1875 / 233 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 05 Oct 1875 18:00:01 GMT) scan diff

Mark si vecmehrt habe, und daß an Münzen zum Werthe von 10 und 5 Reichspfennigen der Betrag von 54 Millionen Mark mehr dem Verkehre zugeführt sei.

Was die 22 Silbergroschenstücke betrifst, von denen in Preußen seit 1843 ca. 164 Millionen Mark als Scheidemünze geprägt worden find, so ist bis jeßt weder eine Außercours- sezung noch eine Einbehaltung derselben bei den Königlichen Kassen verfügt worden. Von Seiten des Reichs werden nur die ungangbar gewordenen Stücke dieser Münzen, fowie die als Courantmünzen ausgeprägten braunschweig-lüneburgischen resp. hannovershen 24 Groschenstücke (mit dem springenden Pferde) eingezogen, was bis Ende August d. I. eine Summe von wenig über 45,000 6 ergeben hat. - Dabei sind in Preußen an Reichszwanzigpfennigstücken über 24 Millionen Mark ver- theilt worden; entfallen hiervon circa 2 Millionen auf die süddeu!shen Bezirke (Sigmaringen, Wiesbaden mit Frank= furt a. M ), woselbst die bezeihneten Reihsmünzen die aus dem Verkehr gezogenen Sechskreuzerstücke erscht haben, so ist der Betrag von 2 Millionen Mark in* den norddeutschen Provinzen den im Werthe von 25 Reichspfennigen im Umlauf verbliebenen 9x Silbergroschenstücken neu hinzugetreten. -

Von den § und §{ Thalern find lediglich die mit den Iahres- zahlen 1758, 1759, 1763 geprägten reduzirten Stücke, welche nur vereinzelt noch zum Vorschein kommen, zum Ld. O, außer Cours gesczt. Eine Außercourssezung der nah Einführung des Münzfußes von 1764 geprägten F und 2 Thaler hat seither nicht stattgefunden, doch sind die Staatskassen angewiesen, die bei ihnen eingehenden # Thaler deren Ausprägung {hon mit dem Jahre 1809 aufgehört hat und deren Annahme wegen der ihnen ähnlichen unterwerthigen sogenannten polnishen Achtgroschenstücke hier und da verweigert wurde nicht wieder auszugeben. Ein Gleiches ift hinsichtlich der h Thaler niht gesehen; sie befinden sich unbe- hindert im Umlaufe und waren in folhem Ueberflusse vorhanden, daß sie sich in den Bankkassen ungebührlich ansam- melten. Von diesen hat die Reihsverwaltung einen ansehnlichen Betrag von F Thalern erworben. Unter Hinzurehnung dieses Betrages sind bis Ende August d. I. an & und 4 Thalern zu- fammen etwas über 15 Millionen Mark dem Münzdepot Üüber- wiesen worden ; gleichzeitig aber ift dem Verkehr reichlicher Ersatz dadurch gewährt, daß bis zu demselben Zeitpunkte mehr als 15 Millionen Mark an Einmarkstücken in Preußen zur Verthei- lung überwiesen find.

Unter Aufhebung der Cirkularverfügung vom 9. De-

zember 1872 hat der Minister des Innern dur ein Cirkular- reskript vom 4. v. M. bestimmt, daß an diätarisher Re- muneration den bei den Straf- undGefangenanftalten zur Ableistung des Probedienstes, behufs Anstellung in er- ledigten Aufseherstellen, herangezogenen Anwärtern der Be- trag des jeweiligen Minimalgehalts der Aufseher und Auf- feherinnen, gegenwärtig also der Betrag von jährlih 900 Æ resp. bei Anwärterinnen von 600 H, neben freier Wohnung oder der etatsmäßigen Miethsentshädigung bewilligt werden darf. Die Anordnung darüber, welche diätarishe Remuneration den vorübergehend zur Aushülfe oder zur Vertretung erkrankter Be- amten anzunehmenden Hülfsaufsehern resp. Hülfsaufseherinnen in jedem einzelnen Falle zu bewilligen, ist den Bezirksregie- rungen nah wie vor mit der Maßgabe überlassen worden, däß diese Vergütungen die oben gedahten Säße nur ausnahmsweise erreichen, niemals aber überschreiten dürfen. |

Dex Minister des Innern hat im Einvernehmen mit dem Finanz-Minister, dur einen Cirkularerlaß vom 13. August d. I. genehmigt, daß den nit ftändigen Mitgliedern der Ober-Ersaß-Kommissionen bis auf Weiteres auch für die Geschäfte an ihrem Wohnorte Tagegelder gewährt werden.

Am 2. d. M. traten die vereinigten Abtheilungen des Ober-Tribunal s- Senats für Strafsachen zu einer Plenarverhandlung zusammen, in welcher die Frage ent- schieden wurde: Gehören Pferde-Eisenbahnen, welche dem allgemeinen Verkehr des Publikums dienen, zu den Eisenbahnen im Sinne der §8. 315 und 316 des Reichs-Straf- Geseß-Buches? Das Ober-Tribunal verneinte diese Frage.

Der General-Lieutenant von Rau ch, Commandeur der 9. Division, ist mit Urlaub von Glogau hier eingetroffen.

Dex General-Major von Kameke, Inspecteur der 1. Fuß-Artillerie-Inspektion, und der Oberst Ribbentrop, à la suite des Kriegs-Ministeriums und Präses der Artillerie- Prüfungs-Kommission, find von ihren resp. Urlaubsreisen hierher zurückgekehrt.

Der General-Major z. D. Graf von der Groeben, zulegt Commandeur der 5. Kavallerie:Brigade, hat hierselbst feinen Wohnsiß genommen.

„— Der Contre-Admiral Henk, Direktor der Admiralität, hat sich mit mehrwöchentlihem Urlaub nach Süddeutschland und der Schweiz begeben.

Der Hauptmann Witte, der seit längerer Zeit ‘als Brand-Direktor designirt is, hat am. Freitag, 1. Oktober, nach dem Austritt des Geh. Regierungs-Raths Scabell die Lei- tung des Feuerlöshwesens von Berlin übernommen.

