1921 / 243 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 17 Oct 1921 18:00:01 GMT) scan diff

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» Sh i % spielt keine ‘Rolle!] Was mir Anlaß zu dem Schreiben an Herrn Seybold gegeben hat, war die Form, in der sih Herr Seybold im Wahlkampf betätigt hatte. Fn dieser Veziehung darf ih die Damen und Herren an die Grundsäße erinnern, die ih hier am 15. Juli mitgeteilt habe, und die, wenn ih mich nicht sehr täusche, die sahliche Zustimmung der großen Mehrheit sowohl des Haupt- auss{usses, als au der Vollversammlung gefunden haben. Be- sonders möchte ich an den Grundsaß erinnern, daß wir, wenn wir dem leitenden Verwaltungsbeamten die sachliche Freiheit zur Ausübung jeder parteipolitischen Vetätigung zugestehen und das tue ich —, auf der anderen Seite auch -von ibm verlangen müsseh, daß er die Formen bewahrt, die es ihm ermöglichen, sih das Vertrauen und die Achtung aller ehrlihen Leute in seinem Kreise, einerlei, welcher politishen Ueberzeugung sie sind, zu eriverben. Nun ist hier dem Herrn Landrat Sebold leider passiert, daß er in der Hive des Wahlkampfes sih zu Aeußerungen hat hinreißen lassen, die mir denn doch diese Formen und Grenzen erWblih zu überschreiten scheinen. Er hat, wie drei Herren be- kunden und zu beshwören : bereit sind, als er den Antrag auf Herbeiführung einer geseßlihen Anzeigepfliht der Aerzte bei Geschlehtskrankheiten im Reichstag besprach und da den Wider- stand der Deutschnationalen berührte, das mit der merkwürdigen Behauptung begründet, daß in den Kreisen der Deutshnationalen sih eine besonders hohe Zahl von GeschlechGtskranken befinde. (Lebhaste Heiterkeit. Zurufe links und anhaltende Unruhe. Glote des Präsidenten.) Eine derartige Acußerung halte - ih für so furÓtbar geschmadcklos, daß ih nicht verstehen kann, wie der leitende Beamte eines Kreises au in dem tollsten Wahlkampfe sih dazu hinreißen lassen kann. Wenn nun aber auf der anderén Seite gesagt wird, daß ih den sozialdemokratischen Landräten niht beistände, so darf ih die Herren auf den zweiten Teil dieser Verfügung in der Ange- legenheit Seybold verweisen. Da habe ih nämlich dem Regie- rungspräsidenten und gerade diesem Herren Lehrer Trittner, von dem der Herr Kollege Krüger behauptet hat, daß er si -als der Anwärter auf diesen Posten fühle und die Beschwerden gegen Seybold formuliere, geschrieben, daß ich ihn darauf hins- ‘weisen - müßte, daß, wenn die Mehrheit des Kreis- tages sich zu einer sahlichen Mitarbeit mit dem Landrat nicht bereit fände und insbesondere den Etat nicht bewilligen sollte, die Aufsichtsbehörde sich genötigt schen würde, einer Zivangs= etatisierung der dem Kreis geseßlich obliegenden Leistungen näher- öutreten. Fm übrigen würde die Verantwortung für die Folgen, die die Verweigerung ciner sahlihen Zusammenarbeit. mit dem Landrat für die Entwicklung des Kreises nah sih ziehen würde, auf die Mehrheit - des Kreistages zurüdckfallen. (Hört, Hört! bei den D. Dem.) Jch bitte filso, daraus zu sehen, wie ih diese jozialdemokratishen Landräte in keiner Weise im Stich lasse, im Gegenteil durchaus in Schuß nehnie und ihnen mit der staat- lichen Autorität zur Seite stehe. Nun der Fall des Landrats Daubenthalerx. Da Hat der Herx. Abg. Krüger sich darüber aufgehalten, daß ih den Herrn Laúdrat Daubenthalec bisher noch nicht bestätigt habe. Das ist richtig, meine Herren! Aber wenn Sie mir daraus einen Vorwurf machen, so muß i sagen, der Vorwurf fällt zunächst auf. meinen verehrten Hexrn Amtsvorgänger (hört, hört!); denn wenn Sie bedenken, ‘däß im allgemeinen der kommissarische Landrat“ nit mehr als 3 Monate als Kommissar tätig ist, und daß dann hergebrahtermaßen der Kreistag zur Ausübung seines Vorschlags- rets aufgefordext - wird, so darf ich darauf aufrnertsam mächent, daß Daubenthaler bereits am Ende der Amtsführung meines Herrn Amtsvorgängers 1514 Monate fommissarisher Landrat ‘gez wesen ist. (Hört, hört! und Heiterkeit rechts. Abg. Scholich (Breslau): Geben Sie aber au die Aufklärung darüber, wenn Sie das sagen.) Jch kann es auch durchaus verstehen, wenn Bedenken gegen die Bestätigung des Herrn Daubenthaler erhoben sind; denn ich muß sagen, die. Art, wie Herr Daubenthalerx sih in einer Kreistagssißung einmal „aufgeführt“ hat um mich so auszudrüden —, kann meine ZUstimmung nicht erhalten. Jh bin genötigt, nachdem die Herrn in dieser Weise meine Amts führung fkritisieren, hier auch einmal obwohl mir das nicht sehx angenehm ist aus den Akten vorzulesen, wie die Beurkundung ausgefallen ist, als Herr Daubenthaler zux Rechtfertigung über sein Verhalten aufgefordert wurde. Ex erstattet aus einer Kreistagssißung, und zwar eigenhändig den folgenden Bericht. Er schreibt über cinen Zusammenstoß ‘mit dem Kreistags= abgeordnueten Preuß und sagt dann: Ohnë mich zu Ende reden zu lassen, brüllte Herr Preuß da- öwishen: „Legen Sie doch den Vorsiß nieder!“ Zur Abwehr gegen diese maßlose Ungehörigkeit und zur Aufrechtèrhaltung des Ansehens und der Autorität,

(Lachen rets) die Amt und, Person nun einmal, haben müssen,

(Lachen) crwiderte ih in durchaus angemessener Weise:

Serr Daubentaler unterstreicht das Wort angemessener Halten Sie das Maul!

