1898 / 58 p. 9 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 08 Mar 1898 18:00:01 GMT) scan diff

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Zweite Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

M D8,.

Berlin, Dienstag, den §8. März

1898,

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Die Zahl der Diakonissinnen hat si tak vermehrt, obne daß man davon eine Störung des konfessionellen Friedens befürhtet. Man wende doch nicht zweierlei Maß an, wie es in Kaiserswerth, Letmathe, Düren und bei der Niederlassung der Redemptoristen in der Grafschaft Glaß, wo die Katholiken überwiegen, der Fall ist. Hier fehlt es an einer ausreihenden Seelsorge. Die Kultus- verwaltung muß die Augen ofen haiten und in solchen ällen selbst die Initiative ergreifen. Der Minister hat gesagt, die atholishe Abtheilung werde „niemals“ wiederhergestellt werden, so lange er im Amte bleibe. Warum soll die Wiederhersteklung den konfessionellen Frieden ören? So lange die Abtheilung bestand, hat sle ihn “nicht gestört, man hat dies au garnicht einmal behaupten können. Herr von Mühler hat dies in der , Kreuzzeitung“ nah seinem Austritt aus dem Ministerium ofen zugestanden. Die Abtheilung hat sogar vor der Zulassung eines päpstlihen Nuntius in Berlin gewarnt, fle hatte au viel engere Funktionen als die evangeliscke in Oesterreich. Es genügt uns ja auch, wenn im Ministerium eine genügende Zahl von katholischen Räthen angestellt wird. Daß Herx Dauzenberg in diesec Beziehung ein Vorshlagsreht verlangt bat, ift absolut unrichtig ; er hat nur seine bescheidene Hilfe angeboten.

Abg. Stö cker (b. k. F.): von DölUlinger hat gegenüber der Neforma- tion nach 1870 eine ganz andere Stellung eingenommen als früher; er hat über die Reformation mit größter Achtung gesprochen. Die Herren vom Zentrum sollten ofen anerkennen, daß es nit gut ift, wenn in dieser Weise von Nom aus über die Reformation gesproden wird.

Wir befinden uns Rom gegeaüber in einer sehr s{chwierigen Lage, Solche Aeußerungen wirken wie ein elektrisher Funke in der katholishen Welt. Wir können nit in bverselben beleidigenden Weise antwo:ten, Es ist ja zu bedauern, pay 2 Z a eltopara: E d der Kirche gefallen u nd es wäre wünschenswerth, da e Zei e Wieder- herstellung ermöglichte. Detgge Me Tee

