1899 / 296 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 15 Dec 1899 18:00:01 GMT) scan diff

m eser Männer fo trugig al ung au eel Se olbes Mi die r n, E machen Sie doch, wie der vir: in seinem O Beamten die Wäblba1keit nimmt; wir bieten Ihnen die Hand dazu. Die zweite That, welche die Konservativen in ganz besonders konstitutio- “neller Beleuhtung vor uns erscheinen läßt, war das Mißtrauensvotum es Grafen Limburg gegen den Kanzler, ganz entsprechend einem Diegler len Warte: Der Minister muß fort von seinem Play. Der eihékanzler ist so lange taub geblteben aegen ähnliche Aufforde- rungen in der Presse; da us sie zu shärferen Mitteln greifen und ihm hier ein beschlofsenes Mißtrauensvotum ertheilen. Herr von Kardo!ff und der Bund der B unterschreiben diese „Kriegterklärung". Bei meiner großen persönlihen Verehrung für den Kanzler mußte mir besonders um die Gründe dieser Heraus- forderung zu thun sein. Das Verbindungsverbot konnte es nicht sein die R Presse selb} hatte ja die Aufrechterhaltung als lächerlich erklärt. e Münzncovelle? Ja, darüber zürnt Herr von Kardorff, aber 154 die Konservativen fällt das nicht so ins Gewicht. Wer die agrar e Presse liest, muß zu der Meinung kommen, daß wir nie eine elendere, {wächere Regierung gehabt bätten als jeßt, denn diese Regierung kann ja gegen England und Amerika nichts aus- rihten. Da liegt wohl der eigentlihe Schlüssel für die Haltung der Konservativen. Ift es denn wirkli ein Verbreden, daß Deutschland uad Amerika \\ch über eine gemeinjame Kommission zur Erörterung der wirthschaftlichen Fragen geeinigt haben? Hat nit Fürst Bismarck erade den Grundsaß aufgestellt, daß politishe und wirthschaftliche ragen niht vermengt werden dürften in der auswärtigen Politik ? Würte nicht heute z B. die Aufhebung des russischen Handelsver- trags zu den schwersten politishen Folgen führen? Als der Kaifer nah England reisen wollte, hat man in Deutschland antisemitische und alldev!she Versammlungen veranstaltet und Adressen an den Kaiser beschlossen, die Ihn ersuchten, diese Reise zu unterlassen. Zu den Zeiten des Fürsten Bismarck hätte man das den Herren nicht rathen follen. Wir sind zufrieden, daß der Kaiser nah England ging. Mit der Krähwinkelpolitik, die die Konservativen treiben, wollen wir nihts zu thun haben. Freilich die „Deutsche R fagt schr deutlich, die Mißstimmung, die jeßt gegen die Regterung herrsche, ziele noch bôher hinauf. Der Bund der Landwirthe, die mähtigste Organisation nach den Sozialdemokraten, is groß geworden dur die verständnißvolle Unterstüßung der Behörden, von den Landräthen angefangen, Jett wundert \ich die Regierung, wie ihr diese von ihr selbst çehäishelte Organisation über den Kopf wächst. Die Herren vom Bunde der Landwirthe aber sind un- dankbar gegen die Regierung, die sie sh fo gedethlich hat entwidckeln lassen; nicht Mißtrauen, sontern höcbste Anerkennung hätte sie ver- dient. Ich komme jeyt zum Etat. (Die nächsten Ausführungen des Redners gehen unter lebhaften Zurufen auf der Rehten verloren ; Vize-Präsident Schmidt ersucht den Redner, auf die Zurufe und Unterbrehungen nicht zu antworten; er werde ihn gegen Unter- brehungen und Zurufe \{üßen.) Ih werde also dem Befehl des Präsidenten gemäß diese Zurufe ignorteren; ih habe bis jeßt geglaubt, man könne Zurufe machen und darauf erwidern; aber | werde mich der mir gewordenen Anordnung des Präsidenten fügen. Was auch immer für finanzielle Maßnahmen in pet nothwendig werden sollten, eive Belastung der rmeren Klassen wird meine Partei niemals mitmahen. Die endgültige Stellungnahme zur Flottenverstärkung behalte ih wir vor ; aber die Prüfung wird man vornehmen unter Berücksichtigung der Thatsachen der leßten 2 Jahre. Ob die Summe von 783 Millionen zutrifft, kann man noch niht übersehen. Nur die Frage muß objektiv geprüft werden, ob sih in den leßten 2 Jahren Veränderungen in den politischen uud wirth\{aftlichen interr ationalen Verhältnissen geltend gemacht haken, welche zu einer veränderten Stellungnahme nöthigen. Herr von Kardorff kann den Liberalen bezeugen, daß sie wegen ihres Flotteneifers aus der Umgebung des Fürsten Biemarck Vorhaltungen haben übex sich ergehen lassen müssen. Das Wort „Weltpolitik“ \ört mih garniht. Die alte Hanfe hat nicht bloß Welihandel getrieben, sondern auch Kriegsschiffe ausgerüstet, die zum Schutze dieser Handels|[chiffe dienen sollten. Schmoller hat mit Recht darauf hingewiesen, daß in älteren Zeiten gerade entschiedene Liberale wie Schulze-Delißsch, wie Friedrich Harkort am feurigsten für eine ftarke Flotte eingetreten sind. Den starken Mann, von dem gestern Graf Posadowsky spra, haben wir gehabt, es war Fürst Bismarck. Aber was is bei seiner Erwürgung der Sozialdemokratie herausgekommen? Am Ende des Sozialistengeseßzes hatten diese Herren bier (links) 15 Millionen Wähler! Beschämend ist es nah meinem Gefühl, daß ein Minister auffiehen muß, um der Volksvertretung zu sagen, daß alle Paiteien nur behandelt werden Fönnen auf tem Boden der Gescße. Nur eine Nodikalkur gegen die Sozialdemokratie giebt es, das ist tie Freiheit. Das Volk verlangt eine volkstbümlihe Politik, darum können Sie îin demselben e blick, wo Sie die Flotte rerstärken, um den deutshen Weltverkehr und Welthandel zu schüßen, niht eine Handelt politik treiben, welche Ne und Vertheuerungen der nothwendigen Lekensmittel nvolviert. Abg. Dr. Roesicke- Kaiserslautern (b, k. F.): Der Bund der Landwirthe hat die Aufhebung des Verbindungsverbo18 uicht ver- langt, er brauchte fie niht zu verlangen, denn er ist so organisiert, daß er mit dem Vereinsgeseß in jeder Beziehung übereinstimmt. (Zwischenruf des Abg Singer.) Sie brauhen sich nur die Gerichtsurtheile tarauf anzusehen, daß wir immer mit den geseßlicen Bestimmungen fkonfo1m gingen. Wenn Herr NRickert meine, daß nur ein Theil der Landwirthe an den Getreide- preisen interessiert sei, so kenne ex die landwirthschaftlichen Ver- hältnisse nicht, obwohl er fic im Verein „Nordost“ darüber infor- mieren könnte. Auch der kleinste Landwirth muß doch Getreide oder irgend ein anderes Produkt der Landwirthschaft verkaufen. um ten Grlôs dafür als Arbeitslohn für sich zu gewinnen, Wollen Sie etwa dem Landmann diejen Lobn verkümmern? Einen amtlihen Apparat zur Agitation für den Bund der Landwirtbe brauen wir nicht. Wir haben im Gegentheil den Beamten den Austriit nahegelegt, um sie nicht in Konflikt mit der Regierung zu bringen. Jnfolge der Erklärung des Grafen Limburg gegen den Reichskanzler bezeichnet die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ heute die Aeußerung des Grafen Limburg, daß der Reichskanzler die Landwirthschaft niht nah ihrem Werthe |chäte, als irrig, weil gerade untcr dem Fürsten Hohenlohe zahlreiche geseßgeberishe Maßnahmen zur Förderung der Landwirthschast er- griffen seien. Welche Maßregeln sind das gewesen? Der national- iberale Redner ertheilte dem Reichtkanzler ein Vertrauensvotum, aber ich kann mir nit denken, daß die Nationalliberalen, welche auch dem Bunde der Landwirthe angehören, darin einstimmen. Das Ver- trauen zur Regierung auf dem Lande geht den Bankerottgang und es tritt bei Erörterung der wirthschaftlihen Verhältnisse immer die Frage auf: „Wo i} der Herr Reichskanzler ?" Auf die Person kommt cs nicht an. Graf Limburg haite niht die Absicht, den Neichékanzler zu stürzen, aber die Landwirthschaft hatte Ursache, sich zu betlagen. Das Böisengeseyß is in Berlin, dem größten Getreidespekulation8ort, noch immer niht ausgeführt. Man hat uns auf Gerichtsurtheile hingewiesen, aber die find längst vergangen. In dem Getreitepreis des Jnlandes gegenükter dem Uuslande liegt ein direkter Verlust der Landwirthschaft. Wo ift der Reichskanzler, der für die Ausführung dieses Geseßes s{chleunigs| sorgt? Troy der Handelsvertragöbestimmungen ist für die Beförderung des russishen Zudckers auf inländishen Eisenbahnen ein billigerer Tarif eingeführt als für den deutschen Zucker. Wo ift der Reichskanzler, der diesen nationalwirthshaftlihen Nachtheil ab- wendet? Wo ist der Reichskanzler, der für das Fleishbeschaugeset forgt ? Eine gemeinsame Kommission von Deutshland und Amerika foll die Lebensmittelkontrole erörtern. Das gefährdet unsere Auto- nomie; es ist unglaublih, daß Amerika über die Vorschriften be- flimmen foll, welhe wir zur Kontrole der Unschädlichkeit der Nah- rungsmittel fesiseßen. Herr Sattler befürchtet eine konservative Re- gierung. Wir werden nicht konservatiy regiert, sondern 1hatsächlih detnokralish. Die Regierung leistet in jeder Beziehung demo-

