1899 / 294 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 13 Dec 1899 18:00:01 GMT) scan diff

je Verdäc

_deutshen Vater-

I Ub Ausnahmegeseze weben! Auh ju cblefender Siefiung gerttat werden falten, yetfangen _ + ELUIDE een zu werden, ]ondern unde e n in der gleihen Liebe zum Vaterlande wie andere Parteien.

Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe-Sch illingsfürst: __ Jch muß meinem lebhaften Bedauern Ausdruck geben, daß eine Rede Seiner Majestät des Kaisers einer solchen Kritik unterzogen worden is. (Unruhe links.) . Jene Rede, welche dur die politische Lage hervorgerufen wurde, enthält dasselbe, was gestern von diesem Tisch aus näher dargelegt worden ist, Sie ist der Ausdruck der Sorge des Monarchen für die Mat und das Ansehen des Vaterlandes.

Bei der großen Stellung, welche der Deutsche Kaiser, der gleid- zeitig König von Preußen ist, einnimmt, kann es Ihm niht verwehrt werden, für große Ziele das deutshe Volk zur Einigkeit zu ermahnen und Seinen Wünschen einen kräftigen prägnanten Ausdruck zu geben.

(Lebhaftes Bravo rechts. Lebhafte Zurufe links. Glecke des

Präsidenten.)

räsident Graf von Ballestrem: Jh habe hon früher erklärt, daß Reden Seiner Mae, welche in authentisher Form, also z. B. im „Deutschen Reichs- l rührung in den Aeußerungen der Reichstagsmitglieder niht verwehrt werden kann. - Ich würde der hohen Bedeutung, die der Deutsche Kaiser im politischen Leben einnimmt, glauben zu nahe zu treten, wenn ih den bedeutsamen Aeußerungen, die Er thut, nahdem fie in authen- tisher Form bekannt gegeben worden sind, eine so geringe Wichtigkeit beimessen würde, daß ih sie hier niht erwähnen ließe. Natürlich muß dies in passender Form geschehen, und ih habe zu erklären, daß der Herr Abg. Dr. Lieber diese Form nah meiner Ansicht beobachtet hat. Das muß ich gegenüber dem Herrn Reichskanzler sagen.

Abg. Graf zu Limburg-Stirum (d. kons.): Jh halte eine Kritik der Worte des Herrshers dur die Parlamente für unzulässig und werde an dieser Auffassung festhalten. Ih stimme aber mit Herrn Lieber darin überein, daß die Finanzlage keineswegs eine glänzende ist und zu äußerster Vorsicht auffordert. Wenn wir in den nächsten 16 Jahren eine dauernde Steigerung der ordentlihen Ausgaben um 97 Millionen aus der neuen Flottenvorlage haben werden unh dem gegenüber nur die Hoffnung auf entsprehende Besserung der Einnahmen steht, so ist Vorsicht doppelt geboten. Der Grund- saß, den Herr Lieber von dem preußishen Finanz - Minister adoptiert hat, ist ein rihtiger. Zum Etat übergehend, hebe ich hervor, was ih {on öfter erwähnt habe: die Parlamente sind in ihrer Finanzkontrole unfähig, toirklihe Sparsamkeit in der Finanzverwaltung zu fördern. Die politishe Tendenz entscheidet, wir können wohl ein- mal sparsam sein, wo sih um einen Bau handelt; aber die wahre Sparsamkeit können wir niht üben, wir sind niht im stande, zu beurtheilen, ob eine Verwaltungsorganisation richtig ift oder nicht. Es fehlt im Reiche an einer kräftigen Finanz- instanz. Der Schaßsekretär \oll es sein, aber diese Per- \fönlichkeit ist niht mit den genügenden Machtbefugnifsen ausgestattet. Der preußishe Minister hat auch einen Etat zu hbalancieren; das brauht der Schaßsekretär niht, der hält si {ließli an die Matrifularbeiträge. Es könnte ja der Reichékanzler, wenn er seine Macht dem Staatssekretär zeigt, diese Befugniß ausüben; aber Sie haben do nicht die Garantie, daß wir immer eine poteate Person in der Stelle des Kanzlers haben. Wir müssen also organische Ein- rihtungen haben, welhe dem Schaßsekretär den Rücken stärken, eine feste Abgrenzung der Finanzen des Reichs von den Finanzen der Einzel- taaten. Jch glaube, daß Ihnen (zum Zentrum) der jeßige Zustand an- genehmer ist, daß das Reich) kein Defizit haben kann. Aber auch Sie werden einmal im eigenen Interesse zu dieser festen Abgrenzung kommen, und ih hoffe um so mehr darauf, weil das au den föderativen Grundsäßen des Zentrums entspriht. Welche Gefahr licgt in der steten Gefährdung der Finanzen der Einzelstaaten dur die Matrikular- beiträge! Zur Zeit des Fürsten Bismarck hieß es, das Reich solle nicht Kostgänger bei den Einzelstaaten fein. Es müßte doch auch für das Zentrum besser sein, sich eine neue Garantie für eine \parsame Wirthschaft im Reihe durch solche festen, organischen Einrichtungen zu beschaffen. Der Post-Ftat wirft einen bedeutenden HSCIGn) ab. Aus dem Zustand einer Zuschußyerwaltung is} er im Laufe der Jahre herausgekommen. (Dieser Theil der Ausführungen des Redners geht großentheils unter der Unruhe im Hause für die Tribünen verloren.) Das Auswärtige Amt hat seinen Etat in sehr vortreffliher Weise aufgestellt. Das Bedürfniß nah neuen Legations-Sekretären if aber do wohl nicht so dringend, wie im Etat, namentlih mit Hinweis auf andére Staaten, geltend gemaht wird; die Deutschen arbeiten immer mehr als Ändere. Auch das neue Haus für das Kolonialamt konnte mit einer Million Pauls gespart wexden. Sonst wird an dem Etat nichts abzustreichen sein. Außerdem \teyt der Etat des Auswärtigen Amts unter dem Schilde des Wohlwollens, welches ihm der Vertrag mit Samoa ein-

