erworbenes Recht, noch ein Privilegium besitzen, so folgt unzweifelhaft, daß fie keinen rechtlichen Anspruch auf Entschä- digung für Ausdehnung des Postregals und Postzwangs auf Orts- briefe haben, sondern daß es sich nur um eine etwaige Entschädi- gung aus Billigkeitsrück\ichten handeln kann.
Meine Herren, ih glaube, daß diese Erklärung klar und deutlich den Rechts\ftandpunkt darlegt. Ich möchte aber nicht unterlassen, auf die Gefahr der Entschädigungsfrage hinzuweisen. Sie wissen selbst, — und auch in den Zeitungen is darauf hingewiesen, ih habe eine zur Hand, das ift der „Berliner Börsencourier* —, wie das Unfalls versicherungsgeseß eingeführt wurde, haben die Unfallversicherungs- gesellshaften mit einer Masse von Petitionen und Wünschen nah Entschädigung sich ampden Reichstag gewandt, und auc die Beamten, die nachher ihrer Stellen verlustig gingen, sind an den Reichstag mit der gleidzen Bitte herangetreten, aber der Reichstag lehnte das Eingehen auf die Entschädigungsfrage ab. Meine Herren, bedenken Sie genetgtest weiter, wie bei verschiedenen anderen Geseßen, Nahrungs- mittelgeseß, Gewerbegefeßen, beim Stempelgeseß, Börsengeseß, solche Ansprüche auftauchen können — kurz, auf den Weg zu treten, muß die Reichsregierung für äußerst gefährlih erachten, weil dann in jedem Falle Forderungen auf Entschädigung erboben werden können, sobald die Erwerbóbasis si nah irgend einer Richtung verändert. (Zurufe links.) — Darauf habe ih zu erwidern: ih bin nit ein politisher Minister, ih bin auch kein Handels: Minister und habe dem Herrn Abgeordneten ni®&ts zu antworten. (Heiterkeit links.) Jedenfalls, meine Herren, würden die Konsequenzen \sich allmählih häufen und die Wechsel später dem Reichstage präsentiert werden.
Anders liegt die Frage, und die ist seitens einzelner Herren des Zentrums bereits angeshnitten, wegen der Angestellten dieser Beförderungéanstalten. Sofern diese Leute bet solchen Anstalten feit längerer Zeit beschäftigt sind und fonsstt unseren An- forderungen entsprehen, würde die Postverwaltung von der Altersgrenze absehen und ihnen die Möglichkeit eröffnen können, in die Reichspostverwaltung als Unterbeamte ein- zutreten. Ih möchte äber hierbei darauf hinweisen, daß man damals, wie die Frage des Tabackmonopols zur Verhandlung stand, in Betreff der Arbeiter hervorgehoben hat, daß sie eine bestimmte Fertigfeit erworben hätten, daß diese Fertigkeit gewissermaßen thr Arbeitskapital darstelle, und daß aus diesem Grund eine Entschädigung für diese Leute wohl nothwendig fei. Ganz anders liegt die Sache für ein Personal, welches irgénd einer technischen Vorbildung garnicht bedarf; denn Sie werden mir wohl zugeben, daß derjenige, der cine fünf Sinne und seinen gesunden Körper hat, Briefe austragen kann und diese Fertigkeit in kurzer Zeit erlernt, sonst würde ja der Personalwechsel, wie er 'vielfah bei Privatbeförderungsar stalten ftattfindet, den Betrieb dieser Anstalten unmögli machen.
