1875 / 160 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 10 Jul 1875 18:00:01 GMT) scan diff

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E E E R E E E N 1s j -— “mee L p Saw Ns n: E g

daß sich erst im Laufe der Verhandlung die Nothwendig- keit der Vernehmung eines nicht geladenen Zeugen her- ausftelle, 208 des Entwurfs, wonach das Gericht eine Vernehmung s\solcher Zeugen anordnen _fônne, Sorge getragen habe; der Antrag führ? die diskretionäre Gewalt des franzöfishen Rechts wieder ein, deren gänzlihe Beseitigung ein großer Vorzug des Entwurfs sei. Der Antrag Schwarze wurde auch abgelehnt, dagegen ein vg fog des Abg. Bähr ange- nommen: „Der Vorsizende hat jedem Mitgliede des Gerichts auf Verlangen zu gestatten, Fragen an die Zeugen und Sach- verständigen zu stellen. Wird eine auf die Sachleitung bezüg- lihe Anordnung des Vorsißenden oder eine Fragestellung des Vorsigenden oder eines Gerichtsmitgliedes von einer bei der B ectcidlung betheiligten Person beanstandet, #o - ent- scheidet das Gericht.“ Bei §. 202 fand eine ausführ- lihe Erörterung über das Kreuzverhör statt. Ein Antrag des Abg. Dr. Gneist auf Einführung des obligatorishen Kreuz- verhörs in Fällen, in welchen der Beschuldigte einen Vertheidi- ger hat, wuxde mit 18 gegen 8 Stimmen abgelehnt, und §. 201 unverändert angenommen. Bei §. 202 fand Abs. 1, welcher das Kreuzverhör vorschreibt, wenn Staatsanwaltschaft und Ver- iheidiger es übereinstimmend beantragen, mit 14 gegen 12 Stim- men Annahme; dagegen wurde Abs. 2, wonach au außer dem Falle des Abs. 1- der Vorsizende dem einen oder dem anderen Theile die Vernehmung gestatten kann, mit Stimmenmehrheit estrihen. Daneben entschied man fich für einen Zusaß des Aba. Dr. Wolfson: „Der Vorsißende hat auch nach Ver- nehmung durch die Parteien, die ihm zur weiteren Auf- klärung der Sache erforderlih \{cheinenden Fragen an Zeugen oder Sachverständige zu richten.“ Die Mehrheit der Kommission {eint demnach dem Kreuzverhör noch weniger günstig gestimmt zu sein, als der Entwurf. Die §8. 203 und 204 erlitten nur redaktionelle Abänderungen. Bei §. 205, welher von dem Beginne der mündlihen Verhandlung redet, wurde einem An- trage der Abgg. Herz und Genofsen gemäß beschlossen, daß nicht eine Mittheilung des Inhalts der Anklageschrift, sondern eine Verlesung des Beschlusses erfolgen soll, durch welchen das Haupt- verfahren eröffnet worden ist.

In den deut\schen Münzstätten find bis zum 9. Juli 1875 geprägt: an Goldmünzen: 885,539,460 /6 Doppelkronen, 263,733,840 6 Kronen; an Silbermünzen: 20,602,475 A 5-Marfkftücke, 70,452,781 # 1-Markstücke, 16,181,376 H 80 _Z 20-Pfennigstücke; an Nickelmünzen: 7,991,944 20 S 10-Pfennigstüde, 3,967,087 / 60 S Z S-Pfennigstüde ; an Kupfermünzen: 2,993,574 #4 72 „Z 2 - Pfennigstücke; 1,459,898 a 79 S I1-Pfennigstüde. Gesammtausprägung: an Goldmünzen: 1,149,273,300 #4; an Silbermünzen: 107,236,632 6 80 _ ; an Nickelmünzen: 11,959,031 s 80 .; an Kupfermünzen: 4,453,473 “M 51 S.

Bis Ende Juni d. I. find in Ausführung des Gesetzes, betreffend die Ausgabe von Reichskafsensheinen vom 30. April 1874 an Landespapiergeld 41,518,137 (6 eingezogen und dafür 38,430,895 4 in Reichskassensheinen als Ersaß geleistet worden. 1,729,570 4 find an baaren Vorschüssen nach Maßgabe des H. 3 des Gesehes vom 30. April 1874 aus der Reichskasse gewährt worden. :

Aus der von dem Kaiserlihen General-Postamte für das Iahr 1874 herausgegebenen Statistik der deutschen Reihs-Pöstverwaltung entnehmen wix folgende Notizen:

Das deutsche Reichs-Postgebiet umfaßt 445,221,»z Quadrat- Kilometer“ mit 34,339,434 Einwohnern, oder mit 77 Einwohnern auf einen Quadrat-Kilometer. Die Zahl der Postanstalten belief ch im Jahre 1874 auf 6238 gegen 5965 i. J. 1873. Von diesen Postanstalten waren 1142 (1873: 953) mit Telegraphen- Stationen vereinigt. Es kommt also von den 6238 bz. 5965 Postanstalten je eine auf 71,z7 bz. 74,64 Quadrat-Kilometer und auf 5505 bez. 5757 Einwohner. a pit bestanden 33 Bahn- poftämter, 109 nit selbständige Postanftalten, 27 Briefsamm- lungen, 9 Hülfspostanstalten für das Landbriefträger-Institut, 42 Relais und 4 Postanstalten im Auslande. - Amtliche Ver- kaufsftellen für Postwerthzeihen bestanden Ende 1874: 4594, 1873: 4337. In 24,849 Orten waren 31,178 Postbriefkasten aufgestellt (gegen 28,936 in 23,153 Orten im Fahre 1873). Das Gesammt-Personal zählte 53,955 Personen (1873: 52,060), nämlih 18,535 Beamte, 28,855 Unterbeamte, 1194 Posthalter und 5371 Postillone. Die 1511 Posthaltereien - unterhielten einen Bestand von 13,643 Vostpferden; der Bestand an Posft- wagen belief \sich auf 13,689. Die Zahl der Postgrundstüke be- trug 264. Es wurden täglich 2709 Eisenbahnzüge zur Post- beförderung benußt (2540 i. I. 1873). Die Gesammt-Postkurs- länge auf Eisenbahnen erreihte die Länge von 20,210 (1873: 19,158) Kilometern. Auf Landftraßen bestanden 4072 Postkurse mit 60,983 Kilometern Kurslänge. Auf diesen Kursen bewegten fih 5894 Posten: 52 Privat-Dampfschiffsverbindungen vermit- telten außerdem den Poftverkehr auf den zur Postbeförderung benußten Wasserstraßen. Die Posten legten 125,428,213 Kilo- meter zurück (1873: 118,762,800); nämlich die Eisenbahnposten 69,588,129, ‘die Posten auf Landstraßen 55,198,727, die Posten auf Wasserstraßen 641,357 Kilometer.

