1875 / 221 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 21 Sep 1875 18:00:01 GMT) scan diff

ftiefeln voranshritten ; denselben folgte der Rath und die reprä- sentirende Bürgerschaft, unmittelbar vor dem Kaiserlichen Wagen einhergehend, und ihn, sowie den folgenden Wagenzug der Fürst- lihen Gäste, dur die mit Guirlanden, Kränzen und Teppichen behängten Häuserreihen der alterthünlihen Stadt geleitend. Unmittelbar vor dem Zugang zu dem Großherzoglihen Palais, in welhem Se. Majestät Wohnung nahmen, war eine via triumphalis errihtet. Auf beiden Seiten der Straße erhoben si 16 riesige Masten, umwunden mit Laub und auf ihren Spiten reichen Flaggenshmuck tragend.

Auf dem ganzen Wege vom Bahnhof zum Palais passirte der Zug das Spalier, welches die Gewerke und Innungen von der Ehrenpforte am Steinthor an, mit ihren Fahnen und Emblemen bildeten. Am Großherzoglichen Palais war das Offizier-Corps der in Rosto versammelten Truppen und eine Ehrencompagnie des Mecklenburgishen Grenadier-Regiments Nr. 89 mit der Fahne und Musik aufgestellt. Während Se. Majestät die Front derselben abschritten, und die Offiziere huldvoll begrüßten, war der dem Zuge bei seiner Ein- fahrt vorangeschrittene Magistrat und die Spizen der Behörden in den Empfangssaal eingeführt worden. Nach been- detem militärishen Empfange“ traten Se. Majestät zu den Ver- sammelten, und sagten, indem Sih Allerhöchstdieselben an den ersten Bürgermeister wandten, ungefähr:

Ich danke den Herren für den ausgezeichneten Empfang, ‘welcher Mir von Ihnen bereitet ist. Jch] weiß schr wohl, daß derselbe nicht Meiner Person, sondern der Stellung gilt, welche die Vorsehung Mir angewie}jen hat. Jch freue Mich, daß der Umschwung der Dinge, welcher mit Meiner Person zusammenhängt, auch hier fo freudig be- grüßt wird, und werde den Empfang, den Ich hier gefunden, nit vergessen.

An den Zug der in die Stadt eingefahrenen Hohen Gäste lossen sih demnächst die aufgestellten Gewerke und Innungen an, und bildeten durch Aufrollen eine in 4 Reihen neben einander forishreitende Chaîne, welhe, nachdem die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften in die bereitgehaltenen Gemächer eingetreten waren, ih unter klingendem Spiele nah dem Markte zurück- bewegte und dort auflöste.

Abends 81 Uhr sammelten si die zum Faelzuge zusam- mentretenden Personen in der Steinvorstadt, um sich gegen 83 Uhr unter Begleitung mehrerer Musikcorps nah dem Palais zu begeben.

Der imposante Zug war im Innern nach Korporationen und Vereinen gegliedert; jede Abtheilung folgte ihrer Fahne und hatte ihre Banner und Embleme mit fi.

Als der Fadelzug, der aus ca. 2500 Fadeln bestand, vor dem Großherzoglihen Palais hielt, trat der Senator Dr. Witte vor und hielt folgende Ansprache :

Sr. Majestät dem Kaiser Wilhelm, dem ruhmgekrönten Feld- herrn und Neubegründer des Deutschen Reiches, unseres gemeinsamen E Vaterlandes, dem gerehten, unermüdlich für das Wohl Seiner

ölfer sorgenden Fürsten, bringt die gesammte Einwohnerschaft dieser Stadt, als ein Zeichen chrfurchtsvvller Ergebenheit, nie erlöschender Dankbarkeit und treuester Anhänglichkeit an Kaiser und Reich, in einmüthiger, tief empfundener Begeisterung, ein dreifahes Hoch!

Se. Majestät befahlen hierauf den Redner in die oberen Gemächer und sprachen demselben Allerhöhstihren Dank für die dargebrahte Ovation aus, worauf die Fackelträger \sich wieder in Bewegung seßten und den Rückzug antraten.

Vom Augenblick der Ankunft Sr. Majestät an umgab die Bevölkerung in dihtgedrängten Massen das Großherzogliche Palais, Se. Majestät , Allerhöhstwelhe. Sih wiederholt am Fenster zeigten, mit begeistertem jubelndem Zuruf und in enthu- fiastisher Weise begrüßend.

Das der Kaiserlichen Residenz unmittelbar gegenüberftehende BVlücher-Denkmal prangte zu Ehren der nationalen Festtage, welche für Rostock angebrochen, mit frisch blühenden Topf- gewähsen umgeben und mit Guirlanden und anderen Laubs verzierungen reih umkränzt.

Gestern, Vormittags 11 Uhr, fand auf der Feldmark von Roggentin, 1/4 Meile südöstlich von Rostock, die große Parade über das IX. Armee-Corps statt.

Dieselbe war befehligt von dem kommandirenden General, General-Lieutenant von Tresckow, und hatten \ich die zur Bei- wohnung derselben in Rostock anwesenden preußishen und frem- den Offiziere um 10 Uhr auf das Paradefeld begeben. Se. Majestät erschienen, gefolgt von den Fürstlihkeiten und den Ad- jutanten, sowie von mehreren Hofequipagen, in welchen sich u. A. Ihre Königlichen Hoheiten die Großherzogin und die Großherzogin-Mutter befanden, um 11 Uhr amrechten Flügel der Aufstellung, welche in zwei Treffen geordnet war, und bei der nah dem Abreiten der Fron- ten ein zweimaliger Vorbeimarsh erfolgte. Zu Nachmittag 5 Uhr waren an alle in der Parade gestandenen Generale und Stabsoffiziere Einladungen zum Diner ergangen. Bei demselben brahten Se. Majestät der Kaiser nah dem „W. T. B.“ folgenden Trinkspruch aus:

„Ich trinke auf das Wohl des IX, Armee-Corps, das fih heute Meine volle Zufriedenheit erworben hat, und da es mecklenburgischer Boden ist, auf dem Ich es wiedergeselhen und dem es zum Theil ent- sprossen ift, jo trinke Jh zugleich auf das Wohl des Herrn dieses Landes und seines Hauses! Ew. Königliche Hoheit haben im Kriege wie im Frieden entschieden zu den Erfolgen der neuen Zeit beigetra- gen, und der heutige Tag hat bewiesen, daß Ew. Königliche Hoheit in treuer Sorgfalt die mühevolle Arbeit fortgeseßt, welche am bestén geeignet ist, das von der Armee Errungene auch für die Zukunft zu bewahren !“

Se. Königlihe Hoheit der Großherzog von Mecklenburg- Schwerin bat hierauf um die Genehmigung, Sr. Majestät ant- worten zu dürfen, und sagte:

„Ew. Majestät wollen mir gestatten, meinen Dank auszusprehen für die gnädige Weise, in welcher Ew. Majestät bei Gelegenheit Jhres Aufenthaltes in Mecklenburg meines Hauses und Landes ge- dacht, eines Landes, das treu zu Kaiser und Reich hält, und dessen Bewohner Ew. Majestät in treuer Liebe zugethan sind. Zugleich Haben Ew. Majestät mir erlaubt, als Kriegsherr eines Theiles der Truppen, welche das 1X. Armee-Corps bilden, meinen Dank für das demselben gespendete Lob auszusprehen und diesen Dank im Namen des ganzen Corps zu wiederholen, das keinen anderen Ehrgeiz kennt, als- die auf blutigem Felde erworbene Allerhöchste Zufriedenheit fi auch im Frieden dur treue Arbeit zu erhalten. Sr. Majestät dem Kaiser Hurrah !“

Se. Majestät der Kaiser, die Prinzen des Königlichen Hauses und der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin machten gestern Abend eine Rundfahrt durch die glänzend erleuchtete Stadt. Se. Majestät wurden von der Bevölkerung mit enthu- siastishen Kundgebungen empfangen.

Abends 9 Uhr fand auf dem Plah vor dem Palais ein großer

Zapfenstreich statt, bei welchemfolgende Piècen ausgeführt wurden : 1) die National-Hymne, von den vereinigten Kapellen; 2) der Torgauermarsh, von der Kavalleriemufik; 3) eine Fest-Duver- ture von Stredicke, von der Infanteriemusik; 4) ein Kavallerie- marsch von Weißenborn, von der Kavalleriemufik; 5) die Reveil du Lion, von der Infanteriemufik ; 6) die Fanfare militaire, von den Trompetern; 7) der Einzugsmarsh aus Tannhäuser, von der Infanterie.

Den Schluß bildete das Abendgebet und die harmonische Retraite. ;

Das für heute anberaumte Corpsmanöver wurde wegen heftig ftrömenden Regens abbestellt. Die Truppen marschirten vom Manöverfelde in die Kantonnements. Se. Majestät der Kaiser gedachten Heute mehrere Kirhen zu befihtigen und Mittags eine Fahrt an den Hafen zu machen. Im Gebäude der Société findet heute ein Diner zu 240 Gedecken statt. Für morgen ist die Revue der Flotte anberaumt worden.

Der Bundesrath, so wie der Aus\chuß für Justiz- wesen und die vereinigten Ausshü}se für Zoll- und Steuer- wesen und für Rechnungswesen versammelten sich heute zu Sigzungen. h

—-Nach dem dem Bundesrath vorliegenden Voranschlag der Einnahmen des Deutshen Reiches an Zöllen, Ver- brauchssteuern und Aversen für das Jahr 1876 würden an die Reichskasse abzuführen haben 1) sämmtlihe Bundes- staaten für Zölle, Rübenzucker-, Salz- und Tabak - Steuer 188,405,870 6; dazu an Aversen 3,126,570 4, mithin Ge- \ammteinnahme 191,532,440 (6; 2) an Einnahmen, woran Bayern, Württemberg und Baden keinen Theil haben, nämlih an Brannt- weinsteuer und Uebergangsabgabe von Branntivein 35,631,850 4 und inklusive der Averfa von 735,640 M 36,367,490 M; 3) an Einnahmen, woran Bayern, Württemberg, Baden und Elsaß- Lothringen keinen Theil haben, nämlich an Brausteuer und Uebergangsabgabe von Bier 14,416,660 s, an Aversen 312,580 Á, zusammen 14,729,240 ( Die Hauptsumme ad 1 bis 3 beträgt 238,454,380 M, die der Aversa 4,174,790 #, die Total- einnahme mithin 242,629,170 {# Die Einnahme aus den Zöllen beträgt, nah Abzug der Herauszahlungen von Luxem- burg, sowie an Oesterreih und Luxemburg, 108,411,460 # Aus der Rübenzuckersteuer werden vereinnahmt 45,463,130 4; aus der Salzsteuer 833,342,470 A; endlih aus der Tabaksteuer 1,188,810 ## Von diesen Einnahmen hat Preußen, einshließlich der Länder und fremden Gebiets- theile, in welhen die Bundessteuern von Preußen er- hoben werden, jedoch aus\chließlich des östlihen preußishen Jade-Gebiets und der außerhalb der Zollgrenze liegenden Gebiets- theile, an die Reichskasse abzuführen 160,832,690 #, und zwar an Zöllen 66,063,220 4, an Rübenzuckersteuer 34,090,800 A, an Salzsteuer 19,315,750 F, an Tabaksteuer 379,050 Æ, in Summa 119,848,820 4; dazu kommt an Branntweinsteuer und Uebergangsabgabe von Branntwein 30,878,300- #, an Brau- fteier und Uebergangs8abgabe von Bier 10,105,570 4, zusam- 40,983,870 M

Der Etat für das Reihs-Eisenbahnamt auf

das Jahr 1876 {ließt nach dem dem Bundesrath vorliegen-

den Entwurf mit 2178 #6 Einnahiken, 822-4 weniger, als pro 1875, und 276,490 / Ausgaben (+- 96,610 46). Die Mehrkosten find hauptsächhlih dur Vermehrung der Stellen (um 3 vortragende Räthe, 1 ständigen Hülfsarbeiter, 3 Sekretäre, 4 Assistenten 2c.) veranlaßt worden, die durch immer weitere L Innog der Thätigkeit des Reihs-Eisenbahnamts nothwendig wird.

