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Wilhelmstr. Nr. 32,
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Anzeiger
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Königlich Preußischer Staats
Berlin, Montag,
Deutscher Reichs
Das Abonnement beträgt 4 60 S für das Vierteljahr. Insertiouspreis für deu Raum eiuer Druckzeile 30 -&
die Gilde der Kaufleute, Gewandschneider und See- fahrer, und seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Seidenkramer- und Gewandschneidergilde genannt wurde. Unter Kaufleuten verstand das Mittelalter die Groß- händler, * während die Detaillisten „Krämer“ genannt wurden unter Gewandschneidern die Tuchhändler, weil nur sie, nicht die Tuchmacher, das Tuch aus\hneiden, d. h. einzeln verkaufen durf- ten, Was aber die auffallende Erscheinung einer Seefahrergilde (gulda stagni, gulda stagna petentium) in einer Binnenstadt an- betrifft, bei welcher niht einmal ein \hiffbarer Fluß vorüberfließt \o hat dieselbe ihren Grund darin, daß der Handel von Stendal si bereits in. der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts bis Flan- dern und England ausdehnte, und daß daher die Stendaler Kaufleute es vorzogen , ihren überseeishen Handel auf eigenen Seeschiffen zu betreiben. Die Seefahrergilde wird in den Jahren 1288 bis 1338 wiederholt erwähnt, if aber später eingegangen , theils vielleicht in Folge der inneren Ver- hältnisse, vorzugsweise aber jedenfalls deshalb, weil die hansischen Seestädte seit dem Uebergange der Kaufmannshanse in eineu hansishen Städtebund diesen Handel als ihr Eigenthum betrach- tet und daher die Binnenstädte zurückgedrängt haben. Troßdem blieb der Tuchhandel Stendals mit Flandern, namentlih mit Gent, das ganze Mittelalter hindurch sehr bedeutend, \o daß 3. B. im Jahre 1466 bei einem Streite zwischen Gent und Hamburg der Rath der leßteren Stadt die Vermittelung des Rathes von Stendal erbat, „weil die Stendaler Kauf- [leute in Geuter Laken und Gütern mehr als die Kauf- leute anderer Städte hantirten“ (Geschäfte machten). Obgleich die Gewandschneidergilde den Charakter einer Er- werbsgenossenshaft, wenn auch niht aus\chließlih, hatte, \o stand sie doch in bewußtem strengem Gegensaze zu den Handwerkern. Leßtere mußten, wenn sie Aufnahme in die Gilde begehrten, ein 12mal höheres Eintritts- geld als andere vezahlen und überdies das Hand- werk abshwören. Diese Stellung ist begründet in der historischen Entwickelung, indem die Gewandschneidergilde aus der alten Stadtgilde oder VBürgergilde, den eigentlihen Vollbürgern oder Großbürgern hervorgegangen war. Daher besaßen au nur die Mitglieder dieser Gilde das aftive und passive Wahlrecht für den Raths- und Schöppenstuhl; daher waren fie auch im Stande fich das Monopol des Tuhhandels zu fihern und den Produ- genten, also den Tuchmachern , sehr ershwerende Bedingungen aufzulegen. So z. B. war es diesen verboten, auf mehr als einem Stuhle zu arbeiten, da bei ciner größeren Produktion die Möglichkeit einer Kontrole, ob fie niht doch Tuch im Einzelnen perkauften, aufgehört hätte. Im Uebrigen aber hatte diese Gilde wie die meisten mittelalterlihen Vereinigungen, eine derartige, den ganzen Menschen umfassende Tendenz, daß sih aus neuerer Zeit nihts Analoges anführen läßt. Die Gilde sorgte 3. B. auch für das gesellige Vergnügen ihrer Mitglieder Männer wie Frauçen ; fie sorgte auch für Erhaltung der Wohl- anständigkeit in den Gildeversammlungen, bestrafte daher Belei- digungen der Mitglieder unter einander, verbot allzuhohes Spiel A Sie sorgte ferner für ein ehrenvolles Begräb- niß ihrer Angehörigen, für Abhaltung von Messen zum Seelen- heile der Abgeschiedenen; fie befahl bei Verlust des Gilderechts daß auf der Reise jeder mindestens einen Tag und eine Nacht auf eigene Kosten bei seinem Gildebruder ausharren mußte, falls dieser in Krankheit oder andere Noth gerieth u. \. 