c Der Kulturkampf war ein großer Fehler, und ih wünsche, daß er vollständig beseitigt wird. gob A Zeit ist das ftaatskirhlihe System viel {ärfer hervorgetreten als in früheren Zeiten. Die Selbständigkeit der evangelischen Kirche ist ehr ershüttert worden, schr zum Schaden ter Wirksamkeit der Kirche selbst. Eine tiefe innere Verirrung, wie der Utasturz, der in Deutschland am stärksten verbreitet ist, kann nit bekämpft und beziwungen werden, ohne ein lebendiges Erwachen der Lebens- mäte des Evangeliums. Seit einem Jahrzehnt leiden wir in unserem Staatskirchenthum, und es wäre in der That besser, wenn wir Zu- stände wie in England und Amerika hätten. Lehre und Leitung find fast ganz in den Händen des Staates, uad die Kirche kann garnicht mitwiuken, wie es Graf Posadowsky wünscht, wenn fie keine Freiheit hat. Die evangelischen Geistlichen werden aus der Politik hinaus- getrieben, ihr soziales Wirken wird beschränkt, Das ist ein Unglü, umsomehr, als die katholische Kirche in dieser Beziehung durchaus nit beschränkt wird. Darin liegt etne Imparität, Das staaiskirhliche System wirkt auf das Volk nicht so ein, wie es nöthig ist. Es fehlt bei urs hier eine chriftlich-soziale Professur für unsere Theologen. Abg. Dr. Virchow (fr. Volksp.): Man scheint so!lhe Dinge auf künstliche Weise züchten zu wollen, Wir auf dieser Seite wollen die Freiheit aller Menschen, ihre religiösen Bedürfnisse zu befriedigen. Zentrum und Kirche sind aber niht identishe Begriffe. Die Men- sen liegen mir am Herzen, ih vertrete nit firhlihe, sondern humane Interessen. Wenn alles Nichtungen Freiheit gewährt wird, so kann man ih leiht verständigen. Man will aber auf beiden Seiten eine Art Treibhausreligion. Man will auf der einen Seite, der Staat solle eintreten. Die Frage der Disakonissinnen diskutiert man nur vom konfessionellen Standpunkt. Das is} ganz falsch. Es giebt doch auch z. B. hier tun Berlin Schwestern, die gar niht konfessionell sind, z. B. die von Ihrer Majestät der Kaiserin Friedrih organisierten Kraukenpfleges{chwestern. Darum beruht au der Begriff „christlih-sozial* auf einer falschen Prämisse. Man kommt zu keiner Lösung, wenn man alle diese Fragen vom Standpunkt der Konfessionalität lösen will. Die Uebertragung der Kultusangelegenheiten auf das Justiz-Ministerium ist für die Entlastung des Kultus-Ministeriums viel wichtiger als dieLostrennung der Medizinal- abtheilung. Die Klagen über Ungerechtigkeit würden viel geringer sein, wenn die Kultusangelegenbeiten an einer anderen Stelle behandelt würden. Eine Verbindung der Medizinal-Angelegenheiten mit der Wissenschaft iît doch nur etatsmäßig vorhanden. Ich habe nichts dagegen, daß die Medizinalabtheilung auf das Ministerium des Innern üdertragen wird, denn fie hat mit dem Kultus - Ministerium keinen inneren usammenhang, und die betreffenden Näthe könnten ja an das Ministerium des Innern abgegeben werden. Die Thätigkeit der preußishen Medizinalabtheilung iff durch die Erweiterung der Kompetenz des Kaiserlihen Gesundheitsamts etwas durch- kreuzt worden. E müssen die beiden Gebiete bestimmt begrenzt werden. Ich verweise hier auf die segensreihe Thätig- Feit unserer Militär-Medizinalbeamten, ohne deren Hilfe der Kultus- Minister garnicht mehr auskommen könnte. Man braucht bei uns in medizinischen Dingen sehr viel Zeit. Ich erinnere nur an die Ver- wendung der Pajsteur’ [hen Erfindungen gegen die Tollwuth. Jeßt, erst nah zehn Jahren, ist ein Mittel in den Etat eingestellt für die Behandlung solcher Menschen, die von tollen Hunden gebissen worden sind. Die Medizinalbeamten sollten besser gestellt werden, wenn sie die ihnen zugewiesenen Aufgaben wirkli erfüllen sollen, Das ist noch wichtiger als cine Organisation. Die Beamten sollten so bezahlt werden, daß sie ihr Amt im Hauptamt versehen können. Auch die Lage unserer Extraordinarien muß verbessert werden; viele tatten früher nur den Titel und ihr Leben lang nit einen Pfennig Gehalt. Nach dem neuen Etat ist das auch noch nicht viel besser geworden. Was bekommen aher die Extraordinarien? Die Theologen kommen am besten weg; sie erhalten 2400 bis 4400 M4, die Juristen 2700, die Mediziner 600 bis 3300, die Philosophen 200 bis 4000 Einen be- fonderen Luxus können sie dabei nit entfalten. Die Assistenten sind noch viel s{chlechter gestellt. Giebt ciner Kurse, so wird er son beim Ministerium verdächtig, dann gilt er für eine Art von Roth- \{child. Die Leute sind eben darauf angewiefen, sich cinen Neben- verdient zu hafen. Der Sohn wohlhabender Eltern kann si den Luxus gestatten, Assistent zu werden. Die Aermeren müssen zurück- treten, und hierin licgt eine soziale Ungerechtigkeit. Die Verbesserung der Gehälter der Medizinalbeamten darf niht hinausgeshoben werden bis zur Medizinalreform. Geben Sie sie sobald wie möglich. Sie werden tamit auch der öffentlihen Gesundheitspflege einen Dienst erweisen. S L 8 (Zentr.) beschwert sich über die Nichtzulassung der R ¡e Boum, wo die kirhlihe Noth eine E lih große sei. Eine E E Prieste für ble E c 5 an po prechenden Priesiern, und es fei zu sen Polen; c S ide verwahrlosen und der Sozial«

