1875 / 213 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 11 Sep 1875 18:00:01 GMT) scan diff

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Eine Stunde na der Ankunft des Kaiserlichen Extrazuges traf auf dem Oberschlesishen Bahnhof der Separatzug ein, welher Se. Kaiserlihe Hoheit den Erzherzog Albrecht von Oesterreih nah Breslau führte. Zur Begrüßung Höhstdesselben hatte Sich Se. Kaiserlihe und Königliche Hoheit der Kronprinz in der Obersten-Uniform Seines Desterreichishen Infanterie-Regiments, mit dem Bande des Stephan-Ordens, Fowie der General der Kavallerie v. Tümpling, der Ober-Präfident, Der Kommandant, der Polizeipräsident, der Ober-Bürgermeister daselbs eingefunden. Eine auf dem Perron aufgestellte kompinirte Ehren-Compagnie mit der Fahne und Musik des 2. Shle- \ishen Grenadier - Regiments Nr. 11 machte die mili- tärishen Honneurs bei der Einfalrt des Zuges. Als der Zug hielt, trat Se. KaiserliGße und Königliche Hoheit dem auf den Stufen des Galawagens erscheinenden Hohen Gaste, welcher die preußische Generals-Uniform mit dem Bande des Schwarzen Adler-Ordens trug, entgegen, und umarmte Höchst- denselben in der herzlichsten Weise. Nachdem Se. Kaiserliche Hoheit der Erzherzog Albrecht sodann die Front der aufgeftellten Kompagnie abgeschritten, und die Vorstellung der anwesenden Herren durch Se. Kaiserlihe und Königliche Hoheit den Kron- prinzen stattgefunden, Höchstwelchem der Erzherzog Albrecht ebenfalls die Herren Seines Gefolges vorstellte, fand der Vorbei- marsch in Sektionen statt, worauf Sich die Kaiserlihen Hoheiten im offenen Wagen nach der Stadt begaben. R

Für den Abend hatte die Stadt Breslau Sr. Majestät dem Kaiser und König ein Fest vf Theater Mga welhes von Allerhöchstdenselben huldreihst angenommen worden war.

Ua m 8 ube der festgeseßten Anfangszeit, hatte fi in dem festlich erleuhteten Hause, dessen Vestibule und Foyer mit Topfgewächsen aus hohstämmigen exotishen Pflanzen ge- \chmadckvoll dekorirt worden war, und dessen. Mitte, in der Logen- front des ersten Ranges, eine von rothem Baldachin überwölbte, mit rothem Atlas ges{chmackvoll drapirte Hofloge einnahm, eine eingeladene Gesellshaft, aus der Stadt und den anwesenden Fremden zusammengeseßt, versammelt. S ;

Kurz nah 8 Uhr erschienen Se. Majestät, im Vestibule von dem Ober-Bürgermeister von Forckenbeck und dem Fest-Comité ehrfurchtsvoll empfangen und nah dem glänzend neu ausgestatteten Foyer, Über welches reich ausgestattete Lustres strahlende Helle er- gossen, geleitet. Nah huldvoller Ansprache an die dort Versammel- ten traten Se. Majestät in die große Mittelloge, empfangen mit einem dreimaligen Tush, an welchen sich ein dreimaliges be- geistertes Hoh und die Nationalhymne anschlossen. Se. Majestät verneigten Sih, huldvoll dankend nach allen Seiten, während die Versammlung den ersten Vers des Liedes stehend zu Ende sang. : /

Demnäthst folgte die Jubel-Duverture und die Vorführung der {hon in Nr. 208 d. Bl. mitgetheilten lebenden Bilder, dar- gestellt von Herren und Damen der Gesellschaft, an welche sih das feine Lustspiel „Das Versprechen hinterm Heerd“ an-

chloß. L Le Majestät geruhten, nach Beendigung der lebenden Bilder Sich die Personen, welche in denselben mitgewirkt hatten, vorstellen zu lassen und Sich in anerkennendster Weise über das trefflihe Arrangement und die kunstfinnige Ausführung aus- zusprechen. 4 N

Während der Festvorstellung hatte die Illumination der Stadt in glänzendster Weise ihren Anfang genommen. Nach- dem die Dunkelheit allmählich ihre Schatten tiefer geworfen, erleuhteten \sich, besonders um das Theater herum, die Erker Und Balkone der Häuser, so daß die langen Gebäudelinien und Straßenfluhten wie mit einer magishen Lichtfluth übergossen erschienen, welche, bald in hellem, bald in buntem Farbenwechsel erstrahlend, durch Namenszüge, Kronen, Adler, Transparentbilder und geshmackvolle Büsten und Gruppenarrangements unter- brohen wurde. Ganz besonders efektreih waren der Rath- hausthurm, der Elisabeththurm, das Rathhaus, die Liebigshöhe, von deren Kuppeln in Intervallen bengalishe Flammen und Rothfeuer leuhteten, geschmückt. Die Standbilder König Friedrihs Il. König Friedrih Wilhelms 111. und Blüchers waren mit Gas erleuchtet.

Auch die neue Fontäne vor dem Freiburger Bahnhof er- glänzte im prahhtvollften Lichtshmuck, auf dem Rasen um die- Felbe brannten mehrere tausend Lämpchen, zugleih ergoß fih von oben her bengalishes Licht über dieselbe und vergoldete die gleih kostbaren Perlen blißenden Wassertropfen, welhe in das umgebende zierlihe Been fielen.

Die Bevölkerung der Stadt durchwogte bis zur späten Abendstunde die Straßen und Pläße der wie mit einem Licht- meer bedeckten Stadt, mit Vorliebe die Umgebungen des Thea- ters beseht haltend und die An- und Abfahrt der Hohen Fürst- lihen Gäste mit stürmishem Jubelruf ehrend.

Erst zu vorgerückter Nachtstunde erloshen die Lichter und Slammen. Was diesem Festtage noch eine besondere Denkwürdigkeit verlich, war, daß an demselben die \{lesishe Hauptstadt zum ersten Mal die Anwesenheit ihres Landesherrn als Oberhaupt des neu erstandenen und kräftig emporstrebenden Deutschen Reiches feierte.

