1898 / 59 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 09 Mar 1898 18:00:01 GMT) scan diff

E a e E Ac R L L t Ti A

ih zum Koalitionszwang, und der

Jn der heutigen (58.) Sißung des Reichstages beshloß das Haus zunächst auf Grund des schleunigen Antrages der Abgg. Auer (Soz.) und Genossen die Einstellung des gegen den Abg. Schmidt-Frankfurt beim Königlichen Landgeriht zu Frankfurt a. M. s{chwebenden Privatklageverfahrens für die Dauer der gegenwärtigen Reichstagssession und sehte dann die am 24. Februar be- gonnene erste Berathung der von den Abgg. Dr. Schneider und Genossen (fr. Volksp.) und von den Abgg. Dr. Lieber und Genossen (Zentr.) eingebrahten Geseßentwürfe, betreffend die eingetragenen Berufsvereine, fort.

Abg. Freiherr Heyl zu Herrn8heim (nl.): Ich habe im Namen meiner Freunde zu erklären, daß sie für die Anträge nicht stimmen können. Ste sind bereit, in die Regelung der Verhältnisse der Berufsvereine einzutreten, aber in dec Weile, daß obligatorische Berufsvereine von Arbeitern und Arbeitaebern gebildet werden, Damit bleibt man auf dem Boden der a?\Gichtliden Entwickelung. Als die Handwerker mit den zünstigen Arbeitern niht mehr ausreihten, als fie ländliche Arbeiter heranzogen, wurden von sciten der Gemeinden Vorschriften getroffen über die Arbeitszeit, den Arbeitslohn 2c. für

‘diese Arbeiter. Diese Bestimmungen sind, erst avßer Kraft getreten, als-

die Gewerbesreiheit eintrat. Solche obligatorischea Berufsvereine, die für Arbeiter und Arbeitgeber gemciusam sind, entsprechen durchaus den Grundsäßen der Kaiserlihen Erlasse von 1890. Sie find au leiht durchfübrbar, Die englishen Gewerkvereine haben ih gegen- wärtig fo emanzipiert, daß es nicht gerathen ist, jeßt den englischen Vorbildern zu folgen. Ueber den Maschinenarbeiterstrike in England sind Mittheilungen gemaht worden, die meiner Meinung nah fals find. Die Arbeiter find vollständig unterlegen, niht nur wegen des Achtstundentages, sondern es sind auch die übrigen Errungenschaften, deren sich die Arbeiter erfreuten, ies verloren gegangen: so die Bestimmungen über die Regelung des Stüklohns, über die* Ueber- arbeitézeit 2c ; die Gewerkvereine dürfen sich' nicht mehr in die Ver- handlung über die Lohysäße der den Vereinen fernstebenden Arbeiter einmishen. Daß die Gewerkvereine von den sozialistishen Grund- säßen, zu denen sie sich 1894 bekannt hatten, zurückgekommen B i ebenfalls unrichtig. Erst 1897 wurde ncch die Berstaatlihung der Bergwerke gefordert und die Verstaatlihung sämmtlicher Produktivmittel zur Verbütung der Arbeitslosigkeit. Das A E E mit den kontinentalen Sozialdemokraten haben die ewerkvereine allerdings abgelehnt. Das Programm der inter- nationalen Sozialdemokratie wird dana in absehbarer Zeit undurch- führbar bleiben. Den Professoren Brentano und von Schulze- Gâäverniß ift der Schmerz über eine folhe Wandlung der Anschauungen der von ihnen vertretenen Gewerkvereine nicht ersyart geblieben. Gegenüber der Organisation der Arbeiter hat \ich in England die Organisation der Arbeitgeber entwickelt und sie wird si so ver- stärken, daß fle wie ein rocher de bronce alle Forderungen der Arbeiter, auch die berehtigten, zurückzuweisen im stande sein wird. Die freien Arbeiter Englands haben sich auf einem Kongreß gegen die Gewerkvereine erklärt, und dabei ist festgestellt worden, daß Kapital und Arbeit einander nit feindliÞh find, daß sie zusammen- gehen müssen. Die Gewerkvereine in England sind in den drethiger und vierziger Jahren entstanden, wo das Elend der englifchen Arbeiter so groß war, daß cs nur mit dem Elend, in welchem jegt die {uplosen Arbeiter der Hausindustrie befinden, verglihen werden fann. Deshalb haben meine Freunde den Schuß der Heim- arbeiter in erster Linie in Aussicht genommen. Die deuts: Gnt- widelung is der englishen in jeder Beziehung voran- eeilt, namentlih in Bezug auf die Arbeiterversicherung, ir welde täglih eine Million aufgewendet wird. Die englishen Gewerkyereine besißen auch Hunderte von Millionen, aber fie sind nur für Ausstände verwendet worden. Vor den Schuy- bestimmungen der Gewerbeordnung mag ja die Fabrikindustrie ihre Arbeiter ebenso ausgebeutet haben wie jeßt die Hausindustrie; aber das wurde damals immer noch gemildert durch die Wohlfahrtsein- ritungen, die z. B. die Herren Freiherr von Stumm, Krupp 2c. für ihre Unternehmungen in musterhafter Weise geschaffen haben.