befünchten, daß sie sitilih und religiós [ Í i me fallen. Für die deutsch sprehenden Polen sorge diet E Verlei E fährt Redner fort, scleichen im Finstern und verhindern die Niederlassung der Nedemptoristen in Bochum; der evangelishe Bund hett dagegen, er befürchtet davon eine Störung e konfe)sionellen Friedens, wie er in ciner Eingabe an dcn an er schreibt; er behauptet, die Katholiken stellten den Maria-Kultus über den Erlöser der Welt. Wenn solcher Ton in der Regierunz maß- ebend wäre, würden wir uns ausfretben in fonfessionellen Kämpfen.

hon einmal ift Deutschland durch konfessionelle Kämpfe zur Matht- lIosigkeit verdemmt worden, Wir wollen paritätish behandelt werden,

und der Minister sollte dieser Heye entgegentreten und die RNedempto-

risten in Bochum zulassen. :

Abg. Freiherr von Eynatten (Zentr.): Herr Sattler ist mit unserem Ordenswesen nit vertraut. In dem Fall des bestraften Geistlilen kommt es DAcau an, ob der bis{chsflichen Behörde diese Vorstrafe bekannt war; ih bitte den Minister, die Sache nach dieser Richtung nochmals sorgfältig zu prüfen. Im Kultus-Ministerium müssen wir charakterfeste fatholische A Räthe haben, welche die katholischen Interessen vertreten. Es sind son katholische Räthe im Ministerium gewesen, welhe gegen diefe Interessen operierten. Die wiederholt in den Gemeinden vorgenommenen Volksmissionen sind sehr geeignet, von der Demokratie bereits verseuhte Gegenden zu reinigen. Deshalb sollte man dieser Einrichtung mehr enge freiheit gestatten. Unsere Orden sollte man mit lästigen Statistiken vershonen. Der Regierungs-Präsident in Münster hat gesagt, die Er- rihtung von Krankenanstalten gehöre niht zu den Aufgaben der Kirche. Wie denkt der Minister darüber? Ich bitte ferner den Minister, der höheren fkatholishen Knabenshule in Erkelenz keine Schwierigkeiten

mehr zu machen. i Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten D. Dr. Bosse: Meine Herren! Ich erkenne es dankbar an, daß der Herr Abg.

Freiherr von Eynatten in derselben ruhigen, sachlichen, friedsamen

Weise seine Beshwerden hier vorgebracht hat, wie das vorgestern der

Herr Abg. Dauzenberg gethan hat. Soviel an mir ist, werde ih mich

gerne bemühen, in demselben Tone zu antworten und auch in fried-

lihem Sinne zu handeln. 2

Was zunächst den bestraften Geistlihen anbetrifft, so erkenne ih ausdrüdlich an, daß dabei die bischöfliche Behörde nit die geringste Sghuld hat. Es handelte sich übrigens nit um einen Dispens, sondern um“ den Einspruc gegen die Anstellung. Ih kann zu Ihrer Beruhigung hinzufügen, daß auch Staatsbehörden, die dabei betheiligt waren, die Vorgänge nit kannten, und" leßtere beinahe nur dur einen Zufall hier im Minifterium entdeckt wurden, und da war es sehr gut, daß von hier aus eingeshritten werden konnte. Aber dagegen muß ich mi auédrücklih verwahren, daß ih auch nur den Sein eines Vorwurfs gegen die bischöfliche Behörde hätte erheben wollen ; das hat mir gäuzlih fern gelegen.