Ueber den am 17. September, Nachmittags 3 Uhr, / in Wilhelmshaven erfolgten Stapellauf der Panzerfregatte „Der Große Kurfürst“ theilen wir noch mit: Der Bahnhof in Wilhelmshaven war durch Tannenpyramiden und Flaggen- bäume geschma#voll ausgeschmüdckt. Ueberall auf den Gebäu- den und Masten der Schiffe entfaltete sich eine Flaggenpracht, welche bei dem {hönen Wetter zur vollsten Geltung kam. Der Zugang zu der Werft, wie zu den sämmtlihen Hafenanlagen war völlig freigegeben. Letztere wurden denn auch den ganzen Vor- mittag von einem zahlreihen Publikum besichtigt. Im Kriegs- hafen lagen die Panzerfregatten „Deutschland“ und „Prinz Friedrich Carl“ und die Korvetten „Elisabeth“ und „Victoria“. Auf den Helgen an der Westseite des Kriegshafens lag das mächtige Schiff, welhes nunmehr den Namen des Großen Kur- fürsten erhalten sollte, mit Flaggen an provisorischen Masten geshmückt, zum Stapellaufe bereit. Vor dem Buge des Schiffs war eine mit den Reichsfarben ‘und mit der Kriegsflagge ge- \{chmüdckte Bühne errichtet. An der Hafenkaje, längs dem Schiffe waren gegen 2 Uhr die Offiziere und Beamten der MFrine sowie cine Reihe Stabsoffiziere aus Oldenburg versammelt. Unter ihnen bemerkte man die Contre-Admirale Werner und Klatt, den Wirlichen Admiralitäts-Rath Koch, Ober-Wersftdirektor Ulffers und Schiffsbaudirektor Guyot aus Wilhelmshaven, Sciffsbaudirektor Hildebrandt aus Danzig, General von Hagen aus Oldenburg, sowie mehrere andere höhere Infanterie- und Artillerie-Offiziere aus Oldenburg. Eine zahl- reihe Menge bedeckte den geräumigen Plaß, welcher sich zwischen dem Hafen und den nahegelegenen Gebäuden der Schiffsbau- \chmiede und Malerwerkstätte erstreckt. Gegen 2 Uhr erschien der Chef der Admiralität, General der Infanterie, Staats-Minister v. Stosch, zur Vollziehung]des Taufaktes. Derselbe hielt folgende Ansprache: „Wiederum soll heute ein Zeichen der Macht und Stärke des Vaterlandes der deutschen Flotte einverleibt und seinem Elemente übergeben werden. Seinem Namen nah sollte dieses Schiff das erste der deutschen Flotte sein, denn es trägt den Namen des Fürsten, welcher, der Erste seines Stammes, nicht nur die erften Grundlagen einer deutschen Flotte \{uf, sondern auch den Grundstein legte für die Macht Preußens und für die daraus resultirende, jeßt so glorreih errungene Einigkeit Deutshlands. So ziehe denn hin, werde auch Du ein Grundstein deutscher Macht und trage die Ehre des Deut- {hen Namens weit hinaus in alle Meere. Auf Befehl Sr. Majestät des Kaisers taufe ih Dih: „Großer Kurfürst.“ In diesem Augenblick ergriff der Minister eine am \{chwarz- weiß-rothen Bande vom Bug des Schiffes herabhängende, an der Tribüne befestigte Flasche Champagner und warf sie gegen die Wand des Schiffs, wo fie zerschellte. Er begab \fich sodann, begleitet von den Offizieren und Beamten, auf der Hafenkaje das Schiff entlang nah dem Heck zu, wäh- rend unter Leitung der Herren Schiffsbau-Direktor Guyot und Ober-Werftdirektor Ulffers der eiserne Hebel, welher den Sitten festhielt, gehoben wurde. Es währte kaum ein oder zwei Minuten, bis der „Große Kurfürst“ sich langsam in- Be-

[ wegung set und \chneller und \{chneller den Fluthen zuglitt,

während die Menge jubelte. Nah dem Stapellauf ließ ih der Chef der Admiralität von dem Stations-Kommandanten das

‘Offizier-Corps und die höheren Beamten des Etablissements,

vom General von Hagen das Offizier-Corps der Oldenburger Garnison vorstellen und besichtigte dann einzelne Werkstätten, so wie die im Hafen liegenden Kriegs\chisse. Nah der Besich- tigung der Werft fand im Admiralitätsgebäude ein großes Diner für die Offiziere nnd höheren Beamten statt, welchem General von Stosh präsidirte. Die Reihe der Trinksprüche eröffnete der Chef der Admiralität mit einem Hoh auf den Kaiser. Mit dem Abendzuge reiste derselbe von hier wieder ab.

Nah einem Spezialerlaß des Ministers des Innern und des Ministers der geistlichen Angelegenheiten vom 28. Juni d. J. ves die geseglihen und polizeilihen Anordnungen gegen

as vorzeitige Begraben der Leichen, deren Nichtbeach- tung das Strafgesezbbuch im §. 367 Nr. 2 unter Strafe stellt, weder dur das preußische Civilstandsgeseß vom 9. März vori- gen Jahres, noch durch das Reichsgesey vom 6. Februar d. I., betreffend die Beurkundung des Personenstandes und die Che- \chließung, aufgehoben.