Bromberg, 30. September. Durch Allerhöchste Kabinets- ordre vom 16. September c. find nächstehenden im Regierungs- bezirk belegenen Ort\ chaften und Gütern ftatt ihrer bisherigen polnischen Namen deut\che Benennungen ertheilt worden. Im Kreise Bromberg: dem Vorwerk Wudzynnek Lindau, Dorf Kl. Schittno Wilhelmsort, Trziniec Schönberg; im Kreise Gnesen : Stadt Czerniejewo Schwarzenau, Dorf Barczyszna Braundorf ; im Kreise Inowrazlaw: Rittergut Zernik Shönwerth, Gut Gebnia Wiesenfelde; im Kreise Wirsig: Dorf Ruda Johannesburg, Gut Osftrowek Schönwerder, Vorwerk Skoraszewo Annafeld, Rittergut Kostowo Friedrihshöhe, Dorf Luhowo Buchen; im Kreise Wongrowiz: Dorf Dzwonowo Schwanau, Szczodrohowo Deutschfeld, Zuzolly Wiesensee.

Breslau, 4. Oktober. Se. Königliche Hoheit Prinz Friedrih der Niederlande is heute früh, mit dèm Berliner Schnellzuge aus Muskau konimend, auf der Durchreise nach Swchloß Camenz auf dem Centralbahnhofe hier eingetroffen und von dem Kommandanten von Breslau, General-Major von Wulffen, empfangen worden.

Osterode, 2. Oktober. Se. Königliche Hoheit der Prinz Friedrihch Carl traf am Sonntag, den 26. v. M., auf der Fahrt nach dem Forstrevier Taberbrück, Nachts 114 Uhr auf dem Bahnhofe hierselbsstt ein. Zum Empfange hatte sih die 2. Escadron des 1. Leib-Husaren-Regiments, dessen zweiter Chef der Prinz is, unter Führung des Rittmeisters Freiherrn v. Putt- famer nah dem Bahnhofe begeben und auf dem Perron mit

dem Trompeter-Corps des Regiments Parade-Aufstellung ge- nommen. Außerdem hatte sih zur Begrüßung der Regiments-Com- mandeur, Oberst-Lieutenant v. Dettinger, mit sämmtlichen Offizieren des Regiinents und den Reserve-Offizieren Graf zu Dohna-S{hlo- bitten und Graf Krockow- v. Wickerode eingefunden. Nachdem Se. Königliche Hoheit die Front der Escadron entlang gegangen war, entließ Er dieselbe, und begab Sih nach dem Köhlschen Gasthause, wo Se. Königliche Hoheit ein Höhstdemselben vom Regi- mente angebotenes Abendessen einnahm. Gegen 14 Uhr hob der Prinz

die Tafel auf und. begab Sich mit Extrapost nah der 17 Meile _|

entfernten Oberförfterei Taberbrück, um daselbst auf Rothhirsche zu pürshen. Am 830. v. M. hat der Prinz den hiesigen Kreis wieder verlassen und Sih mit dem Frühzuge nach der Ober- försterei Nassaven im Regierungsbezirk Gumbinnen begeben.

Posen, 3. Oktober. Die zum 18. Provinziallandtage des Großherzogthums Posen einberufenen Abgeordneten wohnten heute früh um 10 Uhr dem Gottesdienste in der ka- tholishen Pfarrkirhe ad St. Mariam Magdalenam bezw. in der evangelischen Kirche St. Pauli bei und vèrsammelten sich sodann um 124 Úhr Nahmittags in dem Sißungssaale des sog. alten Landschaftsgebäudes hierselbft.

Nachdem der Königliche Kommissarius, Wirkliche Geheime Rath und Ober-Präsident Guenther, durh eine Deputation benahrihtigt worden war, daß der Provinziallandtag versammelt sei, begab fich derselbe in die Mitte der Versammlung und er- öffnete den Provinziallandtag mit folgender Ansprache:

Hochgeehrte Herren!

Das Gesetz vom 8. Juli d. J., betreffend die Ausführung der 88, 5 und 6 des Geseßes vom 30, April 1873 wegen der Dotation der Prozinzial- und Kreisverbände, hat das Gebiet erheblich erweitert, welches der Verwaltung der Provinzialverbände unterstellt ift.

In Gemäßheit der Bestimmungen dieses Gesetzes werden das hiesige Hebammenlehrinstitut, die Gärtnerlehranstalt in Koschmin, die beiden Äckerbauschulen der Provinz, sowie die vom Staate in der Provinz erbauten und unterhaltenen Chausseen in Ihre Verwaltung übergelfen; es wird Ihnen ferner fortan die Fürsorge für den Neu- bau von chaussirten Wegen, die Unterstützung des Gemeinde- und Kreiswegebaues, die Beförderung von Landesmeliorationen die Unterstüßung milder Stiftungen, Rettungs-, Idioten- und anderer Wohlthätigkeits - Anstalten, die Leistung von Zu- \{hüssen für Vereine und öffentliche « Sammlungen, welche der Kunst und der Wissenschaft dienen, und die Förderung anderer ähnliher Zweckte neven Jhren bisherigen Obliegenheiten an- vertraut fein. :

Ueber die Einrichtung und die Normen der Verwaltung auf diesem erweiterten Gebiete werden Sie, meine Herren, das Erforder- liche zu beschließen haben, Hierauf bezügliche Vorlagen werden Ihnen gemacht werden. En A

Es werden Jhnen ferner der Entwurf einer landesherrlichen Ver- ordnung zur Ausführuyg des §. 22 des Fischereigeseßes vom 30. Mai 1874, sowie der Entwurf eines Reglements zur Ausführung der Be- stimmungen des 8. 60 Ziffer 6 des Viehseuchengeseßes vom 25. Juni 1875 mitgetheilt werden. Beide Vorlagen haben die Absicht, die gedachten Ge- seße durch die in denselben vorbehaltenen, den besonderen Verhält- nissen der Provinz entsprehenden Vorschriften zu ergänzen.

Eine weitere Vorlage bezweckt eine Aenderung des Reglements der Provinzial-Feuersozietät, welhe im Interesse der Betheiligten wünschenswerth erscheint,

Endlich werden Ihnen die erforderlichen Berichte und Ausweise über die ftändischen Institute. und Verwaltungen zugehen.

Die Ihrer wartenden G&chäfte sind für die Entwickelung der

V s von großer Bedeutung. Sie werdeh dieselben mit der Sorg- a

[t und Gründlichkeit erledigen, welche Sie bei Ihren Berathungen stets haben walten lassen, Soweit Sie dabei meiner Mitwirkung bedürfen, werde ih dieselbe bereitwillig eintreten lassen.

