen Vorposten befehligt, daß berittene Patrouillen des Feindes quer durch das ganze Gebiet von der Land- straße bei Gourton bis Ulundi in der Richtung auf Estcourt vorrückten. Die Besagung von Estcourt trat unter die Waffen. Die Vorposten meldeten weiter, daß verschiedene Abtheilungen in Stärke von 500 bis 700 Mann von Nord- westen her im Anmarsch seien, und daß eine Abtheilung von 150 Mann in der Richtung auf die Eisenbahnbrüdcke 1/4 Meile nordwestlih von Estcourt vorgehe. Die britischen Vorposten feuerten auf den Feind. Ein Schiffsgeshüß \s{leuderte auf 8000 Yards Granaten, welche dicht am Feind krepierten, der sih zurückzog. Um 12 Uhr Mittags ging von den Feldwachen die Meldun cin, daß eine große Anzahl Buren auf einem Lüge! oberhalb des Gehöfts Leslie in Sicht seien. Die Truppen sind in das Lager Ats Die „Daily Mail“ meldet aus Lourenço Marques vom 18. d. M. : dort eingelaufenen Berichten zufolge erwarteten 10000 Buren den Anmarsh des Generals Sir Redvers Buller von Pietermarigburg. Die Generale Jo ubert und Louis Botha seien mit starken Abtheilungen unterwegs, um den Genecal aufzus halten; sie erwarteten, ihn zwischen Colenso und Estcourt zu treffen, 600 Buren, die Geshüße mitführten, hielten den Paß von Helpmakaar besct, um jeden Versuch der Engländer, sih dur einen Vorstoß von Pietermarißburg und Greytown aus Dundces wieder zu bemächtigen, zu vereiteln. - Nach Angaben der Buren sind, wie das „Reuter sche Bureau“ aus Lourenço Marques erfährt, in dem Kampf mit dem Panzerzug bei Colenso am 15. d. M. 56 Engländer gefangen genommen worden, darunter Churchill, der Bericht State der „Morning Post“. Dieselben sind nach Pretori gebracht worden. : / Aus Tuli (Rhodesien) vom 9. d. M. erfährt das „Reutershe Bureau“, der Oberst Plumer habe ein Teles ramm aus Palapye erhalten, in welhem der Häuptling Khama berichte, daß die Buren am 7. d. M. den Selika- Kop angegriffen, sih jedoch, da sie die Stellung in den Händen einer starken Abtheilung gefunden, ohne Verluste über den Krokodil-Fluß zurückgezogen hätten. Demselben Bureau wird aus Kimberley vom 11. d. M.

emeldet, daß der Feind den ganzen Tag über die Stadt

ombardiert und über 300 Schüsse abgegeben habe. Zwei Patrouillen hätten die Stadt verlassen und seien mit feind- lihen Abtheilungen ins Gefecht gekommen, wobei 6 Mann des Feindes gefallen und auf britischer Seite zwei Mann ver- wundet und zwei Pferde getödtet seien. \

Nah einer Meldung des „Reuter’schen Bureaus“ aus Kapstadt hat das Kommando von Rouxville im Ocanze - Freistaat in Stärke von 450 Mann am 13. d. M. Aliwal-North beseßt, die Fahnen der beiden Republiken gehißt und eine Proklamation erlassen, dur welche die Annektierung der Stadt und des dazu gehörigen Gebiets ausgesprohen wird. Den britishen Bewohnecn wurde eine Frist von 14 Tagen bewilligt, um die Stadt zu verlassen. Aus Pretoria vom 17. d. M. wird berichtet, daß eine aus Truppen beider Republiken zusammengeseßte Streitmacht am 16. d. M. Colesberg, ohne Widerstand zu inden, beseßt und das dazu gehörige Gebiet im Namen des Oranje Freistaats für annektiert erklärt habe. Ein Telegramm der „Times“ aus Queenstown vom 18. d. M. besagt, der Kommandant Olivier sei mit 50 Mann von dem Rouxville- Kommando der Oranje-Buren früh 4 Uhr von Burghersdorp aus in Jamestown eingetroffen, habe alsbald die Flagge des Oranje - Freistaats gehißt und die Annektierung . der Stadt proklamiert. Kleine Burenabtheilungen durchstreiften Griqualand-West und hätten von Barkley-West und von Douglas Besiß ergriffen. Es sei den Buren fein Widerstand entgegengescht worden. Dieselben seßten in jeder Stadt Landdroste ein. , f

Aus Oranje-River Station wird dem „Reuter'schen Bureau“ vom 16. d. M. gemeldet, daß dort alle Vorbereitungen für die Zusammenziehung der zum Entsaß von Kimberley bestimmten Truppen beendct seien. Lord Methuen F warte nur noch die Ankunft der Verstärkungen. Die Garde Brigade von den Coldstream Guards allerdings crst 6 Bataillon sei eingetroffen. Es seien Vorbereitungen zu? Wiederherstellung dec Eisenbahn bis Kimberley getroffen.