Die Hirsch - Duncker’shen Gewerklyereine haben trs dremiglähriger Agitation nur einen geringen Bruchtheil der deut|chen Arbeiter an fönnen. Die soztialdemokratishen Gewerkschaften

j - ziehen

aben einen politishen Hintergrund, deshalb sind fie auch etwas stärker. Aber ihre Gelder sind auch niht sämmtlih zur Unterstüßung von Arbeitern verwendet worden; diese Gewerk- schäften find politishe Vereine, welche die Arbeiter zu Sozial- demokraten machen sollen, um die sozialdemokcatische Partet zu stärken. Auf diese Weise wird das Koalitionsreht \{chließ- 1 i „Staat als Unpattetischer hat diejenigen Arbeiter, welche niht Sozialdemokraten sind, vor diesem Zwange zu s{chüßen. Je voller die Kassen der Gewerkschaften sind, desto größer ist ihr Einfluß auf die politishen Parteien. Bei uns în Hessen ist keine Beschränkung dexr Vereinsfreiheit vorhanden; troßdem sind die Gewerk]haften dort weniger organifiert als anderswo, weil die Bedingungen für die Organisation,

die großen Städte, fehlen. Wir find deshalb zur Ueberzeugung nine daß man zur historisGen Entwickelun zurüde- ehren und gemeinsame Berufsvereine für Arbeiter und

Arbeitgeber bilden soll. Diesen Berufsvereinen wäre aueh die Gewerbegerichtsbarkeit auszuliefern: Wir sind fest entschlossen, auf diesem Wege vorwärts zu gehen. Wir glauben, daß auf diefem

Wege auh die Versicherung gegen Arbeitslosigkeit zu erreichen“

sein wird.

Medizinal-Angelegen

Kirhenrath kommt

beiter aufzusuchen.

Darauf nimmt bei Shluß des Blattes der Abg. von Elm

: (Soz.) das Wort.

In der heutigen (42.) Sißung des Hauses der Ab- eordneten, welcher der Minister der geistlichen 2c. Angelegen-

[ heiten D. Dr. Bosse beiwohnte, wurden zunächst diejenigen Mitglieder des Hauses, die den verfassungsmäßigen Eid nohch nit geleistet haben, die Abgg.

j Her ating (H

g. Hanssen- Apenrade (Däne), Dr. entr.), Zsenburg (kons.), Dr. Marco ur (Zentr.), r. Pauly (Zentr.), GrafvonSchwerin-Lö wiß (kons.) und Wiersdorff (nl.), in der vorgeschriebenen Form vereidigt, worauf das Haus die zweite Berathung des Staats-

haushalts-Etats für 1898/99 und war des Etats des

inisteriums der S nterrihts-- und' eiten fortseßte.