Jch komme zum Schluß. Meine Herren, die Post dient, wie ih son eingangs sagte, dem Interesse der Allgemeinheit, und ih glaube, die politischen Parteien follten keine Sonderinteressen züchten, vielmehr dazu helfen, ein klares, uneingeshränktes Betriebsgebiet für die Reichspostverwaltung zu hafen, innerhalb dessen alle Interessen für Stadt und Land gleihe Berücksichtigung finden. Jeßt sind, wie ih {hon ausführte, die großen Städte unbedingt bevorzugt, und ¿war erstens durch die Hüäufigkeit der Bestellungen, zweitens
dur die billigeren Bestellgebühren, die zum theil nur die Hälfte der Bestellgebühren auf dem platten Lande betragen, und drittens besißen die großen Städte die Möglichkeit,
die Briese, die niht eine so sorgsame und s{chuelle Beförderung erheischen, zu billigeren Tarifsäßen durch Privatbeförderungsanstalten befördert zu erhalten. Diese leßteren Einnahmen entgehen der Reichs- poslverwaltung und damit der Allgemeinheit. Carifermäßigungen find nur mögli bei fteigenden, aber nit bei geschmälerten Ein- nahmen. Sie alle, meine Herren, wünschen ja diese Tarifermäßigungen. Umfomehr müfsen Sie meiner Meinung nach dafür forgen, daß das Einnahmesaß nicht angebohrt wird, und dadur Summen, die der Allgemeinheit gehören, in die Taschen einzelner fließen. Ich gebe ja zu, in voller Konsequenz meiner Ausführungen hätte ih den Artikel 2 dem hohen Hause mit Genebmigung der verbündeten Regierungen noch in weiterer Fassung unterbreiten müssen. Er hätte etwa so lauten müssen — wie es in Oesterreih und in anderen Ländern der Fall ist —: Wo staatliße Postanstalten bestehen, dürfen Priyatbriefbeförderungsanstalten niht errihtet werden. Das wäre klarer, deutliher und der Widerstand derselbe gewesen; denn gu jeßt will man behaupten und nahweisen, daß den Privatbeförderung8- anstalten durch die Entziehung des ges{chlossenen Briefes die Existenz- fähigkeit genommen wird. Meine Herren, jeder Kaufmann, jeder Landwirth wird mir zugeben: mit den Rentabilitätsberechnungen ist es ein eigen Ding, der Eine rehnet, aus einer Sache alles heraus (Heiterkeit links) und benußt die Einnahmen aus den anderen Sachen angebli lédiglih dazu, um den Betrieb aufrecktzuerhalten. So auch hier. Die Beförderungsanfstalten sagen: das, was wir äus der Be- förderung der Druckfachen, Postkarten u. |. w. beziehen, deckt gerade die Betriebskosten, und der einzige Gewinn sind die Briefe. Ih kann den Saß auh umdreben, dann ift es genau dieselbe Geschichte: würde ih den Herren die Drucksachen und Posikarten nehmen, \o würden mir dieselben Einwendungen, wie jeßt, entgegentreten. Ih bin bescheiden gewesen und habe lediglich den geschlossenen Brief verlangt.
Ich glaube nun, bei sachliher, ruhiger Prüfung der Vorlage in dem hohen Hause werden sich die wirthschaftliGen Vortheile für die Allgemeinheit als so bedeutend herausstellen, daß demgegenüber die Ausdehnung des Monopols und die Beschränkung, welche einzelne dadurch in ihrem Gewerbebetrieb erfahren, nicht ins Gewicht fallen kann und wird.
Jh habe, anschließend an meine Erörterungen im Eingang, noch darauf hinzuweisen, daß es wünschenswerth wäre, das Geseß noch in dieser Session zu verabschieden, weil mit dem Hinausschieben zweifellos au unsere gesammten tarifariscen Grleichterungen auf lange Zeit vershoben werden, während es für alle Verhältnisse günstiger wäre, damit bald vorzugehen, namentlich au mit der Ermäßigung der Gebühren für den Fernsprehverkehr. Meine Herren, wir würden bereit sein, diese Tariferleichterungen eintreten zu laffen. Die ver- bündeten Regierungen renen auf die Zustimmung des hohen Hauses.
(Bravo! rets.) L eau 7
j 1): Die Echöhung der Gewichisgrenze sür Briefe Kabel Falle O Biltiauag: Ebenso findet die Ausdehnung des Stadtbriefverkehrs auf die Nachbarschaft allgemeine Zustimmung, Auch die Ausdehnung des Postregals dürfte an si nicht auf Wider-
enzen wegen der Privat-Postanstalten. Meine politishen Frelata ind in diéser Beziehung nicht ohné weiteres mit der Vor- lage einverstanden, Es handelt K um eine Arbeitstheilung zwischen der Post und den Privatanstalten. Der frühere Staatssekretär hat ih über die Bedeutung derselben geirrt; sie haben eine große Aus- dehnung angenommen, sie stehen auf der geseßlihen Grundlage und haben keinerlei Unrecht gethan. Sie haben si auch öffenlih ver- dient gemaht durch Bewältigung des gesteigerten Ortsverkehrs. Ob ihre Rechte wohlerworbene im fireng turistishen Sinne sind, will ich dahingestellt sein laffen. Nah dem Verhalten der Postverwaltung durften die Anstalten auf längere Lebensdauer rechnen. Sie haben deshalb einen Billigkeitsanspruch auf Ent- schädigung, zumal die Behörden felbst, die vielen Vereine 2c. si der Anstalten vielfa bedient haben. Der Stadtverkehr muß allerdings die Ausfälle decken, welche der sonstige Verkehr mit sih bringt; aber die Selbstkosten sind doch auch in den Städten sehr viel geringer. Mir bitten um die Ueberweisung der Vorlage an eine Kommission von 14 Mitgliedern. Bezüglich der Entshädigungsfrage erwarten wir aber Vorschläge seitens der verbündeten Regierungen.