1. i __Im Jahre 1345 wurden die politishen Prärogative dieser Gilde dur einen Volksaufstand beseitigt, sie selbs also einer gewöhnlichen Gewerksgilde gleichgestellt, so daß fie fortan nur noch 2 von den 12 Rathmännern zu wählen hatte. Von den übrigen 10 Rathmännern wurden 2 gewählt von den nicht zünftigen („gemeinen“) Bürgern, und der Rest ging hervor aus den Wahlen der damals bestehenden Innungen, nämlih der Tuchmacher, Kramer, Kürschner, Gerber und Schuster, Bäter und Schlächter (Knochenhauer). Außerdem hatten auch die Gilde- meister dieser Innungen Theil zu nehmen an „des Rathes Sprache“. Schon hieraus ergiebt sih, daß auch die gewöhnlichen Handwerkerinnungen keineswegs blos gewerbliche Tendenzen ver- folgten; vielmehr erstreckten auch sie ihren Einfluß auf alle Ver- hältnisse bürgerlichen Lebens, einshließlih des Familienlebens. Daher begegnen wir au hier zahlreichen Verfügungen für Meister und Gesellen, welhe auf die Wahrung von Sitte und Anstand oder auf gesellige Vergnügungen oder auf gegenseitige Unterstüßung oder auf die Sorge für das Seelenheil ver- ftorbener Gildebrüder und Gildeshwestern Bedacht nehmen So gründeten z. B. die Kürschnergesellen 1372 eine Krankenkasse, deren Mittel theils aus stehenden Bei- trägen, theils aus Strafgeldern * beshaft und er- krankten Mitgliedern des Vereins vorshußweise zur
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ZUr-GesGihGte der Shrift. Ii (Vergl. Bes. Beil Nr. 37 vom 18. September.) Die deutsche Schrift. 1) Entjtehung.
__ Die alphabetarisch-\semitishe Schrift, im Laufe der Zeit all- mählih vielfah verändert und umgewandelt, verbreitete sich, wie wir \{chon oben bemerkt, von Phönizien aus nah allen das Mittelländishe Meer umgebenden Ländern, ja, nah und nach über das ganze Abendland und trieb viele Ableger.
__ Die leßte Stufe, der Ausläufex der Entwickelung der abend- ländischen Schrift, ist die deutsche Schrift.
Der Gang war dieser: Das semitische Alphabet wurde, zu den Griehen gebracht, zum griechischen; die Griehen brachten die Schrift nach Jtaliea (wenigîiens ift dies wahrscheinlicher, als daß dort Phönizier die Schriftbringer waren). Aus der italishen Schrift formte fich das lateinishe Alphabet, welches im leßten Jahr- hundert vor der christlihen Zeitrechnung zu derjenigen Gestalt fih vollendete, die wir noch als große lateinische anwenden. Neben der geradlinigen, eckigen Formung sezte sich eine geläufigere, (cursìve), welhe rundete z. B. neben E: & In der Impe- ratorenzeit ftellten sih au einzelne Abkürzungen des Buchstaben- bildes ein (z. B. statt H b, ftatt B b); Spuren davon find weit älter, kommen \{chon bei den Griechen vor.
In den leßten Jahrhunderten des römischen Reiches verkommt im ganzen Westen die Schrift immer ärger, bis sie in einen Zustand äußerst shwieriger Lesbarkeit geräth, Wohl lagen Fortschritte darin, daß die Größe der Buchstaben aufhörte gleih zu sein, über- ragende und herabhängende Züge sich einstellten, der Unterschied von Grund- und Haarstrichen, vieleihr Wirkung der eingeführten Gänse- feder, sich einstellte, allein im Ganzen riß Nachl ässigkeit um sich. Die Buchstabenbilder veränderten \ich stark und werden oft bei- nahe unkenntlich. In der Zeit des untergehenden Alterthums und beginnenden Viittelalters bis zur Abklärung neuer Verhält- nisse ist auch der alte Schriftzug im Verkommen, und die Schrift neigt sfih zur Unleserlichkeit. Die Urkunde Odowakar's, die gothishen um 550, die merovingishe von 627 u. \. w. liest selbst ein Geübter nur mit großer Mühe.
Im achten Jahrhundert beginnt eine Wendung. Man strengte fih wieder an, \{hrieb wieder deutlicher, trennte die Wörter und auch die Buchstaben. Da s{hlug die reine abgekürzte Form des Alphabets dur, die sogenannte minuscula erecta, und wurde durhgeführt. Man schrieb nun mit jener Schrift, welche unser heutiges kleines lateinishes Alphabet aus- macht, Man schrieb wieder gleihmäßig, untershied große und kleine Buchstaben 2c.