etragen bat. Haben die diplomatishen Verhandlungen unter den L ten Zuständen, die nicht mehr über das Prestige des Fürsten Bismarck gebieten, zu solhen Erfolgen geführt, so ist das mit doppelter Freude zu begrüßen. Samoa ist ein Ländchen, niht groß, aber para- diesish {ôn; wir bekommen den einzigen guten Hafen, den die Inseln aufzuweisen haben. Das Entscheidende sind hierbei überhaupt nicht die nackten Zahlen. Hätte im Jaÿre 1880 der Neich38tag die Samoa- vorlage des R Bismarck angenommen, so wären alle die Schwierig- ast 20 Jahre lang unsere auswärtige Politik kom- pliziert haben, nit entstanden. Für die Verwaltung wird die Entsendung des rihtigen Mannes dorthin, der auch die Ein- eborenen richtig zu GuOen weiß, von besonderer Bedeutung sein Hoffentlih sind beim Samoavertrage niht noch geheime Nebenabreden getroffen worden, die den Werth des Ganzen beeinträch- pg: unter diesem Vorbehalt imme ih dem Vertrage zu. Auf- fallend it, daß die für die neue -Gesellschaft im „Hinterlande von Kamerun gegebene Konzession Veranlassung gab, daß die Konzessionäre (e damit an die Börse gingen und sie in klingende Münze um- eten; um so mehr will d offen, daß nicht Aehnliches im Hinter- ne des Samoavertrags spielt. Die Meistbegünstigungspolitik der merikaner is dem deutshen Volk höch\#st ungünstig gewesen, jede Reziprozität wurde verweigert; wir sollen immer Extrakonzessionen geben. Das können wir nicht. @s nüßt uns auch garnichts, wenn wir den Amerikanern Jagen : sie gehen deshalb in ihren Prâätensionen nur weiter. ir haben uns aus Besorgniß vor noch stärkeren Chikanen diese R inep Behandlung gefallen lassen. Die Botschaft des Präsidenten McKinley enthält sehr herzlihe Worte Für uns, wie der Staatssekretär meint; mir scheint, es sind dte Worte des Mannes, der bekommen hat, was er bekommen wollte; es s{heint, als ob wir uns in der Frage der Fleisheinfuhr mit den Kontrolen zufrieden geben sollen, welhe die Amerikaner gewähren wollen, denn wir sind auf die gemeinsame Kommission eingegangen. Der Kanzler hat auf dem Diner des „Geographischen Kongresses“ geäußert, Deutsch- land wäre auf dem Wege zum Jndustriestaat, und er als Agrariter empfinde das mit. Ein Agrarier ist noh nicht der, der großen Besitz hat, ondern ein Agrarier is ein Politiker, welher die Wichtigkeit der andbevölkerung und des platten Landes für das Ganze anerkennt und zur Grundlage e Politik mat. Wir stimmen darum mit dem Motto: „Deutschland Jndustriestaat" niht überein, Die In- dustrie arbeitet mit kolossalen Mitteln und erzeugt viel größere Reichthümer als die Landwirthschaft; aber die Statistik kann solche Fragen nit entsheiden. Ohne die landwirthshaftlihe Bevölkerung ônnen wir den Kern unserer Bevölkerung nicht aufrecht er- ß auh die Industie es immer schwerer aben, ihre Arbeiter zu erhalten. Darum muß vor einem folchen ndustriestaat ewarnt werden. Wir find nicht davon überzeugt, daß der Reichskanzler den Ernst der Situation vollkommen auffaß Wir konnten von dem liberalen \üddeutshen Politiker, als er ‘als Reichskanzler ans Ruder kam, niht erwarten, daß er ganz unserer

keiten, welche

alten, und dann mu

Meinung sein,

gungen | j würde; aber wir ho

den-leßten Jahren die über ra enbli@liche Schwierigkeiten hinwe

nzeiger“, verkündet werden, eine passende Be- |

É

nit, daß er eine kraftvolle Jnitiative ergreifen

en wenigstens, daß er an dem status quo nichts emgegenüber müssen wir leider konstatieren, daß in

Regierung bei verschiedenen Gelegenheiten, um ukommen, von thren Die Flottenfrage

Vom wir find

ändern würde.