(Anhaltende große Heiterkeit.)

Meine verehrten Damen und Herren, Herr Abgeordneter Krüger hat dann weiter fortgefahren, die Art und Weise zu kritisieren, wie ih die Kommunalaufsiht gehandhabt habe, und er hat behauptet, daß ih überalterte Gesetze ausnutte und anwendete. Jch kann mir nicht helfen, solange ein Geset, das, ivie: ih bei der Hannoverschen Städteordnung zugebe, in einzelnen Teilen zweifel- los überaltert ist, noch Rechtskraft hat, muß ich es anwenden. (Sehr richtig!) Wenn da die Herren aus Lehe sich darüber beschwert haben, daß ih die Bestätigung ihres gewählien Senators oder Ziveiten Bürgermeisters exst jeßt erteilt habe Herr Abg. Krüger war ja durch einen Ziischenruf eines seiner Freunde belehrt worden, daß dieser Beshwerdepunkt in der Zwischenzeit behobeu worden ist —, so konnte ih das früher einfa deshalb nit, weil die Wahlvorschläge des Magistrats oder der Stadtverordneten- versammlung in Lehe ganz offenkundig gegen die Hannöversche Städteordnung verstießen. Wir haben aber vom Ministerium den betreffenden Herren den Rat und den Weg gegeben, wie diese Mängel - geheilt werden können. Das haben dann die Herren gemacht, und nachdem ein formal einivandfreier Besh[uß vorgelegt worden ist, ist ex selbstverständlich sofort bestätigt worden. (Hört, hört! bei den Demokraten.)

Die Herren sind auf Eichwalde gekomuten und haben sich darüber beschwert, daß ich dem Staatsministerium empfohlen habe, dieje Gemeindevertretung aufzulösen. Das ist allerdings geschehen,

| kratischen

und zwar deswegett, weil die Hälfte ausgeschieden und jet eine regelmäßige Beschlußfähigkeit kaum mehr möglich war, (Wider- spxuch und Zurufe bei den Sozialdemokraten: Kaum!) Jch darf darauf aufmerksam machen, daß ein derartiges Verhalten ‘in bezug auf die Herbeiführung von neuen Gemeindevertretungen nicht bloß ausgegangen ist in diesem Fall durh das Ausscheiden der so- genannten bürgerlichen Gemeindevertreter, sondern daß das in einer Reihe von anderen Fällen auch umgekehrt gewesen ist. (Zu-

rufe links.) J darf zum Beispiel daran erinnern, daß auch in

der Gemeinde Massen und der Gemeinde Zossen Auflösungèn da- durch erforderlih geworden sind, daß die betreffenden sozialdemo- Mitglieder aus den Gemeindevertretungen aus- geschieden waren. (Zuruf des Abg. Peters: Wieviel?!) Jh möchte nun den Herren klarlegen, wie die Verhältnisse in dem Fall von Gvehoe gelegen haben. Fn dem Fall von Jtchoe sind 15 Mit- glieder ausgeschieden, (Abg. Peters: Nur 14! Heiterkeit.) Herr Abgeordneter Peters, ih kann Jhnen nur hier den Akten- inhalt "vorlesen. (Abg. Peters: Ja, ja, die Akten stimmen bei Jhnen nit ganz genau, Herr Minister!) Also hier wird behauptet: 15 bürgerlihe Mitglieder: der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Jyhehoe haben infolge tiefgehender Zerwürfnisse inner- halb der Gemeindekörperschaften ihre Stellen niedergelegt. Das Stadtverordnetenkollegium hat die Niederlegung als nicht berechtigt anerkannt und durch einen weiteren Beschluß die 15 bürgerlichen Mitglieder auf sechs Fahre des Vürgerrechts für verlustig erklärt.

Beide Beschlüsse sind zurzeit Gegenstand von Verwaltungs- streitverfahren vor dem Bezirksausschuß, mit deren Abschluß nah Lage der Verhältnisse und bei dem wohl erwarteten Angehen der zweiten Fnstanz in absehbarer Veit nicht zu rechnen ist. Außerdem haben auch sämtliche auf den bürgerlihen Wahlvorschlägen ver- zeichnete Ersableute die Annahme derx Stellen abgelehnt. Da infolgedessen nux 14 Sozialisten und ein als Militärvertreter ge- ivähltes Mitglied ihre Stellen im Stadtverordnetenkollegium ver- sehen können, so stellt das Kollegium in dieser Zusammensezung eine völlig einseitige Vertretung der Vürgerschaft dar, die den Grundsäßen des Verhältniswahlvechts niht entspriht. Wie auch immer dex Ausgang des s{chwebenden Verwaltungsstreitverfahrens sein mag, so halte ih zur Beseitigung des Mißverständnisses und zur baldigen Herbeiführung einer sür die Stadt ersprießlichen Zusammenarbeit die Neuwahl eines Stadtverordnetenkollegiums für das Zweckmäßigste.

Nun ist bemängelt worden, daß der Stadtrat Schinkel vom Stadtverordnetenkollegium niht bestätigt worden ist. Jh darf erklären, wie nicht nur der Regierungspräsident, auf dessen Meinung Sie ja wenig Gewicht legen, sondern auh andere Leute aus der Vürgerschaft ich verlese ein Schreiben von Angehörigen der Demokratischen Partei übex die Sache gedacht haben:

Als nun der bisherige Zweite Bürgermeister, ein Regierungs- baumeister Rhode, zum Ersten Bürgermeister gewählt war, ergab sich die Notwendigkeit, die Stelle des Zweiten Bürgermeisters mit: einem Furisten zu beseßen. Darüber herrschte in der Stadt- verordnetenversammlung Einmütigkeit. Jusbesondere erklärten auch ‘die sozialdemokrátischen Stadtverordneten auf eine dahin=- gehende Frage, daß sie nicht beabsichtigten, cinen ihrer Herren zu wählen, Troßdem wurde aber shließzlich Herr Schinkel auf- gestellt und mit einèr Zufallsméhrheit gewählt. : Aber däs ‘war’ \{ließlih für mich nicht der Grund, weshalb i die Bestätigung versagte, sondern die Bestätigung ist versagt worden, weil’ der Stadtrat Schinkel, obwohl auf. ausdrüdlihe Anweisung des Regierungspräsidenten die Einführung von drei fehlerhaft ge- wählten Stadträten zu unterbleiben hatte, diese Einführung in Abwesenheit des Vürgermeisters selbst. vorgenommen hat. (Hört, hört! rechts und bei: den Deutschen Demokraten.) Ein Mann; der in dieser Weise den Anordnungen seines Regierungspräsidenten widersprochen. hat, ist do nicht geeignet, daß wir ihn jeßt als Zweiten Bürgermeister bestätigen.