Gegen 1200 beginnt eine Geshmacksrichtung um sih zu greifen, welche das Ecken und viele Haarstriche liebte und den Buchstaben im Vergleich zu seiner Breite etwas höher zeichnete. Man schärfte, die Schrift wurde spigiger, mit Schweifen geziert. So bildete sich die (fälshlih: „Gothische oder Mönchs\chrift“ be- nannte) Art, welche in die ersten Drucke überging. Unsere deutshe Druckschrift ist nun die Verede!ung diefer Art; cs halfen an ihr Künstler wie A. Dürer 1513, Facsì- milia der ältesten Drucke geben viele Bücher, Wetter, Falken- stein u. v. a.
4 Die „Mönchs\chrift“ der Drucke hat etwas Plumpes. Als die Deutshen Schweinsheim und Pannarz im Iahre 1468 den Lactantius in Italien druckten, griffen fie zu der ges{chmackvolle- ren Minuskel des karolingischen 2c. Zeitalters. Ia Ulm druckte darauf 1470 den Lactantius nohmals Joh. Zainer und nahm dieselbe Schrift. Hierauf ließ 1490/1501 in Venedig Aldus Manutius den Künstler Francesco Reibolini il Francia cinen \höôn eren Letternschnii:c anfertigen, den ahmte der Deutsche Froben in Basel nah 2x. So entstand unsere lateinische kleine (oder gewöhnliche) Schrift durch ein Zurückgreifen in das Mittel- alter, eine Schrift, von der (mit Abrehnung seltener Anwen- dung von ein paar Buchstaben) die-alten Lateiner nichts wußten, *)
Die unglückselige Spaltung war da.
*) Anmerkung: Letronne, diplomes des roix Meroviogiens ; Mercau, Diplomati)ches Lesebuch. Da beide allein nicht ausreichen, jo vergleiche au: Die Buchschriften des Mittelalters. Wien, 1852; und; Arudt, Diplomatische Schrifttafeln. Berlin, 1874,
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Berlin, den 27, September. ländischen Palais abgestiegen.
Se. Königliche Hoheit der Prinz Friedrih der
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Vom 22. September 1875.
auf Grund des Z (Reihs-Geseßzbl.
Deutscher Kaiser, des Bundesraths, was folgt
5 S 2 - i -
sammten Reichsgebiete vom Höchsteigenhändigen Unterschrift 5 Fürst v. Bismarck.
chen Infiegel.
I& ilhelm.
vom 9. Juli 18 Artikel. September 1875.
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von Gottes Gnaden ünzgeseßes Einziger
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die Ernennung eines Bevoll-
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König von Preußen 2c., edrucktem Kaiserli
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1. Januar 1876 in Kraft. Auf Grund des Artikels
Urkundlich unter Un Reichs ist
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Verordnung, betreffend d verordnen im Namen des Artikels 1 des M
S. 233), mit Zustimmung
B ekanntmachung, betreffend
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2) Vergleich der deutschen und der lateinischen
« Schrift.
__ Um über die Frage, welche von diesen beiden Schriftweisen die vorzüglichere ist, zu einem richtigen Urtheil zu kommen, muß man beide niht nach an sih berehtigten, aber den Kernpunkt nicht treffenden, Gesichtspunkten, sondern nah demjenigen Ge- “rew canta betraten, der sich auf den Zweck der Schrift hin- richtet.
Nimmt man z. B. die Schönheit ins Auge, \o sieht ohne Widerrede eine lateinish gedruckte Seite weit gefälliger aus, als eine deutsch gedruckie. Und dies ist der Grund, warum jener \so Viele den Vorzug geben. Jedoch die Bestimmung des Buches zielt nicht auf Herstellung eines Kunstwerkes für den Anblick. Der Drucker wird natürli fo schön, als es angeht, seine Arbeit herzustellen traten ; allein ers an zweiter Stelle kommt die Rück- sicht hierauf.
_ Die Bestimmung der Schrift ist, gelesen zu werden. Diejenigen Buchstaben, welche sh am schnellsten, am leitesten und sichersten lesen lassen, find folglich die geeignetsten. Da zeigt fich, daß gerade, was der deutshen Schrift an Schönheit kostet, ihr zum Vortheil gereicht.