und der Land- rgan gerathen bat, ein Geseß, welches den .

Vorschub. Es ist bedauert, a Do ist inläßt, di wetden. Wi it : «Biber E e

Tendenzen kit An pes e c werden. Wo | wieder aufgegeben werden. anzer? t er oibee die Unmöglichkeit eines Planes erkannt, so

, dagegen Front zu machen; hat er die Unmöz- lichtele er v 4 ram T ben Muth tat, dann wäre das ein Mangel an Fähigkeit, die ar agt Lage zu übersehen, wie er auf diesem Posten niht wünschenswerth ist. Ln Abgeordnetenhaus sind die Beamten behandelt, als wäre der Artikel 84 der Verfassung, wonach die Abgeordneten nicht zur Rechenschaft gezogen werden können, eliminiert. ( 1 PeL Schmidt: Ich kann die Behauptun nicht zulassen, daß eine Handlung des Reichskanzlers so sei, als o eine Verfassungöbestimmung eliminiert sei) - Die Ereignisse kommen plöglid, unkekannte Einflüsse mahen #\ch geltend, und Keiner i mehr bereit, die Verantwortung zu üÜbenehmen. Das kommt daher, weil keine Individualität mehr da ist und der Begriff der politischen Verantwortlichkeit verloren ist. Die demokratishen Tendenzen werden heute gefördert. Wir bedauern, daß der Staatssekretär Graf von Bülow angesihts des Trans vaalkriegs die englische Politik im Widerspruch mit der Meinung des Volks unter- stüßt hat. Von den rdsigen Verhältnissen, von denen er gesprochen hat, inébesondere in Bezug auf Amerika, sehe ich fehr wenig. Ein Zugeständniß zieht das andere nah ih, s{ließlich muß der Rückshlag tâärker sein, wenn die Staaten sehen, daß wir stets nahgeben. Wozu brauchen wir noch eine große Flotte, wenn wir stets nahgeben ? Uebrigens ist die Begeisterung für die Flotte, das möchte ih Herrn Richter sagen, keine fünstlihe. Man wird prüfen müssen, wie weit es noth- wendig ist, die Flotte zu vermehren; dazu wird es Zeit sein, wenn die Vorlage gemacht ist. Bei den Buren handelt es fich um Bauern, welche für ihre Heimath kämpfen und voa früh an Waffengebrauh gewöhnt sind. Wir brauchen eine Armee und werden sie uns dun Herrn Bebel nit verkümmern lassen. Der Aufshwung der JInoustrie ist hervorgerufen durch größere Anleihen für Zwecke der Marine u. st. w, Dem steht aber gegenüber die {lechte Lage der Landwirth- haft. Abgesehen von Spiritus und Zuker, sind die Getreidevreise zurück- gegangen. Dazu kommt die Leutenoth infolge des Zusammenflusses in den Städten. Statt Bahnen im Auslande zu fördern und dafür Geld hinaut- zushickten, sollte man lieber Eisenbahnen in unseren Kolonien bauen. Uebrigens habe ich mich darüber gefreut, daß Herr Siemens, also auh ein freisinnigec Großgrundbesizer, geadelt worden iff. Die Junker, auf die man \{lägt, sind weiter nichts als die Führer des Volkes. Will der Reichskanzler eine umsihtige Politik treiben, dann mag er nicht einen einseitigen Industriestaat, sondern den Mittel- und Bauernstand fördern. Die Buren haben bewiesen, was der Bauernstand werth ist.