Mit dem gestrigen Tage nahmen die militärischen Festlich- Xeiten ihren Anfang. Vormittags um 10 Uhr begaben Sich Se. Majestät der Kaiser und König in Begleitung der anwe- Lan Höchsten E und eines glänzenden Gefolges zu

er Parade des VI, Armee-Corps, welhe von 11—1 Uhr zwi- Fchen Bunzelwig und Iauernick stattfand. Die Umgegend bis fai zur Hauptstadt der Provinz und tief aus dem Gebirge her

atte ihr Kontingeat an Zuschauern geftellt, deren Zahl von Kundigen auf zwanzig- bis dreißigtausend geshäßt wurde. Einen besonderen und eigenthümlihen Charakter gewann diese Parade dur die Anwesenheit vieler Kriegervereine, wie sie wohl noch nirgends in Deutschland in \o großer Zahl versammelt waren. Viele dieser Vereine waren mit ihren zum Theil sehr kost- baren und reihgeschmüdckien Fahnen, einige mit s\tar- Ten Musikchören ersYienen und ihre Anmeldungen hat- ten sowohl von Militär- als Civilbehörden das bereit- willigfte Entgegeukommen gefunden, so daß ihnen |Ehrenpläße Zugedaht und bewilligt wurden. Bald nah 11 Uhr kam der Kaiserlihe Extrazug bei Bunzelwiß an, nochdem früh nah 9 Uhr bereits ein besonderer Zug alle fremdherrlihen Offiziere aus Breslau auf das Paradefeld gebracht hatte.

Als der Kaiserlihe Zug von Königszelt her heran- -brauste, drängte sich eine zahllose Menge au diesen Rendez- vousplaÿ heran, um Se. Majestät den Kaiser und König zu Pferde steigen zu sehen, und ein unaufhörliher Hurrahruf be- gleitete den Monarchen von hier bis zur Truppenaufstellung. Mit Sr. Majestät, Allerhöhstwelhe die große Generalsuniform atigelegt hatten, erschienen Ihre Kaiserliche und Königliche Hoheit die Kronprinzessin in einem Reitkleide und einer Kopfbedeckung, welche der Uniform Höchstderen Husaren-Regiments (2. Leib-Hu- faren-Regiment), ¡&warz mit Silber, entsprahen, Se. Kaiser-

lihe und Königliche Hoheit der Kronprinz in der Uniform Sia Schlesischen. eat p Nr. 2 Se. Kaiserliche Hoheit der Erzherzog Albre&t von Oesterrei, Fowie Ihre Kd- niglihen Hoh-iten der Großherzog- von Mecklenburg - Schwerin, der Herzog von Connaught, die Prinzen Carl und Friedrih Carl, die Erbgroßherzoge von Sachsen und von Mecklenburg - Shwerin. Am rechten Flügel des 1. (In- fanterie-) Treffens angelangt, begrüßten Se. Majestät die dort aufgestellten berittenen fremdherrlichen Offiziere und nahmen den Frontrapport von dem kommandirenden General des Corps, v. Tümpling, entgegen, worauf das Abreiten

bekannten Art und Abtheilung in Brigaden, folgten die Regi- menter 10 und 38, 11 und 51, 18 und 62, 23 und 63, Gre- nadiere (10, 11), Füfiliere (38), Infanterie (51, 18, 62, 23, 63), das 6. Jäger- und das 6. Pionier-Bataillon. Im zweiten Treffen das Leib-Kürrasfier-, das 3. Dragoner-, das 4. und 6. Husaren-, das 2. Ulanen-Regiment, die 6. Feld-Artillerie- Brigade und das Train-Bataillon Nr. 6 aufeinander. Das zweite Treffen wurde vom linken zum reten Flügel abgeritten, Der Vorbeimarsch erfolgte ganz in derselben Reihenfolge. Als das 2. Shlefishe Grenadier-Regiment Nr. 11, welches Se. Kaiserlihe und Königlihe Hoheit der Kronprinz früher als Oberst und wirkliher Kommandeur geführt und welchem Höchstderselbe noch jeßt attachirt ist, ih / näherte, seßte Se. Kaiserliche Hoheit Sih an die Spize desselben; eben so an die Spiye des 2. Schlefischen Dragoner-Regiments, dessen Chef Höchstderselbe is, jedesmal beim Hinreiten und beim Vorbeiführen mit lautem Jubel der Zuschauer begrüßt. Das Jäger-Bataillon kotoyirte der General-Major à la suite Sr. Ma- jestät des Kaisers und Königs v. Stiehle als Inspecteur der Jäger und Schützen; das Pionier-Bataillon der Kriegs-Minister General v. Kameke, die Artillerie Se. Königliche Hoheit der Prinz Carl von Preußen, Feldzeugmeister und Chef der Artillerie. Nach dem ersten Vorbeimarsch, der in Compagniefronten für die Infanterie, Jäger und Pioniere, in Zügen für die Kavallerie und in halben Batterien für die Artillerie erfolgt war, wurde ein zweiter Vorbeimarsh, und zwar in Regimentskolonnen, befohlen, Um 1 Uhr war die Parade beendet und etwas nach 2 Uhr der Kaiserliche Extrazug bereits wieder . in Breslau angelangt, wo Nachmittags um 5 Uhr das Diner im Königlihen Schlosse stattfand. Dasselbé bestand aus 240 Gedecen in 3 Sälen. Se. Majestät der Kaiser saßen zwischen Ihrer Kaiserlihen und Königlichen Hoheit der Kronprinzessin und Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Albrecht; neben Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit der Kronprinzessin saß Se. Kaiserlihe Hoheit der Erzherzog Albrecht. Die Tafelmusik wurde von dem Musik- Corps des 2. Schlesishen Grenadier-Regiments Nr. 11 aus- eführt. N zu Abends wohnten Se. Majestät der Kaiser und König mit den Höchsten Herrschaften dem Ballfest der Stände bei. Dasselbe war überaus glanzvoll; es waren gegen 1500 Ein- ladungen zu demselben ergangen und Vertreter aus allen Theilen der Provinz anwesend. Unter den Gästen befand sich auch der Minister für die landwirthshaftlihen Angelegenheiten, Dr. Frie- denthal. Se. Majestät der Kaiser erschienen gegen 10 Uhr auf dem Feste und eröffneten mit Ihrer Kaiserlihen und Königlichen Hoheit der Kronprinzesfin den Ball. Se. Majestät verweilten bis nah 11 Uhr auf dem Feste. L i Heute früh um 9 Uhr begaben Sich Se. Majestät der Kaiser zum Manöver... i Nachmittags werdenSih Allerhöchstdieselben, der Kronprinz, die Kronprinzefsin, der Erzherzog Albreht, der Herzog von Con- naught und der Prinz Carl nah Fürstenstein begeben, wo Aller- hôchst- und Höchstdieselben den Sonntag über verbleiben werden.