Indem ich Ihnen, Herr Laudtagsmarschall, den Allerhöchsten Landtagsabshied vom 17. September d. Js. und das Allerhöchste Propositionsdekret von demfelben Tage überreihe, und Sie bitte, meine Ansprache polnisch wiedergeben zu lassen, erkläre ih im Auf- trage Sr. Majestät des Kaisers und Königs den 18, Provinzial- Landtag des Großherzogthums Posen für eröffnet.

Der Landtagsmärshall Freiherr von Unruhe-Bomst ent- gegnete hierauf :

Hocgeehrter Herr Landtags-Kommissarius !

Die Vorlagen, welche Ew. Excellenz uns als Grundlagen un- serer Berathungen in Ausficht stellen, sind von der höchsten Be- deutung, und mit Interesse sind wir der Aufzählung derselben gefolgt.

In den Vordergrund drängt sih dabei allerdings die Ausführung des Geseßes wegen der Dotation der Provinzial- und Kreisverbände, und ih darf diese wohl als un}ere wichtigste Aufgabe ansehen.

Wenn der [ständishen Selbstverwaltung bisher nur enge Grenzen gefteck# waren und das Gebiet derselben sih wesentlich auf die Für- jorge unsrer unglücklichen, an Geist oder Körper leidenden Landes-

genossen fowie der moralisch Verkommenen beschränkte und nur dur

die Institute der Provinzialhülfskasse, der Feuersozietät und des Chausseebaufonds ein s{chüchterner Versuh gemacht war, sih mit den materiellen Interéssen aller Angehörigen der Provinz in bestimmten Richtungen zu beschâftigen, so soll nunmehr dié Fürsorge für das gesatnmte Straßen- und Wegebauwesen, mithin für die Erhaltung und Schaffung der Adern des Verkehrs, für die Beförderung von Landeëmeliorationen, das heißt also, da unsre Heimath im Wesentlichen vom Ackerbau lebt, mit der Fürsorge für die Alle ernährende utter; ferner für An- stalten, Vereine und öffentliche Sammlungen, die nicht allein Wohl- thätigkeitäszwecke verfolgen, sondern der Kunst und Wissenschaft dienen, uns überwiesen und uns die Mittel zu Gebote geftellt werden, alle diese Zwecke wirksam zu fördern,

Wie na des Dichters Spruch der Mens mit seinen größeren Zweckzn wächst, so erscheint auch der Landtag, welcher berufen ift, die Einrichtung und die Normen auf diesem erweiterten Gebiete zu be- rathen und zu beschließen, als einer der bedeutsamften, der je versam- melt war, zumal er wahrscheinlih die Reihe der in diefer Form zur Vertretung der Provinz berufenen Versammlung {ließt.

So is} denn nit nur jedes einzelne Mitglied shon heute von der Größe der Aufgabe durchdrungen, sondern auch die gesammte Körperschaft tritt mit Eifer und Gewissenhaftigkeit an die Ecledigung der Aufgaben heran und wird darauf bedacht sein, durch selbst ver- leugnendes Einanderentgegenkommen fich zu Beschlüssen zu vereinigen, welche dem Großherzogthum zum Segen für die Dauer gereichen.

__ Die Erfak;rung des leßten Landtages, den ih zu leiten die unver- diente Ehre hatte, hat mich» gelehrt, daß, so verschieden au die In- teressen der einzelnen Stände und der in denselben vertretenen Verbände sein mögen, doch der Gedanke Alle beseelt, daß es unsre-Aufgabe sei, wohl gegen einander abzuwägen, wie wir auf der einen Seite die Einrichtungen und Anstalten für die Dn des Landes und der Angehörigen desselben erweitern und zu wirksamerer Thätigkeit befähigen, ohne doch die Steuerkraft der Provinz, welche bereits auf das Höchste ange- spannt ift, noch mehr in Anspruch zu nehmen.

Ich weiß, ih kann Namens meiner Mitstände die Versicherung ausjprechen, daß auch der jeßige Landtag in derselben ‘Besinnung seine Arbeit beginnt und zu Ende führen wird.

Die Wichtigkeit der geschilderten Aufgabe soll aber der Behand- lung der übrigen verheißenen Vorlag-n niht zum Nachtheil ge- reichen, wir werden sie prüfen, ihnen die Aufmerksamkeit widmen, die ihnen gebührt, und begrüßen namentlich den Entwurf einer landesherrlihen Verordnung zur Ausführung des Fischerei- geseßes, bedeutsam für unsere an Seen so reiche Provinz, wie das Reglement zur Ausführung des Viehseuchengeseßes, das dem Interesse der- Viehzucht, dem wichtigsten Zweige der Landwirthschaft, dient, mit großer Fieude,

Die Verheißung Ew. Excellènz gütiger Mitwirkung acceptire ih mit großem Danke, fie garantirt uns die sachgemäße Erledigung unserer Arbeiten. /

Schließen kann ich aber niht, ohne mit Trauer des Mannes zu gedenken, der) dem Landtage als Mitglied längere Zeit angehörte und im Jahre 1871' an seiner Spiße stand, in der Zwischenzeit seit unserem leßten Zusammensein aber nach langer s{chwerer Krankheit durch den Tod aus unserer Mitte schied. Die sichere, kundige Ge schäftsleitung und die Lieben8würdigkeit im Verkehr mit den Genossen, die ihn auézeichnete, sicert ihm ein treues Andenken unter uns.

Und nun lassen Sie uns, geehrte Herren, der hergebrachten Sitte getreu, dem Gefühle der Verehrung für unsern König und Herrn Ausdruck geben, indem wir rufen: Es lebe Se. Majestät der Kaiser und König! | s

Die Versammlung ftimmte in das von dem Marschall aus gebrahte dreimalige Hoh auf Se. Majestät den Kaiser und König begeistert ein.

Der Königlihe Kommissarius wurde hierauf durh die Landtagsdeputation wieder zurückbegleitet, und es wurden sodann die Verhandlungen der diesmaligen Session eröffnet.

4. Oktober 1875. Nach dem Schluß der Eröffnungs- feierlihkeiten des 18. Provinziallandtiages am gestrigen Tage ernannte der Landtags-Marschall die Abgeordneten Dr. Szukdrzynski, und Alberti zu Schriftführern und den Abgeord- neten Reimann zum Quästor des gegenwärtigen Landtages.