Nach einer Meldung der „Daily News“ aus Kap|tad: erwarte man dort, daß der General Sir Redvers Vul!e: sein Hauptquartier nah De Aar verlegen werde. Es würden dort jeßt große Vorbereitungen für die Vertheidigung des Platzes getroffen. : : Ï

Der Premier-Minister der Kapkolonie Schreiner ba

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dem „Neuter’shen Bureau“ zufolge, den Zivildeamt?

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telegraphis{h mige, daß nicht beabsichtigt werde, ?

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Bürgec zu den Waffen zu rufen. Man erwarte aber, alle Bürger der Königin treu bleiben würden. L Mit den Truppen, welche vorgestern in Transp schiffen Kapstadt erreicht haben, beziffert sich die Zas: is dort eingetroffenen erstärkungen auf mehr a 27 000 Mann. Die Mannschaften der Transportschiffe wet theils in Kapstadt, theils in East London, theils in Natal # landet. Die Zensur verheimliht die Truppenbewegunge?-

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Parlamentarische Nachrichten.

Der Bericht über die vorgestrige Sigung hes Rei S tages befindet sih in der Zweiten Beilage.

° ; “Ei ; 3, wes s S der heutigen (105.) Sihung des dre 8 Lage Sigats-

der Vereinigten Staaten angenommen. Chambers wird jeßt seine Entlaffung auch bei Großbritannien und Deutschland ein-

veranstaltet worden war, hielt der Minister - Präfident

reichen.

dec Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe unv E sekretär ‘es Neichs Justizamts Dr. Nicberding beiwohnte

stand die zweite Berathung des Entwurfs eines Mle zum Schuße des gewerblichen Arbeitsverhältnisses auf der Ta R

Zum o der Vorlage lag eine Reihe von den Abgg. Büsing, öller-Duisburg, Dr. Sattler und Ge- nossen (nl.) sowie von den Abgg. Freiherr von Stumm und Genossen (Rp.) gestellter Abänderungsanträge vor, welche bis zum Schluß des Blattes von den Abgg. Büsing und Freiherrn von Stumm in längeren Ausführungen be- gründet und befürwortet wurden.

Nr. 47 des „Centralblatts für das Deutsche Reich“, herausgegeben im Reichsamt des Innecn, vom 17. November, hat olgenden Inhalt: 1) Konsulat-Wesen: Grnennungen; Be- h f eines Konsular-Agenten ; Ableben eines Vize-Konfuls ; Excquatur-Ertheilungen. 2) Marine und Schiffahrt: Bekannt- machurg, betreffend Ausführungabestimmungeu zum § 25 des Flaggen- Gesetzes vom 22. Juni 1899; Erscheinen des Ii1. Nachtrags zur Amtlichen Liste der Schiffe der deutshen Kriegs- und Handelsmarine für 1899. 3) Versicherungs - Wesen: Prämientarif für die Ver- siherungéanstalt der Liefbau-Berufsgenofsenshaft. 4) ZolUl- und Steuer-Wesen: Abänderungen der Bestimmungen über die Bewilligung von Theilungslagern an die Kaiserlihen Marineverpflegunasämter. 5) Polizei-Wesen: Ausweisung von Ausländern aus dem NReichsgebiet.

Statistik und Volkswirthschaft.

Kohlen- und Salzgewinnung im Ober-Bergamtsbezirk Halle.