SJhre Majestät die Kaiserin-Königin besichtigte heute die Kunst-, Gewerbe- und Alterthums-Ausstellung in Frankfurt a./M. und trifft Abends in Baden-Baden ein.

Im Anschluß an die gestrige Mittheilung, betreffend die Zwei- und Ein-Thalerstücke, dürfte die Nachricht von Interesse sein, daß in der Preußischen General-Staatskaf}e, die zugleih als Reichshauptkasse fungirt, sowie in sämmtlichen Re- gierungs- und Bezirkshauptkassen am 5. l. Mts. fich an Ein- thalerstücken nur 483,994 Thlr. = 1,451,982 A befanden. Außerdem waren an zur Umprägung bestimmten Thalerstücken noch 51,674 Thlr. vorhanden. Was die Zweithalerstücke betrifft, so hat der preußische Finanz-Minister bereits am 5. Mai l. Is. die Anordnung getroffen, daß die in den Staatskassen vorhan- denen oder bei ihnen eingehenden Doppelthaler nicht weiter zu verausgaben seien, und werden dieselben seit mehreren Monaten wöchentlich an das Münzdepot des Reiches abgeführt.

In den deutshen Münzstätten find bis zum 28. August 1875 geprägt: an Goldmünzen: 897,669,900 M Doppelkronen , 265,330,450 /( Kronen; an Silbermünzen : 22,820,000 a 5 - Markftücke, 85,884,472 A6 1 - Markstüe, 4400 M 50 „S 50-Pfennigstüde, 17,541,535 A 80 S 20- Pfennigstücke; an Nickelmünzen: 9,144,557 # 50 s 10- Pfennigstücke, 4,635,302 4 65 -Z dö-Pfennigstüke; an Kupfer- münzen: 3,696,654 # 12 S 2 -Pfennigstücke; 1,888,776 M 42 S 1-Pfennigftücke. Gesammtausprägung: an Goldmünzen: 1,163,000,350 #6; an Silbermünzen: 126,250,408 M 30 9; an Nickelmünzen: 13,779,860 # 15 H ;z; an Kupfermünzen: 9,989,430 M 54 S. ;

Die Reichstags-Kommission zur Vorberathung der Entwürfe eines Gerihtsverfassungs-Gesezes, einer Strafprozeß-Ordnung und einer Civilprozeß- Ordnung neb} Einführungsgesehen begann in ihrer Sißung vom 9. September die Berathung des früher aus- geseßen zehnten Abschnitts des ersten Bus der Strafprozeß- ordnung, welcher von der Vertheidigung handelt. È: 124 wurde nicht beanstandet. Bei §. 125, welcher si auf die Personen bezieht, die zu Vertheidigern gewählt werden können, wurde beschlossen, daß andere Personen, als d’e im Entwurfe bezeihneten nur mit Zustimmung des Gerichts und im Falle einer nothwendigen Ver- theidigung nur in Gemeinschaft mit einem bei dem Gerichte an-

estellten Rehtsanwalt zu Vertheidigern gewählt werden können.

. 126, welcher von den Sachen handelt, in denen ein Ver- theidiger zu bestellen ift, und von dem Zeitpunkte, in welchem die Bestellung eintreten soll, wurde auf landgerichtlihe Sachen aus- gedehnt, wenn der Beschuldigte der deutshen Sprache nit kundig, taubftumm, taub oder stumm is, oder wenn derselbe zur Zeit der Eröffnung der Voruntersuhung bezw. des Hauptverfahrens das sechszehnte Lebensjahr noch nit erfüllt hat, und beshlo}sen, daß auf Antrag dem Angeklagten ein Vertheidiger bestellt wer- den müsse, wenn in landgerihtlihen Sachen die strafbare Hand- lung mit Zuchthaus oder einer anderen Freiheitsstrafe über 5 Jahre bedroht ist. Auch fand ein Vorschlag Annahme, daß die

Bestellung eines Vertheidigers nah dem Ermessen des Gerichts

der Fronten begann. In der nah dem Reglement

auch \{chon im Vorverfahren erfolgen könne. § 127 rief eine N Erörterung darüber hervor, ob Rehtskundige, welche die vorgeschriebene erse Prüfung für den Justizdienst bestanden haben, auch in Sachen, in welchen eine Vertheidigung nothwen- dig ist, vom Gerichte sollen als Vertheidiger bestellt werden kön- nen. Die Kommission entschied fich für die Bejahung der Frage und nahm den § 127 unverändert an.