Nach den Vorschriften der zulegt gedahten Geseße (§8. 43 resp. 60) darf ohne Genehmigung der Ortspolizeibehörde keine Beerdigung vor Eintragung des Sterbefalles in das Sterbe- register stattfinden. Der Geistliche oder derjenige Beamte, welcher die Aufficht über den betreffenden Begräbnißplay führt, und von welcyem daher die Anordnung der Beerdigung auf dem Be- gräbnißplaßze ausgehen muß, -darf hiernah- abgesehen von dem Ausnahmefalle, in welchem eine besondere Genehmigung der Ortspolizeibehörde zur Vornahme der Beerdigung beigebracht wird die Beerdigung nur gesehen lassen, wenn ihm vorher die Bescheinigung des Standesbeamten über die Eintragung des Sterbefalles in das Sterberegister vorgelegt worden ist. Derselbe wird, da diese Eintragung nach §. 42 des Gesehes vom 9, März vorigen Jahres den Tag und die Stunde des erfolgten Todes enthalten muß, aus der von dem Standesbeamten ertheilten Bescheinigung ersehen, wann der zu Beerdigende gestorben ift. Wenn daher in Polizeiverordnungen vorgeschrieben ist, daß Nie- mand vor Ablauf einer gewissen Zeit nah eingetretenem Tode beerdigt werden darf, so wird der Geistliche resp. der sonst die Beerdigung überwachende Beamte dafür verantwortlih und, nah wie vor, darauf zu halten im Stande sein, daß die Beerdigung niht vor dem Ablauf der vorgeschriebenen Zeit, von dem nah der Bescheinigung des Standesbeamten angemeldeten Zeitpunkte des eingetretenen Todes ab gerehnet, erfolgt, falls nicht eine besondere ortspolizeilihe Genehmigung eine Ausnahme zuläßt.

Allerdings giebt die Eintragung des Sterbefalls in das Sterberegister, da dieselbe auf Grund einer Privatanzeige ge- mäß È 40 des Geseßes vom 9. März 1874 geschieht, keinen juristishen Beweis dafür, daß Tag und Stunde des erfolgten Todes rihtig angegeben sind; allein im Allgemeinen if den diesfälligen Angaben, welhe von den Anzeigepflichtigen oder von anderen aus eigener Wissenschaft unterrichteten Personen zu machen find (§§. 15 und 41), Glauben zu schenken ; die- selben haben nah §. 11 die Vermuthung der Richtigkeit für fi, bis die Unrichtigkeit der Anzeige nahgewiesen wird. Haben die Standesbeamten Anlaß, die Richtigkeit einer Anzeige zu be- zweifeln, \o find sie nah §. 17 befugt, sich in geeigneter Weise von der Richtigkeit derselben Ueberzeugung zu verschaffen. Jn dieser Beziehung is die Sachlage durch die im Geseße vom 9. März vorigen Iahres “getroffene Ginrihtung nil wesentlih verändert worden. Denn auch vor Emanation dieses Gesetzes, also zu der Zeit, als dem Geistlihen, und wo es einge- führt war au der Polizeibehörde der Todesfall angemeldet werden mußte, empfingen der Geistlihe und die Polizeibehörde die diesfällige Anzeige durch die Anzeigepslihtigen mit keiner größeren Gewähr für die Richtigkeit der Angabe, als mit welcher gegenwartig diese Anzeigen an die Standesbeamten erstattet werden.

Wird es im polizeilihen Interesse für erforderlih erachtet, die Zulassung der Beerdigung von der Beibringung eines ärzt- lichen Attestes über den Tod des zu Beerdigenden abhängig zu machen, fo erscheint es für den Erlaß einer derartigen Vorschrift an fi indifferent, ob die Anmeldung des Sterbefalles in der jeßt gesehlih verordneten oder in der früheren Art zu erfolgen hat. Mit Rücksicht auf die, in vielen der einshlagenden Fälle zu besorgende Kostspieligkeit und Weitläuftigkeit der Herbeiholung eines Arztes würde es aber für die Verhältnisse der ländlihen Ortschaften niht passend sein, wenn den Anzeigepflihtigen auf dem Lande allgemein die Verbindlichkeit auferlegt würde, ein ärztliches Attest über den eingetretenen Tod des zu Beerdigen- den beizubringen. Für das platte Land erscheint es ausreichend, daß die Geistlihen und die Beamten, welche die Beerdigung an- zuordnen haben, die ihnen aufgegebene Vorschrift befolgen, nah welcher fie Beerdigungen ers nach Ablauf der vorgeschriebenen Frist von dem Zeitpunkte der nah der Bescheinigung des Stan- desbeamten angezeigten Todesstunde ab vornehmen lassen dürfen.

Eine geseßlihe Aenderung in diesen Verhältnissen eintreten zu lassen, wird zur Zeit nicht beabsichtigt.

In Folge des Beschlusses des deutschen. Journalistentages vom 26. Juli 1874, die Verleger der deutschen Zeitungen auf- zufordern, ein „Inseraten-Bureau der deutschen Presse“ für eigene Rechnungins Leben zu rufen, sind eine Anzahlhiesiger Zeitungen, und zwar die Bank- und Handelszeitung, der Berliner Börsen-Courier, die Berliner Börsen-Zeitung, die Berliner Bürger-Zeitung, das Berliner Fremden- und Anzeigeblatt, die National-Zeitung, die Neue Börsen-Zeitung, die Norddeutshe Allgemeine Zeitung, die Staatsbürger-Zeitung, die Tribüne, die Volkszeitung zusammen- getreten, um mit dem 1. Oktober d. J. ein „Central- Annoncen-Bureau der deutschen Zeitungen“ zu er- öffnen. Nach einer von den genannten Zeitungen an das inserirende Publikum gerihteten Ansprache wird sih das Bureau aus\{ließlich damit befassen, „in selbstverständlih absolut un- parteiisher Weise das Inseratenwejen zwishen dem Publikum und den Zeitungen zu vermitteln und \o eine für alle Theile gedeihlihe Entwickelung desselben anzubahnen. Das Central- Annoncenbureau wird seinen Sih in Berlin und Zweignieder- lasungen an allen deutschen Orten errihten, wo nur immer das Interesse des Publikums dies wünschenswerth erscheinen läßt.“

Der General-Major Freiherr von Meerscheidt-Hülk- lessem, Commandeur der 11. Infanterie-Brigade, hat fich mit mehrwöchentlihem Urlaub nah Süddeutschland und der Oberst von Hahnke, Chef des Generalstabes Ill. Armee-Corps, zum Antritt einer Generalstabs-Uebungsreise mit Offizieren des TIIL, Armee-Corps nah Prenzlau begeben.