In der heutigen 2. Plenarsizung find vier Abtheilungen zur Vorberathung der vorliegenden Gegenstände gebildet, und zwar: | I. Abtheilung für die Angelegenheiten der allgemeinen Vera fassungs- und Verwaltungs-, sowie Chaufseebausachen ;

11. Abtheilung für die Angelegenheiten der Korrektions= Anstalt zu Kosten und des Landarmenwesens;

IIL. Abtheilung für die Angelegenÿeiten der Provinzial= Irren-, Taubstummen-, Blinden - Anstalten und andere milde Stiftungen.

IV. Abtheilung für die Angelegenheiten der Provinzial Feuer-Sozietät, Hülfs- und Instituten-Kasse, Departementsfonds und Kassensahen im Allgemeinen.

Die bisherige Geschäftsordnung wurde wieder in Kraft geseht, die Vorsizenden der Abtheilungen zur Konstituirung ersuht, an dieselben die Landtags-Vorlagen vertheilt und vom Landtags=- marschall verkündet, daß die nächste Plenarfizung erst dann an= beraumt werden wird, fobald die Vorsißenden über die sofortigen Vorberathungen der Vorlagen berichtet haben werden.

Rendsburg, 3. Oktober. Nach zuvor abgehaltenem Gottesdienst wurde heute der siebente \chleswig- hol- steinische Provinziallandtag, zu welchem sich von 58 40 Abgeordnete eingefunden hatten, von dem Wirklichen Geheimen Rath und Ober-Präsidenten Freiherrn von Scheel-Plessen um 11+ Uhr mit nachstehender Anrede eröffnet:

Meine Hhochgeehrten Herren Mitglieder der Provinzial - Ständever- sammlung der Provinz Schleswig - Holstein!

In Folge Allerhöchster Ermächtigung bin ih von dem Herrn Staats-Minister und Minister des Junern Grafen zu Eulenburg dur Erlaß vom 18-v. Mts. beauftragt worden, Siezum heutigen Tage hierher zu berufen. Neben den Ihnen schon früher überwiesenen wichtigen Verwal- tung8angelegenheiten ist auf Grund des Geseßes vom 30. April 1873 wegen der Dotation der Provinzial- und Kreisverbände durch das Ausführungsgeseß vom 8. Juli d. J. das Feld Jhrer Thätigkeit um Vieles erweitert worden. Die Irrenanstalt bei Schleswig urid das

: Taubstummeninstitut gehen in das Eigenthum der Provinz über. Sie werden die Verwaltung dieser Anstalten zu übernehmen uud wegen

der Regelung derselben auf dethalb JFhnen vorgelegte Entwürfe Ihre Beschlüsse zu fassen haben. Ein gleiches gilt in Beziehung auf die Uebernahme der Verwaltung und Unterhaltung der Chausseen und der ausgebauten Nebenlandftraßen. Der Entwurf einer neuen Wegeordnung wird Ihrer Begutachtung unterbreitet werden. Wegen anderer bisher vom Staate subventionirtec geineinnüßiger Anstalten, die jeßt der Provinz überwiesen sind, werden Jhnen die erforderlichen Mittheilungen zugehen. Wegen Verwendung der dur Gese vom 9. Juni d. I. dem Provinzialverbande überwiesenen 45

Millionen Mark zur Ausgleichung der Kriegsschäden aus den Jahren

1848—51 werden Sie Ihre Beschlüsse zu fassen haben. Eine Auf- forderung wird an Sie gelangen, Sih über den Tarif vom 21. August 1871, betreffend die von preußischen Armenverbänden zu er- stattenden Armenpflegekoften, zu äußern; der Entwurf eines Regulativs, betreffend die bei Roßfkrankheiten und der Lungenseuche zu gewährende Entschädigung, wird Ihnen vorgelegt werden.

Zum Landtags-Marschall haben Se. Majestät der König den Grafen Emil Ranßau-Rastorff und zum Stellvertreter desselben den Stadt-Präsidenten Graba zu Glückstadt wiederum zu ernennen geruht. Von den bisher an mich gelangten, der geehrten Versammlung zu machenden Vorlagen der Staatsregierung habe ih dem Herrn Landtags» Marschall hon Mittheilung gemacht und werde 4s in gleicher Weise mit einigen ferner noch in Aussicht stehenden Vorlagen verhalten. Indem ih nunmehr die siebente Diät der Provinzial-Stände-Ver- sammlung der Provinz Schleswig-Holstein eröffne, ersuhe ih den Herrn Landtags-Marschall, seinen Siß einzunehmen und die Verhand- lungen der Versammlung in gewohnter Weise zu leiten, und füge den zuversichtlihen Wunsch hinzu, rcicher Segen erwachsen möge.

Der Landtags-Marschall ergriff sodann das Wort, indem er bemerkte, daß eine hauptsählihe Aufgabe des Provinzial- Landtags die Beschlußnahme über die Verwendung der dem ständischen Verband dur das Dotationsgesey vom 8. Juli d. J. zugewiesenen Rente bilden werde, Und \chloß mit einem Hoh auf Se. Majestät den Kaiser und König, in welches ‘die Ver- sammlung dreimal lebhaft einftimmte.

Zu Striftführern wurden gewählt der Abg. Niemand- Heide und Wiggers-Rendsburg und zu Redacteuren der „Stände- zeitung“ Jessen-Hadersleben und von Fischer Benzon-Heiligen- hafen.

Die Versammlung ehrte das Andenken ihres im lezten Jahre verstorbenen Mitgliedes, Senators Lesser-Altona, durch Erhebung von ihren Sizen.

Der Landtags-Marschall zeigte sodann den -Eingang einer

daß aus denselben dem Lande ein

größeren Anzahl von Sthreiben des Landtags-Kommissars an,

welche ih der Hauptsache nah aus der Anrede desselben ergeben. Von dem ständishen Aus\huß war eine Reihe von Berichten und Anträgen eingegangen, von denen hervorzuheben find der Iahresberiht über die Ergebnisse der Verwaltung pro 1874, ein Antrag auf Anstellung eines Provinzial-Syndikus, die Entwürfe von Finanzetats für die ständishe Versicherungsanstalt und für die provinzialständishe Verwaltung pro 1876, ferner ein Bericht über die Einführung der Kreisordnung vom 13. Dezember 1872 in der Próvinz Schleéwig-Holstein, ein Antrag auf Uebernahme der Privat-Blindenanstalt zu Kiel als provinzialständishes In- stitut, und der Erlaß eines Regulativs über die in Angelegen- heiten der ftändishen Verwaltung zu liquidirenden Tagegelder und Reisekosten.