Staatssekretär des Jnnern, Staats-Minister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Meine Herren! Der Vergleih des Herrn Vorredners zwischen den Verkbältnissen Deutshläands und den Verhältnissen des Landes, wo das kleine, tapfere Volk der Buren jeßt einen {weren Kampf um seine Selbständigkeit führt (Bravo!), war doch etwas kühn; ich glaube kaum, daß seine Deduktionen dahin gehen follten, wir möchten in Deutschland Zustände einführen auf wirthshaftlihem Gebiete (Widerspruch), wie sie im Weideland von Transvaal existieren. (Sehr gut! links.) Jh kann deshalb nicht verstehen, warum uns gerade die Buren heute vorgeführt wurden als Vorbild, wie wir unsere Politik im Reiche leiten sollten, um ein ähnlihes Volk zu erzeugen, wie die Buren. (Sehr richtig! links.) JIch glaube, man kann doch zwei so vollkommen parodoxe Dinge absolut nicht vergleichen. (Sehr richtig!) Das mag ih sehr gut mahen, wenn man das in einer öffentlichen Versammlung sagt, bewiesen wird damit aber auf staatsrechtlihem Gebiete garnichts! (Sehr wahr! links.) Von mir i\t es bekannt, daß ih ein aufrihtiges, warmes Interesse für die Landwirthschaft habe, und ih bekenne dieses Interesse, weil ih der Ansicht bin, wir können eine kräftige landwirthschaftlihe Bevölkerung in Deutschland aus politishen und fozialen Gründen absolut niht entbehren. (Sehr richtig ! rechts.) Jch habe diese meine Auffassung bereits ganz ofen ausgesprochen, als an manchen anderen Stellen vielleiht noch sehr ab- weihende Ansichten herrschten. Aber ih hege zum Besten der Land- wirthschaft den dringenden Wunsch, daß die Herren, welche, gewiß aus innerster Ueberzeugung, landwirthschaftlihe Interessen vertreten, dies in einer Weise thäten, die weniger geeignet wäre, die Gegnerschaft anderer Erwerbsgrvppen in Deutschland hervorzurufen. Jh - glaube, sie würden damit für ihre eigene Sache praktisher handeln, namentlich in Bezug auf die wihtigen Verhandlungen, die uns im nächsten Jahre bevorstehen. (Sehr wahr! links.)

Der Abg. Noesicke hat heftige Angriffe gegen den Herrn Reichss kanzler persönlih gerihtet. Er hat behauptet, die Regierung käme ihm vor wie ein Kautshukball, den Jeder pressen und drücken könne, wie es ihm beliebe. Ich hatte den Eindruck, daß er aber mit der Regierung gerade deéhalb unzufrieden ift, weil er diesen Kautschukball nicht fo pressen und drücken konnte, wie ihm beliebte. (Sehr gut! links.) Er hat, um seine Unzufriedenheit mit der Leitung der Regie- rung im Reiche näher zu begründen, auf die Ausführung des Börsen- geseßes und auf die Eisenbahntarifpolitik in Preußen hingewiesen. Ih, glaube, der Herr Abgeordnete hat vollkommen verkannt, daß er i m Deutschen Neichstage spriht und nicht im preußishen Ab- geordnetenhause. Die Ausführung des Börsengeseßes is nicht S2che des Herrn Reichskanzlers, sondern der Einzelregierungen, und deshalb müssen Sie, wenn Sie glauben, daß- das Börsengeseß in Preußen unrichtig ausgeführt wird, Ihre Angriffe gegen die preußisbe Regie- rung im preußischen Abgeordnetenhause rihten! Das i}t \staaisrehtlich ganz unzweifelhaft. Ich begegne auch hier roieder dem Irrthum, dem ih hier im Reichstage so oft begegne, daß man nicht unterscheidet zwishen den Rechten, welhe die Reichéverfassung dem Reichskanzler und den verbündeten Regierungen giebt, und der souveränen Verwal- tung der Einzelstaaten. Troßdem bin ich sehr gern bereit, bei der Berathung des Etats des Reichsamts des Innern in der zweiten Lesung die Frage der Ausführung des Börsengeseßes eingehend zu erörtern oder erörtern zu lassen.

Was speziell die Tarifpolitik der preußischen Eisenbahnen in Bezug auf den Zucker betrifft, so. wird nah mir der preußische Herr Eisenbahn-Minister die entsprehende Antwort ertheilen.

Der Abgeordnete hat ferner gefragt: was is nun eigentlich im Reich zum Besten der Landwirthschaft geshehen. Jch glaube, er ver- gißt dabei, daß die Schwerkraft der Verwaltung auf landwirthschaft» lihem Gebiete nah unserer bestehenden Verfassung immer noch in den Einzelstaaten liegt, und daß das Gebiet, auf dem das Reich allerdings eingreifen kann, vorzugsweise das Gebiet der Handelsverträge ist, daß die Handelsverträge aber noch bis 1903 festgelegt sind, und daß ta vorläufig kein Simulieren über die Vergangenheit hilft. (Zuruf rechts.) Es wird mir zugerufen: der Artikel der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“! Meine Herren, der Artikel \tammt nicht von mir her und ih habe ihn nicht gelesen, das versichere ih Ihnen, aber das möchte ih doch dem sehr verehrten Herrn Interpellanten antworten, einiges haben wir doch auch auf dem Gebiete der Reichs-

vérwaltung gethan für die Landwirthschaft, und: ih bin glücklih

darüber, daß i an diesen Maßregeln in erster Linie betheiligt gewesen

bin. Wir haben ein Branntwein steuergesey im Reihe gemacht was, glaube ih, den Wünschen der Landwirthschaft im höchsten Grade entsprohen hat. Wenn wir jegt verhältnißmäßig so gute Preise für Spiritus haben, so verdanken wir es unzweifelhaft diesem Geseg, Und wir haben ferner ein Zuckersteuergeseß gemacht, ebenfalls unter meiner Betheiligung in erfter Linie, was zwar seiner Zeit sehr angegriffen wurde; als man aber in der Oeffentlichkeit über seine Abänderung berieth, erklärten die Interessenten der Zuckerindustrie einstimmig : wir wünschen, daß das Geseß aufrecht erhalten bleibt, und es ift auch bis jeyt thatsählich noch kein besserer, praktisherer Vor- \chlag gemacht.