Von den deutschen Posten wurden befördert im Ganzen 611,230,692 Briefsendungen (1873: 555,825,045); und zwar im Inlande 480,956,058, vom Auslande eingegangen: 50,337,231, nach dem Auslande abgesandt 52,049,490, im Durchgangsverkehr: 27,887,913. Unter den inländishen Briefsendungen befinden fih 42,558,084 Postkarten. Dise Gattung hat von allen Kate- gorien des Postverkehrs am meisten zugenommen, nämlich um 70 Proz. gegen das Vorjahr.

Die Zahl der versandten Zeitungsnummern betrug 259,222,176, die der außergewöhnlihen Zeitungsbeilagen 6,563,458. Unbestellbar waren 936,941 Briefe, davon 188,600, oder 0,q; Proz. endgiltig unbestelbar. An Paet- und Geld- \sendungen wurden befördert: 59,548,099 Stü (1873: 54,322,178); davop entfallen auf den inneren Verkehr 53,561,385 Stück, Das Gewicht sämmtlihec Pacetsendungen belief sich auf 185,000,563 Kilogramme, der Werthbetrag sämmt- liher Geldsendungen auf 4,615,174,124 Thlr. Die Zahl \ämmt- liher Postanweisungen belief fich auf 21,656,426 Stü mit einem Betrage von 249,252,832 Thlrn. An Postvorshußsendun- gen wurden 5,706,738 Stück mit einem Bétrage von 18,981,306 Thlrn., an Postauftragsbriefen 921,632 Stück mit einem erter

von 33,511,003 Thlr. befördert. Der Gesammt-Geldverkehr innerhalb des deutshen Reichs-Postgebiets ist durch 41,095 422 Postsendungen im Gesammtbetrage von 4,274,555,843 Thlrn. vermittelt worden. Freimarken, gestempelte Briefumschläge, Post- karten und Streifbänder wurden 572,379,242 zum Nenn- werthe von 20,741,355 Thlrn. abgesezt. Die Einnahme an Porto und Franko für den Tag \s{chwankte zwischen 68,364 Thlrn. im August und 85,157 im Dezember. Der Ueberschuß der Postverwaltung betrug 2,328,673 Thlr.

Zeugniß abzulegen von der freudigen Theilnahme, welche

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Ein WMennoniten-Aeltester, welher einem Mit- gliede seiner Gemeinde das Abêèndmahl verweigert, weil er Militärdienste as A verlegt damit, nach einem Erkenntniß des Ober-Tribunals vom 18. Juni d. I., das Geseÿ über die Grenzen des Rechts zum Gebrauche kirhliher Sträs- und Zuchtmittel vom 13. Mai 1873. Der Mennonit F. kehrte, nah- dem er seine geseßlihe -Militärpflicht geleistet, wieder in seine Heimath zurück und "betheiligte fich daselbst, gleihwie früher, an den religiösen Uebungen der Gemeindemitglieder. Der Ge- meindeälteste versagte ihm jedoch den Zutritt zum Abendmahl, mit der Erklärung, daß er durch seinen Eintritt ins Heer aus der Mennonitengemeinschaft ausgeschieden. Wegen Ver- legung des H. 2 des Gese{:*s vom 13. Mai 1873, („die zulässigen - kirhlihen Straf- oder Zuctmittel dürfen über ein Mitglied einer Kirche oder Re- ligionsgesellshaft nicht deshalb verhängt oder verkündet werden, weil dasselbe eine Handlung vorgenommen hat, f welcher die Staatsgeseze odex die von der Obrigkeit innerhalb ihrer gesehlihen Zuständigkeit erlassenen Anordnungen verpflihten ) in den ersten Instanzen verurtheilt, legte der Mennoniten-Aeltefte die Nichtigkeitsbeshwerde ein, in welcher er darauf hinwies, daß durch die preußishe Verfassungs-Urkunde, Artikel 12, die Freiheit des religiösen Bekenntnisses und der Vereinigung zu Religions- gesellshaften garantirt wird und daß dieses Staatsgrundgeseß verleßt würde, wenn die allgemeine Wehrpflicht geseßlich die Veränderung eines religiösen Bekenntnisses zur Folge hätte. Diesen Einwand erachtete jedoch das Ober-Tribunal für unge- grühdet und es wies“ die“ Nichtigkeitsbeschwerde über- haupt zurück. „Durch die allgemeine Verpflichtung zum Kriegsdienste," führt das Erkenntniß des Ober-Tribunals aus, „istt eing Veränderung in dem Bekenntnisse der Mennoniten allerdings nit herbeigeführt. Wenn aber nah diesem Bekenntnisse die Leistung des- Kriegsdienstes die Aus- \chließung aus der Religionsgesellshaft zur Folge hat, so is dur die Bestimmungen des Gesehes vom 13. Mai 1873, die Verwirklichung dieser Folge untersagt, und diesem Verbotsgeseße gegenüber kann eine Berufung auf das Bekenntniß der Menno- niten, weil demselben in dieser Richtung die staatlihe Anerken- nung versagt worden i}, niht durhgreifen. Der Staat verlangt allerdings nit, daß die Religionsgesellshaft ihr Bekenntniß rer den Sazungen des Staates umgestalten; er verlangt aber, da alle Staatsangehörigen, ohne Unterschied, welcher Religions- gesellshaft fie angehören, die Geseze des Staats befolgen. Das allgemeine Gebot der Militärpfliht durch das Geseß vom 9. No- vember 1867 gehört zu den gesehlihen Anordnungen, welche eine staatsbürgerlihe Pflicht bestimmen. So lange die Menno- niten in dem Rechtsgebiete dieses Gesezes leben, sind fie dem- selben unterworfen und die Behauptung, daß dur jene Be- stimmungen das Bekenntniß der Mennoniten nicht geändert worden sei, ist hiernach zwar richtig, aber rechtlich unerheblich.“

Das Füsilier- Bataillon 3. Hessishen In- fanterie-Regiments Nr. 83 wird am 14. d. M., früh 10 Uhr, die Aufftellung der Gedächtnißtafel der im Kriege gegen Frankreich 1870/71 Gefallenen in [der Stadtkirhe zu Arolsen feierlih begehen. Alle dem Bataillon damals Angehörigen, \o- wie die Hinterbliebenen und Verwandten der Gefallenen werden von dem Kommando des Bataillons zur Theilnahme auf- gefordert. :

Die- bei Samuda Brothers in London gebaute Pan- zerfregatte „Deutshland“ kam, wie die „A. A. C.“ meldet, am Diénstag in der britischen Staatswerfte von Chatham an und wurde, daselbst “behufs der Reinigung ihres Kieles ge- dot. ' Das: Schiff soll aza nächsten Donnerftag die Reise nah Deutschland antreten. j i

S. M. S. „Hertha“; welhes am 25. März cv. Singapore verlassen, die Nordostküste von Borneo, die Sulu- Inseln und mehrere Häfen auf. den Philippinen angelaufen, ankerte am 27. Mai cr. im Hafen von Hongkong. An Bord Alles wohl.