Der bisher bei der Kloster-Kammer in Hannover be- \chäftigte Regierungs-Rath v. d. Often ist als Mitglied in das Kollegium der General-Kommisfion daselb| eingetreten.

der Entschädigungsbeträge zu beschließen haben ,

Die Wahl von drei Abgeordneten der Stadt Berlin zum Provinzial-Landtag und dreier Stell- vertreter derselben wird in der nähsten Sitzung der Stadt- verordnetenversammlung, am 283. d. M., stattfinden,

Kiel, 20. September. (Kieler Ztg.) Nachdem die Schul- schiffe „Niobe“, „Undine“, „Musquito“ und „Rover“ bereits am Sonnabend Nachmittag den Hafen verlassen, is auch Heute Morgen zwischen 7 und 8 Uhr das Uebungsgeshwader, bestehend aus den Panzern „König Miel, Rae, „Kronprinz“, „Hansa“ und dem Aviso „Falke“ in See gegangen. Sämmtliche Schiffe begeben fich bekanntlich zum Kaisermanöver nah Warnemindee. nenn

Hannover, 19. September. Der neunte Hannoversche Landtag is heute Mittag 2 Uhr durch den Königlichen Kom- missarius, Ober-Präfidenten Grafen zu Eulenburg mit folgender ‘Rede eròffnet worden:

Hochgeehrte Herren!

Zum dritten Male ist es mir vergönnt, bei dem Wiederbeginne hrer Arbeiten Sie und an Jhrer O dieselben bewährten Kräfte, welche Ihre Verhandlungen bisher mit jo günstigem Erfolge geleitet Haben, Namens der Königlichen Staatsregierung willkommen zu heißen. s die Keime fortsreitender Selbstverwaltung, welche sih in dem vor zwei Jahren erlassenen Geseße Über die Verwaltung der Land- straßen erkennen ließen, sind zur Entwickelung gelangt, indem die ‘Nerwaltung und Unterhaltung der Chausseen vom Begiun des nächsten Jahres ab dem Provinzialverbande übertragen ist. Darüber hinaus sind demselben die Hebammenlehr-Insftitute, die Unterstüßung niederer landwirthschaftliher Lehranstalten und nicht unbeträchtlihe Staats -nebenfonds überwiesen, sowie die Renten zur Gewährung von Zu- s{chüssen für Armen- und Wohlthätigkeitsanstalten erhöht, auch ift die frühere Dotation im Hinblick auf das der Provinz effffverleibte Jade- gebiet ergänzt worden. Nicht um die Entlastung von einer Bürde hat es sih dabei für die Königliche Staatsregierung gehandelt, gern ge- -pflegter Verwaltungszweige hat sie sich entäußert in der Zuversicht, daß dieselben von den provinzial ständischen Organen sorgfältig und erfolgreich werden gefördert werden, und in der Hoffnung, daß dur ‘die fortschreitende Richtigstellung der Grenzen zwischen Staats- und Selbstverwaltung das einmüthige Zusammenwirken beider gesichert und ihr gemeinsames Ziel, das Gemeinwohl, um so besser werde erreicht werden. Es wird die Aufgabe des Provinziallandtags fein, diejenigen Beschlüsse zu fassen und Maßregeln zu treffen, welche der

i Verwaltungszweige in die provinzialständische Lei-

Uebergang Jener tung vorausfebßt.

Das im vorigen Jahre beschlossene Gese, betreffend die Er- weiterung der Statuten der Landeskreditanstalt, Hat die landesherr- liche Sanktion erhalten. | K geei Se S

Zur Ausführung des Fischereigeseßes und des Geseßes zur Abwehr und Ünterdrückung der Viehseuchen bedarf es Ihrer Mitwirkung. Sie werden, was das erstere betrifft, ersucht werden, Ihr Gutachten über die Königliche Verordnung abzugeben, welche hinsichtlich der Abgren- zung der Küsten- und der Binnenfischerei und einer Anzahl fischerei- polizeilicher Vorschriften erlassen werden soll. Die Seuchenordnung anlangend, werden Sie über das Maß und die Aufbringungsweise welche den Besißern auf Grand polizeilicher Anordnung getödteter roßkranker Pferde und lungenseuchekranken Viehs zu gewähren find. 3 E C R |

Ueber den Tarif, auf Grund dessen die Erstattung der Pflege- fosten unter den Armenyerbänden erfolgt, wird ein erneuertes Gut- achten von Jhnen erbeten werden. ;

Die übliche Uebersicht über den Hannoverschen Klosterfonds wird Ihnen zugehen. Die vor Kurzem erfolgte Wiederbescßunag der Stelle des Direktors der Klosterkammer werden Sie mit Befriedigung wahrgenommen haben: : i:

Auf die Wahlen, deren Vornahme Sie beschäftigen wird, ist Ihre Aufmerksamkeit bereits mittels besonderer Schreiben gelenkt

“worden.

Die Vorlagen, welche die laufende ständische Verwaltung be- treffen, werden Ihnen von Jhren Organen unterbreitet werden.

Wird Ihre Thätigkeit hiernach in beträchtlichem Maße in An- \pruch genommen werden, so zweifle ih nit, daß dieselbe, wie bis-

"

her, gern gewährt werden und von gutem Erfolge begleitet sein wird.

Im Allerhöchsten Auftrage Sr. Majestät des Kaisers und Kö- L Es ih den neunten Hannovershen Provinziallandtag für «eröffnet. t Ecpig Nah dem Schlusse dieser Ansprahe brachte der Landtags- Marschall, Graf zu Münfter-Ledenburg, ein dreimaliges Hoh auf Se. Majestät den Kaiser und König aus, in welches die zahlreih versammelten Mitglieder lebhaft- einstimmten. as

Der Landtags-Marschall eröffnete dann die erste Sizung, erinnerte an das Hinscheiden der Landtagsmitglieder v. Meding und Garben und forderte die Anwesenden auf, sich zu Ehren der Verstorbenen von ihren Sißen zu erheben.

Zu Schriftführern wurden dur Akklamation wiedergewählt ‘die Bürgermeister Ludewig und Tappen, neu gewählt v. Grote- Shnega und Syndikus Hurßzig.