Eingegangen waren ferner eine Proposition des Landes- Direktors von Ahlefeld wegen Erlasses eines revidirten Statuts für die Verwaltung der provinzialständishen Brandversicherungs- anstalten, sowie zahlreihe Petitionen, ‘von denen mehrere dahin gerichtet waren, daß der Provinzial-Landtag die zur Erftattung

yon Kriegs\häden aus den Jahren 1848—1851 bewilligten 4x Millioyen Mark nicht annehmen, - sondern bei der Staats- regierung die Zulaffung des Rehhtsweges beantragen wolle.

Die Sizung ward um 1 Uhr geschlossen und die nächste auf Montag, den 4, Oktober, anberaumt. ;

Bayern. München, 3. Oktober. Se. Majestät der König hat am ‘29. v. M. der Prinzessin Adalbert in Nymphen- burg einen anderthalbstündigen Besuch abgestattet, bei welchem er der Prinzessin persönlich sein, tiefes Beileid über das Ableben seines Oheims ausdrüdte. Die Organisation der äußeren Aemter der Königlichen Verkehrsanstalten is nunmehr der Genehmigung des Königs unterbreitet, und dürfte demnächst eine Allerhöchste Entschließung hierüber erfolgen. Die Errichtung pon Oberämtern in Ingolstadt, Regensburg, Kempten, Rosen- heim und Weiden ist. hierbei berüsihtigt, Der König hat genehmigt, daß die feierliche Enthüllung des Monuments für König Maximilian Il, am 12. d. M., dem Namens- tage des verewigten Monarchen, stattfinde. Bei derselben wird Neichsrath Professor v. Pôzl, der Vorstand des Comités für das Denkmal, die Festrede halten und die Münchener Sänger- genossenschaft zwei Festgesänge vortragen. Alle Königlichen Stellen und Behörden u. \. w. werden zu der Feierlichkeit ein- geladen werden. Abends wird ein Fackelzug und Beleuchtung des Denkmals beabsichtigt.

Sachsen. Dresden, 4. Oktober. Die Königin ist gestern Abend vom Iagdhause R:hefeld in der Königlichen Villa zu Strehlen eingetroffen.

Gestern hat das Köntglihe Kadetten-Corps sein 150 jähriges Jubiläum fesilih begangen. Der König, welcher hierbei durch den Prinzen Georg vertreten war, hat aus Anlaß dieser Feier an den Commandeur des Kadetten-Corps, Obersten Frhrn. v. Welck, aus Eisenerz (in Steiermark) das folgende Telegramm gerichtet :

„Meinem Kadetten-Corps sage ich meinen herzlichsten Dank für den so herzlichen Gruß an seinem Ehrentage. Albert.“

Vom Gesetz - und Verordnungsblatt für das Kön igreih Sachsen is das 10. Stük vom Jahre 1875 in der Ausgabe begriffen. Dasselbe enthält u. A. : Bekanntmachung vom 2. September d. I., die Vergütungs\säße für geleisteten Vorspann betreffend; Bekanntmachung vom 14. September d. I., die Ausgabe verzinsliher Schaßanweisungen im Betrage von 9 Millionen Mark betreffend; Verordnung vom 16. Septem- ber d. I., die am 1. Dezember 1875 vorzunehmende Volks- und Gewerbezählung betreffend.

Meelenburg-Schwerin. Schwerin, 2. Oktober. Das neueste Regierungsblatt enthält eine Verordnung, betreffend die Prüfung von Lehrerinnen für Bürger- und höhere Mädchenschulen.

Oesterreich-Ungarn, Wien, 3. Oktober. Der Finanz - aus\chuß der Reichsrathsdelegation beshloß bezügli der - als Nachtrag zum Extraordinarium des Kriegsbudgets ge- forderten Uebertragungen der bewilligten Kredite auf andere Ob- jekte, die geforderten Posten in Form eines Nachtragskredites zu 1875 zu bewilligen. Die Vorlage, betreffend die erste Rate der §4 Millionen für Beschaffung neuer Geshüße, wurde nah einer sehr eingehenden Debatte konform dem Regierungsantrage ange- nommen und obige Summe als neue Post ins Extraordinarium unter dem Titel „Waffenwesen“ eingetragen. Der Kriegs- Minister erklärte im Laufe der Debatte, die volle Verantwort- lihkeit für die Nothwendigkeit der Neuanschaff :ng und die Ricz- tigkeit der Herstellungsart zu übernehmen, legte die Umstände dar, welche zur Annahme des neuen, Systems führten, sicherte weitere Aufklärungen und Vorlagen über die Schieß- proben und dergleichen zu und gab Daten über die zunächst an- zuschaffende Zahl der Geshügrohre, Lafetten und Munitions-

wagen. 4, Oktober. (W. T. B.) In der heutigen Sihung des

Finanzaus\chusses der Reichsrathsdelegation \sprah

der Kriegs-Minisier von Koller der Versammlung, bevor dieselbe in die Tagesordnung eingetreten war, im Namen der Armee den tief gefühltesten Dank für die hochherzige Bewilligung der Mittel zur Anschaffung von neuem Geshüßmaterial aus. Der Vorsizende des Aus\chusses- erwiderte, daß alle Beschlüsse der Delegation von demselben Patriotismus geleitet sein würden, au wenn mit Rücksicht auf die Finanzlage des Reichs \o viel als möglih Ersparnisse angestrebt werden müßten. Hiernach wurde die Berathung des Kriegsbudgets fortgeseßt.

5, Oktober. (W. T. B.) Der Finanzaus\chuß der Reichsrathsdelegation hat die Berathung des Kriegt=- budgets beendet und dabei auf Grund der vom Kriegs-Minister v. Koller gegebenen diesbezüglichen Aufklärungen einstimmig be- gg an Krupp eine Entshädigungssumme von 160,000 Fl. zu zahlen.