Bei den Ausgaben für den Evangelishen Ober-

. Abg. Rickert (fr. Vag.) auf den Fall des Pfarrers Kößschke und dessen \ozialpolitishe Thätigkeit zu Baden E R Ober-Kirchenrath hat die jungen Geistlichen geradezu angewiesen, die Ar- Versammlungen zu besuchen, Vereine zu gründen, um die vorhandenen Nothstände zu mildern. Pfarrer Kößshke in Sanger- hausen ist nun feines Amke entsezt worden. Ich kenne ihn nicht. Jch habe ten Eindruck, daß es ihm bitterer Ernst mit den Lehren und Wabrheiten des Christenthums ist und er in werkthätiger Liebe, namentli in der Armenpflege, seine Aufgabe erfüllt hat. "Seine An- s{auungen haben bei der vorgeseßten Behörde Anstoß erregt, besonders seine Antwort auf die Angriffe, die ‘Herr von Stumm gegen die christlich - soziale Richtung gerichtet hat. Die Vertretung anti-

semitiscer Anschauungen hat, soviel ih weiß, vom Ober-Kirchenrath Feine Zurückweisung erfahren. ner verfahren gegen den gemaßregelten Geistlichen, bebt hervor, daß dieser T in seiner Gemeinde ein großes Vertrauen besessen, daß ein Comitls ih E einer Eingabe an den Ober- Kirhenrath gewendet und namen

Redner schildert das Disziplinar-

darauf hingewiesen habe, daß Pastor Kößschke

F die Sozialdemokratie . mit Erfolg bekämpst habe, und fährt

dann fort: Kößschke wurde von der ersten Instanz nur zu Verseßung

in ein anderes Amt veruttheilt, mit Rücksicht auf seinen lauteten

Gharakter und sein gemeinnüßiges: Wirken. Eine authéntishe Dar- stellung dieses Prozesses ist leider nicht vorhanden. Herr Kößschke ist

allerdings gegen seine vorgesezte Behörde ungehorsam gewesen und seines Amtes entseht worden. Das war doch zu hart. Herr Kößschke hat später in einer Versammlung die Sozialdemokraten aufgefordert, sich an den Landtagswahlen zu betheiligen. - Darauf hat man ihm angedroht, daß er ganz aus dem geist- lihen Stande autgeshlofien werden folle, wenn er in dieser Weise die Sozialdemokratie „stärke“. Das ODisziplinar- verfahren war zu {arf und auch nicht lich für das Vaterland. Freuen sollte man sich darüber, day es Männer geistlichen Standes giebi, die dem Volke die ethishe Wahrheit predigen, wenn sie auch einmal ein \{harfes Wort gegenüber den besitßenden Klassen sprechen. Der Erfolg wird derselbe sein, wie mit manhen Nichtbestätigungen, die man heute am liebsten ungeshehen machen möchte. Geistige Bewegungen lasen si niht durch Gewaltmaßregeln bekämpfen. Der Ober- Kirchenrath wird si nah wenigen Jahren überzeugen, daß er nit gut daran gethan hat, in Männern wie Kößshke Märtyrer geschaffen zu haben. Möchten si derartige Maßregelungen nit wiederholen!

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten D. Dr. Bosse: Ih bin den Ausführungen des Abg, Rickert vis gefolgt, habe aber nicht den Rechtsgrund herausgefunden, diesen Fall in dem inter- fonfessionellen Landtage zu erörtern. Er gehört höchstens in die General-Synode Es is eine rein interne Angelegenheit der evan- gelishen Kirhe. Eine Einwirkung hierauf zu Üben, steht mir nicht zu; Herr Nickert würde mich sofort korrigieren, wenn ih es thäte. Es ift auch nit erwünscht, daß die Staatsbehörden auf die Kirche einwirken. Ich lehne es ab. Im übrigen kann ih nur dem Ober- Kirchenrath beivflihten, wenn er gegen die sozialistische und sozial- demokratishe Thätigkeit der Geistlichen einwirkt. Gs mag ja peinlih sein, gegen einea Geistlichen, der “gute Absichten hat, vorzugehen, Et diese Rücksicht entbindet den Ober-Kirchenrath nicht von seiner .