Machtbefugnissen brockenweise weggegeben hat. bängt aufs engste mit unserer Paas zusammen. Standpunkt des Parlamentariers könnte man sagen, in der Sache festgelegt. Nachdem wir vor 14 Jahren die Sache so gemaht haben, müssen wir dabei bleiben. Jch muß anerkennen, daß Herr Lieber sich auf diesen Standpunkt nit gestellt, sondern anerkannt hat, daß mit der Entwicklung der Dinge auch die damaligen Anforderungen möglicher Weise hinfällig werden können. Die Verhältnisse haben sch [eit zwei Jahren nicht an den Ds, Die Beziehungen der Staaten und deren Macht- verhältnisse waren damals genau - dieselbea wie heute. Aber es sind Thatsachen uns vor Augen gekommen, die uns gezeigt haben, daß rir damals die Verhältnisse niht ganz vollkommen übershauten und voll- kommen richtig erkannten. Wir müssen au als Parlamentarier, die ih sonst sehr gern eine gewisse Unfehlbackeit zulegen, zugestehen, daß auch unser Wissen im höchsten Grade Stückwerk ist, daß wir die damalige Situation niht vollkommen überschaut haben. Der spanische Krieg und der jeßige Krieg in Afrika giebt uns zu bedenken, ob wir nicht verpflichtet find, den Vorschlägen der Regierung zu folgen und unsere Flotte erheblich zu verstärken. Seit Gründung des Reichs ift die Wichtigkeit des Seeverkehts ganz koloffal gestiegen. Jh erinnere nur an die Blockade. Stellen Ste sih vor, was heute eintreten würde, wenn unsere sämmtlichen Handels\chiffe auf See weggenommen, unsere Häfen blockiert würden, wir würden dadurh aufs schwerste ge- \chädigt werden. Anders wäre es, wenn das Seereht nicht fo elastisch wäre, wie es jeyt der Fall ist, Das See- recht der anderen Staaten, z, B. Englands, isst darauf be-_ rechnet, im Fall eines Krieges niht allein den Gegner voll- ständig zu vernichten, sondern auch die neutralen Staaten zu shädigen. Darum müssen diejenigen Staaten, welhe sich nicht unterdrücken lassen wollen, ih selbs die erforderlihen Machtmittel verschaffen. Dazu kommt die Wichtigkeit der überseeish-n Kabel. Würde nicht ein mäthtiger Feind zur See sagen können: ebenso wie wir den Schiffsverkehr abschneiden, ebenso fühlen wir uns berechtigt, au den Kabelverkehr zu verhindern? Daher kann ich nur sagen, ih bin mit meinen politishen Freunden sehr gern bereit, mitzuwirken an einer Verstärkung der Flotte. Der Hauptgrund für unsere Besorgniß bei einem eventuellen Kriege zur See ist die Stellung, welche Cugland uns gegenüber in den leßten Jahren eingenommen hat. Es ist völke: psychologisch merkwürdig zu beobachten, wie die Antipathien untec beiden Völkern von Jahr zu Jahr gestiegen sind. Dies ift ge- ehen ros der großen Sympathien, welche die einzelnen Engländer bei uns finden, und der Verwandtschaft unter dèn Staatsoberhäuptern. Die englische Politik ift uns gegenüber eine sehr mangelhafte; seit- dem wir in wirklih besheidener Weise versuht haben, unseren An- theil am Kolonialbesiß zu erhalten, ist man dem von englischer Seite immer wieder und. wieder in unrihtiger Weise ent- gegengetreten. Das englishe Volk hat eben das Gefühl, daß die englische Politik berehtigt sei, alles das zu nehmen, was es noch niht besißt, und sich dort festzusegen. Unsympathish i} da- bei noch, daß das Alles unter der Firma von Religion und Zivili- sation geschieht. Der Cant wird für diese Politik benußt, und das hat große Antipathien erzeugt, auch in Bezug auf die Haltung der Engländer gegenüber den Buren. Wir haben nit so sehr Sympathien für die Buren selbst, als für die Art, wie sie den Kampf führen. Das Beispiel der Geschichte zeigt, was große einfache Frömmigkeit bei solchen Leuten zu Wege gebraht hat. Ich erinnere an den Krieg der Holländer gegen die Spanier. Dasselbe Element macht si jeßt au bei den Buren geltend. Bei gleihen Waffen wird immer das fromme Volk das Uebergewicht haben. (Zwischenrufe bei den Sozialdemokraten.) Auch Sie (links) werden das lernen, wenn Sie einmal in die Lage kommen. Von den Reden einzelner englischer Staatsmänner wird in der deutshen Presse eigentlich zu viel Aufhebens gemacht ; es sind vielfah Wahlreden 2c. Jch' erinnere z. B. an die Gladstone’she Rede in der Herzegowina-Frage. - Die Rede des Staatssekretärs Grafen von Bülow hat mich insofern gefreut, als sie in altbewährte Politik einlenkt und auf unsere guten Be- ziehungen zu Rußland zurückgreift. Was unsere Marine betrifft, so müfsen wir alles leisten, was unsere Werften in gutem Stand halten und die Bemannung der Schiffe - auf der alten Höhe erhalten kann. Die deutsche Flotte ist augenblicklich so gut, wie deutscher Fleiß und deutshe Intelligenz ein Institut nur machen können. Ich halte es aber für nöthig, dem hinzuzu- fügen, daß wir au unser Landheer in derselben Güte erhalten müssen. Ihm verdanken wir die großen Erfolge in den sechziger und siebziger Jahren. Es ist Manchem doch sehr zweifelhaft, ob mit der zweijährigen Dienstzeit ‘in Wirklichkeit das Landheer so ausgebildet werden kann, wie es nothwendig is, wenn wir es einmal mit einem e: zu thun haben, der eine langjährige Dienstzeit eingeführt hat.

as Bolk theilt nicht die Ansicht, daß unsere Zukunft auf der See liegt. Unsere Zukunft ist und bleibt immer auf dem Lande, sowohl in der Entwidckelung der Landwirthschaft wie der Armee, Wirkliche Verbindungen mit Anderen können nur auf dem Lande stattfiaden, Wenn wir uns aber allen diesen Verpflihtungen nicht entziehen können, dann müfsen wir das Reich sparsam verwalten und dafür sorgen, daß man au in den Einzelstaaten mit den vorhandenen Ein- nahmequellen vorsichtig umgeht.

Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Staats-Minister Graf von Bülow:

Meine Herren! Jch möchte aus den Gründen, die ih gestern vor dem Eintritt in die Tagesordnung angedeutet habe, jeßt niht auf das Samoa- Abkommen eingehen. Das aber kann ich {hon jeßt mit aller Bestimmtheit erklären, daß die Abkommen wegen Samoa keinerlei ge- heime Klauseln noch geheime Bestimmungen enthalten, weder politisher noch wirthshaftlicher Natur und daß mit diesen beiden Abkommen keinerlei Verpflihungen- irgend welher Art übernommen worden sind, weder politisher noch wirthschaftliher Natur, weder gegenüber England noch gegenüber Amerika. (Beifall rechts.)

Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst: Der Herr Graf zu Limburg-Stirum hat gesagt ih war damals nicht im Saale anwesend ih hätte ihn und seine Freunde enttäusht, indem ih das Verbindungsverbot zur Aufhebung gebracht hätte. (Widerspruch rechts.) Ich glaube für diese Aeußerung die Erklärung in einem Organ der konservativen Partei gelesen zu haben. Jenes Organ sagte: Wenn Fürst Hohenlohe niht die Aufhebung des Verbindungsverbots bringt, muß er zurücktreten. (Hört, hört! links,) Das war eine Erwartung, die ih allerdings getäusht habe. Daß ih damit den Herrn Grafen enttäusht habe, thut mir leid (Heiter- keit); daß ih alle seine Freunde enttäusht haven sollte, das kann ih nit glauben. Staatssekretär des Reihs-Schaßamts Dr. Freiherr von Thielmann: Der Herr Abg. Dr. Lieber hat im Verlaufe seiner eben gehaltenen Rede auf die Schätungen der Ginnahmen für das kommende Jahr ; angespielt und hat, wenn ich ihn rihtig verstanden habe diese Kautel will ich vorausshicken gesagt, es schiene ihm, als ob die Einnahmen mit Absiht hoh angeseßt seien, um die Deckung der erhöhten Ausgaben ‘leihter zu ermöglichen. Jh kann «dem Herrn Abgeordaeten die Versiherung geben, daß die Schäßung der Ein-

ziffern. Und wenn der Herr Abgeordnete hi“ ¿gt hat, die Budget- kommission werde sich diese Zahlen s __,« müssen, fo stimme ih dem aus vollem Herzen bei; m, ü der Kommission das, was ih soeben gesagt habe, benn po ot

Ferner haben die Herren bg. Dr. Lieber und Graf zu Limburg- Stirum bemängelt, daß von den geshäßten Einnahmen der Post nicht gleich ein Abzug gemaht worden sei für die demnächst in Kraft tretenden Tarifermäßigungen. Es is ein alter Grundsaß unseres Etatsréhts und dieses hohen Hauses, daß solhe Gesche, welche zur Zeit der Etatsvorbereitung noh nicht verabschiedet sind, bei der Etats- vorbereitung au nit berücksihtigt werden. Es wird möglicherweise bei der Post durh die Tarifermäßigungen eine kleine Verringerung der Mehreinnahmen eintreten; ih gebe aber zu bedenken, daß jede