Kiel, 7. Juli. (Kieler Ztg.) Die Segelfregatte „Niobe“ ist am 5. d. M. Vormittags in Leith (Schottland) eingetroffen. Die Yacht „Grille“ wurde heute Nahmittag an der hiesigen Werft außer Dienst gestellt. Das Panzergeschwader ging heute Nachmittag gegen 2 Uhr in See nah Eckernförde; nur die Panzerkorvette „Hansa“ ist hier zurückgeblieben.

Bayern. München, 8. Iuli. Für den General-Lieute- nant v. Orff, welcher, wie gestern mitgetheilt, mit dem Kom- mando des 11. Armee-Corps betraut wurde, hat der Comman- deur der 1. Infanterie-Brigade, General-Major v. Täuffen- bach, das Kommando der 1. Division interimistish zu über- nehmen. Der Generalstab des RXIŸ. (badischen) Armee- Corps macht zur Zeit Felddienstübungen in der Gegend von Würzburg. Prinz Luitpold trifft morgen (Freitag) früh 54 Uhr mit dem Simbacher Courierzug von Wien hier ein. Prinz Wilhelm von Württemberg, welcher ebenfalls den Begräbnißfeierlichkeiten des Kaisers Ferdinand von Dester- rei in Wien beigewohnt hatte, is gestern Abend von dort hier angekommen und heute Morgen in die Schweiz weitergereifst. Wie die „A. Postztg.* meldet, ift gegen meÿrere Geistliche in Oberbayern, welche mit ihren Pfarrkindern Jubiläums- prozessionen gemacht hatten, Untersuhung eingeleitet worden.

9. Juli. (W. T. B.) In dem vom Bischof von

Augsburg erlassenen Hirtenbriefe wird den Diôzesanen

eingeshärft, mit Patriotismus und begeisterter Hingebung an Thron und Kirche sh zur Wahl urne zu begeben und Männer zu wählen, welche von gleiher Gesinnung beseelt, ebenso ente schieden als bereit seien, für das wahre Wohl und Beste des bayerischen Vaterlandes mitzuwirken.

Baden. Karlsruhe, 10. Juli, (W. T. B,) Zu der gestern zur Feier des Geburtstages Sr. Königlichen oheit des Erbgroßherzogs Friedrih Wilhelm ftattge- baben großen Parade waren außer der hiesigen Garnison ‘die Gar- nisonen von Mannheim, Schwezingen, Bruchsal, Rastatt und Ettlingen herangezogen, Außer Sr. Majcstät dem Kaiser und Sr. Königlichen Hoheit dem Großherzog von Baden wohn- ten der Parade Se. Kaiserlihe und Königliche Hoheit der Kron- prinz des Deutschen Reihs und von Preußen, ferner Prinz Ludwig von Hessen, Prinz Wilhelm von Baden, Prinz Hermann zu Sachsen-Weimar, Fürst Hohenlohe-Langenburg, sowie die Generale v. Blumenthal, v. Franseky und v. Shwarßkoppen bei.

Sachsen- Weimar- Elseunach. Weimar, 9. Juli. Die glücklihe Wendung zum Besseren im Gesundheitszustande des Geheimrathes Dr. Stichling hat dem Vorftand des wei- marischen Lehrervereines Veranlassung gegeben, in einer u

e Lehrer des Großherzogthums dem Befinden des Chefs des Kultusdepartements zuwenden, und der dankbaren Anerkennung,

welche sie dem Wirken. doleri/ men. Geheimrath Dr. Stichling, dessen Ges C ici ) in erfreulicher Weise gekräftigt hat, befind(h zur Zeit 1. Tabarz.

Schwarzburgzyudolstadt, Rudol stadt,“ 6. Juli, Am 1. d. M. fe Fürfiliche Kreisgericht A ite : seines 25jähtigenimdi ; den seit Grübdung des Ger Z fungirendey T E q 3gerichts - Rath Volle, Staatsanwalt Hofrath SHE or Krolegerihts-Rath Dr. Linke, wurden L den Si E } zekündigtang die ihnen, verliehenen Orden Du F EER oh S roho übergeben.

Lübezekündig teP-osbend abgehaltenen Ber- sammlung de m E Eo at „nfeier wurden die ersten einleitenden Schritte zW ck¿zhrigen Feier vorgenommen. Da eine ausgedehntere Festlichkeit richtigt wird, #o wurde das Comité durch eine Anzahl hiesigeL rger verstärkt. Der Ehren- bürger Hr. Emanuel Geibel hat sSereit exklärt, demselben. beizutreten. “Da der vorigjährige E hes Comités, Di- rektor Wihmann, verhindert sein wird, beizuwohnen, \o übernimmt der Ober-Postdirektor Lingy deäxen Vorsiß. Da die Erfahrung des vorigen Jahres lehrte und au allgemein der Wunsch laut wird, den 2. September zum offi ziellen Feiertag erhoben zu sehen, so wird das Comité, der “dies Ztg.“ zufolge, ein diesbezüglihes Gesuh an den Senat: rihten.

Oesterreich-Ungarn. Wien, 8. Juli. Die Kaiserin: kehrt übermorgen nach Ischl zurü. 4

Ueber den Unfall, welcher dem Eisenbahnzuge in Haag zugestoßen ist, auf welhem Sih Se. Kaiserliche und König= lihe Hoheit der Kronprinz befand, enthält die „Wien. Abend-- post“ folgende Mittheilungen:

„Der geftern, Mittwoch, 7 Uhr Abends, von Wien abge- gangene Courierzug, mit welchem Se. Kaiserlihe und Königliche

oheit der Deutsche Kronprinz seine Rückreise angetreten hatte,

ist in der Station Haag (Westbahn) nach 10 Uhr auf einen Lastzug aufgefahren. Von den Reisenden sind nur der Leib- jäger des Kronprinzen und eine russishe Damé, Generalin von Apreleff, durch das vom Korbe herabfallende Gepäck an der Stirne leiht verleßt worden. Vom Begleitungsperfonale ist ein. Conducteur ganz unerheblih verlegt. Dagegen is ein Packer, der in dem Augenblicke das Geleise unmittelbar vor dem Last- zuge passirte, wo derselbe durch den Anprall des Courierzuges vorgeshoben wurde, überfahren und leider getödtet worden.