Im dritten Kalender-Vierteljahr 1899 wurden Steinkohlen auf einem Werk (wie in demselben Zeitraum des Vortahrs) gefördert ; dessen mittlere Belegschaft betrug 36 Personen, unter welchen sich 91 Bergarbeiter befanden. Die neue Förderung einschl. des Be- standes belief sich auf 3433 & (gegen dasselbe Vierteljahr 1898 248 t), der Absatz auf 959 (— 1153) t, der eigene Bedarf des Werks auf 1070 (+ 627) t. Der Werth der verkauften Kohlen betrug 5994 (— 4704) M, d. i. 6,2% (+ 1,18) A durdschnittlih für 1 t. Braunkohlen wurden auf 279 (+5) Werken mit einer mittleren Belegschaft von 28 245 (+577) Personen gefördert, von denen 18 856 (+ 352) eigentlihe Bergarbeiter waren. Die neue örderung mit Einshluß des Bestandes betrug: 6 124812 + 205 733) &, der Absatz 4 605 035 (+ 159 771) t. Der Werth der verkauften Kohlen stellte sich auf 10211 124 (+311 914) Æ, d. i. 2,22 S 0,01) M für 1 t im Durchschnitt.

teinsalz wurde auf 8 Werken (im Vergleich mit demselben Vierteljahr 1898: + 1) mit einer mittleren Belegschaft von 842 (+ 136) Perfonen ee, Unter diesen befanden si 581 (+ 93) eigentliche Bergarbeiter, Die neue Förderung einshließlich des Be- standes bezifferte fih auf 64117 (— 9272) t, der Absaß mit Ein- {luß der Deputate auf 46 364 (— 8855) t. Zur Bereitung anderer Produkte wurden 15595 (— 139) t verwendet. Kalisalz wurde auf 6 Werken mit einer mittleren Belegschaft von 3779 (— 40) Personen gewonnen. Von diefen waren 2858 (— 27) eigentlihe Bergarbeiter. Die neue Förderung mit Einschluß des Beftandes betrug 405 811 (4-60 129) t, der Abfay einshließlich der Deputate 196 970 (— 5714) t. Zur Bereitung anderer Produkte wurden 202 425 (+ 66 941) t verwendet. Siedesalz wurde auf 6 Werken mit einer mittleren Beleg- haft von 643 (— 7) Personen gewonnen, von denen 228 (— 7) eigentlide Salinenarbeiter waren. Die neue Förderung von Speisesalz einschließli des Bestandes belief sich auf 33 936 (— 1018) t, der Absay einshließlich der Deputate auf 26 645 (+ 1514) t. Zur Bereitung anderer Produkte wurden 2023 (+ 222) t verwendet. Die Förderung von Vieh- und Gewerbe- salz mit Einschluß des Bestandes betrug 2171 (+ 27) t, der Absaß einschließlich der Deputate 1992 (+ 31) t.

Zur Arbeiterbewegung.

Die Betriebs8arbeiter, Hofarbeiter und Handwerker der Berliner städtischen Gaswerke haben der Verwaltung Forde- rungen unterbreitet, die, der „Voss. Ztg.“ zufolge, auf eine Lobn- erhöhung um 20 9/9 und eine Zusclagszahlung von ebenfalls 20 9/6 bei Ueberstunden und von 40 9/9 bei Sonn- und Festtags8arbeit gerichtet sind. Die Lohnkommission der Arbeiter wurde beauftragt, die Frage der Accordarbeit einer Prüfung und Regelung zu unterziehen. Gegen- wärtig verdienen die Betriebearbeiter täglih 5 A, die Hofarbeiter 3 bis 3,50 A und die Handwerker der vershicdenen Berufe 2,50 bis 4 4

Zur Lohnbewegung im Baugewerbe Hamburgs (Maurer und Zimmerer) berichtet der , Hamb, Corresp.“, daß die Verhandlungen über cine Verkürzung der Arbeitszeit immer noch {weben (vergl. Nr. 203 d. Bl.). In einer am 16. d. M. abgehaltenen Versammlung wurde die Lohnkowmmission beauftragt, aufs neue Verhandlungen mit der Baugewerks-Innung anzubahnen, um die Differenzen, wenn mögli, auf dem Wege gegenseitigen Uebereinkommens zu erledigen. Die Forderungen wurden dabin abgeändert, daß vom 15. März 1900 an 9{stündige Arbeitszeit und 65 H Stundenlohn, vom 15. März 1901 an 9 fründige Arbeitezeit mit einem Stundenlohn von 70 bewilligt werden sollen.

Aus Brieg (Kanton Wallis) meidet .W. T. B.° unterm 18. d. M.: In einer Versammlung der ausständigen Arbeiter am Simplontunnel ist, nahdem die Unternehmer einige Zugeständnisse gemat haben, beschlossen werden, heute die Arbeit wieder auf- zunehmen. (Vergl. Nr. 274 d. Bl.)

, Kunst und Wissenschaft.