Tarifermäßigung auf Verkehrsgebieten, namentlih in diesem Falle, wo

die Privatposten zu Gunsten der Reihspost in Wegfall kommen, au erhöhten Verkehr und damit wieder höhere Einnahmen nach. sich zieht. (Sehr richtig! und Hört, hört! links.) i

Abg. Bebel (Soz.) erklärt zunächst, er werde auf die vier Reden von gestern im Zusammenhange seiner Ausführungen näher zurück- kommen; zunächst gelte es, den Etat etwas s{härfer zu fkritisieren, als es bisher gesheben sei. Die Finanzen ständen nah Ansicht des Shay- sekretärs in vollster Blüthe. Die Prosperitätösepoche aber, ia der man lebe, dauere {oa weit länger an als fonst, es könne plôplih ein Rüd- \{chlag und eine Ebbe eintreten. Die Ueberschüsse zerflössen außerdem dem Reichs: Schabßsekcetär unter ven Finaern, sie verwandelten {ih unter seinen Händen in Defizite; tro des Ucbershusses solle wieder eine Anleihe von 76 Millionen aufgenommen werden. In ten leßten 12 Jahren habe man nur zwei s{lechte Finanzjahre genas die Schuldenlast sei aber von 750 auf 2300 Millionen gestiegen. Die Matrikularbeiträge seien in diesen Etat mit 526 Millionen, die UV?kterweisungen nur mit 514 Millionen eingestelt. Die Finanzgebarung der leßten 12 Jahre, insbesondere der leßten 6 Jahre, habe gerade die Zentrumöspartei auf dem Gewissen; si? habe mit Scheffeln gemessen, wo früher die Nationalliberalen nur mit Meyen gemessen hätten; und auch in Bezug auf die neue Flottenvorlage sei ihr BewiPigungseifer weit größer a!s ihre Ablehrungsentschlossenheit; und die Erwartung, daß der Reichstag wegen der Ablehnung werde nah Hause geschickt werden, scheine nicht in Erfüllung zu gehen, weil die Flottenvorlage durch das Zentrum bewilligt werden würde. In diesen 12 Jahren seien die Ausgaben für Heer, Marine, Reichéshuld in ganz kolofsaler Weise prozentual ge\tiegen; die Bevblkerung set um 14 9%, die Aus- gabe für Heer um 40, für Flotte uvm 100, für Reihsfhuld um 160% gestiegen. Der Reichthum der Nation fei lange nicht in dem Ver- hältniß gestiegen, um diese ungcheure Ausgabenfteigerung zu reht- fertigen. Die Persionétlaft fsteigere sich bei Militär und Marine in noch erhebliherem Maße, während der Pensions - Etat für die Zivilbeamten gefallen sei. Die Kolonien spielten in den neuen Flotten- plänen eine große Rolle; man thue so, als ob da Wunder was zu holen sei. Würde man eines Tages sämmilihe Kolonien los, fo verlôre man nit soviel, als schon für dieselven bezahlt sei. Das sei alles nah seiner (Redners) festen Ueberzeugung weggeworfenes Geld. Die Kolonien kosteten in diesem Etat 14} Millionen, abgesehen von Kiautschou ; dazu 2 Millionen Nachträge aus früheren Jahren; dazu die Kosten füc die Dampferlinien u. #. w., kurz, im Ganzen 30 Willionen Mark, während der ganze Handel mit diesen Kolonien, außer Kiauischou, die Einfuhr nach Deutschland 4 617 000, die Ausfuhr 10 Millionen be- trage, darunter noch das Silker und die Lebentbedürfnisse, welche für die Beamten nah den Kolonien geführt würden. Der Gesainmt- handel Deutschlands habe sich i. J. 1898 auf 94 Milliarden belaufen ; davon sei der Kolonialhandel der 700. Theil. Der Handel nah Kiautschou folle hon sehr erfreulichß zugenommen haben. Zahlen babe aber rer Staatssekretär von Thielmann nicht angeführt. Man hahe dort eine Garnison von- 1700 Mann und Beamte und Kaufleute, also herrshe in Schantung ein relativ erheblicher Umfay und Verkehr, aber leider auf Reichskosten. Ja Gegensaß zu den günstigen Schilderungen des dortigen Klimas stelle sih jeßt heraus, daß Kiautschou ein wahres Fieberneft sei, daß von 100 Deutschen nur 20 Ausficht hätten, heil und gesund nah Deutschland zurückzukehren. Amtlich werde zu freiwilligem Eintritt in die Feldbatterie Kiautsho:1 durch ein Zirkular aufgefordert, welches auch a1 ein Partetblatt ge langt sei, der Andrang zu diesen Kommandos könne also doch nur ein mäßiger sein, und die Ersayzmannschaften seien niht mehr auf dem gewöhnlihen Wege zu erlangen, Der deutshe Handel in Ost -Asien habe sihch - in den lehten Jahren nur mit Mühe und Noth auf seiner bisherigen Höhe erhalten lönnen bei der großen Konkurrenz, die sih dort entwickelt habe, und diese Lage werde Ah in Zukunft nicht bessern. Der deutsche Handel habe allerdings riesen- hafte Fortschritte gemacht, ein Zeugniß für die Tüchtigkeit der deutschen Kaufleute und Arbeiter, aber. die Flotte habe zu diesem Wachsthunr so gut wie garnihts beigetragen, Daher sei es wohl gekommen, daß die Hamburger, Bremer u. f. w. Kaufleute sih sehr lange befonnen hätten, für die Kolonien Propaganda zu machen. Heute {oa klagten die Rhedereien, daß sie kein Maschinenpersonal, keine Heizer, keine Beamten mehr bekommen könnten, weil die Marine ibnen alles wegnehme. Die ganze seemännishe Bevölkerung fei hon derart in die Marine eingereiht, daßer (Redner) nit wisse, woher . die Flottenverstärkung das nöthige Material bekommen folle; aber bekomme [e es, dann gehe es der Handeléflotte verloren. Schon am 15. Dezember v. J. habe er (Redner) darauf aufmerksam * gemacht, daß ein neuer Flottenplan im Werke sei, man habe nur Niemanden gefunden, der die Verantwortung tragen wollte. „Daß ein solher Plan komuut, steht für mich felsenfest“, habe er (Redner) damals hinzugefügt. Der Abg. Lieber habe darauf erwidert, ein solher Plan könne nit existieren, weil er nicht existieren dürfe, nahdem die bündigslen Erklärungen der Regierung in Bezug auf die Bindung abgegeben seien. Der Staatósekretär Tirpiß habe damals ge- \chwiegen und ers in der Budgetkommission vom 11. Jaruar erflärt, daß bis jeßt an feiner Stelle die Absicht hervor- getreten sei, einen neuen Flottenplan vorzulegen, fondern daß an allen in Betraht kommenden Stellen die feste Absicht bestehe, an dem Gesetze festzuhalten. Jun seiner gestrigen Rede habe er dagegen ausgeführt, daß auf seinen L Dezember die Entscheidung getroffen worden sei, daß zwar einer Vermehrang näher getreten, aber vorher der Versuch gemaht werden sollte, das Gesey durhzuführen. Davon habe der Staatssekretär damals im Januar nihts gesagt. Ec habe vielmehr damzls gesagt, wir erhielten mit dem Flottengesey eine Macht, gegen die offensiv vorzugehen selbst eine Seemacht ersten Ranges sih dreimal bedenken wliude. Die deutshe Flotte würde im europäischen Konzert ein Vachtfaktor sein, die i. J. 1904 aufgehört haben würde, eine quantité négligeable zu sein. Derselbe Staatssekretär, der hier nahzuweijen versucht hätte, welche geradezu enormen Vortheile die Bindung habe für die Macht des Deutschen Reichs, habe gestern, zwanzig Monate später, in einer einzigen Spalte seiner Rede niht weniger als dreimal mit Be- dauern von der Fessel der Limitierung des Flottengeseßes ge- \sprohen. Man sei nunmehr glücklich bei den „uferlosen Flotten- plänen“ angelangt. Ohne daß eine Vorlage gemacht worden sei, also \treng genommen gegen die Geschäftsordnung, hätten die Herren Bundesrathsvertreter von der garnicht vorhandenen Flotten- vorlage gesprochen. (Präsident Graf von Ballestrem: Nach der Verfassung, welhe über der Geschäftsordnung ftehe, müßten die Vertreter der verbündeten Regierungen \tets gehört werden; dies be- merke er (der Präsident) zu seiner Rechtfertigung.) Er (Redner) er- kenne das vollständig an. Es sei eine „MVearinekorrespondenz“ ins Leben gerufen; der Flottenverein habe in ausgiebigster Weise tür die Erweiterung der Flotte mit Feuereifer, besonders seit dem 18. Oktober agitiert, wobei selbst amtliher Zwang nahdrücklih ausgeübt worden set.