Czernowißz, 4. Oktober. Das anläßlich des Jahrestages der hundertjährigen Vereinigung der Bukowina mit Desterreich errihtete Austriamonument ist heute enthüllt worden. Es {loß sich daran die feierlihe Eröffnung der neuen Universität in An- wesenheit des Unterrichts-Miniskers, zahlreicher inländischer und ausländisher Deputationen und Vertreter aus allen Theilen des Landes. Zur Verlesung gelangte ein Handschreiben des Kaisers an den Minister-Präsidenten, - in welchem der Kaiser seine freu- dige Genugthuung über -die einmüthigen loyalen Kundgebungen der Bevölkerung der Bukowina Ausdruck giebt und dieselben dankbar anerkennt.

__ Großbritannien und Jrlaud. London, 1. Oktober. Eine Reihe von Protestmeetings gegen den Erlaß der Admiralität über die Auslieferung entlaufener Sklaven, die an Bord englischer Kriegsschiffe Schutz suchen, hat bereits stattgefunden, und andere find angekündigt, darunter eine große Kundgebung in Hydepark. Eine zahlrei besuchte Versammlung fand am 30. September statt, um Mittel für ein dem Matrosenfreunde Piimp oll zu seßendes Stand- bild aufzubringen. Als erfreuliches Zeichen wurde die. kürz- lih ergangene Verordnung der deutschen Regierung, welche die Erlgubniß zur Führung der deutschen Flagge betrifst, aufgenom- men und begrüßt.

9, Oktober. Der Premier Disraeli traf gestern von Hughenden Manor wieder in London ein und begiebt fih heute nah Sandringham zu einem Besuche des Prinzen und der Prinzessin von Wales.

4. Oliober. (ŒW. T. B.) Wie der „Times“ aus Shanghai vom heutigen Tage gemeldet wird, hätte der groß- britannishe Gesandte Wade Peking noch nicht verlaf- sen; der Gesandtschafts-Sekretär Hon. T. G. Grosvenor würde mit Depeschen nah England gehen. Genauere Nachrichten feh- len noch, doch nimmt man an, daß noh kein definitives Arran- gement zwishen England und China abgeschlossen ist.

Frankreich. Paris, 4. Oktober. Simon ist von hier nah Montpellier abgereist. Die Linke wird \ich erft nah seiner Rückkehr wieder versammeln,

Spanien. Nach in Paris eingegangenen Nachrichten seßen die Carlisten das Bombardement auf San Sebastian fort. Von Santander sind Verstärkungen an Artillerie abge- fandt worden. Die Carlisten haben das Bombardement von Guetaria wieder begonnen. Gerüchtweise verlautet, daß fie seit dem 24. v. M. auch Pampelona bombardiren.

Ftalien. Rom, 1. Oktober. Von Girgenti wird tele- graphirt, daß Carabinieri vorgestern den Räuberhaupt- mann Capraro in einem Oekonomiegebäude bei Sambuco mit seiner Bande überraschten, ihn tödteten und die Bande zerstreuten. Da dieser Brigant die ganze Provinz seit 10 Jahren unsicher gemächt hat, so herrscht allgemeine Freude in derselben über seine Unshädlihmachung.

Türkei. Konstantinopel, 4. Oktober. (W. T. B.) Gegenüber den heute hier ausgestreuten Gerüchten von dem Einrücken türkisher Truppenmassen in Serbien und von der angeblichen Absicht der türkishen Regierung, den Zins- fuß der fünfprozentigen türkishen Staats\chuld auf 3 Prozent herabzusetzen, ist die „Agence-Havas-Reuter“ durch den Großvezir ausdrücklich ermächtigt worden, formell zu erklären, daß alle diese Gerüchte jedweder thatsächlichen Unterlage entbehren.

Wie von gut unterrihteter Seite in Wien am 4. Dktober verlautet, haben die mit den Verhandlungen mit den Insurgen- ten betrauten Konsuln von Deutschland, Oesterreich-Ungarn, Rußland, England, Frankreich und Italien von ihren Regie- rungen übereinstimmende Weisungen erhalten, bis auf Weiteres in Mostar zu verbleiben.

Belgrad, 4. Oktober. (W. T. B.) Gutem Vernehmen nah hat das Ministerium dem Fürsten Milan seine De- mission eingereiht. Die Krisis wird mit einer Erklärung in Verbindung gebraht, die der Fürst in einer geheimen Sißung der Skupshtina abgegeben haben soll, über deren Inhalt aber noch nihts Näheres verlautet. Man vermuthet, daß das seit- gecige E durch ein konservatives Ministerium erseyt wer-

en wird,

Rußland und Polen. St. Petersburg, 3. Oktober. Die „Turk, Ztg.“ bringt folgende Mittheilungen über die Schlacht bei Machram: Die Festung selbst sammt den vor der- selben aufgebauten Vorwerken wurde im Sturm genommen. Nachdem zuerst die Vorwerke überwältigt waren, \chritt das erste Shüßen-Bataillon zum Sturm gegen die Festung, deren Thore niedergebrohen wurden. Die Vorwerke erstürmten die drei ersten Compagnien des zweiten Bataillons. Nach der Einnahme der Festung verfolgten die Kosaken den flichenden Feind 15 Werft weit. der Oberst-Lieutenant Choroshchin das Leben. Sein Leichnam ist noch niht aufgefunden worden, aber Viele haben gesehen, wie er mit 3—4 Kosaken \sih in die Masse des Feindes hinein- hieb. Seine Kosaken wurden niedergemaht, der eine {wer verwundet. Unsere Verluste bestanden an dem Tage: an Todten ein Stabsoffizier, 5 Soldaten und ein Dshigit; an Verwundeten ein Stabsoffizier und 7 Soldaten. Bei dem Sturm wurden 39 Kanonen erbeutet.

4. Oktober. (W. T. B.) Die von auswärtigen Zei- tungen gebrahten Meldungen über angebliche außergewöhnliche Truppenkonzentrirungen im Odessaer Militärbezirk werden von unterrichteter Seite für durhaus unbegründet erklärt, da die in dem genannten Bezirk stehenden Truppen nicht stärker sind, als dies jedes Jahr um diese Zeit behufs der vor dem Kaiser ftatt- findenden Revue der Fall ift.

5, Oktober. (W. T. B.) Das „Iournal de St. Pétersbourg“ begleitet das Telegramm aus Konstantinopel in Betreff der neuesten vom Sultan den Provinzen gemachten autonomistishen Zugeständnisse mit ‘dem Bemerken, es sei dies die beste Lösung und werde dieselbe allseitig gebilligt werden. Die Annahme jener Zugeständnisse sei den Infurgenten um so mehr anzurathen, als die jeßt zugesagten Reformen ernster und ergiebiger, als früher sein würden. Uebrigens werde fih Europa den Pflichten nicht entziehen, die ihm die Interessen der Mensch- heit und der cigenen Sicherheit auferlegten.