Die Deutshe Gesellschaft für christliche Kunst in München, welhe auch in der diesjährigen Münchener Kunst- ausftellung im Glaspalast bemerkenswerth vertreten war, hat foeben im Kommissionsverlage der Herder’shen Verlagshandlung in Freiburg i, Br. ihre vornehm ausgestattete , Jahres-Mappe für 1899“ ersheinen auen (Preis 5 e Die Juroren, zu welhen neben den Künstlern Bühlmann, Hauberrisser, Heß, Floßmann, Altheimer und Fugel die Professoren Dr. Grauert und Dr. Freiderr Lohner von Hüttenbah gehören, haben eine glüdcklihe Auswahl getroffen. Die Mappe enthält Reproduktionen einer Reihe tüchtiger Arbeiten aus dem Gebiet der Architektur, der Plastik und der Malerei, insgesammt 12 Folio- tafeln in Kupferdruck, Phototypie und Farbendruck, nebst zahlreiden Abbildungen in dem von Professor Dr. Freiherr Lobner von Hütten- bah Ee erläuternden Text. Die durckweg trefflich gelungenen Reproduktionen sind in der BruckEmann’schen Kunstdruckerei in München bergestellt, Aus dem reihen Inhalt der Mappe seien die Arbeiten des Architekten Professors Freiherrn von Schmidt beim Ausbau des Domes in Paffau, das eindrucksvelle Bildniß des Petrus Canisius von dem Maler Leo Samberger und die Apsidengemälde des Malers Is R. Seit in der St. Annakirhe in München besonders her-

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Theater und Mufik.

Königliches Schauspielhaus.

Am Sonnabend ging Ludwig Fulda's dreiaktiger Märchen- \{wank „Schlaraffenlan d“ zum ersten Male in Scene und fand bor tollbefentem Hause cine freundlihe Aufnahme. Die Komödie spielt in Nürnberg in einem ehrsainen Handwerker- am zu ans Sachs? Zeiten. Ein von, seinem Meister Tée iagter Bäckerlehrlina, der außerdem noch seines Brotberrn %terlein Hoffnungölos licbt, versuht seinen Herzensgesühlen in

ftillen Stunden voetishen Ausdruck zu geben. Darob verspottet und mißhandelt, hat er nur den einen innigen Wunsch, ftatt seines dornenvollen Lebens ein solches führen zu können, wie er es in einem von Hans Sachs ge- dihteten Märlein vom Schlaraffenland beschrieben fiadet. Von diesem Wunsche erfüllt, sinkt er am Vorabend der Hochzeit des Altgesellen, mit dem ihm versagt gebliebenen Meisterstöhhterlein, ermüdet und tief- traurig auf sein hartes Lager, um im Traume durh des Autors Macht- pru) in das heißersehnte Land des dolce far niente hinüber- geführt zu werden. Dort erlebi er in einer Reihe vor den Zuschauern vyorüberzicbender Bilder von feenhafter Aus- stattung alles so, wie es vom Schlaraffenland im Märchen geschrieben steht. Meister und Meisterin findet er dort als ihm wohlgesinntes Herrscherpaar wieder, deren Tochter sein Ehbegemabl if. Doch er wird des unthätigen Lebens, in dem sich ihm jeder Wunsch sofort er- füllt, bald überdrüssig. Er zettelt eine Rebellion der Schlaraffen an, um diese aus ihrer Thatenlosigkeit aufzurütteln, macht sfi ¿um König derselben und geht schließlich dabei selbst zu Grunde. In demselben Augenblick, wo sein Kopf dem Henkerbeil verfallen ist, erwacht er unter den Hieben seines, ob dei Langschläfers erzürnten Brotherrn zu demselben elenden Leben, das er bisher ge- führt. Der Ho®zeitótag der Meisterstohter ift da, das Jünglings- herz will sier vor Kummer über seine unglückliche Liebe brehen, da ersheint sein väterlicher Freund, der Lichtgießer (von Herrn Kraußneck poetisch und trefflich dargestellt) und bringt thm den Trost, daß ohne tiefe Sebnsuht kein Leben denkbar fei: nur was in blauer unerreihbarer Ferne uns als Glü ersheint. macht es uns lebens- werth. Gestillte Sehnsucht, gestillte Wünsche sind geistiger Tod. Dies foll wohl auch die Grundidee der Dichtung sein, die Fulda aber noch ershöpfender und poetiscer hätte ausgeftalten können. So hat er ein zwar gefälliges, aber auch recht oberflählides Vers- spiel geschaffen, das niht die Ticfe der Gedanken und Empfin- dungen zetgt, wie man es von dem Dichter des „Talisman“ erwarten konnte. Die Aufführung war glänzend ausgestattet und bot dem Auge farbensatte Bilder. Der Schlaraffenwald mit seinen Kuchenbäumen und Riesenfrüchten, sowie der Blumenhain waren zauberhaft {dön. Ferdin and Hummel hat zu dem Werk eine reizvolle Musik geschrieben, die bei den Verwandlungen ffimmungsvoll einseßte und auch bei den übrigen Gelegenbeiten (Reigen der S(laraffen und Hochzeitsmusik) sch der Dichtung zart an- shmiegte. Die Darstellung war eine gute, Regie und Künstler gaben sich alle Mühe um den Erfolg des Abends. Frau Schramm und Herr Vollmer waren treffli@e Vertreter der komischen Rollen. Herr Christians spielte den unverstandenen, verliebten Väerlehrling mit binreißendem Gefühl; allerdings liegt ihm das Lyrische besser als das Heroische, wie sein Schlaraffenkönig bewies. Fräulein Haus8ner brachte dagegen als Bälkerstöchterlein das Derbe ihrer Rolle zu größerer Wirkung als das Poetische. Die guten Leistungen des Herrn Kraußneck sind bereits erwähnt. Die Rolle des Altgesellen lag in Herrn Keßler's bewährten Händen, und au die übrigen kleineren Aufgaben wurden befriedigend gelöst.