Abg. Graf von Bernstorff _(Rp.): Die Erhöhung des Ge- wihts und die Einführung des Stadtverkehrs für Berlin sind die Hauptvorzüge, welche die Vorlage bringl; aber auch die Ermäßigung der Postanweisungsgebühren ist erfreulih. Gegen die Ausdehnung des Postregals wird niemand Widerspruch erheben, 8 wird sich haupt- \ählich um die Entschädigung der Privatanstalten handeln. Der Nuzen der Privatposten ist lange nit so groß gewesen, wie es be- hauptet worden is; das Nebeneinanderbestehen von mehreren Privat- posten brachte große B Jeßt ist die Paketfahrtgesellschaft allerdings den Wünschen des Publikums nachgekommen. Sie wird ihre Bedeutung auch noch haben, wenn thr die Briefbeförderung entzogen wird. Wer giebt den Privatanstalten die Gewißheit, daß nicht jeden Tag eine Konkurrenz entsteht ? Dafür zahlt kein Mens Entschädigung. Wir werden daher niht die Verpflichtung haben, Entschädigungen zu zablen an die Unternehmungen. Anders steht es mit den An- gestellten, welhe brotlos werden. Diese Leute, foweit sie brauchbar find, sollten von der Reichspost angestellt werden. Wenn das Stadt- ’ briefporto für Berlin ermäßigt wird, so sollte dafür gesorgt werden, daß die Stadtbriefe nichk Briefe zweiter Klasse werden, daß sle ebenso sicher wie bisher befördert werden. Ferner müßte auch für die benahbarten Landgemeinden der Nachbar|chaftstarif eingeführt werden. Redner empfiehlt ebenfalls die Ueberweisung der Vorlage an die Kommission. x E
Abg. Dr. Rintelen (Zentr.): Ih spreche nur für meine eigene Person. Ich bin einverstanden mit den vorgeshlagenen Verbesserungen, vermisse aber eine Mittheilung darüber, wie es mit dem Post- Zeitungstarif werden soll. Nicht einverstanden bin ih mit der Aus- dehnung des Postregals. Eine Schädigung des Publikums durch die Privatanstalten ist nit eingetreten. Das ublikum ist ja nit ge- zwungen worden, feine Briefe den Privatanstalten zu übergeben. Das Publikum weiß, daß die Beförderung nicht so sicher ist, wie die der Post. 2 der Eine kein so großes Gewicht auf die Geheimhaltung seiner Briefe legt, wie der Andere, darum hat st|ch doch die Allgemeinheit gar nicht zu kümmern. Wenn das Stadtporto auf 9 S ermäßigt wird, so werden fehr viele Briefe, die bisher den Privatanstalten übergeben wurden, der Post übergeben werden; dadur werden die Einnahmen fteigen ohne Ausdehnung des Postcegals. Wenn dur die Privatposten nicht nachgewiesen wäre, daß die Briefbeför- derung billiger gemaht werden kann, würde die Post niemals zu Tarifermäßigungen gekommen sein. Deshalb sollte man die Kon- kurrenz nicht unterbinden, sondern aufrechterhalten. Meine Freunde sind nicht Anhänger der Ausdehnung von Monopolen. Redner be- antragt ebenfalls zum Schluß die Ueberweisung der Vorlage an eine Kommission.