(Schluß in der Zweiten]Beilage.)

nahmen, wie sie im Etat für 1900 hier vorliegt, genau nah be- rühmten Mustecn geshehen is, nah den bekannten Durchschnitts-

zum „M 294.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Höhere Postbeamte hätten thren garzen Einfluß aufgeboten unter Mißbrauch ihrer Stellung, die Unterbeamten in den Flotten- verein zu zwingen. In dem kleinen rheinishen Städtchen Beeck habe sogar die Polizeibehörde amtlich die Einwohner zum Eintritt in den Flottenverein veranlaßt. Das sei in der That neu. Erst nah der Rede vom 18. Okiober habe der Staatssekre!är Tirpiß seine Rundreise nah Süddeutschland argetreten, um an den süd- deutshen Höfen Vortrag zu halten. So seien auch die lex Heinze. die Unisturz-, die Arbeitswilligenvorlage aus einer solchen impu!siven Ein- gebung hervorgegangen. Die deutshen Regierungen hätten di: ser Thatsache gecer über ihre verfassungsmäßige Stellung in merkwürdiger Weise gehandhabt. Der Buudedrath sei ein Faktor, der nicht das sei, was er auf Grund der Verfassung sein - sollte. Wenn “die Flottenvorlage erledigt sein werde, werde wieder eine Militärvorlage kommen. 7000 Mann der leßten Vorlage rückständig. Dann werde man auch vielleicht die zweijährige Dienstzeit wieder beseitigen wollen. Von der U masse kostspieligec Einrichtungen und Bäuten, welhe mit der Flotten- verdoppelung nothwendig zusammenhänge, babe keiner der V-rtreter der verbündeten Regierungen und auch der Abg. Lieber nihht gesprochen. Da würden schl!eßlich wieder die Steuern auf die notbwendigsten Lebensmittel der Massen berhalten müssen. Wenn heute eine Krise ausbrehe, würden gerade die etinheimishen Arbeiter aufs Pflaster geworfen; denn die Unternehmer hätten ja aus- ländishe Arbeiter in Menge hereingezozen, um die Löhne zu drücken, die Organisationen zu zerstören. Das sei der Patriotismus der deutshen Uaternehmer in seiner wahren Gestalt. Der „Bulkan“ habe die Arbeiterzahil vermindert und beute die verminderte Zahl dur vnerhörte Ausdehnung der Arbeitézeit aus. Der osftpreußische landwiithschaftlihe Zentra! verein wolle bei der Regierung uw die Einführung der Halb1ags\hule petitionieren. Jhnen gehe ja die Bildung des Arbeiters viel zu weit. Nach dec Meinung der Soztal- demokraten fehlten aber in Deutschland Zehntausende von Lehrern und Scolhäusern , dafür seien die Mütel jeßt niht da. Der Tuberkulio)e-Kongreß, der in diesem Saale getact habe, habe Maß- regeln vorgeschlagen, die für die Kultur weit mehr bedeuten würden als die Flottenvorlage; aber dafür habe man nidts übrig, nihts für die Arbeiter, nichts für die O1 ganisation der Arbeiter, für ein Recichs- Arbeitgamt. Die gläubige Christerheit werde in einigen Wochen singen: „Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen!“ Aber das Christenthum sei in diesem christlihen Staat längst eine elende Phrase geworden.

Staatssckretär des Reichs-Marineamts, Staats-Minister, Vize-Admiral Tirpiß:

Meine Herren! Ich werde der großen Zahl von Vorwürfen und irreleitenden Behauptungen des Herrn Vorredners niht in gleichem Umfange erwidern können. Jch glaube aber doch verpflichtet zu fein, dieselben niht ganz unwidersproh:.n in die Welt hinaus- gehen zu lassen.