Die Shuld an diesem Unglücksfalle trifft zunächst den

Wächter, der den Wechsel nicht rihtig gestellt hatte, Ebenso trifft dieselbe auch den dienstthuenden Beamten (am gestrigen Tage. den Stationshef selbst), der nah der bestehenden, erst vor wenigen Wochen aus einem besonderen Anlasse erneuerten Vor- \rift die Stellung des Wechsels vor Einfahren des Personen=- zuges zu überwachen hatte und dieser Verpflihtung niht nach- gekommen ist. |

Der Herr Handels-Minister hat heute Morgens bereits der General-Direktor Hofrath v. Keißler zur unmittelbaren Bericht- erstattung berufen und demselben den Auftrag zur strengsten. Untersuhung und Ahndung ertheilt.

Von anderer Seite geht uns über diesen Unfall folgende Mittheilung zu: „Der am 7. d. M., Abends 7 Uhr, von Wien. abgegangene Courierzug 1 der Elisabeth-Bahn fuhr in der Station Haag in Folge unrihtiger Wechselstelung an den da- selbst kurz vorher eingefahrenen Lastzug 65 an. Derselbe wurde hierdurch in Bewegung geseßt und hierbei ein an der Spiße des Zuges das Geleise passirender Stationsarbeiter getödtet. Von den Passagieren des Courierzuges, welhen auch Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz des Deutschen Reiches be- nugtte, wurde dessen Leibjäger und eine Dame, beide an der Stirn, durch Herabfallen von Gepäck unerheblih verleßt. Der Schlußwagen des Lastzuges wurde stark beshädigt, während die Wagen des Courierzuges lauffähig blieben und derselbe seine Fahrt nach circa einer Stunde Aufenthaltes fortseßte, Linz mit einer Stunde drei Minuten und die Grenzstation Simbach mit 52 Minuten Verspätung passirte. *

Niederlande. Haag, 6. Juli. Der am hiesigen Hofe beglaubigte italienische Gesandte hat durch Note vom 26. Juni Na=- mens seiner Regierung den zwishen den Niederlanden und Ita- lien am 24. November 1863 abgeshlossenen Handels- und Schiffahrts-Vertrag gekündigt und dem Wunsche Ausdruck gegeben, durch Unterhandlungen zum Abschlusse eines neuen Traktates zu gelangen. Nach einer Mittheilung aus guter Quelle wird in der Reihs8münzfstätte zu Utreht niht vor dem 14. d. die Ausmünzung der neuen niederländishen Zehn- gulden-Goldstücke begonnen werden.

Großbritannien und Jrland. London, 9, Juli. (W. T. B.) Unterhaus. Auf eine diesbezüglihe Anfrage Eatons erklärte der Unter - Staatssekretär im Ministerium des Auswärtigen, Bourke, er habe noch keine offiziellen Informationen über die Absicht der chinesischen Re=- gierung, in Europa Gesandtschaften und Konsulate zu errihten.. Der Grund hiervon \ei wahrscheinlih die Ab- wesenheit Wades von Peking. Derselbe werde demnächst dorthin zurückfehren. Die Kommission zur Untersuchung der Ermordung Margarys habe Peking nôöch nicht verlassen, da es wünschenswerth erscheine, die kältere Jahresze# ab- zuwarten.

10. Juli. (W. T. B.) Gelegentlich der Anwesenheit des Präfekten des Seine-Departements und der fran- zösishen Maires-wird am Donnerstag, den 29, c., ein Fest - banfkett, am 30. Ball und am 31. großer Empfang stattfinz den. Mit Ausnahme von zweien find hierselb Einladungen des Lord Mayors zur Zusammenkunft hierselbst angenommen worden.

Frankreich. Paris, 9. Juli. (W, T. B.) Der Kar= dinal-Erzbishof Matthieu von Besançon is gestorben.

Versailles, 9. Juli. (W. T. B.) Die “National= versammlung sehte die dritte OAEIADI des B etes es über den höheren Unterricht fort und genehmigte die 11 ersten Artikel des Gesezes unter Ablehnung aller dazu gestellten Ab=- änderungsanträge. Zu Artikel 12 wurde nach längerer Be=- rathung . ein Antrag Lucien Bruns, bezüglih der den freien Unterrichtsanftalten gemachten Legate und Schenkungen, der diesem Antrage entgegenstehenden Anträge der Kommission un- geahtet, mit 330 gegen 323 Stimmen angenommen. Die Be=- rathung wird morgen fortgeseßt. Der Bericht Savarys über die Wahl im Departement Nièvre mit den dazu gehörigen Schriftstücken ift heute zur Vertheilung gelangt. Man erwartet darüber am Montag eine lebhafte Debatte.

dies&-hr der Feier

Spanie#s. Miranda, (W. T. B.) General Quesada, der sich über ! o gegen Vittoria in Marsch gesezt hatte, hat »ck# carlistishen Stellungen nach sehr heftigem Widerstaribe genommen. Die von

Perula ünd Mendiri befehligten carlistishen Truppentheile

wurde mit einem Verlust von hundert Todten und vielen

Die Regierungstrupne#F sind Zt

Gefangenen zurückgeschlagen. Mittwoch in Vittoria eingezogen. S Nach einem neueren Telegramm verloren die Car- listen in dem Gefechte bei Trevino 400 Todte und 60 Gefangene und zogen sich unter dem Befehl von Perula nach dem Norden von Alava zurück. Sicherem Ver- nehmen nah hat der Carlistenhef Mendiri seine Entlassung ge- nommen. Der Weg nah Vittoria is nunmehr ganz frei.

Nufiland und Polen. St. Petersburg, 7. Iuli. Se. Majestät der Kaiser is Heute zurückgekehrt und hat \ihch nah Peterhof begeben. Die Straßen der Residenz waren in Veranlafsung der Rückkehr Sr. Majestät mit Fahnen ges{chmüdckt. Se. Majestät der König von Schweden wird, wie die „Ruf. Welt“ meldet, am 1./13. Juli Abends aus Moskau ab- reisen und am 2./14. Juli Morgens direkt in Peterhoff eintreffen. Die \{chwedische- Escadre geht von Riga nach Kronstadt und bleibt dort während der ganzen Zeit des Aufenthalts des Königs. Die Dauer dieses Aufenthalts if auf fünf Tage berechnet. Außer der Flottenrevue wird auch eine Revue der im Lager von Krafsnoje - Sselo zusammengezogenen Truppen stattfinden. Im Gefolge des Königs werden \ich, wie die „Rigasche Ztg.“ meldet, folgende Personen befinden: General-Major Graf Lager- berg, Admiral Switen, HofmarshaU Goltermann, erster Kammer- herr Gade, Leibarzt Professor Malmsten, Sekretär des Mi- nisteriums des Auswärtigen, Graf Löwenhaupt, sowie die Adju- tanten Sr. Majestät, Major Baron Palmstierna, Kapitän Frö- lih und Kapitän Baron Stiernstett. Außerdem treffen in Riga ein: Der Königlih \{wedishe Gesandte am St. Petersburger Boe Doué, und der Sekretär der \{wedishen Gesandtschaft, niterskiol, sowie von russischer Seite: der rusfishe Gesandte am Stocholmer. Hofe, Wirklicher Geheimrath Giers, General-Adjus tant Graf Ssumarokow-Elston und Flügel-Adjutant Fürst Meschtscherski. Moskau, 9. Juli, (W. T. B.) Se. Majestät der - nig von Schweden is heute Abend 8 Uhr 30 Minuten hier eingetroffen und auf das Herzlihste empfangen worden.