_ Deutsches Theater.

Ein s\tarker Erfolg wurde dem Schauspiel in vier Aufzügen „Der Probekandidat* vou Max Dreyer bei seiner Erst- aufführung am Sonnabend zu theil. Es war im Ganzen ein mit ehrlihen Mitteln erkänmpfter Sieg, wenn auch gerade die Hauptscene auf dem altbewäkrten Tbeatereffelt beruhte, den {on Gugßkow in feinem Schauspiel „Uriel Akosta* bei dem berühmten Widerruf an- gewendet bat. Es giebt auf der Bühne kaum etwas Wirksameres, als wenn ein Unterdrückter in einem heroishen Augenblick seinen Peinigern die Wahrheit ins Geficht shleudert, um derentwillen er in Noth geräth. Aber es muß Herrn Dreyer au billig zugestanden werden, daß er es vermoht hat, den an sih nicht ganz tendenzfreien Gewissenskonflikt seines ins Moderne übertragenen Uriel Akosta, eines Probekandidaten am Realgymnasium, folgerichtig und glaubhaft zu entwickeln. Dieser foll nämli, auf Wansch des als liebedienerisch geschilderten Direktors der Anstalt, bei Gefahr des Ver- lustes seines Amtes, den Schülern, welhen er im naturwissenshaft- lihen Unterrichte darwinistifhe Lheorien entwidelt bat, in ciner in Gegenwart tes gesammten Lehrerkollegiums abzuhaltenden Probe- [ektion wider feine bessere Ueberzeugung erklären, das Gesagte sei eine Irrlehre, Mit Rücksicht auf seine unterstüßungsbedürftige Mutter und auf die Braut, die er alsbald nah seiner endgültigen Anstellung beimführen soll, will er zuerst das unvermeidlich Erscheinende über sich ergehen lassen, bringt es aber in der oben erwähnten Scene nicht über das Herz, zu lügen, sondern {ließt den erft zögernd begonnenen und dann muthig nah seiner U-berzeugung zu Ende geführten Vortrag mit dem Dichterwoit: „Wer die Wahrheit fkennet und saget sie niht, der is fücwahr ein erbärmliher Wicht !“ Was in dem Stück besonders fesselt, siad indessen weniger die Sgcicksale dieses Helden, der s{ließliz Amt und Braut verlierend einen anderen Beruf ergreifen muß, und dec nur in der erwähnten Scene bemerkenswerth in den Vordergrund tritt, als die treffliche Charakteristik der anderen handelnden Personen und der zwar fatirisch{ zugespihte, aber doch nirgends verleßende Humor, welcher das ganze Schauspiel durhzicht. Wie voctrefflich das Ensemble des Deutscken Theaters gerade auf die wirksame Herausarbeitung zuständlicher und episodisher Einzelheiten eingeshult ift, ist bekannt, und gerade dieses Werk bot sowohl ber Negie wie den Darstellern gute Gelegenheit, diese Kunst zu bewähren. Die erstere haite durch die äußerst geshickte Anordnung eines Gartenfestes im zweiten Aft und der Scece in der Aula im dritten Akt übercashend wahr- heitsgetreue Bühnenbilder geschaffen. Die ernsten Rollen lagen in den Händen von Herrn Sauer (Kandidat), Fräulein Heims (seine Braut), Frau von Poellnig (seine Mutter) und Fräulein Dumont, welche eine in der Oekonomie des Stücks gänzlih überflüsfige Ver- wandte des Kandidaten darzustellen batte: die humoristishen Aufgaben wurden von den Herren Nissen, Fischer, Reicher, Reinhardt, Rittner und Vallentin vortrefflich und ohne Uebertreibung gelöst. Der an- wesende Verfasser wurte mehrmals ftürmisch vor den Borhang gerufen.