Was die Anstellung der Räthe im Kultus - Ministerium betrifft, so habe ich wirklich meiaer Erklärung vom Sonnabend nichts hinzu- zufügen. Was ih gesagt habe, ist vollkommen wahr, und es wäre sehr wohl denkbar, daß wir dahin kämen, noch den einen oder anderen katholishen Rath auf diesem mittleren, dem indifferenten, neutralen Gebiet anzustellen. Aber, meine Herren, aus diesen Dingen läßt fich überhaupt kein konkreter Beshwerdegrund hernehmen, denn das Ermessen des Ressort-Chefs und der Behörde, den einzelnen Mann auf seine Tüch- tigkeit zu prüfen, müssen Sie au mir überlassen. Es ist unmözlich, daß Sie sagen: hier find b katholische Affessoren, außerordentlich tüchtige Männer. Wenn der Minister sagt: davon bietet mir Keiner die genügende Garantie, daß ih glaube, ihn in meinem Ministerium mit Erfolg beschäftigen zu können, so ist dagegen eigentlich nichts zu machen. Hier handelt es fich um die Sache freien Ermessens. Das einzige, was wir Ihnen sagen, ifff das: wirken Sie nur weiter dahin, daß recht viel tüchtige katholishe Aspiranten für den Verwaltungsdienst da find, dann wird es ganz von selber kommen, daß au Katholiken in größerer Anzahl als bisher in solche Stellen einrücken. Meine Herren, auch in Jhrer eigenen Presse ist ja anerkannt, daß das in Ibrem etgenen Interesse wünschenswerth ift, und das. halte ih für den rihtigen Weg. Ih fann nur meinerseits und seitens der Königlichen Staatsregierung versichern, daß bei uns eine tendenziöse Antipathie gegen katholische Bewerber und gegen die Anstellung von tüchtigen Katholiken in höheren Stellen nicht vorliegt.

Nun die böhere Knabenschule in Erkelenz. Ich will Ihnen hier sehr gern behilflich sein, denn ich habe ja garnihts dagegen, daß da, wo cin Bedürfniß vorhanden ist, die Katholiken si helfen und eine höhere Knabenfchule anlegen. Nur der Uebergang dieser Schule auf den Bischöflichen Stuhl schien uns den Verhältnissen niht zu ent- sprehen; wir haben vielmehr darauf hingewiesen, daß es wünschens- werth wäre, daß diese Schule selbst eine Rechtspersönlihkeit würde. Im übrigen if mir der Fall im einzelnen niht bekannt; ih bitte, ihn an mi zu bringen; ih werde ihn eingehend und gerecht prüfen.

Was die Orden anbelangt, so meinte Herr von Eynatten: wir könnten doch die Orden wenigstens von dem statistischen Formel- kram etwas mehr befreien. Das haben wir gethan; zu meiner Zeit ist die ganze Schreiberei bei den Orden aufgehoben mit Aus- nahme einer einzigen jährlißen Nahweifung, worin nur die Zahl der Sÿwestern und der Brüder, die dem Orden angehören, angegeben find,

Auf das Vermögensgeseß will ih nicht noh einmal näher ein- gehen. Im allgemeinen möchte ih aber zunächst bemerken, und das möchte id auch erklären in Bezug auf die Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Porsh: Wenn ih neulich gesagt habe, unsere kircenpolitishe Gesetzgebung, wie wir sie heut haben, seit den Geseßen der actziger Jahre, die zur Beilegung des Kultur- kampfes erlassen worden sind, sei ein Kompromiß, so habe i das nicht so gemeint, daß das ein noli me tangere wäre, an dem man nit rühren dürfe. So liegt die Sache nicht; ih habe nur gesagt, für die Staatsregierung, von staatlihen Gesichispunkten aus müssen erst ganz besondere Gründe vorhanden sein, ehe wir uns ent- {ließen können, unsererseits die Initiative zu Aenderungen der Gesetzgebung zu ergreifen. Was dann das Vermögensverwaltungs- gesep speziell anlangt, fo war ja die Hauptbeschwerde, die die Herren haben, daß die Gemeindevertretung nicht recht für die Verwaltung katholischer Kirchengemeinden passe, Nun, meine Herren, da haben wir Jhnen etnen Weg gezeigt, der im Gese selbst ofen gelassen ist, nämli im Wege der Verständigung mit den Bischöfen in einzelnen Gemeinden die Gemeindevertretung zu beseitigen. Nun, meine Herren, in der Diözese Trier sind auf diesem Wege im vorigen Jahre die Gemeindevertretungen von 167 Ge- meinden abgeshaff}t worden. Damit is im wesentlichen geholfen und wird noch weiter geholfen werden, soweit es nöthig ift. Also, meine Herren, Sie schen, daß es uns Ernst mit diesem Hinweis