Amerika. Dem „New-York-Herald“ wird aus Omaha, Nebraska, 23. Juni, gemeldet : Erfahrene Grenzleute und Offiziere find der Ansicht, daß die Sioux-, Cheynne- und Arapaches-Indianer kommenden Herbst zu schaffen machen werden. Wenigstens fünf starke Abtheilungen Krieger haben in den leßten 14 Tagen ihre Reservationen verlassen. Die dort ftationirte Kavallerie ist zu chwach, um fie in dem reservirten Gebiete zurückzuhalten. Man if an der Grenze der Ansicht, daß ein großer Indianerkrieg dem Ausbruche nahe is .— Die re- publikanische Konvention von Wisconsin, sowie die demokra- tishe Konvention von Minnesota haben Beschlüsse zu Gunsten der Wiederaufnahme von Baarzahlungen gefaßt.

Afrika. Aegypten. Alexandria, 8. Juli. (W. T. B.) Se. Hoheit der Khedive hat angeordnet, daß vom September d. I. ab die Zeitrechnung des Gregoriani- \chen Kalenders eingeführt werden soll.

Nr. 28 des „Central-Blatts für das Deutshe Reich“, eraus egeben im Reichskanzler-Amt (Berlin, Carl Heymanns Verlag), t folgenden Juhalt: Allgemeine Verwaltungssachen : Ver- weisung von Ausländern aus dem Reichögebiet. Münzwesen: Uebersicht über die Ausprägung von Reihsmünzen; Nachweisung der bis Ende“ Juni d. J. in Ausführung des Gesetzes, betreffend die Ausgabe von Reichókassenscheinen vom 30. April 1874, stattgehabten Einziehung von Landespapiergeld und des dafür geleisteten Ersaßes. Zoll- und Steuerwesen: Beiordnung eines Stationscóöntroleurs; Veränderungen - bei den Steuerstellen. Justizwesen: Ausführungs - Verordnung zum Geseß über die Béurkundung des Personenstandes und die Eheschließung vom 6. Februar 1875; Bekanntmachung hierzu. Postwesen : Bekannt- machungen, betr.; Eröffnung der Eisenbahustreden Wolfsgefärth- Greiz und Greiz-Weishliß; Eröffnung der Eisenbahn Vienenburg- Hildesheim-Löhne; Eröffaung der Eisenbahnstrecke Görliß-Reichenber in Böhmen; Uebersiht über die während des 11, Vierteljahres 187 im deutschen Reichs-Poftgebiete eingerichteten und aufgehobenen Post- anstalten. Konsulatwesen: Ernennung 2c.

Vereinswesen.

Nach dem 3. Rechenschaftsbericht des Verwaltungsraths des unter dem Protektorat Sr. Majestät ‘des Königs von Würtlem- berg stehenden württembergischen Landesvereins der Kaiser Wilhelms fstiftung für deutsche JIuvaliden auf das Kalenderjahr 1874 war der Gesammtbetrag der Einnahmen 173,248 Fl., der Gesammtbetrag der Ausgaben 172,156 Fl., bleibt Kassenbestand 1092 Fl. Unter den Einnahmen sind an Kapitalien und Zinsen 152,865 Fl, zurückbezahlte Anlehen von Invaliden 1467 Fl, freiwillige Beiträge 15,951 Fl. Unter den Ausgaben, ver- zinslich angelegte, 128,187 Fl, Unterstüßungen an 433 Invaliden und 375 Hinterbliebene 32,730 Fl. Verwaltungskosten 1575 Fl. Vermögensstand: Verzinsliche Anlehen 353,845 Fl., Anlehen an În- validèn 19,306 Fl,, Ersaßposten 43 Fl.@ Kassenbestand 1092 Fl. Summa 384,367 Fl. Gegenüber dem Rechnungsabschluß 1873 hat das Vermögen zugenommen um 2382 Fl. Die freiwilligen Beiträge haben einen erheblihen Rückgang genommen; fie betrugen abzüglich der im Jahre 1874 verrechneten Kirchenkollekte von 1873 nur etwa 7000 Fl., darunter von Jhrer Majeftät der Königin 600 , sodann von den Amtskorporationen Biberah, Gaildorf, Laupheim, Mün- fingen, Nagold, Neckarsulm, Neuenbürg, Oberndorf und Ulm 3700 Fl. Ferner 400 Fl. als Ertrag der durch die bürgerlichen Kollegien der Stadt Stuttgart veranstalteten Sedanfeier.

Statistische Nachrichten.

Nah Mittheilung des städtischen statistischen Bureaus sind bei den Standesämtern Berlins in der Woche yom 27.Juni bis inkl, 3, Juli zur Anmeldung geremmen 280 Eheschließungen, 762 Le- bendiggeburten, 34 Todtgeburten und 930 Sterbefälle.

Die Auswanderung aus dem Großherzogthum Sach- sen, die in den vorhergehenden Jahren bereits gesunken war, hat im Jahre 1874 nicht nur wiederum abgenommen, sondern die Einwanderung Übersteigt auch die Auswanderung sowohl in Bezug auf Höhe der Kopfzahl als des Kapitalvermögens bei Weitem. Von 1862—1864 sind ährlió im Duré(schnitt ausgewandert über 1000 Personen. Jn den folgenden Jahren sank die Durchschnittszahl anf etwa 770; im Jahre 1872 betrug sie 599, 1873: 309, 1574: 149, während die Ein- wanderung die Höhe von 391 Köpfen errcihte-mit einem Gesammt- kapital von nabe an 300,000 Thaler.