Ein größerer Theil der in der Eröffnungsrede angekündig- ‘ten Vorlagen wurde bereits heute eingereiht und gedruckt ver- theilt, darunter der Finanzetat für 1876, Antrag über Ankauf des Klosterguts Einum und Aufnahme einer Anleihe von 230,000 /, über Einführung der Kreisordnung, Rechnungen ‘der ständishen Hauptkasse, Chausseeverwaltungs-Reglement, Re- glements über Hebammen-Lehrinstitute, über Viehseuchen, Fische- ‘xeiverordnung 2c.

90. September. Der Landtag überwies in seiner zwei- ten Sigzung heute die Rehnungen der ständischen Hauptkasse für 1874 und 1875 an die Rechnungskommission- und an die- \elbe Kommission die Einnahmen und Ausgaben für 1874, ge- nehmigte dann den Ankauf des Klofterguts Einum und die Aufnahme einer Anleihe von 230,000 und begann die Be- ‘xathung eines Reglements über die Chausseeverwaltung.

. Bayern. München, 19. September. Se. Majestät der König hat \sich von Schloß Berg vor einigen Tagen auf den Schhachen begeben. Prinz Leopold von Bayern reist in Vertretung des Kaisers von Oesterreih nah Sassetot. 21. September. Prinz Adalbert Wilhelm Georg ‘Ludwig is heut früh verschieden. Dieser jüngste Oheim des Königs war geboren am 19. Juli 1828, und vermählte fih am ‘25. August 1856 Madrid mit Prinzessin Amalie Felipe Pilar, ‘Infantin von Spanien. Er hinterläßt aus dieser Ehe vier Kinder, die Prinzen Ludwig Ferdinand (geb. 1859) und Alphons (geb, 1862) und die Prinzessinnen Isabella (geb. 1863) und Elvira (geb. 1868). Prinz Adalbert bekleidete den Rang eines General-Lieutenants und war Jnhaber des. Königlih bayerischen 2. Kürassier-Regiments Nr. 2. __ Sachseu. Dresden, 20. September. Der Staats- Minister Dr. v. Gerber is von seiner Urlaubsreise zurück- gekéhrt und hat die Leitung der Geschäfte seines Departements Jeder übernommen. j Leipzig, 20. September. Die Großfürstin Constantin von Rußland kam am 18. d. Mis., Mittags, mit Gefolge auf der Königlichen Staatsbahn von Altenburg hier an, stieg im Hotel zur Stadt Rom ab und i gestern Nachmittag 2 Uhr ol der Halle-Sorau-Gubener Bahn von hier über Eilenburg na Frankfurt a. O. weiter gereift.

Hessen. Darmstadt, 18. September. Se. König- lihe Hoheit der Großherzog wohnte heute dem Schluß- manòöver der Großherzoglichen Divifion bei. Dur den zwi- \chen Hessen und Baden abgeschlossenen Staatsver- trag wegen Herstellung weiterer Eisenbahnver- bindungen zwishen beiden Staaten wird das hessische Eisenbahnnez nicht unerheblich erweitert werden, Die Regie- rungen beider Staaten haben sich laut der von den Landständen genehmigten Verträge zunächst verpflihtet, eine Eisenbahn von Neckargemünd über Neckarsteinah, Hirshhorn, Eberbah nah Jaxtfeld (Neckarbahn) im Anschluß an die badishe Ddenwald- balin herzustellen. Den Bau dieser ersten Linie übernimmt auf hessishem und badischem Gebiete die Großherzoglih badische Regierung; die Baufrist ist auf 4 Iahre festgeseßt, und leistet Hessen mit Rücksicht darauf, daß die Erbauung dieser Bahnlinie die Rentabilität der hessishen Ddenwald- bahn erhöhen und die Staatsgarantie mindern wird, zu den Kosten der Anlage der Neckarbahn einen Zushuß von Mil- lionen in 6jährlihen Raten. Von der Betriebseröffnung der Bahn an hat Baden diesen Zushuß in den ersten 10 Jahren mit 3 Proz., später mit 4 Proz. zu verzinsen, und bleibt es der badischen Regierung vorbehalten, diesen Zushuß jederzeit nah dreimonatliher Kündigung abzutragen. Nah Ablauf von 25 Jahren muß der Vorschuß, falls er niht früher getilgt sein sollte, in 15 Jahresraten zurückbezahlt werden. Die hessische Regierung hat sh das Recht vorbehalten, das Eigenthum der zufolge dieses Vertrages auf ihrem Gebiete von Baden ar- gelegten Bahnstree nah Ablauf von 25 Jahren an sich zu ziehen, und is im Vertrage genau bestimmt, wie die Ankaufs- summe zu berehnen is, Die hessishe Regierung übernimmt nah dem Staatsvertrage die Erbauung und den Betrieb der Bahn von Erbah nah Eberbach im Anschluß an die Bahnen bei Eberbach und Erbah (hessishe Odenwaldbahn), und den Bau und Betrieb einer Bahn von Mannheim über Lampert- heim direkt nah Worms binnen 4 resp. 3 Jahren. Die hessische Regierung hat sih hierbei das Recht vorbehalten, ihre Verpflich- tungen der hessishen Ludwigs-Eisenbahngesellshast zu über- tragen, und hat diese Gesellschaft in dem leßten Mo- nate die landesherrlihe Konzession zum Bau erhalten, und ist ihr weiter die Fortsegung jener Bahnen von Biblis nach Frankfurt a. M. und von Babenhausen nach Hanau gestattet worden. Zum Bau und Betrieb der Route Erbach- Eberbach verpflichtete sh der Staat während der ersten 5 Jahre des vollen Betriebes dieser Route eine Subvention von 100,000 Fl. jährlih unter der Bedingung zu leisten, daß von allen Reinerträgen der Linie Erbach-Hanau, welhe im Durchschnitt den Betrag von 45,000 Fl. pro Meile überschreiten, die Hälfte zur Rückzahlung der Subvention verwendet wird. Dagegen mußte sich die Gesellschaf: verpflihten, die ihr vom Staate garantirten Reinerträge ihrer verschiedenen Linien auf eine bestimmte Summe für jede einzelne Linie herabzuseßen. Bezüglih des Bauwesens bestehen in Hessen zwar für größere Städte und Orte besondere Bauordnungen, allein ès fehlen allgemein für das ganze Großherzogthum gültige Normen, was die gleihmäßige Behandlung der Bausaehen ungemein er- \chwert, da die Behörden meistens nah den örtlihen Verhält- niffsen entscheiden. Einem Ersuchen der Landstände entsprechend, beabsichtigt die Regierung durch Erlaß einer Bauorduung für das ganze Land jenen Mißstand zu beseitigen und find die nöthigen Vorarbeiten begonnen. Das neue Schul- gese hat das Verfahren bei Dienstentsezungen und Entlassungeu von Lehrern genau geregelt, Dienstentsegung tritt ein, wenn ein Volksschullehrer wegen eines Verbrechens oder Vergehens zu Zuchthausstrafe oder zu Gefängniß unter gleih- zeitiger Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte, respektive der gänzlichen oder zeitweisen Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter nach §. 31 bis 37 des Reichs-Strafgeseßes verurtheilt worden ift. Dienstentlassung kann versügt werden, wenn der Lehrer wegen eines Verbrechens oder Vergehens durch ftraf- rechtliches Erkenntniß zu Gefängnißstrafe über 1 Monat, oder wegen eines, den Verlust der öffentlichen Achtung nach fich zie- henden Verbrehens oder Vergehens, verurtheilt wurde, oder wenn sih der Lehrer einer so groben Verlegung seiner Amts- pflichten, respektive eines so unwürdigen Verhaltens \chuldig macht, daß das höchste Maß der Disziplinarstrafe nicht ausreihend erscheint. Liegt einer dieser Fälle vor, so hat der Vorsizende der Kreis\hulkommission die nöthigen Erhebungen eintreten zu lassen und entscheidet nah geschlossener Untersuchung die Kreis\hulkommission in einem förmlichen Erkenntnisse darüber, ob die Entlassung gerechtfertigt erscheint. Der Lehrer fann gegen das Erkenntniß binnen 10 Tagen den Rekurs an das oberste Verwaltungsgericht ergreifen und hat, falls der Re- furs verworfen wird, das Ministerium des Innern die förm- lihe Entlassung auszusprechen. Leßtere hat die Folge, daß der Lehrer die Stelle und das Diensteinkommen, sowie den Anspruch auf Penfion verliert, niht aber unbedingt die Fähigkeit zur Wiederanstellung.