Und nun das Gebiet der Schußpolizei! Da hat es mi in cflivas gewundert, daß der Abg. Krüger wieder die Beschwerde vor= gebracht ‘hat, daß wir zwar die Offiziere in derx Polizeiverwaltung lebenslänglih, die Unterbeamten aber nur auf Zeit anstellen. Die Gründe, weshalb diese Grundsäße aufgestellt worden sind, sind im Hauptausschuß genügend dargelegt worden. Es ist klar, daß eine Offizierslaufbähn gar niht anders als über 12 Jahre hinaus auf Lebenszeit gewählt werden kann. Ebenso notwendig wie dieser Grundsaß der; Lebenslänglichkeit des Offizierberufes war aus Gründen - dex Staatsfinanzen, dann abex auch aus Gründen der Bereitschaft, der Aktionsfähigkeit der Polizei (Rufe bei “den Kom-

munisten: Aha!) die Beschränkung der Dienstzeit auf. 12 Jahre. *

JIch kann meine Verwunderung darüber nicht unterdrücken, daß der Herr Abg. Krüger hier an diesen Grundsäßen der Polizeiorgani- sation Kritik geübt hat, die in keiner Weise von mir neu aufgestellt worden sind (hört, hört! bei den Deutschen Demokraten) sondern die nur in genau denselben bewährten Richtlinien weitergeführt worden sind, die . mein Herr Amtsvorgänger aufgestellt hat. (Heiterkeit bei den Deutshen Demokraten und rechts, Leh- haftes Hört, hört! bei den Kommunisten und Unabhängigen Sozialdemokraten. Widerspruch bei den Sozialdemokraten.)

Wenn dann Herr Abg. Krüger eine Fülle von Einzelheiten an Vorgängen bei der Polizei bemängelt hat, so ist es selbstver- ständlih, daß in cinem so großen ‘Rahmen Mißgriffe cinzelner Beamter niht ganz unterbleiben können. Sie können zur Kritik der obersten Verwaltungsstelle nur dann ausgenußt werden, wenn der obersten Verwaltungsstelle irgendein Unterlassen des Ein- greifens nachgewiesen werden kann. In den Fällen unzulässiger parteipolitisher Betätigung in den Kasernen, die Herr Abg. Krüger. damals im Hauptausschuß angeführt hat, bin i eingeschritten. Wenn jebt hier davon gesprochen worden ift, daß în der Schule in Hannover angeblih das Vorwort herausgerissen worden sei, das Herx Preuß zu der Reichsverfassung geschrieben hat, so habe ih natürlih von diesem Vorgange zunächst keinerlei Kenntnis gehabt. Die Meldung, die mir hier eben" aus Hannover zugeht, zeigt auch, daß von cinem Herausreißen gar nit die Rede ift. (Abg. Krüger [Potsdam]: Fst ja au nit behauptèt! Es ist gesagt worden, es hätte herausgerissen werden müssen, um die - Beamten niht politisch zu beeinflussen!) Schön. Aber das ist hier in dem Bericht allerdings richtig wiedergegeben, daß der Herr Schulleiter geglaubt hat, daß dadurch irgendeine parteipolitische Betätigung stattfände. Das ist natürlih ein fundamentaler Frrtum (Zuruf links: Nur ein Frrtum?!) und dex Betrefsende wird dahin belehrt iverden,

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Der He Ábg.-Krüget hat die: Tatsache kritisiert, daß in«Kier zwei Hunderfkshaften disziplinarisch aufgelöst worden sind. Jh bewundere die schnelle Unterrichtung. des Hercn Abg. Krüger (Heiterkeit); mi rselbst war von diesem ganzen Vorkommnis io nihts bekannt. Jch habe mir ‘eben die Akten verschafft und muß óu meinem lebhaftesten Bedauern feststellen, daß hier Fälle von Disziplinwidrigkeiten vorgekommen sind, die niemand, auch fein sozialdemokratisher Minister, ungeahndet hätte hingeben lassen und die in vollem Einverständnis und mit Villigung des zy- ständigen sozialdemokratishen Oberpräsidenten zu der Auflösung dieser Hundertschaften geführt haben. (Abg. Krüger [Potsdam]: Was geschieht init dem Offizier, der das provoziert hat?!) Vie gesagt, ih habe die Akten eben erst bekommen. Nehmen aber wir selbst einmal an, daß diese Zustände dur Ungeschick odex dur falshes Vorgehèn des Offiziers eingetreten wären, so kann ih die Art und Weise, wie die Mannschaften nah diesem Bericht ihren Untvillen bekundet haben (Zuruf: Wer hat berihtet?!), untex keinen Umständen billigen, und auch kein sozialdemokratisccher Minister des Fnnern würde das an meiner Stelle tun und zugebek können. : j

Endlich hat Herr Abg. Krüger von einem Vorkommuis in Hamborn gesprochen, wo zwei junge Polizeioffiziere zu der Er- mordung Erzbergers außerordentlich bedauerliche und törihte und unverantwortliche Aeußerungen getan " haben (Zuruf links: Rohe!) rohe Aeußerungen getan haben; zugegeben. (Zuruf ‘bei den Kommunisten: Brutale! Heiterkeit.) Er hat gesagt, ich sei dagegen eingeshritten, indem ih die Herren ledigli verseßt habe. Das ist niht rihtig, sondern ih habe die Herren daneben noch in eine sehr empfindliche Strafe genommen. (Zurufe links.) Wahrscheinlih wird es ganz erheblih mehr gewesen sein als die 400 Mark. Aber ih habe das getan nah Einsicht in den cin- gehenden Bericht des Regierungspräsidenten, und der Regierungs präsident, der ja doch die Dinge und’ die Personen am Ort am besten beurteilen muß und kann, hat mir diese Art des Vorgehens gegen die betreffenden Herren empfohlen; seinem Anträge habe ih entsprohen. Jh brauche die Persönlichkeit dieses Regierungs- präsidenten hier niht näher zu bezeihnem. (Lebhafte Zurufe links, Große Unruhe.)