Vom Publikum is häufig darüber Klage geführt, daß. bei Heizung der Eisenbahn-Personenwagen durch prâä=- parirte Preßkohle die sich bildenden Gase aus dem Heizapparat: in den Coupéraum dringen, niht allein den Reisenden lästig, sondern au deren Gesundheit nahtheilig würden. Dieser Uebel- ftand kann nit eintreten, wenn die Heizkasten vollkommen dicht find. Es muß also in Bezug hierauf eine häufige und gründ- lihe Revision derselben stattfinden und jede dabei gefundene Un- dihtigkleit sofort beseitigt werden. Zu größerer Sicherheit empfiehlt: fich aber ferner, die Apparate mit einer Vorrichtung zu versehen, dur welche eine genügende Luftzirkulation und der Abzug der \chädlihen Gase nah Außen erreicht wird. Die Verwaltung der Rheinischen Eisenbahngesellschaft läßt, um zu ermitteln, ob die Heizkasten vollständig diht find und keine Gase durchlassen, an-- gebrannte, mit Petroleum getränkte Ballen Puywolle in die Heizapparate einlegen; es werden alsdann die undichten Stellen dur feinen Rauh kenutlich. Ferner [äßt dieselbe die Apparate zur Erzielung stärkerer Luftzirkulation mit Lufttrihtern, sowie zum besseren Abzug der {hädlihen Gase mit Absaugköpfen ver- sehen, Diese Kontrol- und Schußmaßregeln sollen sich bisher als. wirksam und ausreichend erwiesen haben. Das Reichs-Eisen- bahn-Amt hat daher den Eisenbahnverwaltungen, welhe die- Heizung mit Preßkohle eingeführt haben oder einzuführen ge- denken, die wenigstens versuchsweise Anwendung gleicher- oder ähnliher Maßregeln und Einrichtungen empfohlen.

In einem Erlaß an die Regierungs-Präfidenten der Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen vom 21. August d. I. hat dér Minister des Innern fih über die Frage ausgesprochen, ob unter den gegenwärtigen Verhältnissen die lebenslänglihe Anstellung der beiden berufs8mäßigen Beamten bei den Bezirks-Verwaltungs-Gerichten geboten erscheine. Die von den Königlichen Regierungs-Präsidien ein- gereihten Geschäftsüberfihten ergeben zwar bei allen Verwal=- tungsgerihten im erften Semester d. I. gegen das Jahr 1874 eine zum Theil erheblihe Vermehrung der Geschäfte, lassen jedoh bei feinem Verwaltungsgerihte \{hon einen solhen Umfang der- Geschäfte erkennen, daß die lebenslänglihe Anftelung der er= wähnten Beamten zur Nothwendigkeit würde.

Zwar möge die von mehreren Seiten ausgesprohene An- nahme, daß in der nächsten Zeit die Geschäfte der Verwaltungs- gerichte, ganz abgesehen von einer etwaigen Erweiterung ihrer Kompetenz, eine noh weitere Steigerung erfahren werden, unter den obwaltenden Verhältnissen nicht ungerechtfertigt ersheinen. Dagegen sei andererseits zu berücksichtigen, daß ein Theil der den Verwal- tungsgerihten gegenwärtig obliegenden Geschäfte voraussfihtlih demnächst im Wege der Gesehgebung auf die Bezirks- und Pro- vinzialräthe werde übertragen werden. Da fih hiernah zur Zeit: noch nit einmal annähernd beurtheilen lasse, wie fh der Umfang. der Geschäfte der einzelnen Verwaltungsgerihte dauernd gestalten werde, so müsse von einer definitiven Organisation derselben vorerst noch Abstand genommen werden. Mit Rücksicht jedohch darauf, daß bei einzelnen Verwaltungsgerichten das Arbeitspensum der berufsmäßigen Beamten in der That {hon gegenwärtig ein recht- erhebliches sei, sollen die Königlichen Regierungs-Präsidien darauf Bedacht nehmen, die den Verwaltungsgerihten angehörigen Beamten in den ihnen bei der Regierung obliegenden Geschäften, soweit irgend thunlich, zu erleichtern.

Der Gerichtshof zur Entscheidung der Kom- petenz-Konflikte hielt heute Vormittag 11 Uhr unter Vorsiß des Wirklichen Geheimen Rathes Dr. von Koenen eine Sißung ab.

Ein Erkenntniß des Ober-Tribunals vom 8. April 1875 bestimmt: 1) Angelegenheiten des Staats im Sinne des 8. 130a, des Strafgeseßbbuchs find alle Maßnahmen der Regie=- rung, welche darauf gerichtet find, entweder die Grenzen des Gebiets von Kirche und Staat festzustellen, oder den Staat vor nachtheiligen Einflüffen zu bewahren, welhe durch die innerhalb der Kirche bestehenden Einrichtungen auf denselben ausgeübt

werden können, auh wenn durch diese Maßnahmen kirhlihe

Einrichtungen alterirt werden und ihnen fortan die staatliche Anerkennung versagt wird; 2) In dem Vortrage von Klagen über Religionsbeeinträhtigung und Verfolgung kann, e Rechtsirrthum, Anlaß zur Aufregung gegen die preußische Re- gierung und gegen die Altkatholiken, und hierin eine Gefähr- dung des öffentlichen Friedens gefunden werden; 3) Geistliche, welche einen Erlaß ihres Bischofs, in welhem Angelegenheiten des Staats erörtert werden, in der Kirche verkündigen, sind als Thäter des im §. 130a, des Strafgesezbuh3 vorgesehenen Ver= gehens, und nicht als bloße Gehülfen des Bischofs anzusehen ;, 4) Die dem Bischof zur Last fallende Anstiftung der Geistlichen zu der strafbaren Verkündigung seines Erlasses kann gegen ihn in Betreff jedes einzelnen Geistlihen als besonderes Vergehen behandelt werden.

Se. Königliche Hoheit der Erbgroßherzog von Sachsen, Major à la suite des Husaren-Regiments Nr. 15, is unter Belassung in diesem Verhältnisse und unter gleichzeitiger Stellung à la suite des Infanterie-Regiments Nr. 94 zum Oberft-Lieutenant befördert worden.

Der General-Major Galster, à la suite der Armee und Dezernent in der Kaiserlihen Admiralität, ist von Zoppot, wohin sich derselbe kürzlih in dienftlihen Angelegenheiten be- geben hatte, hierher zurückgekehrt.

Der Königlich italienishe Oberst Veneti, der Major Dimoff, Bataillons-Commandeur im 51. franzöfischen Infan- terie-Regiment, der Escadron-Chef und Lehrer auf der Kavalle- rieschule zu Saumur Morel, der Lieutenant Prince de Broglie von der französischen Infanterie und kommandirt zum Generalstabe des Kriegs-Ministeriums, ga der Hauptmann Peloux vom französishen Generalstabe des Kriegs-Ministe- riums haben fich nach Schlefien begeben, um den Manövern des V. und VI, Armee-Corps beizuwohnen.