e Se (fr. kons.): Herr Riert findet das Urtheil gegen Köpschke zu hart; das ift do eine Kritik. Er beruft fich auf eine Broschüre, es heißt aber auch hier: audiatur et altera pars, Seine sozialistishe Thätigkeit begann s{on mit seiner Antritts- predigk. Er bekümmerte sch um die Armenpflege und sagte den Almosenempfängern: Jhr bekommt zu" wenig; den Arbeitern: ihr bekommt zu wenig Lohn. Er stiftete Unfrieden in seiner Gemeinde und hette die einzelnen Klassen gegeneinander auf. Der Bürgermeister {rieb immer, Kößschke habe wohl guten Willen gehabt, aber niht den nöthigen Takt, er betrahtete sein Amt als eine unbequeme Nebensache, er versah es nicht so, wie er es follte. Jn der Konfirmationéstunde wußte er nicht Nuhe und Ordnung zu halten, er vernahlässigte also sein Amt, P ee Tene und hielt Ver- fammlungen ab, wo es so turbulent zuging, daß der Wirth es nicht länger dulden wollte. Die Gemeindevertretung und der Kirchenrath haben fi vergeblich bemüht, auf ihn cinzuwirken und ihn mehr der pastoralen Thätigkeit zuzuführen. In einer Versammlung spra Kößschke davon, daß er eine freireligiöse Gemeinde gründen wolle. Ist das ein ge- sinnungstüchtiger Mann? Er ging foweit, daß er nah seinen Vorträgen mit den Dienstmädchen tanzte. Er hat die leßten Ziele der: Sozial- demokratie für durdaus edle und christlihe erklärt, und auch gegen ihre agitatorishe Thätigkeit lasse sich nihts einwenden. Dafür baben ihm denn auch die Sozialdemokraten eine gute Zensur ausgestellt und die Hoffnung ausgesprochen, ihn zu den JIhrigen rechnen zu dürfen, wenn er erst einige Vorurtheile

der bürgerlichen Gesellschaft abgelegt haben würde. Diesem Stand- punkt hat er stich dadur genähert, daß er ein sozialdemokratishes Gedicht ohne Kommentar in einer Zeitschrift abgedruckt Hat, worin zur Gewalt aufgefordert wird. Das Urtheil gegen Kößschke war

uicht nur gerecht, es kam sogar leider zu \pât, und Herr Riert hat heute Mohrenwäsche geleistet. Abg. von Heydebrand und der Lasa (kons): Die ganze

Angelegenheit gehört garnicht hierher. Herr Riert hat das Bedürfniß, ih hier als einen Apostel der Liebe und Versöhnung hinzustellen; aber ih see doch einige Zweifel in seine Qualifikation, sh hier als Vertreter der evangelischen Kirche hinzustellen. Wir haben hier . kein Ret, in die inneren kirch- lichen Angelegenheiten und in das Kirchenregiment einzugreifen. Der Kultus-Minister trägt dafür keine Verantwortung, und ih gebe ibm vollständig Necht, daß er ein Eingehen barauf ablehnt. Wo wäre bier cine Grenze zu finden für unser Eingreifen? Es würde dahin führen, daß wir uns auch über die Richtigkeit religiöser Fragen zu unterhalten bätten. Darúunter würde der religiöse Friede leiden. Wir müssen ein für allé Mal eine foldze Diskussion ablehnen.

Abg. Freiherr E und Neukirch (fc. kons.): Auch wir lehnen- es grundfäßlih ab, in eine Erörterung dieser Frage im Abgeordnetenhause einzutreten, weil sie nit zu unserer Zuständigkeit

ebört. Der Kultus-Minister if niht verantwortlich für die Er- asse des Ober-Kircheuraths; die Sache geht lediglih die General- Synode an. Mit Gewaltmaßregeln wollen Us wir die Soztal- demokratie niht bekämpfen, aber wir meinen, daß diejenigen, die mit den Sozialdemokraten liebäugeln, nicht berehtigt find, mitzusprechen über die Art, wie die Sozialdemokratie zu bekämpfen ift.