Nun kommen wir zu der Affäre Liebermann. Da ist zunächst davon gesprochen worden, daß der Kommissar Ly von mir nur verseßt worden sei, und daß jeßt nahgewiesen worden sei, daß er ein Spiyelsystem betrieben habe. Diese Verseßung des Herrn Kommissars Lyß ist von mir angeordnet gewesen, bevor dieser Prozeß stattgefunden hat. Jett, nachdem dieser Prozeß statt- gefunden hat, habe ich unmittelbar den derzeitigen Polizei- präsidenten Kleinböhmer beauftragt, die genauen Untersuchungen vorzunehmen und die entsprechenden Maßnahmen gegen die bez treffenden Herren mir dann vorzuschlagen.

Der Herr Abg. Krüger hat die Meinung ausgesprochen, Preußen hätte si allgemein der Reichspolitik hindernd in den Weg gestellt, und diesen Faden hat dann der Herr Abgeordnete Rabold noch weitergesponnen. Fch darf feststellen, daß ih in den beinahe sech8s Monaten, wo ih mein Anit bekleide, mit der Reichsregierung im engsten Zusammenhang gearbeitet habe. Der einzige Fall, in dem der Reichsminister des ZFnnern und ih und ebenso das

„preußishe Staatstministérium in unserer Meinung auseinander gingen, war die Aufvechterhaltung des Ausnahmezustandes. Aber

auch' in'diesem Falle sind die Dinge do sehr merkwürdig gelaufeit und sind nicht so leiht und cinfach zu beurteilen. Jch darf ins besondere darauf aufmerksam machen, wie sih die Meinung des unmittelbar Nächstbeteiligten, des Herrn Oberpräsidenten und Regierungskommissars Hörsing, in dieser Frage doch auch sehr wesentlih geändert hat. Jh darf z. B. darauf aufmerksam machen, daß der Herr Oberpräsident von Magdeburg sich am 27. August dieses Fahres in einem dringenden Bericht an uns noch für die Beibehaltung des Ausnahmezustandes (lebhaftes Hört, hört! links) für die Restkreise der Provinz Sachsen ausgesprochen hat mit Rü- siht auf die innerpolitishe Lage, wie sie sih dur die Ermordung Erzbergers gestaltet hat, und ih darf darauf hinweisen, daß die preußische Regierung si troß’ dieses Votums dazu bereit gefunden hat, dem Wunsche der Reichsregierung zu entsprehen und am 91. August ihre Zustimmung äur Aufhebung des Ausnahme: zustandes in den Restbezirken von Sachsen erteilt hat.

Der Herr Abgeordnete Krüger hat dann den Fall des Herrn Oberpräsidenten Siehr hier angeführt. Ex hat behauptet, Herr

. Siehr habe bereits im Mai gesagt, daß nux ein Teil des Aus=

nahmezustandes noch aufrehtzuerhalten sei. Jch kann nur fests stellen, daß Herr Oberpräsident Sichr ‘am 30. Zuni dieses Fahres an den Reichswehrminister die Bitte gerichtet hat um Aufhebung der Verordnung des Militärbefehlshabers vom 29. März, diese betraf das Verbot kommunistisher Versammlungen und das Erscheinen der Zeitung „Die Rote Fahne des Ostens“, Diesex Antrag des Hercn Oberpräsidenten ist erfolgt nach vor herigem Einvernehmen mit mir; denn wie aus den Akten hervorgeht, habe ich am 27. Juni in einem Gespräch mit dem Herrn Reichswehrminister und dem Herrn Oberpräsidenten meine Zustimmung zu diesem Vorgehen und zu diesem teilweisen Abbau des Ausnahmezustandes erteilt.

Abgesehen aber von dieser Frage des Ausnahmezustandes für die Provinz Ostpreußen war die preußische Regieruno in der inneren Politik mit der Reichsregierung einig. Insbesondere darf ih betonen, daß die Verordnung des Herrn Reichspräsi- denten vom 29. August d. J. ergangen ist nach vorßeriger Be- ralung mit dem preußischen Ministerium unter me!ner Teil- nahme und mit meiner vollen Zustimmung, ohne daß auch nur ein Wort der Kritik, ein Wort der Ablehnung von mir geäußert worden ist. Ebenso. wie wix am 29. August unsere Zustimmung zu diesem Erlaß gegeben haben, haben wir am Tage darauf unsere Zustimmung zu der Art der Anwendung, zu dem Verbot der Zeitungen, die damals sofort verboten worden sind, erteilt, in vollklommenem Einvernehmen mit dem Reichsministerium des Innern. Wenn behauptet worden ist, daß wir die Oberpräst- denten und die Polizeipräsidenten niht hingewiesen hätten auf die Verpflichtungen zur Durchführung dieser Verordnung, so weiß ih nicht, worauf der Herr Abgeordnete Krüger diese Vermutung gründet. Jch kann Jhnen nur sagen, daß Staatskommissar Weißmann in meinem Auftrage sofort die entsprechenden Schreiben losgelassen hat, und ich kann hinzufügen, daß ih es auh für rihtig gehalten habe, die sämtlichen Herren Oberpräsi-

„denten aus ganz. Preußen zu mir zu bestellen, um mit ihnen über

die Art und Weise und die Notwendigkeit dex Durchfühxung und

ser cinheitlihen Handhabung zu sprechen. (Zuruf bei den Kom- mnisten: Kann man das Schreiben kennen lernen?) Bitte eal Fch stelle anheim, daß die Herren zu mir kommen und rh die Sache bei mir ansehen. Jch komme nachher bei einem ‘deren Punkte noch darauf zurück, daß zu meinem lebhaften Hedauern ein solches Zurverfügungstellen von Akten von den arteien niht benußt worden ist.