Staatssekretär des Reichs-Postamts von Podbielski:
Nur zu einer thatsählichen kurzen Berichtigung! Der Herr Vors redner hat anscheinend die Begründung niht ganz durhgelesen, sonst hätte er gefunden, daß in der Begründung steht, es sei die Absicht, mit dem Inkrafttreten dieses Geseßes das Stadtbriefporto für Berlin mit fünf Pfennigen einzuführen. Weiter habe ich ausdrüdcklich gesagt, das fteht {hon in den Geseßen, und zwar in unferem Post- geseß vom Jahre 1871, daß die Festseßung der Gebühren für Post- anweisungen auf Antrag des Reichskanzlers durch den Bundesrath stattfindet und niht durch Gesetz, sondern das Geseß besteht bereits, also dieses Geseß konnte ich nit etwa erst vorlegen, sondern das Gese besteht bereits; also nah der Richtung möchte ih nur klar- stellen, daß ich nur die Zusage gegeben habe, daß, falls dieses Geseg Gesetzeskraft erlangen follte, der Reichskanzler bereit ift, diese Ge- nehmigung zur Herabseßung der Gebühren für die Postanweisungen cinzubolen. -
Abg. Fishbeck (fr. Volksp.): Meine politischen Freunde find E, a den Erleichterungen, welche die Vorlage bezüglich der Portoermäßigungen bringt. Der Staatssekretär hätte aber mehr den anderen Theil der Vorlage, der einen bedauerlichen Rück- {ritt enthält, indem er die Briefbeförderung den Privatanstalten untersagt, begründen follen. " Lediglich aus fiskalischen Rüesichten ist die Reform mit diesem Nückschritt belastet worden. Die Begründung der Vorlage béstceitet, daß die Privatanstalten dem Verkchrsbedürf- nisse entsprungen sind. Sie habén doch ihr Geschäft gemacht, das ist der beste Beweis für ihre Nothwendigkeit. Die Behörden haben si durchaus zufriedenstell?nd über die Cstilntien der Priyatanstalten aus- gesprochen, so z. B. bei einer Umfrage in der Stadt Hannover. Wenn die Anstalten so liederli bestellen, wie kann man ihnen dann die Bestellung der Drucksachen und Postkarten noch überlaffen? Der frühere Staatssekretär von Stephan wär vollständig einverstanden mit dem Bestehen der Privatanstalten; er hat ausdrücklich erklärt, daß er deshalb das Stadtporto von Berlin nicht ermäßigen wolle. Aus der Aufsaugung der Privatposten wird die Reichspost keinen Vor- theil ziehen, weil ein Theil der Briefe dann überhaupt niht mehr versandt oder in anderer Weise bestellt werden wird. “ Daß die Ent- \{ädigung cine billige Forderung ist, wird jeder zugeben, aber es ift unmögli, hier die Entschädigung festzustellen. Die Begründung weist auf die schlehte Bezahlung der Beamten hin und seßt Ae \hließlich doch' ganz auf ‘die Straße. Jch bin mit Herrn Nintelen ein- versfanden, daß man gerade der Post gegenüber die Konkurrenz nicht wegräumen sollte, weil dadurch allein Reformen bei der Post möglich gewesen sind. S :
Abg. Rettich (d. kons.): Wir sind bereit, die Vorlage im ganzen Umfange anzunehmen. Wir würden es bedauern, wenn infolge der gemachten Cinwände aus derselben nichts würde. An der Befugniß der Privatanstalten, ges{chlossene Briefe zu befördern, Haben nur Berlin und einige große Städte ein Interesse, das ganze übrige Land nicht. Mit der Gewichtserhöhung und den anderen Bestimmungen können wir uns einverstanden erklären, ebenso mit der Ausdehnung tes Post- regals auf die Ortsbriefe. Ein rechtliher Anspru auf Entshädigung besteht für die Privatanstalten nach unserer Meinung nicht; ob ein Billigkeitsanspruch vorliegt, darüber wollen wir uns die Entscheidung vorbehalten. S
Abg. Wurm (Soz.) erklärt, seine Partei sei für die Ausdehnung des Postregals im Verkehrsinteresse, nit im fiskalischen Interesse. Die Ermäßigung des Stadtportos auf 5 H sei viel zu gering; man müsse auf 3 Z§ herabgehen. Die Begründung \preche von der Be- wahrung des Briefgeheimnisses, die bei der Post besser sei als bei den Privatanstalten. Es habe aber unter dem Sozialistengesey Zeiten