gewesen ist, daß ih nit bloß hier gesagt habe: in dem Paragraphen

steht, wenn die Herren sich einigen, kann die Gemeindevertretung wegfallen, sondern daß wir da, wo es nöthig ist, au zustimmen. Nur da haben wir nit zugestimmt, wo erheblihes Vermögen zu verwalten war, sodaß eine Gemeindevertretung hier wohl am Platze schien. Im übrigen haben wir die Genehmigungen ertheilt. Es wäre auch ganz verkehrt, es kann uns nit daran liegen, dabei unnüße Schwterig- keiten, Schreibereien, Quälereien zu machen; das würde ih für bie allerverkehrteste Politik halten, die man einschlagen könnte.

Nun, meine Herren, was den Fall in Metelen im Münsterlande anlangt, der Herrn von Eynatten immer noch beunruhigt, so war durhch eine Verfügung des Regierungs-Präfidenten eine Auskunft verlangt darüber, ob wirklich sämmtlihe Krankenhäuser im Münsterlande den Kirchengemeinden gehörten, wie uns angezeigt worden war. Ich verstehe nicht, wie Sie sich darüber noch beunruhigen. Wir bestreiten gar nit, daß es auch zur Aufgabe der Kirche gehört, Krankenpflege zu treiben, ja selbft Krankenhäuser zu haben. Solche Krankenhäuser sind ja in Menge vorhanden, auch im Münsterschen. Die wird kein Mensch angreifen. Hier handelte es si aber speziell darum, ob es wünschenswerth war, und ob es von Staatswegen ge- nehmigt werden follte, daß eine Zivilgemeinde, eine Kommune, auf die Kirchengemeinde unentgeltlich ein Krankenhaus übertrug; und diese Frage, die wesentlich unter kommunale Gesichtspunkte fällt, war in Zweifel gezogen. (Zuruf.) Nur diese Frage!

Meine Herren, das sind im wefentlihen die Auskünfte, die ih auf die Ausführungen des Herrn Abg. Freiherrn von Eynatten zu machen hätte.

Ich will noch hinzufügen mit Rücksicht auf eine Bemerkung des Herrn Abg. Dr. Porsch, der sagte, es giebt Leute, denen die bloße Existenz der katholishen Kirche hon ein Aergerniß sei —: ih will das nicht bestreiten, ih will es dahingestellt sein lassen. Jch gehöre zu diesen Leuten uiht. Im Gegentheil, ih habe neulich erklärt und erkläre heute wieder: die katholishe Kirhe ist nun einmal neben der evans gelishen Kirche oder umgekehrt können Sie es au ausdrücken in unserem Vaterlande genöthigt, mit der Kirche der anderen Konfession zu leben, si zu vertragen, \sich cinzurihten, und ich halte den einzig richtigen Weg dazu den der friedsamen Verständigung und eines modus vivendi, da wir uns über die großen prinzipiellen Gegensäße, die uns trennen, ja zur Zeit nicht verständigen können.

Nun möchte ih aber do darauf aufmerksam maten, das dürfen Sie au nicht übersehen, es giebt auch Katholiken, denen die bloße Existenz der evangelishen Kirche ein \{chweres Aergerniß ist. (Wider- spruch im Zentrum.) Ich selbst hake solche Katholiken gefunden, und daß aus solchen prinzipiellen Anshauungen auch zuweilen Aeußerungen und Handlungen \ich ergeben, die dem andern Theil recht {wer zu tragen find, das, glaube ih, brauhe ih nit aus- drücklih hervorzuheben. Wir müssen uns von beiden Seiten bemühen, solche excentris@en Dinge zu vermeiden und uns zu vertragen und zu verständigen ; dann können wir recht gut noch mal zu einem friede lihen Verhältniß in unserm Vaterlande kommen. Ich gebe Ihnen vollkommen zu, daß dazu auch eine gerechte Behandlung der katholischen Kirche gehört. (Bravo! Rufe: Vertagen !)