Abg. Rickert: Fordern Sie kein Geld für die Ober-Kirchen- Räthe, dann werden wir schweigen. Solange wir aber das Geld bewilligen sollen, werden wir uns das Recht der Kritik nicht nehmen lassen. Wer hat denn den-Fall Witte zur Sprache gebracht? Ein freikonservativer Abgeordneter. Herr Kößschke verfolgt eine ganz andere Kirchenrihtung wie ih. Vorgestern hat Herr Stöcker eine ähnliche Nede gehalten wie ih, aber weder Herr von Heydebrand, noch ein anderer ift dagegen aufgetreten. Sie sprehzn do alle Jahre von dem Papstthum, au einer inneren Angelegenheit der katholischen Kirche. Ein Herc vom Zentrum ruft mir zu: Der Papst steht nicht einmal auf unserem Etat. Haben Sie (rechté) in Ihren Reihen niht Geistliche, die in Wort und Schrift für die konser- vative Partei. agitieren? Ich werde jeßt übrigens selbst nach Sangerhausen fahren und die Sache gründlih untersuchen. Das s{limmste Verbrehen von Kößschke war, daß er mit Dienstmädchen getanzt hat. Nehmen die Herren da drüben nicht auch einmal beim Erntefest ein Dienstmädchen in den Arm? Näher will ih auf die Sache nit eingehen, muß mir aber das Recht vor- behalten, solhe Dinge zur Sprache zu bringen.

Abg. Schreiber -Nordhausen (fr. kons.): Möge Herr Riert

nah Nordhausen kommen, er wird sich dann davon überzeugen, wie

as seine Parteigenossen über die Anschauungen des Herrn Kößschke enken. (Schluß des Blattes.)

Dein Hause der Abgeordneten ist der zwishen Preußen und den thüringishen Staaten ges{lossene zweite Nachtragsvertrag ¿u dem Staatévertrage vom 11. November 1878, betreffend die Er- Gang gemeinshaftliher Shwurgerichte zu Gera und Meiningen, nebst einer Denkschrift, zugegangen.

Die Abgg. Möller (nl.) und Genossen haben im Hause der Abgeordneten einen Antrag eingebracht, demzufolge die vom 1. April 1897 ab eingeführte. Gehaltsaufbesserung für die Lehrer an staatlichen höberen Lehranstalten auch auf diejenigen vom Staat und Anderen gemeinsam unterhaltenen Lehranstalten autgedehnt werden foll, bei denen die betheiligten Städte die Uebernahme der

Hâlfte der Kosten für die Besoldungbaufbesserung beschlossen und für

‘ihre städtisGen Anstalten cingesührt haben.

Statiftik und Volkswirthschaft.

Die Entwickelung der Kleinbahnen in Preußen. Die Entwickelung der Kleinbahnen is nah der „Zeit ü Kleinbahnwesen“ auch in dem Jahre Sei Sia ne l 30, September 1897 în erfreulichec Weise weiter fortgeschritten.

Während fich die Zahl der in den drei Jahren vom 1. Oktober 1399

bis 30. September 1895 und in dem Jahre vom 1. Oktober 1895 bis 30. September 1896 als selbständige Unternehmungen genehmigten neuen Kleinbahnen auf 67 und 33 stellte, ergiebt fih für das Jahr vom 1. Oktober 1896 bis 30. September 1897 die Zahl von nicht weniger als 43 neu genehmigten Kleinbahnen. Rechnet man diejenigen Bahnen, welche nit aus\{ließlich vor dem Inkrafttreten des Geseßes

also streckenweise auch nach dem Inkrafttreten desselben genehmigt sind, und deren Unternehmer sich den Bestimmungen dieses Gesezes unterworfen haben, ebenso wie die in der Zeit vom 1. Oktober 1892 bis 30. September 1896 genehmigten hinzu, fo ftellt sich die Gesammtzahl der nach dem Inkraftireten des Geseßes ge- nehmigten Kleinbahnen am 830. September 1897 auf 180 gegen 129 an demselben Zeitpunkte des Jahres 1896. Von diesen 180 Kleinbahnen befinden si bereits im Betriebe 120 Bahnen, in der Ausführung begriffen sind 60. Von thnen dienen dem Personen- verkehr 62, dem Güterverkehr 10, dem Personen- und Güterverkehr 108, insbesondere dem Personenverkehr in Städten und deren Umgebun (nebenher au dem Güter- und Gepäverkehr) 64, dem Fremden- ra Verkehr 9, dem Personen- und Güterverkehr für Handel und Industrie 387 für landwirthschaftlihe Zwecke 54 und annähernd in Es Maße für Handel und Industrie wie für Landwirthschaft 15. Die Spurweite ist die volle bei 69 Bahnen, 1,00 m bei 63, 0,75 m bei 23, 0,60 m bei 9, gemischt bei 6, abweichend bei 8 Bahnen; bei einer Bahn, ber Schwebebahn von Vohwinkel über Sonnborn nah Elberfeld und Barinen, besteht systemmäßig eine Spurweite nicht. Als Betriebs- mittel dienen Lokomotiven bei 104, eleftrishe Maschinen bei 43, thierishe Kraft (Pferde, in einem Falle auh Ochsen) bei 22 und theils Pferde, theils eleftrishe Maschinen bei 7 Bahnen, ferner. Drahtseile und theils Lokomotiven, theils elektrishe Maschinen bei je 1 Bahn, sorie theils Lokomotiven, theils Pferde bei 2 Bahnen. Von den jeßt im Ganzen vorhandenen 224 Kleinbahnen entfallen