ftand stoßen. Anders if es vat Paf der hieraus sich ergebenden
gegeben, wo das Briefgeheimniß niht bewahrt worden sei. Die Privatanstalten beruhten auf den gegenwärtigen Gesell- \{aftsverhältnissen; wenn man ihnen auch den Betrieb un-
möglich machte, so brauchten sie nicht entshädigt zu werden
Daß die Postverwaltung die brauhbaren Arbeiter der Privatanstalten
übernehmen wolle, sei ja erfreulich, Wenn eine Entschädigung ge- währt würde, so müßte sle direkt an die Arbeiter e
Staatssekretär des Neichs-Postamts von Podbielski:
Der Herr Vorredner hat angezweifelt, ob in früheren Fahren oder in neuerer Zeit — ich weiß niht genau, wie er ih in seinen Worten festlegte — das Briefgeheimniß unter allen _Uwständen aufre{cht erhalten worden fei. Jh habe zu erklären, daß ih ebenso wie mein Amtsvorgänger es gethan hat, es für meine vornehmste Pflicht erachte, unter allen Umständen das Briefgeheimniß zu wahren und unnachsiGtlich gegen jeden Beamten vorzuzehen, ‘der auch nur daran tasten würde. (Bravo!)
Abg. Dr, Lieber (Zentr.): Ih’ bedauere, daß über die Reform des Post-Zeitungêtarifs nichts bekannt peacten und daß mit der Ermäßi- gung der Gebühren auch die Ausdehnung des Postregals verbunden ist. Mit den juristishen Ausführungen des Herrn Staatssekretärs sind die Sozialdemokraten einverstanden; sie können sie ganz gut ge- brauchen, wenn es an das allgemeine Monopolisieren geht. Der Staatssekretär wird aber doch wohl nicht ganz die Anschauung seines Rechtsgutachtens theilen. Er wird {hwerlich einen Reichstag finden, der ohne eine Entshädigung das Monopol der Post ausdehnt. Ih E Kommission die Vorlage so gestalten wird, daß sie an- nehmbar ift.
Abg. Dr. Barth (fr. Vgg.) : Nah den gehörten Reden wird die Vorlage nicht zu stande kommen, jedenfalls niht mit dem Artikel IL Die Cntschädigungsfrage wird sich besonders s{wierig gestalten. Die rehte Seite will gar keine Entshädigung gewähren, die Sozial- demokraten wollen denen, die. hohe Dividenden gezahlt haben, nichts gewähren ; von anderer Seite wird eine Entschädigung an die Unter- nehmungen und an die Arbeiter verlangt. Bei der Prüfung der Frage, wie entschädigt werden soll, wird sih zeigen, daß eine Lösung unmöglich is ; man follte deshalb die Privat-Postanstalten bestehen lassen, wofür auch „in der Sache liegende, s{werwiegende Gründe sprehen. Die Privatanstalten haben einen Verkehr erst geschaffen, den die Post nah ihren besonderen Verhältnissen nicht be- wältigen kann. Das Publikum, welches die Vorlage besonders hüten will, wendet den Privatposten sein Vertrauen zu, obglei es wei i daß es ein gewisses Risiko läuft. Durch die Konkurrenz sind die r aolae [leistungsfähiger geworden, deshalb sollte man die Kon- urrenz nit beseitigen, um auch die Post leistungsfähiger zu machen.
Abg. Zimmermann (Neformp.): Der Post-Zeitungstarif beda dringend der Verbesserung, die wohl im Anschluß an diese Volt hätte vorgelegt werden können. Die Vorlage ift nur ein Stüeckwerk- deshalb haben wir auch große Bedenken gegen Artikel 11. Wenn die Privatanstalten ein Pfahl im Fleisch der Reichspost sind, so liegt darin ein Versehen des früheren Staatssekretärs. Die Post muß die Folgen davon tragen, entweder dur Bestehenlassen der Privatunternehmungen oder durch Gewährung einer Entschädigung. Die Privatanstalten haben dem Mittelstande, dessen Erhaltung besonders Aufgabe des Staats sein sollte, große Dienste geleistet; die Reichspost wird diese nicht leisten können. Eine Entschädigung wird erfolgen müssen. Beachtenswerth ist es, daß nur die Sozialdemokraten der Expropriationsidee des Staatssekretärs zustimmen. Wenn die Vorlage jeyt nicht zu stande kommt, so wird der neue Reichstag enbeit haben, sich in einem Zuge mit den Postreformen zu efassen.