Es ift dann weiter von dem Herrn Vorredner eingegangen auf eine angeblich gemeinschaftlihe Kommission zur Untersuhung deg Lebensmittelyerkehrs zwishen Amerika und Deutschland. Jch kann thm darauf antworten, mir is von dieser Sache offiziell noch nichts bekannt (hört, hört! rechts) und deshalb bin ich auch nit in der Lage, mich zu diéser Frage zu äußern.

Ich möchte jeßt auf die Ausführungen des Herrn Abg. Richter eingehen. J gestehe gern zu, der Herr Abg. Richter hat sih dur seine lange parlamentarische Thätigkeit eine glänzende und für Viele bestehende Beredsamkeit erworben. Jch habe aber solche fahlich fo sorgfältig vorbereiteten Reden, wie der Herr Abg. Richter heute ge- halten hat, s{chon oft von ihm gehört, wenn es sih darum handelte, große Maßregeln im Interesse des Vaterlandes auf dem Gebiete der Landesvertheidigung oder irgend welhen anderen Gebieten durhzu- führen, und ih fann nit leugnen, fast immer waren die Reden des Abg. Richter contra.

Wenn man eine solche tiefgehende Frage hier erörtert, so halte ih es wirklih für nebensächlich, jeßt noch lange zu verweilen dabei, wie diese Bewegung zu Gunsten der Flotte ins Leben gerufen ist. Der Kernpunkt der Frage ist doch der: it das Ziel, was man mit der Bewegung verfolgt, ein sahlich berechtigtes? In dieser Beziehung stellen Sie sich, bitte, einmal die maßgebende Situation vor.

Ic empfinde es gewiß s{chmerzlich, ebenso {chmerz;lich wie der ge- ehrte Herr Vorredner, daß unser handelspolitishes Verhältniß zu Amerika bisher noch immer nicht geregelt werden konnte, weil ih der Ueberzeugung bin, das gute Recht steht auf unserer Seite. (Sehr wahr! Sehr rihtig!) Wir haben sehen müssen, daß, während Amerika fort- geseßt unseren ganzen Konventionaltarif eingeräumt erhält, dieses Land seinerseits seine Zölle erhöht hat in einer Weise, die zum Theil einen prohibitiven Charakter annimmt, und diese Zollerhöhung durhführt in einer Weise, welhe für die deutsWe Induftrie außerordentli lästig ist. (Sehr wahr! rechts.) Das i} mir von Vertretern aller Paeteien sehr eingehend zu *Gemüthe geführt worden. Vir müssen also sehen, daß dieses gewaltige Land, dieser große Staat, den man fast einen Kontinent sür sich nennen könnte, immer mehr sucht sich gegen europäishe Fabrikate abzuschließen. Auf der anderen Seite hat uns England den Vertrag gekündigt, durch den ausgeshlofsen war, daß das englishe Mutterland Vorzugszölle in den einzelnen Kolonien gegenüber den deutsen Bundesstaaten einführen konnte. Bis jeßt haben von diesem Rehte der Vorzugszölle bekannt- lich nur Canada und eine kleine Kolonie Gebrau gemacht, die wir deshalb ebenfalls dem autonomen Tarif unterstellen werden. Daß aber in England die Neigung besteht, auf diesem Wege fortzufahren und uns so zu Gunsten englisher Fabrikate mit der Ausfuhr unserer Fabrikate zu differenzieren und so vielleiht auszuschließen von dem ganzen Markte des englishen Weltreihs, das is ebenso unzweifelhaft. Stellen Sie si also, bitte, vor, wenn Nord-Amerika in seiner un- geheuren Ausdehnung und mit dem Einfluß, den es auch auf andere amerikanishe Staaten übt, und wenn ferner das englisWe Weltreih versucht, uns in dieser Weise mit unserer Produktion von dem Welt- markt auszuschließen: ein wie verhältnißmäßig kleiner Theil der zivilisierten und halbzivilisierten Welt bleibt uns dann noch übrig für die Ausfuhr unserer Fabrikate! (Sehr richtig! rechts.) Daß unter diesen Verhältnissen der Wunsch bei uns rege ist, daß wir wenigstens auf dem noch verbleibenden Theile des Erdballs eventuell mit gleihen Machtmitteln auftreten, wie England, wie Amerika, daß wir au mit gleicher Autorität austreten können, wie unsere handelspolitischen Konkurrenten das ist, glaube ih, gerechtfertigt, und hierin liegt au die eigentliche innere Ursache, weshalb im deutshen Volk in so weiten Kreisen ih plöulih das Verständniß für die weitere Vermehrung unserer Flotte Bahn gebrochen hat. (Sehr richtig! rechts Widerspruch und Zu? rufe links.) Das gestehe ih dem Herrn Abg. Richter ohne weiteres zv: mit Kanonen erwirbt man keine Konventionaltarife und {ließt keine Handelsverträge ab. Jemand, der aber eine starke Waffe in der Hand hat, den behandelt man, wenn es zum Streit kommt, immer mit mehr Achtang wie den Waffenlosen. (Zuruf links.) Ja, Herr Abg. Richter, waffenlos sind wir nicht, soweit es sich um unsere trockenen Grenzen handelt; aber es handelt sih um Verstärkung unserer Seewehr in Gebieten, die außerordentliÞh weit vom Vaterland ent! fernt sind. ;

Jch habe einmal ein sehr interessantes Schriftstück des Grafen Caprivi gesehen. Dem Grafen Caprivi war ein Bericht, eine Denk- \chrift, will ih einmal sagen, vorgelegt worden, in dem ih die Aus- führung befand: die Ecweiterung unseres Kolonialgebiets sei ohne Einfluß, ohne Bedeutung für die Ausbildung unferer Flotte, die ihre eigenen besonderen Ziele habe. Graf Caprivi {rieb an den Rand die Bemerkung: „Das i} sehr unrichtig, denn es wird ein Tag kommen, wo die Flotte ihre Wünsche für Erhöhung ihrer Bedeutung auf die Kolonialverwaltung und den Besiy unserer Kolonien stügen wird.“ Fh glaube, dieses Wort war richtig und ein prophetisches. Ich hatte heute, wie der Herc Abg. Richter sprach, den Eindruck, die Rede hâäite er eigentlih halten müssen, wie es sich darum handelte, die erste deutshe Kolonialerwerbung hier im Reichstage zu gé' nehmigen. Wenn man keine Kolonien hat, dann is vielleicht eine Flotte in dem Maße, wie wir sie jeßt fordern, niht so nothwendig, wenngleich ih ihr Bedürfniß immer mehr betonen wird, je größere Kapitalien wir im Auslande in gewagten Geschäften anlegen. Sobald man aber Kolonien erwirbt, werden die Kolonien nicht nur ein Theil

unseres weiteren Vaterlandes, sondern sie werden auch ein Theil un serer nationalen Ehre (sehr richtig! rechts), Und deshalb, meine Herren, müssen wir die Stärke der Streitkräfte zur See besißen, daß wir unsere nationale Ehre auch in unseren Kolonien ‘vertheidigen können.