Der Herr Vorredner hat zunächst eine Reihe von Vorwürfen gegen mich perfönlih ausgesprohen. Er hat unter anderem gesagt, id hätte gewissermaßen mein Manneswort eingeseßt, daß wir in den nächsten sechs Jahren (Zurufe von den Sozialdemokraten Glode des Präsidenten)

Ich habe die Nete des Herrn Abg. Bebel zwei Stunden lang angehört, und ich glaube wohl das Recht zu haben, daß ih hier auh von Ihnen angehört werde, wenn auch niht zwei Stunden lang, fo do einige Minuten. (Sehr gut! rech18.) Meine Herren, der Herr Abg Bebel hat gesagt, ih hätte gewissermaßen mein Mannetwort eingeseßt, daß in den nächsten sechs Jahren keine weitere Flottenvorlage eingebraht werden solle. Ih weise die In- sinuation, die darin liegt, mit Entrüstung zurück. (Zuruf von den Sozialdemokraten Glocke des Präsidenten.) Ein parla- mentarischer Autdruck dafür f\teht mir niht zur Verfügung. Ih habe im- Januar dieses Jahres in der Budgetkommission nah bestem Wissen die Verkbältnisse auseinandergesetzt, und ih hätte dort siherlich nit eine Erklärung abgegeben, so wie ih sie abgegeben habe, wenn ich geglaubt bätte, es fkönnte {on jeyt eine Vorlage kommen. (Zuruf von den Sozialdemokraten ) Die Verhältnisse haben sich aber, wie ich gestern die Ehre hatte, dem hohen Hause darzulegen, rapide entwick.lt. Es is mir, wie ih bereits ausgeführt habe, schwer genug geworden, an die Bearbeitung einer Novelle heranzutreten, aber ih nchme die volle Verantwortung dafür auf mi. (Zuruf von den Sozialdemokraten ; sehr gut! rechts.) Wir find dur den Druck der politishen Verhältnisse zu der Ueberzeugung von der Nothwendigkeit der Verstärkung der Flotte gekommen und mußten deshalb vorgehen, wie wir vorgegangen sind. Der Herr Abg. Bebel hat mir dann eine andere Bemerkung vorgeführt, die ih bei der ersten Lesung des Flottengeseßes hier gebraucht habe. Ich- habe damals gesagt, daß, wenn wir diese Flotte hättea, auch eine See- macht erst:n Ranges sich bedenken würde, offensiv gegen unsere Küsten vorzugehen. Das is, wie ih ganz offen eingestehen will, kein glücklich gewählter Ausdruck gewesen. Dieser Punkt i} indeß in der Budget- kommission eingehend behandelt worden. Jch habe dort auseinander- gesezt, und das müßte der Herr Abg. Bebel genau wissen, daß für eine Offensive gegen unsere Küste rein numerish betrachtet nah meiner Ansicht die 1} bis 1} fahe Stärke unserer Flotte erforder- lih wäre. Der Herr Abg. Bebel braucht nur einen Flottenalmanah zur Hand zu nehmen, um si zu informieren, welche Flotte im stande ist, gegen unsere Flotte, auch nachdem sie ihre jeßige Sollstärke erreicht hat, vorzugehen,

Der Herr Abg. Bebel hat unser Vorgehen ferner so darzustellen versuht, als ob wir von der Industrie geschoben worden wären. Das ist denn doch eine sehr eigenartige Behauptung. Als ih vor 24 Jahren das erste Flottengesey ausarbeitete, war ich mir über die

‘Leistungsfähigkeit unserer Industrie niht ganz im klaren. Als später

die Verhältnisse dringliher wurden und ih es kommen sah, daß wir möglicher Weise sehr viel schneller zu einer Verstärkung der Flotte gezwungen werden könnten, als ih vor 25 Jahren angenommen hatte, bin ih persdalih herumgereist und habe mich über diese Frage bei den verschiedenèn Industrien, die dabei in Betraht kommen, zu orientieren versuht. Jh habe bet dieser Gelegenheit in diskreter Weise die Leiter der besonders in Betracht kommenden Industrien

darauf aufmerksam gemacht, daß wir möglicherweise früher zu einer Verstärkung unserer Marine gezwungen werden könnten, als ih es

seien ja noch von -

Berlin, Mittwoch, den 13. Dezember

bisher angenommen hatte, und daß sie sich darauf einrichten möchten. (Aha! und hört! Hbôrt!. Links.) Das wär im Frütjahr und Sommer dieses Jahres, als sih allmählich eine andere Auffassung über die Nothwendigkeit der Flottenverstärkung bei uns herausbildete.

Ich habe noch mehx gethan! Jh habe später eine Enquête veranstaltet über die Beziehungen unserer Schiffbauindustrie zu den Hilfsindustrien, die die Halbfabrikate für die Schiffbauindustrie liefern, und ich habe mich befonders dafür interessiert, in- wieweit man ein besseres Zusammenarbeiten herbeiführen könnte, als es bisher der Fall ist. Jh habe das sowohl für die Kriegs- marine gethan als auch in dem Gedanken, daß es für die Entwike- lung unserer Seeinteressen von der allerzrößten Bedeutung is, daß wir nicht nur diejenigen Schiffe bauen können, die wir selbst brauchen, sondern daß wir auch noch für das Ausland zu bauen vermögen. Jch habe die erfreulihe Thatsache konstatiert, daß die Leistungsfähigkeit in jeder Beziehung erheblich höher ist, als ich früher angenommen hatte, und daß die Entwickelung in den leßten Jahren eine sehr ftarke ge- wesen ift.

Meine Herren, die Auffafsung is grundverkehrt, die Marine- verwaltung wäre von der Industrie geshoben. worden. Jch \tzhe in diefer Beziehung genau auf demselben Standpunkt, wie mein hoch- verehrter früherer Chef, General von Stosch, daß es Aufgabe der Marineverwaltung is, die Schiffbauindustrie vorwärts zu sieben, nit aber sih s{hieben zu lassen.

Es berührte mich auch eigenartig, daß der Herr Abg. Bebel immer nur die Interessen der Leiter der Industrie hervorhebt. Ich möchte glauben, es giebt im ganzen deutschen Volk keine Berufs- klasse, die so große Interessen an der Flotte hätte, wie die Arbeiter. (Sehr richtig! rechts.) Zunächst finden diè Arbeiter beim Bau von Kriege schiffen wie in den mit dém Bau von Kriegsschiffen zusammen- hängenden Hilfsindustrien reihe und gute Arbeitsgelegenheit. Es werden in diesen Berufen eine ganze Reihe von Millionen Ar- beitern beschäftigt. Weiter aber giebt es vielleiht nihts, was in dem kommenden Jahrhundert die Erhaltung, Blüthe und Aus- dehnurg unscrer Industrie so sehr bestimmen wird, wie die See- geltung Deutschlands, und diese Blüthe der Industrie kommt=wieder den Arbeitern zu gute. Kommt es nun aber gar zu einem Seekriege, so würden wiederum die Arbciter diejenigen sein, die am meisten unter dem Kriege zu leiden hätten, da sie bei einer Blockade in großem Umfang ihre Arbeitsgelégenheit verlören.