Die Bedingungen, an denen die Erreichung des Zweckes hängt, sind demnach: die Einfachheit, so weit thunlih. Un- nügze Züge beschäftigen unnüß das Auge und die Aufmerksam- keit, und wenn es fich dabei auch nur um ganz minimale Zeit- monumente jedeómal handelt, so giebt die Summirung derselben für das Lesen eines Bandes oder gar während eines ganzen Lebens doch immer ein Quantum Abgang. Die größte Spar- samkeit im Aufbrauch der Mittel erhöht aber die Leistungs- fähigkeit des Menschen. Ueberflüssigè Züge haben gar keinen Zweck. Verzierungsstrihe werden eben nur bei Ruhepunkten oder in Ausnahmen berechtigt sein. Niemand liest doch, blos um Buchstaben zu sehen: :
Jn dieser Beziehung i} die lateinishe Schrift tadellos. Die deutsche unterliegt Gebrechen, namentlich in ihren großen Buh- staben. Indeß steht es doh so, daß die Mängel nicht den kleinen deutshen Buchstaben an sih anhaften, sondern durch den falschen Geschmack der Letternschneider, die allerhand hier gar nicht in Frage kommende ästhetische Rücksichten nahmen, verursacht werden.
__ Die zweite Bedingung ist die leichte Erkennbarkeit, die dritte das Abhalten von naheliegenden Verwech- \felungen bei flühtigem Hinsehen.
Dazu ift erforderlich eine starke Verschiedenheit in den Buchstabengestalten und eine solche Beschaffenheit der Form, daß man über ihren Werth niht nahzusinnen hat, sih niht aufhält. In dieser Hinsicht ist die deutshe Schrift der lateinischen entschieden überlegen.
Die lateinishen Buchstaben find zur größtmöglichen Knapp- heit gebracht, aber allzusehr ¿mter einander verwandt, daher von jener Gleihmäßigkeit, welhe die Ursache der Wohlgefälligkeit dieser Schrift ‘ist. In kleinen Verschi denheiten liegt das Kenn- zeichen c, 6, 05a, 4 Þ PEÙ, L u; D E D L es herrschen 0 i 1,
Die deutschen hingegen besißen weit auffälligere Merkmale, zum Theil gerade wegen ihrer Eigkeit; sie bestehen aus mehr Strichen, aber sie unterscheiden fich von einander \{chärfer und find daher auf den esten, auf den flüchtigen Bli leichter zu erfassen. Die Anstrengung im Aufmerken braucht daher ge- ringer zu sein, und so ermüdet das Lesen von Deutsh Gedruck- tem nicht so sehr.
Allerdings liegt bei einigen die Gefahr des Verwechselns au nahe, ja näher; kann aber die Schrift für das Verschulden unverftändiger Letternzeichner, welche das \ (= f) mit so dünnem Querstrih in der Mitte machen, statt es derb zu durchstreichen, daß es ‘dem mit einem unnügen Ansaßstrichelhen verstärkten f (\) zum Täuschen glei sieht ? oder dem e einen so dünnen Quer- strich geben, daß man es leicht für c nehmen kann? Dergleichen jeßt modische Fehler sind leiht zu vermeiden. s
Wegen der größeren Mannigfaltigkeit in den deutschen Buchstabenformen macht sogleich der Anblick eines aufgeschla- genen deutshen Buches einen arakteristisheren Eindruck als der ist, welchen ein lateinishes hervorbringt. Und wer (was ja öfter vorfommt) im Falle ift, ein ganzes Buch zu durch- blättern, um mit einem oder zwei Blicken eine ganze Seite zu überschlagen, sei es um eine ungefähre Vorstellung zu be- kommen, wovon das Buch handelt, ob und welcher Theil ge- nauer zu lesen lohnt, oder wo eine bestimmte Stelle steht: der wird mit einem deut\ch gedruckten früher fertig sein, als mit einem lateinischen. Bei leßterem muß er weit \{härfer Acht geben, eben weil ihm die Merkmale wegen ihrer geringeren Ver- schiedenheit uicht so {arf entgegentreten, sagen wir, sih nicht so grob geben,
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Aber das Lesen wird von diesem Charakter des Deutschen unterstügt, und dies is es ja doch, worauf es ankommt. Die zu überwindende Schwierigkeit ist älso etwas verringert — auch nur um ein Weniges, indeß es senkt die Schale.