(Séhluß in der Zweiten Beilage.)

Zweite Beilage

zum Deutschen ReichszAnzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger. L

„M 296.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Der Herr Abg. Richter hat hervorgehoben, man könne die Ent- wickelung der Einnahmen nicht vorhersehen und sollte deshalb solhe großen'dauernden Ausgaben, wie sie mit der Flottenverstärkung zu- fammenhängen, nit auf die Zukunst basieren. Das ift in gewissem Grade sicher rihtig. Aber wenn man so weit gehen follte, daß man überhaupt wachsende Ausgaben niht mehr wagt, weil man nit sicher {fft, daß in Zukunft auch die Einnahmen ih fortgeseßt steigern oder auf der Höhe erhalten bléiben, dann müßten wir den weiteren Aus- bau unseres Stáatswesens auf wirthshastlichem, politischem und militärishem Gebiet üherhaupt siftieren, Herr Abg. Richter unterschäßt die Verpflihtungen, die Deutschland über- nimmt mit der fortgeseßten Steigerung seines Exports und mit der Vermehrung seines Kolonialbesiges. Das i} aber eine fest- stehende Thatsache, mit der wir rechnen müssen. Ih meine, wenn ein Staat wie Deutschland, der sich bereits so im Welthandel engagiert, und mit Koloniälbesig so festgelegt hat, niht eine ausreichend starke Flotte hat, die den militärishen Anforderungen unter allen Umständen genügen kann, die an die Seewehr gestellt werden, so würde Deutsch- [sand ‘etwa in der Lage etnes Kavallezisten sein, ‘der zwar sehr gut reiten kann, aber kein Pferd hat. Es besteht zwischen der Auffassung des Herrn Abg. Richter und dex Auffassung, wie ich annehme, der Majorität dieses Hauses cin tiefgehender Unterschied. Der Herr Abg. Richter legt “an ‘jede derartige Maßregel, ‘wie fie hier - vorgeschlagen wird, seine kritishe Sonde an und \chreibt alles das in das Debet der Sache, was Zweifel hervorrufen kann. Aber jede große nationale Entwickelung in der Welt ist aus dem Gefühl hervorgegangen, daß ein Staat mit setner wachsenden Kultur auch fortgeseßt wachsende Aufgaben zu erfüllen hat, und daß man das Vertrauen haben und von der Zukunft hoffen muß, daß die Nation stark und opferwillig genug sein ‘rwoerde, diese Aufgaben auch finanziell zu lösen. Einen mathematishen Beweis wird Ihnen der Har Schahsekretär auch ait erbringen können, daß die finanzielle Entwickelung immer so sein werde, daß wir ohne neue Opfer diese Flottenverstärkung tragen können. Wenn aber die Mehrheit des hohen Hauses der Ansicht ist : wir brauchen eine stärkere Flotte zur politishen und handelspolitischen Entwickelung Deutschlands, dann. müssen wir auch den Muth haben, diesen Schriit zu unternehmen und, wenn es nothwendig ist, auch die Mittel dafür aufzubringen. (Bravo! rets.)

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Wie mir mitgetheilt worden ist, hat der Herr Abg. Dr. Noesicke die Veikehrspolitik Preußens aus dem Grunde an- gegriffen, weil für den russishen Zucker ermäßigte Ueberseetarife ge- stellt worden sind nach Königsberg und Danzig. Die Thatsache ist rihtig. Jch habe leider seine Reden und seine Begründung der An- griffe niht gehört, kann also polemisch auf dieselben niht antworten, sondern hier vielmehr nur thatsählihe Aufklärung geben. Aber diefe thatsächlihe Aufklärung wird, wie ih hoffe, vollständig hinreichen, die Verkehrspolitik der preußishen Staatês-Eisenbahnverwaltung in diesem Falle zu rechtfertigen. Meine Herren, wir sind in Preußen {on lange und ic füge hinzu, mit vollem Recht sehr vo!sichtig in unserer Tarifpolitik gewesen, nach der Richtung hin, die agrarishen JIuteressen nit zu verleßëa, sondern zu fördern. (Sehr richtig! links.) Meine Herren, wir haben nah der Nichtung der Förderung hin außer- ordentli viel gethan, haken keinen Dank dafür erwartet (hört! hört! links), ‘allerdings au keinen Dank dafür erbalten (fehr richtig! links), obgleich wir wirklich mit Hintanfeßung fitkalisher Interessen \{chwer- wiegenden Interessen der Landwirtschaft dadurÞ Rechnung getragen haben. Es iff}t hier ait der Ort, das im Einzelnen auszuführen; es ift das anch oft genug im preußischen Landtage ausgeführt worden. Die Herren Landwirthe glauben aber häufig, fie seien ganz allein auf der Welt (hört! hört! links; große Unruhe rechts), die Andern müßten ihnen gegenüber zurücktreten, und daher ist dieser Fall der Tarifermäßigung für den russischen Zudter ein ganz zweckmäßiges Beispiel, das ih mit Freuden begrüße, um hieran eine Aufklärung zu knüpfen. Die russishen Eisenbahnen sind bemüht gewesen, die nicht unbedeutenden russishen Zackerexporte für ihren Hafen Liebau zu er- werben, und hatten infolge dessen Ermäßigungen eintreten lassen, die, wenn preußischerseits die Konkurrenz für Danzig und Könt,sberg nicht aufgenomnen worden wäre, zum Ergebniß gehabt hätten, daß dann Königsberg vnd Danzig den Handel und die Rhederei in russi’ hem Erportzucker vollständig verloren hätten. (Hört, hört! links.) Weil wir nun aber do vocsihtige Leute sind, haben wir uns vorher ge- nügend vergewi}?rt, welhe Aufnahme diese Maßregel bei den zunächst Betheiligten finden wird. Wir haben daher den Bezirks-Eisenbahnrath befragt. Der Bezirks-Eisenbahnrath, in dem die agrarishen Jateressen naturgemäß berehtigterweise und entsprehenderweise vertreten sind, hat sih mit diefer Maßregel entroeder einstiminig oder mit allen gegen zwei Stimmen (hött, hört! links) das weiß ich in diesem Augenblick nicht genau einrerstanden erklärt. Wir haben also durchaus keinen Anstand nehmen dürfen, diese Maßregel einzuführen. Der Bezirks- Eisenbahrrath hat dabei ausdrückiih sein Votum dahin motiviert, daß auch die Landwirthschaft ein großes Interesse daran hätte, Danzig und Ködönigsberg mit seinen hedereien und seinem Handel präitationsfähig zu erhalten, und daß er aus diesem Gcunde auch für das auêländishe Produkt Tarifermäßigung gewähren wollte; er habe daran den Wunsch geknüpft, den ich au théile, daß auch für den inländishen Zucker Exportiarife. gewährt werden möchten. Wenn die Eisenbahnverwaltung allein darüber zu entsheiden hätte, wären diese Tarife längst eingeführt. (Hört, hört! Links.)