Bremen, 18. September. (Wes. 3.) Der Bürgerschaft ist vom Senate der Finanzbericht über die ersten acht Monate d. I. mitgetheilt. Nach den Beschlüssen des Senats und der Bürgerschaft war am 24. Februar c. das diesjährige Budget in Ausgabe auf 13,679,041 # 47 H, n Einnahme auf 13,179,050 F festgestellt. Es ergab sich dana ein Defizit von 499,891 A 47 -Z, welches auf den Rest des Reservefonds der Ueberschüsse (554,680 6 26 S) angewiesen wurde. Bis zum 31. August haben einige Einnahmen den Voranschlag überstiegen um 16,959 H 75 3, und dadurch wächst die Solleinnahme auf 13,196,009 / 75 S, davon find bis Ende August eingegangen 5,758,801 # 2-H, und müssen Anschlags gemäß noch eingehen 7,437,208 M 72 S . Bu den bewilligten Ausgaben kamen bis Ende August an Nachbewilli- gungen 87,830 4 Dadurch vermehrt si der Ausgabenetat auf 13,766,871 M 47 S, mithin erhöht. sih das Defizit auf 570,861 Á T2 S.

Desterreich-Ungarn. Wien, 20. September. (W. T: D In hiefigen gut unterrichteten Kreisen wird das Wiener Tele gramm der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“ vom 18. d. M.,

wonach die Pforte von den Mächten die Ansezung eines Schlußtermins für die Verhandlungen mit den Insurgenten ver- langt habe, für durchaus unbegründet erklärt.

Niederlande. Haag, 20. September. (W. T. B.) Der König hat heute die Generalftaaten mit einer Thron- rede eröffnet, worin das fortdauernd sehr freundschaftlihe Verhältniß der Niederlande zu allen auswärtigen Mächten her- vorgehoben und die Lage des Landes als eine günstige ezeihnet wird. Als Berathungsgegenstände werden aufgeführt eine Bor- lage über definitive Regelung des Münzwesens, eine Mo-

difikation der bestehenden Geseßzgebung in Betreff der Zu cker- steuer und der Eingangszölle, eine Vorlage wegen ver- befsernder Umgestaltungen im Kriegsdien fte, Fortseßung der Berathung von Maßregeln zur Herstellung eines tüchtigen Defensivsystems und zur Verbesserung des Kriegsdienstes in Indien. Betreffs des Kriegs in Atchin heißt es, derselbe habe zwar noch zu keinem befriedigenden Ergebniß geführt, gleihwohl hege der König das Vertrauen, daß energishe An- strengungen wohl bald zum gewünschten Ziele führen würden. In Surinam würden die landwirthschaftlihen Verhältnisse Un- terstüßung Seitens des Staates erheishen, der Handel von Curacao sei von den dur die wiederholten Aufstände in Vene- zuela herbeigeführten Schwierigkeiten nicht unberührt geblieben, indeß gebe ih der König der Erwartung hin, daß die eingelei- teten Verhandlungen die Beseitigung dieser Schwierigkeiten zur Folge haben würden.

Großbritannien und ZFrland. London, 19. Sep- tember. Londoner Berichten zufolge ift zu befürhten, daß das Auswanderer\chiff „Strathmore“, welches am 19. April von London nah Otago absegelte und eine Mannschaft von 40 Köpfen so wie eine große Zahl Auswanderer an Bord hatte, zu Grunde gegangen ist, da dasselbe nah fünf Monaten seinen Bestimmungsort nicht erreicht hat; andere Schiffe von gleicher Bauart pflegen die Fahrt in 70—80 Tagen zurüczulegen.