Penn dann der Herr Abgeordnete Krüger der preußischen Regierung einen Vorwurf daraus mat, daß ihre Vertreter im Reichsrat in einzelnen Punkten die Aufhebung solher Verbote mit beschlossen haben, so darf ih darauf aufmerksam machen: erstens, daß diese Vertreter niht von mir hineingeschickt sind, sondern seit langer Zeit die preußische Regierung dort vertreten; zweitens, daß diese Herren nah der Verfassung ihr Urteil dort als Richter nach. fréiem Ermessen abzugeben haben, und ddáß es mir, dem Minister, in keiner Weise zusteht, ihnen Anweisungen zu erteilen. (Sehr richtig!) :

Wenn der Herr Abgeordnete Krüger dann aber den Satz ausgesprochen hat, daß ‘die Arbeiterschaft das Recht habe, sich selbst den notwendigen Schuß zu verschaffen, so bedaure ih, sagen zu müssen, daß mir das ein sehr verhängnisvoller Say zu sein scheint (sehr richtig! rechts und im Zentrum), den ih jeden- falls nit billigen kann. Denn wenn Sie das im Ernst aufrecht- erhalten wollen, verehrter Herr Krüger, dann wird auch jeder andere Staatsbürger dieses Recht der Selbfthilfe für sih in An- spruch nehmen (sehr rihtig! rechts, im Zentrum und bei den Deutschen Demokraten), und damit würden wir zu einem voll- fommen regulären Vürgerkriege kommen, (Sehr richtig! rechts.)

Shließlih ist noch von meinem Erlaß in bezug auf Herrn Liebermann und die Orgesh in Schlesien gesprohen worden, Jh will kurz sein. (Zuruf bei den Kommunisten: Das glauben wir!) Jch glaube, ih kann es deshalb sein, weil ih über diesen Punkt bereits am 15. Juli gesprochen habe, dann aber, weil ih die Sache eingehend in der Presse besprochen habe, und \chließlich, weil ih mir erlaubt habe, dem Vorstande der Sozialdemokratischen Fraktion anzubieten, volle Einsicht in die Akten zu nehmen, ein Anerbieten, von dem zu meinem Bedauern bisher ‘die Sozial- demokratische Fraktion keinen Gebrauch gemacht hat. (Hört, hört! rets, im Zentrum und bei den Deutschen Demokrateii.) JFch darf deshalb wohl annehmen, daß die Richtigkeit meiner Darstellung niht bestritten werden kann.

Der Heimatshuß der Schlesier war bekanntlih am 23. Zuni

aus der Orgesch ausgetreten, einen Tag vor der Bekanntmachung

des Reichskanzlers, die die Orgesh auflöste. Mir war nahegelegt worden, zu sagen, das sei eine Umgehung, und in der Tat sieht es für jedermann so aus. FJnfolgedessen überlegte ih mix mit meinen Herren: Wie kannst du an diese Leute juristish ‘heran- kommen? Daraufhin war bei uns im Ministerium die allgemeine Rechtsanschauung die, daß man juristisch jeßt diesen Verband nicht mehr auflösen könne. Da das nicht mehr möglih war was hâtte es genüßt, wenn ih troßdem aufgelöst hätte? —, hätte ih mich der Gefahr ausgeseßt, daß die Verwaltungsgerihte dieses Verbot von mir aufgehoben hätten, und damit wäre die Staats- autorität weiß Gott niht gewahrt worden. Unter diesen Um- ständen blieb sür mich nur der Verwaltungsweg übrig, um zu versuchen, diesen Anschein der Umgehung zu tilgen. Deshalb hâbe ih den Polizeipräsidenten beauftragt, dèm Schußverband. der

Shlesier nahezulegen, seine Saßungen weiter zu ändern und das

Selbstshubprinzip zu streihen. Jch habe das getan, nachdem ih gehört hatte, daß dieser Schußverband das selbst als richtig an- erfannt und eingesehen hat. Nun ist das eine Törichte passiert, daß der Polizeipräsident Liebermann dieses Schreiben weiter- gegeben hat an den Geschäftsführer und daraufgeschriebew hat: „Streng vertraulih“ und „Jch bitte, die Sache nicht irgendwie bekanntzugeben, es darf dieser Erlaß des Ministers nit bekannt werden“. Daraus schließt ein Teil der Presse, daß das von mir beabsichtigt worden wäre. Es wird gesagt, ih hätte den Erlaß als streng vertraulih herausgegeben. Jch nehme an, daß die Herren Sozialdemokraten in Schlesien durch Einsichtnahme der Akten bei dem Regierungspräsidenten in Breslau sich überzeugt haben werden, daß dieses „[treng vertraulih“ auf meinem Erlaß nicht stand, daß es sih au auf dem weitergegebenen Erlaß des Regierungspräsidenten nit vorfand, und daß es ledigli durh den Polizeipräsidenten hineingebracht worden ist. Dieses Verhalten des Herrn Polizeipräsidenten Liebermann ist i habe gar keinen Anlaß, daran zu zweifeln durchaus gut gemeint gewesen, aber es war ganz außerordentlich ungeschickt. Denn nun mußte es natürlih den Eindruck ‘hervorrufen, als ob die Regierung dabei irgend etwas zu scheuen hätte, irgendwie eiwas zu verbergen hätte. Das hat die Regierung in diesem Falle so wenig wie in irgendeinem anderen. Fch kann nur sagen, wir haben alles getan, was in unserem Kräften stand, diese Organisation zu entkräften. Nunmehr, nachdem sie jeßt das Selbstschutprinzip aus ihren Statuten herausgestrichen hatte, hatte ih die Handhabe, wenn mir ein statutenwidriges Vorgehen dieses Heimatshußverbandes nachgewiesen wurde, mit Aussicht auf Erfolg vor Gericht gegen ihn vorzugehen.