Abg. Dr. von Bu@wka (d. T3 ehôre nit denen, die sich überzeugen lassen wollen, daß M ce Entshäbiqus geht. Es handelt h um wohlerworbene Rechte, die unbedingt ente s{hädigt werden müssen. Mag nun absichtlich oder unabsi@tlich die Lücke im Geseg gelasjen sein, jedenfalls haben die Privatanstalten {ih auf völlig gejeßlihe Weise organisiert und können niht ohne Ent- schädigung aufgehoben werden.
Darauf wird um 4, Uhr die weitere Berathung bis
Dienstag 2 Uhr vertagt.
Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 40. Sigßung vom 7. März 1898.
Die zweite Berathung des Staatshaushalts- Etats für 1898/99 wird im Etat des Mis ums der geistlihen, Unterrihts- und Medizina -An- S fa bei dem Äusgabetitel „Gehalt des
inisters“ fortgeseßt.
airs den ersten Theil der Debatte ist {on berichtet worden.
Abg. Gamp (fr. konf.) mißbilligt die Rede des Kurators der
Unñiverfität Bonn, früheren Unter-Staatssekretärs Dr. von Nottenb
der vorjährigen Feier der Landwirthschaftlihen Akademie i Para
orf: Ba die Landwirthschaft zu hohe Anforderungen an den aa eue.
Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten D. Dr. Bosse: Meine Herren! Es is richtig, daß der frühere Staatssekretär des Reichsamts des Innern, Herr von Rottenburg, son frühzeitig als ein wünshenëwerther Universitäts-Kurator in Aussicht genommen war, nah seiner ganzen Persönlihkeit und seiner ganzen reidjen Bildung. Bereits als der Fürst Bismarck aus dem Amte schied, wurde Herrn von Rottenburg ein Kuratorposten angeboten. Als er dann später aus dem Reichsamt des Innern austrat, wurde wieder an Herrn von Rottenburg gedacht, und es wurde mir vom NReichsdienst aus die Erinnerung daran nahe gelegt, daß ja {hon längst an Herrn von Rottenburg gedacht worden sei. Allerdings geschah diese Er- innerung unter der Vorausseßung, daß der damals aufs höchste angegriffene Gesundheitszustand des Herrn von Rottenburg \ich ins zwischen wieder bessern würde. Man hatte dabei in Aussicht, daß ein Mann, der noh in verhältzißmäßig jungen Jahren stand, der infolge einer mit Arbeit überlasteten Stellung, soweit si{ch das menschlich er- kennen läßt, krank geworden war, in einer weniger belasteten Stellung — und das ist ja die des Universitäts-Kurators in Bonn — noch zu verwerthen sei, etwas würde leisten können, und ih muß sagen, meine Herren, das scheint mir au jeßt noch ein durchaus ritiger und ge-- sunder Gedanke zu fein. Wir Haben dabei auch ausdrüklih die Stellung in Bonn in eine remuneratorishe umgewandelt, sodaß eine so große Summe, wie sie wohl der Herr Vorredner vorausgeseßt hat, hierbei niht in Frage kommt. Es i nicht das gewöhnliche Kuratorialgehalt von 9000 Æ, sondern es handelt sich nur um eine Remuneration von 6000 46
Nun, meine Herren, trat die Vorausf\eßzung ein, daß Herr von Rottenburg gesund wurde, und \o bin ih in der That auf den Ge- danken zurückgekommen, und habe ihm die nach Art einer nebenamtlihen remunerierte Kuratorstele in Bonn anges tragen und, da er sie acceptierte, übertragen. Im übrigen glaube ih kaum, daß der Herr Abg. Gamp von mir erwartet, daß ih auf seine Ausführungen über Herrn von Rottenburg hier näher eingehen fol. Sowohl das hohe Haus wie die Königs liche Staatsregierung haben sich in solchen Personalien bisher hier
im hoben Hause immer eine sehr ftarke Reserve auferlegt, und ih glaube, meine Herren, es ist sehr gerathen, daß wir diese Praxis feste