Im Königlihen Opernhause findet morgen eine Auf- führung von Mozart's Oper „Cosï fan tutte“ unter Kapellmeister Strauß? Leitung statt. Die Damen Herzog, MRothouser, Gradl und die Herren Hoffmann, Grüning und Knüpfer sind darin beshäftigt. In der Aufführung von „Siegfried“ am Donnerstag und von „Götterdämmerung“ am Freitag singt Herr Kraus den Siegfried. Am Sountag. den 26. d. M., geht Gluk's Oper „Orpheus und Eurydike“ unter Leitung von Kapellmeister Strauß in Scene. Den Orpheus singt Frau Goetze, die Eurydike Frau Herzog, den Eros Fräulein Rothauser. Dieser Aufs führung soll demnächst „Iphigenie in Aulis* in der Bearbeitung von Richard Wagner folgen.

Im Königlichen Schauspielhause gelangt morgen Ludwig Fulda’s Märchenshwank „Schlaraffenland“ zur Auffütrung. Am Sonntag, den 26. d. M., geht Schille:?3 Trauerspiel „Kabale und Liebe”, neu einstudiert, in folgender Beseßung in Scene: Präsident: Herr Molenar ; Ferdinand: Herr Christians; Hofmar|chall: Herr Vollmer ; Lady Milford: Fréulein Poppe; Wurm: Herr Pohl; Miller: Herr Kraußneck; Frau Miller: Frau Schramm; Luise: Fräulein von May- burg; Kammerdiener des Fürsten: Herr Nesper.

äJufolge des G:folgs des Schauspiels „Der Probekandidat“ wird der Spielplan des Deutschen Theaters dahin geändect, daß dieses Stück morgen, am Donnerstag, Sonnabend und Sonntag zur Aufs führung gelangt. i

Im Theater des Westens findet am Mittwoch (Buß- und Bet- tag), Abends 7} Uhr, ein geiftlihes Konzert statt. Zur Aufführung gelangen unter Professor Alexis Hollaender's Leitung folgende musika- lischen Werke: Motette „Des; Staubes eitle Sorgen“ von Haydn; Arie aus „Paulus“ von Mendelssobn - Bartholty, gesungen von Herrn Ed. Mann aus Dresden; „Laudats dominum“ von Mozart. Den zweiten Theil bildet Roffiui's Oratorium „Stabat'mater”, in welhem die Chöre vom „Cäcilien-Verein", die Soli von den Damen Stein- mann, Brackenhammer und vou Scheidt, sowie von den Herren Mann- und Philler gesuageaz werden.

Mannigfaltiges. Berlin, den 20. November 1899,

A. F. Auf Einladung der „Freien Vereinigung füx Flotten-Vorträge“ spra vorgestern Abend der Vize-Admiral a. D. Reinhold Werner aus Wiesbaden im großen Saale der Philharmonie über das Thema „Unsere Zukunft liegt auf dem Wasser“. Als der Groze Kurfürst vor 250 Jahren, so begann der Redner, seine segensreite Regierung ange- treten ofs. that er, weitshauenden Blickes, den denk- würdigen Ausspruß: „Der gewisseste Reichthum und das Ansehen eines Landes kommen vom Commerzium her; Seefahrt und Handlung find die vornehmsten Säulen eines Staats." Der große Hobenzollernfürst machte diese Erkenntniß zur Richtshnur seines anzen Lebens. Er begünstigte die Industrie, ermuthigte den See-