Frankreih. Paris, 20. September. Der Kriegs- Minister hat an die Generale eine Verfügung ergehen lassen über die Anwendung der Pfeifen und Trompeten bei der In- fanterie. Sämmtlihe Compagnieführer sollen mit einer Pfeife nah dem Baduelsh:-n Modell versehen sein und bei folgenden Gelegenheiten davon Gebrauch machen: a. Beim Tirailliren, um die Aufmerksamkeit der Leute zu erregen, die alsdann mit der Stimme und der Handbewegung geleitet werden; b, wenn wegen der Nähe des Feindes es nicht thunlich ist, von der Trompete Gebrauch zu machen; in den Bivouaks, um den Befehl zum plöglihen Ergreifen der Waffen zu. geben; bei einem Hinterhalt, um das Signal zum Angriff zu geben; bei dem Sicherheitsdiens als Mittel der Erkennung und als Allarmsignal. Auf dem Sthlachtfeld oder wenn man dem Feinde schr nahe ist, können die hohen Offiziere oder die Compagnie- führer allein von der Trompete Gebrauh machen, aber sie dürfen zu dem Jnstrumente nur in folgenden Fällen ihre Zuflucht nehmen: a. Wenn es unmögli ist, die Befehle mündlih zu ertheilen; b. wenn das Feuern eingestellt werden soll; c. um das Vorgehen der Reserven zu beschleunigen, einen allgemeinen Impuls, das Signal zum Sturm oder dem Angriff mit dem Bayonnet zu geben; in diesem Falle wird das Signal von allen Tambours und Trompetecn der am Angriff Theil nehmenden Truppen wiederholt; d. um die Truppen nah einem Angriff zu sammeln. Die oben erwähnten Vorschriften sind nit allein in Kriegszeiten, sondern au bei den Manövern und bei den Feld- dienstübungen zu befolgen. Die Infanterie-Corps erhalten dem- nähst 18 Pfeifen für jedes Infanterie-Regiment, für jedes Jäger- Bataillon, 17 für jedes Zuaven- und algerisches Tirailleur- Regiment und 16 für die Fremdenlegion. Der Divisions- General Doutrelaine, der zur Zeit an den Arbeiten der Kommission für die Grenzbestimmung zwishen Deutshland und Frankreih Theil genommen, is, wie die „K. Z.“ berichtet, an Stelle des verstorbenen Generals Frossard zum Vorsißenden des Befestigungscomités ernannt worden. Der Kriegs - Minister hat für die Soldaten aus den übershwemmten Departements, welche sich gegenwärtig auf Urlaub befinden, den Urlaub um einen Monat verlängert.

21. September. (W. T. B.) Der ehemalige Präsident des Corps legislatif, Schneider, ist bedenklih erkrankt.

Spanien. Wie aus Paris unter dem 20. September „W. T. B.“ berichtet, haben nah dort eingegangen Nachrichten 3000 Carlisten die französische Grenze überschritten. Die Verbindungen zwischen Irun und San Sebastian sind r.unmehr wieder hergestellt; der Eisenbahnverkchr zwishen San Sebastian und der französishen Grenze ist wieder eröffnet worden.

Türkei. Kragujevaß, 20. September. (W.T. B.) Die Skupschtina hat in ihrer heutigen Sißung den von der Ma- jorität des Aus\hu}ses vorgeschlagenen Adreßentwurf mit 71 gegen 44 Stimmen angenommen. Die angenommene Adresse ist nur eine Paraphrase der Thronrede. Morgen wird Fürst Milan die Adresse entgegennehmen, welche ihm durch eine Deputation überbraht werden wird.

Cettinje, 19. September. (W. T. B.) Von Seiten der Insurgenten wird hierher gemeldet, es sei gestern in der Nähe der türkischen Festung Berana zu einem a chtstündigen Gefechte gekommen, welches mit dem Rückzuge der Türken in die Festung geendigt hätte.

Nußland und Polen. St. Petersbur g, 19. September. Die Kaiserin if in Begleitung der Großfürsten Ss\ergei und Paul Alexandrowitsch am 12. September Nachmittags von Zarskoje-Sselo nah Livadia abgereist. An demselben Nachmit- tage hat sich die Großfürstin Maria Alexandrowna, Her- zogin von Edinburgh, in Begleitung ihres Gemahles und ihres Sohnes von Zarskoje:Sselo nah Peterhof begeben, um von dort die Seereise nah England anzutreten. Ueber die lezten Vorgänge in Kokand bringt der „Ruf. Jnv.“ nah- träglih ne folgende Mittheilungen : Der ganze Vormarsch unseres Detachements von Machram bis Kokand glich einem Triumph- zug, überall kamen die Einwohner unseren Truppen mit Salz und Brot und Unterwürfigkeitserklärungen entgegen. Etwa dreißig

.Werst von Kokand wurde General-Adjutant von Kaufmann

von Vertretern des Handelsstandes der Hauptstadt des Chanats empfangen, durh welche Chan-Sade alle unsere Gefangenen, welhe während der leßten Invasion der Kokander in unser Ge= biet aufgebraht worden waren, auslieferte. Sodann kam der Chan selbst dem Oberbefehlshaber unserer Truppen entgegen. Vor Kokand angelangt, nahm ein Theil unseres Detachements ohne Shwertstreih das Ssyrmasarskische Thor der Stadt und die deinselben nächstgelegene Barrière in Besiy. General-Adju- tant von Kaufmann erschien mit dem Chan in unserem Lager, das drei Werft von der Stadt aufgeshlagen war. Nachrichten aus Taschkent zufolge herrsht im. ganzen General-Gouvernement Turkestan vollkommene Ruhe.

Der Meétropolit Isidor von Nowgorod, St. Petersburg und Finland feierte am 12. d. M. sein fünfzigjähriges Priester= jubiläum. Der Kaiser hat demsclben zu dieser Feier einen mit Edelsteinen verzierten Erzbischofs\stab sowie ein anerkennen=- des Shhreiben übersandt.

Dänemark. Kopenhagen, 20. September. Am Sonn- abend Vormittag wurde auf dem Exerzierplaze vor dem Nor-= derthore die sogenannte nigsrevue über sämmtliche hier garnisonirende Truppenabtheilungen abgehalten. Se. Majestät