Den Mittheilungen des städtishen Bureaus in Wien entneh-

mén wir die nachfolgenden Angaben über die Bewegung der B e- völkerung Wiens im Jahre 1874;

Die Zahl der Eheschließungen betrug 6713 gegen 7378 im

Jahre 1873, hat also einen Abfall von 665 oder 9 pCt. erlitten, wel-

cher sich. hauptsählich durch die Ungunst der wirths{chaftlichen Ver- hältnisse erflärt. Vergleicht man die Heirathsfrequenz in Wien mit jeñer in anderen großen Städten, fo ergiebt sih, daß auf 1000 Be- wohner im Jahre 1874 in Wien eine Trauungsziffer von 10, in Hamburg von 12,3, in London von 9,s,* in München von 12,1, in Paris ‘von 10,2 und im Jahre 1873 in Berlin von 12,6 entfällt. Jn konfessioneller Beziehung ist zu bemer- feu, daß vor dem rômisc-katholishen Seelsorger 5871, vor dem griechish-katholishen 5, vor dem griechis-orientalischen 16, vor dem evangelischen 352, vor dem isfraeliti1chen 394 und vor der politischen Behörde 75 Ehen geschlossen worden sind. Hiervon waren 437 ge- mischte Ehen, unter welchen solche ¿wischen evangelishen Männern und fatholishen Bräuten mit 287 am zahlreihsten vertreten waren. _Die Zahl der im Jahre 1874 in Wien lebend geborenen Kinder betrug 27,265, von welchen 13,826 dem männlichen und 13,439 dem weiblichßen GeschleWte angehörten. Im Vorjahre 1873 wurden 26,632 Lebendgeborene registrirt, so daß also für 1874 ein Mehr von 633 oder 2,4% zu verzeichnen ist. Die tägliche Durch- \{nittszahl der Geburten beziffert sih auf 78,2 überhaupt und für die Lebendgeborenen allein auf 74,7. Auf 1000 Bewohner Wiens ent- fielen 40,7 lebendgebörene Kinder. Dagegen entfielen im Jahre 1874 auf 10090 Einwohner in Hamburg 40,5 lebendgeborene Kinder, in London 35,7, in München 41,3, in Paris 29,0 und im Jahre 1873 in Berlin 36,8. Von den im Jahre 1874 în Wien Lebendgeborenen waren 10,615 unehelicher Abkunft, so daß also auf 100 ehelich lebend- geborene Kinder 63,7 uneheliche entfallen. Hierbei ist indeß zu be- rückfichtigen, daß ca. 7000 uneheliche Kinder allein aus dem Gebär- hause herstammen und mehr als zur Hälfte von solchen Müttern ge- boren worden sind, die nicht der Wiener Bevölkerung angehören, \son- dern fih nur des Geburtsactes wegen zeitweise in Wien aufhalten. Die Zahl der Todtgeburten war 1289, darunter 720 männlichen Ge- {lets ; es entfallen also auf 100 Lebendgeborene 4,7 todte Geburten. Im Jahre 1874 sind in Wien 19,528 Civilpersonen gestorben, darunter 2212, welche zur Zeit ihrer Erkrankung niht in Wien wohnten; die Zahl der Sterbefälte aus der eigentlichen Wiener Be- völkerung reduzirt sich S auf 17,316. Im Jahre 1873 betrug die Gesammtzahl der Verstorbenen 24,701 und" nach Abzug dex früher nit in Wien domizilirten 22,274; die Sterblichkeit in 1874 hat sich also gegen das Vorjahr um 20,9, resp. 22,3% verringert. Auch die relative Sterbeziffer zeigt einen nicht minder bedeutenden Abfall: 1873 kamen nämlich auf 1000 Einwohner 33,9 Verstorbene, 1874 nur 29,8, mithin 8,1 pro Mille weniger. Mit leßterer Ziffer von 29,8 verglichen, starben dagegen im Jahre 1874 von 1000 Einwoh- nern in: Amsterdam 26,7, Berlin 32,9, Brüssel 23,9, Hamburg 27,0, Kopenhagen 27,2, London 22,5, München 41,0, New-York 27,5, Paris 22,4, Rom 27,5, Turin 26,7, so daß Wien unter diesen Städten rangirt nach dem Minimum der Sterblichkeit die vierte Stelle ein- nimmt. Von den im Jahre 1874 Verstorbenen gehörten 10,399 oder 93,3% dem männlichen und 9129 oder 46,7% dem weiblichen Ge- \hlechte an. Was die Altersverhältnisse der im Jahre 1874 Ver- storbenen betrifft, so waren von deuselbèn im ersten Lebenjahre 5856 oder 30,0%, im 2ten bis vollendeten 20sten Lebensjahre 3767 oder 19,3%, im 21sten bis zum erreichten 60sten Lebensjahre (im produk- tiven Alter) 7084 oder 36,3%, und im Alter über 60 Jahre 2789 en L während von 32 Personen das Alter unbekannt ge- ieben ist.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Der Verwaltungsauss{chuß des Germanischen Museums zu Nürnberg hat durch neue Wahlen Ersaß für manche in den leßien Jahren verlorene Kräfte erhalten. Die Herren, auf welche die Wahl gefallen: Professor Dümmler in Halle, Großhändler v. Grundherr in Nürnberg, Maler A. y. Heyden in Berlin, Professor v. Lübke in Stuttgart und Senator Römer in Hildesheim, haben die- felbe angenommen. Hr. v. Grundherr gehört zudem dem Lokal- aus\chusse an.

Der frühere Direktor der Akademie der bildenden Künste in Wien, Christian Ruben, ist, laut Telegramm vom heutigen Tage, in seinem 70. Lebensjahre dort gestorben. i

Der Reisende Kapitän Burtoñ ist au Bord des Dämpfers eFifeshire“ mit einer Forschungs-Expedition nah Jsland abgesegelt. Er bezweckt mit dieser Reise hauptsächlich, die jüngsten vulkanishen Eruptionen der Schwefelminen im nordöstlichen Theile der Insel zu untersuchen.