Aber ich bitte die Herren Zuckerinteressenten, sih einmal zunächst unter sich zu einigen. Diese Einigung steht bis dahin vollständig aus, und wenn wir nach der Produktion abstimmen wollten, so würden, soviel ich das übersehen kann ih will mi aber gern belehren lassen —, heutzutage die Sachen so licgen, daß die Majorität entshieden nicht für die Gewährung der billigen Exporttgrife sein

Berlin, Freitag, den 15. Dezeniber

würde. (Hört, hört! links. Zuruf in der Mitte.) Warum? Das ist sehr einfa: weil dadurch die begünstigten Regionen der Zucker- erzeugung solhe Vortheile erlangen würden, daß die Minder- begünstigten sich dadurch wahrscheinlich benahthéiligt fühlen würden. (Unruhe rechts.) Zum Beispiel, ganz Süddeutschland steht wie ein Mann gegen diese Exporttarife und ein großer Theil in ünserem Lande des- gleihen. Die Sache is also nicht so einfach, wie sie vielleicht von der Zeitungsnotiz her sich ansieht. h

Meine Herren, ih werde immer bestrebt sein und halte das für eine Pflicht der preußishen Verkehrspolitik, der Landwirthschaft in ihren {weren Zeiten beizust-hen, soweit es irgend mögli i; aber ih kann nur wiederholen, sie môge nit vergessen, daß si: auf diesem Erdenrund niht allein steht, sondern daß au andere berechtigte wirthschaftlihe Interessen dabei berücksihtigt werden müssen. (Bravo! links.)

Abg. Freiherr von Hodenberg (b. k. F.): Der König ist in erster Linie dazu da, das Schwert zu führen und R-cht und Ordnung zu schüßen, aber es ift gefährlih, in fragen, wie sie uns vocliegen, die Initiative zu ergreifen, wenn ein Ünglück eintritt. Schmeichler: sind die .{lechtesten Stüßen der Krone. Wir theilen die Sympathien für die Buren, freuen uns aber, daß im Hause nicht die Hetze gegen England betrieben worden ist, wie das auß-rhalb des Hauses ge- schieht. Der deutshe Kaufmann hat keine Ucjahe, ih an dieser Heye zu betheiligen. H-:rr Bebel \{chlägt die Frömmigkeit der Buren zu gering an. Es gtievt eine Partei in Deutschland, die im Vertrauen auf Gottes G:rehtigkeit und Hilfe lebt. Von einer Weltmachipolitik wollte Fürst -Bismarck nichts wissen; er -hat-das Hauptgewicht geleat auf den Dreibund und die Rückoersiherung mit Rußland. Sind nit die Flottenvorlagen der reine Hohn auf die ivealen Ziele bes: Zarèn und ‘die’ Friedenékonferenz? - Glauben Sie, daß man in Oefterreich zu uns Vertrauen hat und Ursache, uns zu vertrauen? Wir stehen keineêwegs untbätig-da. Die-angeborne Be- scheidenheit, von der der Staatssekretär Graf hon Bülow sprach, zeigt sih am besten darin, daß wir uns niht in ande: e Verhältnisse wischen. In diefer Beztehung ist die neue Flottenvorlage eine große Gefahr. Laufende von Arbeitern werden von der Fiotte und der damit zusammenhängenden Industrie der Landwicthschaft ‘entzogen.

_ Abg. Graf von Klinckowstroem (d. kons.): Die Aus- führungen des Abg. Richter haben gar keinen Eindruck auf uns ‘ge- macht. Es hat niemals in unserer Absicht gelegen, die Stellung des Reichskanzleis erschüttern zu wollen. -Wir -wollten ihn -auh nicht persönlich angreifen, sondern nur zum Ausdruck bringen, daß wir mit der Haltung des Reichskanzlers in den wichtigsten innerpolitishen Fragea nicht einverstanden sind. Wir werden immer sahlih zu den uns zugehenden Vorlagen der verbündeten Regierungen Stellung nehmen. Die konservative Partei ift unter allen Umständen selb. ständig und wird immer selb\tändig bleiben nach oben uno nach unten.

Abg. Dr. Hasse (nl) erwidert dem Abg. Rickert, daß der All- deutsche Verband die Verantwortung für die erwähnte Versammlung nit übernehmen könne, da sie keine solche des Alldeutshen Verbandes g‘wesen sei. Ueber die auswärtige Politik hätte man unter dem Fürsten Bismarck nicht zu sprehen brauchen, weil man fie gut ge-