Vielfach herrscht die Auffassung, als ob ein moderner Krieg nur kurze Zeit dauern könnte. Jch will mich des Urthiils über diese Frage bezügli eines Landkrieges enthalien. Aber der Natur des reinen Seekrieges widerspricht die Kürze der Dauer durhaus. Im Gegen- theil, ein teiner Seekrieg trägt die Wahrscheinlichkeit etner langen Dauer in ih, denn die Absicht eines solchen See- krieges, den Welthandel des anderen Staats zu vernichten, wird um so sicherer erreiht, je länger der Krieg dauert. Eine folche Vernichtung des Welthandels wird gerade durch cine Blcckade in hohem Maße erreiht. Dieselbe läßt sch von dem Gegner mit verhältnißmäßig geringen Opfern aufrecht erhalten, fo- bald nur erst einmal die kleine deutshe Schlachiflotte vernichtet ift. Die Blockade würde zur Folge haben, daß viele Millionen von Ar- beitern feiern müßten. Dies Feiern von Millionen Arbeitern in taufenden von bisher blühenden Industriezweigen würde die größten sozialen Mißstände herbeiführen.

Meine Herten, man hat es so dargestellt, als ob die Zufuhr von Rohmaterialien während einer solhen Blokade dadur erreiht werden könnte, daß der nothwendige Import aus den Nachbarstaaten über Land ginge. Es is aber doh ecinfah unmögli, sole Quantitäten von Rohmaterial wie die, um welche es sich hier handelt, auf den Eisenbahnen durch die Nachbarländer zu transportieren. Es ist ebenso wenig mögli, daß die Hafenpläßze der kleinen neutralen Staaten diesen Durchgangéverkehr aufnehmen, Ganz abgesehen davon, daß ein mächtiger uns blockierender Seegegner siherlih Mittel und Wege finden würde, dies zu verhindern, sind Rotterdam und Antwerpen heute bereits so überfüllt, daß sie außerdem noch den Riesenverkehr von Hamburg und Bremen garniht zu bewältigen im stande wären. Nach Beendigung des Krieges, wenn unsere Absatgebiete und Handelsverbindungen von den übrigen Nationen in Beschlag genommen find, würden es wiederum die Arbeiter sein, welche den Hauptschaden trügen. Man kann sich die Folgen einer lange andauernden Blokade für einen Staat, der industriell so 'entwickelt is wie Deutschland, garnicht \{chlimm genug vorstellen. Dann würde mit Sicherheit die Ver- elendung der Massen eintreten. Jh enthalte mih des Urtheils, ob die Herren etwa glauben, daß eine folhe Verelendung politisch günstig für Sie sei.

Meine Herren, ich habe vor einigen Tagen in einer sozialdemo- fraiishen Broschüre gelesen, daß dié deutshe Sozialdemokratie sich

darüber wundert, d-ß die englishen Arbeiter der transozeanishen Politik Englands ein \o großes Juteresse entgegenbrähten. Die Herren werden sich vielleiht auch darüber wundern, daß die englishen Arbeiter stets mit großer Energie für jede Flottenrerstärkung eingetreten find Was mich wundert, ist, daß gerade die Führer derjenigen Partei, welhe die Inter- essen der Arbeiter zu vertreten behaupten, in so s{chrofffer Weise gegen die Nothwendigkeit einer Verstärkung unserer Flotte ägitieren, Meine Herren, man soll in politisGen Dingen nit prophezeien, aber ich wäre beinahe versuht, es in diesem Falle’ doch zu thun : es wird der Tag kommen, wo die deutshen Arbeiter (Lachen links) eine ähnlihe E: kenntniß über die Bedeutung dieser Frage gewinnen, wie die englischen Arbeiter. Die älteren von den Herren mögen das vielleicht nicht mehr erleben, die jüngeèren Herren werden es sicherlich thun. Die Arbeiter, für deren Wohl ih persönli ein warmes Herz habe und für deren Wohl ih in meinem Ressort eintrete, soviel es mir mögli ist, werden hoffentlich sehr bald erkennen, daß ihre

U ea : E Zw eite Beilage E E Drchen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

1899, :

Präsident Graf von Ballestrem: Beim Sau der Nedé del Abg. Bebel herrschte sol? Unruhe, daß ich seine Worte, die mir orduurgéwidrig zu sein schienen, richt gerau verstand. Nah den Stenogramm, das ih mir habe kommen lafsen, muß ich ihn weg seiner legtea Worte zur Ordnung rufen. # Darauf wird die Berathung vertagt. Jn einer persönlichen Bemerkung erklärt der Abg. Bebel: Wer der eigentlihe Schieber in der Floltenver- mehrungsfrage sei, habe er in seiner Rede so deutli gezeigt, wie es irgend parlamentarisch zulässiz gewesen sei. „NINROR Graf von Ballestrem: Das i} keine persönliche rfung. z Abg. Graf zu Limburg-Stirum: Der Reichskanzler f meine Ausführungen nicht rihtig wiedergegeben. JIch habe ni gesagt ih wäre enttäusht gewesen über seine Zustimmung zur Auf- ebung des Verbindungsverbots, sondern gesagt, ih und meine Freunde wären durh feine ganze Verrzaltung enttäusht, wie ih Überhaupt meine Ausführungen namens meiner politischen Freundé gemacht habe. i Schluß gegen 6 Uhr. Nächste Sizung Mittwoch 1 Uhr. (Dritte Berathung des Telegraphenwege-Geseßes, Fortsezung der Etatberathung.) :

Literatur.