andel, gründete Kolonien und {uf eine Flotte zum Schuße übers feeisher Unternehmungen. Der Erfolg gab ihm Ret. Schneller als irgend ein anderer Theil des in dem unseligen dreißicjährigen Kriege verarmten und entvölkerten deutschen Landes erholte fich sein Kurfürstens thum, das er zu einem festgefügten Staate machte, zur Grundlage einer geachteten und gefürhteten nordischen Macht, aus der Preußen und das Deutsche Reih emporgewahsen sind. Aus mancherlei ihnen zur Gntschuldigung dienenden Gründen verließen dic Nachfolger den ibnen gewiesenen Weg und verloren die maritimen Bestrebungen ihres Ahnherrn aus dem Auge. Die Kolonien verkamen und wurden für ein Spottgeld verkauft, die Kriegsschiffe pverfaulten in den Häfen, Schiffahrt und Handel lagen darnieder; denn Deutschland war machtlos zur See und der Willkür der Seemächte preisgegeben. Erft in diesem Jahrhundert, als das kleine Dänemark mit einem Paar alter Fregatten unsere Küsten biockierte und unseren au3wärtigen Handel lahm legte, kam man bei uns zum Beroußtsein der erlittenen Shmach und bes gann, in der Hoffnung auf endlihe Einigung des Vater- landes, die Gründung einer Kriegsflotte: mit welhem traurigen Ausgange, als die erträumte Einheit zerstob, ist bekannt. Nur Preußen hielt damals fest an dem Gedanken etner Gel- tung zur See und that, was bei seinen beschränften Mitteln nur immer möglich war, für die Begründung einer Flotte. Aber erst die Aufrichtung des Nocddeutschen Bundes und bald darauf des Deutschen Reiches erlaubte eine größere Kraftentfaltung, unterstüßt dur cine alückliche Wandlung, welche sich je länger desto mehr in der Meinung des Volks zu Gunsten einer starken deutschen Flotte vollzog. An die Stelle der Entmutbigung und Theilnahmlosigkeit trat der früher, in den großen Tagen der Hansa, daë Volk beseelende Unternehmungsgeist mit dem mächtigen Rückhalt an Kaiser und Reich. Es entwickelten si die {lummernden wirthschaftlichen Kräfte, Industrie und Schiffahrt nahmen einen un- geabnten Aufschwung. Und alles das vollzog si innerhalb der legten dreißig Jahre, in einer an das Wanderbatre grenzenden Weise, daran erinnernd, was aus unserem Volke, aus dem deutshen Vater- lande hâtte werden können, wäre es nicht im siebenzehnten Jahr» hundert durch einen unseligen Krieg, welher Deutschland zum Schlachtfelde Europas machte, an den Rand des Verderbens gedrängt worden.

Der Redner gab nunmehr eine ausführliße und zablenmäßige Darlegung, wie mächtig diese Entwickelung Deutschlands in den letzten drei Jahrzehnten gewesen ist. Hiervon einige Proben: 1875 arbeiteten auf sämmtlichen deutschen Werften 11 100 Personen und 1121 Pferdekraft, Ende 1898 auf 21 der größten 30 400 Per- sonen und 16000 Pferdekraft, mit einer Leistung während des Jahres 1898 von 226 vom Stapel gelasscnen Schiffen von 120000 & Gehalt im Werth von 84 Millionen Mark und 218 noch auf dèm Stapel stehender Schiffe von 432 000 t im Werth von 235 Millionen Mark. Ungerehnet sind hierbei die drei Kaiser- lihen Werften mit 13 000 bis 15 090 Arbeitern. Die Arbeit der deutshen Schiffswerften erfreut ih eines so hohen Rufs, daß in den drei Fahren 1895—98 24 Kriegsschiffe für fremde Marin-en abgeliefert wurden und 1898 deren 22 noch im Bau begriffen waren. Die \chnellsten und größten Dampfer der Welt sind aus deut- hen Werften hervorgegangen, Im Bav von Torpedofahr- zeugen fann sich mit den Werften von Schihau in Elbing und Danzig kein andercs Land messen. Im Jahre 1871 betrug der Tonnengehalt aller deutshen Handeléshiffe 1 228000 t, 1898 4 Ptillionen, die Zahl der Dampfer 1871 147 mit 82000 t, 1898 1171 mit 969 800 t; bie Traneportfähigkcit unserer Dampfer hat ih also verzwölffaht. In der Hamburg - Amerikanischen Packetfahrt - Gesellschaft besißt Deutschland die grözte Rhederei der Erde, im Norddeutschen Lloyd die zrittgrößte, im Auslande nur von der Peninsular and Oriental Stcam Navigation Company über- troffen. Von den im Ganzen 79 Dampferlinien in europäischer Fahrt mit 431 Schiffen entfielen 1898 32 mit 170 Schiffen auf Deut|ch- land. Von den 34 außereuropäishen Linien mit 374 Schiffen kamen 27 mit F des Gesammt-Tonnengehalts auf Deutsland. In außer- europäischer Fahrt steht Deutschland also bei weitem an der Spitze. Die Hamburg- Amerika-Linie bewältigte mit ihren 95 Dampfern allein über 4} des gesammten außereuropäischezn Dampferverkehrs. Vor 30 Jahren nahm unsere Seeschiffahrt die sehte Stelle im Welts verkehr ein, beute fteht sie an zweiter Stelle.