Kiel, 9, September. (Kieler Ztg.) Die Korvette „Vineta ist gestern Nachmittag 25 Uhr von Danzig nach Kiel in See gegangen. Heute ist in der Marineschule die See-Offizier- Prüfung beendigt und find die betreffenden Offiziere zu ihren resp. Marinetheilen zurückgetreten.

Bayern. München, 11. September. (W. T. B.) Sicherem Vernehmen nah erfolgt die Einberufung und feier=- lihe Eröffnung des bayerischen Landtages am Dienstag, den 28. d. M. Der verstorbene Prinz Karl hat für die Armee folgende Legate in seinem Testamente bestimmt :

46,000 Vl. als Stistung zu Freipläßen im K. Kadetten- Corps, namentlih für Söhne mittelloser oder mittel- beschränkter Offiziere, welhe vor dem Feinde gefallen oder in Folge der erhaltenen Wunden gestorben find; 50,000 Fl. dem Militärwittwen - Stiftungsfonds, um aus dem Zinsen- erträgniß dieser Summe armen Militärwittwen und Waisen Unterstüßungen gewähren zu können; 50,000 Fl. dem Militär- Inyalidenfonds mit der Bestimmung, die Zinsen zur Unter- stüßung von im Kriege oder im Vienste verstümmelten oder presthaft gewordenen bayerischen Soldaten zu verwenden, und 950,000 Fl. für den Militär-Wittwen- und Waisen- fonds, mithin im Ganzen die Summe von 196,000 F[.

Sachsen-Weimar-Eisenach. Weimar, 10. September. Se. Königliche Hoheit der Großherzog is heute Nahmittag nach Hummelshein abgereift, um dem Herzoglih altenburger Hofe einen Besuch abzustatten. Von nächstem Sonntag ab wird derselbe für den Monat September die Wartburg beziehen. Ihre Königliche Hoheit die Großherzogin wird sich“ mit Jhrer Königlihen Hoheit der Erbgroßherzogin und Prinzessinnen Töchtern kommende Naht nach ihren Besizungen in Schlesien begeben. Unter dem 9. September schreibt die „W. Ztg.“ : y Die früheren Mittheilungen über die Beschlüsse, welhe die deutshe evangelishe Kirchenkonferenz in Eisenach bezügl. der Trauform, wie fie nah Einführung der Civil- ehe zu gestalten ift, gefaßt hat, find in einem Punkie niht ganz rihtig wiedergegeben. Danach sollte die Konferenz als eine den bestehenden sozialen Verhältnissen entsprehende Konzession für zulässig erklärt haben, daß auf den Wunsh der Eheleute bei Der dem Civilakte unmittelbar folgenden Trauung die junge Ghegattin als Jungfrau und mit dem väterlichen Namen vou Geistlihen angeredet werde. In dieser Form ist ein solher Be- Fchluß nicht gefaßt worden, dagegen einigte sih die Konferenz

dahin, zu erklären, daß eine verschiedene Fassung der Trauungs-

fragen, je nachdem die Trauung sofort dem bürgerlihen Ghe- \chließungsakt folgt oder nit, berehtigt sei. Im Weiteren \prach sich die Konferenz für den Wegfall der Stolgebühren

aus, doch sei dem Stellinhaber wie der Stelle selbs Entschädi--

gung zu gewähren und zwar. Seitens der Gemeinden; den be- dürftigen Gemeinden habe der Staat eine Unterstühung zu ge- währen. Es sei wünschenswerth, daß von den Staatsregierun- gen den Standesbeamten vorgeschrieben werde, von den Auf- eboten, Eheschließungen und Geburtsfällen den Geistlichen ittheilung zu machen.“ e

Anhalt. Dessau, 9. September. Die Herzogliche Familie, von einem in den leßten Tagen nah Ragacz gemach- ten Ausfluge nah der Weinburg zurückgekehrt, wird heute von dort abreisen, um über München Ende dieser Woche hier einzu- treffen. Am 5. fand in Zerbst der troy \{chlechten Wetters stark besuchte 6. Verbandtag des sächsisch-anhaltischen Feuerwehrverbandes statt, bei welhem 30 Vereine ver- treten waren, An demselben Tage war in Roßlau eine Zu- sammenkunft des dortigen und einiger hiesiger Gesangyvereine mit dem Leipziger „Sängerkreise“, verbunden mit einer Dampf- \chiffahrt auf der Elbe nah dem Sieglizer Berge. Eine Ge- neralversammlung des anhaltischen Lehrervereins wird nächstens in Bernburg stattfinden. Seit vorgestern haben wir hier eine zur Feier des Geburtstages der Prinzessin Elisabeth eröffnete, \ehr gêschmackvoll arrangirte Ausstellung des hiesigen Gartenbauvereines. Die Gesez-Samm- [lung enthält die Bekanntmachung des Vertrages vom 11. Juni 1875 zwischen dem Herzogthume Anhalt einerseits und dem Königreih Preußen andererseits wegen Führung der Berlin- Weylarer Eisenbahn durch Herzoglih Anhaltishes Gebiet und wegen Anlage einer Zweigbahn nah Staßfurt, beziehungsweise Leopoldshall. j

Schwarzburg - Soudershausen. Sondershausen, 8. September. Se. Durchlaucht der Erbprinz und Ihre Ho- heit die Erbprinzessin haben fich zu längerem Aufenthalte nach der Fürsilihen Oberherrschaft begeben. Se. Durchlaucht der Fürst gebraucht seit mehreren Wochen mit gutem Erfolge die Kur im Bad Gastein. Der 2. September is auch in diesem Jahre in Stadt und Land festlih begangen worden.

Neuf. Gera, 9. September. Heute treffen Ihre Durh- Taucht die Fürstin Mutter, sowie Ihre Königliche Hoheit die regierende Fürstin in Schloß Ebersdorf ein, woselb| der Fürst- lie Hof dann bis zum Herbst, der Rückkehr nah Gera, zu ver- weilen pflegt.