borgen gewußt habe. Seit dem Neichskanzl-r Grafen von Caprivi fet das anders geworden, und heute sei die auswärtige Politik wichtiger als die innere. Die „Flottenprofessoren*“, fährt der Redner fort, treten obne eigenes Interesse und ohne Servilismus, allein avs patriotisher Pflicht und voller Jdealismus für die Flotte ein. Der Staatssckretäc Graf von Bülow fkritisiert abfällig die, welche im Studierzimmer bei der Zigarie Koloni-n erwerben 2c. Jh weiß nicht, wen er damit meinte, mich jedenfalls niht, denn ih bin Nichtraucher. Es sind aber {on viele große Pläne im Studierzimmer ausgearbeitet. worden. Jm Bahuhau in Afrika müssen wir endli einmal zum Wazen übergehen. Was die Landkonzession in Nordwest-Kamerun betr ffti, so sind Landkonzessionen nothwendige EGntwickelungéphafen der Kolonien, aber es kounut auf das Wie an ; man hat hîierin keine glüdlihe Han» gehabt. Die Konzeision im Sütcen Kameruns hatte ihre Berechtigung, um fremde Konkurrenz auszuschließen, und aus militärishea Gründen. Anders is es in Nordwest-Kamecun. Diese Landkonzession {iebt sh zwischen Kamerun und defsen Hinterland hinein. Seine Ries-ngröße von 800 Millionen Hektar entspriht nicht dem winzig.-n Kapital von 4 Millionen, das die Konze ssionáre auswenden follen. Was wollen die Ko: zessionäre in diesem Gebiet? Um Handelsmonopole handelt es sich nit, denn der Handel soll vertragsmäßig frei bleiben. Es können also nur Landfpekulationen in Frage kommen Welcher Att aber ? Plantagenbau oder Anderes? Bindende Verpflichtungen haben die Konzessionäre nicht übernommen. Es ist nit richtig, daß die Regierung die Disposition über so großes Gebiet auf 40, 50 Jahre aus der Hand giebt. Es liegt die Gefahr vor, daß die Konzessionäre ein großes Kapital sammein und an der Küste von Kametun mit Bergbau denen Konkurrenz machen, welche bisher s{chon mit fleinerem Kapital Bergbau treiben. Die ganze Konzession is ücerbaupt eine lex imperfecta. Redner krit si:2rt im einzelnen die Bestimmungen der Konze|sion; es könne leicht vorkommen, daß die Inhaber der Genußscheine die Aktionäre majorisieren. Es liege die Gefahr vor, vaß noch andere solhe Kon- zcssionen ertheilt werden, es könne aber nit geduldet werden, daß das Land unserer Kolonien an wenige Großkapitalisten aufgetheilt werde. Was die Flottenvorlage betr ffe, so freue er sich, daß die Wünsche des Alldeutshen Verbandes übertioffen seien. Auf die Weltpolitik wolle er bei d-r Lage der Geschäfte niht näher eingehen. Im Zusammenhang damit stehe die Bevölkerungs8- und die Handelspolitik Die Zunahme der Be-rölkerung sei so groß, daß man auf einen Abfl(ß über See forgen müsse. Entweder, fo N der Redner scine Ausführungen, wir führen Menschen aus oder Waaren. Wir müssen überzehen von der Duldung zum Vertrag und om Vertrag zur Herrschaft. Ebenjo wie Preußen gezwungen war, in Europa sich eine Stellung als Großmacht zu erringen, so muß Deutschland sich eine Weltstellung erringen. Eine Alleinherr (aft. wie England und Rußland brauchen wir nicht anzustreben. Wir werden dafür zu sorgen haben, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen durch eine eatsprehende Flotte. Wir stehen seit langem son tief in der Theilung der Welt, und wir müssen ein Stü von dem Reste bekommen. Wir sind Jahrhunderte nur Amboß gewésen; wir wollen in Zukunft Hammec sein.

Direktor der Koloaial-Abtheilung des Auswärtigen Amts Dr. von Buhka: Meine Herren! Mir ist aus den Ausführungen des B Vorxcedners nit ret klar geworden, warum jeyt Gefahr im BVer,uge liege und warum die Frage der Konzessionspolitik in-dèn Schußzgebieten noh in dem gegenwärtigen Augenblick erörtert werden mußte, da ih nicht annehmen fann, daß das hohe ps in dieser vor-

gerückten Stupode und in seiner jeßizen Pcäsenzstärke noch geneigt sein wird, diese prinziptelle Frage gewissermaßen aus dem Handgelenk zu entscheiden. Da es aber nun einmal dem Herrn Vorredner gefallen hat, diese Frage anzuschneiden, so muß ich um die Erlaubniß bitten, wenigstens in eintgen großen Zügen ihm zu antworten. Auf das Detail werde ih niht eingehen, dazu wird sih Zeit in der Kommission finden, und ih bin stets bereit, dort dem Herrn Vor- redner auf alles und jedes Rede zu stehen. Ueber die Nüblichkeit

der von mir in Kamerun ertheilten Konzessionen sind mir sehr ver-

1899.

schiedene Ansichten éntgegengetreten. Es gieht Leute, welche über- Lu gegen jede önzesfidn find und ie beiden Konzessionen fü! üd- Kamerun „und Nordwest-Kamerun ohne weiteres ‘als \{le| verwerfen, Dann bin ich auf Leute gestoßen, die mir getagt Hah2N die Konzession Süd-Kamerün is ja haarftrbübend, da hat d f

Kolonital-Virektor einmal seine vollständlge higkeit bèrolesen, di Konzession Rordwest-Kamerun is viel bsser, die muß ein Andere! gemacht haben. Wieder auf einem anderen Standpunkt {teht Herr Vorredner, indem er die Konzession Nordwest Kamerun it und Süd-Kamerun für besser findet. Bei diesem Widerstteit der * sichten glaube ih doch eine gewisse Berehtigung zu haben, wenn f zu-der Annahme gekommen bin, daß ih im Großen und Ganzen Richtige getroffen habe. Melne Herren, die Konze} siontpolitik, wel ih bisher befolgt und als richtig erkannt habe und eventuell a

weiter verfolgen werde, besteht darin, das Großkapital in bte Kolontén hineinzuziehen und Landkonzefsionen dort zu ertheil-n, wo die Auf- \chließung eines no vollständig unkultivierten und \{wer B