Dänemark. Kopenhagen, 4. Oktober. (W.T.B.) Der Reichstag ist heute eröffnet und sofort bis zum 29. November wieder vertagt worden. Die bisherigen Präsidenten der beiden Kammern sind wieder gewählt worden.

Amerika. New-York, 4. Oktober. (W. T. B) Shaßÿ- sekretär Bristow hat für den Monat Oktober den Verkauf von Gold im Betrage- von 4 Millionen Dollars ange- ordnet. Der amerikanishe Admiral, welher das in den Gewässern von Panama ftationirte Geschwader kom- mandirt, hat den Behörden von Panama amtlich mit- getheilt, daß er einschreiten würde, falls die krieäführen- den Parteien die dur die Landenge von Panama führende Eiseùbahn bedrohen sollten. Der Präsident von Panama hat hierauf geantwortet, er glaube, daß er fih für die Sicherheit der Eisenbahn verbürgen könne.

Statistische Nachrichten.

Die Verunglückungen und Selbstmorde im preußi- schen Staate während des Jahres 1874. (Stat. Corr.) Den Mittheilungen über die Verunglückungen im Fahre 1873 lassen wir heute solche über das Jahr 1874 folgen und zwar mit besonderer Berüsichtigung der nicht tödtlichen Verunglückungen, bei denen wir die in Folge der Verunglückung entgetretene Arbeitsunfähigkeit be- \fonders hervorheben. D ( Nas den im Königlichen statistishen Bureau aufgestellten Ueber- sichten über die im Jahre 1874 in Preußen vorgekommenen Ver- unglücungen waren überhaupt 10,069 Unfälle zu verzeichnen, bei denen zusammen 10,556/ Personen und zwar 9115 männliche und 1441 weibliche verunglückten. Davon verstarben innerhalb 48 Stunden nah der Verunglücknung 5964 Personen männlichen und 1061 Per- sonen weiblihen Geschlechts, zusammen 6625 Personen, später als nach 2 Tagen 618 männliche und 74 weibliche, zusammen 692 Per- sonen: Von den 7315 tödtlich BVerunglüdckten starben im Beruf 23807 Perfonen, nämlich 2660 männliche und 147 weibliche. Nicht

tödtlich verunglüdckten, aber auf kürzere oder längere Zeit arbeitsunfähig'

wurden 3239 Personen, nämlich 2933 männliche und 306 "weibliche. Die meisten davon; und zwar 2347 Personen (2242 m., 105 w.), verunglückten im Beruf. ‘Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit betrug bei Personen männl. weibl. weniger als 8 Tage « - « * - 201 D 8 Tage bis 1. Monat. « + 890 75 1 Monat bis 6 Monat... . 1537 167 Die Arbeitsunfähigkeit war dauernd 245 27

(W. T. B) Jules |

Bei dieser Gelegenheit verlor |,

Durch die Eisenbahnen verunglückten überhaupt 1779 Personen, darunter 1379 im Beruüfz von den 1779 Personen verftarben 627 in Folge der Verunglückung, und 1152 Personen trugen eine längere oder kürzere Arbeitêunfähigkeit davon. : Ö

Bei der Arbeit in Bergwerken verunglückten 761 Personen, davon 740 im Beruf, und zwar tödtlich 590 (572 im Beruf), nicht tödtlich, aber mit Az: beitsunfähigkeit 171 Personen.

Dur Selbstmord kamen nah den Erhebungen des König- lichen statistishen Bureaus im Jahre 1874 in Preußen 3075 Personen um, nämlich 2527 männlihe und 548 weibliche. Auf die einzelnen Provinzen vertheilt si dieje Zahl wie folgt: Preußen 255, Branden- burg 562, Pommern 127, Posen 94, Sck{lesien 530, Sachseu 384, Schleswig-Holstein 238, Hannover 286, Westfalen 159, Hessen-Nassau 202, Rheinland 232, Hohenzollern 6. Von der Ziffer ür Brandeit- burg entfallen auf Berlin 255.

Ueber die in früheren Jahren in Preußen vorgekommenen Selbst- morde giebt eine Abhandlung in der Zeitschrift des Königlich preußi- schen statistishen Bureaus, Jahrgang 1874, Ik, u. IIL, Doppelheft, nähere Auskunft, der wir noh folgende Zahlen entnehmen,

Es kamen durch Selbstmord um:

Personen männl. weibl, zusammen. 2,570 616 3,186 2,334 629 2,963

Ï P P LASTL V 2,183 540 «2,123

i L A 2/808 587 2,950

J 8 2/216 610 3,075

Die am häufigsten gewählte Art des Selbstmordes is das Ers

hängen und das Ertränken. Jn demselben Zeitraume 1878 A802 181, 1800, 1809. erbängten fich: Männer 1,433 1,493 1,459 1,542 1,636 Frauen 249 254 246 289 266 ertränkten sich: Männer 340 341 274 319 421 Frauen 273 250 223 243 260

Unter den Motiven zum Selbstmorde stehen die Geisteskcank- beiten obenan. Geistesfrankheiten waren die Selbstmord-Veranlassung bei Personen: 1873 520 m., 280 w.; 1872 639 m., 303 w.; 1871 651 m., 252 w.; 1870 699 m., 294 w.; 1859 789 m., 300 w. Dem- nächst folgen im Range der Häufigkeit die Motive: Lebensüberdruß im Allgemeinen, Laster, Kummer, Reue und Scham, Gewissensbisse, unter letzteren namentlich auch Furcht vor Strafe u. f. w.

Von besonderem Interesse ist bei den Selbstmorden die Kombi- nation der Selbstmord-Motive mit den persönlichen Verhält- nissen der Selbstmöcder, d. h. mit dem Alter derselben, dem Fami- lienstande, der Religion, dem Berufe und der fozialen Stellung im Berufe. Der Mangel an Raum verbietet uns leider, hierüber außs- führliche Mittheilungen zu machen, obschon. die vom Königlichen stta- tistishen Bureau aufgestellten Ucbersihten durch ihren reihen Inhalt zu einer eingehenderen Betrachtung der betreffenden Verhältnisse her- auéfordern. Wir müssen in dieser Hinsicht ledigli auf unsere Quelle verweisen, die im Buchhandel als ein Theil des XXXVI. Heftes des amtlichen Quellenwerkes der preußischen Statistik erscheinen wird.