Oesterreich - Ungarn. Wien, 10. September, Die „Wien. Ztg.“ veröffentlicht die Kaiserlihen Handschreiben in Be- treff der Einberufung der Delegationen auf den 21. Septem- ber d, I. Am nächsten Montag werden hier die Verhand- [lungen der ungarischen Bevollmächtigten mit den Vertretern der diesseitigen Regierung über die Revision des allgemeinen öfter- reichischen Zolltarifs neuerdings beginnen.

Pest, 9. September. Im Abgeordnetenhause wurde heut das auf die Einberufung der Delegationen bezügliche Kaiser- lihe Handschreiben verlesen. Die Adreßdebatte dürfte morgen beginnen. Zum Präsidenten des Adreßausshu}ses wurde der gewesene Minister-Präsident Slavy, zum Schriftführer Ludwig Horvath gewählt. Letzterer wird die Adrefse ausarbeiten.

Schweiz. Bern, 11. September. (W. T. B.) Der rusfische O Fürst Gortschakoff, hat sh gestern nah Vevey begeben.

Großbritannien und Frlaud. London, 9. Sep- tember. Mr. Disraeli kehrte gestern von Bretby-park nach London zurück. —- Das 50jährige Jubiläum der Erö f f- nung der erften öffentlihen Eisenbahn in England, der Stockton und Darlington-Eisenbahn, das in diesen Monat fällt, beabsichtigt die Nordostbahn in Darlington in großartigem Maßstabe zu feiern. Auf dem Fesiprogramm stehen die Enthüllung einer Statue des verstorbenen Mr. Ioseph Pease, der einer der ersten Gründer der ersten Eisenbahn war, eine Ausstellung von Lokomotiven, einshließlich der erften , die auf einer öffeatlihen Eisenbahn benußt wurde, und anderer alten Datums, sowie ein Banket, dessen Gäste Eisenbahn-Unternehmer, Mitglieder des gegenwärtigen Kabinets und früherer Ministerien U. \. w. umfassen sollen. Für eine volksthümlichere Feier des Jubiläums beabsichtigt die Korporation von Darlington, 1000 Pfd. Sterl. zu votiren.

Frankreich. Paris, 9. September. Das „Iournal officiel‘ L folgende, ihrem Inhalte nah \{chon dur den Telegraphen bekannte Note: „Dur ein auf Antrag des Marxine-Ministers erlassenes Dekret des Präsidenten der Republik vom 8. mi ags ist der Dia Rose an Stelle des Vize- Admirals Baron La Roncière le Noury zum Ober-Befehls-

haber des Evolutionsgeschwaders des Mittelmeeres ernannt wor-

den“. Das „Bulletin français“ zeigt den Fall in folgender Form an: „In unserem amtlichen Theile veröffentlichen wir ein Dekret des Präsidenten der Republik, welhes den Vize- Admiral Rose an Stelle des Vize-Admirals La Roncière le Noury zum Ober-Befehlshaber des Mittelmeergeschwaders ernennt. Diese Maßregel war nothwendig geworden in Folge eines von dem Vize-Admiral La Roncière le Noury geschriebenen, auf einem Bankett in Evreux gelesenen, von ver- schiedenen Blättern veröffentlihten Briefes, welcher politische Urtheile über die gegenwärtige Form der französischen Regierung enthält. Es ift Regel, daß die Offiziere und Soldaten der Land- und See-Armee sich jeder politishen Kundgebung enthalten müssen." Der „Constitutionnel“ \chreibt: „Der von dem Justiz-Minister ausgearbeitete Preßgeseßentwurf ist dem Bize-Präsidenten des Ministeriums, Hrn. Buffet, mitgetheilt und von diesem mit einigen Veränderungen gutgeheißen worden. Er soll in den ersten Tagen des November in der Nationalver- sammlung eingebracht worden.“

Spanien. Wie der „Agence Havas“ aus Madrid unterm 10. September gemeldet wird, hat der Erzbischof von Vitoria die Priester“ der baskishen Provinzen in einem Hirtenbriefe auf- gefordert, den Frieden zu predigen. Auch die in den baski- hen Provinzen sich aufhaltenden Mitglieder des JIesuitenordens hätten die Hoffnung auf weitere Erfolge Seitens des Präten- denten Don Carlos aufgegeben und wären gemäß den ihnen von Rom aus zugegangenen Weisungen um Herstellung des Jriedens bemüht.

Italien. Rom, 6. September. Gleichzeitig mit dem Ge- lehrten-Kongresse zu Palermo trat hier die Unters uhchungs- kommission für die Sicherheitszustände des Südens zusammen, welche, aus Mitgliedern der beiden Hauptfraktionen des Parlaments zusammengeseßt, im Oktober eine Reise nah dem Süden antreten, die dortigen Verhältnisse erforshen, über die dem Parlamente gemahten Beschwerden zu Gericht fißen, verhören und Strafanträge stellen wird.

Türkei. Aus Ragusa, 10. September, meldet ,W.T. B.': Hussein Pascha ift gestern mit 4 Bataillonen und 500 Baschi- Bozuks, sowie mit 4 Gebirgsgeshüßen gegen die in Zubci be- findlichen Insurgenten gezogen. Türkisherseits wird gemeldet, die Insurgenten seien geshlagen worden und hätten ein Ge- \{chühß verloren, während die Insurgenten in ihren Berichten den Sieg \ih zuschreiben und behaupten, die Türken seien zu einem eiligen Rückzug nah Trebinse gezwungen worden,