auf Ostpreußen 4, Westpreußen 6, Berlin 8, Brandenburg 26, A 21, Posen 8, Schlesien 15, Sachsen 22, Stleswig-

olstein 14, Hannover 12, Westfalen 11, Hessen-Nafsau 21 und die Rheinprovinz 56. Von den nah Inkrafttreten des Kleinbahngesezes ausgeführten oder genehmigten 180 Kleinbahnen entfallen auf Oste preußen 4 (gegen 2 am 30. September 1896), Westpreußen 4 (4), Berlin 7 (6), Brandenburg 22 (14), Pommerv 21 (17), Posen 8 (6), Stlesten 13 (8), Sachsen 14 (9), Schleswig-Holstein 11 (8), Han- nover 10 (6), Westfalen 11 (10), Hessen-Nassau 11 (7) und die Rhein- provinz 44 (32).

Zur Arbeiterbewegung.

In Wiesbaden haben, wi- der „Vorwärts“ berichtet, die Malermeister die S ae der Ausftändigen bewilligt, die Tünchermeister aber noch nicht. Die Mehrzahl der Arbeiter befindet ih daher noch im Ausstande. (Vergl. Nr. 51 d. Bl.)

Fa Eberswalde befinden si seit dem 28. Februar nah dem- selben Blatt die Zimmerleute wegen Lohnftreits im Ausstand; be« theiligt sind 63 Arbeiter, davon sind 43 verheiratbet.

Aus Wien wird der, „Voss. Zkg." gemeldet: Wegen Nicht- bewilligung der Forderungen der Zimmermanns8gehilfen traten diese gestern in den Ausstand. Ihnen schlossen fich theilweise auch die Bautischler, Taglöhner, selbft Lehrjungen an. Die Zahl der Aus- ständigen beträgt eiwa 1500.

Kunft und Wissenschaft.

44 Die VII. Ausstellung der „Vereinigung der X1“ is am Sonntag, den 7. d. M., unter lebhafter Antheilnahme des kunst- freundlihen Publikums eröffnet worden. Arnold Böcklin, der zum CGhrenmitglied des Vereins erwählt wurde, und Max Klinger haben si an der Au3stellung niht betheiligt, dagegen sind Walter Leistikow, Franz Skarbina und J. Alberts diesmal mit be- sonders zahlreihen neuen Arbeiten vertreten. Den stärksten Eindruck hinteclassen die groß stilisierten Landschaften von Leistikow, dessen Selbständigkeit sich mehr . und mehr als Ausfluß einer kräftigen Persönlichkeit heraut stellt. Troy den gewagten Mitteln, die er an- wendet, erregen nicht diese, sondern was mit ihnen erreicht wurde, Aufmerksamkeit und Bewunderung. Seine Kunst hat in leßter Zeit noh an Tiefe der Farben, Geschlossenheit der Form und Ausdrucks- fähigkeit gewonnen. Das größte Bild der Ausstellung, ein Grune- waldsee in Abendstimmung, birgt bei einer ruhigen und s{einbar fühlen Auffassung eine folche Fülle fseelishen Lebens und feinsinniger Züge, daß es seinen Schöpfec in die erfte Reihe aller Landschaftspoeten fiellt. Das ist ein Stück Natur, gesehen durh cin Künstlertemverament von hoher Genialität. Dabei prägt sich in der Art, wie Leistikow die Formen und Farben der Natur zu Trägern dec eigenen Empfindung abwandelt, die vornehme Selbit- verständlichkeit wirklih \chöpferischer Kraft aus. Gewissermaßen farbige Auszüge des Stimmungsgehalts der Landschaft giebt er in den beiden dekorativen Bildern „Herbst“ und „Teich“. Er ballt die Baumkronen zu großen Farbflecken zusammen, die nux im Kontur die besondere Art des einzelnen Baumes kennzeihnen; Wolken und Wasser wirken ebenfalls nur dur ihren Farbenwerth. Und doh kommt alles in dieser A Wiedergabe zum Ausdruck, was das Naturbild an Neiz und Stimmung bietet. s{chwedishe Hochlandsvedute „Dämmerung“ if weniger absihtlich stilisiert, während die „Weiden am Bach“ vielleicht den kühnsten stilistishen Versuch darstellen; Linien und Farben sprechen hier eine besonders ausdrucksvolle Sprache, deren Kühnheit anfangs vércblüfft, um s{ließlich zu imponieren.