Wenn man noch irgendeinen Ztiveifel daran hätte, daß die Regierung gar nicht beabsihtigt hat, in dieser Beziehung hinter dem Berge zu halten mit diesem Erlaß, so darf ih darauf auf- merlsam machen, daß ih ein paar Tage darauf in Verfolg des hier von dem hohen Hause angenommenen Antrages Dr. Schreiber und Genossen an sämtliche Regierungspräsidenten einen Erlaß gerihtet habe mit ungefähr demselben Wortlaut, daß untex allen Umständen auch gegen den Schein der Umgehung dieses Orgesch- Verbots vorgegangen werden müßte, und daß ih die Regierungs- präsidenten aufforderte, mir zu berichten, ob und wo derartige Um- 9ehungen vorlägen. Wenn irgendeiner der Regierungspräst- denten und Landräte denn auch an sämtliche Landräte ist der Erlaß ge ngen der Meinung gewesen wäre, daß das cine

arnung der Orgesch, eine behördliche Begünstigung Der Orgesch gewesen wäre, dann wundere ih mich kolosjal darüber, ß nit ein einziger sozialdemokratischer Oberpräsident, Regie- tungspräsident odex Landrat zu mix gekommen ist und gesagt hat: vören Sie, was machen Sie da?“, odex: wenn er. niht zu mir gelommen wäre, daß“ er nicht vielleicht die A LARS A bs hi Partei auf diese ganz s{hauderhafte Umgehung des Orgesch-Ver- bots hingewiesen hat. Kein Mensch, der die Sache ruhig und ver- Wnftig gelesen hat, ist auch nur im entferntesten auf diese Fdee gelommen, und ih habe mich doch ein bißchen darüber gefreut,

daß auch der „Vorwärts“ [chließlich gesagt hat: „Nein, Böstwvillig- keit könne man in diesem Falle dem Minister Dominicus nicht vorwerfen.“ (Hört, hört!)

Meine Damen und Herren, cs sind die Arbeitsgemeinschaften besprochen worden, die in Schlesien noch bestehèn, und es ist dabei bemängelt worden, daß ih sie noch nicht aufgelöst habe. Fa, das ist niht so leiht getan, vie gesagt. Jch kann aber feststellen, daf es gelungen ist, die“ Auflösung des Selbstshuyes in Schlesien im großen und ganzen troß aller Schwierigkeiten doch vorzunehmen. Mir liegt der Bericht des Obersten Beer vor, der mit der Auf- lösung beauftragt gewesen ist, und der mit Recht mit einem ae- wissen Stolz in einem Bericht an den Reichskanzler darauf hin- gewiesen hat, daß diese Auflösung des Selbstshußes in Schlesien, obwohl sich darunter, wie ih hon am 15. Juli zugegeben habe,

naturgemäß eine Menge von weniger guten Elementen befunden !

hat, durchgéführt worden ist, ohne daß doxt ein neues Baltikum entstanden wäre. Was übriggeblieben ist, sind ganze 1700 zer- streute Leute, die als Arbeitsgemeinschaft hier und da untergebraht sind. JFch gebe durchaus zu, daß in diesen Arbeitsgemeinschaften das eine oder andere vorgekommen ist, das wenig erfreulih ift. Es wird deshalb die Herren vielleicht interessieren, zu hören, daß das preußische Staatsministerium auf meinen Antrag schon vor Wochen beschlossen hat, sich an das Reichsministerium des Jnnern zu wenden und seine Zustinimung zu erteilen, wenn dieses an die Auflösung der Arbeitsgemeins )aften herangeht. Daß das zur Zu- ständigkeit des Reichsmitisteriums des Innern und nicht zu der des preußischen Ministeriums des JInnern gehören würde, ergibt sich nämlih aus der Tatsache, daß diese Arbeitsgemeinschaften sich vielfach über mehrere deutshe Länder erstrecken. Der Reichs- minister des Jnnern hat mir am 27. September, also vor wenigen Wochen, mitgeteilt, daß die Alliierten erneut die Auflösung der Organisation Roßbach, Oberland und Hubertus verlangt hätten: das Reich werde diese Auflösung verfügen und bitte deshalb, .von einem selbständigen Vorstoß Preußens Abstand zu nehmen. (Hört, Hört!) Der Herr Reichsminister des JFunern, meine ver- chrten Herren Sozialdemokraten, hat mir in einem weiteren Erlaß vom 7. Oktober auseinandergeseßt, welche berechtigten Bedenken er hat, so ohne weiteres derartige Auflösungen zu vollziehen. (Hört, hört! links.) Es besteht nämlich, so sagt er, die Gefahr, daß die Führer und die Mitglieder dieser Arbeitsgemeinschaften - bei plößlihen Auflösungen in wirtschaftliche Not geraten (Zurufe links), sich den radikalen Heißspornen der äußersten Rechten oder der äußersten Linken in die Arnte werfen (hört, hört!) und dur Putsche die innere Ordnung und Ruhe im Reich stören, Es ist daher das Bestreben der Reichsregierung, vor dex Auflösung der Arbeitsgemeinschaften die nötigen Maßnahmen zu treffen, um den Führern und den Mitgliedern Arbeit dauernd zu verschaffen. (Hört, hört! link3.) Das ist ein Standpunkt, den ih durchaus billigen kann, und ih befinde mih hier durchaus in Uebéreinstimmung mit der Reichsregierung und arbeite mit ihr au hier zusammen.