Nach der vorläufigen Feststellung des städtischen statistischen Bureaus betrug in der Woche vom 19. bis 25. Siptember die Zahl der in Berlin Gestorbenen 584, darunter 303 männliche, 281 weib- liche Personen; 232 unter, 352 über ein Jahr. :

Nr. 37 der Statistischen Correspondenz (herausgegeben von Dr. E. Engel in Berlin) hak folgenden Inhalt: Die Ver- unglückungen und Selbstmorde im preußischen Staate während des Jahres 1874. Zur Statistik des Verkehrs in Württemberg.

Die Einnahme der Großherzoglichen Landes-Brand- Versicherungs-Anstalt in Weimar betrug nah der für 1874 ausgegebenen Uebersicht über den Kasschaushalt 119,368 Thlr., dar- unter 11,514 Thlr, Uebershuß von 1873, ferner 94,726 Thlr. Brand- PVersicherungs-Beiträge (ck Pfennig von jedem Thaler beitragspflichtiger Summe), . und zwar aus Kreis Weimar 51,618 Thlr., Neustadt 19,650 Thlr., Eisenah 23,460 Thlr., endlich Extraordinaria mit 10/582 Thlr. und ein Zuschuß aus dem Reservefonds von 2543 Thlr. Non der gleih hohen Ausgabe fallen auf Brandentschädigungsg-lder 99,666 Thlr., auf Erhaltung der Feuerlöschanstalten 3645 Tblr., Verwaltungskosten 4426 Thlr. und Extraordinarien 11/6381 Thir: Die Einnahme des Reservefonds belief fich auf 21,733 Thlr., die Ausgabe auf 12,542 Thlr., und stellte sih derselbe unter Zuzählung des Ueberschusses auf 306,815 Thlr.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Der künstlerishe Nachlaß J. H. Rambergs, welcher, von der Kraft seiner Begabung wie von seinem Fleiße Zeug- niß giebt, ist bis jeßt im Besiße seiner Nachkommen geblieben. Durch den kürzlich. eingetretenen Tod seiner letzten Tochter fommt der größere Theil “wahrscheinli “demnächst zur Ver- äußerung, soll aber zuvor einige Monate im Lokale des Kunstvereins zu Hannover öffentlich für Kunstfreunde zur Ansicht ausgestellt werden. Außer einigen Oelgemälden find besonders hervorzuheben seine Aquarelle und Federzeichhnungen, indem namentlich in leßteren sein felten erreichtes Kompositionstalent auf originale Weise ausgeprägt ift. Hervorragend unter den Aquarellen ist ein Entwurf zu einem zweiten Theatervorhange, in welchem die Idee des ersten - bekannten, in Hannover befindlichen Vorhanges in ganz anderer Weise aufgefaßt und ducchgeführt ift, Daran reiht si eine Shakespeare: Gallerie, in treffender Auffassung- und Ausführung Scenen aus den bekanntesten Waken des großen Dichters vor Augen führend. Die aus der Zeit seines Aufenthaltes in Jtalien stammenden Koirs positionen, Scenen des dortigen Lebens, Federzeichnungen mit Aquarell- farben ausgeführt, ferner 37 große Blätter zur „JIlias“, mit Sepi«x ausgetuscht, sowie Scenen aus der. „Odyssee“, Federzeichnungen, dann Sammlungen von Blättern satirisher und fomischer Darstellungen, ficher und 1chöôn gezeihnet, vervollständigen mit den in Mappen gesammelten Entwürfen zu seinen sämmtlichen Gemälden, Zeichnun- gen u. \. w. diese reichhaltige Sainmlung seiner Werke. i

München, 30. September. Der König hat, nahdem bereits früher die Vorschläge der Staatsregierung über die künftige Leitung und Verwaltuug der Staatsgemälde-Sammlungen die Aller- hôchfte Genehmigung erhalten haben, zum Direktor der Central- Gemäldegalerie den FUEE der Kunstgeshihte an der polyteh- nishen Schule, Dr. Reber, unter Belassung dieser Professur und zum zweiten Restaurator den Restauratox und bisherigen Kustos des städtishen Museums in Bamberg, A. Hauser, ernannt; als ständige Mitglieder der Gentral-Gemäldegalerie-Komnmission aus der Zahl der Professoren der Akademie der bildenden Künste: den Professor der Historienmalerei Lindenshmit und den Professor der Kupfersteherkunst Raa b, aus der Zahl der freien Künstler: den Genremaler Spißweg und den zweiten Konservator der Königlichen Kupferstich- und Handzeichnungsjammlung Pr. Schmidt berufen.

Aus der Pfalz schreibt man der „Augsb. Allg, Z." über einen archäologischen Fund: Bei Weilerbah, unweit Kaisers- lautern, in unmittelbarer Nähe des durch Oscar v. Redwiß bekannt gewordenen Schellenberger Hofes, ist vor Kurzem dur den Aus\{uß des historishen Vereins für die Pfalz und 1m Beisein des Direïtors des 16misch-germanischen Museums zu Mainz, Dr. Lindenschmitt, die Ausgrabung eines der großen Hügel vorgenommen worden, welche, wie auch die des vorigen Jahres, wieder bedeutende Blicke in die Kultur der vorgeschichtlichen Zeit în dieser durch besondere Fruht- barkeit fich gar nicht auszeichnenden Gegend eröôffnete. Dr. Linden- \hmitl hatte diesen Hügel wegen seines großen Umfanges und seines mächtigen Aufbaues für den bedeutendsten in Süd- und Mitteldeutsh- land erklärt, und die Ergebnisse der viele Kraftanstrengung erfordern den Auêëgrabung waren auch ganz der Größe dieses Hügels ént- sprehend. Die Reste eines übermäßig großen Wagens, die gigantish aufgeth ürmten Steinmassen, die sorgfältig verwahrten (9rabkammein nebst den aus großen Steinblöcken tifhförmi erbauten Altären scheinen ' auf eine Stätte hinzudeuten, in welcher für einen Häuptling das Liebste, was er hatte, seine Frauen, nach dem Tode géborgen worden war. Die Fundstücke, besonders der eiserne Radbeschlag des

im Jahre 1869

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