Jak. Grimm hat seine unantastbaren, unsterblihen Ver- dienste; aber man wird do in manchen Punkten von ihm ab- weichender Meinung sein können. Dahin gehört, wie seine Nach- siellung der deutschen Sprache hinter die englische, seine Empfeh- lung der lateinishen Schrift und seine Abschaffung der großen Buwhstaben in Hauptwörtern. Die großen Buchstaben sind gerade ein Erleihterungsmittel des raschen Lesens, des s{hnellen Ueberblikens und Zusammenreimens eines Sayes. Nur muß man sie niht allzu ausgedehnt anwenden, sonst geht der Nutzen wieder verloren. Rationell mögen sie immerhin nicht sein, aber sie unterstüßen das Verständniß.
Unsere deutsche Handschrift eilt geradezu ihrem Untergange entgegen. Theils verschulden dies unsere Stahlfedern, die der- zeit noch niht weih genug sind, um ohne Anstrengung den wichtigen Unterschied von Grund- und Haarstrih genugsam zu gestatten, theils unsere Schreiblehrer. Dieselben begehen nämlich in der Regel den Fehler, die Kinder nit grade, in Nachahmung der Druckschrift, anfangs schreiben zu lassen und ihnen die Ausprägung der Kennzeichen anzuempfehlen, sondern lassen sie sogleich sehr \chräg schreiben. Wegen der Haltung der Hand wird" sich die Schrift, wenn der Mensch niht mit Bewußtsein entgegenarbeitet, immer etwas s{hrägen; von Haus aus shräges Schreiben führt aber zu immer geneigterer, liegender Schrift und diese hin- wiederum zur Verlängerung der Stäbe und Abshwächung der untersheidenden Kennzeichen.
Das alte Augustinerkloster zu Nürnberg und dessen Uebertragung in das germanishe Museum.
Ik (Vergl. Bes. Beil. Nr. 37 vom 18, September.)
Die malerishe Erscheinung des unregelmäßigen Gebäude- Konglomerates war noch wesentlih gehoben worden durch die Staffage, welche sich darin gebildet hatte: übéèrwucherndes Unkraut im innern vom Kreuzgang umshlos}senen Hofe, Haufen von Unrath aller Orten; in dem einen Flügel des Kreuzganges hatte sich unter ven zum Theile rußgeshwärzten Gewölben zwishen Staub und Spinnengeweben ein Seiler seine Arbeits\tätte bereitet; ein Flügel diente zur Aufbewahrung von Gerümpel aller Art, über das man hinwegsteigen mußte, um die seltsamsten aber anziehendsten Farben und Beleuchtungseffekte zu finden. Die Leonhardskapelle diente als Raum zur Austhei» lung der Armensuppe und es waren höchst charakteristishe Gestalten dort zu finden. Das Chörlein war durch eine Wand abgetrennt wor- den, und, um durch die ehemalige Augustinuskapelle in die Höhe zu steigen, war eine Wendeltreppe darin angelegt, auf welchev lärmende Knaben der untersten Volksshichten sich auf und ab bewegten, denn im ehemaligen Dormitorium waren, dur Zwischenwände getrennt, mehrere Klassen einer Volks\chule unter=- gebraht. Alleathalben hatte sich Volk der verschiedensten Art häuslih niedergelassen. Weiher Und Kinder saßen plaudernd und \hreiend, arbeitend und nichtsthuend in den Höfen und Gängen. Für die Zweke der Landwehr waren einzelne Gelasse in Anspru genommen, und die kräftigen jungen Leute, welche in halber Uniform ab und zu gingen, vermehrten das Malerische in der Staffage der eigenthümlihen Gebäudegruppe. Feder Schritt bot ein neues Bild, wie es eben der Maler suht. Da war denn das Augustinerkloster den vielen deutshen Künstlern, welche fort und fort Nürnberg besuchten, bekannt und lieb ge- worden, und das Bedauern über dessen nothwendigen Abbruch in Aller Munde.
Man richtete daher die Blicke auf das germaniscche Mu- seum, welches vom deutschen Volke nach Nürnberg versetzt, die Aufgabe hat, die Denkmäler unserer nationalen Vergangenheit zu wahren und zu pflegen.
Das germanishe Museum hatte in. ähnlicher Verwahr- losung das alte Karthäuserkloster übernonnmen, wo nah der Reformation die übergetretenen älteren Augustinermönche von der Stadt Nürnberg Aufenthalt und Versorgung erhalten hatten. Es hatte begonnen, die noch aufrecht stehenden Theile der Kart- hause zu restauriren und wieder zu festigen, die niedergerissenen wieder aufzubauen und von jeher gesucht, zu diesem Zwecke aller durch Abbruch dienstlos gewordenen alten VBau- theile habhaft zu werden, deren die Baulust in Nürnberg sehr viele
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