Dann haben die Herren von den Verhältnissen in Ostpreußen

gesprochen und haben int mehr oder ütinder großer Anlehnung an

den berühmten und hübschen Artikel: „Herr Minister Dominicus, wir klagen Sie an“ wix kennen das ja aus der „Königsberger Volkszeitung“ exflärt, ich hätte meine Hilfe dort zu: einem Vor- gehen geleistet, das nur zu leiht-Anlaß zu Putschen bieten könne. Ih habe gestern Gelegenheit gehabt, diese Dinge mit dem Herrn Oberpräsidenten von Ostpreußen eingehend zu. besprechen. Er Hat mir zunächst einmal. mitgeteilt, daß dieser Artikel. in den Zahlen- angaben, die er gibt, maßlos übertrieben ist. - Wenn da z. B. mit diden Lettern geschrieben ist: Funde, die bis zu 200 s{chwere Maschinengewehre umfassen, so ist das ebenso aus den Fingern gesogen, wie wenn weiter da steht, daß sechs s{chwere Geschüße

ermittelt und beschlagnahmt worden sind. (Hört, hört! rechts und.

bei den Deutschen Demokraten.) Aber im übrigen hat mir dex Herr Oberpräsident bei dieser Besprechung ausdrücklich erklärt, ex habe zurzeit niht den mindesten Anhalt dafür, daß eine Gefahr einer putschistishen ‘Bewegung seitens des Heimatbundes in Ost= preußen besteht. Der’ Herr Oberpräsident hat seinerzeit eine Reihe von Kämpfen mit dem Heimatbund auszufehten gehabt, weil dieser eine Einmischung in- die staatlichen Funktionen versuchte, und hält es selbstverständlih für seine Aufgabe, den Heimatbund laufend und dauernd zu' überwachen. E :

Nun hat Herr Kollegé Rabold erklärt, ex wäre gern bereit, mir Material für die Klagen zu geben, die er hier vorgebracht hätte. Meine verehrten Herren, ih begrüße das mit besonderem Dank und wäre ihm außerordentlich dankbar, wenn er mir das Material hier shleunigst übermittelte; ich werde ihm dann nach Abschluß der Verhandlungen Gelegenheit geben, in den Akten zu schen, was ich vorgenommen habe. Einstweilen aber muß ih

diese Geschichte von den ganzen Reihen voy 'Mordtaten, die da

passiert sind, denn doch mit einem großen Fragezeichen versehen und darauf aufmerksam ‘machen, daß vor einiger Zeit bei den hohen Reichs- und preußischen Staatsbehörden eine ähnliche Klage erhoben worden ist, die zu fieberhaften und eingehenden Unter- suhungen Anlaß gegeben hat, aus denen nichts, aber auch qbsolut nichts herausgekommen ist. (Zurufe bei den Kommunisten: Wie immer!) ; |

Es ist dann. von derx Hundertschaft zur besonderen Verwendung gesprochen worden. Diese Hundertschaft ist, wie die Herren wissen, niht von mir geschaffen, sondern vorgefunden worden, und wenn hier von Waffenshicbungen, die von der Hundèrtschaft vor- genommen worden sind, gesprohen worden ift, so wird in dieser Beschuldigung behauptet, daß sie am 30. November 1920 vor- gekommen wären (hört, hört! bei den Deutschen Demokraten), ein Datum, für ‘das mi, wie das hohe Haus mir reit geben wird, irgendeine Verantwortung nicht trifft. (Sehr ridtio! bei den Deutschen - Demokraten und im Zentrum.)

Jm übrigen darf ih darauf aufmerksam machen, daß ih als- bald die notwendigen Untersuhungen angeordnet und an die

Staatsantwaltschaft weitergegeben habe. Nach den Feststellungen,

die mein Vertreter mit dem zuständigen Untersuchungsrichter in den legten Tagen angestellt hat, ist jest die Anklage wegen Mordes gegen zwei Angehörige der Hundertschaft z. b. V. erhoben tworden. Es ist dabei von meinem Vertreter ausdrüdcklich gefragt worden,

ob es der Herr Untersuchungsrichter für statthaft und zweckmäßig

hielte, wenn der Polizeipräsident voin Berlin und der Minister des Fnnern den zahlreichen, von dex Presse gebrachten neuen Gesichtspunkten, Anschuldigungen usw. machginge und selbst irgend- welche Ermittlungen Usw. anstellte. Daraufhin* hat der Hexr

Untersuhungsrihter erklärt: Nach der ganzen Sachlage iff e3 uus zweckmäßig und nah der Rechtslage unstatthaft, daß die Behörde während der gerihtlichen Voruntersuhung irgendwelche Maßnahmen über diese Feststellung des Sachverhaltes trifft. Es ist weiter gefragt worden: Hat der Untersuchungsrichter sämtliche in Verfolg des Verfahrens aufgetretenen neuen Toatsachen, An- {huldigungen und Anhaltspunkte berücsihtigt? Diese Frage ist rundweg zu bejahen; sämtliche Zeitungsartikel sind verfolgt und untersucht worden. Wann ist der Abschluß des Verfahrens zu erwarten? Der Abshluß dieses gerichtlichen Verfahrens steht unmittelbar bevor. Auch in diesem Falle kann ih also nur fest- stellen, daß von der Verwaltung sofort, als der Verdacht, daß kein Selbstmord, sondern eine Ermordung stattgefunden hätte, erhoben war, eingegriffen worden ist. Wir haben den betreffenden Haupt- mann vom Dienst suspendiert, wir haben die betreffenden Wacht- meister und Oberwachtmeister, die irgend in Frage kommen tonnten, auch vom Dienste suspendiert. Daß wir die Hunderitschaft nit aufgelöst oder nah Oberschlesien geshickt haben, ist selbst- verständlih, weil wir das Gerichtsverfahren sonst in hohem Maße ershwert hätten. (Zuruf von den Kommunisten: Er läuft ja frei herum! Es liegt Verdunkelungsgefahr vox!) Er ist vom Amt suspendiert. Von irgendwelcher Verdunkelungsgefahr kann jest wohl nicht geredet werden; ein Eingreifen hierbei wäre auch Sache des Gerichts gewesen.