Die Wiener Akademie der bildenden Künste wird den festlichen Tag ihrer Uebersiedelung in das neue, ihr angewiesene Gebäude durch eine sämmtliche Fächer der bildenden und zeihnenden Künste umfassende historische Kunstausstellung begehen, welche vom 15. Oktober bis 31. Dezember 1876 dauern und ein Gesammt- bild von dem fünstlerishen Wirken der Anstalt, von der Zeit ihrer Gründung unter Kaiser Leopold Lk. bis auf die Gegen- wárt darbieten soll. Die Auéstellungs - Kommission veröffent- liht einen Aufruf, in welchem sie die Ausstellung als ein patrio- tisches Werk von weitgreifender Bedeutung für Oesterreich und seine Kunst allen Künstlern und Kunstfreunden warm ans Herz legt. „Mögen sie, {ließt der Aufruf, uns durch ihre rege Betheili- gung an dem großen und \{chwierigen Unternehmen, durch Einsendung oder Nachweisung von Kunstwerken, welche in den Bereich unserer Ausftellung fallen, freundlichst unterstüßen, damit das Gesammtbild des fünstlerishen Schaffens in Oesterreich, das wir zu des Vater- landes Ehre vor Aller Augen zu entrollen gesonnen find, würdig werde der Fülle von Begabung und stets verjüngter {öpferischer Kraft, deren dieser Boden \sih rühmen darf !“

In der ld Versammlung der „Londoner archäo- logischen Gesellschaft“ vom 24. Juni, in welcher Dr, Schlie - mann seine bekannten Entdeckungen näher erörterte, wurde auch Gladstone, als Verfasser des gelehrten Werkes „Studies on Homer and the Homeric Age‘, ven dem Borsißenden Lord Stanhope auf- gefordert, sein kritishes Gutahten zur Werthshäßung der ergiebigen Ausgrabungen Schliemanns abzugeben. Ohne die homerische Ansicht von Jlion oder Troja und seinen Bewohnern als die wahre Beschrei- bung des ursprünglichen Troja zur Zeit des trojanischen Krieges zu betrachten, und danach die topographishe und die dichterishe Seite zu vermengen, wird gleichwohl von Gladstone die kulturgeschitlihe und archäologishe Bedeutung von Schliemanns Fund mit demselben Nachdruck anerkannt, wie bereits früher Max Müller, Otto Keller und Heinrih*v. Sybel hervorgehoben haben. Gladstone sprach von dem hohen Verdienst, welches sich Schliemann nicht allein durch seine Ent- deckungen erworben, sondern zugleich dur sein Beispiel des hingebenden Eifers, womit er sein Ziel verfolgt habe. Er denke, daß die Beweis- gründe zu Gunsten Hisfarliks, als der wirklichen Stätte des ältesten Troja, {wer zu widerlegen seien. Auch die Beschaffenheit der auf- efundenen Ueberreste bestätige diese Anficht. „Viele Gegenstände aus Ku fer seien zum Vorschein gekommen, keiner aus Eisen, einem 6 im homerishen Zeitalter seltenen Metall. Die Töpfergeräthe seien Handarbeit und niht auf der Scheibe gedreht einem Werk- zeug, das ficherlih erft in Gebrauch fam, als die Iliade geschrieben wurde. (Jl. XVIII, 600.) Ueber den Zeitraum, der zwischen dem trojanishen Krieg und der Abfassung dex homerischen Gedichte liege, weiche er von Sc{hliemanns Meinung ab. Der homerischen Chrono- logie zufolge habe Dardanus, der Sohn des Zeus, die Stadt sechs Generationen vor Priamus gegründet. (Jl. XX.314—240,) Der Name von Priamus sei aus ägyptischen Inschriften der 19. Königs- dynastie entziffert worden, welche in das 15. Jahrhundert vor Christus

escht werde. (Manetho's Fragmenta de regibus Aegypt, nah Lepfius

hronologie der Aegyptier.) Dies sei das älteste Datum, welches sich mit Sicherheit für die Existenz der Stadt bestimmen lasse.

___— Am 18,, 19, und 20, Juni fand in Moskau der erste rus- sische Juristentag statt. Am 19. waren 168 Mitglieder unter dem Präsidium des Hrn. Kalatschef vecsammelt, welcher seine Arbeit über das Gewohnheitsrecht vorlas und vorschiug, der Juristentag möge die Einseßang einer Regierungs-Kommission befürworten, deren Aufgabe es wäre, Personen ausfindig zu machen, um Recht8oewohn- heiten des Volkes zu sammeln, und um dann ein Sammelwerk über

das Gewohnheitsreht der Bauern zusammenzustellen. Dieses Werk solle dann später die Grundlage einer russischen Bauernverordnung werden, Die sich an diese Proposition knüpfende Debatte {loß mit der Resolution, der Juristentag halte die Einseßung einer solchen Kommission. für nothwendig. Der kurze Vortrag des Hrn. Spassowilsch über [e testamentarishe Verfügung über Erbgüter- führte zu dem Beschluß, ‘daß der Kongreß die Aufhebung der Beschränkung der testamentarishen Vererbung yon Ecbgütern aller- dings für wünschenswerth erkläre, jedoch unter der Bedingung, daß. . durch legislatorishe Bestimmungen für die Sicherstellung der Fami- lien der Erblasser gesorgt werde. Am 20. Juni kan in Gegenwart ven 155 Mitgliedern das ausführlihe Referat des Herrn Ljapidewsfj über die Lage der unehelichen Kinder nach den russishen Geseßen zur Besprehung. Referent machte den Vorschlag, der Juristentag möge sich für die Legitimation natürlicher Kinder durch die nachfolgende Ehe der Eltern und für ein Erbrecht natürlicher Kinder an einem bestimmten Theil des väterlichen Vermögens aussprehen. Der Kon- greß nahm nur den ersten Theil des Vorschlages an. Die Versamm- R den Wnnsch aus, der nächste russishe Juristentag möge in St. Petersburg und nit später als 1877 stattfinden.

Am 3, Juli find in Pompeji eine Anzahl Holztäfelchen (pugillaria) in verfobltem Zustand aufgefunden worden , welche Scriftzeichen enthalten. Jn Folge der Wichtigkeit der Ent- deckung ist sofort auf telegraphischem Wege von Rom Befehl gegebin worden, mit der äußersten Sorgfalt über die Erhaltung des Fundes zu wachen. Der Generaldirektor der Ausgrabungen, Commendatore Fiorelli, ift unverzüglich von Rom nah Pompeji abgereist, wo ein Theil der Täfelchen noch der Auëgrabung harrt, da die dortigen Be- amten bis auf genauere Instruktion die Arbeit unterbrochen haben. Binnen Kurzem, so fügt die „Opinione“, der diese Notiz entnommen ist, hinzu, werden wir genauere Mittheilungen über den Inhalt dieser Schrifttafeln geben; es find die ersten, welche ans Licht gelangen, ab- gesehen von denjenigen, die in Ungarn in den Fodinae aurariae gefun- den und von Maßmann publizirt worden sind, über deren Echtheit sich so viele Zweifel erhoben haben.