Dem entsvrehend hat sich auh--dec deutsche Außenhandel in großartigem Verbältniß gehoben: er umfaßt jeßt einen Werth von nahezu 9 Milliarden Mark. Deutsches“ Kepital ift in Bergwerken, Eisenbahnen, Minen, Plantagen, kaufmännishen und industriellen Unternehmungen im Auslande in großen Beträgen angelegt, in Nords- und Süd-Amerika in Höhe von ca. 5 Milliarden, in Deutsh-Afzika und Asien von über einer Milliärde, von ebensoviel in Transvaal und Australien, ungerechnet die deutshe Betheiligung in fremden Staats8- Anleihen. 7

Die deutshe Hothseefisherci, zu threr Zeit für die Hansa eine Quelle der Macht und des Reichthums, später traurig verfallen, hat erft jeit 1870 wieder cinen außerordentlihen Aufschwung genommen. In den siebziger Jahren sich auf 139 kleine Segelfahrzeuge mit 437 Mann Besatzung beshränkend, zählte 1898 in der Nordfee allein die Fischerflotte 593 Fahrzeuge, darunter 117 Dampfer, mit 3200 Mann Besaßung. Das laufende Jahr hat cinen neuen Zuwachs von 26 Dampfern, 10 Dampf- loggern und 73 Segelloagern mit 1500 Mann Besaßung gebracht. Wir sind somit auf dem Wege, 60—70 Millionen Mark, die wir bis jeßt jährlih für Fische, größtentbeils Heringe, an das Ausland zahlten, im Linde zu behalten. Einschließlih der Ostsee, in der es vor 1870 überhaupt nur Küstenfisherei gab, beträgt die Gesammtzahl aller deutshen Fischerfahrzeuge nahezu 16 000.

Die Gesammteinfuhr Hamburgs belief fich 1871 auf 21 Millionen Doppelzentnèr im Werthe von 874 Millionen Mark, die Ausfubr auf 94 Milltonen Dopvelzentner und 600 Millionen Mark an Werth. Die entsprehenden Zahlen für 1897 waren 80 und 1790 bezw. 37 und 1435 Millionen, die Zunahme der Einfuhr und Ausfuhr betrug somit 281, im Geldwerth 140 9%. Aechniice Verhältnisse weisen Bremen, Lübeck, Königsberg, Danzig und Stettin auf.

Diesem gewaltigen Aufshwung unseres Seehandels, seitdem Deutschland gecinigt ist, steht ein entsprehender Aufshwung der deutshen Jadustrie zur Seite. Schritt für Schritt erobert unser rande: neue Gebiete, feiert deutsher Gewerbefleiß über andere Länder

riumphe. Für den wahsenden Wohlstand unferes Volks spricht die bessere Lebensstellung der unteren und mittleren Klafen und vie bedeutende Zunahine der Sparkasseneinlagen. Jmmer- hin, wenn wir die Summe ziehen, bleibt genug übcig, um die Wahrheit des obenerwähnten Ausspruh3 des Großen Kurfürsten und der Worte Seincx Majestät des Kaisers Wilhelm 11. zu bistätigen: „Unfere Zukunft liegt auf dem Wasser, * Denn, was dagegen auch manche Nationalökonomen fagen mögen, welche unsere Bevölkerung ‘fo gern allein auf „Stärkung des inneren Marktes“ hinweisen, sie übersehen dabei, daß Deutschlands Ginwohner- zahl jährlich um mehr ats f Million zunimmt, welche leben und arbeiten wollen und feine ausfömuliwe Stellung finden würden, wollten sie auf die Verwerthung threr Pcrodukie nah außen verzichten ‘und niht das Ihre zur steten Aubdebnung unseres See- handels und Weltve!kehr8 beitragen, Nicht künstlich erzzugt, sondern

aus der Seele des Volks geboren ist der Drang nah Kolonial-

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