Damit die Verhandlung hier einen Abschluß findet, wie er vielleicht in gewisser Beziehung nicht gerade der Bedeutung der ganzen Sache entsprechen würde, möchte ich noch kurz auf die große Anfrage Nr. 67 dec Herren Abgeordneten Braun und Genossen wegen der shivarz-rot-goldnen Fahne des Statistischen Landesamts Antwort geben. Meine verehrten Damen und Herren, eigentlich eine Lavalie! Festgestellt wurde folgendes: am 31. August hing aus einem Fenster in einem Dienstraum des preußischen Statistischen Landesanits im ersten Stock nach dem: Hof zu einc chwarz-rot-goldne Fahne. (Heiterkeit rets.) Dieses Zimmer war dem Betriebsrat überwiesen. Der Vertreter des Präsidenten des Statistishen Amtes wird. von den Beamten darauf aufmerksam gemacht, daß geflaggt wäre. Er geht hin Und fragt, wer die Exr- laubnis dazu - gegeben hätte. Darauf sagen die Betriebsrats- mitglieder, das wäre ihre Fahne, sie beabsichtigten, an dem Demon- strationszug teilzunehmen, und hätten ihre Fahne jeßt hinaus- gehängt, um sie zu glätten.. Dex Stellvertreter des Präsi= denten. hat die Leute darauf hingewiesen, daß es nit zulässig ist, aus einem Dienstgebäude aus irgendeinem Zimmer eine Fahne hinauszuhängen, Darauf haben die Leute die Fahne eingezogen. Als sie am Abend vom Demonstrationszug zurückamen, wollten sie die Fahne beim Hausmeistex unterstellen.. Dieser sagte ihnen: Das ist keine amtliche Fahne, hjer ist meine Privatwohnung, ih bin nit verpflichtet, sie unterzustellen. Formal ist, weiß Gott, diese Geschichte, vollflommen in Ordnung; ih habe aber nicht An- stand genommen, dem Herrn Stellvertreter des Herrn Präsidenten zu sagen, daß es mir bei dieser! Lapalie wahrlich nicht angemessen erschienen wäre, so vorzugehen, sondern ‘daß er sich Mißdeutungen naturgemäß aussezen konnte und ja auch ausgeseßt hat, wenn er darauf bestanden hat, die- Fahne zu entfexnen, weil nun einmal ax diesem Tage diese große und berechtigte Demonstration zugunsten der geltenden Verfassung abgehalten worden ist. Fh habe. ihm gesagt, wenn ih an seiner Stelle gewesen: wäre, ich hätte dem Betriebsrat gesagt: ihr: habt nit ‘das Recht dazu, aber meinet- wegen glättet eure Fahne hier einmal in Ruhe, dann könnt ihr sie in Ruhe mitnehmen. Wie man aber aus etnem solhen Vor- gang in dieser Anfrage der Herren Abg. Braun und Genossen zu dem Schluß kommen kann: L

was gedenkt das Staatsministerium zu tun Lachen rets), um die verfassungsmäßigen Reichsfarbèn vor Beleidigungen zu schüßen? (Erneutes Lachen rechts.) So fommt mir das do ein bißcchen so vor, als’ wenn man mit Kanonen nah Spaten hiéßt! (Sehr rihtig! rechts.) j )

Noch ein paar Worte zum Schluß! Soweit i nit Einzel- heiten vergessen habe, glaube ih, mi mit der Fülle der einzelnen Fälle auseinandergesezt zu haben, die mir zum Vorwurf gemacht worden sind. /

Wenn ih aber dann zum Schluß noh zurückgreifen darf mit einem Worte auf das punctum saliens, auf das Prinzip der Personalpolitik, wie ih sie glaube führen zu müssen, so möchte ih sagen; auch ich bin mit dem Herrn Abgeordneten Krüger dur- aus der Meinung, daß die frühere Selektion der Verwaltun zs- beamten falsch ist. Jh habe inih einmal eines gewissen Lächelns nicht erwehren können, als ich ini den Akten den Bericht eines

Regierungspräsidenten des alten Regimes gelesen habe, dex dem preußishen Minister des Jnnern die Einstellung eines. bürgerlichen Regierungsreferendars empfahl und über diesen, Mangel der Ge

burt glaubte hinweggehen zu können dadur, Agß er sagte, es handele sich um einen Mann von einer avistokratishen Erscheinung und von etner hochkonservativen Gesinnung. (Zurufe rechts: Wann war das!?) Das war ein Regierungspräsident von Potsdam. Jh bin gern bereit, Jhnen einmal den Fall zu zeigen. Aber, niht wahr, das ist ja auch nichts Neues, derartige Dinge sikd ja jahrzehntelang Gegenstand einer berehtigten Kritik ge-s iesen, und daß das nicht wieder vorkommen darf, darin werden wir uns wohl alle’ ziemlich einig sein, und in einex Beziehung sind auch jevt die nötigen Schranken aufgerichtet, daß so,etwas nit wieder vorkommt. Jusbesondere hat der Preußische Landtag durch die Zurverfügungstellung der Mittel zur Bezahlung der Referendare die Möglichkeit gegeben, in cinem erwünschten und notivendigen Maße: au solhe Herren als Anwärter in die Lauf- bahn der Verwaltungsbeamten aufzunehmen, die niht mit Glücks- gütern gesegnet sind.

Fm übrigen aber scheint es mir aufs dringendste erforderlich, daß toir. das Mißtrauen beseitigen, das [leider Gottes zwischen weiten Kreisen der Bevölkerung und einer großen Zahl vón den Angehörigen unserer überkommenen preußischen Verwaltung noch besteht. Nichts sheint mir so wichtig zu sein, wie eine Behebung dieses Mißtrauens. Nux dann können wir uns eine neue und shlagfertige Verwaltungsbeamtenschaft schaffen. Ju dieser Be- ziehung, meine verehrten Damen und Herren, sind meine Maß- nahmen und meine Bemühungen unausgeseßt auf eine Aenderung des Geistes unserer Beamtenschaft gerichtet, und ih muß zugestehen und anerkennen, daß ganz naturgemäß. unter den überkommenen

alten Verwältungsbeamten eine gange Zahl von Hévren sih be-

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