Belgrad, 10. September. (W. T. B.) Die Stelle der vom Fürsten gehaltenen Thronrede, in welher von den Ereignissen în Bosnien und in der Herzegowina die Rede ist, hat folgenden Wortlaut: „Unsere Nation ift an den Grenzen des Vaterlandes in ihrer Entwickelung beunruhigt. Ein Theil der Grenzbevölkerung muß, unter Verlassen von Haus und Hof, mit den Waffen in der Hand, die Sicherheit des Vaterlandes im Osten und Westen überwachen. Die Ereignisse in Bosnien und in der Herzegowina haben eine \{hwierige Lage für uns geschaffen. Ohne Hoffnung auf eine Verbesserung ihrer Lage, hat die Beoöl- kerung jener Länder zu den Waffen gegriffen, um \ih der Mißstände, unter denen fie leidet, zu erwehren. Die Regierung des Sultans häuft Truppen an unserer Grenze an, dies verwickelt die Lage noch mehr. Die Nation fordert uns zu Schußmaßregeln auf, die Bevölkerung von Bosnien flüchtét zu uns vor Feuer und Schwert, womit das Land verheert wird, dies--maht die. Lage noch viel \{chwieriger. Es ist zu hoffen, daß ‘es. der Weisheit des Sul- tans und der Garantiemächte gelingen werde, einen Modus zur Beruhigung jener Gegenden aufzufinden und déren Bevölkerung zufrieden zu stellen. Als unmittelbare Nahbarn leiden wir mehr als irgend ein anderer Staat durch diese periodisch wieder- kehrenden Kämpfe; ih werde daher nah allen Kräften dahin streben, einen Zustand zu schaffen, der Bosnien und der Herze- gowina den Frieden wiedergiebt.“

(Uebersicht über die Ereignisse von Mitte Mai bis Mitte August.) Die europäish-türkische Eisenbahnfrage ist in den leßten Monaten ihrer Lösung anscheinend nit nähec gerüct. Mitte Mai wurden die Arbeiten auf der Linie Shumla Seitens der Rumelischen Eisenbahngesellschaft eingestellt, nach 24 Stunden aber wieder aufgenommen. Diese Maßregel wurde hauptsächlich darauf zurückgeführt, daß inzwischen Baron Hirsch mit der tür- kishen Regierung übereingekommen war, die eingetretenen Diffe- renzen einem Schiedsgericht zu unterbreiten. Alsbald trat dasselbe, bestehend aus Servcr Pascha, Odian Efendi, von Prokesh-Osten und von Kremer, die ersten beiden türkischerseits, die beiden Leßteren Seitens der Bahngesellshaft ernannt, zu- sammen. Da die türkishe Regierung darauf bestand, den zu fällenden Shieds\spruch eventuel der nohmaligen Prü- fung und Entscheidung der türkishen Gerichte zu unterwerfen, \o reisten die beiden genannten Vertreter der Gesellschaft ab, nachdem sie in einem an den Minister der öffentlichen Arbeiten gerichteten Schreiben erklärt, daß sie dem gedachten Anfinnen nicht nachkommen könnten, jedo bereit \eien; nach Beseitigung dieses Hindernisses ihre shiedsrichterlihe Funktion wieder aufzunehmen. Auch Baron Hirsch verließ hierauf Kon- stantinopel. Einer Einladung der türkishen Regierung folgend, haben die englishen Ingenieure Kapitän Tyler, Barlow und Vignoles die Beschaffenheit der rumelishen Bahnen geprüft und damit zugleih eine Reise durch ganz Bosnien behufs Erforschung der natürlihen Hülfsquellen dieses Landes verbunden. Die Ge- nannten sind nunmehr nach England zurückgekehrt, um ihr Gut- achten auszuarbeiten.

Während in dem Budget für das verflossene Finanzjahr 1290 Beutel 4,961,484 Einnahmen und Beutel 5,026,916 Aus- gaben vorgesehen waren, find in vent La für das Finanz- jahr 1291 (1./13. März 1875 bis 2 De 1876) die Ein- nahmen auf 4,776,588 und die Ausgaben auf 5,785,819 Beutel veranschlagt. Der Voranschlag der Ausgaben übersteigt daher den der Einnahmen um 1,009,231 Beutel. Dieser von dem Finanz-Ministerium vorbereitete Budgetvoranshlag ift, nahdem er von der zu diesem Zweck eingesetzten Kommission, sowie von dem Ministerrathe geprüft worden war, mit einem Berichte des Leßteren dem Sultan unterbreitet und von demselben sanktionirt worden.

Um dem Defizit zu steuern, find eine Reihe von Maßregeln theils in Angriff genommen, theils projektirt, Gine Kommission ist eingesezt, um Vorschläge behufs Vermehrung der Einnahmen und Verringerung der Ausgaben zu machen und dadurch das Gleihgewiht im Staatshaushalte herzustellen. In einem an die Generalgouverneure des Reiches gerichteten Runderlaß des Groß- l adès ist auf den finanziellen Zustand des Landes und die diingende Nothwendigkeit von Ersparungen hingewiesen und allen Beamten die gewissenhafteste Erfüllung der ihnen in dieser

Richtung obliegenden Pflichten anbefohlen. Der Großvezier foll, so is projektirt, in Zukunft ein Gehalt von monatlich 90,000

Piaster anstatt wie bisher 200,000 Piafter erhalten. Die General- Gouverneure sollen in zwei Klassen getheilt werden; die der ersten Klasse sollen 25,000, die der zweiten 20,000 Piaster monatlich erhalten. Das gleihe Gehalt sollen einige andere hohe Beamte erhalten. Die Gehälter aller übrigen unterliegen nah diesem Plane, wenn sie über 3000 Piaster monatlich betragen, für den diese Ziffer übersteigenden Betrag einer Herabminderung um die Hälfte. Jedoh erleiden die Ge- hälter der auswärtigen Missionen, der Brigade- und Divisions- Generale, sowie die durch Vertrag festgeseßten Besoldungen keine Reduktion.

In einem Kaiserlihen Hat erklärt der Sultan, daß, um den Wohlstand der asiatishen Türkei durch erleihterte Verkehr3= mittel zu heben, das Ministerium den Bau einer Eisenbahn nah Bagdad in Angriff nehmen soll, wozu er Gelder aus eige- nen Mitteln anweisen werde.

Eine erneute Einnahmequelle soll fi dem türkischen Staate dur die projektirte Umwandlung der Vakoufgüter, d. h. der Kirchenlehngüter in Mulk, d. h. freies Eigenthum eröffnen.

Auch von dem Handelsvertrage mit Persien, über welchen zur Zeit Unterhandlungen s{hweben, verspriht man \ih finanzielle Vortheile.