Ludwig von Hofmann?s Kunst baut sich auf ähnlihen An- shauungen und Grundlagen auf, wie die Leistikow's; troßdem wirkt sein Breitbild „Adam und Eva“ nicht mit der gleihen Stärke auf den Beschauer. Die süßlicen Farben stehen in unerfreulihem Gegen- saß zu der breiten Vortragsweise, die oft mehr RAONe! als Kraft verräth. Eine Einzelleistung von großer Feinheit stellt gewisser- maßen ein Bild im Bilde der Akt der Eva dar, der zu dem Besten gehört, was der Künstler bisher hervorgebracht hat.

Franz Skarbina hat eine stattliche Zahl kleinerer Arbeiten ausgestellt, unter denen aber nur drei zwei Ansichten aus der Picardie und eine tiroler Dorfkirhe sein Talent von einer nenen Seite kennen lehren. Sie sind kerniger und weniger verblafen als die übrigen, die nie vergessen lassen, daß der Maler die Natur mit dem Auge des Großstädters sieht. Afktuelles Interesse hat die Studie, zu der der Brand der Borsig-Mühle in Moabit den Anlaß bot.

__ Größere Fertigkeit der Zeichnung als sonst bekundet au} Dora Hit in einem liebenswürdig aufgesaßten Kinderbildniß in Pastell, das von âlteren Arbeiten der talentvollen Malerin, die sih meist in aufgelösten Farbentönen gefielen, vortheilhaft abstiht. Max Lieber - manu?’s großzügiger und kraftvoller Naturalismus kommt in einigen Porträts älteren und neueren Datums zum Ausdruck. Besonders ein Herren- porträt aus dem Jahre 1897 beweist, daß die kecke Pinselsührung des Frans Hals noch immer das Vorbild für Lievermann's Technik ist. Groß angelegt und doch voll feinen Seelenlebens, dabei \{chlicht und ansprucslos in der Auffassung, zählt das Doppelporträt der Eltern des Künstlers zu seinen besten Werken. Ein Blick auf die Giebel und Dächer von Amsterdam läßt die gesunde Farbenkraft seiner Palette von neuem bewundern, während das durcgeistigte Antliß des belgischen Bildhaucrs Constantin Meunier in einer markigen Kohlenzeichnung unter Verzicht auf alle koloristishen Hilfs- mittel mit um so größerer Kraft des Ausdrucks herausgearbeitet ift

I. Alberts hat ein vortrefflihes Dünenbild ausgestellt ‘dessen e A JAUeE Ey bey alle Ehre maht. Von der Belieditit

er geben die mehr Vel Vermerk Vertaujt E Werken angehefteten Zettel mit

n den vornehmen Rahmen der Ausftellun i aufgebauschten, innerlih aber wibetaleae vit vures Aci BuR DOluIGet und Brandenburg wenig hinein. Sie {einen

er ebenso entbehrlih, wie die etwas altmodischen Veduten von

chnars-Altquist und die stcebsamen, aber noch unsihheren Ver-

über Kleinbahnen und Privatanshlußbahnen vom 28. Juli 1892,

Eine \{chlichte und ernste

suche von Georg Mosson, der allerdings mit einer kleinen Herbst-