Um 41/4 Uhr vas das Haus die weitere Berathung.

__ Abg. Freiberr von Zedliß und Neukirch (fr. kons.) regt wieder dic A von Abendsißungen an, wenn die Berathung des Kultus-Etats so langsam fortschreite.

Abg. Dr. Porsch (Zentr.) bestreitet, daß die Verhandlungen [langfam von statten ginge», die nit ausführliher jeien, als tzu die Debatte über das Flahsröftverfahren.

Präsident von Kröcher erklärt, daß er an jedem Tage zu E LELLIA bereit sei, und will eventuell am Dienstag eine solche

Nächste S ea Dienstag 11 Uhr. (Etat des Ministeriums der geistlihen, Unterrichts: und Medizinal-Angelegenheiten.)

Land- und Forstwirthschaft. Saatenstand und Getreidehandel in Nußland.

Aus Rostoff a. D. liegt folgende Meldung vor:

Im Laufe des Februar ist das Wetter in der hiesigen Gegend den Wintersaaten weniger günstig gewesen, als vorher.

Nachdem si die Temperatur in der lezten Woche des Januar auf —6 bis 10 Grad R. erhalten hatte vlöplich Thauwelter ein, welches, durch wiederholten Regen verstärkt, bis zum 12. Februar anhielt. Einige dazwischen fallende klare Tage, an welchen der Thermometer {hon am frühen Morgen —+ 59% N. aufwtes, um in den Mittagsftunden unter dem Einfluß der Sonnenwärme bis auf 12% zu steigen, halfen das Ah- thauen der SWneedecke von den Feldecn vollenden. Hierauf folgte ganz unvermittelt vom 13. bis 18. Zebra scharfer Frost, welcher den Thermometer an 3 Tagen bis auf ca. 169 R, sinken ließ. Die sodann eingetretene wärmere Witterung von +1 bis 2 Grad R ist seit dem 22. Februar von neuem in einem scharfen Frost (bis zu —15 Grad R.) umgeslagen, dessen Wirkung auf die ni{cht mehr durch Schnee ge- shüßte Crdoberfläche seit 2 Tagen dur einen sturmartigen Ostwind noch erheblich verstärkt wird. :

Es wird vielfa befürchtet, daß das wiederholte Dur(frieren der dur vorangegangenes Thauwetter stark durhfeuhteten oberen Boden- {iht die Wurzeln der lungen Wirtersaat in einer ihr ferneres Ges« deihen beeinträhtigenden Weise beshädigt haben könnte. Andere wieder erklären diese Besorgniß unter Hinweis auf die ungewöhnliche Widerstandsfähigkeit der hier gebauten Weizenarten gegen Einflüsse der Kälte zur Zeit noch für unbegründet.

Der hiesige Getreidehande®* hat durch die am 25. Januar er- folgte zeitweilige Herabseßung des italienishen Weizenzolls von 75 auf 5 Lire und die sh daran anschließende vermehrte Nachfrage seitens italienischer Importeure einen unvermutheten Ansporn erhalten, der auch eine namentli bei Hartweizen niht unbeträchtlihe Preiss steigerung zur Folge gehabt hat. E s

Die gleichzeitig eingetretene Preissteigerung für Roggen und Gerste soll durch eine vermehrte Nachfrage von Deutschland und Holland herbeigesührt worden sein. :

In beiden Fällen handelt es sich_ im wesentlihen um Termins geschäfte, die erst nah der Wiedereröffnung der Schiffahrt im April oder Mai zur Ausführung kommen sollen.

Die Getreidemengen, die ihren Weg nah dem Auslande {hon jeßt über Noworossisk nehmen, sollen nah wie vor sehr gering sein,

trat am 31. Januar

Für den 22, Februar wurden hier die Preife für das zehnpudige Ts\chetwert, wie folgt, notiert: ;