Außerdem vermeint die türkishe Regierung, dur allgemeine R A Erhöhung der Einfuhrzölle ihre Einnahmen zu ver- mehren,

Einer Mittheilung des „Levant Herald*® zufolge is ein der türkishen Regierung seiner Zeit von der Banque Impériale Ottomane und andern Häusern gewährter und am 1./13. Iuli d. J. verfallener Vorshuß in Höhe von 1,500,000 Pfd. Sterl. derart erneuert worden, daß die Gläubiger dur andere Banquiers bezahlt wurden und legtere den Voxshuß auf weitere drei Mo- nate zu 14 Proz. erneuerten. Zugleih f\oll das in englischen Al pes kontrahirte Anlehen in türkische Pfund konvertirt wor-

en sein.

Die türkishe Regierung beabsichtigt, auf Grund des ihr gemäß der Berner Postkonvention zukommenden Rechts vom 1. Januar 1876 an den Postdienst in der Türkei selbst und aus\chließlich zu übernehmen; fie hat zu diesem Zwele einen höheren englishen Postbeamten, Mr. Scoudamore, mit der Ein- rihtung des Postdienstes betraut.

Vor einigen Wochen sind in der Herzegowina Unruhen ausgebrohen. Nach hiesigen Blättern wäre der Grund darin zu suchen, daß eine Anzahl in der Herzegowina lebender Rajalzs sih in Folge der Steuern und Abgaben auf montenegrinisches Gebiet begeben hatten und, nachden fie auf eine Aufforderung der türkishen Behörden in ihre Heimath zurückgekehrt waren, die Zahlung der Steuern verweigerten und zu den Waffen griffen.

Ende Mai is der griehishe Bischof Timotheus von Ghano und Hora und der Diakonus desselben auf einer Reise in seinem Bis- thum ermordet worden. Die fünf Mörder befinden \ih bereits im Gefängniß und werden demnächst von dem Gerichte zu Galli- poli abgeurtheilt werden.

Einer Notiz der „Turquie“ zufolge hat der Defterdar von Syrien unlängst entdeckt, daß 93 Ortschaften nahe bei Damas- kus bis jeßt noch in keinem amtlihen Verzeichnisse aufgeführt seien und in Folge dessen weder Steuern und Abgaben zahlten noch sonstige Lasten trugen.

Die Ernte soll in der europäischen, wie in der asiatishen Türkei im Ganzen befriedigend, zum Theil sogar gut ausge- fallen fein.

Die Pest in der Provinz von Bagdad wird offiziell als cr- loshen bezeihnet, auch is die Cholera in Syrien in Abnahme begriffen. Aus Adana wird der Ausbruch einer Typhusepibemie gemeldet.

sn Aegypten ist Nubar Pascha zum Minister der auswär- tigen Angelegenheiten ernannt worden. Derselbe hat dieses Ministerium bereits früher lange Zeit inne gehabt und es im vorigen Jahre niederlegen müssen. Ferner ist dort eiù Mini- sterium des Ackerbaues neu geschaffen und mit der Leitung des- selben Riaz Pascha betraut worden.

Am 28. Iuni fand in Alexandrien die feierlihe Eröffnung der neuen ägyptischen Gerichtshöfe durch den Khedive statt. Der- selbe hielt eine Ansprache und empfing hierauf die Glückwünsche der Vertreter des Auslandes.

Gemäß eines an den Finanz - Minister gerichteten Dekrets des Khedive vom 1. Djemazi-Akhir 1292 (5. Juli d. I.) ge- langt für die Staatsrechnungen vom 1. Thout 1292 = 11, Sep- tember d. I. an der Gregorianische Kalender zur Anwendung. Die Zeit vom 11. September bis 31. Dezember d. I. wird hier- bei als Theil des Jahres 1876 betrachtet.

Die Einführung des Metermaßes is durh den Khedive an- befohlen.

Nachdem die Abessynier die ägyptischen Grenzdistrikte ange- griffen, haben die Aegypter nunmehr mit größeren Truppen- massen die abessynishe Grenze überschritten, so daß Aegypten nunmehr in einen Krieg mit Abessynien verwickelt it.

Dur Kaiserlichen Hat is dem Vize-König die Verwaltung des Hafens von Zeilah und seines Gebietes übertragen worden. Die ägyptische Regierung hat hierfür jährlih 15,000 Pfd. St. an den Kaiserlihen Staats\haß abzuführen.

Die rumänish?: Kammer hat in einer außerordentlichen Session getagt. Ihre wichtigsten Arbeiten waren die Berathung und Beschlußfassung über

1) die Ertheilung einer Konzession zum Bau der Eisen- bahnen Plojesti-Predial und Adjoud-Ocna im Anschluß an die österreihisch-ungarishen Bahnen,

2) den Abschluß eines Abkommens mit der [rumänischen Eisenbahn-Aktiengesellshaft über den Rückkauf eines Theiles des Eisenbahnnegtes,

K 3) den Abschluß einer Handelskonvention mit Oesterreich- ngarn. :

Die Konzession zum Bau der oben genannten Bahnen

wurde unter fünf Bewerbern der englischen Gesellschaft Craw-

lay und Co. ertheilt.

An Stelle des verstorbenen Metropolit-Primas von Ru- mänien, Niphon, is der Metropolit der Moldau, Palinik, zum Metropolit-Primas gewählt worden.

Im Monat Juni war Fürst Carl einer Einladung, die Garnison von Rustshuk zu besichtigen, gefolgt. Auf der Rück- fahrt nah Bukarest erfolgte ein Zusammenstoß des Fürstlichen Zuges mit einem anderen, Der Fürst, \owie mehrere Herren ee Gefolges erlitten dabei einige leihte, unerheblihe Kon-

onen. :

Die Zeichnungen auf die neue d prozentige Anleihe der Stadt Bukarest im Betrage von 8,900,000 Fres. zum Course von 90 pCt. haben einen günstigen Verlauf genommen.

In Serbien haben Neuwahlen zur Skupschtina stattgefunden ; das serbishe Ministerium hat sein Amt niedergelegt. |

Gürst Milan hat sich unlängst in Wien mit Fräulein Natalie von Kleczko, Tochter eines verstorbenen russischen Obersten, vex

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