Landes durch kleinere Ausiedler auf absehbare ‘Zeit unmögli n ) h erreiht wird, die Aufsließung der Hiutér- länder in viel \{hnéllerèr Zeit herbeizuführen, als es auf anderem Wege mögzlich sein würde. Diese Vorausscßang trifft nun aber meiner Ansicht nah auf die beiden von mir ettheilté Konzessionen vollständig. kt Wenn „der Herr Vorredner gemeint hät, er gâbe zu, daß es eine Berechtigung habe, in peripherischen Gegenden, in Grenzgebieten Konzessionen zu ertheilen, so mache ih darauf auf- merksam, daß, wie ein Blick auf die Karte lehrt, nicht nur die Gesell- shajt Süd- Kamerun, jondern auh die Gesellschft Nordwest-Kamerun ein Grenzgebiet besitzt und daß die Grenzen ebensowohl wie ‘im Süden gegenüber Frankreih, so auch im Nordwesten gegenüber Eñg- land noch nicht völlig festgestelt sind. Der Herr Vorredner hat scdann seine Angriffe „gegen . die Konzessionen . vor. allen. Dingen .darauf bafiert, daß die Konz-\sion zu groß sei: 80000 Quadrat- filometer fei haarsträubend, das sei ein Land fo groß wie Bayern, und eine Konzession in solhem Umfange zu vergeben, das ginge zu weit. Demgegenüber wöchte ih bemerken, daß das Land, in welchem der G.sellshafst Nordwett-Kamerun.die Konzeision. ertheilt ist, jeßt, so wie es ist, noch garnihts werth is, daß es erft einen Werth bekommen kann und wird durch die kultivierende Thätigkeit der Leute, die mit ihrem Gelde dort hineingehen. Jm übrigen sind die von der Gesellshaft dort zu erfüllenden Aufgaben so große, daß darin allein {on meiner Ansicht nach eine ausreichende Rechtfertigung für die Größe der Konzession begründet ist. Zwei Häuptaufgaben werden ‘es meiner Ansiht nach zunächst fri welche von den Kon- ¡essionären zu erfüllen jein werden. Zunächst wird es erforderli sein, den -Abiperrungèring, welcher jeßt durch. die. Küstenstämme. gegenüber: den im Hinterlande wohnenden Stämmen gebildet wird, zu durŸÿ-- brehen, dadurch den Handelsprodukten des Hinterlandes den We zu der Küste zu. öffnen und auf diese Weise den Handel, der jeb zum größten Theil auf Umwegen nah dem englischen Gebiet. geht, nah Kamerun hin inzuzieben. Eine weitere Aufgabe, welche den Konzefsionären gestellt ift, liegt in Folgendem. Aus dem - Konzessions- gebiete bezogen f üher die Calabarhändler, also aus englishem Gebiete, Sklaven in großer Menge. Durch die vorgeshobenen deutschen Zoll- posten an der Nordwestgrenze sind die alten Handelswege jür die Sfklavenßändler nah Old Calabar geshlossen worden. Aber ‘im Norden der Konzession wird nördlih von den Croßschnellen, in einer Gegend, in welher wir bis jeßt noch nit genügend haben Fuß fassen können, noch jeßt ein s{chwunzhafter Sklavenhandel nah englishem Gebiet getrieben, und es wird die zweite Hauptaufgabe der Konzefsionäre setn, durch Erschließung dieses Landes ouch deu weiteren Betiteb dieses Sklavenhandels zu unterbinden. Wenn es in der Konzessionsurkunde heißt: die Freiheit des Handels soll konserviert werden, fo ift dies du:haus kein theoretischer Aus» spru@, feine leere Redensart, jondern eine w!&tige Verpflichtung der Gesellschaft, wle ih beabsihtiye, mit vollem Ecust durchzuführen. Die Konzessionâre sid niht allein an die Konzession gebunden, fondern es bestehen für sie auch ncch weitere Verpfl:chtungen auf Grund einer Allerhöchsten Verordnung über die Schaffung, Besitergreifung und Veräußerung von Kroniand, vom 15. Juni 1896, uad der Ausfüh- rung8bvestimmungen, die der Herr Reichskanzler zu diescr Veroktdnung unter dem 17. Oktober 1896 erlassen hat. Danach sind u. a. bei der Besißnahme von ‘berrenlosfem Krouland, die ja den Konzessionären zu- aeftanden worden ist, Flächen vorzubehalten, deren Bebauung oder Nuzung den, Unterhalt der Eingeborenen auch mit Rücksicht auf die künttige Bevölfkerungszunahme siwert. Jh bin also berechtigt, nah meinem Ermessen erhebliche MNeservate jür die Eingeborenen vorzus behalten, auf welchen dieselben im stande sind, die Produkte des Landes zu ziehen und zu kultivieren und mit denfelben Handel zu treiben. Ich habe auch im übrigen die feste Absiht, für den Fall, daß dies erjorderlih werten follte, Maßnahmen zu treffen, welche geeignet sin», den Handel zu schüßen, und es lag mir velländig fern, der Gesellshaft „Nordwest-Kamerun“ 6ia Handelêmonopol zu ertheilen, durch welGes sie im stande wären, den Handel zu unterbinden odèr aus dem Konzessions, ebiete zu verdrängen. Daß die Gesellschaft eine Faktorei an der Küste von Kamerun erworben hat, wird man ihr nit zum Vorwurf machen können. Wo foll fie mit ibren Produkten bleiben ? Sie muß sie doch an die Küste führen, und muß, um diese Produkte zu stapeln und zu lagern und zu verwerthen, do einea Play habe, Jh weiß daher nicht, wie man der Gesellschaft einen Vocwu:f daraus malen kann, daß sie an dem Orte Kamerun eine Handelsfaktorei begründet hat. D r Herr Vorredner hat nun ferner gemeint, es wáre daraus ein Vorwuf herzuleiten gegen die Konzession, daß sie keinen Schuß dagegen gewähre, daß in ähnlizer W. ije, wi- dies mit den Genußfchcinen der Gefellshaft, Süd-Kamerun“ geschehen Börsenspekulationen mit ihren Antheil scheinen und Genußscheinen betrieben wurden, und er hat dea Vorschlag gemacht, daß die Aktien aussließlich auf den Namen lauten müßten. Ih würde an si vollständig hiermit einverstanden sein; es würde das ja das beste Mittel sein, um jede Spekulation mit der- artigen Antheilscheinen zu unterbinden. Aber ih gl ube kaum, da es irgend einem Menschen, und auch dem Herrn Vorredner nih1, möglih sein wird, dann das erforderlihe Kapital für eine solhe Gesellschaft herbeizuschaffen. Das Kapital verlangt eben, wenn es in derartige Unternehmungen hineingeht, beweglihe Werthe, und dieje beweglihen Werthe sind nur dadur zu schaffen, daß man sie auf den Inhaber stellt... So wie wir die Anforderung ftellen würden, E auf den Namen zu stellen, würde das Kapital sih zurück- zichen. Im übrigen muß ih darauf hinweisen, daß ih in. diesen Tagen einen Antxag der Gesellsshaft „Nordwest- Kamerun“ genehmi babe, welchér darauf ging, das Cauten ge Kapital, welches bis dahin 4 Millionen Mark betrug. auf 10 Millionen Mark zu erhöhen. Die JInveskierung eines Kapitals von 10 Misltionen Mark in einem roch gänzli unkultivierten, unzivilisierten und \chwer zugäng- lichen Gebiete scheint mir doeh für den Anfang ausreichend zu sein. Jch glaube außerdem, daß winn es erforderlich sein sollte, au eine weitere Erhöhung dieser 10 Millionen erreiht werden könnte. Vor- läufig, meine ih, können wir uns dabet beruhigen, daß diese 10 Mil- lionen Mark zur Kultivierung jenes Landes verwendet werden. Auf weitere Einzelheiten will ich nicht eingehen, ih will aber noch meiner Freude darüber Ausdruck geben, daß der Herc Vorredner in maßvoller Weise seinen entgegengeseßten Standpunkt geltend | hat, und will weiter hervorheben, daß i diei Politik, wel

als die rihtige erkannt habe, au weiter verfolgen werde, und

würde, weil dadurd

ih mih dur pérsönlihe Verdächtigungen und Angriffe, wie sie thi