_— Jm Verlage -der Stahelschen Buch- und Kunsthandlung in Würzburg erscheinen demnächst, herausgegeben von Carl Heffner : „die deutshen Kaiser- und Königs-Siegel nebst denen der Kaiserinnen, Königinnen und Reichsverweser, 141 getreue Ab- bildungen in Lichtdruck mit beschreibendem Texte.“ Das Me erscheint in 8 Lieferungen oder 32 Tafeln auf starkem

artonpapier mit beschreibendem Texte, Titel und Jnhaltsverzeichniß. Der Subskriptionspreis jeder Lieferung beträgt 6 A, einzelne Liefe- rungen werden niht abgegeben; nah Vollendung des Ganzen (Som- mer 1875) tritt Preiserhöhung ein. Die Wiederherstellung des Deutschen Reiches mahnt unwillkürlich, auch des früheren Reiches und seiner Herrscher zu . gedenken, und da i} denn namentli eine Reihe von Erinnerungspunkten und Zeichen noch nie (am wenigsten in Abbildungen) vollständig der Deffentlichkeit vorgeführt worden, die Siegel nämlich, und doch find gerade fie die verlässigsten Zeugen vergangener Zeiten. Ueberdies haben die Kaisersiegel nicht allein durch ihre geshihtliche Be- deutung Werth, man fkann vielmehr auch aus ihnen den Fortschritt der Kunst genau nachweisen, was um so mehr ins Gewicht fällt, als die Zeit ihrer Entftehung und ihres Gebrauches bekannt find. Den von Römer-Büchner (1851) beschriebenen 129 Kaisers siegeln ift die Verlagshandlung in der Lage 248 gegenüber zu stellen, von denen des nur 141 Abbildungen genommen worden, da die nur in der Umschrift, niht aber im Siegelbilde vershiedenen Siegel nur- einmal Aufnahme gefunden haben.

Die Nr. 29 der „Natur“, Zeitung zur Ver- breitung naturwifsens{haftlicher Kenntniß und Naturanschauung für Leser aller Stände (Organ des Deutschen Humboldt-Vereins), heraus- gegeben von Dr. Otto Ule und Dr. Karl Müller von Halle. Halle, G. Shwet{chke's{her Verlag, Abonnementspreis 3 4 pro Quartal, hat folgenden Jnha]t: Die Pflanzenwelt Sibiriens. Von Albin Kohn. (Fortseßung.) Die Vögel Leden Garten- und Alleen- bäume. Von Otto Ule. (Sch{hluß.) Mit E dung. Literatur- bericht: 1) Louis Agassiz, Der Schöpfungsplan. 2) Hermann Mil- berg, Das Gesetz- des Wasserlaufes. Balneologishes. Physikag- lishe Mittheilungen: Oesterreichishe Erdbebenlinien.

Der Kapitän S. Ulfsparre if von der Akademie für Wissenschaften, Geschichte und Alterthum in Stockholm beauftragt worden, im Laufe des Sommers Alterthumsforshungen auf Gothland anzustellen und nach Geschehenem darüber zu berichten, sowie event. Fundsachen an den Staat abzuliefern. Dem Freiherrn Hermelin ist von derselben Akademie behufs Vollendung seiner Untersuchungen in Södermannland ein Beitrag von 800 Kronen bewilligt worden.

Land- und Forstwirthschaft.

Nach dem in der „Wien. Z.“ wveröffentlihten Saaten- stands- und Erntebericht des Kaiserlich Königlichen Nckerbau-Ministeriums nah der Lage Ende Juni d. J. haben fich in Böhmen, Mähren und. Schlesien die Saaten mit Aus- nahme des Roggens, welcher bereits bald schnittreif wird, in Folge günstiger Witterungseinflüsse erholt. Kleefelder und Wiesen versprechen eine gute Grummeternte. Raps liefert die erwartete gute Mittel- ernte, Roggen läßt, wenn nur der Körnerertrag ins Auge ge- faßt wird, immerhin in Böhmen noch eine Mittclernte, und în Mähren und Schlesien eine gute Mittelernte erwarten. Weizen wurde an machen Orten vom Brande und vom Rofte befallen, doch läßt er immerhin noch eine gute Mittelernte hoffen. Gerste ist ziemlich häufiz unvollkommen aufgeschossen, dessen ungeachtet fann auch sie, die westlichen Theile Böhmens ausgenommen, eben so wie der Hafer noch eine gute Mittelernte geben. Kartoffeln ftehen überall gut. In Galizien und in der Bukowina herrschte eine außer- ordentlihe Dürre, demnach haben sich hier die Ernteaussichten im Allgemeinen A Vom Roggen ‘ift eine Mittelernte wohl schon so ziemlich geFchert. Ueber Hopfen und Obst lauten die Nah- richten nicht günstig. Jn den Alpenländern war die Witte- rung der Vegetation sehr günstig. Der Roggenschnitt hat in Niederösterreich im Juni begonnen, in den übrigen Ländern diesec Gruppe is der Beginn desselben größtentheils für die erste oder zweite Woche Juli in Ausficht -genom- men. Von Roggen darf man tro seines \s{ütlern Standes wegen der großen vollen Aehren größtentheils eine gute Mittelernte erwarten. Weizen ist zwar auf ziemli vielen Feldern theils vom Brande, theils vom Roste befallen, auch häufig dur heftige Regen gelagert worden, den- noch berechtigt ér zur Hoffnung auf gute und gut mittlere Ernten. Gerste und Hafer sowie die Kartoffeln lassen fast durchgehends gute Ernten erwarten. Mais steht sehr {hôön. In Süd-Tirol ist die Roggen- ernte zum großen Theil {on vollendet und die des Weizens im Zuge. Sie kann für beide Wintersaaten als eine gut mittlere in Deutsh-Südtirol, Unterkrain, Görz und Istrien, als eine chwach mittlere in Italienish- Südtirol und Dalmatien bezeihnet werden. Gerste und Hafer lie- fern ziemlich gute Ernten in Görz und Iitrien, mittlere in Südtirol und \ch{lechte in Dalmatien. Jn den ungarischen Ländern fielen zwar einzelne Gewitterregen beinahe überall, allein neistens in ungénügen- dem Maße. Die große Dürre shadete an manchen Orten der Kör- nerentwicklung bei Roggen, Weizen und Gerste. So viel si{ bisher entnehmen läßt, dürften alle Getreidearten, mit Auss{luß des Maises, im Banate, in Siebenbürgen und der Militärgrenze eine gute, in Kroatien und den meisten Gegenden Unga.ns eîne gut mittlere und in den nordwestlichen Theilen Ungarns theils cine mittlere, theils eine s{chwach mittlere Ernte liefern; leßteres gilt besonders vom Neutxaer Komitat, wo auch nicht wenige schlechte vorkommen.

Gewerbe und Handel.

Die Generalversamuilung der Aktien-Gesellschaft für den Bau landwirth \chaftliher Maschinen und Geräthe und für Wagenfabrikation, H. F. Eckert, verzichtet? auf Verlcsung des Geschäftsberichts und genehmigte einstimmig die ‘vor-