Im Verlage von Justus Perthes in Gotha sind soeben die 7e ald genealogishen Kalender für das Jahr 1900 erschienen. :

Der neue (137.) Jahrgang des GenealogishenHofkalenders nebst diplomatisc - statistishem Jahrbuche, dec alljährlih auch in französischer Sprache unter dem Titel „Almanach de Gotha, Annuaire généalogique, diplomatique et statistique“ ¡ur Ant- aabe gelangr, it mt den Porträts Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen und Ihrer Kaiserlihen und Königlichen Hoheit der Prin- zessin Ludwig von Bayern, des Fürsten Ernst zu Löwenstein- Wertheim- Freudenberg und des Präsidenten der Französischen Republik Emile Loubet geschmückt. Jm Ge toa E Theile des Hofkalenders hat die Redaktion insofern eine Neuerung eingeführt, als sie, wie ü Vorwort bemerkt wird, bei den CurebAUidn Regentenhäusern, bei den Familien der deutschen Standesherren und auch bei manchen anderen, nicht souveränen Fürstlichen Häusern Europas am Schlusse der hifto- rischen Einleitung, die ih über dem Perfonalbestande findet, angegeben hat, wie jedes der jüngeren Mitglieder des betreffenden Hausés heiße und welh:8s Prädikat (Hoheit, Durhlaucht 2c.) ihm zukomime. Eine weitere Jnhalisbereicherung hat bieser Theil dadur erfahren, daß in den dritten Abschnitt auch die Genealogie derjenigen nicht \fouveränen Fürstlihen Häuser Europas, deren Namen in den leßten

Fahren ledigli ein Hinweis auf frühere Jahrgänge beigefügt worden

ar, weil diese Familien dex Redaktion keine Nachricht gegeben oder die Korrekturblätter nicht z¿urückgeshickt hatten, in diesem Jahre vollständig aufgenommen worden if Mit gleicher Sorgfalt wie der genealogische t unter Benußung der amtlihèn Veröffentlichungen - der diplomatisch-statistishe Theil behandelt, der in | diefem Jahre durch die Aufnahme der Telephonstatistik bereichert ift, foweit über dieselbe zuverlässige Nachrichten zu erlangen waren. Die Auestattung gleicht derjenigen der früheren Jahrgänge; nur das Format ist, um der durch das stetige Anwachsen des Inhalts drohenden Utt- handlihkeit vorzubeugen, erheblich vergrößert worden.

Im 73. Jahrgang er\chien das Gothaishe Genealogische Taschenbuch der Gräflihen Häuser. Auch im T-rxrt dieses Bändchens sind olle seit der Herausgabe des legt-n Jahrgans eingetr:tenen Veränderu»g-n von dêr Redakticn möglihst berüdck- lichiigt, Die geschichte: Notizen haben vielfah Berichti gung, Ergänzung oder Vermehrung erfahren. Bei verschiedenen, sich verzweizenden Familcen (z. B. bei der Familie Moltke) konnte die verwandtshaftlihe. Zusammengehörigkeit durch bei- gefügte Stammreihen nachgewiesen werden. An neucn Familien fanden die folgezden Aufnahme: Bülow (A.), Buttlar auf Branden- fels genannt Treush, Dziedus¡ycki (wiederaufgenommen), Faber-Castell, Hagenburg, Holck-Winierfeldt, Trampe. Das Bändchen is geshmüdckt mit dem Biloniß des Grafen Bernhard von Bülow, Staatssekretärs des Auswärtigen Amts des Deutschen Reichs und Königlich preußischen bedin f gigtd 50. Sab :

uch der neue 50. Jahrgang des Gothaishen Genealogischen Taschenbuhs der Fretiherrlihen Häuser. ifft es vermehrt, ergänzt und berihtigt. Neu wurden in diesen Jahrgang aufg-nommen die Familien: Amwelunxen, Blomberg (II. Linie), Ditfurth (A), Gans zu Putliy, Hanstein (A.), Sendori Fnöringen (Knoeringen), Lepel (A.), Mandelsloh, Münchhaufen (IT, erster A} Neuhaus-Leißkau und zweiter Ast, erster Zweig: Herrengosserstedt). von der Osten genannt Sacken, Restorff, Seidliß (Seydliß B.), Senfft von Pilsab, von Wenge-Wulffen, von Witten- horst-Sonsfeld. Vor dem Litel sieht man das Porträt des Freiherrn Georg von Rheinbaben, Königlich preußishen Staats-Ministers und Ministers des Innern.

Das deutshe Vaterland im 19, Jahrhundert. Cine Darstellung der kulturgeschihtlihen und politishezu Gatwickelung, für das deutshe Volk geschrieben von Albert Pfister. Mit 6 Karten. Stuttgart, Deutsche Verlagé-Anstali Elegant gebunden, Pr. 8 4 Unter den in jüngster Zeit erschienenen Werken, die an der Wende des Jahrhunderts einen Rükblick auf dasselbe werfen, ver- dient das vorliegende eine besondere Beachtung. Der Ver- fasser, déèr ih durch ne militärishen Spezialforshungen einen ge- ahteten Namen erworben hat, zeigt darin seine Begabung von einer neuen Seite, von der eines kernigen, volksthümlihen Geschichtsfchreibers. Seine Art, die geshihtlihen Ereignisse als die natürlihen Folgen bestimmter Zustände und Verhältnisse ersheinen zu lassen urd fo die au wissen}haftlih unhaltbare “Shranke zwishen politisher und Kulturgeschichte zu beseitigen, giebt stets ein klares und faßliches Zeit- ues de A rag R A ore A) erscheint. a erk, da c die weitesten Leserkreise bestimm wird als Gabe zum Wetihnachtsfeft Vielen willkommen sein. , j Unter der Kriegsflagge des Neihs. Eine Studie über Entwickelung. und Aufgaben der deutshen Marine -von Freiberr von Beàulieu-Marconnay, Oberleutnant im Infanterie-Regi- ment von uns (3. Hessisches) Nr. 83, kommandiert beim Gr Generalstabe. n farbigem Umschlage, mit zahlreichen Text- JUustrationen und Farbendrucken nah Aquarellen des Marine- malers Professors H. Bohrdt. Verläg von George ermann in Braunschweig. Pr. geh. 1,50 4 Bei dem jeßt in Deutschland mehr und mehr erwahenden Interesse für unsere Kriegéflotte wird das vorliegende, auch äußerlih sehr gefällig ausgestaitete Heft einer frevndlichen Aufnahme begegnen. Der Verfasser hat nach zuvér- O Quellen tin großen 3 gen dàs Entstehen, Werden und Wachsen der deutschen Kriegsflotte dargestellt, \{ildert ater in enger Verbindung mit ihrem Werdegang zuglei auh die technishe Ent- wickelung des Kriegsschiffbaues und kennzeihnet die Sts / e lag die der Panzerschiffbau durchlaufen hat. Jn leicht verftänd-

Snteressen niht international, sondern mit dem Gedeihen ihres

Vaterlandes aufs engste verknüpft sind. (Unruhe links.)

iher Form führt er alle wissenëswerthen Ei Lidas mannigfahen Schiffstypen der Neureite über Me A über